Uncategorized https://abtreibungsgeschichten.blackblogs.org Sat, 24 Oct 2020 13:10:31 +0000 en-GB hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 https://abtreibungsgeschichten.blackblogs.org/wp-content/uploads/sites/1310/2020/04/cropped-schrift-1-32x32.jpg Uncategorized https://abtreibungsgeschichten.blackblogs.org 32 32 Geschichten vom Landleben https://abtreibungsgeschichten.blackblogs.org/2020/10/06/geschichten-vom-landleben/ Tue, 06 Oct 2020 13:09:45 +0000 http://abtreibungsgeschichten.blackblogs.org/?p=280 Continue reading ]]> Abtreibungsgeschichte einer Frau aus Regensburg
Zwei Striche auf dem Schwangerschaftstest an einem Freitag Abend-eine Woche vor Weihnachten. So fing es an.
Also gibt es erstmal diese eine To-Do Liste für ungewollt Schwangere: Frauenärztin anrufen, Beratungsstelle anrufen für den Beratungsschein und Termine machen. Weihnachten steht vor der Tür, also viele Feiertage und viele geschlossene Praxen – aber die Fristen laufen.
Doch wo kann ich das eigentlich in Regensburg machen lassen? Also erstmal die Frauenarztpraxen durchgecheckt. Hmm – irgendwie bietet das hier niemand an…? Dann kommt mir, dass Ärzt*innen das ja nicht veröffentlichen dürfen,…
Dann nochmal gegoogelt: „Abtreibungen in Regensburg vornehmen lassen“. Ich stoße auf eine Homepage mit dem Namen „Babycaust“. Bei dem Namen der Homepage kann einem einfach nur schlecht werden. Einige User – sog. Lebensschützer – schreiben, dass sie die Praxen gerne in die Luft sprengen würden. Doch es ist tatsächlich die einzige Plattform auf der ich Informationen darüber bekomme wo in Regensburg ein Abbruch vorgenommen werden kann.
Nach diesen Netzrecherchen weiß ich gar nicht mehr was mich gerade mehr schockiert – die überraschende Schwangerschaft oder das, was ich gerade in der einen Stunde gelesen habe.
Endlich komme ich ein bisschen zur Ruhe.
So eine ungeplante Schwangerschaft ist wie eine Gratis-Psychoanalyse: Wo stehe ich in meinem Leben? Kann ich Verantwortung für ein anderes Leben tragen? Bin ich beständig? Kann ich Mutter sein – in 9 Monaten? Welche Frauen in meiner Familie hatten auch schon einen Abbruch? Hatte meine Mutter auch schon mal eine Abtreibung? Und warum weiß ich diesbezüglich eigentlich gar nicht was in meiner Familie da so war?
Und dann das ganze Finanzielle. Hm, schlichtweg alleinerziehende Mutter zu sein ist ein Armutsrisiko. Krass. Ok und in Regensburg mit seinen Mietpreisen als alleinerziehende Mutter leben wird ein ziemlicher Drahtseilakt und ob ich da die Power habe, weiß ich wirklich nicht.
Nein, ich will das wirklich nicht. Ich stecke in den Schuhen, sonst niemand.
Dann ist der Termin bei der Beratungsstelle für den Schein.
Ich gehe raus mit schlechten Nachrichten. Anscheinend hat Regensburg hier eigene Fristenregelungen. Ich kann bis zur 10. Woche abbrechen. Aber bis zur 10. Woche nach dem ersten Tag der Regelblutung!! Ich will unbedingt medikamentös abbrechen. Aber da habe ich hier nur eine Praxis zur Wahl und die machen das aus irgendwelchen Gründen nur bis zur 7. Woche statt bis zur gesetzlich möglichen 9. Woche nach dem ersten Tag der letzten Monatsblutung. Tja, und die haben wegen Weihnachten alle zu. Wenn sie dann nach Weihnachten wieder öffnen, bin ich schon drüber mit der Zeit und es geht dann nur noch die Absaugmethode.
Das lässt mich aus der Haut fahren – noch nie zuvor hat irgendetwas von Außen so sehr über meinen Körper bestimmt! Absaugmethode geht in Regensburg nur bis zur 10. Woche nach dem ersten Tag der letzten Monatsblutung und nicht bis zur 14. – wie gesetzlich möglich! Dann verlangt eine der beiden Praxen hier einfach mal 500 Euro dafür statt 350 Euro wie in München. Aufgrund meines Einkommens bekomme ich keine Kostenübernahme.
Ich kann es kaum fassen. Was ist hier los in dieser Stadt? Ich greife wieder zurück auf die Infos von Babycaust – die einzigen möglichen Infos im Netz – mit Brechreizgarantie – um herauszufinden, welche Praxen das noch in Bayern anbieten. München, Nürnberg, Regensburg. Ernsthaft!!!? Drei Praxen für ein Bundesland mit 13 Millionen Einwohner*innen!!!?
Ich gehe zu einem der beiden Ärzt*innen hier. Nach der Untersuchung frage ich – einfach aus Interesse – wieso denn hier in Regensburg die Fristen einfach anders gesetzt werden und warum ein Abbruch nach der 10. Woche hier nicht mehr möglich ist. Der Arzt wird laut und ungehalten auf diese Frage, sagt mir, „wer so etwas fragt, ist sich der Entscheidung nicht sicher!“ und komplementiert mich aus seinem Büro. Puh – was soll mensch da sagen. Transparenz sieht echt anders aus. Und die Wahrung der Selbstbestimmung einer Patientin vor allem auch.
Mir reicht es – ich möchte entscheiden wie der Eingriff stattfindet und ich möchte einen medikamentösen Abbruch. Daher fahre ich also nach Nürnberg, muss mir ein Hotelzimmer nehmen, da ich an zwei Tagen zum Arzt muss. Endlich kann ich den Abbruch vornehmen. Es ist eine unglaubliche Erleichterung.
Das Ganze fand im Jahr 2017 statt. An den Schwangerschaftsabbruch denke ich manchmal noch – die Gründe für und gegen ein Kind sind so persönlich, so privat, haben so viel mit dem Leben während der ungewollten Schwangerschaft zu tun… Ich habe das gut verarbeitet. Das ist halt so passiert und es kann auch wieder passieren. Und das ist und war in Ordnung.
Was mir aber noch immer Fassungslosigkeit bereitet ist diese Zeit während der ungewollten Schwangerschaft. Genau da, wo ich unvoreingenommene Information gebraucht hätte, Unterstützung und Freiräume, wo niemand über irgendetwas urteilt, was der Mensch ohnehin nicht über mich wissen kann, wurde ich mit irgendwelchen kuriosen Regelungen ohne Begründung konfrontiert, konnte ich mich nur bei holocaustleugnenden rechten Plattformen informieren. Viele Menschen glauben, die Frau wäre sich nicht sicher bei der Entscheidung, bräuchte Entscheidungshilfe, urteilen darüber wie gefestigt diese nun ist und ob die Entscheidung auch wirklich triftig ist.
So sehr wurde bisher noch nie in meinem Leben über meinen Körper, über meine Psyche und Entscheidungsfähigkeit bestimmt und geurteilt wie damals.

