„Es ist ok, so wie du bist.“ – Mit diesem Satz bewirbt das Bundesministerium für Gesundheit unter Jens Spahn den Gesetzesentwurf zum Verbot von „Konversionstherapien“¹. Doch anstatt einer Verbesserung gleicht der Entwurf eher einem Schlag ins Gesicht aller Betroffenen.
Im Juni diesen Jahres haben wir zusammen mit MissMutig und Queer Pride Würzburg für ein Verbot von Konversionstherapien demonstriert. Anlass war der evangelikale APS-Kongress (Akademie für Psychotherapie und Seelsorge), welcher im Congress Centrum stattfand. Am Kongress beteiligte Gruppen werden direkte Kontakte zu Therapeut*innen vorgeworfen, welche Konversionstherapien durchführen. Wir wiesen auf die von einzelnen Gruppen vertretene Ansicht, Homosexualität (& eine allg. Abweichung von cis Heterosexualität) sei eine Krankheit, hin.
Hier sei festgehalten: Das Nichterfüllen der Heteronormativität unserer Gesellschaft ist keine Krankheit!
Wer unterzieht sich Konversionstherapien?
Voraussetzung für die Existenz dieser Therapieform ist die homo- und transphobe Gesellschaft in der wir leben. Ohne homo- und transfeindliche Sozialisierung, würde sich wohl kaum jemensch für solch eine Therapie entscheiden. Betroffene erfahren von unserer Gesellschaft, dass sie nicht „normal“ seien. Ohne Aufklärung liegt ihnen der Gedanke nahe, sich zu assimilieren. Ein seriös wirkendes Angebot durch Therapeut*innen, das die Heilung dieser „Anormalität“ verspricht, wird, sofern die daraus entstehenden Folgen nicht vermittelt werden, gerne angenommen. Oftmals werden Menschen aber auch aktiv von Bekannten und Verwandten dazu gedrängt. Queere Kinder werden von ihren Eltern zur Therapie geschickt, sobald sie sich als nicht-heterosexuell oder nicht-cis outen. In kirchlichen/evangelikalen Gemeinschaften werden Menschen, unter Drohung des Ausschlusses oder der sozialen Ausgrenzung, dazu überredet, sich einer Konversionstherapie zu unterziehen.
Warum müssen Konversionstherapien verboten werden?
Betroffene würden sich, ohne äußerlichem Druck durch Gesellschaft und Mitmenschen, nicht als „krank“ ansehen oder nach vermeindlicher Heilung suchen. Wie bereits dargelegt, erfolgen Konversionstherapien hauptsächlich aufgrund von gesellschaftlichen Zwängen. Dadurch lernen Betroffene, dass sie, so wie sie sind, falsch wären. Sie werden in ihrer Existenz angegriffen und sollen sich verstellen, um von Gesellschaft und ihren Mitmenschen akzeptiert zu werden. Dies hat enormen psychischen Druck zur Folge, welcher durch Konversionstherapien noch weiter bestärkt wird. Nun ist die Wirksamkeit solcher Therapien nicht belegt. Das könnte zu großen Teilen daran liegen, dass es sich bei Sexualität und Geschlecht nicht um eine Krankheit handelt, die folglich auch nicht geheilt werden kann. Menschen beenden die Therapie also so, wie sie sie begonnen haben. Mehrere Studien zeigen, dass Konversionstherapien zu schweren Traumata, Suizidversuchen und weiterem psychischem Leid führen können.³ Betroffene, die an die Wirkung der Therapie glauben und sich in manchen Fällen mehrfach dieser Prozedur unterziehen, verzweifeln an dem Ausbleiben der „Heilung“. Nur ein konsequentes Verbot von Behandlungen, die bewirken, dass Betroffene ihre Sexualität oder ihr Geschlecht anzweifeln oder das Ziel haben, diese Eigenschaften zu ändern, kann Menschen vor unnötigem Leid schützen.
Was sieht der Gesetzesentwurf vor?
