2020 https://abtreibungsgeschichten.blackblogs.org Sat, 25 Apr 2020 11:32:50 +0000 en-GB hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 https://abtreibungsgeschichten.blackblogs.org/wp-content/uploads/sites/1310/2020/04/cropped-schrift-1-32x32.jpg 2020 https://abtreibungsgeschichten.blackblogs.org 32 32 Ich wurde ungewollt, aber dennoch provoziert schwanger. https://abtreibungsgeschichten.blackblogs.org/2020/04/25/ich-wurde-ungewollt-aber-dennoch-provoziert-schwanger/ Sat, 25 Apr 2020 11:32:50 +0000 http://abtreibungsgeschichten.blackblogs.org/?p=201 Continue reading ]]> Mein Abbruch (mir gefällt der Begriff besser als Abtreibung) liegt 3 Jahre zurück. Im März 2017 wurde ich ungewollt, aber dennoch provoziert schwanger. Ich hatte Anfang 2017 meine Pille abgesetzt und war auf dem tripp, auf natürliche Weise verhüten zu wollen. Ich wusste aber nicht, dass das so schnell schief gehen kann.

Mein Freund (Heute mein Mann) und ich hatten erst mit Kondom Sex, ich empfand es aber als sehr unangenehm und war nach mehreren Malen der Überzeugung zu wissen, wie mein Zyklus rhythmisiert ist und schlug vor, es ohne Kondom zu versuchen. Er willigte ein. Ein paar Tage darauf hatte ich morgens nach dem Aufstehen ein seltsames Gefühl. Ich wusste, ich hätte meine Tage um diese Zeit etwa kriegen müssen. Aber meine Brüste taten weh. Mein Unterbauch war straff und hart. Eine Kollegin hatte Tage zuvor von genau diesen Symptomen erzählt und kurz darauf bestätigt bekommen endlich schwanger zu sein. Hätte sie nichts erzählt, wäre ich nicht direkt alarmiert gewesen.

Mir wurde kotzübel. Nicht, weil ich tatsächlich brechen musste, sondern vor Panik. Ich machte mich für die Arbeit fertig und durchforstete das Internet nach Hilfsangeboten. Ich wusste, was ich von den seltsamen Seiten der ProLeben-Leute zu halten hatte und hielt mich davon fern. Ich fand aber auch sonst keine Hilfe. An dem Tag stand ich völlig neben mir. Ich wusste nicht mehr ein noch aus, ich war immer kurz vor einem Heulkrampf. Meinem Mann sagte ich morgens, dass der Schwangerschaftstest, den ich kurz nach dem Aufstehen gemacht hatte, positiv war. Ich musste bis nach der Arbeit warten, bis ich eine Rückmeldung lesen konnte. Das waren unfassbar schlimme Stunden.

Er unterstützte mich wo er konnte. Wir waren uns im klaren, dass wir dem Kind kein gutes Leben bieten konnten, wenn wir es auf die Welt brächten. Ich war kurz vor dem Ende meiner Ausbildung, hätte aber vorher abbrechen müssen, weil ich die im Handwerk geltenden Regeln hätte befolgen müssen und da hätte ich meine Gesellenprüfung nicht absolvieren können und somit keinen Abschluss gehabt und damit nicht arbeitsfähig in meinem Job.

Ich fühlte mich furchtbar. Ich weinte das ganze Wochenende und sagte nur meinem besten Freund Bescheid. Der vermittelte mich an eine Bekannte, die ebenfalls schon einen Abbruch durchgemacht hatte und andere Frauen dabei begleiten konnte und wollte. Die verwies mich an die AWO und gab mir Tipps.

Die folgende Woche arbeitete ich wie gewohnt, meldete mich allerdings bei der AWO und vereinbarte einen Termin.
Bei dem Termin kam ich mir erst blöd vor. Die Frau zeigte aber Verständnis und drängte mich nicht, meine Entscheidung des Abbruchs zu überdenken. Sie hörte sich alle meine Gedanken an und gab mir dann eine Liste mit Frauenärzten, die den Abbruch durchführten. Die erklärte mir die Sachlage und mir wurde die Tücke bewusst, die der Gesetzgeber geschaffen hatte. Ich fühlte mich erleichtert, dass ich Hilfe hatte. Aber was war mit den Frauen, die nicht so viel Glück hatten?

Mein Kopf war gefüllt mit Watte. Ich rief bei einem Arzt an und wir machten kurzfristig einen Termin fest. Die erneute Beratung machte mich richtig fertig, denn dann musste ich wieder 3 Tage warten. Warum denn warten??? Ich wollte sofort Hilfe! Ich wusste, was ich wollte! Ich wollte diesen unverzeihlichen Fehler rückgängig machen und nicht weit er darüber nachdenken müssen!! Ich weinte wieder, ich wurde krank geschrieben.

Ich wurde untersucht und dabei stellte der Arzt fest, dass ich in der 2. Woche war. Da immer vom Zyklusanfang gemessen wird, war ich demnach in der 4. Woche. Ich bekam ein Lob, dass ich meinen Körper so gut kenne, dass ich in dieser frühen Phase schon was bemerkt hätte. Ich bezeichnete die Eizelle in mir als Zellhaufen. Mehr war es nicht. Zumindest für mich. Es war ein 1 cm großer Zellhaufen, der erst in ein paar Wochen zu einem Embryo würde.
Ich hatte die ganze Zeit Angst. Dass der Arzt mich verurteilt. Dass er mir das sagt. Dass er einen Rückzieher macht.
Doch so war es nicht. Ich bekam Tabletten, weil die absaugung zu gefährlich gewesen wäre. Die sollte ich zuhause nehmen.

Ich nahm die Tabletten. Erst die, die die Zellteilung stoppen und die mehrfach geteilte Eizelle töten würde. Danach die, die die Wehen zum Abstoßen der Eizelle und Schleimhaut einleiten würden.
Ich nahm die zweiten Tabletten morgens und dachte, dass ich noch etwas Zeit hätte für Gedanken, was ich da gerade tat. Oder einen Tee. So viel Zeit hatte ich nicht mehr. Ich brach im Flur zusammen und hatte die schlimmsten Krämpfe, die ich jemals erlebt habe. Regelschmerzen sind dagegen ein scheiß!

Mein Mann fand mich kurz vorm Wohnzimmer, stoßweise atmend, auf Knien nach vorne auf Ellbogen gelehnt. Er gab mir die starken Ibuprofen, die ich verschrieben bekommen hatte und trug mich auf die Couch. Er pflegte mich den ganzen Tag, war bei mir und wischte mir die Tränen weg. Ich weinte, wenn die Krämpfe kamen. Ich war völlig betäubt, wenn das Schmerzmittel wirkte. Mein ganzer Körper war betäubt, nur mein Unterleib glühte.

