Gerichtsprozesse – ABC Rhineland https://abcrhineland.blackblogs.org Anarchist Black Cross Rhineland - Freiheit für alle Gefangenen! Freedom for all prisoners! Wed, 24 Mar 2021 10:04:53 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 Freispruch durch Erinnerungslücken https://abcrhineland.blackblogs.org/2021/03/24/freispruch-durch-erinnerungsluecken/ Wed, 24 Mar 2021 10:04:53 +0000 http://abcrhineland.blackblogs.org/?p=2267 Continue reading Freispruch durch Erinnerungslücken ]]> deutsch

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Folgender Bericht wurde uns zugesandt. Vielen Dank!

Im heutigen [Anm. 22. März 2021], vorraussichtlich letzten Verhandlungstag gegen ein*e der Hambi9 bot sich der Verteidigung ein müheloser Erfolg. Angeklagt war Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte nach § 113 StGB.

Dieser Vorwurf benötigt irgendeine Handlung, die die Repressionsorgane als "Gewalt" auslegen können, wozu auch Anketten zählt. Die Anklage schwafelte denn auch irgendwas von "Stahlseilen", mit denen sich die angeklagte UP an der Seilkonstruktion des über einem Tripod hängenden Skypod befestigt hätte. Mehr als diese Anklageschrift kannte der wie üblich glorreich unvorbereitete Staatsanwalt jedoch nicht von der Akte.

Nun konnten sich von den vier anwesenden Polizeizeugen drei zwar mit Müh und Not daran erinnern, dass es diese Konstellation "Skypod über Tripod" gegeben habe, außer dem Schriftführer Schleich, der nur im Auto saß und anhand des Funkverkehrs seinen Bericht schrieb, konnte sich aber keiner erinnern, dass der Skypod geräumt wurde.

Der erste Zeuge, Herr Berghauer vom Kölner "Höheninterventionsteam", meinte sich sogar zu erinnern, dass die Person nicht geräumt worden wäre, sondern selbstständig sich in ein Baumhaus neben dem Weg (DeathPop, Anm. des protokollierenden Zuschauis) begeben hätte. Er, ebenso wie der zweite Klettercop, konnten nur von der Räumung des Tripods berichten. Jener war sich nicht einmal sicher, ob der Skypod, an dessen Existenz er sich durchaus erinnerte, zu der Räumung dieses Tripods gehörte oder nicht vielmehr während der Großräumung im September 2018 angetroffen wurde. Glück für uns, dass das HIT erst zur Reulung begonnen hat, ihre Einsätze selbst zu dokumentieren, so waren die Zeugen ausnahmsweise mal tatsächlich auf ihre Erinnerungen angewiesen, statt sich wie üblich eigentlich nur an ihre Berichte zu erinnern.

Abgerundet wurde das ganze durch Pauli, Kölner Klettercop, mit so tollen Zitaten wie: "Ich hab in der Zeit - ich übertreib jetzt bestimmt - bestimmt im dreistelligen Bereich Leute runtergeholt von irgendwo" und "Das ist für mich ja nichts besonderes, da fährste nach Hessen, holst Leute runter vom Baum, fünf Minuten später bist du schon wieder woanders." An den Einsatz, um den es ging, konnte er sich aber gar nicht mehr erinnern.

Es folgte ein Rechtsgespräch zwischen Anwältin, Staatsanwalt und Richter hinter verschlossenen Türen, bei denen nochmal um eine Einstellung verhandelt wurde, um zu vermeiden, was unausweichlich folgte: Das skurrilste Plädoyer der Staatsanwaltschaft seit längerem: "Wie ja schon besprochen, ich wiederhol jetzt nur für die, die nicht dabei waren, was der Richter eben gesagt hat…"

Einziger Streitpunkt war am Ende die Frage, ob es für die sieben Wochen U-Haft Entschädigung geben sollte, was Richter und Staatsanwalt verneinten, aber dagegen ist das Rechtsmittel der Beschwerde möglich.

Damit geht ein Verfahren in der Hauptsache wohl zu Ende, das nie wäre begonnen worden, wenn Staatsanwaltschaft und Gericht bereits 2018 auf die  Polizeiführung gehört hätte, die nach dem schriftlichen Bericht des Zeugen Schleich die vorgeworfene Handlung nicht als Widerstand, sondern als nicht strafbare Sitzblockade einstufte und die jetzt freigesprochene Person nur zur Personalienfeststellung in Gewahrsam nahm.

Die UP fand das ganze Verfahren lehrreich und äußerte mit ihren letzten Worten ihre Dankbarkeit für das Gelernte:

“Liebe Staatsanwaltschaft, lieber Richter,

Vielleicht sollte ich mich bei euch bedanken. Bevor ihr euch entschieden habt, mich ins Gefängnis zu schicken, hatte ich volles Vertrauen in die Justiz. Ich wollte eigentlich studieren, voll integriert in die Gesellschaft sein.

Ich dachte "Gefängnisse sind für böse Menschen, dadurch werden sie sicher besser" aber ihr habt mir gezeigt, dass die Menschen, die in U-Haft sitzen, einfach sehr arm sind oder aus dem falschen Land kommen.

Ihr habt mich etwas über strukturellen Rassismus und Klassismus gelehrt. Da hab ich gelernt, solidarisch zu sein, indem ich für analphabete Menschen Briefe an ihre Verwandtschaft geschrieben habe, die keinen anderen Weg hatten mit ihnen zu kommunizieren. Dank ihnen habe ich gesehen, die bösen Menschen sind vielleicht die, die die Freiheitsberaubung der anderen organisiert, nicht die, die um ein mal schön zu riechen ein Parfum geklaut haben. Nicht die, die wegen Mundraub den ersten Geburtstag von ihrem Kind nicht mitfeiern werden.