Richtig wird erkannt: „Weder bei nicht heterosexuellen Formen der Sexualität noch bei der Trans- oder Intersexualität als solcher handelt es sich um eine Krankheit. Daher bedürfen sie auch keiner medizinischen Behandlung.“ Für viele ist es deshalb der logische nächste Schritt diese zu verbieten. Genau das sieht der Entwurf aber nicht vor: Verboten werden soll die Behandlung „an einer Person unter 18 Jahren […] oder an einer Person […], deren Einwilligung zur Durchführung der Behandlung unter einem Willensmangel leidet.“ Hinzu kommt eine Ausnahme für Personen ab 16 Jahren, sofern diese „über die erforderliche Einsichtsfähigkeit in die Bedeutung und Tragweite der Entscheidung verfügt.“ Während aktuell kein Gesetz zu dieser Thematik existiert, schafft das „Sexuelle-Orientierung-und-geschlechtliche-Identität-Schutz-Gesetz (SOGISchutzG)“ also statt einem Verbot die Anleitung zur legalen Durchführung von Konversionstherapien. Die einzigen Voraussetzungen – die Betroffenen sind nicht jünger als 16 Jahre und haben keinen „Willensmangel“ – sind lasch. Des Weiteren ist ein „Willensmangel“ vor Gericht wohl kaum nachzuweisen. Mit diesem Gesetz können Therapeut*innen sich rechtlich absichern und medizinisch unnütze, dafür aber psychisch höchst schädliche Therapien ganz legal und staatlich legitimiert durchführen.
Wir fordern eine grundlegende Änderung dieses Entwurfs! Schluss mit Konversionstherapien! Für eine offene Gesellschaft, die queere Menschen als solche schätzt und nicht mit heteronormativen Zwängen ein Leben lang quält!
¹ Gesetzentwurf: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/Gesetze_und_Verordnungen/GuV/K/RefE_Konversionstherapieverbot.pdf …
² Unser offener Brief gegen den APS-Kongress: http://antifawuerzburg.blogsport.eu/2019/05/offener-brief-gegen-die-zulassung-und-durchfuehrung-des-kongresses-der-aps-im-kongresszentrum-in-wuerzburg-2019/ …
³ Referenzen zu den Folgen von Konversionstherapien: 1. https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/103758/Gutachten-stuetzen-Verbot-von-Konversionstherapien … 2. https://www.youtube.com/watch?v=p0efVz8qbpw … 3. https://www.stern.de/das-macht-konversionstherapien-fuer-homosexuelle-so-gefaehrlich-6961064.html … 4. https://journals.sagepub.com/doi/abs/10.1177/0011000004267555 … 5. https://www.bmj.com/content/bmj/328/7437/427.full.pdf …
Weiter Informationen zu dem Kongress stehen im offenen Brief.
Die Antifa Würzburg, MissMutig und Queer Pride Würzburg organisierten am Mittwoch, dem Startdatum der mehrtägigen Veranstaltung, einen Infostand in der Eichhornstraße, um Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken und für die Demonstration am Freitag zu werben. Etwa 1250 Flyer wurden verteilt und zahlreiche Passant*innen, darunter viele queere Personen, bedankten sich bei den Aktivist*innen für ihr Engagement. Natürlich gab es auch Streitgespräche, doch der Zuspruch überwog deutlich. Auch die taz informierte im Vorfeld über den Kongress und den Protest dagegen. So musste OB Schuchardt, nachdem er von mindestens einer Privatperson, der taz und der Linkenabgeordneten Simone Barrientos darauf Aufmerksam gemacht wurde, sein Grußwort auf der APS-Website zurücknehmen.
Auch die Demo unter dem Motto „You can’t pray the gay away“ am Freitag war ein Erfolg. Die zum großen Teil pink gekleideten Demonstrant*innen zogen vom Hbf, durch die Innenstadt bis vor das Congress Centrum und die Stimmung im „Pink Block“ war ausgelassen. Neben bekannten Parolen, wie „Kein Gott, kein Staat, kein Patriarchat“ und „Kondome, Spirale, Linksradikale“ wurden auch spontane wie „Ihr habt die Hölle – wir haben Sex!“ von den überwiegend jungen Menschen gerufen.
Währenddessen fand auf der Friedens-Brücke eine Kletteraktion von Aktivist*innen statt, die ein Banner gegen Homophobie hissten. Die Demo endete mit teilweise sehr persönlichen Redebeiträgen. Nach einem inhaltlichen Bericht über den Kongress berichtete die Mutter eines Trans-Mannes von den Problemen und Schwierigkeiten, die Transsexuelle durchmachen müssen. Solange Homosexuelle sich outen müssten, während Heterosexuelle dies nicht tun, kann keine Gleichberechtigung erreicht werden.