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Du brauchst kein schlechtes Gewissen zu haben, dass du kein schlechtes Gewissen hast https://abtreibungsgeschichten.blackblogs.org/2020/10/01/du-brauchst-kein-schlechtes-gewissen-zu-haben-dass-du-kein-schlechtes-gewissen-hast/ Thu, 01 Oct 2020 19:00:48 +0000 http://abtreibungsgeschichten.blackblogs.org/?p=271 Continue reading ]]> Ich wurde vor ein paar Jahren mit 19 von meinem damaligen Freund schwanger. Wir haben verhütet, allerdings ist diese offensichtlich gescheitert. Mir war konstant übel und außerdem blieb meine Periode aus und so machte ich einen Schwangerschaftstest. Positiv. Also machte ich einen Termin bei einer Frauenärztin, welche mir bestätigte, dass ich schwanger war. Ich war in einem anderen Land für ein gap year. In diesem Land sind Schwangerschaftsabbrüche illegal und so war mir sofort klar, ich muss schnellstmöglich wieder nach Deutschland – wo Abtreibungen leider auch noch illegal sind, aber zumindest unter bestimmten Umständen straffrei sind.

Ich erzählte meinem damaligen Freund davon und er unterstützte mich zunächst. Jedoch änderte sich seine Meinung am nächsten Tag schlagartig und er beleidigte mich sehr heftig. Ich war geschockt und sehr verletzt. Als ob ich nicht schon genug unter Stress und Schock stand.

(Als ich dann in Deutschland war machte ich sofort Beratungstermine bei Profamilia, die Frau hat mit mir sehr lange geredet und merkte auch, dass ich sehr hin und hergerissen war. Obwohl meine Entscheidung schon vor dem Flug feststand, hatte ich Angst was wohl andere sagen würden oder ob ich die Abtreibung bereuen würde und es ja schließlich nicht rückgängig machen könnte.Das Stigma und die Vorurteile gegenüber Abtreibungen hatte ich sehr internalisiert. Ich kannte und kenne bis heute keine/n der oder die abgetrieben hat. Und so fühlte man sich doch sehr allein, auch wenn ich von meiner Familie und meiner besten Freundin sehr unterstützt wurde.)

Nach dem Beratungstermin machte ich sofort einen Termin beim Frauenarzt. Das gestaltete sich etwas schwierig, da zwei der Ärzte in meiner Nähe, die überhaupt Abtreibungen durchführen im Urlaub waren. Dass ich so oft bei verschiedenen Ärzt*innen anrufen musste hat mich Überwindung gekostet, immer wieder meine Situation zu erklären. Doch beim dritten Arzt hatte ich dann Glück. Wir machten einen Termin noch in derselben Woche aus für eine Absaugung.

Nach der Abtreibung hatte ich kein schlechtes Gewissen und war auch nicht traurig… (Der Arzt hatte mich schließlich nur in den Zustand zurückversetzt, in welchem ich mich befunden hätte, wäre die Verhütung geglückt.) Meine Mutter, die mich zum Termin begleitet hatte, fragte mich nach dem Eingriff wie es mir geht. Ich sagte mit Schulter zucken und entschuldigenden Blick: ‚Eigentlich gut.‘ Daraufhin erwiderte meine Mutter einen Satz für den ich ihr sehr dankbar war: ‚Du brauchst jetzt kein schlechtes Gewissen zu haben, dass du kein schlechtes Gewissen hast.‘ (Trotzdem wurde das Jahr darauf ein sehr emotionales, auch wenn ich wusste, ich hatte die für mich richtige Entscheidung getroffen.)

Ich habe mich nun mehreren Freund*innen geöffnet und bin sehr froh, dass ich mit ihnen darüber reden kann und ich für nichts verurteilt werde. Fakt ist, ich bereue nichts. Ich wollte damals einfach kein Kind. Ich bin froh, dass ich damals mit meinen 19 Jahren so mutig und tapfer war.

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Ich war 16 und nahm die Pille. https://abtreibungsgeschichten.blackblogs.org/2020/09/28/ich-war-16-und-nahm-die-pille/ Mon, 28 Sep 2020 11:11:28 +0000 http://abtreibungsgeschichten.blackblogs.org/?p=264 Continue reading ]]> Ich habe vor 11 Jahren abgetrieben – da war ich 16. Damals war ich mit meinem ersten Freund zusammen, verhütet hatten wir mit der Pille. Nach einer Zeit merkte ich, dass ich sehr sensibel auf Gerüche reagierte und mir dauernd schlecht war. Nachdem meine Zwischenblutung ausblieb, wusste ich, dass ich einen Termin beim Frauenarzt machen sollte. Als ich dort untersucht wurde, zeigte er mir auf dem Monitor den kleinen Zellhaufen, der (wie er mir dann mitteilte) schon ein Herz entwickelte. Perplex lag ich da und fragte ihn, wie das denn sein könnte, ich nahm ja schließlich die Pille.

Er sagte dann einfach „kann auch sein, dass sie für dich nicht gepasst hat oder sie höher dosiert gehört“. Danach fragte er mich, ob ich denn nicht ein Bild von meinem Zellhaufen haben will, was ich sofort ablehnte. In dem Warteraum war meine beste Freundin, die genauso entsetzt war wie ich.
Als meine Mutter davon erfuhr, machte sie mir jegliche Termine aus, um eine Abtreibung einzuleiten. Mein Vater reagierte mit folgenden Worten darauf: „Das werden wir niemanden erzählen, das ist ja peinlich vor der Familie.“ Mein damaliger Freund wollte es auch niemanden erzählten, lediglich seine Mutter hat es irgendwann herausgefunden. Ich fühlte mich so dreckig und leer. Am Tag meiner Abtreibung war die Leere meine Begleiterin, aber ich erinnere mich, dass das Personal der Klinik sehr freundlich und einfühlsam war. Nach der Ausschabung wachte ich mit Blutungen auf und schlief den restlichen Tag über.
Ich schämte mich, versuchte aber trotzdem offen über die Schwangerschaft und den Abbruch zu reden. Auch wenn ich die Entscheidung in keiner Sekunde bereute, fühlte ich mich irgendwie auch schuldig. Ich zählte lange die Jahre und überlegte, was das Kind jetzt wohl machen würde, wie alt es wäre, welchen Interessen es nachgehen würde. Mittlerweile habe ich schon damit aufgehört und habe für mich die Erfahrung abgeschlossen.
Wenn ich daran denke, wie überfordert ich damals mit der Situation war, dann finde ich es eine Zumutung, was für eine Tortur Schwangere durchleben müssen, wenn sie in solch einer Lage sind. Dass Frauen* das Gefühl vermittelt wird, sie wären Schuld an dem Zellhaufen hat mich bis lange nach der Abtreibung verfolgt. Dass ich mich dafür schämen sollte, dass es passiert ist, ebenso. Ich hatte das Glück trotz der negativen Menschen in meiner Umgebung meine Mutter an der Seite zu haben, die mich in jeder Situation unterstützte. So musste ich mich nicht durch Seiten klicken, bei denen mir ein totes Kind gezeigt wird und mir eine „Menschenrechtsverletzung“ vorgehalten wird. Manche haben nicht das Glück eine Unterstützung an der Seite zu haben, weswegen der Zugang zu Informationen zum Abbruch und der Abbruch einer Schwangerschaft einfacher für Frauen* gemacht werden sollte. – und dafür gehe ich heute auf die Straße und setze mich aktiv für reproduktive Rechte ein.