Ihr habt mich besser überzeugt als alle Bücher über anarchistische Theorien. Ich werde für meine Rechte und die von anderen kämpfen und dabei das Gesetz so oft wie nötig brechen, was ich vorher noch nie gemacht hatte. Ihr habt meinem Leben ein Ziel gegeben. Danke für die Radikalisierung.“
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Zwei Prozesse am Montag 22. März 2021 https://abcrhineland.blackblogs.org/2021/03/19/zwei-prozesse-am-montag-22-maerz-2021/ Fri, 19 Mar 2021 14:20:16 +0000 http://abcrhineland.blackblogs.org/?p=2260 Continue reading Zwei Prozesse am Montag 22. März 2021 ]]> deutsch

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Am Montag, den 22. März 2021 finden zwei weitere Strafgerichtsverhandlungen im Hambi-Kontext statt. Die Betroffenen freuen sich über solidarische Prozessbegleitung!

In Aachen wird ab 13 Uhr erneut in der Berufungsverhandlung über einen "tätlichen Angriff /Körperverletzung" (= Cop am Ellenbogen verletzt) verhandelt. In der 1. Instanz vorm AG Düren wurde bereits eine Geldstrafe über 60 Tagessätze verhängt.

In Kerpen wird ab 9 Uhr nun nach drei Jahren ein dritter Versuch für die Hauptverhandlung gegen eine UP der Hambi9 gewagt. Die UP wurde 2018 noch vor der großen September-Räumung während einer Barrikadenräumung festgenommen und saß mehrere Wochen in Untersuchungshaft.

Beim ersten Verhandlungstag im März 2018 wurde die Person aus der Haft entlassen, das Verfahren allerdings vom Hauptverfahren abgetrennt und an den Jugendrichter übergeben. Im Dezember 2020 wurde erneut verhandelt, aber nur kurz: während Richter Königsfeld nach seinen bisherigen, stark politisch motivierten, Auftritten u.a. gegen Eule oder UPIII fast gelangweilt auf sämtliche Sicherheitspolizeilichen Vorkehrungen (Ausweiskontrolle, Cops, Taschenkontrollen usw.) verzichtete und zu einer Einstellung bereit schien, pochte die Staatsanwaltschaft auf die Angabe der Personalien bzw. das Einwilligen in eine Erkennungsdienstliche Behandlung als Auflage für eine Einstellung.

Dazu kam, dass wieder einmal keine für "die Aufklärung des Sachverhalts" hilfreiche Zeugen geladen waren, sodass der Prozess erneut verschoben wurde. Da der Mangel an Dokumentation von Polizeieinsätzen bereits in mehreren Hambi-Prozessen, insbesondere in den Hambi9 - Prozessen auseinandergepflückt wurde, bleibt also abzuwarten, ob diesen Montag tatsächlich das Verfahren zumindest in der 1. Instanz beendet werden wird.
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+++ ABGESAGT +++ §114 Berufung gegen Freiburger Aktivisten nach Hambi-Räumung 2018 https://abcrhineland.blackblogs.org/2020/12/04/114-berufung-gg-freiburger-aktivisten-hambi-raeumung18/ Fri, 04 Dec 2020 10:50:41 +0000 http://abcrhineland.blackblogs.org/?p=2249 Continue reading +++ ABGESAGT +++ §114 Berufung gegen Freiburger Aktivisten nach Hambi-Räumung 2018 ]]> deutsch

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+++ ABGESAGT! Der Prozess findet voraussichtlich im März 2021 statt. +++

Quelle: Rote Hilfe Ortsgruppe Freiburg

Am 07.12. soll um 09:00 Uhr am Landgericht Aachen in Raum A 1.010 ein Prozess gegen einen Freiburger Aktivisten wegen der Räumung des Hambacher Waldes im September 2018 stattfinden. Der Beschuldigte wurde dabei bereits vor einem Jahr vom Amtsgericht Düren freigesprochen, die Staatsanwaltschaft will aber scheinbar den neu geschaffenen Paragrafen §114 bis an seine Grenzen treiben.

Der Vorwurf: Der Aktivist soll einen Polizeibeamten bei seiner Festnahme getreten haben. Dazu wurden beim ersten Prozess zwei Beamt*innen als Zeug*innen gehört. Der angeblich geschädigte Beamte selbst konnte sich nicht wirklich erinnern, ob es überhaupt einen Tritt gegeben hatte. Eine weitere Polizeibeamtin sagte dann aber aus den angeblichen Tritt gesehen zu haben. In einer Situation als der Beschuldigte bereits am Boden war und der angeblich Geschädigte ihm bereits auf dem Rücken kniete. Die Staatsanwaltschaft sah daraufhin den Tritt als bewiesen an. Sie argumentierte weiter, dass der Tritt auch gar nicht nötig sei zur Verurteilung. Dafür reichte laut Staatsanwalt das alleinige Zurennen auf die Polizeikette. Das Amtsgericht folgte dieser Logik nicht und urteilte deshalb mit einem Freispruch.

Das neue Verfahren wurde bereits mehrfach verschoben, aber die Staatsanwaltschaft will dennoch weiter ihre Argumentation durchsetzten. Sollte diese Argumentation des „Zurennens“ auf Beamt*innen zu einer Verurteilung führen, hätte dies zur Folge das Aktivist*innen willkürlich zu hohen Geldstrafen verurteilt werden könnten. In diesem Fall fordert die Staatsanwaltschaft eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen.
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Hambi 9 Kerpen – es geht weiter… https://abcrhineland.blackblogs.org/2020/12/03/hambi-9-kerpen-es-geht-weiter/ https://abcrhineland.blackblogs.org/2020/12/03/hambi-9-kerpen-es-geht-weiter/#comments Thu, 03 Dec 2020 22:19:11 +0000 http://abcrhineland.blackblogs.org/?p=2230 Continue reading Hambi 9 Kerpen – es geht weiter… ]]> deutsch

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Was lange währt, wird endlich... naja, wird endlich überhaupt etwas. Fast drei Jahre nach der Festnahme findet am Montag, 7. Dezember 2020 ein Prozess der ersten Instanz gegen eins der Hambi 9 in Kerpen statt.

