Anarcho-Syndikalistisches Netzwerk (ASN):
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Quelle:
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Im Zusammenhang mit dem Siedlungskolonialismus bedeutet dies, die Wirklichkeiten der kolonialen Besiedlung (und ihre noch andauernde Entwicklung) ernst zu nehmen. Das bedeutet Solidarität mit indigenen Forderungen nach Landrückgabe [land back]. Der Siedlungskolonialismus ist einer der größten Verursacher*innen der Klimakrise. Und indigene Menschen kümmern sich in überwiegender Mehrheit um die weltweite Artenvielfalt.

Der grüne Syndikalismus muss eine anti-koloniale Analyse in den Mittelpunkt seiner Ideen und Aktionen stellen. Dazu gehört es anzuerkennen, dass der Kapitalismus auf indigenem Land und gegen die Ureinwohner*innen eingeführt und verbreitet wurde. Ebenso muss anerkannt werden, dass die Zerstörung des Landes immer durch die Zerstörung der indigenen Gemeinschaften und Bevölkerungen stattgefunden hat. Es muss darüber hinaus anerkannt werden, dass indigene Bevölkerungen die wichtigste Rolle bei der Verteidigung des Landes und seiner Bestandteile geleistet haben und dies auch heute tun. Während sie gleichzeitig zu den am meisten ausgebeuteten und unterdrückten Teilen der Arbeiter*klasse gehören.
Syndikalist*innen sollten sich daher mit den Verteidiger*innen des Landes [land defenders] in Verbindung setzen und wirkliche Unterstützung leisten, sowie deren Anweisungen annehmen. Was Syndikalist*innen direkt machen könnten, wäre die Gründung einer besonderen Einsatzgruppe [flying squad] – eine schnelle Eingreiftruppe -zur Teilnahme an Aktionen zur Landverteidigung. Das kann bedeuten, sich an Blockaden zu beteiligen, Protestkundgebungen bei Abbaufirmen durchzuführen oder Schutzvorrichtungen bereitzustellen. Die Details sind dabei natürlich von den jeweiligen Bedürfnissen abhängig. Einsatzgruppe aus der Arbeiter*klasse bieten zudem Möglichkeiten der Einbeziehung von Arbeiter*innen zum Thema der Solidarität mit Ureinwohner*innen.
Anarchosyndikalist*innen, vor allem nicht-indigene, können in Gebieten, in denen Aktionen zur Landverteidigung stattfinden, die Aufgabe übernehmen falsche Vorstellungen der weißen Bevölkerung vor Ort in Frage zu stellen. Ein Beispiel dafür ist die Gründung einer Gewerkschaftsgruppe während der Landforderungen der Six Nations in Caledonia (Ontario) auf Wunsch der indigenen Organisator*innen. Diese bestand überwiegend aus weißen Gewerkschafter*innen, die von Tür zu Tür gingen und Informationen über die Landforderung und die Geschichte des umstrittenen Landes usw. verteilten. Sowohl um die die Leute über die Vorgänge und Ursachen (entgegen der rassistischen Erzählungen in Politik und Medien) aufzuklären, wie auch zur Bekämpfung der rassistischen Stimmung in der Stadt.
Außerdem sollten Syndikalist*innen sich auch an wichtigen Vorbildern orientieren, wie durch Indigene geführtes Organisieren am Arbeitsplatz abläuft. So zum Beispiel die „Bows und Arrows“ [Pfeil und Bogen] der IWW Local 526, gegründet von indigenen Hafenarbeiter*innen im sogenannten „Vancouver“ (die nicht zurückgegebenen traditionellen Gebiete der First Nations xʷməθkʷəy̓əm (Musqueam), Sḵwx̱wú7mesh (Squamish) und səlilwətaɬ (Tsleil-Waututh)).
Syndikalismus darf daher nicht bedeuten, dass Arbeitsplätze oder Betriebe auf gestohlenem Land betrieben werden. Die Enteignung des Kapitals heißt, die Systeme von Einhegung, Enteignung und Kolonialismus zu beenden, auf denen das Kapital und der Kapitalismus aufbauen. Wahre ökologische Renaturierung – und Überleben – bedeutet eine Wiederherstellung des indigenen Landes. Das bedeutet die Landrückgabe, wie sie von den indigenen Bevölkerungen gefordert wird.
Quelle:
https://anarchistunionjournal.org/2024/04/11/anarcho-syndicalism-must-mean-land-back/
Übersetzung [und Anm.]:
Anarcho-Syndikalistisches Netzwerk – ASN Köln, https://asnkoeln.wordpress.com
(CC: BY-NC)
Machen wir uns bewusst, dass wir an einem besonderen Wendepunkt stehen: Noch nie war die Gesellschaft durch so viele tödliche Gefahren bedroht: Erderhitzung, Vernichtung der Artenvielfalt, Ausschöpfung der Ressourcen, Umweltbelastung durch Schadstoffe und die drohende Gefahr eines Großkonfliktes. Die Zukunft ist jedoch zumindest ungewiss.
Doch nur die Rüstungsindustrie hat Grund zu feiern! Aber wenn man unserer Regierung Glauben schenkt, gibt es keinen Grund zur Sorge. Es ist eine altbekannte Reaktion, dass ein bevorstehender Zusammenbruch die Führungskräfte eines Unternehmens oder eines Staates dazu veranlasst, immer riskantere und schwierigere Projekte zu starten. Sie hoffen auf ein Wunder, versuchen alles Mögliche und machen es in der Regel nur noch schlimmer – wobei sie die vorhergesagte Katastrophe weiter beschleunigen.
Natürlich haben die Regierungen seit vielen Jahren ihre Maßnahmen auf den Weg gebracht, um diesen Teufelskreis zu überwinden. Doch deren Wirksamkeit ist – gelinde gesagt – zweifelhaft. Die globale Erwärmung beschleunigt sich, die Artenvielfalt stirbt weiter ab, die Vergiftung von Wasser, Boden und Luft nimmt weiter zu. Und es werden bestimmt nicht die letzten Maßnahmen der französischen Regierung gewesen sein, die diesen Trend umkehren sollen. Und um dem Risiko eines drohenden Krieges zu begegnen, haben alle Staaten in massive Aufrüstungsprogramme investiert.
