Antirassismus – Anarchosyndikalismus https://anarchosyndikalismus.blackblogs.org Aktuelles zu libertären Gewerkschaftsaktivitäten und sozialen Kämpfen in aller Welt Wed, 09 Apr 2025 21:25:53 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 https://anarchosyndikalismus.blackblogs.org/wp-content/uploads/sites/1040/2019/09/cropped-rotschwarz-32x32.jpg Antirassismus – Anarchosyndikalismus https://anarchosyndikalismus.blackblogs.org 32 32 USA: Kampf dem MAGA-Angriff https://anarchosyndikalismus.blackblogs.org/2025/04/09/usa-kampf-dem-maga-angriff/ Wed, 09 Apr 2025 21:11:59 +0000 https://anarchosyndikalismus.blackblogs.org/?p=1934 Continue reading USA: Kampf dem MAGA-Angriff ]]> Folgender Text der East Bay Syndicalists Group erschien Anfang April 2025 in Workers Solidarity:

Seit Trump ins Amt eingeführt wurde und den Milliardär-Oligarchen Elon Musk mit seinem Hacker-Team dazugeholt hat, um viele Programme und Behörden der US-Bundesregierung zu zerschlagen, sind Trump und sein Team wie ein Schnellfeuer vorgerückt, um die Opposition zu verwirren mit einem andauernden Strom von empörenden Aussagen, rechtswidrigen Durchführungsverordnungen, Kündigung tausender Bundesangestellter und Mittelkürzung für Dienstleistungen.

Protest gegen das Trump-Regime in Washington am Presidents‘ Day 2025

Das Regime verfolgt eine Strategie der „Gebietsüberflutung“ (flood the zone), um Medien und Opposition mit „Furcht und Schrecken“ (shock-and-awe) abzulenken, zu verwirren und zu überwältigen. Die Taktik von Drohung und Einschüchterung zielt auf eine Lähmung durch Angst ab. Daher ist es um so wichtiger zu betonen, dass Organisierung und gemeinsame Aktionen uns die Kraft geben zurückzuschlagen.

Nach der Struktur der US-Verfassung hat der Kongress die Macht Gelder zu verteilen und Gesetze zu erlassen, sowie Behörden und unabhängige Verwaltungsräte einzurichten. Sobald diese Entscheidungen beschlossen wurden, können ein*e Präsident*in (oder Mitglieder des Kabinetts) diese Behörden oder Geldmittel nicht einfach auf eigene Faust wieder abschaffen, denn das wäre unrechtmäßig. So muss der Präsident nach dem Haushaltsgesetz zur Rückhaltungskontrolle [Impoundment Control Act] von 1974 jeden Cent ausgeben, den der Kongress für einen vom Kongress bestimmten Zweck vorgesehen hat. Kürzlich warnte die republikanische Senatorin Susan Collins in einem Schreiben Trump: „So wie der Präsident kein Einzelveto hat, verfügt er auch nicht über die Fähigkeit sich die Notfall-Ausgaben selbst auszusuchen.“ Das trifft ebenso zu für alle Ausgaben, die der Kongress zweckgebunden verteilt hat.

Doch Trump weist diesen Aspekt der Verfassung zurück und sagt „Ich bin das Gesetz.“ Die Trump-Regierung muss sich nun zahlreichen Gerichtsverfahren stellen. Allein die Anklagen wegen fehlerhafter Wortwahl werden die Steuerzahler*innen wahrscheinlich viele Millionen Dollar kosten. Ein*e Gewerkschaftsanwält*in meinte dazu:
„Die Kündigungen, die sie aussprechen ohne das Gesetz zu beachten, werden dazu führen, dass tausende ehemalige Bundesangestellte Anspruch auf Nachzahlung plus Zinsen, Zuschläge und Anwaltskosten bekommen werden. Wenn die Rechnung kommt, wird sie riesenhoch sein.“

Diese Gesetzesverstöße sind bewusst Bestandteil der MAGA-Regierung [1]. Sie sind ein Versuch, die Leitplanken der US-Verfassung niederzureißen, um ein einheitliches, autokratisches Präsidialregime einzuführen. Da die Verfassung der Vereinigten Staaten nicht sehr demokratisch ist und der Präsident die mächstigste Rolle hat, bestand immer eine mögliche Gefahr. Trump hat zweifellos die rechtlichen Anfechtungen vorausgesehen, welche nun die Gerichte durchlaufen. Ein Bundesrichter hat die Wiedereinstellung von tausenden Bundesangestellten angeordnet, nachdem die Gewerkschaft der Bundesangestellten [American Federation of Government Employees] eine Klage eingereicht hat. Ein anderes Gericht hat die Wiedereinstellung in weiteren Behörden beschlossen, da die Verwaltungen einzelner Bundesstaaten geklagt haben. Trump legte gegen das Urteil Widerspruch ein, aber hat nun zugestimmt, 25.000 gekündigte Leute wieder einzustellen. Die MAGA-Regierung hofft darauf, mit Hilfe ihrer rechten Handlanger*innen im Obersten Gerichtshof und einer mutlosen republikanischen Mehrheit im Kongress die althergebrachten Grundpfeiler der Verfassung zerschlagen zu können.

Eine andere Taktik von MAGA ist die Einschüchterung. [Die Nachrichtenagentur] Reuters berichtet, dass mehrere Bundesrichter*innen im Bereich Washington DC anonyme Pizza-Bestellungen nach Hause geliefert bekommen haben. Die Polizei interpretiert diese Geste als „eine Form der Einschüchterung, um mitzuteilen, dass die Adresse der Opfer bekannt ist“. Das Trump-Regime wird vermutlich auch den geschwächten Kongress der Republikanischen Partei befragen, um sein Vorgehen bestätigen zu lassen.

Elon und seine „muskrats“ [Moschus-Ratten] behaupten, dass sie „Korruption, Schwindel und Verschwendung“ vorfinden. Während Trump jene unabhängigen Überwachungsbeauftragten rechtswidrig gekündigt hat, deren Job es tatsächlich war, „Korruption, Schwindel und Verschwendung“ gründlich aufzuspüren. Der Kongress hat schon vor Jahren verschiedene Verwaltungsräte eingesetzt, deren Mandate noch während dieser vierjährigen Präsidentschaftszeit weiterbestehen. Das war so beabsichtigt, damit ihre Unabhängigkeit erhalten bleibt.

Beispielsweise der Nationale Ausschuss für Arbeitsbeziehungen [National Labor Relations Board], der Arbeiter*innen einigen Schutz bieten kann, zum Beispiel Wiedereinstellung nach Kündigung wegen gewerkschaftlicher Organisierung. Doch Trump hat ein Mitglied des Nationalen Ausschusses für Arbeitsbeziehungen illegal rausgeworfen und durch einen gewerkschaftsfeindlichen Handlanger ersetzt. Außerdem hat Trump eine rechtswidrige Durchführungsverordnung [Executive Order] erlassen, um gewerkschaftliche Rechte oder Tarifverhandlungen für viele Bundesangestellte zu untersagen. Nach Angaben von Labor Notes [2] sind „[e]rsten Schätzungen zufolge davon 700.000 bis 1 Million Bundesangestellte betroffen, darunter die Verwaltung der Veteran*innen (Veterans Administration, VA) und die Ministerien für Verteidigung, Energie, Äußeres, Inneres, Justiz, Finanzen, Gesundheit und Soziales, sogar die Landwirtschaft.“

In diesem Angriff klingt noch die Zerschlagung der Fluglots*innen-Gewerkschaft im Jahr 1981 nach. Bisher hat Trump noch nicht gewagt die Postgewerkschaften anzugreifen. Eine halbe Millionen Postarbeiter*innen sind die größte Gewerkschaft der Bundesbeschäftigten. Der Vernichtungsfeldzug von Trump-Musk hat auch die Verbraucher*schutzbehörde [Consumer Financial Protection Bureau] ins Visier genommen, welche Milliarden Dollar an den Leute zurückzahlen ließ wegen illegal erhobenen Bankgebühren oder anderem Unternehmensbetrug. Auch wenn dies von eine*r Richter*in gestoppt wurde, legt Trump Widerspruch gegen diese Gerichtsentscheidung ein. Er hat auch verbotenerweise die Postbehörde übernommen, indem er den Verwaltungsrat entlassen hat.

Diese Kündigungen haben bereits schwere Auswirkungen. Doug Collins, Trumps neuer Chef der Veteranen*verwaltung, plant die Kürzung von 80.000 Stellen in der VA. Zu den ersten Tausend gefeuerten VA-Mitarbeiter*innen gehörten „Sachbearbeiter*innen, welche den Veteran*innen die Behandlung bei Krebs, Atemwegserkrankungen, fehlenen Gliedern und Opioid-Abhängigkeit ermöglichten.“Das Landwirtschaftsministerium wurde gezwungen 6.000 gekündigte Mitarbeiter*innen wieder einzustellen, hauptsächlich Arbeiter*innen für Waldpflege bei der Forstverwaltung, nachdem die Leistungsprinzip-Schutzstelle [US Merit Systems Protection Board] dies angeordnet hatte.

Gleichzeitig plant Leland Dudek, Trumps neuer Chef der Sozialversicherung, die Hälfte der 60.000 Mitarbeiter*innen der Behörde zu feuern und viele ihrer Büros zu schließen. Dadurch wird es den Menschen sehr schwer gemacht werden, direkt nach dem Renteneintritt ihre Auszahlungen zu bekommen. Die Wartezeiten der Sozialversicherungsbehörden werden unerträglich lang werden. Die Unterfinanzierung von Dienstleistungen wird von rechten Regierungsbehörden benutzt, um die öffentliche Unterstützung zu untergraben und eine Privatisierung vorzubereiten. Die Privatisierung der Sozialversicherung ist seit Jahrzehnten ein Wunsch der Wall Street [3].

Ein weiterer illegaler Akt ist die Anordnung von Trump, dass man für die Anmeldung zu Wahlen künftig einen Lichtbildausweis benötigt, der sogenannte „Real ID“-Standards erfüllt. Um so einen Ausweis zu erhalten, benötigt man Dokumente, die manche Leute nicht haben. Auch können viele Arme sich nicht den Weg zu einem Kraftfahrzeugamt leisten. [4] Damit würde gegen den Verfassungszusatz verstoßen, der eine Kopfsteuer (poll tax) untersagt. Diese Durchführungsverordnung ist rechtwidrig, da sie festlegt, wer zum Wählen zugelassen wird. Wie andere Maßnahmen zur Unterdrückung der Wahlen, ist dies ein Versuch, die Herrschaft der Republikaner*innen zu festigen. Die Republikanische Partei hat im Kongress außerdem das SAVE-Gesetz [5] eingebracht, welches Millionen Menschen entrechten würde.

Das Gerede vom „Tiefen Staat“ verdeckt Angriffe auf den öffentlichen Dienst

Als Anarchosyndikalist*innen sind wir gegen einen von oben herrschenden, bürokratischen Staat. Denn der Staat ist ein Mittel zur Unterdrückung der Arbeiter*innen-Opposition, indem er die Arbeiter*innen der von oben verwaltenden Hierarchie des Staates unterordnet. Aber wir sind nicht gegen den Öffentlichen Dienst, im Gegenteil: Wir wollen, dass er ausgeweitet wird, wie zum Beispiel durch freie Bildung für Schüler*innen aller Stufen, frei verfügbare allgemeine Gesundheitsversorgung und kostenlose Abtreibung auf Wunsch.

Nach unserer Vorstellung wären die Krankenhäuser, Gesundheitszentren und Medikamenten-Fabriken im Land selbstverwaltet durch eine demokratisch von den Arbeiter*innen kontrollierte Organisation, aber nicht durch eine Bürokratie von Manager*innen. Wir können uns einen Postdienst vorstellen, der ebenso von einer solchen demokratischen Belegschaftsorganisation unter Kontrolle der Arbeiter*innen betrieben wird. Im Allgemeinen möchten wir die gesamte Wirtschaft auf Grundlage der Arbeiter*selbstverwaltung neu-organisieren – mit verteilter Entscheidungsfindung und vereinigt in einer sozialen Föderation, welche die Unternehmen und die bürokratische Staatshierarchie ersetzt.

Trotz des Geredes von MAGA über irgendeinen geheimen „Tiefen Staat“ richten sie ihre Angriffe direkt auf die öffentlichen Dienstleistungen, welche von der Bundesregierung angeboten werden: von der Sozialversicherung der „Volksrente“ [people’s pension] über die medizinischen Leistungen von Veteranen*verwaltung oder Medicaid [6] bis zur finanziellen Unterstützung von Studierenden. Die Leute, die entlassen wurden, sind keine geheime Zentralverwaltungsmacht, sondern Arbeiter*innen, die ihre Arbeit machen – für öffentliche Dienste zu sorgen, welche die Amerikaner*innen zu erwarten gewohnt sind.

Mehr als ein Jahrhundert lang haben die Politiker*innen der Bundesregierung zwischen einerseits den Massenprotesten der Mittelklasse und Arbeiter*klasse und andereseits der kapitalistischen Oligarchie [7] zu vermitteln versucht, welche die herrschende Macht in diesem Land ist. Diejenigen, welche den Staat anführen, müssen auch in der Lage sein zu regieren. Das Ausmaß von sozialen Unruhen und Massenkämpfen zu verringern macht ihre Arbeit leichter. Daher waren die Sozialversicherung, der Mindestlohn und minimaler Rechtsschutz für Arbeiter*innen bei Betriebskämpfen und gewerkschaftlicher Organisierung durch das Nationale Gesetz zu Arbeitsbeziehungen [National Labor Relations Act] ein Zugeständnis, welches in den 1930er Jahren durch den massenhaften Aufstand der Arbeiter*klasse in Wellen von Massenstreiks und Kämpfen gegen Zwangsräumungen usw. gewonnen wurde.

Eine Welle von Massenstreiks für den Acht-Stunden-Tag während des Ersten Weltkriegs [1914-‘18] haben erreicht, dass die Regierung der Verkürzung des Arbeitstages auf acht Stunden zugestimmt hatte. Gesellschaftliche Proteste, wilde Streiks und städtische Aufstände haben in den 1960ern und 1970ern weitere Bundesprogramme als Zugeständnisse an die damaligen sozialen Bewegungen erreicht. So wie die Bürger*rechtsgesetze, Medicare, Gesetze für saubere Luft und Wasser, sowie die Gründung der Umweltschutz-Behörde [Environmental Protection Agency] und der Behörde für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz [Occupational Safety and Health Administration].

Die verschiedenen linken „kämpferischen Minderheiten“ in der Szene spielten eine wichtge Role für die Bildung und Organisierung der Bevölkerung. Doch in den letzen Jahren ist die Arbeiter*bewegung schwach geworden. Trotz der jüngst unternommenen, vielversprechenden Versuche von selbstorganisierter Graswurzel-Bewegung von Arbeiter*innen sind nur sechs Prozent der Arbeiter*innen im privaten Bereich in einer Gewerkschaft. Nimmt man die Gewerkschaftsmitglieder im Öffentlichen Dienst hinzu, so steigt die Zahl auf zehn Prozent aller Lohnabhängigen.

Die radikale Linke in den USA befindet sich ebenfalls in einem schwachen Zustand. Der Autoritarismus [7] und das Scheitern des Staatssozialismus im 20. Jahrhundert trugen zu einer nachlassenden Unterstützung des Sozialismus bei, auch wenn einige Strömungen der Linken immernoch den überkommenen Ideen dieser Zeit anhängen.

Eine Fraktion der amerikanischen Kapitalist*innen, ihre Denkfabriken und ihre Unterstützer*innen in den sozialen Medien sehen in der aktuellen Schwäche der Linken und der Arbeiter*bewegung eine Gelegenheit. Ihre Gelegenheit für einen großangelegten politischen Angriff auf alle Programme der Bundesregierung, welche die gesamten Zugeständnisse der massenhaften Proteste und Kämpfe aus früheren Zeiten darstellen.

