Anti-Knast – Antifaschistische Gruppen Vogtland https://antifavogtland.blackblogs.org Blackblog to blog back Sat, 03 Mar 2018 10:34:21 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 Aktionen zum internationalen Frauen*-Kampftag https://antifavogtland.blackblogs.org/2018/03/03/aktionen-zum-internationalen-frauen-kampftag/ Sat, 03 Mar 2018 10:34:21 +0000 http://antifavogtland.blogsport.eu/?p=939 Continue reading Aktionen zum internationalen Frauen*-Kampftag ]]> Wie jedes Jahr wird es auch 2018 vielfach Aktionen zum Frauen*Kampftag geben. Solidarisiert euch – beteiligt euch – schließt euch zusammen gegen Patriarchat und rückwärtsgewandte gesellschaftliche Normen.

Mittwoch, 07.03.2018 Vortrag + Konzi in Greiz

* Ort: Siebenhitze 51 in Greiz
* an 18 Uhr Küfa, 19 Uhr Vortrag, danach Konzi

Vortrag „Antifaschismus ist feministisch“

Anlässlich des Frauen*kampftages wollen wir mit euch diskutieren, warum wir unter dem sprichwörtlichen Kampf „ums Ganze“ mehr verstehen als das immer gleiche Feuerwehrhandeln gegen das Phänomen „Nazis“. Gerade vor dem Hintergrund eines gesellschaftlichen Rechtsrucks sind Geschlechterverhältnisse mehr umkämpft als je zuvor. AfD und organisierte Nazis streben danach, Frauen zurück in die bürgerliche Rollenverteilung der 50er Jahre zu degradieren. Was bedeutet das für unsere Bewegung? Welche Kämpfe wollen wir als Antifaschist*Innen dazu führen?

Danach Konzert mit Hörzu! (Acoustic Offbeat) & Zerreißprobe (Antifa-Pop & Street Chanson).

Samstag 11.03. feministische Antiknastdemo in Chemnitz: „Solidarität mit den Gefangenen-Gewerkschafterinnen der JVA Chemnitz!“

Beginn: 11. März, 13 Uhr, auf dem Campus der TU Chemnitz, Reichenhainer Straße 70, 09126 Chemnitz

Aufruf der Gefangenengewerkschaft GG/BO: Als Gefangenen-Gewerkschaft rufen wir für den 11. März 2018 zu einer Frauenkampftags-Demonstration zur Frauen-Justizvollzugsanstalt (JVA) Chemnitz auf. Dort organisieren und engagieren sich die inhaftierten Arbeiterinnen in der Gefangenen-Gewerkschaft. Sie wehren sich dabei u.a. gegen die schweren Arbeitsbedingungen und die Folgen von Personalmangel und Überbelegung. Im September 2017 haben 40 Gefangene einen Sitzstreik im Gefängnishof gemacht und wurden anschließend dafür verfolgt. Wir wollen ihnen mit unserer Demonstration zeigen, dass sie nicht alleine sind, und ihnen Mut für die weiteren Kämpfe machen!

Der 8. März, der internationale Frauenkampftag, war für uns als Gefangenen-Gewerkschaft schon letztes Jahr der Anlass, auf die Kämpfe von Frauen und Queers hinzuweisen. So sind wir am 8. März 2017 zur Frauen-JVA Chemnitz gezogen, wo sich erst vor kurzem eine Sektion der Gefangenen-Gewerkschaft gebildet hatte. Im Aufruf, den wir gemeinsam mit der damaligen Sprecherin der GG/BO in der JVA Chemnitz geschrieben hatten, thematisierten wir vor allem die Gewalt gegen Frauen und die harten Arbeitsbedingungen.

Seitdem hat sich einiges getan. Die Anstaltsleitung hat der GG/BO-Sektion erlaubt, zweiwöchentliche Mitgliederversammlungen durchzuführen. Damit wurde eine der Hauptforderungen der GG/BO erfüllt und ein wichtiger Schritt zur Durchsetzung der Gewerkschaftsfreiheit hinter Gittern gemacht.

Auf der anderen Seite bleibt die Situation der inhaftierten Arbeiterinnen der JVA Chemnitz weiterhin schwierig. Sie leiden unter der Austeritätspolitik1 des Staats im Strafvollzug, konkret unter den Folgen von Personalmangel und Überbelegung.