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Meine richtige Entscheidung https://abtreibungsgeschichten.blackblogs.org/2020/09/28/meine-richtige-entscheidung/ Mon, 28 Sep 2020 06:13:54 +0000 http://abtreibungsgeschichten.blackblogs.org/?p=261 Continue reading ]]> Im Dezember 2012 spürte ich, dass sich mein Körper veränderte. Ich wollte es aber nicht wahrhaben, aber eigentlich wusste ich in der 4. SSW bereits, dass ich schwanger bin. Das schlimmste waren die Schmerzen an den Nippeln. Am Anfang der 12. SSW holte ich meinen Mut hervor und ging zum Frauenarzt. Ich heulte bereits auf den Weg dahin. Ehrlich gesagt heulte ich seit Dezember fast nur noch. Als er mich bat, vom Spreizstuhl auf die Bank zu wechseln und dieses dildoartige Gerät einschob, wusste ich es. Ich fragte ihn nicht, ich sagte nur trocken: Ich bin schwanger. Er schaut mich an und nickte. Ich habe den Fötus gesehen. Und mich überkam eine Panik, die ich zuvor und danach nie wieder fühlte. Zu diesem Zeitpunkt wohnte ich auf dem Land mit einem sehr schlechten ÖPNV – Netz. Heulend rannte ich fast raus, stieg ins Auto und fuhr nach Hause. Ich öffnete meine Tür und meine Mama kam mit entgegen. Ich umarmte sie und war nur am weinen. Es war der 05.02.2013, 9 Uhr zu dem Zeitpunkt.

Irgendwie funktionierte ich ab jetzt nurnoch. Ich hatte offiziell bis Freitag Zeit, heute war Dienstag, dass Problem war a) Nach der Beratung musste ich 3 Tage abwarten b) Es war Karnevalszeit und kaum ein Frauenarzt auf dem Land hat gearbeitet. Ich rief bei mehreren Beratungsstellen an und eine Dame hatte endlich Zeit. Ich fuhr direkt hin. Es war ca. 11 Uhr gewesen, vielleicht auch früher. Ich versuchte mich am riehmen zu reißen und nicht zu weinen. Ich war verunsichert, verängstigt…einfach eine beschissene Kombination. Mir sprudelten die Worte so raus und sie hörte mir nur zu. Sie war neutral wie die Schweiz. Zum Ende bestätigte Sie, dass sie sicher ist, dass ich mich entschieden habe und mit den Konsequenzen umgehen kann. Nach 20 Minuten (11.20 Uhr) verließ ich die Praxis.

Nun ging der Albtraum los. Die noch bis FREITAG arbeitenden Frauenärzte in einem Radius von 50km zu kontaktieren, teilweise bin ich direkt hingefahren. Ich erinnere mich an eine Frauenärztin in Moers oder Krefeld, sie hat mir soviele böse Worte an den Kopf geschmissen. Hier muss ich nochmal erwähnen, dass wir verhütet hatten. Danach war ich noch schlimmer drauf gewesen. Irgendwann habe ich innerhalb von 2 Tagen einen Arzt gefunden. Wir haben die 3 Tage abgewartet und ich wurde am 08.02.2013 um 12 Uhr “operiert”.

Meine Mutter versuchte mir halt zu geben, aber auch sie war überfordert gewesen.
Es wissen nur eine handvoll Personen Bescheid. Ich war danach erleichtert gewesen und fühlte mich befreit. Ich bin diesem Frauenarzt so dankbar! Ich schäme mich für diesen Schritt nicht, stolz bin ich aber auch nicht drauf.

Natürlich ist es leichter über etwas zu urteilen, was man nicht kennt oder aus welchen Gründen man sowas ablehnt. Aber sobald man selbst in diese Situation kommt, ändern sich die Grenzen der eigenen Meinung. Es wäre schön gewesen, hätte ich eine Art Mentor gehabt, der mich begleitet. Ich liebe meine Mutter, aber ich hätte es gerne ohne sie gemacht und lieber mit einer Person, die selbst in dieser Situation war.

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Veranstaltungshinweis zum Safe Abortion Day https://abtreibungsgeschichten.blackblogs.org/2020/09/17/veranstaltungshinweis-zum-safe-abortion-day/ Thu, 17 Sep 2020 06:23:05 +0000 http://abtreibungsgeschichten.blackblogs.org/?p=249 Continue reading ]]>

e*vibes möchte den Safe-Abortion-Day 2020 dafür nutzen, sich zu körperlicher Selbstbestimmung und reproduktiven Rechten auszutauschen und zu diskutieren. Sie möchten über Texte sprechen, die euch in Erinnerung geblieben sind oder euch einladen mit ihnen gemeinsam über deren Veröffentlichung zur Kritik zu den Abtreibungsgeschichten zu sprechen und vielleicht auch zu streiten.

27.09.2020 um 15 Uhr. Ort: tba

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Ein Umgang mit Kritik/ Eigene Stellungnahme https://abtreibungsgeschichten.blackblogs.org/2020/09/04/ein-umgang-mit-kritik-eigene-stellungnahme/ Fri, 04 Sep 2020 18:15:57 +0000 http://abtreibungsgeschichten.blackblogs.org/?p=237 Continue reading ]]> Auch kritische Stimmen wurden uns in Bezug auf die Abtreibungsgeschichten zugesandt. Folgend könnt ihr unsere Antwort darauf lesen, sie verdeutlicht nochmal klare Motive, Hintergründe und Prozesse der Kampagne. Wir freuen uns über Anregungen und Kritik und gehen gern mit euch darüber in Austausch!

Im Zuge der Mobilisierung für den Schweigemarsch in Annaberg haben wir Abtreibungsgeschichten gesammelt, mit dem Ziel Abtreibungen zu entstigmatisieren und über die verschiedenen Geschichten hinweg auf Gemeinsamkeiten und strukturelle Probleme aufmerksam zu werden. Einer der Hintergründe war auch, über die Geschichten genauere Einblicke zur Versorgungslage von Schwangerschaftsabbrüchen zu bekommen. Verschiedene Personen, die abgetrieben haben, haben uns dabei ihre Geschichten als Audio-Aufnahme, in Schriftform, oder als Postkarte zukommen lassen.