Ich weiß nicht mehr, wie lange alles dauerte. Ich glaube, vorbei war es nach mehreren Tagen. Da flutschte ein großes Stück stark durchblutete Schleimhaut aus mir raus. Darauf war die Eizelle zu sehen. Ich hatte das Ganze in der Binde und konnte und wollte es genau betrachten. Es fühlte sich völlig absurd an. So einfach war das vorbei? Das bisschen Schleim war alles, was ein neues Leben geworden wäre? Durch die Betäubung der Schmerzmittel brannten Schuldgefühle.
Vielen erzählte ich nichts davon oder sagte, ich hätte eine Zyste gehabt.

Den wenigen, denen ich das erzählte, nahmen mich in den Arm und zeigten Verständnis, spendeten Trost.
Monatelang war ich immer wieder wie betäubt und erst nach über einem Jahr wurden die Schuldgefühle weniger. Wenn ich besser aufgepasst hätte, wäre es nicht passiert. Wenn ich nicht die Pille abgesetzt hätte, wäre es nicht so weit gekommen.

Ich bin immer noch beim gleichen Arzt. Er war mir sehr sympatisch und hat mich nicht verurteilt. Das hat viel geholfen. Mehr, als ich mir hätte vorstellen können.

Ich sehe die Welt jetzt ein bisschen anders. Und ich erzähle meine Geschichte offen. Damit es anderen Frauen hilft.

Liebe Grüße und bleibt in Zeiten wie diesen gesund.
Lovis

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Die Uhr tickt https://abtreibungsgeschichten.blackblogs.org/2020/04/21/abtreibungsgeschichte-9-die-uhr-tickt/ Tue, 21 Apr 2020 12:37:50 +0000 http://abtreibungsgeschichten.blackblogs.org/?p=189 Continue reading ]]> Die Uhr tickt.
War heute arbeiten. Meine Periode blieb aus. Habe schlecht geschlafen.
Bin auf dem Weg zur Arbeit bei der Apotheke vorbeigefahren,
nahm mir dort einen Schwangerschaftstest mit.
Hab den Test in der Mittagspause gemacht.
Er ist positiv.

Die Uhr tickt.
Meine Gedanken rasen, wem soll ich es sagen? Kann ich es überhaupt
wagen?
Mein Arbeitskollege fragt, ob alles gut sei.
Ich nicke, lächle und tue so als wäre nichts.

Die Uhr tickt.
Endlich fertig mit der Arbeit, gehe heim.
Zu Hause angekommen bin ich alleine, stelle mir tausend Fragen;
Kann ich mir ein Kind leisten?
Möchte ich ein Kind und wie wird sich mein Leben dadurch verändern?
Wird mich mein Umfeld unterstützen?
Wie wird der Vater des Kindes reagieren?

Die Uhr tickt.
Mein Leben aus allen Fugen geraten, wie soll ich es wieder gerade
richten und ertragen?
Laptop an, Finger fliegen, suche das Wort Abtreibung im Internet.
Die ersten 20 Treffer wollen mit Schockbildern und Beleidigungen meine
Entscheidungsfindun ins Wanken bringen.
Suche Rat, finde keinen.
Irgendwo zwischen wütend und traurig bin ich angepisst.

Die Uhr tickt.
X kommt nach Hause. Kann es kaum ansprechen, tue es doch.
X ist bestürzt, ratlos, bietet die Unterstützung an.
Auch als ich sage, das ich es nicht behalten will,
das ich die Schwangerschaft abbrechen werde.
Wir entscheiden uns.

Die Uhr tickt.
Am nächsten Tag greife ich zum Telefon, rufe meine Frauenärztin an,
Termine kaum zu kriegen, der Kalender wie immer voll.
Knapp zwei Wochen vergehen, jetzt sitze ich bei ihr, X neben mir.
Jetzt hab ich die Gewissheit und auch einen Plan,
7. Woche und die Adresse von der Klinik schon fast in der Hand.
Doch sie lässt nicht locker, durchleuchtet mich, will alles wissen.
Jeder Lebensumstand wird unter die Lupe genommen.
Am Ende fragt sie mich, ob ich nicht doch einen Mutterpass mitnehmen
möchte.

Die Uhr tickt.
Es gibt zwei Möglichkeiten, die Schwangerschaft zu beenden.
Mir bleibt nur die operative Variante, da der medikamentöse Abbruch in
meiner Stadt von keiner Ärztin durchgeführt wird.

Die Uhr tickt.
Dann steht das Beratungsgespräch an, auch hier wieder warten, Tage
vergehen, bis ich einen Termin bekomme.
Ohne Gespräch kein Abbruch.
Immer deutlicher spüre ich wie sich mein Körper verändert.
Meine Haut wird weicher, Kopfschmerzen sind mein Dauerbegleiter, alles schmeckt anders und ich beuge mich jeden morgen zum kotzen über die Kloschüssel.
Ich verstecke mich. Vor mir selbst. Und meinem Umfeld.

Die Uhr tickt.
Ich nehme mir frei, mein Chef ist genervt, wirft mir geistige Abwesenheit vor.
Das Beratungsgespräch ist nicht wie erwartet, sie versuchen mir gut zuzureden,
finanzielle Aspekte detailliert aufzuschlüsseln.
Ich bleibe bei meiner Entscheidung.

Die Uhr tickt.
Ich brauche einen Kostenübernahmeschein von der Krankenkasse.
Dort angekommen erläutere ich mein Vorhaben.
Die Frau am Schalter schaut mich vorwurfsvoll an und sagt, ich bin zu
spät dran.
Ich muss den Abbruch selbst zahlen. Scheiße.
Wie zahle ich denn dann meine Miete?
Bin verzweifelt.

Die Uhr tickt.
9. Woche und ich habe einen Termin in der Klinik zur Voruntersuchung.
Mir laufen die Stunden davon.
Alles ist routiniert, ich bekomme einen Operationsbogen in die Hand gedrückt,
mir wird im Schnellverfahren der Ablauf erläutert;
Sie fragen mich was mit dem Embryo danach geschehen soll.
Will ich ihn selbst beerdigen?
Es wird mir gesagt, mich muss danach jemand abholen.
Ich unterschreibe, stelle keine Fragen mehr, ich will hier nur noch raus und weg.

Die Uhr tickt.
Die kommenden Tage überlebe ich einfach nur.
Tagtäglich muss ich mich rechtfertigen, oder habe das Gefühl, das ich es muss.
Woche 10.
Heute ist es soweit. Ich gehe mit meiner besten Freundin frühstücken.
Sie will mich auf andere Gedanken bringen, sie schafft es nicht.