Das Spiel, das die führenden Großmächte gerade spielen, ähnelt immer mehr diesem Szenario. Die „Herren der Welt“ sind bereit alles zu tun, um ihre Privilegien und Machtsymbole zu bewahren. Sie kümmern sich nicht um das Schicksal der Menschen, solange ihr Status als Herrschende nicht erschüttert wird.
Dass die kapitalistische Wirtschaft weiter funktioniert; dass die Gewinne der multinationalen Konzerne so hoch sind, wie noch nie; dass sich die Börse auf einem Allzeithoch befindet – das alles ist letztlich nur schöner Schein.
Denn dieses herrlich grenzenlose System besteht aus einem Streben nach Reichtum und Macht. Es macht Glück und Freiheit zu einer Frage des Wohlstands – von Einzelpersonen oder von Staaten. Denn je mehr Reichtum wir anhäufen, desto mehr macht uns diese Ansammlung angeblich frei und glücklich. Aber dieses System wird durch seine eigenen Widersprüche untergraben: Denn ein endloses Wachstum in einer endlichen Welt ist undenkbar.
Das Gesetz des Kapitalismus macht jedes Individuum zur Konkurrenz aller anderen. Die Werte der Solidarität und der gegenseitigen Hilfe werden geleugnet; die Gesellschaft wird in gegensätzliche Klassen gespalten: Die Klasse der Ausgebeuteten gegen die Klasse der Ausbeuter*innen. Die Nationalstaaten befinden sich ständig in einem wirtschaftlichen und/oder militärischen Krieg gegeneinander. Und schließlich – und das Problem ist nicht zu unterschätzen – führen die menschlichen Gesellschaften aufgrund ihrer Marktgläubigkeit seit Jahrhunderten einen gnadenlosen Krieg gegen die Natur.
Seit Jahrhunderten haben zahlreiche Denker*innen die verheerenden Folgen dieses Systems angeprangert und gezeigt, dass es von Grund auf ungerecht, ungleich und mörderisch ist. Der Zusammenbruch der großen natürlichen Ökosysteme, welche die Grundlage des Lebens auf der Erde bilden, ist heute Beweis genug, dass uns die marktförmigen Entscheidungen unweigerlich in eine Sackgasse führen. Kurz gesagt: Dieses System ist absolut selbstmörderisch.
Dass dieses Systems samt seiner Regeln abgeschafft werden muss, haben alle revolutionären Denker*innen des 19. Jahrhunderts befürwortet. Heute ist dies zur absoluten Notwendigkeit geworden. Doch selbst wenn diese Forderung heute von allen aufrichtig denkenden Menschen weitgehend geteilt wird, so stellt sich die weitaus schwierigere Frage, wie eine zukünftige Gesellschaft organisiert und auf welcher Grundlage sie aufgebaut werden soll.
Tatsächlich ist die Menschheit jedoch bereits seit Beginn der Steinzeit und dem Aufkommen der ersten Staaten mit dieser Fragestellung konfrontiert. Seit die menschlichen Gemeinschaften beschlossen haben, bestimmten Personengruppen, wie Priester*innen, König*innen, Diktator*innen, Aristokrat*innen oder einfachen Vertreter*innen, die Macht zu übergeben. Indem diese entscheiden, was das Beste für die Gemeinschaft ist und um ihre Gesetze durchzusetzen, haben die menschlichen Gemeinschaften dabei die Kontrolle über ihr Schicksal verloren.
Diese neue herrschende Klasse hat die Macht zu ihrem Vorteil an sich gerissen und systematisch ihre eigenen Bedürfnisse durch die Anhäufung von Reichtum befriedigt. Auch, um das Streben nach Eroberung und Herrschaft zu befriedigen – den Willen nach Macht und egositischem Genuss – hat sie dabei die Interessen der Gemeinschaft geopfert. Die Katastrophen, die sich heute abzeichnen, sind letztlich nur die Folge dieser ganzen Vernachlässigung.
Deshalb steht heute die gesamte Menschheit vor der Wahl:
• Entweder genauso weiterzumachen, und immer wieder auf die schönen Worte der Herrschenden zu vertrauen. Welche dann unter dem Vorwand militärischer oder ökologischer Zwänge mit Gewalt und Terror nach sozialer Kontrolle rufen, die Freiheit einschränken und den Lebensstandard senken – zumindest für die arbeitenden Klassen. Genau dies ist der Weg, den die derzeitige französische Regierung bereits eingeschlagen hat.
• Oder einen radikalen Bruch mit der heutigen Realität herbeizuführen und sich auf den Aufbau einer völlig neuen Welt einzulassen. Welche es sich zur Hauptaufgabe macht, den Warenfetisch, die Macht und die Gewalt zu überwinden, um jedem Individuum die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung zu garantieren. In einer solchen Gesellschaft wird die Lebensqualität nicht mehr an der Menge des angehäuften Eigentums gemessen werden, sondern an der Qualität des Aufbaus von sozialen Beziehungen.
Quelle:
Anarchosyndicalisme!, Nr. 185, Januar/Februar 2024, CNT-IAA Toulouse,
https://cntaittoulouse.lautre.net/spip.php?article1378
Übersetzung: ASN Köln
(Creative Commons: BY-NC)
Als Bestandteil des revolutionären Internationalismus hatte die Gewerkschaft CNT-IAA die weltweit verbreitete Sprache damals intensiv gefördert. Und nach Beginn der Revolution im Juli 1936 gemeinsam mit der Anarchistischen Föderation Iberiens (FAI) in Barcelona eine eigene Publikationen herausgegeben (https://informabulteno.wordpress.com/1936/07/25/1/). Dort schrieb unter anderem der deutsche Anarchosyndikalist Augustin Souchy, der jahrelang im Sekretariat der IAA arbeitete (siehe auch „Die IAA 1922 bis 1937“, in „Schwarz-Rote Feder“, Nr. 3)
Auf diese Tradition bezieht sich auch das gleichnamige Online-Magazin „Informa Bulteno“, das heutzutage von der französischen Sektion der IAA herausgegeben wird (Kontakt: CNT-AIT, 7 rue St Rémésy 31000 Toulouse).
Auf dem Blog informabulteno.wordpress.com finden sich aber nicht nur zahlreiche Artikel aus dem historischen, wie dem aktuellen „Informa Bulteno“, sondern auch viele Artikel zu esperantistischen Texten aus aller Welt – von Südamerika bis Ostasien. Auch mehrere Ausgaben der von der brasilianischen Basisgewerkschaft COB-IAA in São Paulo 2010/2011 herausgegebenen Monatszeitschrift „Anarkio“ sind dort online archiviert.