Dabei kam es recht schnell zu verschiedenen Reaktionen.
Positiv stimmen uns bspw. Beratungsstellen, die die Aktion sehr begrüßten, Teile von ihr ausstellen werden und uns ihre Unterstützung weiterhin zusicherten. Wir erkennen hierin die Chance, mit dieser Kampagne mehr Menschen zu erreichen, als wir das normalerweise tun.

Aber es kam auch zu kritischen Rückmeldungen, wie euren, dafür möchten wir euch vielen Dank sagen. Das kritische Feedback hat einen intensiven internen Diskussions- und Reflexionsprozess angestoßen, dessen bisherigen Stand wir euch gerne mitteilen möchten. Aufgrund der Coronasituation, aber auch des etwas längeren Prozesses wegen kommt die Antwort nun mit einer gehörigen Zeitversetzung.

Einer der zentralen Kritikpunkte eurer Seite ist der der verwendeten Sprache innerhalb der Geschichten, eine Sprache, die geprägt ist durch den moralisierenden Diskurs über Abtreibungen und die lautstarken Stimmen der Fundis. Wir haben dieses Problem auch erkannt, hatten bereits früh darüber gesprochen, dass wir dennoch nicht lektorierend in die Geschichten eingreifen werden. Gleichzeitig haben wir uns auch immer wieder die Frage darüber gestellt, was wir machen, wenn wir problematische Geschichten bekommen, schließlich gab es auch einen Fundi-Aufruf um uns auf unsere Geschichten zu antworten, der allerdings ohne Folgen blieb. Es fällt uns schwer, darauf eine Antwort zu finden, die alle Aspekte, die wir als wichtig erachten komplett gleichberechtigt berücksichtigt.

Gleichzeitig und auch das schreibt ihr, ist es eben die Sprache der Personen, ihre Art die Geschichte zu erzählen und das halten wir für wertvoll. Es gibt nicht die eine Perspektive auf Abtreibungen, es gibt viele, das Erleben ist sehr unterschiedlich. Die Geschichten wollten so erzählt werden und diese Sprache drückt das Erleben aus. Und genau da liegt für uns die Kraft der Erzählungen: Wenn wir sie nicht nur als einzelne Erzählungen betrachten, sondern jede einzelne miteinander verbinden und gesellschaftlich kontextualisieren, dann sollte uns nicht wundern, wenn dieses Erleben innerhalb einer heteronormativen, kleinfamilienfixierten Gesellschaft mittels “kritischem” Sprachgebrauch beschrieben wird. Das wird noch deutlicher, wenn eine Abtreibungsgeschichte eben nicht von einer bekennenden ProChoiceaktivist:in erzählt wird, sondern von der ungewollt Schwangeren von nebenan. Die Geschichten bieten uns die Möglichkeit uns über die gesellschaftlichen Bedingungen auszutauschen, über die strukturellen Gegebenheiten zu diskutieren und genügend Anlässe diese verändern zu wollen.

Wir stellten uns außerdem die Frage, warum die Emotionalisierung der Erfahrung überhaupt problematisiert wurde. Ist nur das Rationale Gutes? Emanzipatorisches? Feministisches? Sind nur klare Abtreibungsgeschichten wahre Abtreibungsgeschichten? Warum können ungewollt Schwangere ihre Abtreibung nicht auch als möglichen Verlust wahrnehmen und dennoch die Entscheidung für richtig halten? Wir apellieren nicht nur an die Sichtbarmachung der Vielfalt der Geschichten, auch in den einzelnen Geschichten selbst geht es darum Vielstimmigkeiten zu erleben und Widersprüche auszuhalten – sowohl als erzählende, als auch als zuhörende Person.

Auch ihr habt beschrieben, dass das Lesen der Geschichten heftige Emotionen auslöst: Warum sind wir betroffen bei manchen Geschichten, bei anderen nicht? Warum lösen manche Beklemmungen aus und manche nicht? Was hat das mit meiner eigenen Sicht zu tun? Warum bin ich irritiert, wenn jemand häufig auf seine Abtreibung zurückblickt, warum vermute ich dort ein antifeministisches Moment? Wir möchten mit diesen Geschichten die eigene Auseinandersetzung mit dem Thema (nochmals) anregen, um u.A. Fragen der praktischen Solidarität neu aufzuwerfen.

Entgegen euer Wahrnehmung, sind wir der Überzeugung, dass es gesamtgesellschaftlich immernoch ein Nicht-Darüber-Sprechen über Abtreibung gibt. Ein gehemmtes Schweigen unterfüttert mit ressentimentgeladenen Befürchtungen die eigene Geschichte zu erzählen. Deswegen haben wir unsentschlossen, die Kampagne weiter zu führen, vor allem weil wir sie als Medium der politischen Mobilisierung anerkennen.

Schließlich möchten wir weiterhin diese Plattform bieten, um über die eigene Abtreibungerfahrung ohne Angst vor Ausgrenzung zu sprechen. Wir finden es wichtig, dass es einen solchen Ort gibt, an dem Personen über Abtreibungen berichten können, denn diese Orte gibt es zu wenig. Über die eigenen Abtreibungserfahrungen zu sprechen ist bis heute mit Stigmatisierung verbunden, auch weil häufig vom (z.B. feministischen oder eben fundamentalistischen) Umfeld Normvorstellungen darüber existieren, wie darüber gesprochen werden kann und soll. Vielfältige Geschichten können dagegen den Möglichkeitsraum des Darüber-Sprechens erweitern und stellen vor allem eine Gegenöffentlichkeit zu den leicht auffindbaren Fundi-Geschichten dar. Gleichzeitig erfuhren wir das Mitteilen der eigenen Abtreibungserfahrung auch innerhalb der Gruppe als einen empowernden Akt und hoffen, es ging allen weiteren Autor:innen ähnlich.
In einer Gesellschaft, in der die Informationsfreiheit für reproduktive Rechte derart eingeschränkt ist (#wegmit§219a), soll die Kampagne außerdem eine Plattform sein, auf der Personen sich die Geschichten durchlesen, die vielleicht gerade vor einer Entscheidung stehen, die vielleicht garnicht genau wissen, was auf sie zukommt, die vielleicht nicht die große Schwester fragen können oder mehr als nur harte Zahlen und medizinische Fakten ergooglen wolen. Sie soll informieren, aufklären und auffangen.
Die Plattform soll verdeutlichen, dass die Entscheidung für eine Abtreibung voll in Ordnung ist, sich dagegen zu entscheiden aber auch. ProChoice.