Extrem rechte Strömungen nähern sich an

In den letzten Jahrzehnten hat eine Fraktion der amerikanischen Oligarchie schrittweise dazu beigetragen eine rechtsextreme Massenbewegung zu finanzieren, die sich dann zu MAGA zusammengeschlossen hat. Obwohl diese Bewegung sich vom klassischen Faschismus der 1920er und 1930er Jahre unterscheidet, hat sie doch krasse Ähnlichkeit mit ihm. In den Jahrzehnten vor dem Zweiten Weltkrieg [1939-‘45] war der Faschismus eine Massenbewegung zur Zerschlagung der schnellwachsenden sozialistischen und sich radikalisierenden Arbeiter*bewegung jener Zeit, die als eine dunkle Bedrohung für das kapitalistische System wahrgenommen wurde.

Die heutige neo-faschistische Bedrohung durch MAGA unterscheidet sich von der früheren Form des Faschismus darin, dass es zur Zeit keine starke sozialistische Bewegung oder mächtige Arbeiter*kämpfe mehr gibt, welche eine aktuelle Bedrohung für den Kapitalismus darstellen würden. Doch es gibt auch Übereinstimmungen: Beispielsweise die Einschüchterung und die Drohung mit Strafverfolgung von angeblichen „Feind*innen“, sowie das Vertrauen auf die Macht gewalttätiger Bürger*wehren.

Aktuellen Umfragen zufolge sagen 11 Prozent der Erwachsenen in den USA, dass gewalttätige und nicht-verfassungsgemäße Angriffe auf angebliche Feind*innen berechtigt seien. Dieselbe Umfrage fand heraus, dass 14 Prozent eine nicht-verfassungsgemäße bewaffnete Gewalt unterstützen. Und daher die Begnadigung sogar derjenigen Leute befürworten, die am 06. Januar 2021 das Kapitol [9] angegriffen haben. Darüber hinaus unterstützen 14 Prozent die Zerschlagung der bestehenden US-Verfassung, indem die Autorität der Gerichte oder des Rechtsstaatsprinzips nicht anerkannt wird – was die Präsidentschaft als eine autokratische Macht definiert. Diese Ansichten sind eindeutig faschistisch.

So, wie MAGA von Teilen des privaten Kapitals auf vielerlei Weise finanziert wurde, wurden auch die früheren faschistischen Bewegungen anfänglich oft von Teilen der kapitalistischen Elite finanziert oder unterstützt. Ebenso wie die Klasse der Kleinunternehmer*innen den Kern der Wähler*massen von MAGA bildet, traf dies auch auf die klassischen faschistischen Bewegungen zu. Die MAGA-Bewegung erhebt oft absurde Vorwürfe, dass das von der gemäßigten Demokratische Partei eingeführte Regelwerk „sozialistisch“ oder „kommunistisch“ sei. Warum? Um dies zu erklären, müssen wir die weltanschaulichen Strömungen betrachten, welche in der MAGA-Bewegung zusammengekommen sind. In den USA gibt es eine lange Geschichte der extremistischen Ablehung eines Regierungsauftrags zum Schutz der Gesellschaft im Sinne einer Regelung des zerstörerischen Handelns des Kapitals oder zur Einrichtung von Sozialleistungssystemen.

Das Wort „liberal“ kam in den USA erstmals in den 1870er Jahren auf als politischer Begriff, um eine neue Fraktion in der Republikanischen Partei zu bezeichnen. Die Liberalen kritsierten die von Schwarzen Menschen angeführten, republikanischen Regierungen im Süden, welche versuchten Land und Dienstleistungen (wie Schulen) für die kurz zuvor befreite Schwarze Bevölkerung bereitzustellen. Die Liberalen wendeten sich gegen jedes Regierungshandeln zur Schaffung öffentlicher Hilfeleistungen oder von Gesetzen zum Schutz der Arbeiter*innen, wie die Gesetze zum Acht-Stunden-Tag oder gegen Kinderarbeit. Ein bekannter Vertreter dieser Sichtweise war der Yale-Professor William Graham Sumner, der mit seinen populären Schriften ein breites Publikum erreichte.

Sumner lehnte jede soziale Unterstützung für Menschen ab, die er als „schwach“ oder „minderwertig“ bezeichnete: die Armen, die Arbeiter*klasse, Schwarze Menschen und Frauen. Für Sumner war die kapitalistische Konkurrenz des „Jeder gegen Jeden“ durch die wirtschaftsliberale Nicht-Einmischung [Laissez-faire] „die natürliche Ordnung“ in der sich „der Kampf ums Dasein“ von selbst durchsetzen würde. Diese extreme Form des wirtschaftsliberalen Freihandels bildete eine Minderheit innerhalb der Republikanischen Partei in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg. In den 1960ern beschlossen Murray Rothbard und andere diese frühere Form des Liberalismus als „libertär“ zu bezeichnen.[10]

Hier sehen wir, warum MAGA behauptet, dass das Wohlfahrtssystem der Regierung und die Regulierung des Kapitalismus „sozialistisch“ oder „kommunistisch“ seien. Nur der freiwirtschaftliche „Kampf Aller gegen Alle“ sei für manche Republikaner*innen der „wahre“ Kapitalismus. Diese extremistische Haltung gegen jede Regelung durch eine Regierung spricht viele aus der Klasse der Kleinunternehmer*innen an, welche eine Belastung durch Regierungsvorschriften fürchten und die Gewerkschaften hassen. Aber Teile der kapitalistischen Oligarchie sahen bereits den Ausbau von Wohlfahrtsprogrammen und Umweltschutz-Vorschriften in den 1960er und 1970er als einen „Angriff auf das freie Unternehmer*tum“, wie der damalige Vorsitzenden der Handelskammer, Lewis Powell, formulierte.

Die extreme Form des „Libertarianismus“, wie Rothbards „Anarcho-Kapitalismus“ [11], möchte gerne die Demokratie loswerden und alle Staatsaufgaben privatisieren. Also Polizei und Gerichte direkt in Eigentum der kapitalistischen Oligarchie überführen. Dieses Verschmelzen von privater und öffentlicher Macht kennzeichnet eine neo-feudale Ideologie.[12] Den Bereich des Öffentlichen durch die „demokratischen“ Regierungen und Bürger*rechte abzugrenzen war ein zentrales Merkmal, in dem sich der Kapitalismus im 19 Jahrhundert von der vorausgegangenen feudalen Gesellschaft unterschied.

Die Philosophie der neo-faschistischen „Dunklen Aufklärung“ [dark enlightenment] von Curtis Yarvin [13], welche er Beginn der 2000er formulierte, hat sich aus dem „anarcho-kapitalistischen“ Millieu heraus entwickelt, das vor allem im Umfeld des kalifornischen TechBro-Kapitalismus vorkommt.[14] Yarvin betrachtet die Entwicklung des Liberalismus hin zum regelnden Staat als ein „Versagen“ des aufklärerischen Humanismus und Liberalismus. Er ist Software-Entwickler und Hausphilosoph des Milliardärs Peter Thiel, Geschäftsführer von Palantir. [15] Yarvins Plan ist es, die Demokratie abzuschaffen und die Welt umzuwandeln durch neo-feudale, multipolare Autokratien, welche unter direkter Kontrolle der Oligarchie stehen und von geschäftsführenden Herrscher*innen gelenkt werden. Seine Verteidigung der „Rassenlehre“ [race science] macht ihn darüber hinaus zu einem ausdrücklichen Rassisten.[16]

Die finanzielle Unterstützung durch Peter Thiel war wichtig für die politische Karriere von [US-Vizepräsident] JD Vance. Sowohl Vance, wie auch Musk, sind Anhänger von Yarvins Ideologie. Die Zerschlagung der Bundesregierung durch Musk kann als ein Versuch gesehen werden, den RAGE-Plan von Yarvin umzusetzen: „Alle Bundesangestellen in Ruhestand schicken“ [Retire All Government Employees]. Bei anderer Gelegenheit hat Musk zugegeben, dass es bei DOGE [17] nicht darum geht Geld einzusparen, sondern „eine Machtgrundlage des Liberalismus zu zerstören“.

Mit seinen christlich-nationalistischen Tätowierungen hat der [US-Verteidigungsminister] Pete Hegseth sein weltanschauliches Bekenntnis in die Haut eingebrannt.[18] Die Christlichen Nationalist*innen [19] unterstützen das geplante „Projekt 2025“, das ebenfalls dazu aufruft eine große Anzahl von Regierungsmitarbeiter*innen zu entlassen.[20] Und hierbei sehen wir die Annäherung der unterschiedlichen Ideologien der extremen Rechten. Wie in einem Artikel [des Magazins American Progress] kürzlich berichtet wurde, steht der Christliche Nationalismus für „die anti-demokratische Vorstellung, dass Amerika eine Nation von und ausschließlich für Christ*innen sei. (…) Der Christliche Nationalismus trägt zu einer Ideologie der religiösen Rechten bei“ und deren Praxis des „Umgehens von Gesetzen und Regelungen, die dem Schutz einer vielfältigen Demokratie dienen, wie der Schutz vor Diskriminierung für LGBTQI+Personen [21], Frauen und religiöse Minderheiten.“ Die patriarchale Weltsicht [22] der religiösen Rechten ist der Grund für ihren Krieg gegen Abtreibungen.

Die MAGA-Bewegung unterscheidet sich vom Faschismus der Jahre vor dem Zweiten Weltkrieg jedoch darin, dass sie die direkte Kontrolle der Staatsmacht durch Teile der kapitalistischen Oligarchie anstrebt. Das Regime hat nicht nur den reichsten Mann der Welt eingesetzt, um „den Verwaltungsstaat zu zerschlagen“, sondern dem Kabinett von Trump gehören 13 Milliardäre an. Das hat vielmehr mit der „anarcho-kapitalistischen“ Ideologie zu tun, deren Wurzeln im Zeitalter der Räuberbarone der Gründerzeit [Gilded Age] des späten 18. Jahrhunderts liegt.[23]

Jedoch haben die Suche nach Schuldigen (wie die zwanghaften Angriffe auf Trans*personen), die Angriffe auf Migrant*innen, sowie der kaum verborgene Rassismus und die Frauen*feindlichkeit der MAGA-Bewegung durchaus Ähnlichkeiten mit dem klassischen Faschismus. Sie sind Methoden der Einschüchterung und Drohung gegen den staatlichen Schutz ihrer politischen „Feinde“. Die Streichung des Klimaschutzes und der „DEI“-Sprache [24] von Bundeswebseiten sind eine Form des Orwell’schen Neusprech.[25]

Die USA wurden gegründet auf der Vorstellung einer Weißen Vorherrschaft, um die Versklavung von Menschen aus Afrika zu rechtfertigen und den indigenen Gemeinschaften das Land wegzunehmen. Dies hat sich tief in die Weiße Bevölkerung der USA eingegraben. Von der Bewegung des Abolitionismus [26] im 19. Jahrhundert bis zur Schwarzen Freiheitsbewegung der 1960er wurde dem gesamten Rassismus schon seit langem etwas entgegen gesetzt. Doch die Erfolge zur Verbesserung der Möglichkeiten von Nicht-Weißen Gruppen in den USA (bei Bewerbungen und Bankkrediten oder im Schulwesen) wurden von einem recht großen Teil der Weißen Bevölkerung abgelehnt und das sind die Leute, die nun von MAGA angesprochen werden.

Viele MAGA-Fans bezeichnen diese Bemühungen als „Rassismus gegen weiße Menschen“. Eine Frau* oder eine Schwarze Person einzustellen kann als ungerechtfertigte „DEI“-Anstellung abgewertet werden. Beim Rassismus geht es ausdrücklich auch um den Hass auf die öffentliche Wohlfahrt, da sie „Diesen Leuten“ zugute kommen könnte, welche von den knallharten MAGAs verachtet werden. Die Ideologie der Weißen Vorherrschaft war ausdrücklich ein Teil von Trumps aktueller Durchführungsverordnung zum Angriff auf die [Forschungs- und Bildungseinrichtung] Smithonian Institution. Er verwies dabei auf eine Ausstellung mit dem Titel „Die Form der Macht: Geschichten von Rasse und amerikanischer Skulptur“. Trump beschwerte sich darüber, dass in der Ausstellung den Satz verwendet: „Rasse ist eine gesellschaftliche Erfindung.“ Und er merkte dazu an, die Ausstellung „fördert die Ansicht, dass Rasse nicht eine biologische Tatsache ist, sondern ein soziales Konstrukt“. Auf die Realität von Rassismus, Sexismus und anderen Formen der Unterdrückung hinzuweisen sei ein fehlerhafter „Geschichtsrevisionismus“ [27], wie Trump es nennt.

Bei „Rasse“ handelt es sich jedoch tatsächlich um eine Erfindung. Die koloniale Elite in Nordamerika entwickelte gegen Ende des 17. Jahrhunderts die Idee einer Trennung von „weißer Rasse“ und „schwarzer Rasse“, um den Aufbau ihres Systems lebenslanger Sklaverei ausschließlich für die Menschen mit afrikanischer Abstammung zu rechtfertigen. Berufsorganisationen aus Biologie und Anthropologie haben erklärt, dass „Rasse“ eine Pseudo-Wissenschaft ist, da das Konzept von biologischen [Menschen-]Rassen keine belegbare Grundlage hat. Es war ein Mythos, der geschaffen wurde, um den Interessen der Kolonist*innen und sklavenhaltenden Plantagen-Besitzer*innen zu dienen.[28]

Das Verteidigungsministerium unter Pete Hegseth entfernte anfangs tausende Seiten und Bilder von Frauen*, Navajo, japanisch-amerikanischen und Schwarzen Militärangehörigen von den Webseiten der Regierung als Teil ihres Angriffs auf „DEI“ (einige dieser Seiten wurden nach einem Aufschrei aus der Bevölkerung wieder hergestellt). John Ullyot, der Pressesprecher des [Verteidigungsministeriums] Pentagon, erklärte: „Für das Verteidigungsministerium ist DEI gestorben. Die Diskriminatorische Gleichheitsideologie ist eine Form des woken Kulturmarxismus, die in unserem Militär keinen Platz hat.[29; 30] Sie spaltet die Kräfte, untergräbt den Zusammenhalt der Einheit und stört den Dienst bei seinem zentralen Auftrag der Kriegsführung“.

„Kulturmarxismus“
ist eine antisemitische, neo-faschistische Verschwörungstheorie, nach der eine kleine Gruppe marxistischer Intellektueller (die Frankfurter Schule [31]) irgendwie verantwortlich sei für die städtischen Aufstände, Bürger*rechts-Kämpfe und sozialen Bewegungen der 1960er Jahre. Was „die Kräfte spalten“ betrifft, so ist hingegen genau dies die Folge von Rassismus und Frauen*feindlichkeit.
Obwohl die sich um Trump versammelnde MAGA-Bewegung neo-faschistische Züge trägt, handelt die Trump-Regierung mehr oder weniger innerhalb der übernommenen Strukturen der US-Regierung und hat noch kein komplett faschistisches, autokratisches Regime errichtet. Daher gibt es noch Widerstand von einigen Richter*innen, sowie von staatlichen und lokalen Behörden. Und im ganzen Land kommt es zu Straßenprotesten gegen MAGA.

Der MAGA-Angriff auf den Grünen Wandel

Der Kampf gegen die globale Erwärmung ist unerlässlich, um einen bewohnbaren Planeten für künftige Generationen zu hinterlassen. Die weltweite Erwärmung wird anheizt durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe. Da die schmutzige Verbrennung fossiler Energieträger den Planeten erhitzt, wird es zunehmend häufiger zu tödlichen Hitzewellen, stärkeren Stürmen und steigenem Meeresspiegel kommen. Ein gemeinsames Ziel der Bewegung für Klimagerechtigkeit war die Erreichung von [klimaneutralen] Netto-Null-Emissionen von Kohlendioxid bis 2050.[32] Doch Trumps Energie-Minister Chris White nennt die „Netto-Null 2050“ ein „bösartiges Ziel“. Trump selbst bezeichnet die globale Wärmung als einen „Schwindel“.