Die Person heißt im Justizsystem UP3, saß von Januar bis März 2018 in Untersuchungshaft, weil mensch vorgeworfen wird, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 Abs. I StGB) geleistet zu haben. Laut Anklage soll das am 22. Januar 2018 so passiert sein:

Anarchist Black Comic

Nach einem ersten, spannenden Prozesstag im März 2018 wurde UP3 entlassen und das Verfahren ans Jugendgericht übergeben. Und hier sind wir nun. Kommt zahlreich - und vermummt, aber trotzdem mit Ausweis, wenn ihr ins Gebäude wollt.

Wann & Wo:

7. Dezember 2020, 9 Uhr
Amtsgericht Kerpen, Raum 112
Nordring 2 - 8
50171 Kerpen
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Prozessbericht Hambi9 Kerpen Tag 1 https://abcrhineland.blackblogs.org/2020/12/03/prozessbericht-hambi9-dueren-tag-1/ https://abcrhineland.blackblogs.org/2020/12/03/prozessbericht-hambi9-dueren-tag-1/#comments Thu, 03 Dec 2020 17:59:10 +0000 http://abcrhineland.blackblogs.org/?p=2227 Continue reading Prozessbericht Hambi9 Kerpen Tag 1 ]]> deutsch

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Lang ist's her. Endlich ein Bericht: Am 15. März 2018 fand der erste Verhandlungstag gegen die Hambi4 vor dem Amtsgericht Kerpen statt. Um die Frage Warum? hier überhaupt verhandelt wird, wird es an diesem Tag nicht gehen. Dafür umso ausführlicher um das Wie?.

Eigens für den Prozesstag hatte Joachim Rau, Direktor des Amtsgerichts, eine sitzungspolizeiliche Anordnung verfügt, nach der Besucher*innen das Gerichtsgebäude und insbesondere den Verhandlungssaal nur gegen Vorlage des Personalausweises betreten dürfen.

Der Prozess beginnt mit etwas Verzögerung um 14.30 Uhr, was den zahlreich erschienenen Pressevertreter*innen genügend Zeit gibt, die Angeklagten mit ihren Kameras abzulichten.

Die vier Angeklagten, zu diesem Zeitpunkt alle bereits zwei Monate in Untersuchungshaft, sitzen mit ihren Verteidiger*innen und zwei Dolmetscher*innen auf der linken Seite im Saal. Ihnen gegenüber Staatsanwalt (StA) Schützeberg aus Aachen als Vertreter der Anklage.

Direkt nach dem Aufruf der Vorsitzenden Richterin Pretzell zur Sache beanstandet RA Hatlé die ausgebliebene Ladung seines Mandanten UP2 zur Haftprüfung am 23. Februar. Bis zum Prozesstermin hatte sich die Vorsitzende nicht zu dem entsprechenden Antrag geäußert. Die Vorsitzende kommt dem nach, indem sie ankündigt, diese direkt vor Ort nachzuholen: „Dann klären wir das jetzt im Haftkeller!“

UP2, RA Hatlé und die Richterin verlassen den Saal, in der Wartezeit verteilt die Französisch-Dolmetscherin Bonbons an die Angeklagten und Justizwachteln.

Das Ergebnis der Haftprüfung ist wenig überraschend: der Haftbefehl wird weiter aufrecht erhalten.

Was nun folgt, ist ein 60minütiges Stühlerücken und Aktenzerren inkl. zahlreicher Rügen der Verteidiger*innen mit dem Ergebnis, dass an diesem Verhandlungstag die StA nicht einmal mehr dazu kommen wird, die Anklageschrift zu verlesen.

Die Pressevertreter

RA Hatlé macht darauf aufmerksam, dass die Pressevertreter in seine Unterlagen schauen können, da die für sie vorgesehenen Stühle weniger als einen Meter von ihm entfernt sind. Die Situation scheint überfordernd für Frau Pretzell: „Was soll ich da machen?“ StA Schützeberg hilft aus, bietet der Presse die Sitzplätze neben seinem an, die Presse rückt auf, RA Hatlé kann seine Verteidigung (vorerst) ohne ungewünschte Mitleser*innen fortsetzen.

Die Öffentlichkeit

Nun meldet sich RA Mertens, Verteidiger von UP11, mit einer Rüge der Verletzung der Öffentlichkeit, die Frau Pretzell allerdings nicht entgegen nehmen möchte, da sie ihrer Meinung nach zum falschen Zeitpunkt in der Verhandlung gestellt wurde. Auf Nachfrage von RA Mertens, wann die Strafprozessordnung (StPO) seine Wortmeldung denn vorsehe, antwortet die Richterin mit einem charmanten: „Ich diskutiere hier nicht mit Ihnen, Herr Anwalt!“ RA Mertens beanstandet irgendwas, die anderen drei Verteidiger*innen schließen sich an.

Die Z werge eugen

Richterin Pretzell will endlich die Zeugen aufrufen, was sie auch tut. Als sich die Tür öffnet, treten sechs Polizeibeamte, fast alle in Uniform inklusive Schusswaffen, schwungvoll in den Saal. Lediglich der von gesangsfreudigen Unterstützer*innen, die entweder ihre ID nicht angeben konnten oder wollten oder aber keinen Sitzplatz mehr bekommen haben, angestimmte „Hey Zwerge, hey Zwerge, hey Zwergo, ho!“ – Gesang, der aus dem Gang in den Verhandlungssaal dringt, schafft es die Ernsthaftigkeit der Zeugen angemessen zu würdigen. Das schallende Gelächter des Publikums gefällt Frau Pretzell gar nicht. Mit mürrischen Blick zum Publikum belehrt sie die Zeugen.

Die Angeklagten

Wenigstens die Personalienaufnahme der Angeklagten erfolgt kurz und knapp. Diese äußern sich nämlich einfach gar nicht.