Es gibt also viel zu entdecken. Zumal die von Ludwik Zamenhof 1887 konstruierte Plansprache in ihren Grundzügen recht einfach zu lernen ist. Auch, wenn sich mittlerweile Englisch als Weltsprache (nicht nur in den ehemaligen Kolonien) durchgesetzt hat.
Bonan legon!
https://informabulteno.files.wordpress.com/2022/05/esperanto-ukraine-2022-05-10.pdf
https://informabulteno.files.wordpress.com/2023/02/informa-bulteno-2023-01.pdf
https://informabulteno.files.wordpress.com/2023/10/informa-bulteno-2023-10-2.pdf
CC: BY-NC
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Diese Gleichzeitigkeit hat durchaus einen symbolischen Charakter. Kropotkin war zwar nie Mitglied einer revolutionär-syndikalistischen oder anarchosyndikalistischen Organisation, doch er steuerte einen wichtigen Beitrag zur Gründung der anarchosyndikalistischen Internationalen bei und seine Vorstellungen hatten einen enormen Einfluss auf deren Ziele und Prinzipien.
Kropotkin war einer der ersten anarchistische Denker, der eine Restauration des antiautoritären Flügels der Ersten Internationalen ins Leben rief und er führte diese Kampagne zu eine Zeitpunkt an, als ein Großteil der libertären Bewegung noch der so genannten „Propaganda der Tat“ anhing. Die Basis für diesen Wiederaufbau sah Kropotkin in den Gewerkschaften. In seinem „Bulletin der Jura Föderation“ schrieb er wiederholt über die ArbeiterInnenbewegung und Gewerkschaften. Zu dieser Zeit suchte er nach Kontakten zu gewerkschaftlichen Kreisen. In der Zeitschrift „Le Révolte“ veröffentlichte er rund 20 Artikel über die Notwendigkeit von Gewerkschaften, zu einer Zeit, als diese Ideen von anarchistischen Aktivist/innen und Agitator/innen, wie Jean Grave, Errico Malatesta oder Johann Most (1) nicht befürwortet wurden.

Mit all seiner Kraft argumentierte Kropotkin für die Stärkung der Gewerkschaften und das Engagement von Anarchist/innen in diesem Bereich. In der Zeitschrift „Freedom“ rief er zu einer universalen „Versammlung der Arbeit“ auf und im Jahr 1901 befürwortete er die Bildung einer „internationalen Föderation der Gewerkschaften auf der Erde“. Der Streik der radikalen Metallarbeiter/innen in Barcelona im Jahr 1902 und das Aufkommen einer Streikbewegung in Europa hatten bei ihm große Erwartungen geweckt. Diese Ereignisse veranlassten Kropotkin zu dem Vorschlag der Bildung einer „Internationalen Vereinigung der Arbeit“. Anselmo Lorenzo äußerte diesen Vorschlag für ihn in der Zeitschrift „Tierra and Libertad“ im September 1902. Er warf die Frage über die Organisation einer Internationalen auf, die im allgemeinen sozialistische Ziele und die Vergesellschaftung der Ökonomie vertrat. Außerdem die Selbstemanzipation der arbeitenden Menschen, der Kampf gegen die Ausbeutung von Frauen und Kinderarbeit, die Förderung der Kooperation und einen zukünftigen Plan für die sozialistische Enteignung der Produktion.(2) Beim Ausbau eines detaillierten Programms sollten die Ziele der alten Internationalen berücksichtigt werden. Interessanterweise weigerte sich der Herausgeber der Zeitschrift, Federico Urales, diese Vorschläge zu veröffentlichen, den er sah darin eine rückwärtsgewandte Vereinfachung.
Wie dem auch sei, für die russischen Anarcho-Kommunisten ging es nicht nur um neue Taktiken, sondern um viel wesentlichere Dinge. In Kropotkins Vorstellung einer zukünftigen anarcho-kommunistischen Gesellschaft nahmen die beruflichen und industriellen Assoziationen der Arbeiter/innen einen wichtigen Stellenwert ein. Er war überzeugt davon, dass die soziale Organisation der freien Welt durch freie, selbstverwaltete Kommunen, die sich an Selbstversorgung und Freiwilligkeit orientieren, in einer Art Föderation von Unten zusammenschließen sollten. Nichts desto trotz war es wichtig, diese Gemeinschaften durch Gewerkschaften und Assoziationen verschiedener Art, wie freie Assoziationen von Produzent/innen, zu komplementieren. Kropotkin glaubte, dass diese Produktionsassoziationen die Aufgabe des technischen Managements und die Koordination der Produktion übernehmen. Und er vertrat die Auffassung, dass die Gewerkschaften der Prototyp und die Basis zukünftiger Assoziationen sein sollten, während sie im Kapitalismus als Kampfmittel für die Durchsetzung ökonomischer Streiks erscheinen.
Gewerkschaften, nach Kropotkin, sollten die organisatorische Basis für die Wiederauferstehung der antiautoritären Ersten Internationalen sein. Diese Vision führt er in einem Brief vom 3. Juli 1902 aus. Zu jener Zeit stellte er sich eine Bewegung in Form einer internationalen Gewerkschaftsinternationalen vor, die von überzeugten Anarchist/innen aufgebaut werden sollte – ähnlich dem Aufbau der spanischen Sektion der Ersten Internationalen. Kropotkin schlug vor, basierend auf seiner Sympathie für die Anarchist/innen unter den spanischen und französischen Arbeiter/innen, einen internationalen Kongress zu veranstalten, bei dem eine „internationale arbeitende Allianz“, unabhängig der Sozialdemokratie und fokussiert auf außerparlamentarische direkte Aktionen, gegründet wird. Und dies innerhalb einer revolutionären Arbeiter/innen-Internationalen, ähnlich der bakunistischen Allianz innerhalb der Ersten Internationalen. (3)
Kropotkin entsann die folgendes Strategie: die Anarchist/innen sollten die globale Einheit der Gewerkschaften aktiv unterstützen und ihr dann, basierend auf ihrer eigenen Organisation, einen revolutionären Charakter geben, die Sozialdemokratie verdrängen und dann die soziale Revolution durchführen. Interessanterweise gelang dies den argentinischen Anarchist/innen zu Beginn des 20. Jahrhunderts. So, allerdings ohne die Bildung einer internen „Allianz“, konnte die Arbeiter/innen-Föderation Argentiniens, die spätere FORA, in eine anarchistische Arbeiter/innenbewegung umgewandelt werden.