Die fossile Industrie und ihre gutbezahlten Denkfabriken sind ein weiterer Aspekt der heutigen neo-faschistischen Ideologie. Die Rechten greifen dabei den wissenschaftlichen Konsens an, der Informationen über die weltweite Erwärmung liefert. Und sie unterstützen die fossile Energiewirtschaft dabei, weiterhin Gewinn aus dem Ausstoß von Treibhausgasen zu ziehen, die den Planeten aufheizen. Das ist jedoch keine Besonderheit der MAGA-Bewegung, denn es ist auch das Vorgehen der neo-faschistischen „Alternative für Deutschland“.

Die Trump-Regierung begeht weitreichende und boshafte Angriffe auf die Bewegung zur Beendigung des fossilen Schadstoff-Ausstoßes und zum Aufbau eines grünen Wandels. Das MAGA-Regime kündigte tausende Angestellte, welche die Verschmutzungen beobachteten und Daten für die Umweltschutz-Agentur (EPA), die Nationale Ozean- und Atmosphären-Verwaltung, sowie für andere Behörden sammelten. Jüngsten Berichten [der Zeitung Guardian] zufolge, werden die geplanten Kürzungen bei der EPA das Ende dieser wissenschaftlichen Forschungseinrichtung bedeuten. Sowie wohl „mehr als 1.000 Wissenschaftler*innen und andere Angestellte gekündigt werden, die dabei helfen, eine Forschungsgrundlage für Regelungen zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Ökosysteme vor Umweltverschmutzung zu liefern.“ Dazu würden mehr als Tausend Chemiker*innen, Biolog*innen, Toxikolog*innen und andere Wissenschaftler*innen zählen, also 75 Prozent der Belegschaft des Forschungsprogrammes.

Der Inflation Reduction Act (IRA) [33] war zwar kein perfekter Start auf dem Weg zu einem grünen Wandel, dem Umbau hin zu erneuerbaren Energien als Ersatz für fossile Brennstoffe. Doch nun versucht das Trump-Regime gesetzwidrig die Verteilung der Gelder des IRA aufzuhalten. Beispielsweise die Zuschüsse für Leute mit geringem Einkommen bei Solaranlagen und zur Ersetzung von Gasheizungen durch Wärmepumpen. Von Maine bis Alaska wurde nun Projekten zur Senkung des Kohlendioxid-Ausstoßes bei Fischfang-Flotten durch sparsamere Kühlanlagen die zugesagte Förderung verweigert. Unter dem MAGA-Regime haben sich die USA auch aus einem [beim Klimagipfel 2023 beschlossenen] internationalen Fonds zur Entschädigung ärmerer Länder für Schäden durch die globale Erwärmung zurückgezogen.

Das Regime ist auch dazu übergegangen, Ladestellen für elektrische Fahrzeuge in Regierungsgebäuden wieder abzubauen. Bei einer besonders verrückten Aktion hat das FBI das Bankkonto von Habitat for Humanity [34] beschlagnahmt, da sie ihnen und anderen Einrichtungen wie der DC Green Bank vorwerfen eine „Verschwörung zum Betrug an der Regierung“ zu begehen, weil sie Geldmittel aus dem Inflation Reduction Act bekommen haben. Denn wenn Habitat for Humanity diese Gelder dazu verwenden will, um bessere Energiespar-Maßnahmen für Wohnungen oder den Einbau von Solaranlagen und Wärmepumpen zu finanzieren, sei dies ein „Betrug“, wenn man davon ausgeht, dass die globale Erwärmung ein „Schwindel“ sei. Diese Verfolgung durch das FBI wird wahrscheinlich vor Gericht nicht standhalten und die Bundesrichterin* Tanya Chutkan hat bereits Beweise für einen Betrug oder eine Gesetzeswidrigkeit gefordert. Doch bis dahin werden diese Organisationen ihr Geld für den Rechtsstreit ausgeben müssen, was auch eine Form von Einschüchterung darstellt.

Die Zerschlagung des Amerikanischen Jahrhunderts

Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg waren für die USA durch ihre imperialistische Herrschschaft eine Epoche als weltweite Vormacht. In früheren Zeiten wurden Großreiche errichtet durch militärische Eroberung, Kolonialismus und merkantilistische Beggar-thy-Neighbor-Politik [35], um mittels Handelsbeschränkungen die imperiale Beute für das Heimatland sichern. Doch die USA schufen eine neue Form des Imperialismus: In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg haben die amerikanische Kapitalelite und ihre politischen Funktionär*innen mit viel Aufwand Handelsverträge und Militärbündnisse geschaffen, um die anderen kapitalistischen Eliten in ein System unter Leitung der USA einzubinden. Außerdem schufen sie eine sehr mächtige Marine und eine riesige Anzahl von Miliärstützpunkten auf der ganzen Welt. Das NATO-Bündnis diente dazu, den westeuropäischen Kapitalismus durch den Schutz des amerikanischen Militärs abzusichern. Dies erlaubte den kapitalistischen Ländern Europas weniger Geld für militärische Aufrüstung auszugeben. Da die europäischen Mächte und andere Länder ihre Militär-Ausrüstung in der USA kauften, verteilten sich die Kosten für neue Waffensysteme auf zahlreiche Länder. Das war für die USA sehr lohnenswert, da sie eine riesige amerikanische Rüstungsindustrie aufgebaut haben. Es wäre für die USA um einiges teurer geworden, wenn sie dies alleine getan hätten.


Ein seltsamer Aspekt des MAGA-Regimes ist nun die Art und Weise, wie sie das Amerikanische Jahrhundert [Pax Americana] zerschlagen. Ein Teil der amerikanischen Oligarchie scheint zu dem Schluss gekommen zu sein, das es schlicht „zu teuer“ geworden sei. Sie wissen wohl nicht zu schätzen, wie sehr seit dem Zweiten Weltkrieg der Reichtum und die Macht des amerikanischen kapitalistischen Regimes auf diesem komplizierten Netzwerk von Militärbündnissen und Handelsbeziehungen beruhte. Sie träumen jetzt von einer Rückkehr zu einer früheren Epoche einer eigenständigen imperialen Herrschaft. Das Drängen von MAGA auf Alleingänge der USA scheint sowohl die Krise des amerikanischen globalen Kapitalismus widerzuspiegeln, wie auch das Inseldenken von „Amerika zuerst“ [America First] und Curtis Yarwins Vorstellung einer multipolaren Welt von Autokratien unter direkter Kontrolle der lokalen Oligarchien.

Der Angriff des MAGA-Regimes auf das Amerikanische Zeitalter hat unterschiedliche Formen angenommen: von Trumps mafia-ähnlichen Androhung von Zöllen als Mittel zur Einschüchterung, über seine Verwendung der Zöllen zur Zerschlagung der wichtigsten Beziehungen zu den US-Handelspartner*innen (Canada, Mexiko und Europa). Sowie seine Drohungen mit einer imperialistischen Eroberung von Grönland und dem Panama-Kanal, die Zerstörung der humanitären Hilfsprogramme von USAID, das Gerede vom Rückzug der NATO-Verteidigung aus Europa und die Bereitschaft Trumps, die Ukraine der imperialistischen Eroberung durch Putin zu überlassen.

Als Anarchosyndikalist*innen sind wir gegen den amerikanischen Imperialismus, wobei wir für einen Internationalismus der grenzüberschreitenden Solidarität der Arbeiter*klasse einstehen. Daher stehen wir an der Seite der ukrainischen Gewerkschaften, Sozialist*innen und Anarchist*innen, welche den militärischen Widerstand der Ukraine gegen Putins imperialistischen Feldzug zur Eroberung der Ukraine unterstützen. Dabei folgen wir dem Beispiel des anarchistischen Aktivisten Errico Malatesta, der den arabischen Widerstand gegen Italiens Eroberung von Libyen im Jahr 1911.[36]

USAID hingegen war eine relativ kostengünstige Art der „weichen Macht“ der USA, indem sie Organisationen und Länder durch ihre Hilfsprogramme für Medizin und Nahrung unterstützte. [37] Die radikale Linke kritisierte lange Zeit, dass USAID benutzt wurde, um anti-sozialistische Gruppen und rechte Gewerkschaften zu unterstützen. Doch die Zerschlagung der Hilfen für Medizin und Nahrung durch Musks Abrisstrupp hat vernichtende Folgen für die Armen in Flüchtlingslagern und sonstwo. Durch die Aufkündigung von 5.000 Verträgen mit gemeinnützigen Organisationen zur AIDS-Bekämpfung in Afrika werden die HIV-positiven Menschen von [anti-]retroviralen Medikamenten abgeschnitten, welche einen Ausbruch von AIDS verhindern. Als Folge dieser plötzlichen Beendigung von Hilfen für Medizin und Nahrung werden Menschen sterben.

Die Zerschlagung eines Bündnissystems und bewährter Handelsbeziehungen wird den USA sehr viel Schaden bereiten. Die amerikanische Rüstungsindustrie wird viele gewinnbringende Aufträge verlieren. Kürzlich kündigte zum Beispiel Portugal seinen Kauf von F-35-Kampfflugzeugen auf, was wird zu Entlassungen führen wird. Aufgrund von Vergeltungszöllen und Konsument*innen-Boykotten in Kanada oder Europa wird der Handel zurückgehen und die Preise wegen Trumps Zöllen steigen. Die Importfirmen in den USA werden die Zölle bezahlen, aber diese Kosten weitergeben. Die hohen Abgaben auf den Import von Autos aus Mexiko und Kanada werden dadurch zu weitaus höheren Preisen für Autos führen.

Die Republikaner*innen werden dem entgegenhalten, dass steigende Preise auf Importe die amerikanische Produktion ankurbeln werden. Das beruht auf der Vorstellung, dass ein höherer Preis für eingeführte Waren diese im Wettbewerb mit den in Amerika gefertigten Produkten weniger attraktiv mache. Doch Produktionsanlagen sind eine teure Anschaffung, die sich erst über einen langen Zeitraum auszahlt. Zölle können in Zukunft schnell wieder zurückgenommen werden und bieten für Investor*innen keine ausreichende Absicherung für solche riesigen Ausgaben. Die Entlassung von tausenden Bundesangestellten wird die Konsumnachfrage allerdings zurückgehen lassen. In Verbindung mit dem Verlust von militärischen Aufträgen und der Preissteigerung durch Zölle wird es sehr wahrscheinlich zu einem Wirtschaftsabschwung kommen.

Zum wirksamen Gegenschlag ausholen

Trump und sein Team verfolgen eine Strategie von „Furcht und Schrecken“ [shock-and-awe] indem sie zahlreiche unterschiedliche Gruppen mit andauernden Angriffen ins Visier nehmen: vom rechtswidrigen Zusammentreiben legaler Einwanderer*innen mit Aufenthaltsgenehmigung [green card], der unrechtmäßigen Beschneidung gewerkschaftlicher Rechte und tausendfacher Kündigung von Bundesangestellten über ihre Erzählung, der Angriff auf „DEI“ diene der Wiederherstellung einer Weißen Vorherrschaft. Hinzu kommen Angriffe auf Trans*personen und Angriffe auf die Gesundheitsversorgung von Veteran*innen, sowie das Verbreiten von Angst vor dem Verlust des Zugangs zur Sozialversicherung und zur Übernahme der Gesundheitskosten für Millionen von Amerikaner*innen. Diese Strategie der „Gebietsüberflutung“ [flood the zone] zielt darauf ab, die sozialen Spaltungen auszunutzen und eine mögliche Opposition zu verwirren.

Doch dieses Vorgehen birgt auch ein großes Risiko für das MAGA-Regime, da hierbei viele verschiedene Gruppen angegriffen werden. Das bedeutet, dass dies nun ein Anlass für diese Gruppen ist, zusammen zu kommen, Bündnisse zu schließen und durch Solidarität einen breiten Gegenschlag vorzubereiten, welcher vermutlich ein enormes Ausmaß annehmen wird. Die Massenentlassung von Bundesangestellten und die Zerschlagung ihrer legalen Gewerkschaftsrechte, sowie die Machtanmaßung dieses autoritären Regimes unter Kontrolle eines Milliardärs sind auf unterschiedliche Weise auch eine Bedrohung für die gesamte Arbeiter*klasse.

Für eine Strategie des Aufbaus eines wirksamen Gegenangriffs bedarf es aber sowohl einer erfolgreichen Organisierung, als auch massenhafter Bildungsmaßnahmen, um den „Krieg um die Köpfe“ zu gewinnen und der rechten Medien-Maschine etwas entgegen zu setzen. Die MAGA-Propaganda behauptet, dass sie für die „Freiheit“ kämpfe. Wir sollten jedoch darauf hinweisen, dass ihr Ziel nur die maximale „Freihet“ der Kapitalist*innen ist, um ihre Arbeiter*innen zu behandeln, wie sie wollen. Die Freiheit zur ungestraften Verschmutzung und die Freiheit zur Plünderung des Bundeshaushalts für ihre eigene Bereicherung. Doch das bedeutet einen Angriff auf unsere Freiheit – die Freiheit am Arbeitsplatz, die Freiheit sich zu organisieren und die Freiheit zu widersprechen.

Ein nützliches Strategie-Element aus der Erfahrung von Arbeiter*organisationen ist es, einen Plan zur Eskalation [38] zu haben. Das bedeutet, dass wir zu Anfang nicht gleich die größte Fähigkeit zum Widerstand erwarten können, sondern daran arbeiten, eine mit der Zeit zunehmende Steigerung von Aktionen und Störungen hervor zu bringen. Unsichtbare Gruppen – und andere Arten von Vereinigungen – haben sich bereits gegründet und protestieren im ganzen Land. Einige Gruppen protestieren vor den Verkaufsstellen von Tesla und rufen zum Boykott [der E-Autos] auf.[39] Es gab auch Proteste von Studierenden und nachbarschaftlichen Widerstand gegen die Cops von [der Polizei- und Zollbehörde] ICE.

Ein nächster Schritt wäre nun der Aufbau von Bündnissen, in denen noch mehr Gruppen zusammenkommen und gemeinsame Pläne machen, um ihre verschiedenen Interessen einzubringen. LGBT-Personen, Bundesangestellte, sowie um globale Erwärmung besorgte Umweltschützer*innen, aber auch migrantische Gemeinschaften und andere Gruppe haben ein Interesse zurückzuschlagen.

Sobald die Leute angefangen haben an Protesten oder Versammlungen teilzunehmen, haben sie eine Motivation, um nach weiteren wirksamen Aktionen Ausschau zu halten. Diese ersten Schritte können ihnen helfen, um die Angst zu überwinden, welche das MAGA-Regime zu verbreiten versucht, um die Menschen zum Schweigen zu bringen. Einer Strategie der Eskalation folgend würden zunächst einfachere oder weniger beängstigende Taktiken angewendet, um die Leute anfangs einzubinden und die Angststarre zu überwinden. Ein nächster Schritt wäre dann der Übergang zu Formen der Störung, wie die Besetzung von Büros, um das Tagesgeschäft [business as usual] aufzuhalten, sowie die Besetzung von Tesla-Verkaufsstellen oder ein kurzer eintägiger Warnstreik.

Störung bedeutet dabei, dass die Arbeiter*klasse beginnt ihre potenzielle Macht anzuwenden. Denn die größte Kraft der Arbeiter*klasse liegt in der Fähigkeit, die Arbeitsplätze stillzulegen, Regierungsbehörden lahmzulegen oder den Fluss der Unternehmensgewinne abzusperren. Die höchste Macht eines Streiks zeigt sich im Generalstreik, wenn Arbeiter*innen dann Netzwerke zwischen einzelnen Gewerkschaften und Branchen aufgebaut haben, mit deren Hilfe sie die gesamtgesellschaftliche Macht der Arbeiter*klasse ausüben. Da das amtierende Regime äußerst repressiv vorgeht, haben seine führenden Vertreter*innen Angst vor jeder Störaktion, welche gegen die Vertragsvereinbarungen verstößt oder direkt den Staat bedroht. Die Lösung hierbei liegt in der Basisorganisierung, sowie in der Gründung von Ausschüssen und Netzwerken, welche unabhängig von den Gewerkschaftsfunktionär*innen sind.

