Die Liebig34 wurde uns genommen. Unsere Träume, unsere Wut und unsere Solidarität können sie uns nicht nehmen!
Liebig34 lebt!
Dokumentation der Liebig34-Solifotoaktion im Sommer 2020:
Liebig 34 verteidigen! Der Sommer wird heiß!
Wir starten heute unsere Liebig34-Solifotoaktion. In den nächsten Wochen wollen wir regelmäßig Liebig34-Solifotos von verschiedenen linken Hausprojekten, Jugendclubs und Gruppen veröffentlichen. Wenn ihr Lust habt, Teil der Aktion zu sein, meldet euch bei uns unter: AKK_Berlin[ät]protonmail.com
Alle Solifotos findet ihr in diesem Beitrag!
###english below###
Aufruf zum Interkiezionale Block beim Housing Action Day in Berlin
Die Gentrifizierung in Berlin geht unaufhörlich weiter, damit auch die Verdrängung. Neben Menschen sind auch Räume betroffen: Räume der radikalen Bewegung, Freiräume, Schutzräume für von Diskriminierung betroffene Menschen, unkommerzielle Orte, Orte der Subkultur, der politischen Vernetzung und Orte, an denen versucht wird, konkrete Utopien zu leben.
Ohne Räume – keine Bewegung
Damit werden Räume verdrängt, welche ein anderes Berlin leben und dafür kämpfen: ein Berlin in dem wir unsere Nachbar*innen kennen, in dem wir unsere Häuser zusammen gestalten und gemeinsam bestimmen wie öffentlicher Raum genutzt wird. Ein Berlin wo Raum für selbstgewählte Wohn- und Lebenskonzepte da ist. Ein Berlin in dem wir Alternativen zu Ausbeutung und Unterdrückung die in Lohnarbeit, Hausarbeit, Sorgearbeit, im Bildungssystem und anhand von Miet- und Eigentumsverhältnissen stattfindet, ausprobieren können.
Wie wollen wir für so eine Stadt kämpfen ohne Räume? Wo treffen wir uns zum plenieren? Wo malen wir Transparente? Wo können wir Veranstaltungen machen um uns zu bilden? Wo können unkommerzielle und subkulturelle Veranstaltungen, Volxküche, Konzerte, Lesekreise, Workshops oder Trainings stattfinden? Wo fühlen wir uns geschützter vor patriarchaler und rassistischer Gewalt? Wo können wir uns kennen lernen abseits von Konsumzwang oder autoritärer Kontrolle – zum Beispiel durch Eltern, Lehrer*innen, Professor*innen, die Polizei, Vorgesetzte oder Sicherheitspersonal?
In einem Kampf für eine lebenswerte Stadt muss der Kampf um selbstverwaltete Projekte ein notwendiger Teil sein!
Corona oder die Verschärfung des sozialen Krieges?
Wurde zu Beginn der Krise noch kontrafaktisch geheuchelt, wir säßen jetzt alle im selben Boot, zeigte sich bald der wahre Charakter des Ausnahmezustands. Die Profite für die VermieterInnen sind wohl ein Menschenrecht, so wird die Miete nur gestundet, als ob die unteren Einkommensschichten mit Mehrarbeit diese in den nächsten zwei Jahren wieder einholen könnten.
Der Wagenplatz SabotGarten wurde mitten in der Pandemie mit Bulldozern überfahren, nachdem Security und Polizei diesen mehr als einen Monat lang 24/7 schikanierten. Dort wo sich Leute selbst Wohnraum geschaffen haben klafft jetzt wieder eine Brache mit riesigem Müllhaufen. Die Security ist mittlerweile wieder verschwunden, es war wohl eine Räumung auf Vorrat. Der Senat hat entgegen öffentlicher Bekundungen die Räumung explizit autorisiert. Eine Stadtpolitik die uns an dunkle Kapitel südamerikanischer Metropolen erinnert.
Im Friedrichshainer Nordkiez experimentieren die Bullen derweil mit ihrer neuen „Brennpunkteinheit“ an neuen Belagerungskonzepten. Das Gefahrengebiet wird abermals zum Abenteuerspielplatz gelangweilter Prügelbullen mit realen Gefahren für alle, die nicht in die geleckte, normierte und verwertbare Stadt passen wollen.
Kämpfe mit uns
Es ist davon auszugehen, dass dies erst der Auftakt für eine neue Runde sozialer Verteilungskämpfe sein wird. Für die bedrohten Projekte ist es 5 vor 12. Die Liebig34 hat ihren Räumungsprozess verloren. Das Syndikat soll am 7. August geräumt werden. Verstehen wir diese schnelle Wiederansetzung des Räumungstermins als das was es ist: Eine Kampfansage. Warten wir nicht bis zum Tag X und nehmen diesen Kampf schon jetzt auf. Kämpft mit uns und kommt in den Interkiezionale Block am Housing Action Day 2020 in Berlin!
Samstag 20.06. – 14:00 Uhr Potsdamer Platz
P.S.: Wegen der sehr kurzfristigen Organisation des Blocks würden wir uns freuen wenn ihr eure eigenen banner etc. mitbringt. Die Demo ist was ihr draus macht!
Call to join the block of Interkiezionale at the Housing Action Day in Berlin
The gentrification in Berlin continues incessantly, and with it the displacement. Not only people but also spaces are affected: Spaces of the radical movement, open spaces, safer spaces for people affected by discrimination, non-commercial spaces, spaces of subculture, of political networking and spaces where people try to live concrete utopias.
Without space – no movement
All of these are spaces that live and fight for a different Berlin: a Berlin in which we know our neighbours, in which we create our houses and our neighbourhood together and jointly determine how public space is used. A Berlin where there is space for self-chosen living concepts. A Berlin in which we can try out alternatives to the exploitative and oppressive relations of wage labour, care work, educational system and on the basis of rent and ownership.