Dennoch glauben wir, dass wir unsere Ziele nicht einfach in dem jetzigen Format erreichen können. Das Sammeln einzelner Geschichten ist als solches noch kein politisch-emanzipatorischer Akt. Es muss auch darum gehen die Verbindungen der einzelnen Geschichten sichtbar zu machen und die gesellschaftliche Einbindung der Geschichten aufzuzeigen, zu thematisieren und zu analysieren. Daher werden wir beginnen, zusätzliche Texte zu verfassen, um auf die Gemeinsamkeiten, aber auch auf Leerstellen hinzuweisen (so finden wir es beispielsweise spannend, dass Spätabtreibendungen nie thematisiert wurden). Diese Texte sollen so ein Ort der politischen Reflexion der individuellen Erlebnisse werden und gewissermaßen als Bindeglied fungieren zwischen individuellem Erleben und politischer Praxis.

Gern möchten wir euch deshalb zur Zusammenarbeit, weiteren kritischen Kommentaren und Beiträgen animieren, teilt eure Geschichten, lasst uns mit Stigma und mit Schuld brechen.

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Ich kauerte auf dem Badezimmer und fing an zu weinen und war gleichzeitig so sauer https://abtreibungsgeschichten.blackblogs.org/2020/06/22/ich-kauerte-auf-dem-badezimmer-und-fing-an-zu-weinen-und-war-gleichzeitig-so-sauer/ Mon, 22 Jun 2020 06:45:36 +0000 http://abtreibungsgeschichten.blackblogs.org/?p=233 Continue reading ]]> Es war vor genau ziemlich einem Jahr. Im Juni 2019 hatte ich meinen medikamentösen Abbruch.

Ich wartete damals vergeblich auf meine Periode. Ich wusste bereits, als sie ausblieb, dass irgendwas nicht in Ordnung ist. Ich war schon eine ganze Weile immer müde, mir war oft übel, meine Brüste spannten wie verrückt und von meinem Lieblingsgetränk Kaffee wurde mir immer schlecht.
Als nach 10 Tagen meine Periode immer noch ausblieb, wusste ich, dass ich schwanger bin.
Mein Freund und ich machten einen Test.

Ich pfefferte ihm meinen Test aufs Bett und meinte nur „Hier“. Er glaube mir zuerst nicht. Vom ersten Moment an wussten wir, dass wir es nicht bekommen wollten und auch zur damaligen Zeit auch einfach nicht konnten.
Durch eine Facharbeit damals in der Schule, zum Thema Schwangerschaftsabbruch, wusste ich so in etwa wie es ablaufen würde.

Am nächsten Tag, rief ich sofort bei einer Beratungsstelle an. Einen Tag später, saß ich schon bei ihnen im Raum. Das Gespräch lief sehr professionell ab und relativ schnell, da ich sehr genau wusste, dass es für mich keine andere Option als den Abbruch gab.
Ich bekam die Liste mit den Ärzten und meiner Erlaubnis Abbrechen zu dürfen.

Zu Hause rief ich sofort einen Arzt an. Die drei Tage warten, nervten mich ziemlich. Ich wollte es einfach ,so schnell wie möglich weg habe. Ich wollte meinen Körper und mein Leben zurück. Das schlimmste in der Zeit der Schwangerschaft, war mich ein Sklave meiner Hormone und meines Körpers zu sein. Ich hatte Wassereinlagerungen und fühlte mich einfach nur fett. Im Sport hatte ich keine Energie mehr.

Nachdem meine Wartezeit endlich vorbei war, konnte ich endlich zum Arzt.
Es war ein Zentrum in Berlin, welches sich darauf spezialisiert hatte. Zu keiner Minute habe ich mich je unwohl oder verurteilt gefühlt.
Die Ärztin machte ein Ultraschallbild und stellte fest, dass ich in der 6. SSW war. Das Bild habe ich leider nie bekommen und auch nicht anschauen können. Mich persönlich hat es nicht gestört, da man nicht mehr, als einen weißen Fleck erkannt hat.

Ich schluckte die erste Tablette bei der Ärztin, um die Versorgung des Fötus zu unterbrechen. Ein bisschen nervös, war ich schon. Am nächsten Tag, war dann der richtige Abbruch dran. Der fand bei mir zu Hause statt.

Am nächsten schluckte ich um 9 Uhr alle weitere Tabletten. Tabletten gegen Schmerzen und Übelkeit. Zu erst dachte ich, dass ich die Schmerztabletten nicht brauchen würde. Es würde schon nicht schlimmer, als ein Bauchziehen oder Periodenschmerzen sein.
Ich schluckte also die Tablette, um den eigentlichen Abbruch zu starten. Mein Freund war die ganze Zeit bei mir und unterstützte mich. Leider musste er mit dem Hund raus. Genau in der Zeit, wurde mir so schlecht , wie noch nie. Mein kompletter Unterleib zog sich zusammen. Es fühlte sich so an, als würden Darm und Gebärmutter rauskommen.
Ich hielt die Schmerzen kaum aus. Mein Kreislauf klappte total zusammen und ich brach in kalten Schweiß aus. Ich kauerte auf dem Badezimmer und fing an zu weinen und war gleichzeitig so sauer. Keiner hat mir gesagt, dass es solche Schmerzen werden würden. Ich verfluchte das Ding in meinem Körper. Noch nie, hatte ich solche Schmerzen. Schmerzen, als würde jemand deine Organe aus dem Körper reißen.

Nach 45 Minuten waren die Schmerzen weniger Bis jetzt kam noch keine Blutung. Nach zwei Stunden entschied ich mich, duschen zu gehen.
Ich ließ das Wasser einfach laufen und beobachtete, was aus meinem Körper ausgeschieden wurde.
Deutlich erkannte ich die Fruchthöhle. Nie verband ich dies, mit einem Baby.

Ich war dankbar, dass es nun endlich vorbei war.
Ich habe diese Entscheidung bis heute nicht bereut.

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Dass ich nicht das Gefühl haben muss, als gute Feministin selbstbestimmt und komplett emotionslos zu dieser Entscheidung zu stehen. https://abtreibungsgeschichten.blackblogs.org/2020/05/05/dass-ich-nicht-das-gefuhl-haben-muss-als-gute-feministin-selbstbestimmt-und-komplett-emotionslos-zu-dieser-entscheidung-zu-stehen/ Tue, 05 May 2020 07:31:29 +0000 http://abtreibungsgeschichten.blackblogs.org/?p=226 Continue reading ]]> Ich war Schwanger. Krass, wenn ich es jetzt hier so schreibe, steigen mir einerseits direkt Tränen in die Augen und andererseits erscheint es mir wie das Unwirklichste der Welt. Zu sagen, „Ich war Schwanger“. Fast so als würde ich von einer Reise erzählen. „Hey, ich war letzten Monat übrigens in Schweden, ja war nett, würd ich mal wieder machen, danke der Nachfrage!“ Nur, dass Gespräche über die Schwangerschaft meistens anders verlaufen. Wenn mensch* nämlich sagt, er*sie „war schwanger“ und aber kein Baby dabei hat und ja ganz offensichtlich nicht mehr schwanger ist und nicht über Elternschaft oder sowas reden kann, impliziert das ja quasi, dass mit der Schwangerschaft irgendwas „schief gelaufen“ sein muss. Und dann werden Menschen verhalten. Weil entweder bedeutet das, eine Fehlgeburt erlitten zu haben, oder sich eben für einen Schwangerschaftsabbruch entschieden zu haben. Und egal welches der Beiden zutrifft, es ist ein Tabu!