Da die Gewerkschaftsführung bereits vom Trump-Regime eingeschüchtert wurde, haben Bundesangestellte schon damit begonnen gewerkschaftsübergreifende Netzwerke aufzubauen, wie zum Beispiel das „Netzwerk der Bundes-Gewerkschafter*innen“ [Federal Unionist Network]. Ein weiteres Beispiel dieser Art von Organisierung sind die „Vereinigten Bahnarbeiter*innen“ [Railroad Workers United], die entstanden sind nach dem Verrat der bezahlten Funktionär*innen der Bahngewerkschaften. Ein landesweiter Generalstreik würde ein gewaltiges Maß an Gegenmacht zum MAGA-Regime hervorbringen, doch wahrscheinlich kann ein solcher Schritt nur aus einer Organisierung und Motivation an der Basis entstehen.

Ein anderer wesentlicher Teil von Strategien ist eine Vision oder ein Ziel, um Ansporn und Richtung zu geben. Das Trump-Regime ist zwar auf vielfache Weise einzigartig in der amerikanischen Geschichte, doch es gründet auf einer Schwäche der aus Vorzeiten übernommenen US-Verfassung, welche von den Republikaner*innen seit Jahren ausgenutzt wird. Nachdem die MAGA-Bewegung sich zum Ziel gesetzt hat, „den Verwaltungsstaat zu zerschlagen“, auf der Verfassung herumzutrampeln und das Jahrhundert der Zugeständnisse an die Kämpfe der Arbeiter*klasse zu beenden, wird es nicht einfach werden, das zerschlagene Porzellan jemals wieder zusammenzusetzen.

Das Aufkommen eines Teils der Oligarchie, welcher die Rundumschlag-Pläne des MAGA-Regimes unterstützt und den Staat ausplündert, ist bereits ein Anzeichen für die kapitalistische Krise. Eine darüber hinausgehende Vision muss die Begrenzungen überschreiten, welche der überkommene Rahmen des amerikanischen Kapitalismus vorgibt. Als grüne Syndikalist*innen setzen wir uns für eine rasante Beschleunigung des grünen Wandels ein: einen Abbaustopp für fossile Energieträger, einen Ausstieg aus der Ölverarbeitung, einen alternativen Ersatz für Petro-Plastik [40] und die beschleunigte Dekarbonisierung für eine grüne Wirtschaft auf Grundlage erneuerbarer Energie.[41] Und all das mittels eines „gerechten Wandels“ [just transistion], welcher weiterhin das Einkommen ebenso sichert, wie die Gesundheitsversorgung und die Rentengarantien für freigesetzte Arbeiter*innen.

In unserer Vision gibt es eine Arbeiter*selbstverwaltung mit direkter Kontrolle über den Arbeitsprozess durch die Arbeiter*innen in jenen Fabriken, welche Elektro-Heizungen, Wärmepumpen, Solaranlagen, sowie batteriegetriebene Busse und LKWs für die grüne Wirtschaft herstellen. Unser Ziel ist ein grundlegender Wechsel zu einer Gesellschaft, die auf demokratischer Eigenverwaltung gründet, in der diejenigen Menschen die Entscheidungen fällen, welche sie selbst betreffen.

Als Grundlage für eine grüne Wirtschaft schlagen wir die Arbeiter*selbstverwaltung in allen Branchen vor, anstelle des von oben herab bürokratisch regierenden Staates. Nach unserer Vorstellung wären die Pharmaindustrie und die Gesundheitsversorgung in Hand einer gesamtgesellschaftlichen, demokratischen Basisorganisation und wären selbstorganisiert von den Menschen, die dort arbeiten. Mittels allgemeiner, kostenloser Gesundheitsversorgung, die von der Gesellschaft getragen wird, würde die Gesundheitsförderung wesentlich verbessert werden.

Wir schlagen auch vor, dass die Kommunikationssysteme, wie Postdienst und Telefon, von einer Branchen-Organisation aller Arbeiter*innen selbstbestimmt betrieben werden. Doch weder in kapitalistischem Eigentum, noch durch eine bürokratische Verwaltung von oben herab, welche über die Arbeiter*innen bestimmt. Um beispielsweise Ferntransporte auf einer guten ökologischen Grundlage auszuliefern, unterstützen wir die Kampagne für ein sofortiges öffentliches Bahnwesen [Public Rail Now], welche ein öffentliches Eigentum am Eisenbahnnetz fordert. Doch nach unseren Vorstellungen wäre die Eisenbahn von regionalen Branchen-Organisationen durch demokratische Selbstverwaltung der Arbeiter*innen konrolliert. Mit elektrifizierten Eisenbahnen und einer Industriepolitik, welche bei Ferntransporten die Bahn (samt LKWs auf flachen Güterwagen) bevorzugt, könnte künftig der Ausstoß von Treibhausgasen im Fern-Frachtwesen enorm verringert werden.

Dies sind nur einige der Vorstellungen davon, was für einen sozialen Wandel nötig ist.(…)

East Bay Syndicalists Group

in: Workers Solidarity – A Green Syndicalist Webzine (01.04.2025,
https://eastbaysyndicalists.org/fighting-the-maga-assault/

Übersetzung [und Anmerkungen]: Anarcho-Syndikalistisches Netzwerk – ASN Köln, https://asnkoeln.wordpress.com (Creative Commons: BY-NC)

Anmerkungen:
1) „Make America Great Again“ („Amerika wieder groß machen“), Trumps Anhänger*innen
2) gewerkschaftliches Medienportal, https://labornotes.org
3) Sitz der US-Finanzindustrie in New York
4) da es in den USA keinen Personalausweis gibt, gilt stattdessen ein Führerschein oder Reisepass
5) Gesetz zur Sicherstellung der Eignung von Wähler*innen (Safeguard American Voter Eligibility)
6) Bundesprogramm der Gesundheitsfürsorge für Bedürftige
7) Eliten-Herrschaft einer kleinen Gruppe von Mächtigen, https://de.wikipedia.org/wiki/Oligarchie
8) Herrschaft durch mächtige Führer*innen und strenge Traditionen, eine Form von Diktatur
9) Stürmung des US-Kongresses, https://de.wikipedia.org/wiki/Sturm_auf_das_Kapitol_in_Washington_2021
10) freiheitlich, siehe: Paläolibertarismus, https://de.wikipedia.org/wiki/Pal%C3%A4olibertarismus
11) staatenloser Privat-Kapitalismus, https://de.wikipedia.org/wiki/Anarchokapitalismus
12) der Adelsherrschaft ähnelnde Besitz-Elite, https://de.wikipedia.org/wiki/Neo-Feudalismus
13) neoreaktionäre Bewegung, https://de.wikipedia.org/wiki/Neoreaktion%C3%A4re_Bewegung
14) hoch-technologische Männerbünde, siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Kalifornische_Ideologie
15) Unternehmen für Spionage-Software, https://de.wikipedia.org/wiki/Palantir_Technologies
16) wissenschaftlich nicht haltbare Rassentheorie, https://de.wikipedia.org/wiki/Rassentheorie
17) Trumps neue „Abteilung für Regierungseffizienz“ (Department of Government Efficiency)
18) ein Jerusalemkreuz und „Gott will es“, https://de.wikipedia.org/wiki/Pete_Hegseth#Rezeption
19) christlicher religiöser Nationalismus, https://de.wikipedia.org/wiki/Christlicher_Nationalismus
20) „Projekt zum Übergang der Präsidentschaft 2025“, https://de.wikipedia.org/wiki/Project_2025
21) queere Abkürzung für lesbisch, schwul, bi, trans, inter,… https://de.wikipedia.org/wiki/LGBT
22) männliche Herrschaftsform, https://de.wikipedia.org/wiki/Patriarchat_(Soziologie)
23) Aufschwungphase nach dem US-Bürger*krieg, https://de.wikipedia.org/wiki/Gilded_Age
24) Programme zur Förderung von Diversität, Gerechtigkeit und Inklusion in Organisationen
25) Sprachpolitik in Orwells dystopischem Roman „1984“, https://de.wikipedia.org/wiki/Neusprech
26) Bewegung zur Abschaffung der Sklaverei im 18./19. Jh. (später auch von Polizei, Justiz, Staat)
27) Umdeutung geschichtlicher Ereignisse, https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichtsrevisionismus
28) siehe https://de.wikipedia.org/wiki/White_Supremacy#W%C3%A4hrend_der_Sklaverei
29 „wachsames“ Bewusstsein, Sensibilität für (systematische) Ungerechtigkeit und Diskriminierung
30) rechte Parole gegen Sozialreformen, https://de.wikipedia.org/wiki/Cultural_Marxism_(Schlagwort)
31) Institut für Sozialforschung (Kritische Theorie), https://de.wikipedia.org/wiki/Frankfurter_Schule
32) CO2-Ausgleich durch negative Emissionen, https://de.wikipedia.org/wiki/Klimaneutralit%C3%A4t
33) Bundesgesetz der Biden-Regierung zur Förderung von grünen Industrien samt Sozialpaket (2022)
34) christliche Hilfsorganisation für weltweiten Katastrophenschutz und Hausbau für bedürftige Menschen
35) Wirtschaftspolitik zur nationalen Bereicherung durch Handelsüberschüsse („ruiniere deinen Nachbarn“)
36) Malatesta und andere sprachen sich jedoch 1915 gegen eine Teilnahme am Ersten Weltkrieg aus, https://anarchistischebibliothek.org/library/die-anarchistische-internationale-und-der-krieg
37) kulturell-ideologische, zwischenstaatliche Einflussnahme, https://de.wikipedia.org/wiki/Soft_Power
38) Steigerung und/oder Ausweitung eines Konfliktes, https://de.wikipedia.org/wiki/Eskalation
39) dezentrale Protestbewegung gegen Musks E-Auto-Firma, https://de.wikipedia.org/wiki/Tesla_Takedown
40) aus Erdöl hergestellte Kunststoffe, https://de.wikipedia.org/wiki/Kunststoff#Herstellung
41) Abkehr von Kohlenstoff zur Energiegewinnung , https://de.wikipedia.org/wiki/Dekarbonisierung

Dieser Text steht als PDF zum kostenlosen Download bereit!

Siehe auch:

„USA: Zölle spalten uns – der Kampf vereint uns!“ (WSA-IAA, 2025)
https://anarchosyndikalismus.blackblogs.org/2025/03/14/usa-zoelle-spalten-uns-der-kampf-vereint-uns/

„USA: Die ersten Tage von Trumps Angriff“
(WSA-IAA, 2025)
https://anarchosyndikalismus.blackblogs.org/2025/03/01/usa-die-ersten-tage-von-trumps-angriff/

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USA: Zölle spalten uns – der Kampf vereint uns! https://anarchosyndikalismus.blackblogs.org/2025/03/14/usa-zoelle-spalten-uns-der-kampf-vereint-uns/ Fri, 14 Mar 2025 14:51:10 +0000 https://anarchosyndikalismus.blackblogs.org/?p=1917 Continue reading USA: Zölle spalten uns – der Kampf vereint uns! ]]> Diesen Text hat das Labor Committee der Workers* Solidarity Alliance (WSA-IAA) am 12.03.2025 veröffentlicht: 

Revolutionäre Gewerkschafter*innen haben sich immer für die Solidarität mit der globalen Arbeiter*klasse eingesetzt und alle Versuche der herrschenden Klasse uns zu spalten zurückgewiesen – sei es durch Grenzen, Rassismus [race], Gender oder andere Arten der Ausbeutung. Die Vorstellung, dass Arbeiter*innen in irgendeinem Land gemeinsame Interessen mit ihren Chef*innen haben, ist eine Lüge, die uns davon abhalten soll unsere wahre Kraft zu erkennen.

Die aktuelle Handelskriegspolitik des faschistischen US-Präsidenten Trump, welche darauf abzielt, die US-amerikanischen Arbeiter*innen durch Zölle auszuspielen gegen Arbeiter*innen in anderen Nationen, ist nur ein Beispiel dafür, wie jene Mächtigen die Arbeiter*innen zu ihrem eigenen Vorteil manipulieren.

Wenn die herrschenden Klassen in anderen Ländern dann Vergeltung üben, ist das nichts weiter als ein Kampf zwischen konkurrierenden Kapitalist*innen, denn keine*r von denen dient den Interessen der Arbeiter*klasse. Zugleich behandelt ihr wirtschaftliches und politisches System migrantische Arbeiter*innen weiterhin mit Brutalität, beutet ausgegrenzte Werktätige aus und hält unterdrückerische Strukturen aufrecht, die allen Menschen schaden, nur den wenigen reichsten nicht.

Alle Versuche, die Arbeiter*innen für eine Politik des Protektionismus [Schutzmaßnahmen] zu gewinnen – sei es durch rechte Nationalist*innen oder durch Gewerkschaftsbürokrat*innen wie Shawn Fain von den United Auto Workers – sind ein Verrat an der wahren Solidarität der Arbeiter*klasse. Sie sind Teil eines Systems, welches das Weiterbestehen der Ausbeutung voraussetzt und sie verhandeln nur um leichte Verbesserungen ihrer Bedingungen, anstatt das System selbst in Frage zu stellen.

Es verwundet daher nicht, dass sie die Logik der kapitalistischen Konkurrenz übernehmen und wirtschaftliche Kämpfe als Auseinandersetzungen zwischen Nationen darstellen, anstatt zwischen Arbeiter*innen und Chef*innen. Wenn unsere Gewerkschaften von jenen angeführt werden, die bereit sind zur verräterischen Zusammenarbeit [Kollaboration] mit der herrschenden Klasse, dann müssen die Arbeiter*innen neue Machtstrukturen aufbauen: Sich außerhalb der Begrenzung durch die hierarchische Gewerkschaftsführung organisieren und stattdessen direkte Aktionen, gegenseitige Hilfe und wirklich demokratische Entscheidungsprozesse anwenden, sowohl am Arbeitsplatz, wie auch am Wohnort und darüber hinaus.

Zugleich müssen wir den Mythos bekämpfen, dass „Freihandel“ etwas Gutes hervorbringt. Seit Jahrzehnten haben die imperialistischen Mächte – darunter die USA, Russland und das heutige China – den Freihandelsmythos als ein ideologisches Deckblatt benutzt für Ausbeutung und Ausplünderung von Arbeiter*innen in kleineren, weniger mächtigen Nationen. Der von den herrschenden Klassen der imperialistischen Nationen angehäufte Reichtum wurde den Arbeiter*innen und Rohstoffen aus dem Globalen Süden gestohlen. Genauso, wie der Kapitalismus selbst entstanden ist durch den Raub von indigenem [einheimischem] Land, durch unbezahlte Arbeit versklavter Menschen und anhaltende Unterdrückung ausgegrenzter Gemeinschaften.

Einige Arbeiter*innen im Herzen des Imperiums bekommen vielleicht kleine materielle Vorteile aus dieser Ausbeutung, aber wir widersprechen jeder Behauptung, dass sie dies zu Kompliz*innen macht. Die Arbeiter*bewegung muss sich weigern, ein Werkzeug der kapitalistischen Expansion [Ausbreitung] zu sein. Und alle, die versuchen die Arbeiter*innen davon zu überzeugen, dass sie gemeinsame Interessen mit ihren Chef*innen haben – sei es durch Nationalismus oder durch Reformismus – sind die Feind*innen der wahren Befreiung der Arbeiter*innen.

Anstatt auf die falsche Wahl zwischen „Freihandel“ und Protektionismus hereinzufallen, sollten die Arbeiter*innen eine neue Welt fordern – eine in der Rohstoffe und Reichtum gleich verteilt werden. Und in der Entscheidungen über Produktion und Verteilung demokratisch entschieden werden von jenen, die am meisten davon betroffen sind. Eine Bewegung zur Befreiung der Arbeiter*innen muss sich beziehen auf Feminismus, Antirassismus, Inklusionsgerechtigkeit [disability justice], Klimagerechtigkeit und auf den Kampf gegen jede Art von Unterdrückung.

Nur durch Solidarität, welche die ganze Menschlichkeit aller Arbeiter*innen anerkennt – jenseits von Grenzen, Gender und Identitäten – können wir eine Zukunft jenseits des Kapitalismus schaffen. In der unsere Arbeit unseren Gemeinschaften dient und nicht den Gewinnen der herrschenden Klasse.