Auf der einen Seite gibt es angesichts der vielen Gefangenen zu wenig Schließer_innen. In Sachsen wurden 2015 und 2016 55 Stellen gestrichen. Die Interessenvereinigung der Schließer_innen geht davon aus, dass ca. 200 Beamte fehlen.2 Auf der anderen Seite sind die JVAs in Sachsen chronisch überbelegt. Die JVA Chemnitz hat ca. 240 Haftplätze. Es werden allerdings ca. 280 Gefangene hier eingesperrt. Damit ist sie mit 108,5% belegt. Ab einer Auslastung von 90% gilt eine JVA als überbelegt.3

Die Folgen von Personalmangel und Überbelegung müssen die Gefangenen ausbaden. Die Aufschlusszeiten, in denen sie sich zwischen den Zellen bewegen können, wurden gekürzt. Folglich fallen Freizeitangebote weg und wird die Kommunikation zwischen den Gefangenen eingeschränkt. Auch die ärztliche Versorgung ist vollkommen ungenügend. Es gab im letzten Jahr mehrere Tage, an denen kein Arzt, keine Ärztin in der ganzen JVA war! Darüber hinaus hängt auch die systematische Verweigerung von Lockerungen vor Haftentlassung, also z.B. von Haftausgängen, mit dem Personalmangel zusammen. Die meisten Gefangenen in Sachsen werden entlassen, ohne dass sie vorher einen Ausgang gehabt und sich hätten vorbereiten können.4

Gegen diese Zustände wehren sich die Gefangenen zusammen mit der Gefangenen-Gewerkschaft. Im September 2017 haben 40 Gefangene im Gefängnishof der JVA Chemnitz einen Sitzstreik gemacht, um gegen die Folgen des Personalmangels zu protestieren. Nach anderthalbstündigen Verhandlungen beendeten sie die Aktion und kehrten in ihre Zellen zurück. Trotz versprochener Straffreiheit wurden anschließend 30 Gefangene mit Disziplinarmaßnahmen überzogen. Zwei Frauen wurden, trotzdem sie Kinder haben, in JVAs ganz woanders in Deutschland zwangsverlegt.

Der sächsische Staat und die JVA haben damit gezeigt, dass sie von Protesten selbstorganisierter sozialer Bewegung nichts halten, dass sie darauf aus sind, diese im Keim zu ersticken. An dieser Stelle wundert uns auch nicht mehr, dass unsere letztjährige Demonstration zum Ende hin von der Polizei angegriffen und Hundert Meter über die Straße geprügelt wurde.

Die Vorschläge des Staats zur Lösung der Situation sind bekannt. Das sächsische Justizministerium hat die Schaffung von 100 Stellen für Schließer_innen angekündigt. Weiterhin hat es erklärt, dass der gestiegene Ausländeranteil unter den Gefangenen für die Situation schuld sei und wolle deswegen mehr migrantische Gefangene abschieben.5 Der Staat setzt also auf noch mehr Unterdrückung und noch mehr Rassismus!

Wir dagegen unterstützen mit unserer Demonstration die Selbstorganisation der Gefangenen und zwar aller Gefangenen unabhängig von Pass und Hautfarbe und fordern: Schluss mit der Repression gegen die Proteste der Gefangenenbewegung von drinnen und draußen – Gewerkschaftsfreiheit drinnen und draußen! Außerdem dürfen die Gefangenen den Austeritätskurs im Strafvollzug nicht ausbaden: Lasst sie endlich frei!

Die damalige Sprecherin der Gefangenen-Gewerkschaft in der JVA Chemnitz, Manuela B., schrieb nach dem Sitzstreik und während der Repression durch die JVA:

„Zwar gab es bisher noch keine positiven Veränderungen bezüglich des Beamtenmangels und des veränderten Tagesablaufs, aber wir haben auf uns aufmerksam gemacht – nicht nur hier drin, sondern auch draußen. Wir sind keine Menschen der dritten Klasse, die Randgruppe, die weggeschlossen wird, die nicht gesehen werden soll, sondern auch wir sind Menschen, die Rechte haben, vor allem eine Würde. Warum sollen die Grund- und Menschenreche der Gefangenen in Vergessenheit geraten und denen keine Beachtung geschenkt werden? Glaube… nein, ich bin mir

sicher, dass man nur so wahrgenommen wird und Gehör erlangt.

[…]

Ist die Augen zu schließen, mit Sanktionen zu reagieren die richtige und einzige Lösung für Alles? Nein! Doch wir werden uns nicht unterkriegen lassen! Wir werden weiter für die Gemeinschaft kämpfen. Hey =) Was haben wir denn schon zu verlieren? Wir werden doch schon als Randgruppe abgestempelt. Warum dann nicht ein Stück weit gemeinsam kämpfen? Man verliert nie. Entweder man gewinnt oder man lernt! Deshalb werden wir auch weiter kämpfen – nämlich für unsere Rechte.“

Fußnoten

1 Austerität = staatlicher Sparzwang.

2 http://www.zeit.de/gesellschaft/2017-11/gefaengnisse-sachsen-beamte-ueberlastung-haeftlinge-justizsystem/komplettansicht