Fehlgeburten, oh nein wie tragisch! Sich ein Kind zu wünschen und es zu verlieren. Und gleichzeitig aber auch etwas so Normales, schließlich geht jede dritte Schwangerschaft in den ersten 12 Wochen von alleine ab. Und ein Abbruch, also entweder hat mensch* so etwas nicht einfach so beiläufig irgendwo in einem Nebensatz zu erzählen, oder wenn mensch* das doch tut, bedeutet es ja wohl ganz offensichtlich, dass es kein Ding zu sein scheint. Komplett verarbeitet. Eine klare Entscheidung, die zu respektieren ist! Eine Entscheidung, über die keine Gespräche notwendig sind. Aha, danke für euer Mitgefühl.
Naja, in meinem Fall war es die bewusste Entscheidung für einen Abbruch. Aus Gründen. So wie Menschen immer Gründe haben, wenn sie diese Entscheidung für sich treffen. Aber wieso verdammt bedeutet das, dass es kein Ding mehr für mich sein muss?! Wieso verdammt spricht niemand mit mir darüber? Wieso scheint es kein Schwein zu interessieren, wie es mir danach geht?
Halte ich meine Entscheidung für „richtig“? Ja, und zwar weil sie in diesem Moment die Entscheidung war, die ich getroffen habe!
Würde ich diese Entscheidung nochmal treffen? Keine Ahnung, vermutlich wenn ich jetzt wieder schwanger werden würde schon. Schließlich ist die Entscheidung nur drei Monate her und so viel hat sich an meiner Situation ja auch nicht geändert.
Macht mich die Entscheidung traurig? Ja verdammt, jeden einzelnen Tag! Ich hatte ein Kind in mir. Und ja für mich ist es ein Kind gewesen. Ein Kind, das ich geliebt habe auch wenn es nur aus einer Vielzahl aus Zellen bestand, auch wenn es nur ungefähr 8 Wochen meines Lebens mit mir geteilt hat, auch wenn ich gerade noch nicht dazu bereit war, dieses Kind auf die Welt zu bringen, dieses Kind während seines ganzen Lebens zu begleiten, dieses Kind mein Leben begleiten zu lassen.
Ich habe es geliebt und habe es verloren. Habe mich selbst dazu entschieden, es zu verlieren. Und das tut verdammt nochmal einfach weh. Das macht unfassbar traurig. Ich vermisse dieses Kind, ich vermisse all die Erfahrungen die wir niemals zusammen erleben werden.
Und dennoch stehe ich zu meiner Entscheidung. Weil ich weiß, dass es ok war, ok für mich, ok für das Kind. Weil ich weiß, dass ich nicht die Mutter hätte sein können, die ich mir wünsche einmal zu sein, weil ich weiß, dass ich dem Kind nicht das hätte schenken können, was ich einem Kind irgendwann mal schenken möchte.
Ich möchte, dass Menschen mit mir darüber reden. Dass ich nicht das Gefühl haben muss, als gute Feministin selbstbestimmt und komplett emotionslos zu dieser Entscheidung zu stehen, dass ich nicht das Gefühl haben muss, als würde ich Menschen mit diesem Thema belästigen, dass ich nicht das Gefühl haben muss, als würde es niemanden interessieren, wie es mir jetzt geht.
Ich bin damit nicht allein. Und ich wünsche mir, mich auch nicht mehr alleine fühlen zu müssen.

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Hätte ich nur von all den anderen verbündeten und betroffenen gewusst https://abtreibungsgeschichten.blackblogs.org/2020/05/02/hatte-ich-nur-von-all-den-anderen-verbundeten-und-betroffenen-gewusst/ Sat, 02 May 2020 19:26:53 +0000 http://abtreibungsgeschichten.blackblogs.org/?p=221 Continue reading ]]> meine abtreibung liegt mittlerweile 16 jahre zurück, nun bin ich ein
zweites mal und dieses mal gewollt schwanger.
ich habe viele jahre unbewusst, irgendwann auch bewusst gestruggelt mit
dieser erfahrung und seit vielleicht 2 oder 3 jahren fühle ich mich „frei“ von
vorher manchmal überwältigenden emotionen, die meine erinnerungen
begleitet hatten.

ich denke, ein offenerer, supportender umgang meines damaligen umfelds,
mehr zugang zu wertfreier information, größere sichtbarkeit von
feministischen inhalten hätten einigen schmerz verhindern können.
ich war neunzehn, löste mich gerade aus einer gewaltvollen romantischen
beziehung, betäubte meinen schmerz und meine neugier mit partys.
der übergriffige ex/partner fühlte sich aufgrund seiner beteiligung an
dem dilemma berechtigt, mich erheblichst zu drangsalieren für meine
entscheidung abzutreiben.
mit der entscheidung mich zu trennen, verlor ich auch gleich noch einen
beachtlichen teil des freund:innenkreises, familiärer support war nach
jahren massiver auseinandersetzungen unvorstellbar für mich. bei
gynäkologe und beratungsstelle fühlte ich mich mit meinem sofortigen
wunsch nach abbruch professionell aufgehoben.
im krankenhaus hingegen (einer uniklinik wohlgemerkt) sah es dann etwas
anders aus. zuerst wurde mein notfallkontakt (dieser ist ausschließlich
bei komplikationen nach oder während des eingriffs zu kontaktieren) über
die bevorstehende operation informiert. somit wusste mein vater ohne
meine einwilligung auf einmal von der schwangerschaft und dem
bevorstehenden eingriff.
am tag der op wurde mir ein bett in einem zimmer mit zwei weiteren
frauen* zugewiesen, wobei die krankenschwester nicht darauf verzichtete,
mich über nationale herkunft und angaben zu aktueller abbruchhäufigkeit
der anderen frauen aufzuklären, ich nehme an zur vermeintlichen
abschreckung. (dass rassismus und klassismus nach wie vor weit
verbreitet sind ist kein geheimnis, mein 19jähriges verunsichertes ich
hat das ganze ziemlich unangenehm berührt, die angst vor dem eingriff
und die empfundene abhängigkeit von der gunst des krankenhauspersonals
mich leider auch gelähmt)
vor der op wurde ich dann, schon leicht dämmrig von dem
beruhigungsmittel, welches vor der eigentlichen narkose gegeben wird, auf
dem weg zum operationssaal in einen raum gebracht und dort alleine mit
einer weiteren person (ob ärzt:in oder krankenschwester weiß ich heute
nicht mehr) im bett liegen lassen. jedoch nicht ganz allein, sondern mit
einem durchgehend laufenden ultraschall, auf dem der recht weit
entwickelte fötus – gut sichtbare herzbewegung und die wirbelsäule haben
sich in mein gedächtnis eingebrannt – zu sehen war. abgerundet wurde das
ganze mit der erneuten nachfrage, ob ich diesen eingriff wirklich
verantworten möchte. ja, mochte ich. und so brachte ich das ganze hinter
mich. danach holte mich eine freundin ab und ich verbrachte noch einige
schmerzhafte tage auf dem küchenboden, der noch geteilten wohnung mit dem
abgefuckten ex/partner.

