Feminismus – AJF https://antifaschistischejugendfreiburg.blackblogs.org Antifaschistische Jugend Freiburg Wed, 25 Nov 2020 18:29:56 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 https://antifaschistischejugendfreiburg.blackblogs.org/wp-content/uploads/sites/1237/2020/02/cropped-LOGO-Kopie-300x300-32x32.png Feminismus – AJF https://antifaschistischejugendfreiburg.blackblogs.org 32 32 „We should all be feminists“ – Aber bitte doch nicht so https://antifaschistischejugendfreiburg.blackblogs.org/2020/11/23/we-should-all-be-feminists-aber-bitte-doch-nicht-so/ Mon, 23 Nov 2020 20:16:50 +0000 http://antifaschistischejugendfreiburg.blackblogs.org/?p=704 In den letzten Jahren hat sich immer häufiger das Wort „Feminismus“ in allen möglichen Variationen finden lassen. Es scheint als wenn mensch um als richtige*r Feminist*in zu gelten, nur zu H&M gehen muss und sich ein solches Shirt holen. Die tausenden Frauen* die für die Produktion diese Shirts ausgebeutet wurden, werden dabei schnell vergessen.
Und überhaupt symbolisieren diese Shirts die Bedeutungslosigkeit, die das Wort „Feminismus“ in den letzten Jahren bekommen hat. Zwar bezeichnet sich die Mehrheit der jungen, weiblich gelesenen Personen in Deutschland als Feminist*innen, jedoch bleibt es meist bei der Bezeichnung. Vielleicht kommt auch noch ein Social Media Post dazu.
Social Media ist allerdings ein gutes Stichwort. Denn im 21. Jahrhundert scheinen sich Instagram, Twitter und co. zu einem beliebten politischen Mittel der Mehrheit der Gesellschaft entwickelt zu haben und sei es unbewusst, um mit „trendy“ captions zu aktuellen Themen Likes zu bekommen.
Dazu gehört auch #MeToo, der bedeutsamste Hashtag in Bezug auf sexuelle Belästigung und sexualisierte Gewalt von FLINTA*-Personen. Mit diesem Hashtag bekamen tausende von ihnen die Möglichkeit offen über ihre Erlebnisse reden zu können und so manches täterschützende Umfeld wurde gebrochen und Täter zur Verantwortung gezogen.
Auch gab es insbesondere in den USA nach der Wahl von Donald Trump viele sogenannte „womens marches“ , Proteste von Frauen gegen sexuelle Belästigung und Unterdrückung.
Allerdings kam das nicht bei allen gut an. Vor allem viele cis-Männer, insbesondere aus dem konservativen Spektrum, aber auch aus allen politischen und gesellschaftlichen Lagern. Für sie wurde ein Jahrtausende alter Mantel des Schweigens und durch Sozialisierung teilweise akzeptiertes Verhalten verteufelt und gebrochen. Auch wurden sie jetzt für ihr Verhalten zur Rechenschaft gezogen, was ebenfalls nicht gut ankam. Das Wort „Feminismus“ kommt für sie einem Schimpfwort, etwas Schlechtem gleich und damit auch in Teilen der Gesellschaft, da cis-Männer immernoch den größten Teil in höhergestellten Positionen ausmachen und ihnen generell mehr Glauben geschenkt wird.
Aber zum Glück bekam die Debatte um sexuelle Belästigung auch viel Zustimmung und Tausende weltweit solidarisierten sich mit Betroffenen und stellten sich offen als Feminist*innen dar.