Die Sitzungspolizei

Jetzt erhält RA Mertens offiziell das Wort. Er rügt den Ausschluss der Öffentlichkeit, da die sitzungspolizeilichen Maßnahmen sich nur auf den Sitzungssaal nicht aber auf das gesamte Gerichtsgebäude beziehen dürften. Außerdem seien die RAe im Vorfeld nicht über die Maßnahme informiert worden. Frau Pretzell beschließt und verkündet daraufhin: „Ist mir egal.“

Die Akten

Mit der nächsten Rüge kommen wir dann auch schon zum Hauptpunkt des ersten Verhandlungstages. RA Hatlé beantragt die Aussetzung des Verfahrens wegen fehlender hinreichender Akteneinsicht. Ihm sei die Akte nur bis Blatt 156 zur Verfügung gestellt worden. Auch einem telefonischen Antrag auf vollständige Akteneinsicht sei das Gericht bis zum Verhandlungsbeginn nicht nachgekommen. Hinzu fehle in seiner Aktenkopie ein für die Verhandlung wichtiger Bescheid des Oberlandesgerichts über seine Haftbeschwerde – auch vor Ort wurde diesem Antrag bisher noch nicht nachgekommen.

RA Hatlé sieht die unvollständige Akteneinsicht vor allem als Problem, da aus Blatt 1 bis 156 für ihn nicht hervorgeht, dass sein Mandant UP2 „unlösbar an einem Holzpfosten des Tripod“ befestigt wäre oder „in seiner Jackentasche die ganze Zeit ein Messer mit sich geführt hätte“.

Ihm wurde heute unmittelbar vor Verhandlungsbeginn die zweibändige Akte mit augenscheinlich mehr als 400 Blatt ausgehändigt. Ein ausführliches Gespräch um seinen Mandaten in die aktuelle Lage einzuführen war ihm nicht möglich. Als er dies im Vorfeld der Verhandlung (damit erklärt sich auch die Verzögerung zu Beginn um 30 Minuten) versuchte, wurde er mindestens zweimal von Justizwachtmeistern unterbrochen, er und sein Mandant mögen doch bitte zum Saal kommen.

RA Hatlé sieht sich als Verteidiger in dieser Situation “naturgemäß außer Stande den weiteren Ermittlungsverlauf in der Akte nachzuvollziehen und kann somit die notwendige Befragung der Zeugen nicht dergeartet vorbereiten”.

Für die StA zählt das alles nicht. Auf Blatt 62 und 66 beziehe sich die Anklage auf den Tatablauf und den Fundort des Messers, alles danach sei doppelt oder Schriftsätze und Entscheidungen.

Die Aktendoppel

Nun mischt sich wieder die Verteidigung des Angeklagten UP11 ein: die Anklage beziehe sich klar auf Teile der Akte, die seinem Kollegen nicht vorlägen. Stellt sich die Frage, ob die Rechtsanwälte überhaupt identische Bände haben?

RA Hatlé setzt nach: Er vertraue natürlich der Staatsanwaltschaft, möchte sich aber nicht wegnehmen lassen, die Ermittlungen selbst zu würdigen, was für ihn einschließt Kenntnis über diese Ermittlungen zu erlangen. Als Reaktion darauf: Lacher im Publikum.

Und es geht weiter, er zitiert den Staatsanwalt mit einer Aussage aus der heutigen Verhandlung: „Was weiß ich denn, was in welchem Aktenteil steht.“

Nun scheint auch die Richterin einzuknicken. Sie gibt zu, dass die Verteidigung da „in der Tat ein Problem anspreche“.

Die Inhaftierten

Es wird klar, dass hier heute nicht mehr weiter verhandelt wird. Bleibt noch die Frage nach den Haftbefehlen.

Die StA beantragt eine Abtrennung der Verfahren gegen die Angeklagten UP1 und UP3, da gegen beide aufgrund der Altersuntersuchung womöglich ein Jugendgericht entscheiden müsse. Weiter beantragt er die Haftfortdauer für den Angeklagten UP2, da gegen diesen Vorwürfe mit einer Mindeststrafe von 6 Monaten erhoben werden.

Dessen Anwalt Hatlé beantragt die Entscheidung über die Haftfortdauer nur auf Grundlage des ihm vorliegenden Teils der Akte zu treffen, da die Verzögerung der Verhandlung klar Justizmängeln zuzuschreiben sei. UP2 dafür „büßen zu lassen“ sei unverhältnismäßig. Wofür trägt er an diesem Ablauf Verantwortung? Dafür, dass er nicht auf sein Recht auf eine faire Verteidigung verzichtet?

Die Richterin folgt in ihrem Beschluss den Forderungen der Staatsanwaltschaft: Die Haftbefehle gegen UP1, UP3 und UP11 werden aufgehoben, die Verfahren gegen UP1&UP3 an das Jugendgericht übergeben, UP2 bleibt bis zum Fortsetzungstermin in zwei Wochen in Haft.

Immerhin eins hat der Tag gebracht: nun sollen alle Verteidiger*innen jeweils eine identische Kopie der Hauptakte bekommen.

Die Sitzblockade

Im Gericht mag der Tag vorbei sein, doch vor dem Gerichtsgebäude ist noch lange nicht Schluss. An der Hofausfahrt, der einzigen Möglichkeit durch die der nun letzte Inhaftierte der Räumung vom 22. Januar „UP2“ per Justiztransporter zurück in die JVA gebracht werden kann, errichtet sich spontan eine wütend skandierende und singende Sitzblockade.

Eine Soliaktion, die nicht nur eine zusätzliche Besuchsmöglichkeit schafft, da zwei Menschen während der ungeplanten Wartezeit zu UP2 kurz in den Haftkeller dürfen, sondern die auch von den Cops erst über zwei Stunden später geräumt werden kann, da wegen eines Fußballsspieles keine freie Hundertschaften zur Verfügung steht. Als die Cops eintreffen und sich im Regen für einen weiteren Einsatz fertig machen, löst sich die Blockade auf.
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Berufungs-Prozess wegen Hambi Räumung https://abcrhineland.blackblogs.org/2020/03/05/berufungs-prozess-wegen-hambi-raeumung/ Thu, 05 Mar 2020 09:39:12 +0000 http://abcrhineland.blackblogs.org/?p=2185 Continue reading Berufungs-Prozess wegen Hambi Räumung ]]> Update: ABGESAGT wegen Krankheit.