Quelle:
https://philly-wsa.org/2025/03/12/tariffs-divide-us-the-struggle-unites/

Übersetzung [und Anmerkungen]:
Anarcho-Syndikalistisches Netzwerk – ASN Köln (asnkoeln.wordpress.com)

Creative Commons: BY-NC

Siehe auch:
„USA: Die ersten Tage von Trumps Angriff“

https://anarchosyndikalismus.blackblogs.org/2025/03/01/usa-die-ersten-tage-von-trumps-angriff/

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USA: Die ersten Tage von Trumps Angriff https://anarchosyndikalismus.blackblogs.org/2025/03/01/usa-die-ersten-tage-von-trumps-angriff/ Sat, 01 Mar 2025 20:49:19 +0000 https://anarchosyndikalismus.blackblogs.org/?p=1890 Continue reading USA: Die ersten Tage von Trumps Angriff ]]> Die Workers’ Solidarity Alliance (WSA-IAA) in den Metropolregionen Philadelphia und Chicago (USA) hat am 25.02.2025 folgenden Bericht veröffentlicht:

Von den vielen Berichten und Gesprächen auf unserem Kongress im November zum 40-jährigen Bestehen sind zwei besonders hervorzuheben: Eine neuerliche Begeisterung für einen Journalismus der Arbeiter*klasse, und wie unsere WSA-Lokalstrukturen versuchen sich in ihrer Arbeit an unseren Arbeitsplätzen und den Kolleg*innen zu orientieren.

Was hat das in diesen ersten Tagen des Angriffs von Trump/Musk zu bedeuten? Wir können nicht für alle WSA-Mitglieder sprechen, aber viele von uns haben sich niedergeschlagen und schockiert gefühlt in dem Bewusstsein, dass unsere Familien direkt angreifbar sind.

Im Gegensatz zu [dem ersten Amtsantritt] 2016, als der Widerstand gegen Trump die Menschen sofort aufgerüttelt hatte, gab es nun einen kulturellen Richtungswechsel. Doch wir fühlen uns als ein Teil dieser Periode des „Jetzt-wieder-auf-die-Beine-Kommens“.

Wir können für einige unserer Strukturen sagen, dass die ersten Monate sich angefühlt haben, wie eine Sturmwarnung. Wir schauen immerzu aus dem Fenster und sehen, wie nah die Gefahr ist. Während dieser Angriff von Trump/Musk vonstatten geht, gab eine deutliche Auszeit bei unseren öffentlichen Projekten auf nationaler Ebene. Aber indem wir dies schreiben, nehmen wir unsere Arbeit wieder auf!

Mit Bezug auf unsere Arbeitsplätze gab es unter anderem sofortige Reaktionen gegen die stigmatisierenden Razzien der ICE [„Immigration and Customs Enforcement“, Zollpolizei], welche durch ihre willkürliche Art der Angriffe unsere höchst bedrohen Familien terrorisiert haben. Wir haben aktiv daran gearbeitet, unsere Kolleg*innen mit sozialen Organisationen in Verbindung zu bringen, haben Flugblätter mit Kontaktinformationen für telefonische Migrant*innen-Rechtsberatung verteilt und geholfen mehrsprachige Schulungen zu vermitteln.

Wir haben außerdem geholfen vor Ort einen bevorstehenden Protest in Zusammenarbeit mit lokalen Aktivist*innen zu organisieren. Da wir keine Reformist*innen sind, bringen wir unsere arbeitsplatzbezogenen Anliegen und syndikalistischen Analysen weitestmöglich ein. Dabei versuchen wir jede Art von Gelegenheit zu nutzen, um zu dieser Krisenzeit öffentlich „Nein!“ zu sagen.

Als Anarcha-Syndikalist*innen ist uns sonnenklar, dass wir das Wort „Demokratie“ nicht im Sinne einer bürgerlichen Demokratie benutzen, bei der die konkurrierenden Eliten um unsere Stimmen wetteifern, um an die Macht zu kommen. Wir werden Widerstand gegen Trump und Musk leisten, aber das bedeutet nicht, dass wir uns für etwas einsetzen würden, was ein Biden-Harris-Regime von „Weiter-so“ und Genozid gewesen wäre. Für uns steht fest, dass wir mit unserem Einsatz für Demokratie eine Arbeiter*innen-Demokratie meinen.

Und dass allein eine klassenlose und nicht-hierarchische Gesellschaft dem Begriff „Demokratie“ Bedeutung geben kann. Doch momentan konzentrieren wir uns auf unsere gemeinsame Sache mit den bedrohten Kolleg*innen und Anderen. Sowie mit Trump-Wähler*innen, denen plötzlich bewusst wird, dass ihre Jobs und Sozialleistungen in Gefahr sind.

Da wir nur wenige und unsere Lokalstrukturen klein sind, fühlt es sich für uns am besten an aktiv zu bleiben, um mit der Situation klarzukommen. Da wir nur langsam wieder zum Journalismus zurückkehren, ist genau jetzt die Zeit dazu. Es gibt Mitglieder, die sagen, dass es nun für die WSA soweit ist, bald unser Nationales Arbeitskomitee einzuberufen. Und das werden wir!!

Als einen der Schritte auf dem Weg zurück zum Journalismus der Arbeiter*klasse haben wir heute während der Arbeitszeiten getan, was wir vorhatten. Nämlich mit WSA-Mitgliedern und Genoss*innen zu sprechen und zu versuchen, ihre Gedanken druckreif zu bekommen.

Begonnen haben wir heute um 10 Uhr, indem wir während der Arbeit mit unserem Genossen Greg Mcgee telefonierten:

Wir sollten mit unseren Arbeitskolleg*innen ins Gespräch kommen, doch darauf achten bei den Tatsachen zu bleiben. Nutzt radikale Webseiten, die über russische und ukrainische Deserteur*innen berichten, welche sich weigern zu kämpfen. Stellt euch gemeinsam vor, dass Soldat*innen einberufen würden, aber niemand würde hingehen! Die Kriege würden enden.“

Bei all dem entfesselten faschistischen Nationalismus, der jetzt gerade stattfindet, bei Heuchelei, Anti-Semitismus und Rassismus, stellt euch vor, das Wort ‚Einwanderer‘ durch ‚Jude‘ zu ersetzen und diskutiert die faschistische Vergangenheit. Wir wissen, dass Mussolini und General Franco Faschisten waren, aber wir wissen nicht wirklich, was Trump und Musk sind. Sie sind vielleicht nur Narzissten, aber ich glaube, wir müssen unsere Kolleg*innen auf die Entstehungsgeschichte des Faschismus hinweisen. Erinnert an das, was in Deutschland geschehen ist: Momentan ist die Vorstellung nicht weit her geholt, dass sowas auch hier passieren könnte. Wir müssen daran erinnern, wie es während des Zweiten Weltkriegs den japanischen Menschen in den USA ergangen ist, als die Leute zusammengetrieben und in Sammellager [concentration camps] gesperrt wurden.“

Es ist nun an der Zeit, sich mit unseren Kolleg*innen am Arbeitsplatz zu versammeln. Es ist nun an der Zeit, um auf einer gemeinsamen Grundlage zu arbeiten, nämlich der Bedrohung, welcher wir ausgesetzt sind.“

Und Lana – am Telefon während der Arbeit, eine Stunde später:

Es ist so vielschichtig, dieses sofortige Zerschneiden [chainsaw] aller sozialen Sicherheitsnetze. Und wir wissen genau, dass wenn die Wirtschaft den Bach runter geht, werden wir in der Arbeiter*klasse die Ersten sein, welche von den wirtschaftlichen Folgen betroffen sind. Haben wir das nicht schon die ganze Zeit gesagt? Dass der Kapitalismus bösartig ist, da er uns in den sogenannten Guten Zeiten auffrisst, und in jeder Katatstophe als Kanonenfutter nutzt?“

Ich denke, dass es für uns als Syndikalist*innen an der Zeit ist, aufzustehen und zu organisieren. Um unsere Kolleg*innen als eine Gruppe am Arbeitsplatz einzubinden in den gesellschaftlichen Widerstand. Es ist ein Weckruf: Höchste Alarmstufe – packen wir’s an!“

Philly Metro and Greater Chicago WSA

Quelle: https://philly-wsa.org/2025/02/25/earliest-days-of-this-trump-attack/

Übersetzung: ASN Köln (CC: BY-NC, asnkoeln.wordpress.com)

Kontakt zur Workers‘ Solidarity Alliance:
https://wsa-iwa.org/

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Britannien: Widerstand gegen rassistische Pogrome https://anarchosyndikalismus.blackblogs.org/2024/08/06/britannien-widerstand-gegen-rassistische-pogrome/ Tue, 06 Aug 2024 16:35:30 +0000 https://anarchosyndikalismus.blackblogs.org/?p=1715 Continue reading Britannien: Widerstand gegen rassistische Pogrome ]]> Angesichts der landesweiten rechten Gewalt gegen (vermeindliche) Geflüchtete oder andere von Rassismus betroffene Menschen in zahlreichen Städten des Vereinigten Königreichs, ruft auch die Solidarity Federation (SF-IAA) zu antifaschistischer Organisierung auf:

Die extreme Rechte und Rassist*innen verbreiten in der Arbeiter*klasse überall im Land Lügen über Geflüchtete und Asylsuchende. Sie behaupten, dass diese verantwortlich seien für die problematische Verschlechterung der Lebensbedingungen. Die rechtsextremen und die Medien versuchen mit ihren schmutzigen Tricks der rassistischen Lügen und Propaganda die Arbeiter*innen zu spalten. Doch Migrant*innen haben schon immer hier gearbeitet, vor allem im öffentlichen Gesundheitssystem (NHS) und in anderen Niedriglohnjobs.

Denn Geflüchtete und Asylsuchende aufgrund von Krieg, Verfolgung, Mord, Vergewaltigung und extremer Armut sind gezwungen ihre Länder zu verlassen. Daher haben sie nichts als ihr Kleider dabei und sind die Opfer dieses mieses Systems, das sich nur für die Macht und den Profit der wenigen Reichen interssiert. Übrigens ist Britannien das sechstreichste Land in der Welt und dennoch leben obdachlose und arme Menschen auf der Straße.

Die Arbeiter*innen leiden unter den Lebenshaltungskosten, während die Mächtigen in Wohlstand und Luxus leben. Die Chefs, Vermieter*innen und Regierungen sind unsere Feinde, NICHT die Migrant*innen und Asylsuchenden! Sie werden als Sündenböcke benutzt für Arbeitslosigkeit, sowie den Mangel an Sozialwohnungen und Grundversorgung. Denn das politische und wirtschaftliche System funktioniert nicht, solange du kein Teil der herrschenden Klasse bist!

Die Armut wird uns aufgezwungen, um das System von Niedriglöhnen aufrecht zu erhalten, mit dem ein paar Wenige ihre Profite machen. Die Lage ist schlecht, weil die Lebensgrundlagen einer reichen Minderheit gehören, die uns ausbeutet. Anstatt unsere Bedürfnisse zu befriedigen, dienen sie der herrschenden Klasse. Sie wurden uns gestohlen, um deren Macht und Reichtum zu vergrößern.

Also lasst euch nicht täuschen von den Lügen von Rassist*innen, Rechtsextremen Faschist*innen. Sie machen die schmutzige Arbeit für die Mächtigen, denn es geht nur um Teilen und Herrschen!

Wenn wir Asylsuchende und Migrant*innen beschuldigen und uns untereinander bekämpfen, werden die Reichen reicher und wir werden ärmer! Die Arbeiter*innen sollten zusammenhalten und sich den Rassist*innen und Faschist*innen entgegen stellen, um sie von unseren Straßen zu verjagen. Zeigt Solidarität mit eurer Klasse, mit Streikenden, mit den LGBTQ+, mit Frauen gegen Frauenfeindlichkeit, mit Geflüchteten und Migrant*innen!

Ein Angriff auf Eine*n ist ein Angriff auf Alle!
Organisiert euch!

Liverpool SolFed

Quelle: https://liverpoolsf.noblogs.org/anti-fascism/
Übersetzung: ASN Köln (Creative Commons: BY-NC)


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Anarchosyndikalismus muss Landrückgabe bedeuten https://anarchosyndikalismus.blackblogs.org/2024/07/11/anarchosyndikalismus-muss-landrueckgabe-bedeuten/ Thu, 11 Jul 2024 15:18:33 +0000 https://anarchosyndikalismus.blackblogs.org/?p=1611 Continue reading Anarchosyndikalismus muss Landrückgabe bedeuten ]]> In einem Beitrag zum nordamerikanischen Anarchist Union Journal fordert Jeff Shantz im April 2024 die Rückgabe kolonial geraubten Landes an die indigenen Ureinwohner*innen:

Ein Grundsatz des grünen Syndikalismus ist, dass die Entwicklung und Ausbreitung des Kapitalismus durch untrennbar miteinander verschränkte Formen der Zerstörung (von Land, sowie von menschlichen und nicht-menschlichen Gemeinschaften) geschieht. Die Zerstörung von natürlichem Leben und die Zerstörung von menschlichem Leben gehen Hand in Hand. Ein Antrieb dazu ist die Ausbeutung der (auf Rohstoffe reduzierten) Natur und die Ausbeutung des Menschen (als Arbeitskraft).

Ein weiterer Grundsatz des grünen Syndikalismus ist, dass Arbeiter*innen auf Grundlage der gemeinsamen Stärke durch die Stellung in der Produktion am besten in der Lage sind, diese doppelte Zerstörung in allen Erscheinungsformen aufzuhalten. Doch Syndikalismus darf nicht die ökonomistische oder produktivistische Herangehensweise übernehmen. Er muss sich auf die jeweiligen Strukturen und Abläufe, sowie Zusammenhänge der kapitalistischen Entwicklung beziehen, ebenso wie auf die Ausbeutung.

Im Zusammenhang mit dem Siedlungskolonialismus bedeutet dies, die Wirklichkeiten der kolonialen Besiedlung (und ihre noch andauernde Entwicklung) ernst zu nehmen. Das bedeutet Solidarität mit indigenen Forderungen nach Landrückgabe [land back]. Der Siedlungskolonialismus ist einer der größten Verursacher*innen der Klimakrise. Und indigene Menschen kümmern sich in überwiegender Mehrheit um die weltweite Artenvielfalt.

Foto: Matt Hrkac (Melbourne 2022)

Der grüne Syndikalismus muss eine anti-koloniale Analyse in den Mittelpunkt seiner Ideen und Aktionen stellen. Dazu gehört es anzuerkennen, dass der Kapitalismus auf indigenem Land und gegen die Ureinwohner*innen eingeführt und verbreitet wurde. Ebenso muss anerkannt werden, dass die Zerstörung des Landes immer durch die Zerstörung der indigenen Gemeinschaften und Bevölkerungen stattgefunden hat. Es muss darüber hinaus anerkannt werden, dass indigene Bevölkerungen die wichtigste Rolle bei der Verteidigung des Landes und seiner Bestandteile geleistet haben und dies auch heute tun. Während sie gleichzeitig zu den am meisten ausgebeuteten und unterdrückten Teilen der Arbeiter*klasse gehören.

Syndikalist*innen sollten sich daher mit den Verteidiger*innen des Landes [land defenders] in Verbindung setzen und wirkliche Unterstützung leisten, sowie deren Anweisungen annehmen. Was Syndikalist*innen direkt machen könnten, wäre die Gründung einer besonderen Einsatzgruppe [flying squad] – eine schnelle Eingreiftruppe -zur Teilnahme an Aktionen zur Landverteidigung. Das kann bedeuten, sich an Blockaden zu beteiligen, Protestkundgebungen bei Abbaufirmen durchzuführen oder Schutzvorrichtungen bereitzustellen. Die Details sind dabei natürlich von den jeweiligen Bedürfnissen abhängig. Einsatzgruppe aus der Arbeiter*klasse bieten zudem Möglichkeiten der Einbeziehung von Arbeiter*innen zum Thema der Solidarität mit Ureinwohner*innen.