Leider ist Darstellung auch eine gute Beschreibung für den modernen Mehrheitsfeminismus. Die Instagramseite „feminist“ ist ein gutes Beispiel hierfür. Dort werden feelgood Bilder gepostet, die zwar in die richtige Richtung gehen und wichtige Themen wie zum Beispiel Kritik an Schönheitsidealen oder Konsens aufgreifen, aber trotzdem leer und effektlos sind, jedoch Feminismus und feministische Ideen auf schlaue und ästhetische Art und Weise in die Gesellschaft tragen. Zum jetzigen Zeitpunkt hat diese Seite über eine Millionen Follower.
Das Wort „Feminismus“ scheint mit einer Art Fluch belegt zu sein, der die bekennende Feministin* dazu zwingt bei ihrem Bekenntnis sofort zu schwören sie hasse ja keine Männer und diese radikalen Feminist*innen fände sie ja auch daneben.
Denn leider scheint in unserer Gesellschaft der moderne Feminismus für Akzeptanz nicht über Shirts, Aufnäher und social media hinausgehen zu dürfen. Und auch hält sich der Gedanke, Feminist*innen würden das Matriarchat, sprich die Herrschaft der Frauen, errichten wollen, hartnäckig. Interessanterweise scheint sich niemand am jahrtausende langen bestehen das Patriarchats zu stören. Denn das ist ein fester und bis vor gar nicht all zu langer Zeit unangetasteter Bestandteil unserer Gesellschaft. Und somit ist auch der Gedanke sich davon zu lösen insbesondere für cis-Männer neu und befremdlich. „Feminismus“ wird als Wort schnell zu einer Bedrohung, insbesondere wenn der*die Hörer*in sich nicht damit auseinandergesetzt hat, was eigentlich dahinter steckt. Dann würden nämlich mehr Menschen verstehen, dass die grundsätzlichen Ideen des Feminismus unsere Gesellschaft voranbringen würden und unser Zusammenleben und unsere Lebensrealitäten für alle Menschen, egal welchen Geschlechts, besser und schöner machen würden.
Zum Glück haben das einige schon erkannt, denn feministische Themen sind insbesondere seit #MeToo an der Tagesordnung und bekommen Gehör. Natürlich ist der Feminismus keine Erfindung des 21. Jahrhunderts und mindestens genauso lange wie es ich gibt, wird es Gegner*innen verwehrt sich nicht damit auseinander setzen zu müssen Allerdings wird es ihnen in den Zeiten von Social Media schwer gemacht. Und auch hat #MeToo die Gesellschaft wachsamer gemacht und dazu gebracht Verhalten und Aussagen zu hinterfragen, die sie vorher mindestens abgetan hätten.
Ebenfalls tun die Shirt-Träger*innen und Instagrammer*innen ihr bestes um das Wort „Feminismus“ in die Gedächtnisse der Menschen und somit in ihr Leben zu bringen. Denn sei das auf den ersten Blick eine sehr leere und rein darstellerische Variante des Feminismus die nichts bezweckt, wird auf den zweiten Blick klar, dass es eigentlich auch seinen Teil beiträgt und noch dazu eine geschickte (und dazu gesellschaftlich akzeptierte) Art und Weise ist, Menschen mit dem Feminismus bekannt zu machen.
Die gesellschaftliche Perspektive auf den Begriff „Feminismus“ ist vielschichtig. Ein klares Urteil zu fällen ist unmöglich. Denn was diese Urteil wäre, würde von Mensch zu Mensch unterschiedlich sein und ebenso ist unsere Gesellschaft ständig im Wandel, weshalb ein klares Urteil ohnehin nicht möglich ist.
Abschließend lässt sich nur sagen: „We should all be feminists“- und zwar genau so!