!Trigger Warnung!
Eine weitere Rednerin* ging darauf ein, was es bedeutet als Frau* im Patriarchat zu leben und ging hierbei auf Sexismus, sexuelle Belästigung und sexuelle Gewalt ein. Die letzte Rednerin* berichtete von der alltäglichen Ausgrenzung queerer Person. Von Gewalt und Verfolgung, der queere Menschen noch immer ausgesetzt sind.
Der Kampf um Gleichberechtigung und Freiheit ist noch lange nicht vorbei. Auch in Würzburg kann mensch am 29. Juni auf dem Würzburger Street Day wieder ein Zeichen gegen Homophobie setzen.
Join the pink block (again)!
]]>Gruppen/ Parteien:
AKJ Würzburg – Arbeitskreis kritischer Jurist_innen in Würzburg
Antifa Fulda
Antisexistische Aktion München – Statement
Die PARTEI Bezirkserband Unterfranken
Die PARTEI Kreisverband Würzburg
Die Partei Landesverbände: Hessen, Niedersachsen, Berlin
E-Vibes-für eine emanzipatorische Praxis
Feministischer Stammtisch Würzburg
Initiative Bleiberecht, Würzburg
Initiative Soziokulturelles Zentrum Würzburg
Kritische Jurist_Innen an der Uni Frankfurt
Offenes Aktionsbündnis gegen Rassismus und Repression
Peace Love Solidarity Würzburg
Rote Hilfe – Ortsgruppe Würzburg
Vorstand des WuF Zentrum Würzburg
Einzelpersonen:
A. Kunze
A. Kuyuca
A. Schwartz
Alex B.
Andrea Kübert, Die Partei Kreisverband Würzburg
B. Meyer
C. Bahnmüller
C. Beyer
C. Djudorf
C. Leng
C. Wollscheid
D. Hofmann
D. Stegemann
D. Wierzor
D. Winter
Dominik Lehmann
die LINKE Müchen
Dorothea T.
E. Braun
E. Kloff
E. Nolting
E. Rönner
E. Stamm
E.-M. Krumm
F. Leiner
F. Martinmaas
F. Otubcch
F. Schulz
Felix
Felizitas L.
G. Hanna-Keller
H. Andreas
H. Hivemann
H. Mager-Gock
H. Frädrich
J. B.
J. Schneider
J. Wenkemann, KSJ Armberg
Janina W.
K. Körfer
K. Leng
Kniggers
L. Frädrich
L. Kaufmann
L. Leng
L. Med
L. Rissel
L. Würfl
Laura B.
Laura K.
Le. Kaufmann
Liam B.
M. Berrenberg
M. Duribed
M. Durschmied
M. Eberl
M. Kapuschinski
M. Schulz
Michael Koch, Leiter der Aidsberatung Unterfranken
Monika H.
Moritz F.
N. Cortepeel
N. Walter
Nils F.
O. Heckl
O. Lambert
P. Bianchi
P. Ngo
P. Vogel
Pia B.
R. Lütkewitte
S. Hansen
S. Roll
S. Tschillaev
S. Waldemann
Simone Barrientos,
MdB für die LINKE, Wahlkreis Würzburg – Statement
Simone E.
Sophia B.
Taina Gärtner DIE GRÜNEN – Friedrichshain-Kreuzberg
Tjalf v. A., Vorsitzender der Partei Die Partei Freising
U. Bajoaut, SPD Ortsgruppe
V. Baeva
V. Budarin
V. von Laffert
Victoria I.
Y. Dürer
Y. Henke
Y. Nurfada
Stand 05.06.2019
Wir entschuldigen uns, sollten Einzelpersonen falsch geschrieben sein, nicht jede Handschrift war gut erkennbar.