How do we want to fight for such a city when these spaces are evicted? Where do we meet for assemblies? Where do we paint banners? Where can we make events to educate ourselves? Where can we hold non-commercial and sub-cultural events, concerts, reading groups, workshops, trainings or have people’s kitchen? Where do feel safer from patriarchal and racist violence? Where can we meet outside of authoritarian control – for example by parents, teachers, professors, the police, superiors or security personnel – or without consuming anything?
In our struggle for a liveable city, the struggle for these projects is an essential part.
Corona or the intensification of social war?
While at the beginning of the crisis it was claimed that we are all in the same boat, we can see the real character of this state of emergency clearly now. The profits of landlords appear to be a Human Right. Rents will only be deferred, as if the lower class would be able to compensate for it with extra work in the next two years.
The alternative living project SabotGarden was bulldozed in the middle of the pandemic, after it had been bullied by the police force and a security company all days long in the last months. There, where people created spaces for their living, is now again waste land. The senate, while publicly pretending to support SabotGarten, explicitly authorized this eviction. This is a municipal policy, which reminds us of dark chapters of South American citys.
Meanwhile in Nordkiez/Friedrichshain the cops are testing a new siege concept with their new “Brennpunkteinheiten” (police units for so called social hot spots). The so called danger zone is again becoming a big playground for bored and aggressive cops and with it a real danger to those who do not fit in this normed and profit-oriented city.
Fight with us
This is only the prelude of a new round of social distribution conflicts.
For the threatened projects time is running out. Liebig34 has lost its eviction court case. Syndikat ought to be evicted on the 7th of August. We see this quickly reappointment of the eviction date for what it is: a declaration of war. Lets not just wait till day X, lets start fighting now!
Fight with us and join us in the block of the Interkiezionale on the Housing Action Day 2020 in Berlin!
Saturday, the 20th of June, 2 pm at Potsdamer Platz
P.S.: Because of the short time to prepare this block, we would love to see you bringing own banners etc. Make the block your block!
Infos: interkiezionale.noblogs.org
Quelle: https://de.indymedia.org/node/88576
Was in letzter Zeit passiert, brauchen wir ja an dieser Stelle niemandem mehr zu erzählen. Egal, wie wir uns dabei zu den immer weitreichenderen Einschränkungen unserer persönlichen Freiheiten zur Pandemiebekämpfung positionieren, die Auswirkungen auf das soziale Leben, für viele prekär Beschäftigte, für obdachlose Menschen oder für Menschen ohne Aufenthaltsstatus ist gravierend.
Besonders betroffen sind dabei auch viele linke Strukturen, die weiterhin feste Kosten für Räume zu tragen haben ohne dass dafür z.B. vom Staat Kohle beantragt werden kann oder will.
Dies sind aber Räume, die die Infrastruktur unserer geliebten linksradikalen Szene bilden, sei es, dass wir dort Infos erhalten und politische Debatten führen konnten, dass dort Menschen sichere Räume nutzen können, dass auch Menschen mit wenig Kohle ne warme Mahlzeit bekommen können oder dass wir über Solipartys Knete für wichtige politische Arbeit abgreifen können.
Deswegen ist es wichtig, dass unsere Strukturen auch über die aktuelle Situation heraus erhalten bleiben.
Da ja alle gerade weniger feiern gehen, aber in der Nach-Corona Ära wieder am Start sein wollen, wäre es deshalb spitze, wenn ihr mit dem sonstigen Feierbudget einfach Lieblingsprojekte rettet! Und genau dafür haben wir ein Spendenkonto eingerichtet.
Wichtig ist uns, dass nicht jeder Laden und jedes Projekt auf sich gestellt gucken muss, wie er die Zeit überbrückt, sondern dass wir in diesen Zeiten gemeinsam und solidarisch für unsere Strukturen einstehen!
Wir möchten im Besonderen Orte und Gruppen unterstützen, die aufgrund ihrer Struktur, der Art ihrer Arbeit oder anderer Gründe nicht oder nur schwierig an andere Gelder kommen können.
Selbstverständlich ist für uns, dass keine kommerziellen Interessen verfolgt werden, wobei wir das Bezahlen von Mitarbeitenden nicht als kommerzielles Interesse verstehen. Der Ort sollte kollektiv betrieben, und sich politisch links verstehen, dass bedeutet sich für eine emanzipatorische und antikapitalistische Politik einsetzen. Das sind v.a. die Orte die auch regelmäßig im Stressfaktor zu finden sind.
Orte, welche diese Kriterien erfüllen, können uns gerne eine Mail schreiben, in der kurz beschrieben wird, welche Arbeit geleistet wird und welche Mittel in etwa für den Weiterbetrieb benötigt werden.
Bitte schreibt eine Mail an [email protected] mit dem Betreff: Covid-Soli
Gerne könnt Ihr uns verschlüsselt schreiben, den Schlüssel findet ihr unter: https://stressfaktor.squat.net/contact/internet
Da ja aktuell kaum noch Zugang zu Soli-Spendenbüchsen möglich ist, müssen wir in diesem Fall tatsächlich auf die Überweisung zurückgreifen. Wir würden uns freuen, wenn Menschen, die gerade noch ein wenig Kohle über haben, hier nicht nur einmal überweisen, sondern tatsächlich für die Zeit des Stillstands die Läden regelmäßig unterstützen.
Aktuell könnt Ihr über folgende Wege Spenden an uns überweisen:
Banküberweisung:
Empfänger Stressfaktor
IBAN: DE50 1001 0010 0636 9291 03
Betreff: Covid-Soli
Weitere Möglichkeiten prüfen wir und werden diese hier einfügen, sobald wir was freigeschaltet haben
Wir werden das Geld je nach Bedarf auf die Projekte verteilen, die sich bei uns melden. Je höher die Kosten die ein Projekt zu stemmen hat, desto mehr werden wir versuchen, das Projekt zu unterstützen. Zur Transparenz werden wir regelmäßig die aktuelle Spendenmenge und die Anzahl der unterstützten Projekte veröffentlichen. Welche Projekte genau von uns unterstützt werden, können wir, um die beteiligten Projekte nicht zu gefährden, nicht öffentlich machen.