Angesichts dieser Perspektiven überrascht es kaum, dass Kropotkin großes Interesse am revolutionären, französischen Syndikalismus zeigte. Enthusiastisch begrüßte er den kraftvollen Aufstieg der weltweiten syndikalistischen Bewegung. In dem Report „Unsere Haltung zu den Bauern- und Arbeiter/innen-Gewerkschaften“, den Kropotkin für den Londoner Kongress der russischen Anarcho-Kommunisten (September 1906) vorbereitet hatte, betont er die Tatsache, dass Arbeiter/innen Gewerkschaften und industriellen Föderationen beitreten, die außerhalb der existierenden politischen Parteien stehen, inklusive der sozialdemokratischen Partei, und nach einer Wiederherstellung der Internationalen Union der Arbeiter/innen streben, um so den Kampf der Arbeit gegen das Kapital zu führen – nicht auf parlamentarischen Weg, sondern direkt, mit allen den Arbeiter/innen zu Verfügung stehenden Mittel und alleinig für sich selbst. Mehr als das betonte er die Rolle der Gewerkschaften zur Schaffung einer zukünftigen freien Gesellschaft bei der „Organisation des kommunistischen Lebens und der Schaffung allgemeiner Prinzipien“ und der „Restrukturierung der Industrie im öffentlichen Interesse. Nach Kropotkin, sollten die Anarchist/innen die Gewerkschaften als Zelle der zukünftigen sozialen Ordnung und als kraftvolles Mittel zur Vorbereitung der sozialen Revolution betrachten, die nicht nur einen Wechsel der Herrschaft anstreben, sondern vielmehr einen Wandel der modernen Form des ökonomischen Lebens, d.h. der Verteilung des produzierten Reichtums und die Methoden ihrer Produktion. Aus diesem Grund forderte Kropotkin die Schaffung einer revolutionär-syndikalistischen Internationalen, die er als Fortsetzung und als direkten Nachfolger des antiautoritären Flügels der Ersten Internationalen betrachtete.
Welche Rolle spielen die Anarchist/innen in den Gewerkschaften und in der syndikalistischen Gewerkschaft insgesamt? Kropotkin schlug vor, dass die Anarchist/innen der verschiedenen Länder in diesem Sinne auf verschiedenem Wege handeln, abhängig von der Situation der jeweiligen Gewerkschaftsbewegung. Dort, wo die Gewerkschaften unter dem völligen und unzertrennlichen Einfluss der Sozialdemokratie standen, macht es Sinn „neue, wenn auch kleinere, freie Gewerkschaften mit anarchistischen Tendenzen“ zu gründen. Gewerkschaften, die bereits revolutionär ausgerichtet sind, wie das in Frankreich zu Beginn des 20. Jahrhunderts der Fall gewesen ist, müssem darauf achten, dass die Arbeiter/innen-Organisationen nicht zu Instrumenten der politischen Parteien transformiert werden, um so für parlamentarische Auseinandersetzungen missbraucht zu werden. Er schlug die Schaffung nicht parteigebundener Gewerkschaften mit anarchistischem Einfluss vor, wie das in Spanien der Fall gewesen ist. (4) Die Ideen über die verschiedenen Arten des revolutionären Syndikalismus spiegeln sich später in den Statuten der IAA wider.
Selbst während des Höhepunkt der französischen CGT vor dem Ersten Weltkrieg, warnte Kropotkin vor den Gefahren eines „neutralen“ revolutionären Syndikalismus, der nicht von den Ideen des Anarchismus inspiriert ist. Er und seine Unterstützer in der russischen anarchistischen Bewegung, die Gruppe „Brot und Freiheit“ warnten vor „Verblendungen“ und kritisierten Tendenzen der Bürokratisierung, des Aufbaus eines zentralistischen Apparates in der CGT, ideologische Verwirrungen in den Reihen der revolutionär-syndikalistischen Organisationen und verwiesen auf das Risiko, dass der revolutionäre Flügel der Gewerkschaft sich zur konventionellen Gewerkschaftsarbeit hin entwickelt. Als Gegenmaßnahme schlugen sie Schritte wie die Aktivierung von Basisgewerkschaften und von Gruppen innerhalb der Gewerkschaftsbewegung durch Dezentralisierung der Entscheidungsfindung und die Verbreitung anarcho-kommunistischer Ideale innerhalb der Föderation vor. Außerdem war es notwendig, die existierende politische Propaganda innerhalb der Gewerkschaftsbewegung zu verbieten. Die Anarchist/innen hofften, dass die CGT am Ende, den Anarchismus als ihre ideologische Basis anerkennt.
Eine wichtige Rolle bei diesem Prozess spielen die Diskussionen der revolutionär-sozialistischen AktivistInnen über strategische und kämpferische Ziele sowie die Konturen einer zukünftigen Gesellschaft, also über Fragen des Programms. Als Teil dieser Diskussion schrieb Kropotkin im Jahr 1911 das Vorwort zu einem von den CGT-Mitgliedern E.Puget und E.Pataud verfassten Buch mit dem Titel „Wie machen wir eine Revolution“, in dem er die wesentlichen sozialen Veränderungen und die freie soziale Ordnung im Sinne des französischen Syndikalismus umreißt. Er begrüßte den revolutionären Syndikalismus und seine Sichtweise auf die Revolution als Fortschritt, rief aber zur Überwindung zentralistischer Sichtweisen auf, die der Syndikalismus seiner Auffassung nach vom Marxismus übernommen hatte: der Hang zur Beibehaltung eines zentralistischen Verwaltungsapparates innerhalb der gewerkschaftlichen Strukturen, die Weigerung libertär-kommunistische Prinzipien bei der Verteilung einzuführen, etc. (5)
Die Kritikpunkte Kropotkins an der Vorstellung eines „neutralen“ revolutionären Syndikalismus vom Standpunkt des anarchistischen Kommunismus erwiesen sich bei der Gründung der neuen IAA als sehr hilfreich. Die Prinzipienerklärung der anarchosyndikalistischen FAUD nach dem Ersten Weltkrieg wurde von Rudolf Rocker verfasst. Es war kaum zufällig Rocker, der noch vor dem Krieg in Großbritannien eng mit Kropotkin zusammengearbeitet hatte und gleichzeitig in der Gewerkschaftsbewegung aktiv war, der diesen ersten Entwurf verfasste, in dem die ideologische Neutralität des Syndikalismus zurückgewiesen wird. Er schuf eine Synthese aus Methoden und Organisationsformen der revolutionär-syndikalistischen Gewerkschaftsbewegung und aus anarcho-kommunistischen Idealen und Zielen im Sinne Kropotkins. Diese Erklärung formte in den Jahren 1922-1923 die Grundlage für die Prinzipien der IAA.(6)
Kropotkin konnte bei der Konferenz der revolutionär-syndikalistischen Gewerkschaften in London im Jahr 1913 nicht anwesend sein, da er in Italien behandelt wurde, doch der russische Anarchosyndikalist Alexander Shapiro, der Kropotkin sehr nahe stand, nahm eine aktive Rolle dabei ein. Bekanntermaßen durchkreuzte der Erste Weltkrieg den Plan zum Wiederaufbau der IAA.