3 https://mephisto976.de/news/ueberfuellt-ist-untertrieben-60905

4 https://ggbo.de/zurueck-in-den-knast-haftentlassung-in-sachsen-mangelhaft/

5 https://mephisto976.de/news/ueberfuellt-ist-untertrieben-60905

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Kritik am Schwerpunkt der Rote-Hilfe-Zeitung 4/2016 („Siegerjustiz – Verfolgung und Delegitimierung eines sozialistischen Versuchs seit 1990“) https://antifavogtland.blackblogs.org/2017/05/25/kritik-am-schwerpunkt-der-rote-hilfe-zeitung-42016-siegerjustiz-verfolgung-und-delegitimierung-eines-sozialistischen-versuchs-seit-1990/ Thu, 25 May 2017 13:34:09 +0000 http://antifavogtland.blogsport.eu/?p=897 Continue reading Kritik am Schwerpunkt der Rote-Hilfe-Zeitung 4/2016 („Siegerjustiz – Verfolgung und Delegitimierung eines sozialistischen Versuchs seit 1990“) ]]> Die Rote Hilfe Südwestsachsen hat uns gebeten, ein kritisches Statement zum Schwerpuntkt der Rote Hilfe-Zeitung 4/2016 zu veröffentlichen. Hier ist es:

Auch wir, von der RH-Gruppe Südwestsachsen, halten eine kritische Auseinandersetzung mit der „sozialistischen“ Realität in der DDR, der Sowjetunion und anderen Teilen der Welt für sehr wichtig. Weil dies aber in der aktuellen Ausgabe der RHZ, unserer Meinung nach nicht nur nicht der Fall ist, sondern Menschen zu Wort kommen, die vollkommen unkritisch und unreflektiert die DDR, das von ihr errichtete System sowie dessen Funktionär_innen verherrlichen, wollen wir uns an der Debatte, angestoßen durch die Dresdener Genossen_innen, beteiligen.

Gerade ein staatliches Konstrukt, das sich großspurig die Ideale „sozialistisch“ und „antifaschistisch“ an die Brust heftet, muß der besonders kritischen Analyse aus einer linken Perpektive unterzogen werden, um eben diese Ideale nicht verwässern zu lassen. Deshalb sollte die Vergangenheit, besonders auch die der linken politischen Bewegungen, stets kritisch und selbstreflektiert hinterfragt werden, anstatt pauschal Solidarität für sämtliche Genossen_innen zu fordern (1). Diese Forderung scheint besonders zynisch, wenn mensch sich vor Augen führt, dass eben diese Sölidarität niemals Praxis in der DDR war. Genossen_innen, die der vorgegebenen sozialistischen Linie Moskaus kritisch gegenüberstanden (den Sozialismus anders als vorgegeben interpretierten), das System hinterfragten, Funktionär_innen kritisierten oder „subversives Verhalten“ an den Tag legten (2), mußten mit stärkster Repression rechnen, wenn sie ihre Ansichten äußerten. Ausbruch aus den Vorgaben der Partei, der jeder/jedem zugedachten Rolle im Arbeiter- und Bauernstaat oder oppositionelle Arbeit welcher Art auch immer, konnten ständige Bespitzelung, Nachteile in der Schule oder im Berufsleben für die/den Betroffene/n oder auch für ihre Angehörigen bedeuten; bis hin zu Berufsverbot (3) oder sogar Knast. Menschen die als Funktionsträger_innen oder deren Handlanger_innen die Privatsphäre, die Freiheit oder auch die körperliche Unversehrtheit Andersdenkender und Andershandelnder verletzten, gehört jede Solidarität abgesprochen! Machtmißbrauch unter dem Deckmantel den Sozialismus aufzubauen ist die schimmste Heuchelei und bedarf keiner Verharmlosung durch falsche Solidarität. Weder die Täter von damals, noch die Menschen, die auch heute noch die DDR oder Teile des Staatsapparates pauschal verharmlosen oder glorifizieren, kämpften bzw. kämpfen wahrhaft für die Emanzipation des Menschen, gegen Faschismus und Kapital. Für verübtes Unrecht müssen sich die Täter natürlich vor Gerichten verantworten, dass dies in der BRD oft einseitig und aus einem Überlegenheitsgefühl heraus geschah, ist ebensowenig zu beschönigen. Auch soll an dieser Stelle die Lebensleistung der vielen Genoss_innen nicht vergessen werden, die sich stets mit ihrer ganzen Kraft der Schaffung einer Alternative zum kapitalistischen System eingesetzt haben. So entstanden noch vor Kriegsende ’45, aus dem illegalen antifaschistischen Widerstand, Zusammenschlüsse, die sich selbst als u.a. Antifaschistische Ausschüsse oder Volkskomitees bezeichneten. Diese Gruppen bestanden oft überwiegend aus Arbeiter_innen die Mitglieder in der KPD waren, aber auch aus Gewerkschafter_innen, Anarch@s und Parteilosen, die ihre Hauptaufgaben u. a. darin sahen, Betriebe und Verwaltungen von Nazis zu säubern, öffentliche Positionen zu besetzen und die Strom-, Wasser- und Lebensmittelversorgung zu gewährleisten. Diese selbstorganisierten, und deshalb der Kontrolle der KPD-Führung entzogenen, Antifa-Ausschüsse und -Komitees, wurden von der Hauptverwaltung der Roten Armee und dem ZK der KPD mit äußerstem Mißtrauen beobachtet. Denn diese wollten eine spontane Entwicklung neuer politischer und gesellschaftlicher Strukturen nach Kriegsende verhindern. Aus diesem Grund wurden Kader wie Walter Ulbricht oder auch Heinz Keßler (4) in Moskau geschult und später in die Führungspositionen der sowjetischen Besatzungszone (SBZ) eingesetzt. Eine der ersten und drängendsten Aufgaben dieser Riege von Funktionär_innen bestand darin, die autonom agierenden Antifa Gruppen „auf Linie“ zu bringen, also unter Kontrolle der KPD, oder diese zu beseitigen.