Anarchosyndikalist*innen, vor allem nicht-indigene, können in Gebieten, in denen Aktionen zur Landverteidigung stattfinden, die Aufgabe übernehmen falsche Vorstellungen der weißen Bevölkerung vor Ort in Frage zu stellen. Ein Beispiel dafür ist die Gründung einer Gewerkschaftsgruppe während der Landforderungen der Six Nations in Caledonia (Ontario) auf Wunsch der indigenen Organisator*innen. Diese bestand überwiegend aus weißen Gewerkschafter*innen, die von Tür zu Tür gingen und Informationen über die Landforderung und die Geschichte des umstrittenen Landes usw. verteilten. Sowohl um die die Leute über die Vorgänge und Ursachen (entgegen der rassistischen Erzählungen in Politik und Medien) aufzuklären, wie auch zur Bekämpfung der rassistischen Stimmung in der Stadt.

Außerdem sollten Syndikalist*innen sich auch an wichtigen Vorbildern orientieren, wie durch Indigene geführtes Organisieren am Arbeitsplatz abläuft. So zum Beispiel die „Bows und Arrows“ [Pfeil und Bogen] der IWW Local 526, gegründet von indigenen Hafenarbeiter*innen im sogenannten „Vancouver“ (die nicht zurückgegebenen traditionellen Gebiete der First Nations xʷməθkʷəy̓əm (Musqueam), Sḵwx̱wú7mesh (Squamish) und səlilwətaɬ (Tsleil-Waututh)).

Syndikalismus darf daher nicht bedeuten, dass Arbeitsplätze oder Betriebe auf gestohlenem Land betrieben werden. Die Enteignung des Kapitals heißt, die Systeme von Einhegung, Enteignung und Kolonialismus zu beenden, auf denen das Kapital und der Kapitalismus aufbauen. Wahre ökologische Renaturierung – und Überleben – bedeutet eine Wiederherstellung des indigenen Landes. Das bedeutet die Landrückgabe, wie sie von den indigenen Bevölkerungen gefordert wird.

Quelle:
https://anarchistunionjournal.org/2024/04/11/anarcho-syndicalism-must-mean-land-back/

Übersetzung [und Anm.]:
Anarcho-Syndikalistisches Netzwerk – ASN Köln, https://asnkoeln.wordpress.com
(CC: BY-NC)

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Polen: Kriegshetze und Klassenkampf https://anarchosyndikalismus.blackblogs.org/2024/06/13/polen-kriegshetze-und-klassenkampf/ Thu, 13 Jun 2024 20:40:21 +0000 https://anarchosyndikalismus.blackblogs.org/?p=1547 Continue reading Polen: Kriegshetze und Klassenkampf ]]> Folgenden Text hat die Basisgewerkschaft ZSP-IAA veröffentlicht:

Aus historischen Gründen besteht in der Bevölkerung eine gewisse Angst vor Russland. Einige Jahre lang war diese Angst unterdrückt worden, obwohl sie stets in der polnischen Verteidigungsstrategie präsent war. Doch seit dem Beginn des aktuellen Ukraine-Krieges hat die militaristische Stimmung dramatisch zugenommen. Ebenso die allgemeine Unterstützung für die Verteidigungsausgaben und eine erhöhte Militarisierung des Landes.

Polen als NATO-Mitglied mit Grenzen zur Ukraine, Russland und Belarus spielte bisher eine aktive Rolle darin, ein aggressiveres Handeln gegenüber Russland (und in geringerem Maße aus gegenüber Belarus) zu fordern. Nicht nur in der Innenpolitik, sondern auch in der Europäischen Union und der NATO.

Die Militärausgaben wurden 2022 und 2023 mehr als verdoppelt und liegen momentan auf ihrem bisher höchsten Stand. Deren prozentuale Anteile des Bruttoinlandsprodukts in Polen lagen 2023 an oberster Stelle der Ausgaben in der EU. Und das Land hat einen der weltweit höchsten Anteile, womit es sogar die Vereinigten Staaten überholt. (Nur die Ukraine, Russland und Israel, sowie Algerien, Sausi-Arabien, Oman und Kuwait haben noch höhere Prozentzahlen für Militärausgaben.)

Die Regierung versucht mit aller Kraft, die Welt davon zu überzeugen, dass Polen ein sehr wohlhabendes Land ist. Indem sie Statistiken manipuliert um aufzuzeigen, dass man hier mit einem unrealistisch niedrigen Einkommensniveau überleben kann. Dabei setzt sie die offizielle Armutsgrenze noch unterhalb dessen an, was man zum Überleben benötigt. Dennoch sind aufgrund der steigenden Preise immer mehr Menschen kaum in der Lage über die Runden zu kommen. Während die Regierung immer mehr Geld in Militärausgaben pumpt und dauernd auf die riesige Bedrohung durch Russland verweiset, werden große Teile der öffentlichen Ausgaben unterfinanziert.

Es scheint nie genug Geld vorhanden zu sein, um den unentbehrlichen Arbeiter*innen, wie Pflegefachkräfte, Lehrer*innen und anderem Schul- und Krankenhauspersonal, eine Lohnerhöhung zukommen zu lassen. Diese organisieren häufig Streiks und Proteste, um eine Erhöhung ihrer skandalös niedrigen Löhne zu fordern, welche meist unter dem Durchschnittslohn liegen und teilweise nur knapp den Mindestlohn übersteigen. Besonders Familien der Arbeiter*klasse sind davon betroffen, da manche sich nicht die private Krankenversorgung leisten können, mit der viele reichere Leute die langen Warteschlangen in den öffentlichen Gesundheitseinrichtungen umgehen können. Um so schlimmer, dass die extreme Armut bei älteren Bürger*innen schnell ansteigt und in naher Zukunft explodieren wird, wenn die Renten für große Teile der Bevölkerung deutlich sinken werden.

Da die Regierung also nie Geld für solche Dinge hat, versucht sie stattdessen in der Bevölkerung Angst zu verbreiten, um bisher nie dagewesene Militärausgaben und eine erhöhte Anwesenheit ausländischer Truppen im ganzen Land zu rechtfertigen. Es sind weit über 10.000 amerikanische Soldat*innen in Polen stationiert und eine vergleichbare Anzahl von NATO-Truppen. Die Regierung sendet aktuell ihr 45. Paket militärischer Hilfe in die Ukraine und plant, weitere Trainingseinrichtungen für ukrainische Soldat*innen in Polen zu eröffnen. Die Militärhilfe für die Ukraine beträgt mittlerweile über 4 Milliarden Euro.

Doch obwohl Polen lautstark Hilfe für ukrainische Flüchtlinge angekündigt hatte, konnten wir tatsächlich beobachten, dass diese überwiegend von Privatpersonen organisiert wurde. Sowie durch eine großen Anzahl von gemeinnützigen Organisationen, die ebenfalls von Privatleuten finanziert wurden. Viel von der versprochenen Hilfe wurde niemals geleistet, beispielsweise die Unterkünfte für Geflüchtete in Warschau. (Durch unsere Mieter*innen-Organisation können wir derzeit vielen Ukrainer*innen helfen, die durch den Mangel an tatsächlicher Unterstützung oder die nur vorübergehend geleistete, geringe Hilfe im Stich gelassen wurden.)

Doch obwohl ein Großteil der vollmundig angekündigten „Hilfe“ für Geflüchtete nicht existiert, haben die polnischen Falken [= Hardliner] unter Führung von Radoslaw Sikorski [neoliberaler Außenminister] zahlreiche Vorschläge gemacht, wie man junge Männer aus Polen heraus und an die Front in der Ukraine schicken könnte. Dazu zählt auch die Weigerung, ihnen Dokumente auszustellen oder zu verlängern, sowie ihnen die Hilfsgelder zu kürzen, falls sie welche beziehen. Sikorski hat zudem vorgeschlagen, dass diese Politik europaweit eingeführt werden sollte.

Kürzlich machte er verächtliche Bemerkungen über diese „Drückeberger“ und bestand darauf, dass deren Platz an der Front sei in der Ukraine. Dabei scheint er mit „Drückeberger“ offensichtlich alle männlichen Ukrainer zu bezeichnen, unabhängig davon, dass vor dem Beginn der russischen Invasion bereits Hundertausende von ihnen in Polen lebten und arbeiteten. Sogar jene mit polnischem Wohnsitz fürchten nun, dass die Behörden Maßnahmen ergreifen werden, die den Aufenthalt in Polen erschweren könnten. Denn der militaristische Macho-Wahn geht davon aus, dass alle körperlich geeigneten Männer für die Idee der nationalen Selbstbestimmung ihr Leben riskieren sollten.

Natürlich hat all das auch einen Klassenaspekt, denn ärmere Leute haben meist weniger Möglichkeiten zu flüchten und werden vom Militär schneller als Kanonenfutter benutzt – vor allem in Kriegszeiten. Es ist daher kein Zufall, dass sowohl die Regierung, wie auch die extreme Rechte gleichzeitig versuchen die negativen Auswirkungen der ukrainischen Geflüchteten auf Polen zu übertreiben. Wobei die rechtsextreme Partei Konfederacja [Konföderation der Freiheit und Unabhängigkeit] ihre Wahlkämpfe hauptsächlich auf anti-ukrainische und flüchtlingsfeindliche Stimmungen aufbaut. Die wachsende rechtsxtreme Bewegung spricht sich gegen jede Militärhilfe für die Ukraine aus. Vor allem aufgrund ihrer Ablehnung der [trans-]atlantischen Beziehungen, wobei sie hauptsächlich ihre Meinung anhand migrationsfeindlicher Rhetorik kundtut.

A propos migrationsfeindliche Rhetorik: Diese deckt sich meist mit der Politik der polnischen Regierung bezüglich von Themen, wie der Militarisierung der Grenzen. Vor den letzten Parlamentwahlen gab es einen Korruptionsskandal wegen in großem Umfang verkaufter polnischer Visa. Und der aktuelle [konservative] Ministerpräsident Tusk startete eine höchst rassistische Kampagne zu dem Thema. Er nutzte die Tatsache aus, dass viele dieser Visa-Empfänger*innen aus Indien, anderen asiatischen Ländern oder dem Mittleren Osten kamen. Und Tusk antwortete darauf mit dem Versprechen, nicht nur die illegale Einwanderung zu zerschlagen, sondern die Einwanderung überhaupt. Während der vorherigen Regierung unter Tusk und seiner Partei [Bürgerplattform] hatte Polen seine Grenzen zugemacht und sich in der EU als führende Kraft bei der Verhinderung von Einwanderung dargestellt. Damals wurde auch beschlossen, die EU-Grenzschutzagentur Frontex in Warschau anzusiedlen.

Schon vor dem Beginn der aktuellen Krieges in der Ukraine waren viele Leute aus der Ukraine, Russland und Belarus nach Polen eingewandert. Denn viele von ihnen sind vor politischer Verfolgung geflohen oder kamen auf der Suche nach besseren Verdienstmöglichkeiten. Von denjenigen, die in Belarus im Gefängnis gesessen hatten, suchten hier viele Asyl. Zur Zeit kümmert sich die Regierung jedoch nicht um die russischen Leute, die vielleicht Kriegsdienstverweigerer oder vor Putins Regime davongelaufen sind. Viele Politiker*innen haben öffentlich die Meinung vertreten, dass russische Kriegsgegner*innen lieber in Russland bleiben und gegen Putin kämpfen sollten. Und das unabhängig davon, ob diese Leute wegen so etwas verfolgt wurden oder nicht.

Seit kurzem haben viele in der Regierung angefangen, die Einwanderung aus Belarus als ein Problem zu bezeichnen und den Verdacht verbreitet, dass aus Belarus „Putins Agent*innen“ kommen würden. Wir erinnern uns auch an die bewegten Monate, in denen Geflüchtete über die Grenze nach Belarus zurückgedrängt wurden. Polnische Regierungsvertreter*innen hatten von einem „hybriden Krieg“ gegen Polen und die Europäische Union gesprochen. Das Vorgehen den polnischen Regierung an der Grenze war offen rassistisch, besonders im Vegleich mit der Behandlung der ukrainischen Flüchtlinge zur gleichen Zeit. Dieses Schüren von Ängsten war meistens motiviert durch Rassismus und Klassenposition (denn die reicheren Leute aus denselben Ländern konnten hier viel einfacher ankommen), was zu einem verstärkten Polizeieinsatz an der Grenze führte. Nun wollen Sikorski und Co die Grenze in eine hoch militarisierte Zone verwandeln.

Präsentation des Projekts „East Shield“ samt der Minenfelder

Anfang Mai verkündete Polen sein fast 3 Milliarden teures Projekt „East Shield“ [Tarcza Wschodnia] zur Militarisierung der Grenze zu Belarus. Anfänglich hatte die Regierung sogar geplant die Grenzregion zu verminen. (Das Foto zeigt die Präsentation der Pläne des Stellvertretenden Verteidigungsministers Cezary Tomczyk in Warschau, auf denen deutlich das Minenfeld als solches benannt wurde.) Dies löste einen internationalen Skandal aus, da Polen den Vertrag von Ottawa unterzeichnet hat, der den Einsatz von Landminen verbietet. Donald Tusk musste diese Ankündigungen zurücknehmen und leugnen, dass dieser Einsatz geplant war.

Gleichzeitig widersprach Sikorski dann Tusk und behauptete, dass sie diese nur einsetzen würden, „wenn es nötig sei“. Es ist noch zu früh, um festzustellen, ob es Landminen an der Grenze geben wird oder nicht. Aber die ursprünglichen Pläne enthielten diese und machen deutlich, wie sehr die Regierung gewillt ist, die barbarischsten Methoden anzuwenden, um ihre Grenzen zu befestigen. Und das angesichts der hohen Kosten mit den genannten Auswirkungen auf die Grundbedürfnisse verarmter Menschen bzw. der Arbeiter*klasse.

Schließlich betrieb Tusk kürzlich Kriegshetze indem er Verschörungstheorien verbreitete, dass russische Saboteur*innen in der Europäischen Union mit Brandstiftung und verschiedenen Terrorakten diese Länder destabilisieren würde. (Hintergründe dazu im Guardian-Artikel: https://www.theguardian.com/world/article/2024/may/30/europe-on-high-alert-after-suspected-moscow-linked-arson-and-sabotage)

Das Handeln der polnischen Regierung – vor allem von Donald Tusk, der fast sofort mit Sicherheit behauptete, dass Russland ein Einkaufszentrum in Warschau niedergebrannt hätte – dient dazu, die Bevölkerung zu verängstigen und weitere militärische Ausgaben und kriegerisches Verhalten zu rechtfertigen. Zum Glück sind recht viele Leute, darunter auch viele in der örtlichen Stadtverwaltung, extrem ungläubig gegenüber diesen Verschwörungstheorien, besonders angesichts dessen, was sie über die Vorgänge in diesem Einkaufszentrum wissen.

Zur Vorgeschichte des in Warschau niedergebrannten Einkaufszentrums gehört, dass die Stadtverwaltung im Jahr 2009 versucht hatte, die beiden größten Märkte aus der Innenstadt zu vertreiben. Die Händler*innen, die zuvor auf diesen Märkten gearbeitet hatten, konnten im Jahr 2010 – falls sie sich das leisten konnten – stattdessen Verkaufsstände in dem neueröffneten Einkaufszentrum „Marywilska“ anmieten (was entgegen mancher Medienbericht keineswegs das größte Einkaufszentrum von Warschau und erst recht nicht von ganz Polen war.)

Viele der Händler*innen, die sich den Preis nicht leisten konnten, verlegten ihre Stände weiter an den Stadtrand oder außerhalb von Warschau. Unter denen, die im „Marywilska“ Handel betrieben waren viele Pol*innen und eine große Anzahl vietnamesischer und ukrainischer Leute. Man kann jedoch nicht davon ausgehen, dass alle dort Arbeitenden auch Besitzer*innen kleiner Familienbetriebe waren.