Quelle: RH Freiburg

Am 09.März 2020 um 13Uhr findet am Landgericht Aachen im Sitzungsaal A 1.010 ein Prozess gegen einen Aktivisten statt. Der Vorwurf lautet tätlicher Angriff gegen Vollstreckungsbeamte“ (§114 StGB). Dabei handelt es sich um eine Berufungsverhandlung, nachdem der Aktivist vom Amtsgericht Düren freigesprochen wurde.

Es wird behauptet, der Aktivist habe in einer Gruppe im September 2018 versucht während der stattfindenden Räumung in den Hambacher Wald zu gelangen. Dabei sollen Polizeikräfte versucht haben die Gruppe aufzuhalten. Der Aktivist soll bei seiner Festnahme einen Polizisten getreten haben.

Klar ist, dass bereits im Winter 2018 die Polizei einen ausgestellten Platzverweis des Aktivisten über 3 Monate zurückzog und so dessen Unrechtmäßigkeit zugab. Im Sommer 2019 wurde vom Landgericht Aachen zudem festgestellt, dass die Ingewahrsamnahme des Aktivisten über 36 Stunden zu Unrecht stattgefunden hat. Im Herbst 2019 wollte dann die Staatsanwaltschaft den vermeintlichen Tritt wenigstens noch zur Anklage bringen.

In der Gerichtsverhandlung [vorm AG Düren] sollten zwei Polizist*innen gegen den Betroffenen aussagen. Der angeblich getretene Polizist war sich dann aber plötzlich doch nicht sicher, ob er überhaupt getreten wurde, oder ob der nur ein Bein beim zu Bodenbringen des Aktivisten gespürt hatte. Die Polizistin, die als Zeugin aussagte, erinnerte sich nach eigener Aussage an einen Tritt, allerdings zu einem völlig anderen Zeitpunkt, nämlich nachdem der Aktivist bereits am Boden war und der angeblich getretene Polizist ihm auf dem Rücken kniete. Wie dieser Tritt möglich sein soll blieb ihr Geheimnis, auch nach mehrfacher Nachfrage. Nur der Staatsanwalt schien es dann doch für möglich zu halten und sah den Tritt als bewiesen an. In seinem Plädoyer befand er den Aktivisten schließlich auch für schuldig. Seine Begründung dabei: Selbst wenn der Tritt nicht stattgefunden hätte, wäre alleine das ‚aggressive Zulaufen‘ auf die Polizei bereits ein tätlicher Angriff. Diese absurde Begründung lässt den neu eingeführten Gummiparagrafen §114 endgültig zum beliebigen Mittel staatlicher Repression werden. Nun sollen also alle Aktivist*innen für ein nicht näher zu bestimmendes ‚aggressives Zulaufen‘ auf Polizeibeamte zu mindestens 90 Tagesätzen verurteilt werden können?

Dieser Begründung konnte schließlich auch der Richter am Amtsgericht nicht folgen und sprach den Betroffenen konsequenterweise frei: Der Tritt könne nicht bewiesen werden, weil die Zeug*innen verschiedene Situationen beschreiben und das Zulaufen reiche nicht, um jemanden zu verurteilen.

Die Staatsanwaltschaft aber blieb bei ihrer Meinung und legte Berufung ein, weshalb die nächste Verhandlung nun am Landgericht Aachen stattfindet. Es soll also weiter versucht werden legitimenProtest zu kriminalisieren und die Aktivist*innen in gut und böse einzuteilen.

Wir wollen uns das nicht gefallen lassen: Solidarität gegen Repression! Falls ihr also am Tag in der Nähe von Aachen seid, kommt vorbei!

Für den Prozess wurden Einlasskontrollen angeordnet.
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31. Januar: Prozess in Düren https://abcrhineland.blackblogs.org/2020/01/27/31-januar-prozess-in-dueren/ Mon, 27 Jan 2020 17:22:22 +0000 http://abcrhineland.blackblogs.org/?p=2176 Continue reading 31. Januar: Prozess in Düren ]]> deutsch

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Quelle: hambacherforst.org

Ab 9 Uhr findet in Düren (Amtsgericht, Zimmer 1.07) der zweite Teil eines Prozesses gegen Jazzy und Winter in Folge der Hambiräumung 2018 statt. Es wird gewünscht, dass im Gerichtssaal nur den beiden bekannte Menschen anwesend wären.

Ausweiskontrollen! Eingang rechts vom Haupteingang, durch den Hof.

Parallel gibt es zwei ähnliche Termine in Kerpen, siehe LINK.
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Bericht Tag 1 in der Neuland-Berufung https://abcrhineland.blackblogs.org/2020/01/21/bericht-tag-1-in-der-neuland-berufung/ https://abcrhineland.blackblogs.org/2020/01/21/bericht-tag-1-in-der-neuland-berufung/#comments Tue, 21 Jan 2020 19:10:15 +0000 http://abcrhineland.blackblogs.org/?p=2173 Continue reading Bericht Tag 1 in der Neuland-Berufung ]]> deutsch

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Die Architektur des Gerichts in Aachen ist bemerkenswert: Vom Innenhof bis zum Verhandlungssaal ist alles hoch und quadratisch angelegt. Sie will imponieren und Macht demonstrieren. Du sollst dich klein und ohnmächtig fühlen.
 
Der Eingangsbereich erinnert an einen Flughafenschalter. Der eine Eingang ist für Verteidigende, die auch wie eifrige, geschäftige Bienchen ein und aus laufen, Berge von Akten vor die Brust geklemmt. Der andere ist für Besuchende, die Schlage davor regt sich nur langsam, als hätte sie grade eine viel zu große Mahlzeit eingenommen, denn alle werden einzeln auf mitgeführte Gegenstände kontrolliert. Vor dem Saal selbst werden die Kontrollen wiederholt.