Doch die meisten Mitglieder von Antifa-Ausschüssen weigerten sich kategorisch, ihre Organisationen aufzugeben. Von einer Aufhebung ihrer schon in der Illegalität und Halblegalität enstandenen Gruppen konnte für sie keine Rede sein. Für die ablehnende Haltung, die das ZK der KPD gegenüber den Antifa-Ausschüssen insgesamt einnahm, waren wohl vor allem zwei Gründe ausschlaggebend:
– Zwischen dem ZK und den Ausschüssen bestanden zum Teil erhebliche
Differenzen über den Charakter der in der SBZ zu vollziehenden sozialen
Umwälzungen.
– Das vom ZK entwickelte Konzept für den Aufbau neuer Staatsstrukturen
stützte sich vor allem auf ein zu schaffendes Bündnis der neu- bzw.
wiederentstandenen Parteien, was teilweise im Widerspruch zu den
Ausschüssen als einer wesentlich spontanen, überparteilichen Bewegung
stand. (5)

Wie die KPD-Führungskader mit widersprüchlichen Meinungen und anderen Strömungen der politischen Linken umgingen verdeutlicht ein Zitat aus einem Bericht von Anton Ackermann (6), in dem es unter anderem heißt: „Meistens galt es „linke Überspitzungen“ zu korrigieren. So in der Stadt Meißen, wo wir einen kompletten Rat der Volkskommissare vorfanden. Der Genosse Mücke (7), der dann längere Zeit als Bürgermeister tätig war […] wollte zunächst nicht einsehen, was politisch notwendig war. Aber es half nichts. Auch in Meißen mußten die Genossen unsere Argumente anerkennen und sich auf die Linie der Partei begeben.“ (8)

Die Antifaschistischen Ausschüsse, die mit unterschiedlichen politischen Ansätzen wie Anarchismus, Anarcho-Kommunismus oder auch basisdemokratischer Rätedemokatie diese „linken Überspitzungen“ verkörperten und gleichzeitig dem Wunsch der Bevölkerung nach politischer und antifaschistischer Selbstorganisierung Ausdruck verliehen, wurden mit dem Aufbau neuer Verwaltungen und der Festigung der Macht der KPD immer weiter zurückgedrängt und schließlich 1948 endgültig zerschlagen. Schon Ende Juni 1945 sagte Ulbricht in Berlin: „Wir sind nicht für solche Organe. Wenn die Partei eine richtige Politik betreibt, dann bleibt für antifaschistische Sekten kein Platz mehr.“

Dieses Beispiel verdeutlicht, daß in der DDR schon von Anfang an politische Initiative sowie verschiedene Strömungen der Linken direkt verdrängt und bekämpft wurden. Es wurde verpasst, die antifaschistische Grundstimmung großer Teile der Bevölkerung nach der Zerschlagung des Dritten Reichs auf eine breite, pluralistische Grundlage zu stellen, um eine wahrhaft antifaschistische Gesellschaft aufzubauen, die politische Initiative der Bevölkerung zu unterstützen und deren antifaschistisches Potential zu fördern.