ich bin der meinung, dass so ziemlich alles besser, angenehmer und
schöner hätte ablaufen können und auch, dass meine unendliche traurigkeit
danach die diffuse scham ob meiner entscheidung verhindert oder
zumindest aufgefangen hätten werden können. immer stand und stehe ich
hinter dieser entscheidung! hätte ich nur von all den anderen
verbündeten und betroffenen gewusst, hätte ich wahrscheinlich aber
weniger schwer daran zu tragen gehabt. ich wünsche mir, dass wir es
vielen anderen menschen, vor allem betroffenen, ermöglichen werden,
abtreibungen aus anderen persepktiven wahrzunehmen als bspw. den von mir
beschriebenen!
deshalb, spread the word! seid solidarisch, nicht nur theoretisch!

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Entscheidet für euch selbst https://abtreibungsgeschichten.blackblogs.org/2020/04/29/entscheidet-fur-euch-selbst/ Wed, 29 Apr 2020 11:40:36 +0000 http://abtreibungsgeschichten.blackblogs.org/?p=212 Continue reading ]]> Hallo!
In den nächsten Zeilen möchte ich euch teilhaben lassen an meinen Erfahrungen und meiner ganz persönlichen Geschichte zum Thema Abtreibung, in der Hoffnung, anderen Menschen Mut zu machen und etwas mehr Licht ins Dunkel zu bringen.

Ich bin eine 28-jährige angehende Lehrerin aus Niederbayern. Vor knapp 5 Jahren, im Oktober 2015, habe ich meine ungewollte Schwangerschaft beendet. Ich bin frisch aus meinem Auslandsaufenthalt gekommen und habe sofort meinen Freund in meiner Heimatstadt kennengelernt. Damals waren wir gerade einmal zwei Monate zusammen, als ich erfahren habe, dass ich von ihm schwanger bin. Ich erinnere mich an diesen Morgen, als wäre es gestern gewesen. Ich war zu Besuch bei meiner Mutter. Sie war in der Arbeit und ich hatte deswegen meine Ruhe. Da ich bereits seit einigen Tagen ziemlich starke Anzeichen für eine Schwangerschaft hatte, habe ich mir das billige Testdoppelpack aus dem DM gekauft. Ich hatte seit Tagen mit Brustschmerzen, schlechter Laune und einem wahnsinnig empfindlichen Magen und Geruchssinn zu kämpfen. Ich war seit Jahren absoluter Kaffeejunkie, wenn ich zu der Zeit aber bloß den kleinsten Kaffeegeruch vernahm, musste ich mich fast übergeben. Ich verstehe auch nicht, wie es schwangere Raucherinnen geben kann. Ich selbst habe leider ebenfalls diese schlechte Angewohnheit, konnte mich zu dieser Zeit aber nicht mal mehr nur in die Nähe einer angezündeten Zigarette begeben, da ich mich ebenfalls jedes Mal fast übergeben musste. Da ich auch einen eher schlechten Zyklus habe und das Ausbleiben meiner Periode keine Seltenheit ist, habe ich mich über dieses Ausbleiben nicht gewundert. Verhütet haben wir in der Anfangszeit nur mit Kondomen. Dabei ist anscheinend etwas schief gelaufen. Der Test bestätigte meine Vermutung, der zweite Test ebenfalls. In diesem Moment schoss mir das Adrenalin in meine Blutbahn und ich war erstaunlich klar im Kopf. Mein erster Gedanke war: “Ich werde dieses Kind nicht austragen!! Ich will dieses Kind nicht! Ich will diese Schwangerschaft nicht!”

Ich war damals 23 Jahre alt, hatte gerade mit meinem Studium begonnen, wollte dafür eventuell noch nach Berlin ziehen und ein Auslandssemester machen, mein Freund und ich waren zu dem Zeitpunkt, wie gesagt, gerade erst zusammengekommen, ich hatte weder finanziell noch emotional die Ressourcen für ein Kind und außerdem wusste ich nicht, ob ich überhaupt mal Mutter sein möchte. Die Option das Kind auszutragen und dann wegzugeben fiel absolut weg. Alleine schon, weil ich keine Schwangerschaft durchmachen müssen wollte und auch, weil ich in meinem engsten Freundeskreis miterlebt habe, was fehlende Liebe zwischen Mutter und Kind verursachen kann. Also habe ich meine damalige Frauenärztin angerufen und noch für den selbigen Tag einen Termin bekommen. Ich war lange Zeit bei dieser Frauenärztin Patientin. Was allerdings während diesem Untersuchungstermin passierte, änderte meine Meinung über sie und ihr Team blitzartig. Ich wartete also im Wartezimmer auf das Ergebnis des Tests und wurde schließlich in das Untersuchungszimmer gebeten. Dort wurde ich mit einem freudigen “Herzlichen Glückwunsch, Sie haben ja das beste Alter für eine Schwangerschaft!””, einem Handschlag und einem Lächeln über das ganze Gesicht empfangen. Als sie meine Reaktion, die nicht unbedingt Freude vermittelte, sah, änderte auch sie ihr Verhalten. Meine rhetorische Frage an dieser Stelle: den Ärzten wird doch vermittelt, um was es bei den Patienten geht? Ich habe angerufen und klipp und klar deutlich gemacht, dass ich UNGEWOLLT schwanger bin und deshalb einen Notuntersuchungstermin brauche… Abschließend wurde mir dann noch gegen meinen Willen das Ultraschallbild gezeigt. Schließlich war diese Untersuchung überstanden, ich hatte den Überweisungsschein für eine Beratungsstelle in der Hand und wusste, dass ich in der 5. SSW war. Das war das letzte Mal, dass ich zu dieser Ärztin gegangen bin. Ich habe die ganze Situation sehr gut gemeistert. Als ich jedoch auf dem Parkplatz dieser Praxis stand, brach ich
in Tränen aus und musste mir erstmal vor Augen führen, was da drinnen gerade passiert ist. Ich habe die Ärztin für dieses Verhalten nie belangt.