Da ja derzeit auch der Stressfaktor nicht mehr so ausgiebig genutzt wird, bitte teilt die Aktion über alle Kanäle, die zur Verfügung stehen. Lasst uns das gemeinsam wuppen, solidarisch!
Euer Stressfaktor
Quelle: https://stressfaktor.squat.net/
]]>Die Pandemie wird in den nächsten Wochen nicht vorübergehen. Selbst wenn es durch strenge Eindämmungsmaßnahmen gelingt, die Zahl der Infektionen auf das Niveau von vor einem Monat zu senken, könnte sich das Virus wieder exponentiell ausbreiten, sobald die Maßnahmen ausgesetzt werden. Die derzeitige Situation wird wahrscheinlich noch monatelang anhalten – plötzliche Ausgangssperren, uneinheitliche Quarantänen, zunehmend verzweifelte Bedingungen – , auch wenn sie sicherlich andere Formen annehmen werden, wenn die inneren Spannungen überkochen. Um uns auf diesen Moment vorzubereiten, sollten wir uns und einander vor der Bedrohung durch das Virus schützen, die Fragen nach dem Risiko und der Sicherheit, die die Pandemie mit sich bringt, durchdenken und uns mit den katastrophalen Folgen einer Gesellschaftsordnung auseinandersetzen, die von vornherein nicht auf die Erhaltung unseres Wohles ausgerichtet war.
Langjährige anarchistische Organisations- und Sicherheitsformen haben viel zu bieten, wenn es darum geht, die Pandemie und die von ihr verursachte Panik zu überleben.
Die Aussicht auf Quarantäne sagt viel darüber aus, wie wir bereits davor gelebt haben. Diejenigen, die in eng verbundenen Familien oder fröhlichen Hausprojekten leben, sind in einer viel besseren Situation als diejenigen, die in zerbrochenen Ehen leben oder große leere Häuser ganz für sich allein haben. Das ist eine gute Erinnerung an das, was im Leben wirklich zählt. Trotz der Sicherheitsmodelle, die durch den bürgerlichen Traum vom vereinzeltem Reihenhaus und die US-Außenpolitik, die diesen widerspiegelt, repräsentiert werden, sind Zusammengehörigkeit und Fürsorge viel wichtiger als die Art von Sicherheit, die davon abhängt, sich von der ganzen Welt abzuschotten.
»Soziale Distanzierung« darf nicht völlige Isolation bedeuten. Wir werden nicht sicherer sein, wenn unsere Gesellschaft auf einen Haufen atomisierter Individuen reduziert wird. Das würde uns weder vor dem Virus noch vor dem Stress dieser Situation oder vor den autoritären Maßnahmen schützen, die Kapitalismus und Staat vorbereiten. So sehr die älteren Menschen durch das Virus gefährdet sind, so sehr sind ältere Menschen in dieser Gesellschaft bereits gefährlich isoliert; sie von jeglichem Kontakt mit anderen abzuschneiden wird ihre körperliche oder geistige Gesundheit nicht erhalten. Wir alle müssen in eng miteinander verbundene Gruppen eingebettet werden, um sowohl unsere Sicherheit als auch unsere kollektive Fähigkeit, das Leben zu genießen und zu handeln, zu maximieren.
Wähle eine Gruppe von Menschen, denen du vertraust – idealerweise Menschen, mit denen du das tägliche Leben teilst, die alle ähnliche Risikofaktoren und ein ähnliches Maß an Risikotoleranz aufweisen. Um den Virus zu überleben, ist das deine Bezugsgruppe, der Grundbaustein einer dezentralisierten anarchistischen Organisation. Du musst nicht unbedingt im selben Gebäude mit ihnen leben; wichtig ist, dass ihr die Risikofaktoren gemeinsam auf das Level reduzieren könnt, mit dem sich alle abfinden können. Wenn die Gruppe zu klein ist, wird sie isoliert sein – und das wird besonders dann ein Problem sein, wenn eine*r krank wird. Wenn die Gruppe zu groß ist, setzt sie sich zu stark einem unnötigen Infektionsrisiko aus.
Sprecht miteinander, bis ihr gemeinsame Vorstellungen davon habt, wie ihr mit dem Risiko einer Ansteckung umgehen wollt. Das kann alles sein, von der totalen physischen Isolation bis zur gegenseitigen Erinnerung an die Verwendung von Handdesinfektionsmitteln nach Berührung von Oberflächen in der Öffentlichkeit. Solange keine*r aus der Gruppe das Virus hat, könnt ihr euch immer noch umarmen, küssen, gemeinsam Essen zubereiten, dieselben Oberflächen berühren – solange ihr euch über den Grad des Risikos einig seid, den ihr gemeinsam zu tolerieren bereit seid und direkt darüber sprecht sobald ein neuer Risikofaktor auftaucht.
Das ist es, was wir unter Sicherheitskultur verstehen: die Praxis, eine Reihe gemeinsamer Vorstellungen zu erarbeiten, um Risiken zu minimieren. Wenn wir es mit polizeilicher Repression und der Überwachung des Staates zu tun haben, schützen wir uns durch den Austausch von Informationen auf einer Need-to-know-Basis. Wenn wir es mit einem Virus zu tun haben, schützen wir uns, indem wir die Faktoren kontrollieren, über die sich Ansteckungen ausbreiten können.
Es ist nie möglich, Risiken ganz zu vermeiden. Es geht darum, festzulegen, mit wie viel Risiko du dich wohlfühlst, und sich so zu verhalten, dass du, falls etwas schief geht, nichts bereuen wirst, da du weißt, dass du alle Vorkehrungen getroffen hast, die du für notwendig erachtet hast. Wenn du dein Leben mit einer Bezugsgruppe teilst, kannst du gesellig und vorsichtig sein.