Die Uhr tickt.
Ich fahre in die Klinik. Dort wieder warten.
Ich habe das warten satt, widerstehe ein letztes Mal dem Drang, wegzulaufen.
Werde endlich aufgerufen, bekomme ein OP-gerechtes Kleidchen.
Im Mehr-Bett-Zimmer liege ich nun, bekomme muskellockernde Medikamente,
bis ich ohne Ankündigung von einer Schwester zum Anästhesisten gebracht werde.
Als ich wieder aufwache bin ich verwirrt, brauche Minuten wieder zu mir zu finden.
Ich werde abgeholt, draußen scheint die Sonne und alles ist wie immer.

Fast, denn es gibt immer noch Menschen, die denken,
das Informations-/Werbeverbot über Schwangerschaftsabbrüche trage zu einer für mich leichteren Entscheidungsfindung bei.

Die Uhr tickt, denn die Zeit ist reif für Veränderung!

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Karl-Uwe https://abtreibungsgeschichten.blackblogs.org/2020/04/19/karl-uwe/ Sun, 19 Apr 2020 10:57:25 +0000 http://abtreibungsgeschichten.blackblogs.org/?p=182 Continue reading ]]> Hier ist meine Geschichte. Ich lebe, und ich lebe gut mit ihr! 🙂
Ich habe schon ein Kind. Meine erste Schwangerschaft habe ich als nicht schön empfunden. Ich fühlte mich seitens Ärzte und Familie entmündigt und auf einen reinen Geburtskanal reduziert. Ich habe in meinem Leben Missbrauchserfahrung gemacht und tue mich sowieso schwer mit Gyn-Besuchen. Als Mensch von ärztlicher Seite auf die Schwangerschaft reduziert zu werden fühlte sich schrecklich an. Hinzu kam, dass ich bis in den 8. Monat mich täglich übergeben musste und seitens der damaligen Frauenärztin ein joviales “da müssen Sie wohl durch” bekam, anstatt Hilfe. Die ersten Babyjahre mit meinem Sohn waren ein ambivalentes Jonglieren zwischen tiefer Depression und Einsamkeit bei gleichzeitig brennender Liebe und massiven Schuldgefühlen gegenüber meinem Sohn.
Als ich 2009 ungewollt schwanger wurde, war mein Sohn schon elf Jahre alt. Ich hatte eine Scheidung hinter mir und einen neuen Partner, der mitten in seinem Studium steckte. Ich selber befand mich grade in einer depressiven Episode, war aber eigentlich grundsätzlich mit meinem momentanen Leben ganz glücklich. Meine Schwangerschaft entdeckte ich sofort bei Ausbleiben der Regel am ersten Tag und ich wusste ziemlich gleich: Ich will nicht wieder bei Null anfangen! Mein Partner signalisierte mir, dass er hinter jeder Entscheidung stünde und den Weg mit mir zusammen geht, wo auch immer ich hin will. Wir weinten viel. Alle beide.