Als die Kanonen im Jahr 1918 endlich schwiegen und der revolutionäre Sturm begann, sah die Situation der Arbeiter/innen-Bewegung völlig anders aus. Zwischen den Bolschwiki auf der einen und den Anarchist/innen auf der anderen Seite entbrannte ein unerbittlicher Kampf um das Vermächtnis des revolutionären Syndikalismus. Kropotkin konnte diesen Kampf um den Einfluss auf die Arbeiter/innen-Bewegung noch miterleben. Es wurde klar, dass der Bolschewismus keine wirkliche revolutionäre Alternative war und nicht zu einer freien kommunistischen Gesellschaft führte. In einem Brief vom Juni 1920 an die Arbeiter/innen und an progressive Gesellschaften in Westeuropa rief der Anarchist, zu diesem Zeitpunkt schon alt und krank, die Arbeiter/innen dazu auf, nicht den Weg der Bolschewiki zu beschreiten und den „zentralisierten staatlichen Kommunismus unter der eisernen Faust der Parteidiktatur“ abzulehnen. Wieder einmal rief Kropotkin die westlichen Arbeiter/innen zur Schaffung revolutionärer, parteiunabhängiger Gewerkschaften und zur Wiederbelebung der Idee einer großen Internationalen aller Arbeiter/innen dieser Welt auf, allerdings nicht in Form von Gewerkschaften, die von einer Partei angeführt wurden, wie das bei der Zweiten und bei der Dritten Internationalen geschah. Er formulierte dies in einem Brief, den er den Delegierten britischer Gewerkschaften bei einem Besuch überreichte. (7)
Der alte Anarchist Kroptkin, der in dem kleinen Provinzstädtchen Dmitrov lebte, unterstütze diese Idee in seiner Korrespondenz und in Gesprächen mit Menschen aus der libertären Bewegung, die zu ihm kamen. „Ich wünsche mir“, so schrieb Kropotkin an Shapiro, “ dass drei bis vier von uns sich mit ausländischen FreundInnen und SyndikalistInnen treffen um ein sehr allgemeines Programm zu erarbeiten und dass wir dann, mit diesem Programm in unseren Händen, mit der organisatorischen Arbeit in Russland beginnen. Wir haben eine klare Vision: die Schaffung der gleichen Internationalen – anarchisch, der ArbeiterInnen-Bauern, mit den gleichen Zielen, basierend auf dem täglichen Kampf gegen das Kapital – die unsere Vorväter in den 1860ern zu entwickeln begannen, bestehend aus heterogenen Elementen, welche die Niederlage von 1848 überlebten und Radikalen, die davon beeinflusst wurden“. (8) Dem amerikanischen Anarchisten Alexander Berkman sagte er, dass die Bolschwiki zeigen, „wie die Revolution nicht vor sich geht“. (9) Im gleichen Jahr, 1920, kam der Delegierte der deutschen Anarchosyndikalisten, A. Souchy, mit einem Brief Rockers, dem alten Freund und Genossen Kropotkins, zu ihm. Kropotkin and Souchy diskutierten über die russische Revolution, die Bösartigkeiten des Bolschwismus, das Ideal einer freien Föderation freier Städte, Räte, Gemeinschaften und Gewerkschaften und die Aussichten der Arbeiter/nnen-Bewegung.
Pyotr Alexeyevich Kropotkin erlebte den Tag nicht mehr, als Ende Dezember 1922 der Kongress der revolutionären Gewerkschaften der Welt in Berlin zusammenkam, bei dem der Wiederaufbau der anarchosyndikalistischen Internationalen, der Internationalen Arbeiter/innen-Assoziation (IAA), verkündet wurde. Er starb in Dmitrov am 8. Februar 1921, aber natürlich standen an der Wiege der IAA, die sich selbst als Wiederbelebung des anti-autoritären Flügels der Ersten Internationalen ansah, genau die Anarchist/innen, die lange mit Kropotkin gearbeitet hatten, ihm schrieben oder ihn in den letzten Jahren seines Lebens persönlich trafen. Die ersten Sekretäre der IAA waren Rudolf Rocker, Augustin Souchy und Alexander Shapiro, der gezwungen worden war das bolschewistische Russland zu verlassen und der viel dazu beigetragen hatte die revolutionären AktivistInnen über die wahren Geschehnisse in seinem Heimatland zu informieren und die europäischen SyndikalistInnen zu vereinigen. Deshalb ist es keine Übertreibung zu behaupten, dass die gegenwärtige IAA das Geistesprodukt Kropotkins war, der soviel zur Schaffung der anarchosyndikalistischen Internationalen beigetragen hatte und alles tat, um dieses Ereignis vorzubereiten.
Vadim Damier (KRAS-IAA)
Quellen
(1) Anarchistes en exil. Correspondance inédite de Pierre Kropotkine à Marie Goldsmith 1897 – 1917. Paris, 1995. Р.290.
(2) Nettlau M. Eine Arbeiterinternationale in Kropotkins Auffassung // Die Internationale. 1932. Heft5. Mai. S.116.
(3) Ibid. S.116-117.
(4) Анархисты. Документы и материалы. 1883–1935 гг. В 2 тт. Т.1. 1883–1916 гг. М., 1998. С.242.
(5) Кропоткин П.А. Предисловие // Пато, Э., Пуже, Э. Как мы совершим революцию. М., 2011. С.3–10.