Der Saal ist sehr groß, wobei der Öffentlichkeit höchstens ein Drittel davon zugestanden wird. Die übrigen zwei Drittel werden durch beidseits je zwei Reihen Tische für die Streitparteien und das Lange Pult für die Richtenden eingenommen. Es gibt sehr viele, sehr hohe, schmale Fenster an einer Seite des Raumes. 

Die Angeklagte wird bei der Kontrolle vor dem Saal kurz aufgehalten, weil sie ihre Personalien nicht angeben möchte bis ihr Anwalt dem Richter versichert, dass sie in erster Instanz schon neben ihm gesessen hätte. Gegen 9:30 Uhr sind alle im Saal.

Nach der Eröffnung erklärt der Richter, dass die Bestätigung der Personalien nicht zentral sei, um den Prozess zu führen und führt weiter aus, unter welchen Personalien die Angeklagte geführt wird und wie diese ermittelt wurden.

Anschließend fasst er den bisherigen Verfahrenverlauf zusammen: Haftbefehl im September 2016, 18 Tage U-Haft im Dezember 2016, 3 Prozesse in 1. Instanz Im Herbst 2018, Urteil zu 1 Jahr Knast ausgesetzt auf 3 Jahre Bewährung und 500 Sozialstunden, Aussetztung der Strafe wegen beidseitiger Berufung. 

Auffällig ist auch sein Ankündigung die zu verhandelnde Sache rein strafrechtlich und nicht politisch betrachten zu wollen. Er sehe die Möglichkeit, innerhalb des Rechtssystems unter Inkaufnahme von Bußgeldern Überzeugungen in bestimmte Aktionen umzusetzen. [In anderen Worten darfst du dir deine Aktion also kaufen wenn du nur genug Geld dafür locker machen kannst und willst?! Anm. d. Verfasser*in]

Außerdem bietet er Strafminderung und Prozessverkürzung bei Einlassung der Angeklagten an, was abgelehnt wird.
 
Damit sind die Fronten klar.  

Die richtende Person erörtert noch einmal im Detail, wie die Personalien der Angeklagten ermittelt wurden. Eigentlich war der ermittelnde Cop als Zeuge geladen, doch er ist nicht da. Also wird seine Anhörung auf den nächsten Prozesstag verschoben.

Der erste Zeuge ist Ingenieur bei RWE und erinnert an einen grauen Herr aus „Momo und die Zeitdiebe“. Graue Haare, grauer Anzug, Krawatte, Lederschuhe, Aktentäschchen. Bloß die Zigarre fehlt.
Eine ganze Weile wird die Frage erörtert, wie sehr die Kohlebunkerblockaden nun geschadet haben und wie der Strom verteilt wird.

Er erklärt, dass die Kohle in den Bunkern nicht unbefristet gelagert werden kann, da sich ihre Eigenschaften über die Zeit ändern würde. Wie lange die Bunker eventuelle Engpässe oder Ausfälle der Kohlelieferung abpuffern können wollte er dabei nicht verraten. Lediglich dass die Kohle aus Hambach in die Kraftwerke Niederaußem, Neurath und Frimmersdorf verbracht und dort mit Kohle aus Garzweiler gemischt wird, um Qualitätsunterschiede auszugleichen (Hambachkohle hat bessere Heizwerte).

Weiter geht es um die Verteilung des Stroms. Die Kraftwerksleistung wird in das Hochspannungsnetz, das öffentliche Netz [sozusagen ein riesiger Topf Stromsuppe, Anm. d. V.], eingespeist, mit einigen Ausnahmen von Direktverbindungen zu Industriewerken. Das öffentliche Netz hat dabei keine nationale Beschränkungen und geht damit in ein Europaweites Netz über dem es in der Regel möglich ist, die eingespeisten Leistungen auszugleichen. Gäbe es zu viel Strom [weil aus irgendwelchen Gründen der vorhandene Strom im Netz nicht abgenommen würde...Anm. d. V.] würde es „physikalisch etwas heiß“ werden. Dann muss die Kraftwerksleistung heruntergefahren werden.

Dies ist eine seeehr kurze Version der gesamten Zeugenanhörung. Bestimmt hat der graue Herr sich Mühe gegeben seine kryptischen Botschaften den anwesenden Laien verständlich zu vermitteln aber das hier wiederzugeben... 

15 Minuten Pause.

Der zweite Zeuge war vor zwei Jahre für knapp zwei Jahre bei den Security am Hambacher Tagebau mit „seinem“ Hund. Er beschreibt die Situation auf der Brücke am 21. Januar 2016. An diesem Tag wurden Bäume am Fuß der Brücke gefällt bis eine Gruppe von etwa 20-30 Menschen in Tarnkleidung die Arbeiten unterbrachen worauf die Maschinen in Sicherheit gebracht wurden, da diese teuer seien. Es kam zu Auseinandersetzungen zwischen Security und Aktivisten, es flogen Steine und Raketen hin und her. Er gibt an, dass ihn zwei Steine am Helm getroffen hätten und er daraufhin zwei Wochen krankgeschrieben wurde. Außerdem erklärt er, dass neben dem Helm auch eine Schutzbrille zur Schutzausrüstung der Security gehöre. Er könne sich nicht erinnern, irgendwen erkannt zu haben, da alle vermummt gewesen seien. Er bestätigt auf nachfrage, dass jede Einheit standardmäßig eine Kamera mit sich führen würde, wusste jedoch nicht, warum dass an dem Tag nicht geklappt hatte.

Der dritte Zeuge beschreibt die Situation anders.

Er war damals der Ansprechpartner vor Ort für den Securityeinsatzleiter gewesen. In seiner Erinnerung waren es etwa 50 Vermummte in Tarnkleidung. Die Einsatztaktik sei damals so gewesen, dass der Schutzkreis aus Securitys um den Maschinen bei Aktionen enger gezogen wurde um Angriffe und vor allem das Besetzen von Maschinen zu verhindern wobei sie Menschen nicht gewaltsam davon abhalten dürften. Dabei läge der Hauptaugenmerk auf Vermummte. Diese seien schwer zu unterscheiden, doch manche hätten prägnante Kleidungsstiele, z.B. bunte Mützen. 