Mein erster Termin in der schicken Designpraxis meiner Frauenärztin, die Wände vollgehängt mit glücklichen Babys und Schwangeren, gestaltete sich zu einer echten Eisdusche. Vorher hatte ich diese Ausstattung nie wahrgenommen, jetzt gingen mir all die Pastelltöne und rosige Haut auf den Nerv. Die Sprechstundenhilfe fragt mich bei der Datenaufnahme, wie ich verhütet habe. Ich sagte “symptothermale Methode”. Sie nickte und kreuzte “keine Verhütung” an… Bei meiner Ärztin die gleiche Frage, ich wiederholte meine Antwort. Meine Ärztin sagte, das wäre keine Verhütungsmethode und blickte mich eisig an. Ich sagte, dass ich die Pille nicht vertrage und dass ich mit der sM erfolgreich seit 10 Jahren verhüten würde. Dies sei auch der Grund, dass ich selbst in diesem frühen Stadium sofort von der Schwangerschaft gewusst hätte.
In meiner Welt ist eine zweiwöchige Schwangerschaft (also wenn man ab der Befruchtung 14 Tage seit dem Eisprung rechnen würde) erst mal vor allem ein befruchtetes Ei, das sich zu teilen begonnen hat. Jeder Schwangerschafts-Tag ist somit für mich einer zu viel. Und ich dachte es sei darum von Vorteil, dass ich so derart früh Bescheid wüsste und es gäbe vielleicht eine Tablette, mit der ich das Wachstum dieses ersten kleinen Zellhaufens schnell wieder unterbrechen kann. Ich musste lernen, dass es der Welt völlig egal ist, wie weit ein Leben sich entwickelt. Hauptsache die Frau gebärt. Und wenn nicht, dann soll sie (und dies bitte unter Schmerzen) möglichst spät abtreiben.
Ich wusste damals kaum etwas über die gesetzlichen Abläufe bei Abtreibungen und ich dachte, ich wäre bei meiner Frauenärztin in Sicherheit und gut aufgehoben. Ich dachte, ich könne ihr vertrauen. Ich wurde eines anderen belehrt. Ihre Missbilligung angesichts meines “Fehltrittes” kam sofort und ganz klar rüber. Auch eine Abtreibung würde bei ihr nicht gemacht. Sie mache “so etwas nicht”, sagte sie. Erst müsse ich eine Pflichtberatung bei einer entsprechenden Stelle absolvieren und dann müsse ich mir entsprechende Ärzte, die abtreiben, raussuchen. Im 500.000 Einwohner-starken Karlsruhe gab es 2009 grade mal zwei Praxen. Deren Adressen drückte mir die Sprechstundenhilfe beim Verlassen der Praxis in die Hand. In tiefer Verzweiflung fuhr ich heim.
Durch die symptothermale Methode kannte ich meinen Körper eigentlich sehr gut und spürte diese Schwangerschaft darum sehr genau. Ich wollte nicht schwanger sein. Diese Schwangerschaft hier fühlte sich falsch für mich an. Mein moralischer Kompass sagte mir außerdem, wenn ich eine Schwangerschaft nicht will, dass ich sie möglichst früh abbrechen sollte. Die Zeit tickte also emotional für mich, denn mit jedem Tag mehr etablierte sich etwas in mir, das ich nicht wollte. Aber dieser Tag war nun vorbei, verschleudert, und ich konnte nicht mehr um weitere Termine telefonieren.
Nächster Tag: Ich recherchierte und telefonierte, obwohl ich doch eigentlich lieber zur Ruhe gekommen wäre, um emotional wieder etwas stabiler zu sein. Bei ProFamilia bekam ich einen Termin in der nächsten Woche. EINE ganze weitere Woche schwanger sein! Ich saß zuhause und heulte. Aus Wut! Und aus Verzweiflung.
Mein damaliger Freund und ich hielten fest zusammen. Wir besitzen beide eine große Portion schwarzen Humor und nannten den Nicht-Nachwuchs “Karl-Uwe”, um den Schrecken und den Schmerz ein wenig zu mindern. Unseren Familien sagten wir nichts. Wir sagten sowieso kaum jemandem etwas von unserer Situation aus Angst, bewertet und emotional belastet zu werden. Es war eine extrem einsame und düstere Woche.
Als mein Termin bei ProFamilia endlich heranrückte, hatte bei mir die Wut über die Trauer gesiegt. Wut zu einer Wartezeit gezwungen zu werden, obwohl ich genau weiß was ich will. Wut, wieder zu einer Gebährmaschine degradiert zu werden. Wut gezwungen zu werden, einer wildfremden Person Dinge über mich erzählen zu müssen, die sie einen Scheiß angeht! Ich betrat das Beratungszimmer mit dem festen Vorhaben, so wenig wie nur möglich zu sagen und ansonsten eisern zu schweigen. Ich glaube, die Beraterin erkannte sofort meinen Zorn. Und das ist eines der wenigen Dinge, für die ich heute noch dankbar bin. Sie war wirklich neutral, fragte ob ich mich entschieden hätte und erzählte mir nach meinem “Ja” dann eigentlich nur noch Kram, den ich selber schon in dieser lange, schrecklichen Woche selbständig recherchiert hatte. Und dann hatte ich endlich meinen Wisch…
War ich jetzt durch? Kam jetzt die Tablette? Nein. Erst musste ich zurück zu meiner Frauenärztin um die Schwangerschaft NOCHMALS bestätigen zu lassen und mir eine Überweisung zu einem anderen Arzt, der Abtreibungen vornimmt, geben zu lassen. Dieser Tag war also verloren. Ich konnte am nächsten Tag wieder telefonieren und um einen Termin betteln.
Ich weiß nicht wie viele Tage ins Land gingen, wie groß Karl-Uwe schon geworden war, bis ich endlich auf dem Gyn-Stuhl meiner Frauenärztin die Beine breit machen durfte. Sie bestätigte mir die intakte Schwangerschaft, fragte mich NOCH mal, ob ich mir wirklich sicher sei fuck you! und dann spielte sie mir die Herztöne von Karl-Uwe vor…
Ich danke meiner Resilienz!!!
Ich gehöre, trotz diagnostizierter Depression, zu den Menschen, die sich manchmal selbst an den Haaren aus dem Sumpf ziehen können. Ich weiß dass dies keine Stärke ist, sondern nur einfach unfassbares Glück!
Ich verließ diese Scheiß-Praxis ohne die Ärztin ermordet zu haben und ohne selber aus dem Fenster zu springen. Ich weiß nicht, ob das eine Meister*innen-Leistung ist, könnte schon sein.
Tag vorbei, wieder warten. Karl-Uwe wuchs. Der Herzschlag hallte nach, aber ich hatte mich innerlich verabschiedet. Von den Träumen, von allen Konjunktiven, von dem was sein könnte. Ich wollte einfach nur noch abschließen (dürfen). Wieder telefonieren. Wieder ein Termin, wieder warten. Tage vergehen, Karl-Uwe wurde größer. Ich hatte Heißhunger auf Lasagne.
Dann in einem rappelvollen, fremden Wartezimmer. Um mich herum lauter graue, traurige Frauen. Ich sah sie verstohlen an, dachte mir “Habt ihr eine ähnliche Geschichte? Wer seid ihr?” Nach drei Stunden Wartezeit (und diese Wartezeit ist dort üblich, weil – ich erinnere – nur zwei Ärzte für 500.000 Einwohner…) durfte ich rein zu diesem fremden Frauenarzt. Hinter dem Tisch saß ein kleiner, untersetzter Mann mit Vollbart und Brille. Und er lächelte mich einfach an und sagte “Gut das Sie da sind, wie geht es Ihnen?”. Und ich antwortete “Sehr, sehr schlecht..”. Und dann musste ich mich setzen und weinen, denn dies war seit Wochen der erste Mensch, der ein warmes Herz besaß und der (neben meinem Freund) tatsächlich MICH fragte, wie es MIR denn eigentlich geht! Keine Fragen mehr um meine Entscheidung zu hinterfragen. Und ich wusste, dass ich angekommen und jetzt in Sicherheit war.
Ich hatte mich für die medikamentöse Methode entschieden. Trotzdem ich so früh von meiner Schwangerschaft gewusst hatte, war doch enorm viel Zeit ins Land gegangen durch die Arzt- und Beratungsrennerei. Noch mehr Zeit und es wäre für diese Methode zu knapp gewesen. Ich hätte auf den Stuhl gemusst und hätte Menschen zwischen meinen Beinen herumwerkeln lassen müssen. Das wollte ich (siehe Hintergrundgeschichte) auf keinen Fall. Ich wollte eigenverantwortlich ein Medikament zu mir nehmen und aktiv ohne Narkose spüren, was in mir geschieht.
Die Medikamenteneinnahme sah zwei Termine vor: Eine erste Tablette und eine zweite zwei Tage später, um die Abbruchblutung zu unterstützen. Ich bekam die erste am Freitag und sollte am Montag wieder kommen. In der Nacht von Freitag auf Samstag lag ich im Bett neben meinem Freund und weinte, weil ich glaubte das Leben in mir sterben zu fühlen. Vielleicht war das so, wer weiß. Es war ein letztes heftiges Aufbäumen der Trauer. Und dann war dieses Gefühl vorbei. Es waren die letzten Tränen, die ich wegen dieser Schwangerschaft weinte.
Ich hatte eigentlich vor, Karl-Uwe in einer Streichholzschachtel an einem hübschen Ort zu begraben. Ich dachte mir, man müsse ihn irgendwie wohl erkennen können. Tatsächlich aber saß ich am nächsten Tag mit einem guten Freund in einem Café und merkte von einer Minute auf die andere, dass etwas in mir geschieht, mit dem ich zu diesem Zeitpunkt (es sollte ja noch die zweite Tablette am Montag geben) nicht gerechnet hatte. Ich rannte auf die Café-Toilette. Ich muss gestehen: Karl-Uwe ist in der Kanalisation des Karlsruher Ring-Cafés verschwunden. Ich saß da noch in dieser kleinen Klo-Kabine auf dem Boden, die Arme bis zu den Ellenbogen mit Blut verschmiert – so viel Blut! Aber kein Karl-Uwe. Er muss wirklich, wirklich winzig gewesen sein… Das Klo sah aus, als wäre grade jemand geschlachtet worden. Nach einer Putzaktion mit exzessivem Einsatz von Klopapier wankte ich zurück an den Café-Tisch. Kreislauf ganz okay, nur ziemlich erschrocken…
Die zweite Tablette war nicht mehr nötig, wie ein Check meines neuen und herzensguten Frauenarztes (er begleitete mich später noch durch eine Krebsepisode) zwei Tage drauf bestätigte. Ich und mein Körper hatten sich von Karl-Uwe gelöst.
Ein paar Wochen später besuchte ich in Heidelberg Von Hagens “Körperwelten”, die dort zu der Zeit gastierten. Speziell die Vitrine mit den Embryonen und Föten interessierte mich sehr. Ich stellte fasziniert fest, dass Karl-Uwe eine kleine Miniminibohne gewesen war, fast wie ein Cocktailshrimps und ebenso rosig, nur echt vieeel kleiner. Und dann drehte ich mich um und ging zur nächsten Vitrine der Ausstellung.
Dieser Abschnitt, diese paar Wochen in meinem Leben haben mich mit einer verstärkten Empathie gegenüber anderen ungewollt Schwangeren ausgestattet. Vorher war das für mich ein Thema, das irgendwie immer andere betraf. Und dann erwischte es mich eiskalt. Ich bin froh-nicht-froh über diese Erfahrung. Ich bin heilfroh, diese Schwangerschaft nicht ausgetragen zu haben. Auch wenn die Liebe damals wirklich sehr groß war – ich hätte mit der Situation nie wirklich ins Reine kommen können und ich hätte immer gehadert. Genau das tue ich jetzt nicht. Manchmal denke ich noch an dieses kleine Shrimpsding in der Vitrine. Und dann lächle ich erleichtert. Und lebe. Und mache Kunst. 🙂
Birte