 

Interview zu diesem Text (RDL)

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Ein queer*-feministischer Auftakt https://antifaschistischejugendfreiburg.blackblogs.org/2020/10/26/ein-queer-feministischer-auftakt/ Mon, 26 Oct 2020 17:54:13 +0000 http://antifaschistischejugendfreiburg.blackblogs.org/?p=656 Der Gedanke, dass Feminismus heutzutage bei „uns“ nicht mehr so eine große Rolle spiele, ist weit verbreitet. Frauen hätten ja bereits eine gleichberechtigte Rolle, was gibt es denn noch?
Das mag mittlerweile vielleicht rein gesetzlich, zumindest in Deutschland, der Fall sein. Aber in der Realität sieht unser Alltag anders aus: Frauen* werden belächelt, sexuell belästigt und die gesellschaftliche Erwartung, den engen Rollenbildern zu entsprechen, ist einschränkend und diskriminierend, besonders Menschen gegenüber, die aus welchen Gründen auch immer nicht in diese Norm passen.

Die Tatsache, dass Frauen* darüber nachdenken müssen, was sie anziehen, um als gleichwertig wahrgenommen zu werden, ist so absurd und doch alltäglich. Wir leben in einem ständigen Widerspruch zwischen „sexy und prüde“, zwischen „ungepflegt und nuttig“, zwischen „Hure und Heilige“. Immer ist etwas falsch.

Auch weiblich gelesene Menschen in traditionell männerdominierten Bereichen ganz besonders hervorzuheben, um ach so tolerant zu sein, ist kritisch. Zwar ist der Hintergrund vielleicht „wir sind für Gleichberechtigung, wir tolerieren eine Frau* bei uns“ aber so wird unbewusst eine Frau* als etwas Außergewöhnliches und somit Unnormales in diesem Posten gekennzeichnet.

So was passiert unbewusst andauernd, vor allem in Bereichen der körperlichen Arbeit und das selbst in in linkspolitischen oder vermeintlich gleichberechtigten Umgebungen. Es kommt immer wieder zu Sätzen wie „Ich brauche hier mal eben zwei starke Jungs/Männer!“ oder „Sicher, dass dir das nicht zu schwer ist? Mach dir mal deinen Rücken nicht kaputt!“. Vielleicht nett gemeint, aber dadurch wird das Gefühl vermittelt, nicht mithalten zu können, wenn mensch sich nicht mit besonderer Stärke zu behaupten weiß. Im körperlichen Bereich ist das vielleicht noch irgendwie biologisch zu begründen, aber im Intellektuellen völliger Schwachsinn. Und trotzdem wird ein Mädchen, die als Einzige Physik Leistungskurs gewählt hat oder Ingenieurwissenschaften studiert, auf die selbe Art und Weise auf die Probe gestellt und ihre Kompetenz konstant angezweifelt.

Doch die Differenzierung zwischen Sexismus und Alltag wird immer schwieriger. Was früher die Worte „geh zurück in die Küche, Weib“ waren, sind heute halb ernstgemeinte Sprüche wie „die Frauen und das Einparken“ oder „Männer weinen nicht“. Der Kampf ist derselbe, doch es ist komplizierter geworden zwischen Witzen und Diskriminierung, zwischen Manipulation und Selbstbestimmung, ja zwischen Komplimenten und Belästigungen zu unterscheiden. Sprechen wir heute einen Menschen auf sexistisches Verhalten an, war dies im Nachhinein doch nur ein „Scherz“ und sowieso nicht so gemeint. Und ob wir denn keinen Spaß verstehen würden.

Deshalb wollen wir hiermit eine queer*feministische Textreihe beginnen, in der wir informieren, uns mit verschiedenen Themen auseinandersetzen, unsere Gedanken teilen und zum Handeln aufrufen wollen.

GoFeminism!

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Redebeitrag zum CSD https://antifaschistischejugendfreiburg.blackblogs.org/2020/09/27/csd-rede/ Sun, 27 Sep 2020 21:17:55 +0000 http://antifaschistischejugendfreiburg.blackblogs.org/?p=635 Wir sind die Antifaschistische Jugend Freiburg und möchten heute erklären “ Warum LGBTQ+ und Antifaschismus nicht zu trennen sind.“
Wir stehen vermummt hier aus Selbstschutz, da es immer wieder Angriffe auf Antifaschist*Innen von Rechten und/oder polizeilichen Repressionen gibt.
 
„In a racist society it is not enough to be non racist, you  have to be antiracist“
„In einer rassistischen Gesellschaft reicht es nicht aus „nicht rassistisch“ zu sein , wir müssen antirassistisch sein.“
– Angela Y. Davis
 