Des Weiteren wollen wir auf einen Punkt aufmerksam machen, der unserer Meinung nach einer emanzipatorischen Politik direkt widerspricht: Staatsraison als Argumentationsgrundlage. In bester erzkonservativer Manier wird von dem Recht, ja sogar der Pflicht, zur Verteidigung der eigenen Staatsgrenze gefaselt. (9) Die Grenzschutzeinheiten der DDR erhielten dafür den eindeutigen Auftrag unerlaubte Grenzübertritte mit „allen Mitteln“ zu verhindern. Die direkte Folge dieses Auftrages sind mindestens 138 Mauertote und ungezählte Flüchtlinge die mit Waffengewalt bedroht wurden. Dies als „Verfassungsauftrag zur Sicherung der Staatsgrenze“ zu rechtfertigen, muss von allen Opfen und deren Angehörigen als Verhöhnung ihres erlittenen Unrechts verstanden werden. In gleichem Maße werden so auch die statischen Grenzsicherungsanlagen wie Stacheldrahtzäune, Minenfelder oder Selbstschußanlagen legitimiert. Wobei gerade letztere im Widerspruch zur Haager Landkriegsordnung und damit der Genfer Konventionen stehen, und somit nicht nur einen groben Verstoß gegen geltendes Völkerrecht auf der einen Seite darstellten, sondern auf der anderen Seite ebenso die DDR-Gestze brachen. Besonders perfide ist dabei die Entstehung dieser automatischen Tötungsmaschinen: Entwickelt wurde das Konzept für die Selbstschussanlagen von dem SS-Führer Erich Lutter. Sie hatte das Ziel, die Umzäunungsanlagen von Konzentrationslagern so zu sichern, dass Häftlinge mit geringem Personalaufwand an einer Flucht gehindert werden konnten. Den gleichen Zweck verfolgte die DDR mit der Installation solcher Anlagen, die ausschließlich ins Landesinnere gerichtet waren – ohne personellen Mehraufwand sollten Flüchlinge beim übertreten der Grenzanlagen mindestens schwer verletzt werden, aber auch deren Tötung wurde billigend in Kauf genommen. Die DDR-Führung gab sich, sowohl im Landesinneren als auch im Ausland alle Mühe, den Einsatz der Schußwaffe an der Grenze und die Grenzschutzeinrichtungen zu verheimlichen und Tote/Verletzte an der Grenze zu verschweigen. Trotzdem konnte, weder im In- noch im Ausland, auf Dauer die menschenverachtende Flüchtlingspolitik der DDR verborgen bleiben. Auf internationalen Druck wurden wenigstens die Selbstschußanlagen bis Ende 1984 zurückgebaut, jedoch blieb durch kontinuierlichen Ausbau die Grenze weiterhin praktisch unüberwindlich und ein Grenzübertritt lebensgefährlich. Bis heute fordern immer wieder nicht ausschließlich konservative und rechte  politische Strömungen und Personen die kompromisslose Sicherung/Schließung der Grenzen, bis hin zum Einsatz von Schusswaffen, um Flüchtlinge am Grenzübertritt zu hindern, sonder ebenso auch Menschen und Organisationen aus der sogenannten Mitte der Gesellschaft. Dabei ist die menschenverachtende Abschottungspolitik der Europäischen Union schon äußerst grausame Realität – mit ZEHNTAUSENDEN Toten! Dabei folgt die Rechtfertigung dieser Abschottungspolitik, welche Grenzschutzagenturen mit Millionen ausstattet, Grenzen mit Stacheldraht verstärkt und Menschen auf lebensgefährliche Fluchtwege zwingt, der selben Staatsraison als Argumentationsgrundlage. Der Tod Zehntausender wird nicht nur billigend in Kauf genommen, sondern ist Teil einer grausamen Abschreckungspolitik, die den Menschen die Unmöglichkeit ihrer Flucht verdeutlichen soll. Dieser Art der Politik erteilen wir eine klare Absage und verurteilen die tödliche nach innen gerichtete Abschottungspolitik der DDR ebenso wie die Politik, die Europa zur uneinnehmbaren Festung ausbauen will.

Vor diesem Hintergrund stellen wir die Frage: Wem gehört unsere Solidarität? Den ausgebildeten Führungskadern eines selbsternannten „Arbeiter- und Bauernstaates“, oder jenen Menschen, die die Notwendigkeit der im eigentlichen Sinne emanzipatorischen politischen Initiative erkannten, diese ergriffen und aus diesem Grund von staatlicher Repession betroffen waren?