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Ich bin sonst wirklich gut strukturiert und organisiert, aber hier war ich echt unter Druck. https://abtreibungsgeschichten.blackblogs.org/2020/04/17/ich-bin-sonst-wirklich-gut-strukturiert-und-organisiert-aber-hier-war-ich-echt-unter-druck/ Fri, 17 Apr 2020 09:02:02 +0000 http://abtreibungsgeschichten.blackblogs.org/?p=173 Continue reading ]]> my choice.
Wie es vor fast 10 Jahren dazu kam, ist erst einmal egal, die Geschichte ist auch zu absurd. Wichtig ist nur, ich wollte diese Schwangerschaft nicht, habe sie befürchtet und mir sofort Tests gekauft. Am erstmöglichen Tag (nach zwei unerträglichen Wochen) hab ich direkt zwei Tests parallel durchgeführt, beide bestätigten meine Befürchtung und ich begann meine Internetrecherche. Klar hatte ich mich mit dem Thema der Schwangerschaftsunterbrechung beschäftigt, aber ich selbst? Jetzt betroffen? Mega peinlich!
Kinder ja, aber nicht diese Schwangerschaft.
Nachdem ich auf unzählige gruselige Websites von Abtreibungsgegner*innen stieß und dort teils amüsiert, teils erschüttert herumstöberte, stellten sich für mich dramatische Erkenntnisse in den Vordergrund

1.) die nächsten Wochen müssen wahnsinnig gut organisiert werden: Termin Gyn erst in Woche 7(!!!!!!!!) möglich, Termin Beratungsstelle besorgen, dann wieder warten, Gyn finden für Abbruch, Methode besprechen, Kostenzusage der Krankenkasse besorgen, Abbruch durchführen – nur 4 Wochen Zeit quasi – nebenbei Abschlussarbeit schreiben. Aber hey, no pressure!

2.) es gibt keine Beratungsstelle von profamilia in Dresden. Es gibt fast nur kirchliche Beratungsstellen.

3.) Es gibt keine seriöse Liste mit Frauenärzt*innen, die Unterbrechungen durchführen. Das Wissensmonopol liegt bei den Fundis. NIEMAND scheint solidarisch mit Menschen wie mir.

4.) meine Gynäkologin schoss den Vogel ab, ich wechselte danach auch zu einer tollen Gyn. Auf meine Vermutung, schwanger zu sein, fragte sie „Und, Kinderwunsch?“ – Ich so : „Öhm, nein.“, darauf nur ein missbilligendes Ausatmen, sie macht den Ultraschall, sagt „Hier sind die Herztöne.“ Toll, danke für die Vorwarnung, nicht. Naja, so einfühlsam ging es auch zu Ende, keine Wesentlichen Infos, nix.

5.) Leute, ich bin sonst wirklich gut strukturiert und organisiert, aber hier war ich echt unter Druck und ich wage mir nicht auszumalen, wie das aussieht, wenn du Kinder hast, dich vor einem Partner/Eltern erklären musst, nicht in der Großstadt wohnst, 9 to 5 arbeitest oder aber einfach weniger gut strukturiert bist und keine Unterstützung hast.
Die hatte ich zum Glück. Ich weiß noch sehr genau, wie unendlich dankbar, berührt und glücklich ich war, dass meine Freundinnen sich meine Story anhörten und bedingungslos zu mir hielten, mir von Anfang an die Gewissheit gaben, für mich da zu sein, mich nicht zu verurteilen. Seltsamerweise ruhte ich aber auch von Anfang an in mir, wusste ich doch, dass ich dieses Kind nicht will. Einzig nervtötend war, neben den Terminen, was mein Körper tat, der mir plötzlich so fremd war und von dem ich fürchtete, er würde mich verraten.
Der Gynäkologe, zu dem ich dann ging, war super nett und der Abbruch an sich sehr unkompliziert, im Internet konnte ich vorher genug zu den Medikamenten und ihren Wirkungen lesen, eine Freundin begleitete mich zur Praxis. Danach war ich allein, nahm in Ruhe Abschied und hatte das Gefühlt es tut mir gut, diesen Embryo einfach so loszuwerden, ohne OP, sondern „aktiv“.

6.) das Beratungsgespräch: die AWO-Mitarbeiterin war sehr nett, die Situation aber wirklich dermaßen absurd, denn welches Recht hat diese Person überhaupt (trotz des anonymen Charakters des Gespräches), mich über das Zustandekommen, meine Lebensumstände oder sonstwas zu befragen – natürlich entwischt ihr auch eine ethisch-moralische Wertung als ich wegen ihrer bohrenden Nachfragen und Hinweisen auf mögliche Unterstützungsangebote meine Geschichte und das Dilemma schließlich doch Stück für Stück erzähle. Ihr wird klar, das sich das alles wohl überlegt habe, mich widert es an, mich als erwachsene, mündige Person so erklären zu müssen. Als bräuchte ich ihre Zustimmung, als wüsste ich nicht selbst, was gerade am besten für mich ist. Als wäre es nicht fair, einfach die Wahl zu haben und so zu entscheiden. Mir tut die Beraterin leid, als ihr die Komplexität meines Falles klar wird und sie mich ungläubig anschaut, ihr Mitgefühl kann ich nicht brauchen. Ich brauch diesen Schein.