Wenn ihr den Brief auch unterzeichnen wollt, schreibt an [email protected] oder [email protected]
Termine:
Mi., 05.06. 12:00 Uhr Infostand :
https://wuerzburg.demosphere.net/event/1562
Fr., 07.05. 16:30 Uhr You can’t pray the gay away! – Demo gegen APS:
]]>Die APS sieht sich selbst als Organisation, die sich zum Ziel gesetzt hat „Begegnungen zwischen Psychotherapie und christlicher Seelsorge in Wissenschaft und Praxis zu fördern.“ APS organisiert in regelmäßigen Abständen Kongresse, Tagungen und bringt die Zeitschrift „P & S – Magazin für Psychotherapie und Seelsorge!“ heraus. Der 6. Kongress im Jahr 2009 fand unter dem Thema „Identität – der rote Faden in meinem Leben“ statt. Unter dem Deckmantel der Wissenschaftlichkeit verbreiteten einzelne Referierende, dass die heterosexuelle Ehe das einzig richtige Lebensmodell sei und dass Homosexualität krankhaft und potentiell heilbar sei. An der Tagung nahmen Markus Hoffmann von der Organisation Wüstenstrom e.V. (heute: Institut für dialogische und identitätsstiftende Seelsorge und Beratung e.V.) und Christl Ruth Vonholdt vom Deutschen Institut für Jugend und Gesellschaft teil. Beide Organisationen sprechen sich dafür aus, Schwule und Lesben von ihrer Homosexualität, die als Defekt definiert wird, zu „heilen“. Gesprächsversuche mit dem Veranstalter Dr. Martin Grabe stießen auf Unverständnis, die Referent_innen durften am Kongress teilnehmen.
Hinter dem diesjährigen und auch den vergangenen Kongress stehen verschiedene Verbände und Organisationen, von denen jeweils Vertreter_innen auch beim diesjährigen Kongress referieren werden. Ein paar Referierende haben wir mit aufgelistet. Es finden sich aber natürlich noch viel mehr Informationen; jede Person ist herzlich eingeladen, sich ein eigenes Bild von der Organisation und von den teilnehmenden Verbänden, Gruppen und Individuen zu machen.
Die Organisation Wuestenstrom e.V. hat sich inzwischen umbenannt zum Institut für dialogische und identitätsstiftende Seelsorge und Beratung e.V. (IdiSB e.V.) Neben der klassischen Geschlechterrollen-Zuschreibung in der Reduzierung der Frau* auf ihre angebliche „Berufung“¹ und diese „ernst zu nehmen und sie aktiv zu leben“ und die Freiheit des Mannes* sein „Mannsein authentisch, leidenschaftlich und erfüllend zu erleben und zu gestalten“² wird in erster Linie deutlich, welche Geschlechterideale bevorzugt werden und welche bei der „Reise zum Mannsein“ oder zum „Frausein“ entstehen sollen. Außerdem ist das evangelikale Institut weit umstritten, da sie sogenannte Konversionstherapien anbieten oder angeboten haben, die staatlich und wissenschaftlich gesehen von jeglicher Realität fern, die „betroffene Person“ von ihrer „konflikthaften Sexualität“ befreien sollen.³ Gemeint sind hiermit Beratungen für Homosexuelle. Da bereits allgemein bekannt ist, dass Homosexualität keine Krankheit ist und demnach keiner Heilung bedarf, sind Therapien wie diese menschenverachtend. Diesem Stand der Dinge hat sich das IdiSB wohl angepasst, und beschreibt auf ihrer Website ganz klar, dass es sich hierbei „nur“ um Beratungen handelt und eine „Umpolung“ der Sexualität nicht Motivation der Beratung ist, sich allerdings beobachten lässt, dass viele die „Fähigkeit“ entwickeln sich auf eine heterosexuelle Beziehung einzulassen.4 Das Institut beruft sich ausschließlich auf die Bibel, und die Auslegung der Bibel hat unserer Meinung nach nichts mit dem Stand biologischen und sozialen Wissens unserer Zeit über Sexualität und Biologie zu tun.