In einer strömungsübergreifenden linken Organisation, wie der Roten Hilfe, die politisch aktiven Menschen bei staatlicher Repression solidarisch zur Seite steht, sollte das Bewusstsein besonders ausgeprägt sein, dass staatlichen Übergriffen immer entschieden entgegenzutreten ist, egal welchen politischen Anstrich sich dieser Staat gibt. Allein dieser Grundsatz führt unserer Wahrnehmung nach dazu, dass die Verteidigung staatstragender Akteur_innen nur aufgrund ihrer vermeintlichen Positionierung als Linke und Antifaschist_innen nichts mit unserem Ansatz von Solidarität zu tun hat. Sie würde in den Augen all jener, welche über die häufig autoritäre Sozialismusdefinition in DDR und anderen „Staatssozialismen“ hinaus für die Befreiung des Menschen kämpften, und aus diesem Grund aus den scheinbar eigenen Reihen mit Repression überzogen wurden, wie Hohn wirken. Ganz zu schweigen davon untergräbt dieser Ansatz die eigentliche Intention des Themenschwerpunkts der „RHZ“-Redaktion: eine (selbst-)kritische Auseinandersetzung mit der DDR (auch als Teil der eigenen
Bewegungsgeschichte) über die pauschalisierende Mainstream-Geschichtsschreibung hinaus anzustoßen.

„Wir sind überzeugt, daß Freiheit ohne Sozialismus Privilegienwirtschaft und Ungerechtigkeit, und Sozialismus ohne Freiheit Sklaverei und Brutalität bedeutet.“ (Michail Bakunin)

(1) „In all unsere Diskussionen eingeschlossen war die Frage der Solidarität mit den von politischer und juristischer Verfolgung Betroffenen – als eine grundlegende Lehre der Arbeiterbewegung[…] Auf einer Konferenz der PDS 1993 in Berlin sagte [Wolfgang] Harich dazu: „Es kann Genossen was auch immer vorzuwerfen sein. Sobald die Schergen des Klassenfeindes sich ihrer bemächtigen, darf es nur noch Solidarität geben. Ohne Wenn und Aber.“ RHZ Seite:43, Spalte 3

(2) mensch denke an die eigene Subkultur: Punks, Anarchisten, Trotzkisten, Aktivisten der Öko- oder Friedensbewegung, aber auch Künstler und Mitglieder der Freikirchen.

(3) Das Grundrecht auf Berufsfreiheit war in der DDR nicht gesichert. Die Möglichkeit zur Ausbildung/Ausübung eines Berufes konnte bei „politischer Unzuverlässigkeit“ untersagt werden.

(4) siehe RHZ Seite: 33

(5) http://antifa-nazis-ddr.de

(6) geb. 25.12.1905; gest. 04.05.1973; dt. Kommunist, SED-Funktionär, Kandidat des Politbüros des ZK der SED

(7) Albert Mücke, Bürgermeister Meißens, der den Stadtrat zum Sowjet umformierte und auch später immer wieder für basisdemorkratische Selbstverwaltung eintrat

(8) aus: Staat und Recht, Nr. 5/65, S.674

(9) “ So wurden das verfassungsgemäße Recht und die Pflicht, die DDR-Staatsgrenze zu schützen, und die in politischen Reden diesbezügliche Forderung als „Schießbefehl“ verfälscht.“ RHZ Seite: 33, Spalte 1

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8.3.: Feministische Antiknastdemo in Chemnitz https://antifavogtland.blackblogs.org/2017/02/21/8-3-feministische-antiknastdemo-in-chemnitz/ Tue, 21 Feb 2017 20:30:09 +0000 http://antifavogtland.blogsport.eu/?p=853 Continue reading 8.3.: Feministische Antiknastdemo in Chemnitz ]]> Solidarität mit den inhaftierten Frauen* und Gewerkschafterinnen!

Frauen*kampftags-Demo der Gefangenengewerkschaft zum Frauen*knast von Chemnitz

Am achten März, dem “Internationalen Frauen*tag” wird alljährlich dazu aufgerufen, Frauen* Blumen zu schenken. An unsere inhaftierten Kolleginnen und Genossinnen denkt dabei keiner. Wir wollen aber auch gar nicht, dass man ihnen Blumen schenkt, sondern wir wollen den gesetzlichen Mindestlohn für die Inhaftierten, volle Einbeziehung in die Sozialversicherungen und komplette Gewerkschaftsfreiheit auch hinter Gittern sowie ein Ende der Gewalt gegen Frauen*! Diese Anliegen werden wir am Frauen*kampftag in Chemnitz auf die Straße tragen. Wir werden vom Hauptbahnhof zur JVA Chemnitz ziehen und damit unsere Solidarität mit der frischgegründeten GG/BO-Sektion in der Frauen*haftanstalt zum Ausdruck bringen.

Gewerkschaftlicher Kampf hinter Gittern

Seit Mai 2014 organisieren sich Gefangene in der Gefangegengewerkschaft. Was in der JVA Tegel versuchsweise begann, weitete sich schnell in Haftanstalten in der ganzen Republik und wenig später auch in Österreich aus. Die Mehrheit der Mitglieder sind Männer*. Das liegt unter anderem daran, dass der Großteil der Inhaftierten männlich ist. Doch schon im Juli 2015 gründete sich in der Frauen*haftanstalt Willich II die erste GG/BO Sektion in einem Frauen*knast und nun ist Chemnitz dazugekommen.