Wie bei Rassismus reicht es bei Homofeindlichkeit, Transfeindlichkeit und Ähnlichem nicht aus, Betroffene zu tolerieren und oder zu akzeptieren, wir müssen aktiv gegen jegliche Diskriminierung vorgehen.
Der erste Schritt ist, zu erkennen, dass es eine sowohl gesellschaftliche als auch systematische Unterdrückung der Queer Community gibt.
Diese reicht von der leicht hingesagten Bezeichnung „Schwuchtel“ bis zur gezwungenen Selbstindentifikation am Arbeitsplatz. Für außenstehende Personen mögen das nur harmlose Kleinigkeiten sein, doch oft können sie Auswirkungen nicht sehen, die solche täglichen „Kleinigkeiten“ auf einen betroffenen Menschen haben. Schnell dahin Gesagt, kurz gelacht und schon wieder vergessen, so schleichen sich diskriminierende Aussagen in viele Gespräche sozialer Gruppen ein. Vergessen jedoch nicht von der betroffenen Person.
Spricht Mensch sich dagegen aus kommt oft nur die Antwort „Es ist ja nur Satire oder schwarzer Humor.“ Auch wenn die Personen ihre Aussagen nicht immer ernst meinen, richtet diese Diskriminierung trotzdem eindeutige Schäden an. Wiederum ernst gemeinte Aussagen werden damit legitimiert und können von Pseudosatire nicht getrennt werden.
Betrachten wir dieses Problem intersektionell, wird klar, dass es im Grunde auf jede Minderheit zutrifft. Und es gilt: die Diskriminierung der LGBTQ+ Community kommt oft von denselben Personen, die sowohl Rassistisch, Sexistisch als auch Antisemitisch handeln.Das haben wir in den letzten Monaten bei der Bewegung der Corona Leugner*Innen gesehen, wo offen rechte Sprüche zu finden sind. Wie zum Beispiel in Freiburg, wo der holocaustrelativierende Satz „Impfen macht frei“ in der Schrift des Eingangsschildes von Auschwitz auf einem Plakat zu sehen war. Unter den Teilnehmer*Innen und Organisator*Innen dieser Bewegung befinden sich auch bekannte rechte Personen und Gruppen wie Robert Hagermann, Mitglied der Freiburger AfD, oder die City Kobras, ein rechter Motorrad Club, der durch seine Verbindung zu den Hells Angels auffällig geworden ist.
Aber auch Queerfeindlichkeit wird unter Coronaleugner*Innen immer wieder offen dargestellt, wie zum Beispiel vor ein Paar Wochen in Wien bei den Querdenkern: Mit den Worten „Ich werde keine Kinderschänder akzeptieren und ihr seid kein Teil der Gesellschaft“ wurde die Regenbogenflagge zerissen, während das Publikum laut grölte.Allgemein erfahren wir gerade in ganz Europa und darüber hinaus einen Rechtsruck. In Deutschland die immer stärker werdende AfD, in der Türkei  ein diktatorisches Regime, am Mittelmeer wo Menschen nicht auf das Festland gelassen werden und entweder im Meer ertrinken oder über Monate in Massenlagern verenden und in Polen, wo es seit wenigen Monaten sogenannte „queer freie Zonen“ gibt. Mittlerweile haben sich etwa ein Drittel der polnischen Stätte als solche ausgesprochen. Gleichgeschlechtlich gelesene Pärchen müssen sich auf der Straße fürchten jederzeit von Passant*Innen verbal oder körperlich angegangen zu werden. Die Mächte dahinter sind faschistische. Und die Kämpfe gegen diese müssen zusammenhalten. Die Leute die diese Hass geprägten Zonen in Polen durchsetzen wollen sind dieselben Menschen die sich weigern geflüchtete Menschen aufzunehmen, es sind dieselben Menschen die eine Pandemie ausnutzen um rechte Propaganda  zu verbreiten und es sind die selben Menschen die aus Geiz und Gier die Zerstörung unseres Planeten leugnen. Unsere Kämpfe sind intersectional und mindestens durch gemeinsame Feinde nicht voneinander zu trennen

Und deshalb sagen wir: CSD ist Antifaschistisch!