Der Verteidiger der Angeklagten erinnert an ein kurzes Video, vermutlich aus Sicht der Aktivistaz, das von diesem Tag in der Akte enthalten ist. Gerichte und Technik: Die Vorbereitung für die Inaugenscheinnahme des Videos benötigt eine weitere 10 Minuten Pause.

Das Video beginnt mit Sequenzen von gefällten Bäumen und Rodungsflächen, gefolgt von Aufnahmen einer kleinen, zügigen Prozession in Tarnkleidung der Wahrnehmung entspringender, Menschen. Dann eine wilde Wuselei chaotisch verteilter Silhouetten, manche laufen auf eine Brücke, andere bewegen sich langsamer am Fuße dieser, inmitten frisch gefällter Bäume und derer Stümpfen. Dann ist ein weißer Jeep zu sehen, der in zügiger Geschwindigkeit aus der anderen Richtung der Brücke auf die dunklen Silhouetten zufährt. Diese bewegen sich schnell in alle möglichen, jedoch durch die Brückengeländer eingeschränkte Richtungen um sich in Sicherheit zu bringen. Geschrei. Dabei wird eine Person scheinbar von dem Auto angefahren, zumindest sieht es in Zeitlupeneinstellung so aus. Dann schließt das Video mit Nahaufnahmen von einem Ameisenhaufen, einem Schriftzug „organisiert euch“ und Audioaufnahmen eines Songs in dem es heißt „burn cops not coal“. 

Es wird noch auf ein weiteres Video verwiesen, aus Sicht eines zudem Vorfall nahe stehenden Baggers. Dieses abzuspielen klappt aber leider nicht, obwohl es noch mal fast 10 Minuten vom Richter höchstpersönlich vergeblich versucht und aufgegeben wird, es soll zum nächsten Prozesstag gezeigt werden. 

Dann wird der Zeuge, der während des Videos vor den Saal verbannt wurde, weiter verhört. Er erklärt, dass nach diesem Vorfall einige aus dem Sicherheitsdienst entlassen wurden. Im übrigen gibt er das ganze Geschehen äußerst widersprüchlich zu seinen Aussagen von damals wieder, wie ihm die Staatsanwältin bald vorhält.

Damals z.B. gab er an, sich sicher darüber zu sein, die Angeklagte erkannt zu haben, da sie zeitweise unvermummt gewesen sei, heute kann er sich daran nicht erinnern. Auch kann er sich nicht daran erinnern, verletzt worden zu sein, bloß eine Silvesterrakete habe ihn am Hinterkopf getroffen (er sei danach aber nicht krankgeschrieben gewesen) während er damals noch explizit die Angeklagte bezichtigt hatte, ihm Pfefferspray bzw. eine „ätzende Flüssigkeit“ in die Augen gesprüht zu haben.

Die Staatsanwältin wirkt etwas unzufrieden mit ihrem Hauptzeugen, dessen Aussagen darüber, er habe die Angeklagten eindeutig an der Stimmer wieder erkennen können, das erste Urteil maßgeblich beeinflusste.

Es folgen 15 Minuten Pause.

Der vierte Zeuge kann sich an die ganze Sache nicht mehr so richtig gut erinnern. Er ist ebenfalls nicht mehr beim Sicherheitsdienst. 

Er vermutet, dass da um die 15 Personen aufwärts gewesen sein dürften von denen er aber keine zuordnen könne, da alle vermummt gewesen waren. Dazu, dass sein damaliger Kollege, welcher zuvor verhört worden war, verletzt worden war kann er nichts sagen, jedoch zu zerbrochenen Autoscheiben und einem Kollegen (erster Zeuge), der danach für zwei Wochen krank geschrieben war. 

Wieder einmal, wie auch beim Zeugen zuvor und schon in vergangenen Prozessen wird eine Weile darüber gerätselt, wie der Name Neuland nun einzuordnen wäre. Scheinbar hat dieser mit einer gleichnamigen Baumbesetzung im Tagebauvorfeld, Winter 2014 zu tun, bei der Rodungsarbeiten um eine besetzte amerikanische Eiche um vier Wochen verhindert wurden. Um eine Räumung durch die Polizei zu vermeiden (weil diese der RWE zu der Zeit ein wenig den Dienst verweigern suchte, da zu viele Einsätze hintereinander) versuchte der Sicherheitsdienst auf eigene Faust, die Besetzung zu beenden. Dazu stellten sie u.A. Bauzäune und Flutlichter um und einen Korb mit frischen Obst und Gemüse unter den Baum... [witzige Geschichte, wer mehr lesen möchte schaue hier: Link]

Er „kannte“ die Angeklagte von dieser Aktion, da sie auf dem Baum und er als Seurity auf dem Boden fast eine Woche verbracht hatten. Aufgefallen sei, dass sie stets freundlich und höflich gewesen sei. 

Heute kann er sich nicht daran erinnern, sie auf der Brücke erkannt zu haben. Das macht die Staatsanwältin stutzig, da er damals angegeben hatte, sie erkannt zu haben und sie kein Motiv für eine Falschaussage erkenne.

Der letzte Zeuge für heute war nur kurz bei der Secutrityfirma, es sei bloß ein Nebenjob gewesen. Er erinnert sich an nicht so viel von dem Vorfall, es sei ihm alles zu schnell gegangen. Er habe niemanden erkannt. Die Frage, ob er den Namen „Kim Neuland“ schon mal gehört habe, verneint er. 

Zum Schluss reicht die Verteidigung einen 28 seitigen Beweisantrag zu den Kohlebunkerblockaden ein, in dem sich auf den rechtfertigenden Notstand berufen wird. Weiter stellt sie fest, wie dünn die Beweislast ausfalle, doch Richter und Staatsanwältin sind sich einig, dass dies nicht für einen Freispruch reiche, in beide Richtungen argumentiert werden könne und daher keine vorschnellen Entscheidungen getroffen würden. Der nächste Verhandlungstag soll abgewartet werden.