Die IGNIS-Akademie, mit Sitz in Kitzingen, arbeitet eng mit dem IdiSB zusammen und arbeitet an einer christlichen Psychologie. Auf der Internetseite finden sich keine Details zu Beratungs- und Therapieformen, die Arbeit und Beratung folgt allerdings in erster Linie einer christlichen Verankerung, die die Ansicht verfolgt „dass mit Gottes Hilfe Leben besser gelingt“ und „dass mit psychologischer Reflexion Glauben besser gelingt“.5 Es mag sein, dass Individuen der christliche Glaube als Motivation und Inspiration dient, der Einfluss des Glaubens auf die Psyche des Menschen darf aber nur in dem Maße ausschlaggebend sein, wie es die sonstige soziologische und kulturelle Prägung des Menschen ist. Wir lehnen daher eine einseitig „christliche Psychologie“ und damit die Vision dieser Akademie ab. Uns ist bewusst, dass auch die sogenannte christliche Psychologie bereits eine lange Tradition hat, umso weniger sind wir der Meinung, dass wir nun Psychologie (eine hoch komplexe und noch lange nicht ausgeforschte Wissenschaft) auf der Basis eines Textes betreiben, der vor etwa 2000 Jahren entstand, umformuliert, weitergereicht wurde und allerhöchstwahrscheinlich in der Bearbeitung nur in die Hände von Männern gelangte. Man kann aus der Bibel ziehen, was man möchte, aber sie ist normativ und ganz bestimmt keine Grundlage für eine Wissenschaft oder psychische Beratung, wenn es um Sexualität und Identität geht.
Stellvertretender Vorstand des APS und Chefarzt der de’Ignis Klinik, Rolf Senst referiert beim diesjährigen Kongress. In dem Hausblatt der de’ignis Klinik, von Wolfram Soldan verfasst, bietet sie „beispielhaft Wege zur Überwindung [der Homosexualität] an“.6 Diese wird als eine Grundstörung dargestellt, resultierend aus der Trennung von Gott, die mit ihren Auswirkungen die gesamte Existenz des Menschen bestimmt.
Der Verein Weißes Kreuz e.V. hat sich in einer Pressemitteilung distanziert von den Vorwürfen Konversionstherapien durchzuführen, hat in einem Antidiskriminierungspapier vom 29.10.2013 die ethische Grundlage der Arbeit des Vereines formuliert und arbeitet unter dem Motto „Glaube an Liebe“.7 Wir können die Arbeit vor Ort leider nicht beurteilen, aber die Organisation macht es sich sehr leicht, wenn sie die ganze Zeit von der „Freiwilligkeit“ der Beratenden sich Hilfe zu suchen spricht. Von welcher Freiwilligkeit kann man denn sprechen, wenn einerseits patriarchale Strukturen herrschen und andererseits die Machtstrukturen kirchlicher Strömungen, wie die der Evangelikalen, immer noch besonders prägend sind. Als erster Grund für die Suche nach einer Beratung wird die Tatsache aufgeführt, im Konflikt zwischen den homosexuellen Neigungen und der Glaubensüberzeugung zu stehen.8 Statt ein Umdenken in den Lehren der Glaubensüberzeugung zu fördern, wird das Umdenken der Personen unterstützt und wenn es um Sexualität geht, zunehmend ihre Identität in Frage gestellt. Dies ist der falsche Ansatz, wenn das Weiße Kreuz behauptet vorurteilsfrei jegliche sexuelle Orientierung zu beraten.
Geschäftsführer seit 2006 des Weißen Kreuz ist Rolf Trauernicht, der bei der Veranstaltung ebenfalls referiert.
Das DIJG (Deutsches Institut für Jugend und Gesellschaft) bzw. die Offensive Junger Christen – zu dem Namen muss man wahrscheinlich nichts mehr sagen: Die OJC verfolgt das Ziel in erster Linie „im Einklang mit Christus Heimat, Richtung und Freundschaft“ zu finden.9 Sie beschreiben sich als Gemeinschaft, die versucht die Werte der Lehre Christi zu leben und ihren Beitrag in der Gesellschaft damit zu leisten.
„Die frohe Botschaft von der Liebe Gottes ist nicht nur persönlich relevant, sondern immer auch hochpolitisch“.10 Der Meinung sind wir auch und dadurch, dass die „frohe Botschaft“ einer toleranteren Auslegung bedarf, begrüßen wir eine klare Trennung von Politik und Religion. Auf der DIJG Webseite kann man sich dann verschiedene Positionen und Artikel durchlesen, die ein Licht darauf werfen, aus welcher Motivation sich die Personen mit Identität, Familie und Sexualität befassen. Christl Ruth Vonholdt beispielsweise tut ihre Sorge über die zunehmende Dekonstruktion der Geschlechter und die schulische Bildung bezüglich anderssexueller Beziehungsmodelle kund: „An keiner Stelle wird die Information gegeben, daß [sic!] Männer und Frauen nachweislich ihre homosexuellen Neigungen verringern und in vielen Fällen zugunsten einer heterosexuellen Orientierung verändern können, wenn sie das anstreben.“11
Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz führt die verschiedenen Feminismus Strömungen auf, arbeitet Kernaussagen heraus und beschreibt aktuelle Debatten, um sich dann darüber lustig zu machen12 und sich auf einzelne Kritikpunkte zu verbeißen, wie die scheinbare Degradierung des weiblichen Körpers in feministischen Theorien und Persönlichkeitsverlusten. Ihre Lösung ist demnach der christliche Weg: „Bibel und Kirche, die an dieser Stelle immer seltener befragt werden, „wahren“ jedoch eine „Lösung“ der geschlechtlichen Phänomene.“.13 Es gibt sehr gute Gründe, warum sie immer weniger befragt werden.