Die heutige JVA für Frauen* Chemnitz wurde 1969 in Plattenbauweise am Stadtrand von Chemnitz errichtet. Als 2001 der DDR-Frauen*knast Stollberg geschlossen wurde, wurden die Frauen* in die JVA Chemnitz verlegt. Heute werden über 250 Frauen* aus Thüringen und Sachsen hier festgehalten. Davon entfallen 14 Haftplätze auf den Jugendarrest und 5 auf die Mutter-Kind-Station. Bis zum Alter von drei können inhaftierte Frauen* ihre Kinder mit in die JVA nehmen. In der Regel gibt es auf der Mutter-Kind-Stationen zu wenig Plätze, um den Bedarf zu decken.

Die Arbeitssituation der weiblichen Inhaftierten unterscheidet sich nur unwesentlich von der ihrer männlichen Kollegen. Wie in allen JVAs werden auch die Frauen* in Chemnitz unter einem Zwangsarbeitsregime zu Löhnen von ca. 1 bis 2 Euro die Stunde ohne Sozialversicherungszahlungen in anstaltseigenen und externen Unternehmerbetrieben ausgebeutet. Eine Kollegin von drinnen schreibt dazu: „Ne Menge Baustellen gibt’s natürlich immer noch. Was mir persönlich ein Dorn im Auge ist, sind natürlich die Personalprobleme und der damit verbundene Einschluss, dann die Bestrafungsaktionen bei Nichtarbeit. Hab selbst gerade Fasching [Streß] wegen Betriebswechsel. Es gibt aber auch Mädels, denen geht’s noch nicht gut. Die werden einfach ner Arbeit zugewiesen und wenn se nicht gehen, gibt’s kein Taschengeld, Einschluss usw.“ In vielen Betrieben ist die Arbeitsbelastung so hoch, dass die Gesundheit der Frauen* erheblich darunter leidet: „Die Arbeitsbedingungen sind halt echt krass,weil sie IMMER NOCH der Norm der Männer, die seit 2008 nicht mehr da sind, angepasst sind. Hab das damals in dem Betrieb, wo es echt keine leichte Arbeit ist, schon etwas drosseln können, aber ist immer noch ne heftige Anforderung. Ich hatte 7 Sehnenscheidenentzündungen + Bandscheibenvorfall dadurch. Da weißte, was geht. Komplettierung ist auch heftiger Zeitstress. War da bis vor 2 Wochen: ganzen Tag stehen und ja keine Sekunde nachhängen. Hab och gewechselt deshalb.“

Stoppen wir die Gewalt gegen Frauen*!

Gerade die inhaftierten Frauen* in Chemnitz und anderswo haben schlimme Gewalterfahrungen gemacht. Eine Kollegin von drinnen schrieb zu unserer „Schnapsidee“, in Chemnitz eine Demo zu machen: „Finde deine „Schnapsidee“ gar nicht so schnapsig. Im Gegenteil, war regelrecht baff über so ne Idee. Gerade an einem Ort wie hier, wo viele Frauen aufeinandertreffen und sich viel erzählen, weil sie zum ersten Mal ohne Angst reden können, merkt man eigentlich, wie allgegenwärtig diese Themen wie häusliche Gewalt, Verstümmelungen, Vergewaltigungen, alleinige Kindererziehung usw. sind. Ich denke aber auch, dass es ein sehr schwieriges Thema ist. Weißte, ich hab auch schon so oft bis zur Notaufnahme in die Fresse bekommen und erst im Knast mitbekommen, wie Vielen es eigentlich genauso geht, aber dagegen vorgegangen bin ich nie! Ich denke, dass – egal in welchen Fällen – die Angst da überwiegt. Hab mich heute lange aufm Hof mit einer unterhalten. Sie findet so eine Idee auch echt ne mega gute Sache. Sich hier drin zusammenzuschließen ist aber eine Sache. Was ist aber draußen? Viele müssen zu ihren Typen zurück und haben von niemandem Rückhalt und haben halt Angst, dass, wenn sie rauskommen und so’n Typ erfährt, dass sie in Haft den Mund aufgemacht haben, sie dann gleich wieder alles ausbaden müssen. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass Frauenhäuser, Polizei, die auch nur ein Annäherungsverbot aussprechen, oder andere Einrichtungen keine wirkliche Lösung sind und man alles andere als sicher ist, wenn man überhaupt bis dahin kommt. Du siehst, es ist ein schwieriges Thema. Wenn wir uns hier zusammentun zwecks Arbeitsbedigungen und allgemeine Haftverbesserung sind da echt viele dabei, aber ich denke, das sind zwei ganz gravierende Baustellen. Persönlich sehe ich deine Idee positiv, weil man ja gerade, wenn man sieht „hey, da gehen welche extra auf die Straße, die sich für solche Dinge stark machen“ man vielleicht auch Mut schöpft und sagt „Ich will das nicht nochmal!““