Und das ist nicht nur unsere Meinung: Der Freiburger CSD bekennt sich von Anfang an klar und deutlich gegen Faschismus, Rechtsradikalismus, Nationalismus und gegen alle anderen antiemanzipatorischen Kräfte. Deswegen war der Freiburger CSD in den vergangen Jahren immer wieder Shitstorms ausgesetzt. Es gab Kommentare wie „er ist von der Antifa unterwandert und sollte vom Verfassungsschutz überwacht werden“ und “ ich bin schwul und rechts und fühle mich nicht repräsentiert.“
Dabei liegen die Wurzeln unserer alljährlichen Pridefeierlichkeit im Aufbegehren von Menschen in der NewYorker Christopher Street 1969, wo es gewalttätige Angriffe von Rechten, insbesondere der New Yorker Polizei, an trans-homosexuellen Zielpersonen gab. Von Misshandlungen und Willkür waren besonders Personen Afroamerikanischer und Lateinamerikanischer Herkunft betroffen.
Die daraus entstandene Bewegung ist von Anbeginn und weiterhin Antifaschistisch!
Wenn du dich aus diesen Gründen vom CSD nicht repräsentiert fühlst, ist das auch gut so.

Siamo tutti Antifascisti

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Gemeinsam am 8. März https://antifaschistischejugendfreiburg.blackblogs.org/2020/03/03/gemeinsam-am-8-maerz/ Tue, 03 Mar 2020 16:26:34 +0000 http://antifaschistischejugendfreiburg.blackblogs.org/?p=244 „Die Teilnahme der Frau an den Interessen des Staates ist nicht alleine ein Recht, sie ist eine Pflicht der Frauen“ – Luise Otto-Peters
Damit war sie dem Denken ihrer Zeit ca. 70 Jahre voraus. Erst 1910 forderte Clara Zetkin auf der zweiten sozialistischen Frauenkonferenz in Kopenhagen einen Frauenkampftag, mit genau diesem Ziel, Frauen die politische Partizipation zu ermöglichen.
Dieser Tag existiert auch heute noch um auf aktuelle Problematiken aufmerksam zu machen und weiterhin für die Gleichberechtigung der Geschlechter zu kämpfen.
Aber hat so ein Tag in unserer heutigen, scheinbar aufgeklärten Gesellschaft überhaupt noch Relevanz? Oder drastischer ausgedrückt: ist Feminismus überhaupt noch notwendig?
Zur Beantwortung dieser Frage muss mensch sich erst einmal damit auseinandersetzen, was Feminismus eigentlich ist/war und welche Rolle er spielt und gespielt hat.

„Feminismus ist ein Oberbegriff für gesellschaftliche, politische und akademische Strömungen und soziale Bewegungen, die basierend auf kritischer Analysen von Geschlechterordnung, für Gleichberechtigung, Menschenwürde und Selbstbestimmung aller Menschen jeglichen Geschlechts sowie gegen Sexismus einsetzen und diese Ziele durch entsprechende Maßnahmen umzusetzen versuchen“, so Wikipedia, doch diese Definition kratzt nur an der Oberfläche dessen, was Feminismus bedeutet (hat) und zeigt, wie viel hinter dem Begriff „Feminismus“ steckt.

Feministische Denkansätze sind so alt wie patriarchale Strukturen selbst, aber erst die französische Revolution hat das Thema nachhaltig ins gesellschaftliche Bewusstsein gerückt und dort verankert. Das allgemeine Frauenbild dieser Zeit ging davon aus, dass Frauen aufgrund ihrer „natürlichen Geschlechtseigenschaften“ einen Mann als Vormund bräuchten und schwach und wehrlos seien.
Im Laufe der französischen Revolution entwickelten damalige Feminist*innen das sogenannte Egalitätskonzept mit der Forderung, Frauen in die Ideen von Freiheit und Gleichheit mit einzubeziehen. Allerdings setzten sich diese Forderungen nicht durch und so blieb Frankreich nach der Revolution bei seinen davor herrschenden patriarchalen Strukturen.

In Deutschland wurde der Feminismus erst Mitte des 19. Jahrhunderts mit dem Beginn der ersten Welle populär. Diese wurde insbesondere am Anfang von bürgerlichen Feminist*innen dominiert, welche sich einen besseren Zugang zu Bildung für Mädchen und Frauen zum Ziel gesetzt hatten um so unabhängiger zu werden. Dieses Ziel erreichten sie, zumindest zum Teil – 1908 wurde die sogenannte „Mädchenschulreform“ verabschiedet und kurz darauf folgte ein Gesetz, das Frauen auch eine Parteimitgliedschaft ermöglichte.