Möglichkeiten, wie mensch sich trotz »sozialer Distanzierung« weiterhin über sichere digitale Plattformen mit anderen Gefährt*innen organisieren kann, findest du hier.
Selbstverständlich wird deine Bezugsgruppe allein nicht ausreichen, um alle deine Bedürfnisse zu befriedigen. Was ist, wenn du Ressourcen benötigst, auf die keine*r von euch sicher zugreifen kann? Was ist, wenn alle krank werden? Ihr müsst mit anderen Bezugsgruppen in einem Netzwerk gegenseitiger Hilfe verbunden sein, so dass, wenn eine Gruppe im Netzwerk überfordert ist, die anderen ihr zu Hilfe kommen können. Wenn ihr euch an einem solchen Netzwerk beteiligt, könnt ihr Ressourcen und Unterstützung zirkulieren lassen, ohne dass sich alle dem gleichen Risiko aussetzen müssen. Die Idee ist, dass Menschen aus verschiedenen Gruppen des Netzwerkes, wenn sie miteinander interagieren, viel strengere Sicherheitsmaßnahmen anwenden, um zusätzliche Risiken zu minimieren.
Der Ausdruck »gegenseitige Hilfe« wurde in letzter Zeit oft in den Raum geworfen, sogar von Politiker*innen. Im eigentlichen Sinne beschreibt die gegenseitige Hilfe nicht ein Programm, das einseitige Hilfe anbietet, wie es eine Wohltätigkeitsorganisation tut. Vielmehr ist es die dezentralisierte Praxis der gegenseitigen Hilfe, durch die die Teilnehmer*innen eines Netzwerks sicherstellen, dass jede*r das bekommt, was er/sie braucht, so dass jede*r Grund hat, in das Wohlergehen der anderen zu investieren. Es geht nicht um einen Austausch von Gegenleistungen, sondern um einen Austausch von Care und Ressourcen, der die Art von Redundanz und Widerstandsfähigkeit schafft, die eine Gemeinschaft in schwierigen Zeiten aufrechterhalten kann. Netzwerke der gegenseitigen Hilfe gedeihen am besten, wenn es möglich ist, über einen langen Zeitraum hinweg gegenseitiges Vertrauen mit anderen aufzubauen. Mensch muss nicht jede*n im Netzwerk kennen oder gar mögen, aber jede*r muss dem Netzwerk so viel geben, dass die Bemühungen zusammen ein Gefühl des Wohlergehens schaffen.
Der Rahmen der Reziprozität könnten dem Anschein nach zu einer sozialen Aufteilung führen, bei der sich Menschen aus ähnlichen sozialen Schichten mit ähnlichem Zugang zu Ressourcen gegenseitig anziehen, um die beste Rendite aus der Investition ihrer eigenen Ressourcen zu erzielen. Aber Gruppen mit unterschiedlichem Hintergrund können Zugang zu einem breiteren Spektrum verschiedener Arten von Ressourcen haben. In diesen Zeiten kann sich finanzieller Reichtum als weitaus weniger wertvoll erweisen als Erfahrung mit Klempnerarbeiten, die Fähigkeit, einen bestimmten Dialekt zu sprechen oder soziale Bindungen in einer Gemeinschaft, von der mensch nie gedacht hätte, dass mensch von ihr abhängig sein würde. Jede*r hat gute Gründe, seine/ihre Netzwerke gegenseitiger Hilfe so weit und breit wie möglich auszudehnen.
Der Grundgedanke dabei ist, dass es unsere Bindungen zu anderen sind, die uns Sicherheit geben, nicht unser Schutz vor ihnen oder unsere Macht über sie. Prepper, die sich darauf konzentriert haben, einen privaten Vorrat an Lebensmitteln, Ausrüstung und Waffen anzulegen, sind dabei, die Voraussetzungen für eine Apokalypse zu schaffen, bei der jede*r gegen jede*n kämpft. Wenn du deine ganze Energie in individuelle Lösungen steckst und alle um dich herum allein für das Überleben kämpfen lässt, besteht deine einzige Hoffnung darin, besser bewaffnet zu sein als die Konkurrenz. Und selbst wenn du das bist, wenn es keine*n mehr gibt auf den du deine Waffen richten kannst, werden sie das letzte Werkzeug sein, das dir zur Verfügung steht.
Das Auftreten einer neuen potenziell tödlichen Pandemie zwingt uns alle, darüber nachzudenken, wie wir mit Risiko umgehen. Was ist es wert, unser Leben zu riskieren?
Wenn wir darüber nachdenken, werden die meisten von uns zu dem Schluss kommen, dass es sich nicht lohnt, unser Leben zu riskieren, nur um weiterhin unsere Rolle im Kapitalismus zu spielen. Andererseits könnte es sich lohnen, unser Leben zu riskieren, um uns gegenseitig zu schützen, um füreinander zu sorgen, um unsere Freiheit und die Möglichkeit, in einer egalitären Gesellschaft zu leben, zu verteidigen.
Der Versuch sämtliche Risiken zu vermeiden wird uns keine Sicherheit bringen. Wenn wir uns ausschließlich an uns selbst halten, während unsere Lieben krank werden, unsere Nachbar*innen sterben und der Polizeistaat uns jeden letzten Rest unserer Autonomie nimmt, werden wir nicht sicherer sein. Es gibt viele verschiedene Arten von Risiken. Wahrscheinlich wird die Zeit kommen, in der wir überdenken müssen, welche Risiken wir bereit sind, einzugehen, um in Würde zu leben.