Bei den Frauen* in der JVA Chemnitz verschränken sich die ökonomische Ausbeutung von und männliche  Gewalt gegen Frauen*. Auch bei uns in der BRD werden vor allem Menschen aus der Unterschicht und den ärmsten Teilen der Arbeiter_innenklasse im gefängnis-industriellen Komplex festgehalten und ausgebeutet. Das trifft auch auf die Frauen* in der JVA Chemnitz zu. Aufgrund dieser Klassenlage sind sie ökonomisch oft in besonders hohem Maße von ihren Partnern abhängig und damit der männlichen Gewalt ausgeliefert. Viele Frauen* müssen nach dem Knastaufenthalt zu denselben Männern zurück, die sie schlagen, misshandeln und erniedrigen. Wie die Kollegin schreibt, ist der Staat nicht in der Lage, den betroffenen Frauen* wirklich zu helfen. Deswegen ist es wichtig, selbstorganisierte und autonome Strukturen und Netzwerke aufzubauen, in denen Betroffene Unterstützung finden und gemeinsam für die Verbesserung ihrer Lage kämpfen können. Die Gefangenengewerkschaft ist eine solche Organisation, vor allem in Bezug auf die Arbeits- und Haftbedingungen. Darüber hinaus freuen wir uns über Zusammenarbeit mit und Unterstützung von feministischen Gruppen und können zwischen ihnen und nach drinnen vermitteln.

Unterstützen wir Transpersonen und queere Menschen im Widerstand gegen den Knast

Das Gefängnis ist ein Ort strengster Geschlechtertrennung. Menschen, die nicht in die starre Geschlechterordnung von Mann und Frau passen, z.B. queere¹,Trans-² und Interpersonen³, haben keine Wahl, in welchen Knast sie gesteckt werden, sondern werden je nach dem Geschlecht im Personalausweis zugeteilt. Dort werden sie oft diskriminiert und sind nicht selten besonderer Gewalt ausgesetzt. So werden beispielsweise Trans-Frauen* in den Männerknast gesteckt und müssen dort gegen die Trans-Feindschaft und Übergriffe der Wärter und Mithäftlinge ankämpfen. Das betrifft z.B. die Gefangenen Kara Wild in Frankreich, Tolga Erkuşan, Mahmut Yavuz und Esra Arıkan in der Türkei, Marius Mason, Niara, Chelsea Manning und Ky Peterson in den USA.

Kommt Alle am 8. März nach Chemnitz!

Beginn der Kundgebung am 8. März 2017 um 15:00 Uhr am Hauptbahnhof Chemnitz!

In Solidarität!
Nancy Rheinländer, GG/BO-Sprecherin der JVA Chemnitz
GG/BO-Soligruppe Jena

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Wir würden uns freuen, wenn sich Viele an unserer Demo beteiligen. Ihr könnt gerne eigene Aufrufe zur Demo und Grußworte schreiben – die Grußworte aber bitte nicht zu lang und zu theoretisch. Die Texte müssen sich nicht nur um den Knast drehen, sondern können sich auch auf andere feministische oder arbeitskämpferische Themen beziehen. Am besten schreibt ihr uns vorher unter [email protected] eine Mail, damit wir die Beiträge sammeln und moderieren können. Alle Aufrufe und Grußworte werden wir an die Sprecherin der GG/BO in die JVA Chemnitz reinschicken.

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* mit dem Sternchen soll sowohl darauf hingewiesen werden, dass Frauen nicht als Frauen geboren, sondern dazu gemacht werden als auch dass sich verschiedenste Menschen als Frau begreifen und/oder als solche behandelt werden, z.B. Trans-Frauen, Inter-Personen und andere.

¹ queer ist eine Selbstbezeichnung all der Menschen, die nicht in das klassische Mann-Frau-Schema passen und sich auch nicht in andere Kategorien einordnen wollen.

² Trans sind Menschen, die sich einem anderen Geschlecht zugehörig fühlen, als ihnen bei der Geburt zugeordnet wurde.

³ Interpersonen sind Menschen, die nicht eindeutig einem Geschlecht zugeordnet werden können, also z.B. anatomische Merkmale beider anerkannter Geschlechter aufweisen. Sie werden oft noch als Säuglinge zwangsoperiert, um sie klar einem Geschlecht zuordnen zu können, und dabei verstümmelt.

Jena, 14. Februar 2017

 

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