Von den 1.400 Verkaufsständen wurden einige von Einzelpersonen oder Familien (darunter auch Migrant*innen) betrieben, die selbst dort arbeiteten. Aber es gab auch Stände im Besitz von größeren Unternehmen mit Angestellten, welche teilweise zu schlechten oder gar illegalen Bedingungen arbeiteten. Dennoch lässt sich sagen, dass ein paar Tausend Leute von diesem Einkaufszentrum als ihre hauptsächliche oder einzige Einkommensquelle abhängig waren. Und der Verlust dieses Marktes war eine Tragödie für viele, die dort gearbeitet hatten.

Worüber man in der ausländischen Presse nichts erfährt (und auch nicht in der heutigen polnischen Presse, was die Verschwörungstheorie des Ministerpräsidenten bestärkt), ist, dass es in den letzten Monaten viele Proteste gab. Von Leuten, die in der Markthalle arbeiteten, darunter auch mehrere Proteste im Stadtzentrum von Warschau und beim Rathaus usw. Dabei handelte es sich um Mietproteste, denn die Standgebühren dort waren kurz zuvor unglaublich erhöht worden.

Die Miete war so hoch, dass die Kosten für einen Stand den Preis für die schickesten Verkaufsflächen in den angesehensten Lagen der Stadt überschritten hatten. Damit stiegen sie auf ein Vielfaches der durchschnittlichen Gewerbemieten in Warschau. Und dabei handelte es sich um ein unattraktives Gebäude an einem Ort in einer zuvor unattraktiven Gegend der Stadt. Seit 2010 hat sich jedoch viel verändert, vor allem durch den aktuellen Boom der Eigentumsspekulation. Und durch die Ausbreitung der Stadtentwicklungsprojekte bis in die Randbereiche der Innenstadt, wozu auch frühere Industriegebiete mit wenig oder fehlender Infrastruktur im Umkreis zählen.

Die Protestierenden zogen schließlich zum Rathaus, denn das Einkaufszentrum stand auf städtischem Gelände und die Stadt hatte das Bauprojekt schließlich gestartet, um die Händler*innen aus der Innenstadt zu vertreiben. Die Stadt versprach daraufhin „Mediationsversammlungen“ durchzuführen, die jedoch nichts ergaben. Einige der Händler*innen verloren ihr Geld und hatten Probleme aus ihren Verträgen auszusteigen, da diese zwei Jahre Laufzeit hatten. Der Manager der Hallen machte den Händler*innen dann den Vorschlag, dass sie an einen anderen Standort außerhalb von Warschau ziehen könnten. Danach brannte das Einkaufszentrum auf rätselhafte Weise durch eine höchst offensichtlich geplante Brandstiftung nieder.

Es ist bekannt, dass die Mehrheit der Brandstiftungen in Warschau „zufällig“ an Orten stattfinden, die zur „Entwicklung“ vorgesehen sind und wo bald darauf teure Immobilienprojekten neu entstehen. Daher lautet eine viel wahrscheinlichere Verschwörungstheorie (eine, der viele Leute Glauben schenken), dass man versucht hatte alle Händler*innen durch überhöhte Mieten loszuwerden, die sie in den Konkurs treiben sollten. Und wenn sie dann verschuldet waren, gab es einen legalen Grund dafür, ihnen die Pacht zu kündigen (welche ebenfalls eine lange Kündigungsfrist für die Eigentümer*innen hatte). Vielleicht war es daher einfacher, nach dem Brand die Versicherungssumme zu kassieren und dann ein anderes Bauprojekt auf dem Gelände zu beginnen, das sich nun in der Nähe anderer Entwicklungsprojekte befindet.

Entgegen der Tatsache, dass viele Leute dies für ein wahrscheinliches Szenario halten, haben die Medien die Behauptung von Tusk aufgegriffen, dass es sich um russische Sabotage handeln würde. Die in den Berichten genannten Informationen sind meist widersprüchlich und mysteriös. Unterschiedlichen Reportagen zufolge habe die CIA bestätigt, dass der russische Geheimdienst GRU in Polen Leute anwerben würde (darunter angeblich auch ukrainische Staatsbürger*innen), um Brandstiftung und andere Angriffe zu begehen. Mehrere Leute wurden verhaftet und wegen Terrorismus angeklagt. (Es ist jedoch unklar um wieviele Leute es sich handelt – einige Berichte sprechen von 9 und andere von 12 – und welche Taten ihnen vorgeworfen werden. Zu den genannten Brandstiftungen gehört auch eine Farbenfabrik und eine Lagerhalle für Europaletten.)

Wir leugnen nicht, dass es bezahlte Brandstifter*innen in Polen gibt. Die Unternehmen bedienen sich ihnen seit Jahren, um Versicherungsgelder zu kassieren. Wir leugnen auch nicht, dass Russland mit Agent*innen versucht die Lage in Polen zu destabilisieren. Und dass es Leute gibt, die dafür eine Reihe von Leuten in Verdacht hat, darunter einige der wichtigsten politischen Figuren. Doch angesichts der langen Geschichte von Regierungen und vor allem von Geheimdiensten, die Vorfälle konstruieren um Konflikte zu schüren oder sogar Kriege auszulösen, können wir die Wahrscheinlichkeit nicht ausschließen, dass es sich auch hierbei um so etwas handelt. Jedenfalls ist nicht viel zu erfahren über die Verhaftung verdächtigter Terrorist*innen, außer dass gesagt wird, dass keine*r der Verhafteten wegen Verbindung zu dem Brand der Marywilska angeklagt werde. Wobei Tusk mit voller Überzeugung behauptet, dass es sich um einen russischen Sabotageakt handeln würde.

Angesichts all dessen und durch das komplett durchgedrehte Gehabe von Putin, der immer mehr Drohungen gegen Polen ausstößt, steigert sich die Kriegshysterie. Sogar angeblich linke politische Zusammenhänge reden nun davon, wie wichtig es sei die NATO-Einsätze zu unterstützen und Geld für die zunehmende Militarisierung des Landes auszugeben. Zwar kostet diese Militarisierung die einfachen Leute aus der Arbeiter*klasse in diesem Land einiges, aber die russische Arbeiter*klasse kostet es weitaus mehr. Denn Putin bringt das Land durch die Kosten des Krieges in eine schwere finanzielle Notlage. Andererseits weiß Putin, dass die Leute rebellieren könnten, daher hat er zahlreiche Maßnahmen getroffen, um der Arbeiter*klasse mit Geschenken ihren Unmut abzukaufen. In Polen droht die Regierung nur mit der Kürzung der Sozialausgaben und lässt mehr Gelder in die Verteidigung fließen. Das spürt die Arbeiterklasse zwar, aber darüber ist sie sich nicht vollständig bewusst. Die Auswirkungen der Angst sind stärker als jede Erkenntnis über die wahren Kosten der zunehmenden Militarisierung.

Angesichts dieser Situation, hoffen wir, dass sich noch etwas anderes ergibt bevor wir uns inmitten eines Konfliktes wiederfinden, der einen Haufen verwirrter junger Leute in einen Krieg ziehen lässt um die Interessen von Macht und Kapitalismus zu verteidigen. Anstatt für eine stärkere Macht der Arbeiter*klasse und für internationale Solidarität zu kämpfen, gegen die Wahnsinnigen [Herrscher*innen] dieser Welt und gegen jene, die mit Tod und Zerstörung ihre Geschäfte machen.

Laure Akai
(ZSP-IAA Warschau)

Quelle: https://zsp.net.pl/recent-warmongering-and-class-war-poland

Übersetzung: Anarcho-Syndikalistisches Netzwerk – ASN Köln (CC: BY-NC)

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Anarchosyndikalismus international, Nr. 19, Frühjahr 2022 https://anarchosyndikalismus.blackblogs.org/2022/04/20/anarchosyndikalismus-international-nr-19-fruehjahr-2022/ Wed, 20 Apr 2022 19:23:38 +0000 http://anarchosyndikalismus.blackblogs.org/?p=1052 Continue reading Anarchosyndikalismus international, Nr. 19, Frühjahr 2022 ]]> Newsletter des ASN Köln, Nr. 19, Frühjahr 2022Anarchosyndikalismus international - nr19 - Fruehjahr 2022

+++ Gewerkschaftsinfos aus aller Welt +++

RUSSLAND: Nein zum Krieg!
SERBIEN: Verwandeln wir kapitalistische Kriege (…)
FRANKREICH: Friede den Hütten, Krieg den Palästen!
RUSSLAND: Hintergründe zum Krieg in der Ukraine
POLEN: Gegen den Krieg!
INTERNATIONAL: Anti-Kriegs-Kampf in Russland & Ukraine
RUSSLAND: Student*innen gegen den Krieg
FRANKREICH: Generalstreik statt Wahlkampf
SPANIEN: Gewerkschaftsprotest gegen NetCheck
ÖSTERREICH:Interview mit dem WAS
Gewerkschaft gewinnt gegen Reinigungsfirma
Ärger in der Wiener Elementarpädagogik
Arbeitskampf bei der Secession beendet

+++ Lokale Berichte +++

KÖLN: Nein zum Krieg in der Ukraine
Friedensprotest gegen russi­schen Wohnungsleerstand
Solidarität mit allen Kriegsflüchtlingen
Protest gegen rechte „Corona­maßnahmen-Kritiker*innen“
Mindestlöhne in der Kritik
Globaler Klimastreik
Spontandemo für Lützerath
Gedenken an Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten

(Download als PDF, 0,8 MB)

Creative Commons: BY-NC (ASN Köln)

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Anarchosyndikalismus international, Nr. 17, Herbst 2021 https://anarchosyndikalismus.blackblogs.org/2021/11/03/anarchosyndikalismus-international-nr-17-herbst-2021/ Wed, 03 Nov 2021 19:17:31 +0000 http://anarchosyndikalismus.blackblogs.org/?p=965 Continue reading Anarchosyndikalismus international, Nr. 17, Herbst 2021 ]]> Newsletter des Anarcho-Syndikalistischen Netzwerks – ASN Köln

Download als PDF (0,3 MB)

Anarchosyndikalismus international - nr17 - Herbst 2021
Nr. 17, Herbst 2021

+++ Gewerkschaftsinfos aus aller Welt +++

INTERNATIONAL: Aktionswoche gegen unbezahlte Löhne

BANGLADESCH: Unterstützung für Arbeiter*familien

SPANIEN: Unterstützung für Arbeitskampf bei CEX

SLOWAKEI: Klimastreik in Bratislava

FRANKREICH: Kritik am Gesundheitspass

CHILE: Rassistische Gewalt in Iquique

CHILE: Gedenken an Putsch und Staatsterror


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++ Lokale Berichte +++

KÖLN: Großdemo zum Klimastreik

KÖLN: Besuch bei GORILLAS

KÖLN: Tausende protestieren für Versammlungsfreiheit


Newsletter-Archiv:

https://asnkoeln.wordpress.com/download/anarchosyndikalismus-international/

Creative Commons: BY – NC

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Chile: Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in Iquique https://anarchosyndikalismus.blackblogs.org/2021/09/30/chile-rassismus-und-fremdenfeindlichkeit-in-iquique/ Thu, 30 Sep 2021 12:24:42 +0000 http://anarchosyndikalismus.blackblogs.org/?p=927 Continue reading Chile: Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in Iquique ]]> Die chilenische Gruppe Solidaridad Obrera (SO-IAA) hat Ende September 2021 folgende Erklärung veröfentlicht:

Stellungnahme zu dem rassistischen und fremdenfeindlichen Akt in Iquique / Chile [1]

Wieder einmal wird deutlich, wie der Staat zusammen mit jenen, die sich hinter dem verlogenen Patriotismus verstecken, die Hetze gegen Migrant*innen noch verstärken. Wir müssen mit ansehen, dass angesichts der schweigenden Zustimmung der Sicherheitskräfte und der selbsternannten Friedensfreund*innen, Angriffe auf Familien mit Kindern stattgefunden haben.

Dieser Terrormob hat gnadenlos jene Menschen angegriffen und verletzt, die bloß eine Möglichkeit suchen ein erträgliches Leben zu finden und den diktatorischen Regierungen und Wirtschaftskrisen zu entkommen, unter denen sie in ihren Herkunftsländern leiden müssen.

Demonstranten mit chilenischen Nationalfahnen verbrennen Zelte

Diese Art des politischen Terrors hat in den letzten Jahren stark zugenommen unter dem Schutz einer ultra-rechten Politik. Diese bezeichnet sich zwar selbst als liberal, aber verschleiert dadurch die tatsächlich vorhandene faschistische und konservative Ideologie. Solche und viele ähnliche Gruppierungen verbreiten in verschiedenen Ländern eine Erzählung, nach sich hinter der Einwanderung kriminelle und unmoralische Persönlichkeiten, sowie Menschenhandel verbergen würden, welche unsere Gesellschaft zerstören wollten.

Wir rufen alle Arbeiter*innen als Ausgebeutete und Unterdrückte zur Solidarität mit den Migrant*innen und ihren Familien auf. Unterstützt deren rechtliche Anerkennungsprozesse als Geflüchtete und organisiert den Schutz der Eingewanderten vor den Neonazi-Horden.

Der Diskurs, dass Migrant*innen faul, kriminell oder Menschenhändler*innen seien, ist derselbe, wie er in der Region „Kleiner Süden“ von den einst aus Italien, Deutschland und Kroatien eingewanderten Herrschaften geführt wird. Es sind die gleichen Behauptungen: Die Mapuche seien faul, kriminell und jetzt sogar auch Menschenhändler*innen.

Schluss mit der Gewalt der Nazi-Horden, die sich unter verschiedenen patriotischen Identitäten als Liberale verkleidet haben! Als „Arbeiter*solidarität“ [Solidaridad Obrera] lehnen wir diese Beispiele für Fremdenhass und Rassismus in Nordchile ausdrücklich ab. Ebenso, dass diese Gruppen auch in Araucania den selben Hass gegen indigene Menschen verbreiten.

Schluss mit Fremdenfeindlichkeit und Rassismus! Schluss mit der Verzögerung des Anerkennungsprozesses für Migrant*innen! Die Regierung, welche die Venezuelaner*innen während der Krise des Maduro-Regimes aufgerufen hatte nach Chile zu kommen, muss nun eine praktische Lösung für dieses humanitäre Problem finden.

Kein Mensch ist illegal!

Solidaridad Obrera

Quelle:
https://iwa-ait.org/content/statement-act-racism-and-xenophobia-iquique-chile

Übersetzung: Anarcho-Syndikalistisches Netzwerk – ASN Köln ((CC:BY-NC)

Anmerkung:
1) Im Norden Chiles hatte die Polizei Ende September 2021 ein Lager von illegal eingewanderten Venezulaner*innen auf einem zentralen Platz in der Stadt Iquique geräumt. Im Anschluss hatten fremdenfeindliche Demonstrant*innen deren zurückgelassene Zelte und Hausrat öffentlich in Brand gesteckt, sowie eine sofortige Schließung der nationalen Grenzen gefordert.

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Murray Bookchins Erbe: Eine syndikalistische Kritik https://anarchosyndikalismus.blackblogs.org/2021/03/25/murray-bookchins-erbe-eine-syndikalistische-kritik/ Thu, 25 Mar 2021 18:48:52 +0000 http://anarchosyndikalismus.blackblogs.org/?p=761 Continue reading Murray Bookchins Erbe: Eine syndikalistische Kritik ]]> Am 15.01.2021 jährte sich zum 100. Mal der Geburtstag von Murray Bookchin und vielleicht ist sein Beitrag zu radikaler Politik eine nähere Betrachtung wert:

Bookchin hatte sich in den 1930ern der kommunistischen Jugendbewegung angeschlossen, später jedoch die offiziellen marxistischen Organisationen verlassen und sich dem freiheitlichen Sozialismus zugewendet. Ein zentraler Punkt seiner Politik seit den Sechzigern Jahren bis an sein Lebensende [2006] war die Gegnerschaft zur Ausrichtung auf den Arbeiter*kampf, welcher im Syndikalismus und bei vielen Anarchist*innen – aber auch bei Marxist*innen – im späten 19. Jh. und frühen 20. Jh. im Mittelpunkt stand.