Dies bringt uns zu der Frage, wie wir all die unnötigen Tragödien überleben können, die uns die Regierungen und die Weltwirtschaft im Zusammenhang mit der Pandemie aufdrängen werden – ganz zu schweigen von all den unnötigen Tragödien, die sie bereits geschaffen haben. Glücklicherweise können uns dieselben Strukturen, die es uns ermöglichen, das Virus gemeinsam zu überleben, auch dazu befähigen, ihnen die Stirn zu bieten.
Um es klar zu sagen: Der Totalitarismus ist keine Bedrohung mehr, die in der Zukunft liegt. Die Maßnahmen, die auf der ganzen Welt durchgeführt werden, sind in jeder Hinsicht totalitär. Wir sehen einseitige Regierungserlasse, die totale Reiseverbote, 24-Stunden-Ausgangssperren, veritables Kriegsrecht und andere diktatorische Maßnahmen verhängen.
Das heißt nicht, dass wir keine Maßnahmen zum gegenseitigen Schutz vor der Verbreitung des Virus durchführen sollten. Es geht einfach darum, anzuerkennen, dass die Maßnahmen, die verschiedene Regierungen durchführen, auf autoritären Mitteln und einer autoritären Logik beruhen. Denkt mal darüber nach, wie viel mehr Ressourcen in das Militär, die Polizei, die Banken und den Aktienmarkt) fließen als in das öffentliche Gesundheitswesen und in Ressourcen, die den Menschen helfen sollen, diese Krise zu überleben. Es ist immer noch einfacher, wegen Herumlungerns verhaftet zu werden, als einen Test für das Virus zu bekommen.
So wie das Virus uns die Wahrheit darüber zeigt, wie wir bereits – in unseren Beziehungen und unserem Zuhause – lebten, so zeigt es uns auch, dass wir bereits in einer autoritären Gesellschaft lebten. Die Ankunft der Pandemie macht das nur noch formeller. Frankreich bringt 100.000 Polizist*innen auf die Straße, 20.000 mehr als zum Höhepunkt der Gilets-Jaunes-Proteste eingesetzt wurden. Refugees auf der Suche nach Asyl werden an den Grenzen zwischen den USA und Mexiko sowie zwischen Griechenland und der Türkei abgewiesen. In Italien und Spanien greifen Polizeibanden Jogger in leeren Straßen an.
In Deutschland hat die Polizei in Hamburg die Situation als erstes genutzt, um das Lampedusa Zelt, das seit mehreren Jahren stand, zu räumen. Trotz der Quarantäne droht die Polizei in Berlin weiterhin mit der Räumung des Syndikats. In Thüringen hat die Polizei in vollem Pandemie-Sturmtruppen-Outfit ein Flüchtlingszentrum überfallen und unter dem Vorwand sie hätten Quarantäneregelungen missachtet zahlreiche Geflüchtete in den Jugendarrest verschleppt.
Das Schlimmste ist, dass all dies mit der stillschweigenden (oder auch lauten) Zustimmung der Bevölkerung geschieht. Die Behörden können im Namen des Schutzes unserer Gesundheit praktisch alles tun – auch uns umbringen.
Mit der Verschärfung der Situation werden Polizei und Militär wahrscheinlich zunehmend tödliche Gewalt anwenden. In vielen Teilen der Welt sind sie die letzten, die sich in großer Zahl frei versammeln können. Wenn die Polizei die einzige gesellschaftliche Einrichtung ist, die sich in Massen versammeln kann, gibt es kein anderes Wort als »Polizeistaat«, um die Form der Gesellschaft zu beschreiben, in der wir leben.
Es gibt seit Jahrzehnten Anzeichen dafür, dass sich die Dinge in diese Richtung entwickeln. Früher war der Kapitalismus darauf angewiesen, eine große Zahl von Arbeiter*innen für die Industriearbeit zur Verfügung zu halten – somit war es nicht möglich, das Leben so geringschätzig zu behandeln, wie es heute behandelt wird. Da die kapitalistische Globalisierung und Automatisierung die Abhängigkeit von den Arbeiter*innen verringert haben, hat sich das weltweite Proletariat beständig in den Dienstleistungssektor verlagert, wo sie Arbeit verrichtet, die für das Funktionieren der Wirtschaft nicht wesentlich ist und daher weniger abgesichert und schlecht bezahlt wird, während die Regierungen zunehmend von der militarisierten Polizeigewalt abhängig geworden sind, um Unruhe und Wut zu kontrollieren.
Wenn die Pandemie lange genug andauert, werden wir wahrscheinlich mehr Automatisierung erleben – selbstfahrende Autos stellen eine geringere Ansteckungsgefahr für die Bourgeoisie dar als Uber Fahrer*innen – und die freigestelleten Arbeiter*innen werden zwischen den Repressionsindustrien (Polizei, Militär, private Sicherheitsdienste, private militärische Auftragnehmer) und den prekären Arbeiter*innen aufgeteilt, die gezwungen sind, große Risiken einzugehen, um ein paar Cents zu verdienen. Wir rasen einer Zukunft entgegen, in der eine digital vernetzte privilegierte Klasse virtuelle Arbeit in Isolation verrichtet, während ein massiver Polizeistaat sie vor einer entbehrlichen Unterklasse schützt, die die meisten Risiken auf sich nimmt.
Der Milliardär Jeff Bezos hat bei Amazon bereits 100.000 Arbeitsplätze geschaffen und erwartet, dass sein Unternehmen die lokalen Läden überall aus dem Geschäft drängen wird. Ebenso wird Bezos seinen Angestellten im Bereich Whole Foods keinen bezahlten Urlaub geben, obwohl sie im Dienstleistungssektor ständig Risiken eingehen – er gewährt ihnen aber bis April eine Lohnerhöhung von 2 Dollar. Kurz gesagt, er hält ihr Leben immer noch für wertlos, aber er gibt zu, dass ihr Tod besser bezahlt werden sollte.