Eine Veranstaltung beim diesjährigen Kongress wird von Dietmar Seehuber geleitet. Bei einem Artikel über Sex- und Pornosucht äußert sich dieser recht konservativ über die aktuellen Veränderungen der Sexualiät und spricht davon, dass „der nackte Körper, die schrille Vielfalt sexuellen Treibens (…) inszeniert“ wird. 14 Dadurch, dass er von einer „Inszenierung“ spricht, spricht er jegliche andere Form von Sexualität als der Heterogenen die Realität ab.
Zuletzt sollte man einen Zusammenschluss aus verschiedenen Gruppierungen nennen, dem Homophobie auf der Stirn geschrieben steht und sich 2003 in den USA gegründet hat: Positive Alternatives To Homosexuality (P.A.T.H.). Inzwischen unbenannt in Positive Approaches To Healthy Sexuality.15 Die Offensive Junger Christen ist beispielsweise ebenfalls Mitglied. Das Bündnis hat sich zum Ziel gesetzt, jeder Person bei ihrer sexuellen Entfaltung zu „helfen“ und das traditionelle Familienbild zu „schützen“. Sie unterstützen keine Konversionstherapien, sondern glauben an die individuelle Selbstbestimmung und „the freedom of human expression“.16 Klingt alles wunderbar, aber die nächste stattfindende Veranstaltung ist die Buchvorstellung des Buches „Healing Heterosexuality: Time, Touch and Talk“ von Richard Cohen und der Bestseller der Seite ist „straight talk about homosexuality“. Der Zusammenschluss hat weltweit Unterstützer_innen und Mitglieder_innen.
Eine weitere Referentin Erika Wick17, die nicht bei den oben genannten Verbänden und Kliniken arbeitet, hat sich mit ihrer Initiative „Endlich wieder leben“ eine Plattform geschaffen, auf der sie ihre Lebensschutz-Moral propagiert. Sie hat selber einen Schwangerschaftsabbruch hinter sich und möchte Frauen von diesem „Fehler“ bewahren oder ihnen bei der Bewältigung helfen. Sie spricht u.a. bei „Marsch für das Leben“, der ein bundesweiter Verein für das Lebensrecht darstellt, im Kern sich allerdings gegen die (sexuelle) Selbstbestimmung von Schwangeren und nicht nur für die anhaltende Illegalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen plädiert, sondern sogar strengere Maßnahmen und Gesetze fordert.
Tabea Freitag, Psychologin und Autorin, hat ebenfalls eine durchaus kontroverse Meinung zu „Liebe und Sexualität“ und beschreibt in einem SWR-Interview die „problematischen“ Auswirkungen von liberalerem Aufklärungsunterricht in der Schule. Sie sieht nicht die Chancen und die Freiheit darin, die eigene Sexualität und das eigene Geschlecht, jenseits von der Geschlechterbinarität, auszuleben und überhaupt die Möglichkeiten zu haben, jenseits der Normen Sexualität und Geschlecht kennen zu lernen, sondern geht davon aus, man würde sich eine Sexualität und Geschlecht aussuchen. Sie sieht es als Gefahr und Überforderung der Schüler_innen und spricht von der „Kreation eines neuen Puffs“ und „sexueller Belästigung“.18
Ein weiterer Referent ist Harald Petersen, Seelsorgereferent des Bundes Freier evangelischer Gemeinden in Deutschland. Jene machten im Dezember 2018 auf sich Aufmerksam, als sie homosexuell Empfindende als Betroffene und praktizierte Homosexualität als „das wichtigste Beispiel für die Sünde des Menschen, der sich gegen seinen Schöpfer auflehnt“ bezeichneten. Weiterhin wird Betroffenen zur Enthaltsamkeit geraten und das Recht einer freien Gemeinschaft auf eine ergebnis- und zieloffene Begleitung für hilfesuchende Menschen propagiert.19
Fazit
Offiziell distanzieren sich heute Organisationen wie Wüstenstrom (heute IdiSB e.V.) und auch das Weiße Kreuz davon Konversionstherapien anzubieten, Recherchen des Journalisten Timm Giesbers haben aber das Gegenteil ergeben.20 Und auch die Art und Weise, wie Informationen und Beratungen angeboten werden und vor allem in welchem Rahmen diese stattfinden, ermöglichen einen Eindruck von dem, was dort an „Psychologie“ betrieben wird.