(6) См. об этом: Дамье В.В. Забытый Интернационал. Международное
анархо-синдикалистское движение между двумя мировыми войнами. Т.1. М.,
2006. С.60–65, 272–278; Damier V. Anarcho-Syndicalism in the 20th.
Century. Edmomton, 2009. P.66–69, 80.
(7) Кропоткин П.А. Обращение Кропоткина к рабочим и передовым кругам
общественности о текущих событиях // Вопросы философии. 1991. №11.
С.43–51.
(8) Кропоткин, П.А. Письма М.И. Гольдсмит, А.А. Боровому и А. Шапиро //
Труды Комиссии по научному наследию П.А. Кропоткина. Выпуск I. М., 1992.
С.193.
(9) Berkman A. The Bolshevik Myth (Diary 1920–1922). L; Winchester, 1989. Р.75.
(10) Souchy A. “Vorsicht: Anarchist!” Ein Leben für die Freiheit. Politische Erinnerungen. Grafenau,1985. S.46–49.
Originaltext:
Kropotkin and the rebuilding of the International Workers Association
Übersetzung: call me ishmael
]]>In der Internationalen Arbeiter*innen-Assoziation (IAA) wurde zu einer Diskussionsgruppe über die Frage der anarchosyndikalistischen Herangehensweise an das Problem des Klimawandels eingeladen. Hiermit möchte ich den Stand meiner persönlichen Überlegungen beitragen, die jedoch durch den Austausch, die Debatten und die Erfahrungen von gemeinsamen Kämpfen mit den Genossen*innen der CNT-IAA in Frankreich entstanden sind.

Seit über 30 Jahren haben wir, wie viele Sektionen der IAA, an ökologischen Kämpfen im Zusammenhang mit der bevorstehenden Klimakrise teilgenommen. Unsere Beteiligung an diesen Kämpfen hatte immer einen zweiseitigen Ansatz: Einerseits das Umweltproblem in seinem weltweiten Zusammenhang (Kapitalismus, Staat) anzugehen, aber andererseits auch eine alternative, mehr gleichberechtigte Organisationspraxis durch Vollversammlungen anzustreben…
Wir haben bei vielen Bewegungen (gegen Atomkraft und petrochemische Fabriken usw.) mitgemacht, in verschiedenen „ZAD“ (Verteidigungszonen: Besetzungen von Naturräumen gegen Baustellen, z.B. in Vingrau, Somport, Sivens,…). Zuletzt haben wir den Kampf gegen einen lokalen Staudamm unterstützt, der anscheinend dem Kampf der serbischen Genoss*innen der ASI [Anarcho-Syndikalistische Initiative] gegen dortige Mini-Wasserkraftwerke gleicht.
Um die Frage nach anarchosyndikalistischen Maßnahmen gegen die Klimakrise zu beantworten, scheint es mir zunächst notwendig, ein besseres Verständnis für die Krise zu entwickeln, woher sie kommt, welche Ursachen und Folgen sie hat. Eine der Aktivitäten, an denen wir uns beteiligt haben, war der Beginn einer Debatte zwischen unseren Mitgliedern und Freund*innen über diese Krise und ihre Bedeutung. Dabei haben wir uns über moderne Technologien und die Wissenschaft ausgetauscht. In der Öffentlichkeit herrscht die Meinung vor, dass zur Lösung der Klimakrise die Wissenschaft und moderne Technologie vollständig genutzt werden müssten. Dies könnte aber zu einer Diktatur von Expert*innen und Techniker*innen führen. Im Gegensatz dazu gibt es Leute, die „Industriegegner*innen“ [dt.: Primitivist*innen] genannt werden, die der Meinung sind, dass die gesamte Zivilisation zerstört werden müsse.
Nach aktuellem Stand unserer kollektiven Reflexion stehen wir zwischen diesen beiden Polen und sprechen uns für einen begrenzten und gemäßigten Einsatz von Technologien aus. Die lokalen Versammlungen sollten entscheiden, was ihre Bedürfnisse sind und wie sie produzieren möchten. Das bedeutet, selbst zu bestimmen, welche Technologie annehmbar oder nicht akzeptabel ist. Diese technologische Frage hat auch Auswirkungen auf die Arbeit und deren Organisation (Automatisierung, Künstliche Intelligenz, Uberisierung). Daher sollten wir uns als Anarchosydikalist*innen darüber austauschen und versuchen, die Meinung der anderen IAA-Sektionen zu erfahren.
Wie wir jedoch konkret gegen die Klimakrise vorgehen können, dazu gibt es meiner Meinung nach zwei Ebenen: Auf globaler Ebene sehen wir keinen anderen Ausweg als die Revolution, also die Zerstörung des Kapitalismus und stattdessen der Aufbau eines selbstorganisierten Netzwerks von Föderationen. Aber es ist definitiv ein langfristiges Ziel….
In Frankreich gab es bereits zahlreiche Kundgebungen und Demos, um vor der Klimakrise zu warnen und die Regierung zu bitten, auf Grundlage wissenschaftlicher Berichte zu handeln. Diese Demonstrationen wurden oft organisiert von Gruppen wie „Extinction Rebellion“, um eine der medienwirksamsten zu nennen. Wir sind jedoch ziemlich misstrauisch gegenüber dieser Gruppe, ihren Methoden und ihren Formulierungen. Sie stören sich nicht grundsätzlich am Kapitalismus, sondern kritisieren eher den Neoliberalismus. Und sie bitten die Regierung zu handeln, während wir die Regierung abschaffen wollen. Nach unserem Verständnis handelt es sich bei deren Forderung nach einer wissenschaftlichen Lösung meist um einen Ruf nach „grünem Kapitalismus“.
Beispielsweise arbeitet eines unserer Mitglieder für ein Unternehmen, dessen Tochtergesellschaft „veganes Fleisch“ (aus Zellkulturen) entwickelt. Dieses Unternehmen unterstützt heimlich die vegetarische Bewegung, da diese dem Unternehmen dabei hilft, einen Markt für sein zukünftiges Produkt zu schaffen und zu erweitern. Auch die gesamte aktuelle Wissenschaftsdebatte über „Präzisionslandwirtschaft zur Bewältigung der Klimakrise“ wird in der Tat offiziell von allen großen Unternehmen und multinationalen Lebensmittelunternehmen unterstützt…
Zudem bedeutet die Forderung, alle Entscheidungen den wissenschaftlichen und technischen Expert*innen zu überlassen, sie der Bevölkerung abzunehmen und in die Hände von Expert*innen und Großunternehmen zu legen…
Das bedeutet nicht, dass wir nicht auf die Wissenschaft oder auf Wissenschaftler*innen hören sollten. Aber Wissenschaft ist nicht neutral, denn sie steht immer im Dienst einer bestimmten Politik. Daher steht die Politik – oder wenn man so will, die Ideologie – immer an erster Stelle. Die Wissenschaft kann jedoch den lokalen Vollversammlungen, welche die Entscheidungen treffen sollten, ihre Möglichkeiten zur Bewertung bereitstellen, aber nicht der Regierung oder dem Staat.