In diesem Zusammenhang sind Revolten vorprogrammiert. Es ist wahrscheinlich, dass es einige soziale Reformen geben wird, die die Bevölkerung besänftigen sollen – zumindest vorübergehende, um die Auswirkungen der Pandemie zu mildern –, aber sie werden mit der ständig zunehmenden Gewalt eines Staates einhergehen, von dem alle glauben ihn zu brauchen, da er als Beschützer unserer Gesundheit missverstanden wird.
Tatsächlich ist der Staat selbst die größte Gefahr für uns, da er die drastisch ungleiche Verteilung der Ressourcen durchsetzt, die uns zwingt, uns mit solchen unausgewogenen Risikoverteilungen auseinanderzusetzen. Wenn wir überleben wollen, können wir nicht nur eine gerechtere Politik fordern – wir müssen auch die Macht des Staates delegitimieren und untergraben.
Zu diesem Zweck werden wir einige Widerstands-Strategien vorstellen, die bereits in Gang gekommen sind.
In San Francisco hat das Hausprojekt Station 40 den Stein ins Rollen gebracht, indem es als Reaktion auf die Krise einseitig einen Mietstreik ausgerufen hat:
»Die Dringlichkeit des Momentes erfordert entschlossenes und kollektives Handeln. Wir tun dies, um uns selbst und unsere Gemeinschaft zu schützen und für sie zu sorgen. Mehr denn je lehnen wir Schulden ab, und wir weigern uns, uns ausbeuten zu lassen. Wir werden diese Last für die Kapitalist*innen nicht schultern. Vor fünf Jahren haben wir den Versuch unseres Vermieters, uns zu vertreiben, vereitelt. Wir gewannen dank der Solidarität unserer Nachbar*innen und unserer Freund*innen in der ganzen Welt. Wir appellieren erneut an dieses Netzwerk. Unser Kollektiv fühlt sich auf die Haus-Quarantäne vorbereitet, die um Mitternacht in der gesamten Bay Area beginnt. Der sinnvollste Akt der Solidarität ist für uns in diesem Moment, dass alle gemeinsam in den Streik treten. Wir werden euch den Rücken freihalten, so wie wir wissen, dass ihr uns den Rücken freihalten werdet. Ruht euch aus, betet, kümmert euch um einander.«
Für Millionen von Menschen, die ihre Rechnungen nicht bezahlen können, macht dies aus der Not eine Tugend. Unzählige Millionen, die von einem Gehaltsscheck zum nächsten leben, haben bereits ihre Arbeit und ihr Einkommen verloren und haben keine Möglichkeit, die Miete für April zu bezahlen. Der beste Weg, sie zu unterstützen, ist ein Streik, der es den Behörden unmöglich macht, alle, die nicht zahlen, ins Visier zu nehmen. Banken und Vermieter*innen sollten nicht in der Lage sein, weiterhin von Mieter*innen und Hypotheken zu profitieren, wenn es keine Möglichkeit gibt, Geld zu verdienen. Das ist einfach gesunder Menschenverstand.
Diese Idee ist bereits in vielen verschiedenen Formen im Umlauf. In Melbourne, Australien, wirbt die örtliche Niederlassung der Industrial Workers of the World für ein COVID-19-Mietstreikversprechen. Rose Caucus fordert die Menschen auf, während der Pandemie die Zahlungen von Miete, Hypotheken und Nebenkostenzahlungen auszusetzen. Im Bundesstaat Washington fordert der Seattle Rent Strike dasselbe. Auch in Chicago drohen die Mieter*innen mit einem Mietstreik. Andere haben [Aufrufe](](https://docs.google.com/forms/d/e/1FAIpQLSeypfyMWCtC5FG7h0kTKeNpgttbARcINd8zjIj7uiwHv-VFMA/viewform) in Umlauf gebracht, in denen zu einem Miet- und Hypothekenstreik aufgerufen wird. Coview hat unter anderem zu der Thematik Plakatvorlagen auf deutsch erstellt. Reclaim Club Culture ruft in Berlin nach Enteignung »aller privaten Wohnungsbaugesellschaften«, etwas dem durch ein Mietstreik Nachdruck verleiht werde könnte.
Damit ein Mietstreik landesweit Erfolg hat, muss mindestens eine dieser Initiativen so stark an Dynamik gewinnen, dass eine große Zahl von Menschen sicher sein kann, dass sie nicht im Stich gelassen werden, wenn sie sich zur Teilnahme verpflichten. Doch anstatt darauf zu warten, dass eine einzige Massenorganisation einen massiven Streik von oben koordiniert, ist es am besten, wenn diese Bemühungen an der Basis beginnen. Zentralisierte Organisationen gehen oft schon zu Beginn eines Kampfes Kompromisse ein und untergraben die autonomen Bemühungen, die solchen Bewegungen Macht verleihen. Das Beste, was wir tun könnten, um aus dieser Erfahrung gestärkt hervorzugehen, wäre der Aufbau von Netzwerken, die sich unabhängig von Entscheidungen von oben verteidigen können.
Hunderte von Arbeiter*innen auf den Atlantikwerften in Saint-Nazaire haben gestern gestreikt. In Finnland weigerten sich die Busfahrer*innen, von den Fahrgästen Zahlungen entgegenzunehmen, um ihre Sicherheit vor Ansteckung zu erhöhen und gegen die Risiken zu protestieren, denen sie ausgesetzt sind, und zeigten damit, dass der öffentliche Verkehr frei sein könnte.
Wenn es jemals eine gute Zeit für das umkämpfte und prekäre Proletariat gab, um durch Streiks und Arbeitsniederlegungen Stärke zu zeigen, dann ist es jetzt. Ausnahmsweise wird ein Großteil der Bevölkerung Verständnis zeigen, da die Unterbrechung des »business as usual« auch die Gefahr einer Verbreitung des Virus verringern kann. Anstatt zu versuchen, die individuelle Situation einzelner Mitarbeiter*innen durch Lohnerhöhungen zu verbessern, ist es unserer Meinung nach am wichtigsten, Netzwerke aufzubauen, die das »business as usual« unterbrechen, das System als Ganzes stören und auf die revolutionäre Einführung alternativer Lebens- und Beziehungsformen hinweisen können. An diesem Punkt ist es leichter, sich die Abschaffung des Kapitalismus vorzustellen, als sich vorzustellen, dass er selbst unter diesen Umständen reformiert werden könnte, um allen unseren Bedürfnissen in gerechter und ausgewogener Weise zu dienen.