Gegen 16.00 wird die Vehandlung geschlossen.
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https://abcrhineland.blackblogs.org/2020/01/21/bericht-tag-1-in-der-neuland-berufung/feed/ 1
Zwei Räumungsprozesse mit Laienverteidigung am 31. Januar in Kerpen https://abcrhineland.blackblogs.org/2020/01/20/zwei-raeumungsprozesse-mit-laienverteidigung-am-31-januar-in-kerpen/ Mon, 20 Jan 2020 14:37:07 +0000 http://abcrhineland.blackblogs.org/?p=2147 Continue reading Zwei Räumungsprozesse mit Laienverteidigung am 31. Januar in Kerpen ]]> Am Freitag, 31. Januar 2020 wird es in Kerpen gleich zwei Prozesse hintereinander geben, die von den Angeklagten gemeinsam mit ihrer Laienverteidigung bestritten werden. Laienverteidigung bedeutet, dass die Verteidigung nicht von staatlich geprüften Rechtsanwält*innen, sondern von den Angeklagten* selbst oder gemeinsam mit ausgewählten Compas und/oder solidarischen Unterstützer*innen in enger Absprache mit den Anklagten* übernommen wird. In beiden Verhandlungen geht es um Fälle während der Räumung des Hambacher Forsts im Herbst 2018. Damals wurden unter fadenscheinigen Begründungen der Wald und mindestens 77 Baumhäuser geräumt, um eine Rodung des verbliebenen Waldes noch schnell vor Verhandlung der Klage um einen Rodungsstop durchzuziehen. Trotz eines im Wald und NRW nie zuvor gesehenen Aufgebots an Bullen, technischer Spielereien und so weiter dauerte die Räumung über vier Wochen. Die Cops gingen dabei brutal vor, auch bei zahlreichen Demonstrationen. Um 9 Uhr wird gegen zwei Angeklagte verhandelt, die während einer dieser Demos "ACAB" in Richtung Polizei gerufen haben sollen. Verfahren wegen Beleidigung (§ 185 StGB und anderer Straftatbestände, die sich gegen Bullen richten, werden in der Regel nicht eingestellt, angeblich weil das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung so hoch ist. Würden Aktivistis die Cops wegen Beleidigung anzeigen, würde das sofort eingestellt. Nur ein Beweis mehr dafür, dass Gerichte nichts mit Gerechtigkeit zu tun haben. Mehr Infos gibt es auch bei der AntiRRR. Um 11:30 Uhr wird dann einer Person vergeworfen, sich mittels eines Lockons der Räumung aus einem Baumhaus widersetzt zu haben. Nicht besonders überraschend ist auch hier das zweierlei Maß, das angewendet werden soll. Während RWE seit Jahren massive strukturelle Gewalt ausübt und dabei nach allen Möglichkeiten von staatlichen Strukturen unterstützt wird, gilt das Festketten seit Stuttgart 21 bereits als strafbare Gewalt gegenüber Co2ps gemäß § 113 StGB. Mehr Infos zu diesem Fall folgen dann hier, beim ABC :) Solidarische Prozessbegleitung zu beiden Terminen erwünscht! Wann und wo? Freitag, 31. Januar 2020, 9 & 11:30 Uhr Amtsgericht Kerpen, Raum 112 Nordring 2 - 8, 50171 Kerpen Achtet auf Infos (online oder vor Ort im Gericht) zu den Verhandlungssälen. 2½ Stunden für eine Verhandlung anzusetzen könnte sich als sehr motiviert herausstellen und zu Raumänderungen führen. ]]> Prozess am 27. September 2019 in Düren https://abcrhineland.blackblogs.org/2019/09/22/prozess-am-27-september-2019-in-dueren/ Sun, 22 Sep 2019 20:59:39 +0000 http://abcrhineland.blackblogs.org/?p=2097 Continue reading Prozess am 27. September 2019 in Düren ]]> Quelle: tacker.fr

Prozess am 27.September gegen Freiburger Aktivisten am Amtsgericht Düren wegen Räumung des Hambacher Forsts.

Am 27. September um 11.00 Uhr soll am Amtsgericht Düren im Sitzungssaal 1.07 (1. Etage) ein Prozess wegen tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte gegen einen in Freiburg lebenden Aktivisten stattfinden. Dem Betroffenen wird vorgeworfen bei seiner Festnahme im September letzten Jahres in der Nähe des Hambacher Waldes einen Polizisten getreten zu haben.

September 2018 begann im Hambacher Wald die Räumung der dort lebenden Baum-Besetzer*innen. Die Räumung wurde mit großen Protesten begleitet. An diesen beteiligte sich auch der Betroffene. Mit einem riesigen Polizeiaufgebot wurden die Interessen des Energiekonzern RWE durchgesetzt. Dabei wurde der Betroffene am Rande des Hambacher Waldes festgenommen und über 39 Stunden festgehalten. Bei seiner Festnahme soll er einen Polizisten getreten haben. Die einzigen Zeug*innen für diesen Vorfall sind dabei zwei Beamt*innen, einer davon das angebliche Opfer. Die lange Gewahrsamszeit wurde in der Zwischenzeit bereits von Landgericht Aachen für unzulässig befunden. Nun will die Staatsanwaltschaft den Protest weiter kriminalisieren und als gewalttätig darstellen, indem wenigstens der angebliche Fußtritt als tätlicher Angriff gegen
Vollstreckungsbeamte verurteilt wird.

Das harte Vorgehen gegen die Proteste um den Hambacher Forst folgt einem politischen Kalkül. Die Klimabewegung soll in einen friedlichen und einen bösen radikalen Teil gespalten werden. Außerdem soll die Bewegung als solche eingeschüchtert werden. Aber wir lassen uns weder
einschüchtern noch spalten. Falls ihr in der Nähe seid schaut vorbei, ansonsten informieren wir euch weiter über den Ausgang des Prozesses.
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