Der Beratungstermin bei Pro Familia lief reibungslos ab. Ich saß diesem Mann gegenüber und erklärte ihm ziemlich genau, weshalb ich das Kind nicht will und dass ich mir zu 100% sicher bin. Nach wenigen Minuten erhielt ich den Beratungsschein und machte mir einen Termin bei dem Arzt aus, der den Abbruch durchführen sollte.
Dieser Arzt war jahrelang der Frauenarzt meiner Mutter und anfangs auch von mir, er brachte meinen jüngeren Bruder zur Welt und kannte mich und meine Mutter persönlich. Er ging in Pension und machte aus idealistischen Gründen nur noch mit den Schwangerschaftsabbrüchen weiter. Als einziger Arzt in näherer Umgebung. Die Tatsache, dass wir uns persönlich kannten, machte die Situation nicht unbedingt angenehmer. Dennoch verlief das Beratungsgespräch und alles Weitere reibungslos und schnell.
Danach offenbarte sich allerdings die nächste Hürde: Ich erfuhr, dass ich – aus welchen Gründen auch immer – nicht krankenversichert war. Ich hatte mir davor noch keine Gedanken darüber gemacht, immerhin ist man, solange man nicht schon berufstätig ist, bis zum 25. Lebensjahr familienmitversichert. Dies wurde durch meinen Auslandsaufenthalt jedoch anscheinend aufgelöst und ich war also unwissend nicht versichert, als ich den Eingriff durchführen lassen musste. In Panik bin ich zur AOK und habe mich dort beraten lassen. Das Ende vom Lied war, dass ich dreimal so viel für eine überteuerte, nachträgliche Versicherung gezahlt habe, als der Eingriff gekostet hätte, wenn ich ihn komplett aus eigener Tasche gezahlt hätte. Ich habe der Dame am Schalter meine prekäre Situation erklärt und sie hat anscheinend ein leichtes Opfer in mir gesehen. Schade, dass auch in solchen Momenten bei manchen Personen nur das Geld zählt.

Trotz der beiden genannten eher negativen Erfahrungen habe ich den Eingriff selbst und die Konsequenzen daraus sehr gut verkraftet. Auch die einmonatigen Nachblutungen und die eigenen Vorwürfe und auch die Scham. Ich habe mich zeitweise wie eine dumme 15-Jährige gefühlt, die das erste Mal Sex hatte und sich von ihrem infantilen Drogendealerfreund schwängern lässt. Entschuldigt bitte diese Beschreibung, aber das waren nun mal 1zu1 meine Gedanken, auch wenn ich es als Lehrerin natürlich besser wissen sollte. Besser wurden diese Gedanken durch Recherche im Internet und der Einsicht, dass das jeder Frau passieren kann.

Ich habe das alles alleine durchgemacht, nur eine gute Freundin wusste bescheid. Meinem Freund, mit dem ich heute immernoch zusammen bin, habe ich erst ein Jahr später davon erzählt. Ironischerweise hat er mich zwei Wochen nach dem Eingriff darauf angesprochen, dass er, im Falle einer ungewollten Schwangerschaft, gerne hätte, dass ich das Kind nicht austrage und wie ich dazu stehe. Ich musste nur grinsen und versicherte ihm, dass er sich da keine Sorgen machen brauche. Meine Mutter hat es ebenfalls erst viel später erfahren. Das Geheimhalten vor sämtlichen Personen war damals sehr wichtig für mich. Ich hatte ab der ersten Sekunde meinen Beschluss gefasst, dass ich diese Schwangerschaft so schnell wie möglich wieder los sein möchte. Und jede Person, die davon wusste, hätte ein potenzieller Störfaktor sein können. Ich habe mir zu der Zeit sehr die Unterstützung meines Freundes gewünscht, dass er abends einfach seine Hand auf meinen Bauch legt und ein einfaches “wir stehen das zusammen durch” verlauten lässt. Ich kannte ihn zu der Zeit aber noch nicht gut genug und die Gefahr war groß, dass er anderer Meinung war als ich. Ich brauchte meine gesamte Energie für mich selbst und musste jede Art von Einmischung und Wiederstand vermeiden.

Die Horrorgeschichten über psychische Probleme nach Abtreibungen kann ich persönlich nicht nachvollziehen und halte viele davon wohl eher für Propagandawerk von Abtreibungsgegnern. Dennoch ist das etwas, das keiner Frau komplett egal sein dürfte. Ich habe mich hin und wieder auch bei dem Gedanken ertappt, wie das Kind jetzt wohl aussehen würde. Ob es ein Junge oder ein Mädchen geworden wäre. Vor allem auch, weil die Beziehung zu dem fast-Vater dieses Kindes immernoch ein fester Teil meines Lebens ist, ich diesen Menschen aus ganzem Herzen liebe und der Gedanke, irgendwann vielleicht doch mal eine Familie mit ihm zu gründen nicht mehr ganz so abwegig erscheint. Aber diese Gedanken sind okay und sie gehören mit dazu. Genau wie diese Erfahrung und diese Entscheidung jetzt zu mir gehören. Dennoch kam mir kein einziges Mal der Gedanke, dass es ein Fehler war. Im Gegenteil. Mein Freund hat mich letztens gefragt, wie alt unser Kind nun schon wäre. Ich meinte knapp 4. Wir haben uns angesehen und waren einstimmig froh darüber, dass wir nur zu zweit sind. Ich sehe mich nicht als Mörderin oder Ähnliches. Ich sehe mich als junge Frau, die eine wichtige Entscheidung für sich selbst getroffen hat. Als eine Frau, die sich über eine Schwangerschaft freuen will und das Kind nicht deshalb austrägt und das alles erträgt, weil sie sonst keine Möglichkeiten hat oder weil es so von ihr erwartet wird. Und ich sehe mich als Lehrkraft, die eine wichtige Erfahrung gemacht hat und die damit in Zukunft vielen jungen Mädchen in schwierigen Situationen zur Seite stehen kann.

Ich möchte an dieser Stelle noch einen wichtigen Tip an alle Betroffenen richten:
An der ganzen Situation war die Entscheidung, das alles geheim zu halten und nur mit mir selbst auszumachen, die wichtigste Entscheidung und auch der Grund, weswegen ich heute ein reines Gewissen habe. Solltet ihr gerade auch in so einer Situation sein, seid ihr nicht verpflichtet das eurem Partner oder sonst jemandem zu erzählen. Das ist eine sehr empfindliche Ausnahmesituation, in der es nur um einen selbst geht. Und NUR UM EINEN SELBST. Nicht um die Meinungen und Überzeugungen der Familie und Freunde und auch nicht um den Wunsch des Partners oder Erzeugers. Das ist tatsächlich eine der wenigen Situationen, in denen Männer absolut nicht mitreden können und auch Frauen, die soetwas selbst noch nie durchmachen mussten, meistens nicht angemessen reagieren können. Hebt euch eure Energie und Kraft für euch selbst auf und verschwendet sie nicht an Diskussionen mit Unwissenden. Hebt euch all das entweder für den Weg des Abbruchs oder für den Weg mit Kind auf. Egal für was ihr euch entscheidet, tut es für euch selbst.

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