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Ich habe Verantwortung mit dieser Entscheidung getragen. https://abtreibungsgeschichten.blackblogs.org/2020/04/13/ich-habe-verantwortung-mit-dieser-entscheidung-getragen/ Mon, 13 Apr 2020 09:00:51 +0000 http://abtreibungsgeschichten.blackblogs.org/?p=165 Continue reading ]]> In meinem privaten Umfeld wissen die meisten, dass ich damals abgetrieben habe. Ich habe immer hinter dieser Entscheidung gestanden und würde definitiv genauso handeln, wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte. Allerdings würde ich anders handeln, wenn ich sie noch weiter zurückdrehen könnte. Nämlich zu jenem Abend, an dem ich schwanger geworden war.

Damals war ich gerade mal neunzehn Jahre alt, arbeitete als AuPair in den USA und meine Gastfamilie machte mal wieder ohne mich Urlaub – diesmal in Disneyworld. „Wir dachten, du magst sowas nicht“, waren die Worte, die sagten, dass sie mich nicht dabei haben wollten.
Mein Ami und ich hatten einen romantischen Abend, er war erst mein zweiter Freund gewesen, ich war an Unsicherheit und Unerfahrenheit kaum zu überbieten gewesen. Ich hatte damals ständig Streit mit meiner Gastmutter, weil ich in ihren Augen nichts richtig machen konnte. Als sie dann anrief, führte ich ein schwieriges Gespräch, weil sie nicht wissen durfte, dass ich Besuch hatte, während mein Freund einfach weitermachte. Ungeschützt.

Als dann Wochen später die Periode ausgeblieben war, wusste ich, dass ich den Hauptgewinn gezogen hatte.
Ich suchte aus dem Telefonbuch den erstbesten Gynäkologen aus. Vorher bin ich noch nie bei einem gewesen.
Dr. Gould. Ein Arzt, der jüdische Deko in seinem Behandlungszimmer hatte und auf Deutsche nicht so gut zu sprechen gewesen war. Ich weiß noch, wie ich mit Weltuntergangsstimmung das Gebäude verlassen hatte, ich dachte, ich sei der allerletzte Dreck, zu dumm für diese Welt und die Wertlosigkeit auf zwei Beinen. Dann kam mir eine alte Frau wie ein Engel entgegen. Sie strahlte übers ganze Gesicht und nahm im Vorbeigehen meine Verzweiflung mit. Anders kann ich das nicht beschreiben.
Ich fuhr also zurück, ließ mir nichts anmerken, informierte meinen Freund und vereinbarte einen Termin in einer Abtreibungsklinik. Bis zum Termin gab es jede Menge Stress. Die Schwangerschaft vor meiner Gastfamilie zu verheimlichen war nicht so schwierig, aber mein Freund stritt mit mir nahezu jeden Tag. Es sei auch sein Kind, ich müsse ihn heiraten und in die USA ziehen, ich sei schon die vierte, die eigenmächtig diese Entscheidung träfe …
Alles, was ich wusste, war, dass ich keine Ausbildung hatte, er in einem versifften Zimmer in einer WG lebte, wir weder Geld noch eine gemeinsame Zukunft hatten, weil wir ständig stritten, er auch nicht der Typ war, der treu sein wollte, und das Kind zu kriegen schlicht und ergreifend falsch gewesen wäre.
So fuhr er mich widerwillig an jenem Tag in die Klinik und anschließend zu Freunden. Ich saß zwischen anderen Frauen, die teils weinten, und fühlte nur, dass es das Richtige war. Ich musste meinen Monatslohn dafür zusamenkratzen.
In dieser Klinik hatte ich absurder Weise eine schöne Zeit, weil ich erstmals wieder Menschen begegneten, die mich verstanden hatten, die mir sagten, dass ich tapfer sei, und die Mitgefühl zeigten. Mir wurde das Prozedere erklärt, dann bekam ich ein Beruhigungsmittel und die Beraterin hielt die gesamte Zeit meine Hand. Ich weiß noch, dass es sich anfühlte, als würde jemand in mich hineingreifen und mir die Eingeweide herausreißen. Ich sah das Blut in den Bottich fließen und hielt das alles aus ohne Reue. Anschließend bekam ich Einlagen für die Nachblutungen, Kekse und was zu trinken.
Als mein Ami mich wieder abholte, erzählte er mir, was für einen tollen Tag er gehabt hatte. Er hätte bei einem Computerspiel brilliert und so einen Spaß gehabt.
Wir fuhren in dem großen Transporter zum Chinesen, wo er was zu essen rausholte. Mir wurde schlecht, ich stieß die Tür auf und übergab mich vor den Schaufenstern des Lokals auf den Parkplatz. Mein Ami lachte, weil es den Ausdruck „She tossed the cookies“ fürs Kotzen gab.
Dann fuhren wir zu ihm, aßen und anschließend wollte er nur kurz in die Innenstadt fahren, um sich einen Jeep anzuschauen. Stunden später kam er aufgekratzt zurück. Er hatte so viel Spaß mit den Leuten und den Jeep habe er auch gekauft, wir müssten nur noch mal los, um ihn abzuholen. So fuhr ich mit ihm nach Washington D.C. ich erinnere mich nicht an die Leute, an die Schlüsselübergabe oder den Weg. Ich weiß nur, dass ich diesen riesigen Van zurückgefahren bin, damit mein Ami mit seinem neuen Jeep fahren konnte. Da bemerkte ich erstmals, dass ich eine Brille brauche.