Bisher haben wir uns nicht dafür entschieden, an diesen Klimademos teilzunehmen, da wir mit anderen Themen beschäftigt sind, wie der Bewegung der Gelben Westen. Interessant ist jedoch, dass diese selbst die Verbindung zur Klimakrise hergestellt hat: Die Gelbwesten-Bewegung wurde durch die Frage der Kraftstoffsteuer ausgelöst. Denn Menschen, die Schwierigkeiten haben, bis zum Ende des Monats mit ihrem niedrigen Gehalt zu überleben, wollten, dass der Kraftstoffpreis sinkt.
Die Regierung, die konservativen Politiker*innen, aber auch die Umweltschützer*innen (Grüne Partei / EELV) schimpften auf die Gelben Westen und warfen ihnen vor egoistisch zu sein, weil sie nicht an die Umwelt denken würden. Und dass sie nur das Recht einfordern würden, mit ihren Autos die Natur noch weiter zu verschmutzen, usw. Die Reaktion der Gelben Westen war sehr interessant, denn diese Frage wurde in vielen lokalen Versammlungen (den besetzten Verkehrskreiseln) diskutiert.
Aus diesen Debatten ist dann eine gemeinsam formulierte Antwort entstanden, ohne dass diese durch Koordination erzwungen wurde. Diese Antwort wurde diskutiert und schließlich von den meisten Versammlungen angenommen und damit zum gemeinsamen Ausdruck der Bewegung: Wenn die Gelben Westen mit ihrem Auto fahren, um zur Arbeit, zur Schule oder zum Supermarkt zu gelangen, dann tun sie dies nicht durch freie Entscheidung, sondern weil die Organisation der Gesellschaft sie dazu zwingt. Sie würden es vorziehen, in reichen bürgerlichen Gegenden zu leben, mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren oder zu Hause zu bleiben, um mit ihrem Computer zu arbeiten, und sie würden auch gerne Bio-Produkte kaufen und essen…
Aber sie haben aufgrund der Arbeitsteilung und des Klassensystems keine Wahl. Außerdem stellten die Gelben Westen fest, dass beide Probleme (wie man bis zum Ende des Monats überlebt, wie man bis zum Ende der Welt überlebt) miteinander verbunden sind. Die sozialen Probleme und die ökologischen Probleme bedingen einander und daher müssen wir unsere Gesellschaft als Ganzes verändern.
In diesem Zusammenhang ist interessant, dass der Aufstand von 2019 in Ecuador aus ähnlichen Gründen stattgefunden hat und ebenfalls solche Schlussfolgerungen gezogen hat. Nach Angaben der equadorianischen anarchistischen Genoss*innen, mit denen wir uns ausgetauscht haben, hatte ebenfalls die Frage der Kraftstoffpreise die Proteste entzündet. Umweltschützer*innen (in den Städten) beschuldigten auch dort die Aufständischen, dass sie bloß ihr Recht einfordern würden, Mutter Natur weiter zu zerstören…
Und die lokalen Versammlungen – sowohl städtische, wie auch indigene – haben geantwortet, dass sie im Gegenteil bloß die Möglichkeit haben wollen, in einer erhaltenen Umwelt in Würde zu leben. Und dass die Organisation der Wirtschaft sowohl ihr Leben, wie auch ihre natürliche Umwelt zerstöre.
Während der Gelbwesten-Bewegung (ähnlich wie in Ecuador) entstand ein Solidaritätsnetzwerk, um sich gegenseitig mit Nahrung zu versorgen, Waren und Dienstleistungen zu teilen. Sehr oft haben die Menschen die Klimafrage berücksichtigt (beispielsweise Fahrgemeinschaften, um die Verschmutzung zu verringern). Natürlich fand dies nur in kleinem Maßstab und zeitlich begrenzt statt, aber es zeigt, dass die Menschen das Problem vollkommen verstehen können und danach handeln. Sie brauchen keine Expert*innen, um ihnen zu sagen, was zu tun ist oder was nicht. Wir sind überzeugt, dass dieses Beispiel zeigt, dass die anarchosyndikalistische Methode der Vollversammlungen für die Entstehung von kollektivem Bewusstsein und Handeln durchaus gültig ist.
Ein weiteres Problem, das wir bei Gruppen wie „Extinction Rebellion“ sehen, aber auch bei einigen angeblichen Aufständischen (wie der Gruppe „Tiqqun / „Der kommende Aufstand“), die bei diesen Klimademos oder in den ZAD sehr präsent sind, ist die Verwirrung, welche sie mit dem Begriff „direkte Aktion“ verursachen. Sie verwechseln die tatsächliche direkte Aktion (ein Handeln ohne Vertreter*innen, nur durch die Beteiligten) mit einer „spektakulären Aktion“ (entweder gewalttätig oder medial). Tatsächlich streben beide Gruppen an, die Führung der Klimabewegung zu übernehmen und sich als Medienvertreter*innen darzustellen. Das sind bloß zwei Seiten der gleichen Medallie und in Vergangenheit sind wir bei einigen Kämpfen mit ihnen aneinander geraten.
SCHLUSSFOLGERUNG:
Ich bin überzeugt, dass wir Anarchosyndikalist*innen in den Sektionen der IAA eine Rolle spielen könnten, indem sie ein Netzwerk für den Austausch von Informationen, Analysen und theoretischen Meinungen bieten, aber auch durch lokale Kämpfe, an denen wir teilnehmen. Die Mitgliedsorganisationen sollten nach Möglichkeit ermutigt werden, ihre Dokumente weiterhin zu übersetzen und direkt mit den anderen Sektionen zu teilen (nicht nur bei diesem Thema). Dieser Austausch könnte zur Klimafrage, sowie zu anderen Debatten, vielleicht Anregungen und Koordinierungen zwischen den Sektionen entstehen lassen.