Revolten in brasilianischen und italienischen Gefängnissen haben bereits zu mehreren Ausbrüchen geführt, darunter auch zu Massenfluchten. Der Mut dieser Gefangenen sollte uns an all die Gruppen erinnern, die von der Öffentlichkeit ferngehalten werden und die bei Katastrophen wie dieser am meisten leiden werden.
Sie können uns auch inspirieren: Anstatt Befehle zu befolgen und im Verborgenen zu bleiben, während die ganze Welt in eine Matrix von Gefängniszellen verwandelt wird, können wir kollektiv handeln, um auszubrechen.
Weitere Lektüre
Monolog eines Virus: »ich bin gekommen, um die Maschine aufzuhalten, von der Ihr die Notbremse nicht fandet« (ein bisschen nach unten scrollen für den deutschen Text)
Gegen das Coronavirus und den Opportunismus des Staates
On Rent Strike against Gentrification and the Pandemic
Monitoring der erweiterten Befugnisse der Repressionsbehörden
Quelle: https://crimethinc.com/2020/03/18/das-virus-uberleben-ein-anarchistischer-leitfaden-kapitalismus-in-der-krise-aufkommender-totalitarismus-strategien-des-widerstands
]]>Das gesamte Jahr 2019 kämpften in Berlin eine Reihe von linksalternativen Kollektiven gegen die Verdrängung aus ihren Räumen und für den Erhalt von Kiezkultur. Die Projekte berichten über die wichtigsten Ereignisse des vergangenen Jahres.
Drugstore, Potse, Syndikat, Liebig 34, Meuterei, G17a und die Köpi gehören zu dem Interkiezionale-Bündnis, welches sich solidarisch und mit vereinter Kraft gegen den Ausverkauf der Stadt stellt.
Für 2020 heißt es einmal mehr: Jede Räumung ist eine zu viel!
Video: Leftvision
]]>Für mehr unabhängige Strukturen gegen den gesellschaftlichen Rechtsruck
Die Lage spitzt sich weiter zu. In der ersten Jahreshälfte 2020 stehen mehrere Räume und Häuser der radikalen Linken in Berlin vor dem Aus – weitere sind gefährdet oder sehen sich ständigen Bedrohungen ausgesetzt. Wir als Antifaschist*innen wissen um ihre Bedeutung und werden sie verteidigen!
Denn bei Liebig, Potse, Syndikat, Meuterei & Co. handelt es sich um mehr als Wohnprojekte, kollektiv geführte Kneipen, experimentelle Jugendclubs und Nischen unkommerzieller (Sub-)Kulturen. Es sind Bastionen gegen die Unmenschlichkeit des hiesigen „Gemeinwesens“. Sie dienen als Treffpunkte, Veranstaltungsorte, Mobilisierungsplattformen und als Zentren der Politisierung und Organisierung ganzer Generationen. Wo sonst finden sich Menschen zusammen, bilden Gruppen, vernetzen und organisieren sich gegen Neonazis, gegen den Rassismus, Sexismus, Hierarchien und Kapital? Wo macht ihr eure Treffen, wo findet ihr Anschluss, wo hört ihr mal Ideen, die nicht dem Mainstream entspringen und wo sonst kann mehr oder weniger frei über aktuelle Ungerechtigkeiten und die Umgestaltung der Gesellschaft verhandelt werden? Wo sind die Orte, an denen über antifaschistischen Selbstschutz gegen Neonaziterror nicht nur geredet, sondern auch gehandelt wird?
Es gibt dafür keine besseren Bezugspunkte als unkommerzielle, autonome und selbstverwaltete Räume. Die Repression und staatliche Verdrängung dieser Räume richtet sich somit nicht allein gegen diese Projekte als solche, sondern ist ein Stich in das Herz der linken Bewegungen und eine ernstzunehmende Bedrohung unserer politischen Wirkmächtigkeit für viele Jahre.
Unser Appell zur Verteidigung der Räume richtet sich nicht an den Staat und die Parlamente, sondern an die sozialen Bewegungen, die diese Stellungen gegen das schlechte Leben, hervorgebracht und über die Jahre gestaltet haben. Wo stehen wir alle in diesen Zeiten größter Not? Wo bleibt die Kampagne für den Erhalt und die Neuschaffung linker Freiräume? Nicht erst seit 2019 sind wir angewiesen auf sich selbst verteidigende und stetig wachsende soziale Bewegungen, die sich notwendigerweise staatsfern organisieren, um widerständig sein zu können.
Denn die staatlichen Akteure sind Motoren der ungerechten Normalität, die an der Verteidigung oder gar Schaffung von oppositionellen Freiräumen nicht interessiert sind. Dass auch der Staat den Antifaschismus als Handlungsfeld konjunkturell für sich entdeckt, ist kein Beweis für eine antifaschistische Transformation des Staates, sondern ein Beweis für staatliches Geschick zur Vereinnahmung, Ablenkung und Einhegung von Kritik.
Auf die naive Hoffnung in staatliche Akteure folgt irgendwann, aber unweigerlich, die Enttäuschung. So ermöglichte der von oben verordnete Geldregen im Nachgang der rassistischen Erhebungen der 90er Jahre unter dem Mantel der „Demokratieerziehung“ eine Professionalisierung und Institutionalisierung von antifaschistischen Akteur*innen, sorgte aber gleichzeitig für deren Abhängigkeit. Schon vor zehn Jahren, noch vor der Gründung der AfD, verabreichte die Bundesregierung der „Zivilgesellschaft“ die bittere Pille der „Anti-Extremismus“-Klausel. Die Zusammenarbeit mit antifaschistischen Gruppen, die sich den Bedingungen des Staates nicht immer unterordnen, wurde tabuisiert – bis hin zur Verleugnung ihres Beitrags gegen die weitere Erstarkung des Faschismus.