Wer über Abtreibungen redet, als wäre das etwas, das man eben mal im Vorbeigehen erledigt, hat keine Ahnung, wovon er oder sie da spricht, oder wie stark Frauen sein müssen, um das über sich ergehen zu lassen. Nur, weil ich diese Entscheidung nicht einen Tag in meinem Leben bereut habe, bedeutet das nicht, dass diese Erfahrungen spurlos an mir vorbeigegangen sind. Ich habe mich nicht gegen das Kind entschieden, sondern gegen eine ewige Verbindung zu diesem Mann, gegen drei Leben, die durch die Geburt sehr schwierig geworden wären. Gegen den falschen Weg ohne die Ausbildung, die ich machen wollte. Gegen die viel zu frühe Mutterschaft. Ich habe Verantwortung mit dieser Entscheidung übernommen. Und wenn ich heute, 25 Jahre später meine Familie anschaue, weiß ich, dass ich richtig gehandelt habe. Es geht nicht immer darum, ob man das Kind geliebt hätte oder nicht, sondern ob man sich selbst noch hätte lieben können, wenn man alles hätte aufgeben müssen, was einen zu einem fertigen Menschen hätte machen sollen. Mit neunzehn bin ich noch lange kein fertiger Mensch gewesen, wie hätte ich da Mutter sein sollen? Und das nicht mal, weil ich unvorsichtig gewesen war, sondern weil er weitergemacht hat, als ich nicht Nein sagen konnte.

Wer nun denkt, mein Amerikaner wäre ebenfalls ein Neunzehnjähriger gewesen, den muss ich enttäuschen. Dieser Mann war acht Jahre älter als ich. So wirkte er nicht, so handelte er nicht. Dank Facebook weiß ich, dass er bis heute kein erwachsenes Leben führt. Ich habe mit der Vergangenheit abgeschlossen. Ich bin stolz auf mich, weil ich für mich den richtigen Weg gegangen bin. Mein Jahr in den USA hat mich nicht auf einen Schlag erwachsen werden lassen, aber es hat mich geformt und mir gezeigt, wie stark ich sein kann.
Mein Körper, meine Entscheidung!

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Bye, Bye Baby! https://abtreibungsgeschichten.blackblogs.org/2020/04/11/abtreibungsgeschichte-4-bye-bye-baby/ Sat, 11 Apr 2020 09:04:04 +0000 http://abtreibungsgeschichten.blackblogs.org/?p=156

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Sus Geschichte https://abtreibungsgeschichten.blackblogs.org/2020/04/09/abtreibungsgeschichte-3-sus-geschichte/ Thu, 09 Apr 2020 07:48:00 +0000 http://abtreibungsgeschichten.blackblogs.org/?p=127

Unsere heutige Geschichte, die Geschichte von Sus findest du neben anderen auf unserem Mixcloudaccount und bei Instagram.

Sus Tattoo: Die Handabdrücke ihres Kindes, das mit ein paar Monaten gestorben ist

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Ich spürte viel Liebe und keinen Vorwurf. https://abtreibungsgeschichten.blackblogs.org/2020/04/07/ich-spurte-viel-liebe-und-keinen-vorwurf/ Tue, 07 Apr 2020 09:02:55 +0000 http://abtreibungsgeschichten.blackblogs.org/?p=106 Continue reading ]]> Es wäre mein drittes Kind gewesen. Alle ungeplant. Alle im Rythmus von drei Jahren. Wie meine große Schwester ihre drei Kinder bekommen hat. Das dritte Kind nun von einer neuen Beziehung. Neue Abhängigkeiten nachdem es so schwer und schmerzlich war, aus den alten heraus zu kommen. Der Vater meiner Kinder mit drei Diplomen. Aber häusliche Gewalt geht durch alle gesellschaftlichen Schichten und niemand ist davor gefeit. Vor allem, weil darüber nicht geredet wird, sich Freundinnen bei Kaffee und Kuchen trösten und sich beistehen, das auszuhalten. Ich fände es fast viel wichtiger, über häusliche Gewalt das Schweigen zu brechen, als über Schwangerschaftsabbrüche… Und nun wieder ein Kind? Jetzt? Wo meine Selbstbestimmung, meine sexuelle Freiheit, mein Leben wieder los geht?

Ich liebe Kinder und ich bin christlich erzogen worden. Dennoch bin ich der Überzeugung, dass ich ein Recht über meinen Körper habe und nicht schicksalsergeben unglücklich sein muss. Die Frau und ihr Körper sind älter als moralische Vorstellungen der abendländischen Gesellschaft. Und damit meine ich nicht, dass es nichts zur Sache tut, ein empfangenes Kind zu töten. Ich meine damit, dass Geburt und Sterben in den Kreislauf des Lebens hinein gehört. Wenn eine Tiermutter nicht für alle ihre Jungen sorgen kann, frisst sie diese. Auch kein Darwinismus oder Vorrohung treiben mich an, diesen Text zu schreiben. Ich glaube einfach, dass wir Frauen bei Entscheidungen über so gravierende Einschnitte in unsere Leben, wie die Geburt eines weiteren Kindes, die Wahl haben dürfen. Ganz naturgegeben. Ganz gottgegeben. Wichtig dabei ist nicht das Ergebnis der Entscheidung, sondern, dass die Entscheidung sorgfältig getroffen wurde – nach den Bedürfnissen der betroffenen Person ausgestaltet wurde und eine gute Prozessbegleitung am Start ist.

Ich habe Freundinnen, die auch abgetrieben haben und Freundinnen, die die ungeplanten Kinder bekommen haben. Meine Erfahrungen damit zeigen, dass Abtreibungen sehr unterschiedlich auf Frauen wirken. Gerade die Abtreibungen in den 20er haben viel mit Unsicherheit zu tun und entweder die Beziehung geht darüber entzwei oder das Pärchen hat nach einem Jahr einen nun gewünschten Babybauch vorzuzeigen. Dann gab es Abtreibungen, die tatsächlich teils schwere psychische Folgen hatten und soweit ich das einschätzen konnte, lag das an zu viel gesellschaftlichem bzw. familiärem Druck. Es haben sich Menschen in die Entscheidung eingemischt, die damit nichts zu tun hatten und es hat meiner Freundin ein Jahr ihres Lebens gekostet, das zu verarbeiten. Eine andere Freundin erzählte mir, dass frühere Abtreibungen sie einholten, als sie schließlich glücklich verheiratet ihr Wunschkind stillte und sie des nachts von Albträumen heimgesucht wurde. Ich will hier gar keine Schauergeschichten erzählen. Aus den Puzzlestücken, die man kennt, erklärt man sich die Welt. Und meine Erklärung ist, dass Abtreibungen nicht leichtfertig getätigt werden sollten, sondern einen als Frau immer irgendwie berühren. Und ich möchte, dass diese Gefühle auch Platz haben dürfen – es ist unser Körper, ich liebe meinen Körper und möchte nur das Beste für ihn und damit für mich. Die Möglichkeit zur Abtreibung rechtfertigt weder einen leichtfertigen Umgang noch Scham!