Ab den 1890er, durch das Dazustoßen der proletarischen Frauenbewegung, zählte dann auch das Frauenwahlrecht zu den Forderungen der ersten Welle. Um das zu erreichen wurde auf der zweiten sozialistischen Frauenkonferenz 1910 der Wunsch nach einem internationalen Frauenkampftag laut.
Solch ein Tag fand bereits im März 1908 in den USA ein erstes Mal statt, dort hatten Frauen verschiedenster politischer Orientierungen gemeinsam in New York für bessere Lebensumstände demonstriert und damit bei europäischen Sozialist*innen Anklang gefunden. Und so wurde am 19.03.1911 der erste Frauenkampftag in Dänemark, der Schweiz, Deutschland und Österreich-Ungarn veranstaltet.

In den nächsten Jahren, vor allem während des ersten Weltkriegs, war der Frauenkampftag starken Repressionen ausgesetzt und teilweise sogar illegal, aufgrund der Einstellung gegen Krieg und für Frieden vieler damaliger Feminist*innen. Trotzdem wurde er jedes Jahr begangen, wenn auch oft im Geheimen und mit wechselnden Daten.

Am 12. November 1918 trat das Frauenwahlrecht in Kraft und schien den Frauenkampftag überflüssig werden zu lassen – doch das wurde er nicht. In den folgenden Jahren, während der Weimarer Republik, wurde er sogar zweimal jährlich veranstaltet. Schuld daran war die ideologische Spaltung zwischen KPD und SPD und somit bürgerlicher und proletarischer Frauenbewegung.
Trotzdem folgten beide den gleichen Zielen und Forderungen, wie geringere Arbeitszeiten ohne Lohnkürzungen, Senkungen der Lebensmittelpreise, besserer Schulzugang und legale Schwangerschaftsabbrüche.

Im NS-Regime wurde der Frauenkampftag aufgrund seines sozialistischen Ursprungs und emanzipatorischen Charakters verboten, stattdessen wurde der Muttertag zum gesetzlichen Feiertag, da er dem nationalsozialistischen Frauenbild besser entsprach.
Das Begehen des 8. März wurde während dieser Zeit zu einer Art Erkennungsmerkmal unter Sozialistinnen, Kommunistinnen und Widerständler*innen – rote Tücher wurden aus Fenstern gehangen und Flugblätter verteilt, die zum Widerstand gegen die Nazis aufriefen.

Später, im geteilten Deutschland, wurde der Frauenkampftag sowohl in der DDR als auch in der BRD begangen, wobei er im Osten seinen ursprünglichen sozialistischen Charakter wieder bekam und im Westen mit der Zeit zu einem Tag für Frieden und gegen Aufrüstung wurde.
Ungefähr zeitgleich kam mit den 68ern die zweite Welle des Feminismus auf: Beteiligte Student*innen kritisierten die Bewegung als zu männlich dominiert und patriarchal. Sie versuchten ein feministisches Gegenstück zu den herrschenden andropozentrischen Wissenschaften zu schaffen. Im Kontext des Feminismus der zweiten Welle, fiel auch erstmals der Begriff des „doing gender“, der Geschlecht als soziales Konstrukt begreift und zwischen sex und gender differenziert. Auch wurde zum ersten Mal Kontext zwischen Patriarchat und Kapitalismus geschaffen.
Etwas später, nach der Wende, kamen dann in Deutschland weitere feministische Strömungen auf, hauptsächlich mit Ursprung in den USA. Am bekanntesten sind wohl der black feminism, der Diskriminierung aus einer postkolonialen Perspektive betrachtete und das Konzept der intersections einführte (Diskriminierung passiert aufgrund verschiedener Merkmale, die einander beeinflussen), und der queere Feminismus, welcher vor allem die heteronormativen und geschlechtlich binären Perspektiven des bürgerlichen Feminismus kritisiert.
Trotz all der bewegungsinterten Widersprüche wurde der Frauenkampftag auch nach der Wende regelmäßig jedes Jahr am 8. März veranstaltet. Dabei war die Themensetzung stets unterschiedlich, dieses Jahr steht zum Beispiel Kehrarbeit im Fokus.