Ein Genosse der CNT-IAA (Frankreich)
Quelle: Anarchosyndicalisme, No. 176 (CNT-AIT Toulouse, Mars-Avril 2022),
https://cntaittoulouse.lautre.net/spip.php?article1217
Übersetzung [und Anmerkungen]: ASN Köln (https://asnkoeln.wordpress.com)
]]>„‚Am Krieg beteiligt sich der Staat mit Kanonen, die Reichen mit Ochsen und die Armen mit ihren Söhnen. Wenn der Krieg vorbei ist, nimmt der Staat die Kanonen, die Reichen ihre Ochsen und die Armen zählen ihre Gräber.‘ (serbisches Sprichwort)
Die Kriege der kapitalistischen Mächte haben im Interesse ihrer herrschenden Klassen kürzlich eine neue Stufe erreicht. Während in diesen Tagen die USA Somalia bombardieren, Saudi-Arabien den Jemen angreift und Israel Bomben auf Syrien wirft, befinden sich in der Ukraine der NATO-Liebling Ukraine und Russland in offenem Konflikt. Wie in allen Kriegen, die im Interesse der herrschenden Klasse auf der ganzen Welt geführt werden, ist dabei die Arbeiter*klasse der größte Verlierer dieser Massaker.
Es ist offensichtlich, dass die Ausrichtung auf Erweiterung der NATO – des weltweit stärksten und aggressivsten Militärbündnisses – in der Ukraine, ebenso wie ihre Unterstützung des zweifellos nazifizierten Regimes, welches nach dem Putsch von 2014 in dem Land errichtet wurde, das Motiv für Russlands Angriff auf die Ukraine darstellt, da die Interessen seiner herrschenden Klasse ernsthaft gefährdet waren.
Es ist ebenfalls offensichtlich, dass die USA in diesem Krieg nun die EU abstrafen, da diese grundsätzlich bereit war, trotz der Wirtschaftssanktionen mit Russland zusammen zu arbeiten. Dies sind die Verhältnisse zwischen den kapitalistischen und imperialistischen Mächten und so funktionieren sie.

Doch Revolutionär*innen sollten nicht im Interesse irgendeiner kapitalistischen Vereinigung handeln, sondern im Interesse der Arbeiter*klasse. Es sollte dabei klar sein, dass – unabhängig von bestimmten Unterschieden zwischen ihnen, welche sie in diesem oder jenem Bereich besser aussehen lassen – allen kapitalistischen Kräften der Kampf gegen die Interessen der Arbeiter*klasse gemein ist.
Mit dieser neuen Stufe des kapitalistischen Krieges beginnt zudem eine neue Welle der Aufrüstung zwischen den blutrünstigen Kapitalist*innen. Viele Milliarden unseres Geldes wurden in diese Kriege und in die militärisch-industrielle Maschinerie gesteckt. Diese Politik wird von allen kapitalistischen Fraktionen verfolgt, unabhängig von ihrer Parteibindung.
Besonders betroffen sind wir davon, dass Deutschland als der Hauptinvestor in Serbien, dessen Handlanger*innen hier unser Schicksal bestimmen, nun in hohem Maße öffentlich aufrüstet und damit die Beschlüsse der Potsdamer Konferenz von 1945 in Frage stellt.
Im Angesicht der Schrecken des Krieges kann man schnell Fehler begehen und hilflos nach Frieden rufen. Doch der kapitalistische Frieden ist kein Frieden. Dieser „Frieden“ besteht eigentlich in einem Krieg gegen die Arbeiter*klasse unter verschiedenen Vorzeichen. In dieser Situation bedeutet eine konsequente anti-militaristische Position stattdessen, direkt den kapitalistischen Krieg beenden zu versuchen. Doch gleichzeitig muss die Kontrolle über das Land gewonnen und das sozial-ökonomische System radikal verändert werden – wofür es einen organisierten Klassenkampf braucht.
Unsere Organisation arbeitet in Serbien, einer wirtschaftlichen Kolonie der Europäischen Union, die aus einer Kombination geschichtlicher Umstände kein NATO-Mitglied ist. Jedoch beteiligt sich Serbien an den meisten Militärübungen und militärtechnischen Kooperationen mit der NATO, ohne Mitglied zu sein. Zudem ist es geographisch von Ländern umrundet, welche Teil dieser kriminellen Allianz sind und NATO-Funktionär*innen haben in allen serbischen Regierungen der letzten 20 Jahre mitgewirkt.
Da die Aufgabe aller Revolutionär*innen während aller kapitalistischen Kriege der Kampf gegen ihre herrschende Klasse und deren militärische Verbrechen ist, wird die Anarcho-Syndikalistische Initiative weiterhin in diesem Zusammenhang ihren Schwerpunkt auf den Widerstand gegen imperialistische und kapitalistische Kräfte in Serbien legen, auf welche die NATO momentan den größten Einfluss hat. Wir werden außerdem gegen alle Versuche kämpfen, den neutralen Status abzuschaffen und uns auf eine Seite im Krieg zu schlagen, der überall gegen die Bevölkerung geführt wird.
Gleichzeitig rufen wir die Soldat*innen aller Kriegsparteien auf, die Befehle ihrer Offizier*innen zu verweigern und die Verwaltung aller kapitalistischen Armeen handlungsunfähig zu machen. Wir rufen alle Bewohner*innen der kriegsführenden Staaten auf, Widerstand gegen den Krieg zu leisten und die militärischen Erfolge „ihrer“ Staaten so weit wie möglich zu sabotieren.
Es ist nötig, die Kontrolle über die Gesellschaft und die Produktionsmittel zu erlangen und sie den Versammlungen der Arbeiter*innen und Bewohner*innen zu übergeben. Nur auf diesem Wege können wir tatsächlich alle Kriege beenden und die Grundlage schaffen für eine wirklich freie und friedliche Welt ohne kapitalistische Sozialbeziehungen, Staaten und imperialistische Zerstörung.
Kein Krieg zwischen Nationen, kein Friede zwischen Klassen!“
Belgrad, 01. März 2022,
Anarcho-Syndikalistische Initiative
(Sektion der Internationalen Arbeiter*innen-Assoziation)
https://www.iwa-ait.org/content/lets-turn-capitalist-wars-workers-revolution
Übersetzung: ASN Köln (CC:BY-NC)
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