Meine persönliche Erfahrung mit der Entscheidung zur Abtreibung war gut. Ich war sehr klar in dem, was ich (nicht) wollte. Mein damaliger Partner hat mich unterstützt und ist jeden einzelnen Schritt mit mir gegangen. Das hatte ich nicht erwartet. Ich war gewohnt, alle Frauensachen allein zu machen. Es tat aber sehr gut und wünsche ich jedem – es muss nicht der Partner sein, eine Freundin oder vertraute Person, kann das auch geben. Mir war wichtig, dass die Abtreibung schnell passiert, am besten bevor das kleine Herz schlägt, also vor der 6. Woche. Warum auch immer, fiel es mir leichter, das Kind in mir dann noch als Zellhaufen zu verstehen. Das ist sicher bei Jedem anders. Ich musste schnell reagieren und wurde bei einigen Beratungsstellen auch abgewiesen, weil für mich das Ergebnis schon klar war. Es war in dem Moment ein bisschen blöd, aber ich kann auch die Menschen verstehen, die wirkliche Konfliktberatung machen und Frauen ermöglichen, nicht nur ihren Verstand walten zu lassen, sondern wirklich tief in sich hineinhorchen zu lassen. Ich bekam auch schnell einen Termin für die ambulante Abtreibung per Pille.

In meiner Vorstellung schwirrt die kleine Seele des Kindes schon um mich herum, wenn ich schwanger bin, bis sie Wohnung bezieht. Trotz meiner klaren Entscheidung habe ich auch Respekt vor dem Leben und als ich zwei Tage vor der Abtreibung in der Wanne saß, nahm ich Kontakt auf zu der Seele und erklärte ihr meinen Wunsch nach Freiheit. Die Seele hatte das schon längst kapiert und freute sich einfach über den Kontakt, ich spürte viel Liebe und keinen Vorwurf. Nach der Abtreibung hatte ich das Gefühl, dass das Seelchen mich noch ein paar Monate begleitete, wie ein roter Luftballon, der ganz leicht an einer filigranen Schnur an meiner Schulter hing. Irgendwann löste er sich und flog woanders hin. Wo auch immer das Seelchen sein mag. Ich hab es lieb. Und trotzdem ist alles gut. Ich liebe meine zwei anderen Kinder.

Der Mann, mit dem ich die Abtreibung erlebt habe, ist schon lange nicht mehr in meinem Leben. Ich konnte mein Studium beenden und kann nun unabhängig auf eigenen Beinen stehen. Das ist mir wichtig und macht mich froh. Ein einziger Schatten ist, dass ich diese Erfahrungen zwar nach und nach mit meinen Geschwistern geteilt habe, aber noch nie mit meinen Eltern. Auch wenn wir ein sehr gutes Verhältnis haben, wollte ich es nicht mit ihnen teilen und erklären müssen. Dabei glaube ich nicht, dass sie mich verurteilen würden. Sie wissen, wieviel Arbeit viele Kinder machen. Irgendwann wird der passende Moment kommen. Und – es geht auch nicht alle was an. 😉

Diese Geschichte findest du auch auf Instagram, Facebook und Twitter.

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Unemotional https://abtreibungsgeschichten.blackblogs.org/2020/04/05/unemotional/ Sun, 05 Apr 2020 09:29:33 +0000 http://abtreibungsgeschichten.blackblogs.org/?p=64 Continue reading ]]>

Die Kartenrückseite:

Liebe Alle,

Ja ich habe abgetrieben, aber es beschäftigt mich nicht sonderlich. Ich habe weder Gewissensbisse, noch fühle ich mich besonders befreit. Vielleicht bin ich zu wenig kämpferisch, vielleicht sehe ich zu wenig das emanzipatorische Moment der Abtreibung. Aber so sieht es in mir aus. Es war für mich ein medizinischer Eingriff, und genauso emotional oder unemotional begegne ich diesem Thema.
Daher kann und will ich auch gar keine langen Worte darüber verlieren. Für viele mag das unverständlich, ja töricht klingen, doch genauso ist es für mich.

Doch in einem werde ich emotional, wenn es darum geht, dass Abtreibungen bis heute kriminalisiert und die Personen stigmatisiert werden. Wenn die Entscheidung darüber, wie ich mich fühle nicht bei mir, sondern bei anderen liegt, ja dann werde ich wütend.

Lasst uns gemeinsam kämpfen.
Nieder mit §218
Solidarische Grüße
V.

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Let´s Break the Silence! Lasst uns das Schweigen brechen! https://abtreibungsgeschichten.blackblogs.org/2020/04/03/lets-break-the-silence-lasst-uns-das-schweigen-brechen/ Fri, 03 Apr 2020 20:31:19 +0000 http://abtreibungsgeschichten.blackblogs.org/?p=39 Continue reading ]]> Jeden Tag finden Schwangerschaftabbrüche statt. Jedes Jahr treiben Millionen Menschen weltweit ab und werden niemals über diese Erfahrung sprechen. Denn: sich bewusst für einen Abbruch der Schwangerschaft zu entscheiden, ist noch immer vielerorts verpöhnt, geächtet, bewertet. Menschen werden dafür ausgegrenzt, beschämt, verurteilt und bestraft.
Es wird geschwiegen.

Wir sagen: genug! Lasst uns gemeinsam das Schweigen brechen und über unsere Erfahrungen sprechen. Lasst uns die Erfahrungen so selbstverständlich mit Anderen teilen, wie es die Entscheidung für Abtreibung sein sollte. Lasst uns Scham, Schuld, Stigma und Verurteilung abschaffen.

Unsere Entscheidungen sind klar!
Es sind unsere Körper und unsere Leben! Und unsere Gründe und Geschichten sind so vielfältig wie wir.

Erzählt uns vom Prozedere, wie es für euch war. Und wie es euch dabei ging. Was war zum Kotzen? Zum Verzweifeln? Wer und/oder was hat sich euch in den Weg gestellt? Eure Entscheidung bewertet? Verunsichert? …gestärkt? Was hat euch Kraft gegeben? Wer und/oder was war wichtig? Wer war da? Wie stehst du heute dazu? Wofür müssen wir uns stark machen? Was muss sich ändern? Was muss mitgedacht werden?

Gestaltet dafür eine Postkarte oder macht ein Foto von euch mit eurem Statement. Schickt uns Videoclips, Audiobeiträge. Schickt uns Briefe. Schickt uns euren Text.

Lasst uns mit Schweigen und Stigma brechen!

#noStigma# #MyLifeMyChoice# #proChoice #myabortionmychoice

 

 

Deine Geschichte wird hier und auf Instagram veröffentlicht. Bei Audiodateien nutzen wir zudem noch Mixcloud. Gerne kannst du uns ein Bild mitschicken, oder einen Satz bzw. Wort hervorheben, falls wir daraus ein Bild erstellen sollen.

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