Seit dem Beginn der ersten Welle der Frauenbewegung hat sich auf dem Gebiet der Geschlechtergleichberechtigung viel getan und verbessert. Aber gerade in Anbetracht der großen feministischen Erfolge, steht natürlich wieder die Frage im Raum, ob dieser Tag und Feminismus im Allgemeinen bei uns überhaupt noch notwendig sind, wo doch nach landläufiger Meinung Gleichstellung schon erreicht ist oder, wenn man WikiMANNIA Glauben schenken möchte, Frauen* Männern bereits übergeordnet sind?

Unsere Antwort darauf? Ja, wir brauchen Feminismus! Jede 7. in Deutschland lebende Frau* ist bereits Opfer von sexualisierter Gewalt geworden und täglich werden es mehr; rund 70.000 Frauen sind von Genitalverstümmlung betroffen (mensch geht in beiden Fällen von einer deutlich höheren Dunkelziffer aus) – aber natürlich äußern sich Sexismus, Unterdrückung und patriarchale Strukturen auch in weniger brutalen Formen. Trotzdem ist auch der „gut gemeinte“ Sexismus, den Frauen in Form von Catcalling und Co erleben enorm abwertend. Noch immer existieren Geschlechterrollen, die Menschen schon ab Kleinstkindalter in vorgefertigte Rollen zwingen. Wir müssen immer noch für unser Recht auf Schwangerschaftsabbrüche kämpfen, was uns die Selbstbestimmung über unseren Körper verwehrt. 45% aller von Frauen* verrichteter Arbeit bleibt unbezahlt. Tausende von Mädchen* und Frauen* versuchen, sich bis auf die Knochen herunter zu hungern nur um gängigen Schönheitsidealen zu entsprechen (rund 0,5% aller Frauen* zwischen 12 und 35 Jahren sind von Essstörungen betroffen). Identitäre und Neonazis schreiben sich vermehrt einen vermeintlichen Feminismus auf die Fahnen, der jedoch in keinster Form mit rechten Ideologien vereinbar ist und nur dem Zweck dient, Frauen* auf die eigene Weise unterdrücken zu können und Islamophobie zu schüren, wie zum Beispiel bei der „rechtsfeministische“ Aktionsgruppe 120 dB. Ein sicherlich ebenfalls relevantes Problem ist der kommerzialisierte Pseudofeminismus, der darin besteht, Shirts mit GRL PWR-Aufdruck zu tragen, die von Näherinnen unter entwürdigenden Bedingungen für einen Hungerlohn gefertigt werden, um nur einige Beispiele aus dem fortschrittlich-gleichberechtigten Deutschland zu nennen.
Genauso wie seine Ideen haben sich auch die Strukturen des Feminismus gewandelt. Sie sind stellenweise unsichtbarer geworden, aber das Problem des Sexismus bleibt. Solange Menschen in irgendeiner Form unterdrückt werden ist unsere Gesellschaft nicht frei – Frauen bilden hier keine Ausnahme und es bleibt unsere Aufgabe, für Gleichberechtigung, Selbstbestimmung und Menschenwürde ALLER Menschen zu kämpfen, am 8. März, genauso wie an allen anderen 364 Tagen des Jahres!

 

Quellen:

https://www.fh-kiel.de/fileadmin/data/sug/pdf-Dokument/Melanie_Gross/carstensen_gross_feminismen.pdf
https://de.wikipedia.org/wiki/Feminismus
https://direkteaktion.org/196-zur-kultur-der-sexuellen-befreiung/
https://www.digitales-deutsches-frauenarchiv.de/themen/die-geschichten-des-internationalen-frauentages
https://www.lpb-bw.de/08-maerz-frauentag/
http://www.theorie.org/titel/580_feministische_theorie_3_auflage
https://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/287033/internationaler-frauentag
https://www.bpb.de/apuz/267936/was-ihr-zusteht-kurze-geschichte-des-feminismus

Zahlen:

https://www.boeckler.de/108549_108559.htm#
https://www.tagesspiegel.de/berlin/studie-zur-genitalverstuemmelung-immer-mehr-frauen-in-deutschland-beschnitten/25103576.html
https://www.frauen-gegen-gewalt.de/de/was-ist-das-187.html

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