Trotz des NSU-Skandal, trotz der belegten Durchsetzung der Sicherheitsorgane mit Neonazis, trotz des Bekanntwerden von Feindeslisten und Umsturzplänen, trotz weiterer Morde und trotz der Beständigkeit von rassistischer Gewalt auf den Straßen, verortet die „Zivilgesellschaft“ den wehrhaften Antifaschismus ausgerechnet bei der Polizei und den Geheimdiensten. Es ist kein Zufall, dass selbst die ausgezeichneten und mit Medaillen Behängten sich nicht schützend vor den unter Beschuss geratenden Antifaschismus stellen, sondern sich lieber darin üben, noch weniger aufzufallen. Budgetkürzungen werden ebenso hingenommen wie die Verfolgung von Menschen, die sich aktiv gegen den Faschismus zu Wehr setzen. Dabei wurde ein immer ohnmächtiger vorauseilender Gehorsam eingeübt und der Extremismus der Mitte unreflektiert übernommen. Diese Spirale dreht sich nun, einmal in Gang gesetzt, fortwährend weiter und führt zur kompletten Handlungsunfähgikeit dieser eingehegten Projekte.
Dem halten wir den Aufbau eigener Strukturen entgegen und laden dazu ein, diese mitzugestalten. Dazu zählen die Freiräume, genauso wie eigene Medienplattformen und Schutzgemeinschaften gegen staatliche Repression. Ohne diese Projekte und Orte gibt es keine antifaschistische oder sonstige soziale Bewegung, die den Anspruch hat, wirklich am Rad der Geschichte zu drehen.
Lasst uns den bedrohten Projekten beistehen und auch mal neue gründen. Für eine antifaschistische Bewegung die gerade in finsteren Zeiten auf sich selbst vertraut.
Unterzeichner*innen:
AKF Berlin Friedrichshain
Antifa 7
Antifa Friedrichshain (AFH)
Antifaschistisches Kaffeekränzchen (AKK)
Autonome Neuköllner Antifa (ANA)
Antifa Westberlin (awb)
Basisantifa Nordberlin (BAN)
Black Pond Antifa (BPA)
feministisch-antifaschistischer Arbeitskreis Berlin (faak)
Jugendantifa Kreuzberg (JAK)
Kein Raum der AfD
Linksjugend [’solid] Berlin
North East Antifascists (NEA)
Theorie Organisation Praxis (TOP)
Uffmucken Schöneweide
Quelle: https://antifa-fh.so36.net/
]]>Die Liebig34 ist ein selbstorganisiertes anarcha-queer-feministisches Hausprojekt in Berlin Friedrichshain. Die Geschichte der Liebig34 als Hausprojekt begann schon 1990, als auch viele andere Häuser in Ost-Berlin besetzt wurden. Kurze Zeit nach der Besetzung wurden Teile des Hauses legalisiert. Nach dem gescheiterten Versuch das Haus kollektiv zu kaufen wurde 2008 ein Pachtvertrag über 10 Jahre vereinbart. Im selben Jahr wurde die Liebig34 von Gijora Padovicz gekauft. Padovicz, dem allein in Friedrichshain 200 Immobilien gehören sollen, besteht auf einer Räumung und lehnt jede Verhandlung ab. Der Pachtvertrag der Liebig34 ist Ende 2018 abgelaufen. Am Freitag, den 15.11.2019 wurde vor dem Landgericht Berlin die Räumungsklage gegen die Liebig34 verhandelt. Während der Kundgebung vor dem Gerichtsgebäude nahm die Polizei die zwei Vertreter*innen des Hausprojekts fest. Bereits vor der Verhandlung gab es massive Sicherheitskontrollen. Während der Verhandlung wurden mehrere Menschen brutal aus dem Saal gezerrt. Letztlich wurde die Verhandlung auf den 12. Dezember verschoben. Beim Verlassen des Gerichts wurden alle weiblich gelesenen Personen von der Polizei durchsucht und bekamen eine Anzeige wegen Widerstands und Hausfriedensbruch – inklusive einer Journalistin.
Wir stehen solidarisch mit der Liebig34 und allen anderen bedrohten Projekten in Berlin! Der Angriff auf die Liebig34 ist ein Angriff auf uns alle!
Wir laden euch daher am Sonntag, den 24.11. ab 15:00 Uhr zu einem solidarischen Antifa-Tresen mit Kaffee, Kuchen und gemütlichem Softgun-Schießen ein. Kommt vorbei, bringt Freund*innen, Liebe und Kuchen mit und informiert euch über die aktuelle Situation der Liebig34!
Kaffeekränzchen mit antifaschistischem Softgun-Schießen
Sonntag 24.11. | 15:00 Uhr | Liebigstr. 34
All Genders Welcome
Wir senden Liebe, Kraft und Feuer aus Berlin an unsere kämpfenden Genoss*innen in Exarchia Athen!
Euer Kampf ist auch unser Kampf – Gegen Kyriakos Mitsotakis und seine faschistischen Schlägertrupps, gegen den Kapitalismus der jeden Tag und überall unser Leben bedroht! Für Freiheit, Liebe und die Anarchie!
Wir bleiben ALLE!
We are sending love, strength and fire from Berlin to our fighting comrades in Exarcheia Athens!
Your fight is our fight – against Kyriakos Mitsotakis and his fascist goon squads, against capitalism that threatens life everyday and everywhere! For freedom, love and anarchy!
We all will stay!
Quelle: https://de.indymedia.org/node/37499
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