Logo der Workers' Solidarity Federation (WSA)

Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Generalstreiks und heftigen Straßenkämpfe von Arbeiter*innen nur noch verblasste Erinnerungen. In den Nachkriegsjahren festigte sich in den Gewerkschaften eine konservative Bürokratie. In der amerikanischen Arbeiter*klasse gab es in den 1960ern keine „kämpferische Minderheit“ mehr aus radikalen Arbeiter*innen, welche seit Anfang des Jahrhunderts bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs die amerikanischen Betriebe geprägt hatte. Dies führte dazu, dass einige Radikale sich auf die Suche nach einem neuen „Subjekt“ des revolutionären Wandels machten. Und Bookchin stand beispielhaft für diese Denkweise:

„Im Gegensatz zu den Erwartungen von Marx schwindet die industrielle Arbeiterklasse zahlenmäßig und verliert dabei immer mehr ihre traditionelle Klassenidentität. […] Die heutige Kultur [und] Produktionsweisen haben das Proletariat in eine weitgehend kleinbürgerliche Schicht verwandelt. […] Das Proletariat […] wird vollständig durch automatisierte und sogar verkleinerte Produktionsmittel ersetzt werden. […] Die Klassenkategorien sind nun durchsetzt mit hierarchischen Kategorien auf Grundlage von Rassismus, Geschlecht, sexueller Orientierung und vor allem nationalen oder regionalen Unterschieden.“

Dieses Zitat stammt aus Bookchins letztem Buch „Die nächste Revolution. Libertärer Kommunalismus und die Zukunft der Linken“ [The Next Revolution: Popular Assemblies and the Promise of Direct Democracy]. Es zeigt einen gewissen Mangel an Verständnis davon, wie Syndikalist*innen – und andere Sozialist*innen – die Arbeiter*klasse betrachten. Die Grundlage des revolutionären Potenzials der Arbeiter*klasse ergibt sich sowohl aus ihrer Stellung als Bevölkerungsmehrheit, wie auch aus ihrer offensichtlich unterdrückten und ausgebeuteten Lage. Arbeiter*innen besitzen keine eigenen Mittel, um für ihren Lebensunterhalt zu sorgen.

Daher sind wir gezwungen uns Jobs bei Arbeitgeber*innen zu suchen, um Löhne zu verdienen, die wir zum Leben benötigen. Und diese Vereinbarung zwingt Arbeiter*innen dazu, sich der autokratischen Herrschaft des Managements unterzuordnen, durch welche den Arbeiter*innen eine Kontrolle über jene Entscheidungen vorenthalten werden, welche sie im täglichen Betriebsablauf und bei der Gestaltung der Arbeitsplätze direkt betreffen. Die Arbeitgeber*innen besitzen die Produkte unserer Arbeit und benutzen sie, um Gewinne zu kassieren – also eine grundsätzlich ausbeuterische Situation.

Die Arbeiter*klasse ist vielfältig und besteht aus verschiedenen Schichten. Im Zentrum der Arbeiter*klasse stehen die Handarbeiter*innen, welche sich der Kontrolle durch eine Arbeitsverwaltung unterwerfen müssen und die selbst kein Teil des sie kontrollierenden Managements sind. Laut „The Working Class Majority“ von Michael Zweig betrifft das etwa 60 Prozent der Bevölkerung (wenn man alle Angehörigen und die Rentner*innen aus früheren Arbeiter*klasse-Jobs mitzählt).

Darüber hinaus sind weitere 15 Prozent aller Werktätigen als einfache „Facharbeiter*innen“ angestellt, welche ebenso dem Management unterstellt sind: Lehrer*innen, Schreibkräfte, Bibliothekar*innen, Programmierer*innen, usw. Diese Schicht hat höhere Bildungsabschlüsse und wird oftmals besser bezahlt als Handarbeiter*innen, aber gründet oftmals Gewerkschaften und ist ein potenzieller Bestandteil von Bündnissen der Arbeiter*klasse. Die Klasse der Arbeitenden verschwindet also nicht, sondern ist die Mehrheit der Bevölkerung.

Das „Industrieproletariat“ besteht aus Arbeiter*innen der „Schlüsselindustrien“ – nicht nur Produktion, sondern auch Transport, Betriebsmittel, Bauwesen und Rohstoffabbau (Steinbrüche, Öl und Erdgas, Forstwirtschaft). Die Arbeiter*innen in der hochindustrialisierten US-Landwirtschaft sollten hier ebenfalls mitgezählt werden, denn diese produziert die Grundnahrungsmittel. In den unterschiedlichen Bereichen der „Schlüsselindustrie“ arbeiten etwa 25 Prozent aller Berufstätigen in den USA.

Arbeitsplätze in der Produktion werden meist deshalb abgebaut, weil die Kapitalist*innen immer neue Technologien und wechselnde Arbeitsweisen einsetzen, um die Zahl von Arbeiter*innen pro Stunde je Outputeinheit zu verringern. Das ist keineswegs neu, denn es hat spätestens in den 1920er Jahren angefangen. Methoden zur Steigerung der Arbeitsleistung durch „schlanke Produktion“, welche als eine Form der Beschleunigung in den letzten 40 Jahren eingesetzt wurden, sind der anhaltende Trend. Dabei produzieren die USA weiterhin rund 17 Prozent der weltweiten Fertigung, obwohl nur 12 Prozent der Arbeiter*innen in diesem Bereich tätig sind.

Aber die Jobs in anderen „Schlüsselindustrien“, wie Transport und Bau, sind nicht in gleichem Maß zurückgegangen. Und diese Branchen sind für die US-Wirtschaft weiterhin bedeutend, denn sie machen etwa die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts aus. Daher würde das Entstehen einer kämpferischen Arbeiter*bewegung in diesem Wirtschaftsbereich eine große Schlagkraft hervorbringen.

Der Syndikalismus ist auf die Entwicklung einer Gewerkschaftsbewegung ausgerichtet, welche von den Arbeiter*innen kontrolliert wird und massiv eingreifen kann, um beispielsweise durch Streiks das Abfließen der Gewinne zur besitzenden Klasse zum Stillstand bringen kann. Durch das zunehmend globalisierte und verstreute Produktionssystem haben Logistik bzw. Transport und Lagersysteme zunehmend an Bedeutung gewonnen.

Daher haben Arbeiter*innen in Großbetrieben, z.B. in Produktion, Zulieferung und Transport, eine potenzielle Macht. Diese könnte dazu genutzt werden, die Interessen der Arbeiter*klasse durch die Entwicklung eines höheren Grades an Klassensolidarität voranzubringen. Darüber hinaus verfügt die Arbeiter*schaft über die Macht, die Kapitalist*innen von der Kontrolle über das System der gesellschaftlichen Produktion zu vertreiben. Sie könnten die Arbeitsplätze übernehmen und die Produktion in diesen Branchen auf Grundlage der Arbeiter*selbstverwaltung neu organisieren.

Diese Begründung der syndikalistischen Ausrichtung auf Arbeitskämpfe und betriebliche Selbstorgansiation wurde von Bookchin komplett ignoriert. Wenn die arbeitende Klasse die kollektive Verwaltung der Produktion übernehmen soll, muss es eine Arbeiter*bewegung in diesen Branchen geben, die das umzusetzen kann. Wie sollen sie sich denn sonst von der Unterdrückung durch das kapitalistische Arbeitsregime befreien?

Obwohl Syndikalist*innen die Bedeutung der „Schlüsselindustrien“ aus den genannten Gründen anerkennen, beschränken sie die Arbeiter*klasse nicht auf „das Industrieproletariat“. Oft geht es auch um Organisierung in anderen Branchen, wie Einzelhandel, Gesundheitswesen und andere Dienstleistungen. Das Ziel des Syndikalismus ist die Re-Organisierung der gesamten Wirtschaft durch die Selbstverwaltung von Arbeiter*innen.


Bookchin argumentiert, dass das geringe Ausmaß an Arbeitskämpfen seit dem Zweiten Weltkrieg dadurch bedingt ist, dass die Menschen keine lebendige Erinnerung mehr an die vorkapitalistische Zeit haben, als noch Kleinbäuer*innen ihre eigenen Höfe und Handwerker*innen ihre eigenen Werkstätten betrieben haben. Diese Theorie geht davon aus, dass das Streben nach „Arbeiter*kontrolle“ aus der Vertrautheit mit einer vergangenen Epoche entsteht, in der die Produzent*innen noch über ihre Arbeit selbst bestimmen konnten. Bookchin behauptet, dass die radikalen Arbeiter*innen im Zeitalter der großen syndikalistischen Gewerkschaften:

(…) „meistens Handwerker*innen waren, für die das Fabriksystem ein neues kulturelles Phänomen war. Viele andere hatten einen unmittelbar landwirtschaftlichen Hintergrund und waren nur eine oder zwei Generation entfernt von einem ländlichen Lebensstil. Bei diesen ‚Proletarier*innen‘ erzeugte die Fabrikdisziplin und ebenso das Eingesperrtsein in Fabrikgebäuden höchst unangenehme kulturelle und psychologische Spannungen. Sie lebten in einem Spannungsfeld zwischen einerseits einem vorindustriellen, durch Jahreszeiten geprägten und weitgehend entspannten Lebensstil als Handwerker*innen oder Bäuer*innen. Und andererseits einem Fabrik- oder Betriebssystem, welches ausgerichtet war auf Höchstleistung, stark rationalisierte Ausbeutung, unmenschliche Maschinenrhythmen, kasernenähnliches Leben in städtischen Ballungsräumen und außergewöhnlich brutale Arbeitsbedingungen. Daher verwundert es nicht, dass diese Art von Arbeiter*klasse extrem leicht aufzuwiegeln war und dass Straßenschlachten sich leicht zu einer Art Aufstand ausweiten konnten.“

Zunächst ist festzuhalten, dass diese Theorie eine unbegründete Form des wirtschaftlichen Determinismus ist, als ob die Wirtschaftsweise die Menschen direkt dazu „bringt“ bestimmte Dinge zu denken. Im Weiteren sind die Vorannahmen dieser Theorie falsch: Damals in den 1930ern hatte viele der radikalen Arbeiter*innen überhaupt keinen Hintergrund mehr als selbständige Handwerker*innen und Bäuer*innen aus vorkapitalistischer Zeit, oft waren bereits ihre Eltern und Großeltern schon Lohnabhängige.

Darüber hinaus sind die Kämpfe um die Kontrolle weiterhin ein Teil heutiger Arbeitskonflikte, beispielsweise wenn Krankenpfleger*innen die Personaluntergrenzen verteidigen. Erst kürzlich haben Raffinerie-Arbeiter*innen einen landesweiten Streik durchgeführt, weil sie für ihr Recht kämpfen, die Instandhaltungsarbeiten einzustellen, sobald sie diese für unsicher halten – auch das ist ein Kampf um die Kontrolle. Oder wenn sich Lehrer*innen für kleinere Klassen und für eine bessere Versorgung ihrer Schüler*innen einsetzen.

Um das relativ niedrige Niveau von Arbeitskämpfen in den letzten Jahrzehnten zu verstehen, bedarf es einer näheren Betrachtung der Art und Weise, wie die Aufstände der Arbeiter*klasse entstehen und sich nach und nach entwickeln in Zeiten von Streikwellen und ausgeweiteten Kämpfen. Auf solche Epochen folgt eine langwierige Periode des Organisierens, der Bemühungen um allgemeine Bildung, des Lernens aus gescheiterten früheren Kämpfen. Und schließlich durch eine steigende Anzahl aktiver Arbeiter*innen, welche sich radikalisieren und sich Fähigkeiten des Organisierens aneignen, usw. Daher ist ein höherer Grad an Arbeitskämpfen und die Entwicklung eines „Solidaritätsbewusstseins“ nicht einfach ein „automatisches“ Ergebnis der Bedingungen der Arbeiter*klasse.

Bookchin hat niemals ein neues „revolutionäres Subjekt“ gefunden – zumindest nicht in den USA. Und seine politische Strategie der Lokalpolitik macht wenig Sinn und konnte sich nicht durchsetzen. Die radikale kurdische Bewegung in der Türkei und Nordsyrien wurde von Bookchin beeinflusst und seine direktdemokratischen Ideen von Verwaltung wurden übernommen. Doch die Kurd*innen verfolgen eine andere Strategie…

Bei seiner Betonung der Möglichkeiten von Nachbarschaftsversammlungen als Teil einer freiheitlich-sozialistischen Verwaltung innerhalb der kommunalen Selbstorganisation lag Bookchin keineswegs falsch. Doch Versammlungen von Einwohner*innen fanden schon in früheren Zeiten im Zuge verschiedenster Kämpfe statt, weshalb Versammlungen von örtlichen Anwohner*innen immer eine besondere Rolle spielen. Doch als eine Strategie zum Wandel können sie die Bedeutung von Massenorganisierung und Kämpfen im Produktionsbereich nicht ersetzen, da die Arbeitenden dort direkt der unterdrückerischen Macht des Kapitals gegenüberstehen.

Bookchin hatte recht damit, dass die Auseinandersetzungen entlang der Verwerfungslinien von Rassismus, Geschlechtsidentität und ökologischer Zerstörung während der 1960er und `70er Jahre zunehmend in den Vordergrund und ins Zentrum gerückt sind. Die Kämpfe der schwarzen Freiheitsbewegung gegen die Segregation und andere Aspekte rassistischer Ungleichbehandlung, aber auch die Frauen*bewegung, sowie die Bewegung der Schwulen und Lesben, haben damals die gesamte Linke beeinflusst, ein besseres Verständnis von nicht-klassenbezogenen Aspekten der Gesellschaftsstruktur zu entwicklen, in denen die Freiheit mit Füßen getreten wird.

Und das hat ebenfalls die libertär-syndikalistischen Aktivist*innen und ihre Organisationen beeinflusst. Darüber hinaus muss sich unser Nachdenken über Strategien auch damit befassen, auf welche Art sich das System im Laufe der Zeit verändert hat, wie neue Themen in den Blick geraten, wie neue Bevölkerungsteile aktiv geworden und die Neuen Sozialen Bewegungen entstanden sind.

Unser strategisches Denken muss diese neuen Dinge miteinbeziehen, aber das kapitalistische System in den USA hatte schon immer einen rassifizierten und geschlechtsidentitären Charakter. Und diese Arten von Unterdrückung sind stets auch am Arbeitsplatz vorhanden und wirken sich darauf aus, wie die Institutionen des Systems handeln. Verschiedene Unterdrückungsformen wirken sich direkt auf unterschiedliche Bevölkerungsteile der vielfältigen Arbeiter*klasse aus.

In der Parole „Ein Angriff auf eine*n ist ein Angriff auf alle“ wird daher die Klassensolidarität ausgedrückt. Wenn eine Teilgruppe der Klasse von einer besonderen Ungerechtigkeit betroffen ist (wie rassistische Diskriminierung, sexuelle Belästigung, rassistische Polizeimorde oder Angriffe auf Migrant*innen), dann würde es eine Verweigerung von Solidarität bedeuten, wenn diesen Gruppen in ihrem Bemühen Beschwerde einzureichen keine praktische Unterstützung angeboten würde.

Die Arbeiter*klasse kann sich solange nicht selbst befreien, bis sie sich in eine Bewegung „verwandelt“ hat, welche die allgemeine soziale Befreiung zum Ziel hat. Indem sie sich mit Themen auseinandersetzt, wie das unterdrückerische Wesen des Staates, die Muster rassistischer und geschlechtlicher Ungleichheit, sowie den ökologisch verheerenden Charakter des kapitalistischen Wachstums. Die Arbeitenden können in ihren Kämpfen gegen die herrschenden Klassen jedoch nicht erfolgreich sein, wenn sie nicht in der Lage sind, die vielfältigen Menschengruppen zusammenzubringen. Und wenn wir uns nicht in gesteigertem Maße gegenseitig in unseren Kämpfen unterstützen.

Tom Wetzel

Quelle:
ideas&action (Workers‘ Solidarity Alliance),
http://ideasandaction.info/2021/01/murray-bookchins-legacy-syndicalist-critique/

Übersetzung:
Anarcho-Syndikalistisches Netzwerk – ASN Köln
(https://asnkoeln.wordpress.com)

CC: BY-NC

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