Dabei sind sich führende Forscher_innen, wie Dr. Liselotte Mahler von der Deutschen Gesellschaft für Psychotherapie (DGPPN) sicher, dass diese Therapien oder „Beratungen“ schaden und oft zu Depressionen und sogar zu Suiziden führen können. Sie fordert ein Verbot von Konversionstherapien. Dies wird auf Bundesebene immer wieder thematisiert21, aber Verbote und tatsächliche Maßnahmen, der Diskriminierung und Anprangerung einer non- binären Sexualität entgegenzuwirken, wurden noch nicht ergriffen.
Die verschiedenen Institute und Verbände haben zunehmend ihren öffentlichen Sprachgebrauch, durch den Widerspruch an Formulierungen und Therapieformen, angepasst. Beispielsweise ist kaum mehr die Rede von „Therapien“, sondern nur noch von „Beratungen“, um den Eindruck zu erwecken, die Gespräche würden auf Basis der Interessen der zu Beratenden beruhen und nicht voreingenommen von der/die Therapeut_in durchgeführt oder „aufgezwängt“ werden. Dies verschleiert unserer Meinung nach immer mehr, dass die Beratung überhaupt auf fundamental christlichen Elementen beruht. Vielen Menschen ist nicht bewusst, dass Psychologie als empirische Wissenschaft ein geschützter Begriff ist und diverse Standards an Ethik und Moral und vor allem Unvoreingenommenheit verpflichtet. Seelsorge allerdings kann frei aus jeglicher beliebigen Strömung heraus entstehen, ohne den notwendigen Ansprüchen der Wissenschaft gerecht zu werden oder sich an diese zu binden. Es wird sehr gefährlich ab dem Punkt, an dem die Grenzen fließend übergehen und die betroffene Person bei keiner Beratung, außer nach ausführlicher Recherche, über ihr „Glück“ Bescheid weiß, neben der psychologischen oder psychiatrischen Begleitung und Seelsorge noch ein bisschen Fundamentalismus mit abzubekommen.
Dieses Szenario stellen wir uns gerade in Zeiten, in denen Extremismus und Populismus einen beunruhigenden Zuwachs genießen, besser nicht vor.
Ob die Mentalität der Referierenden bei dem Kongress sich der Modernität der Begriffe („Beratung“) anpasst, ist unklar. Wir sprechen nicht jeder auf dem Kongress anwesenden Person Homophobie und Sexismus zu, können aber die direkte Verbindung von religiösem Fundamentalismus und psychiatrischer oder psychologischer Beratung nicht akzeptieren. Die Auslegung der Bibel ist vielseitig und vielerorts konflikthaft und Würzburg darf keine Bühne bieten für jegliche Art von Diskriminierung und Menschenfeindlichkeit.
Deswegen rufen wir zum breiten Protest in jeglicher Form und jede_n, ob Einzelperson oder in einer Gruppe, zum Unterschreiben des Briefes auf!
Termine:
Mi., 05.06. 12:00 Uhr Infostand :
https://wuerzburg.demosphere.net/event/1562
Fr., 07.05. 16:30 Uhr You can’t pray the gay away! – Demo gegen APS:
https://wuerzburg.demosphere.net/event/1561
Solidarität und Unterschriften an: [email protected] und [email protected]
Quellen:
1 https://www.idisb.de/reise-zum-frausein.html
2 https://www.idisb.de/reise-zum-mannsein.html
3 https://www.idisb.de/beratung.html
4 https://www.idisb.de/aktuell/konversionstherapie-eine-unn%C3%B6tige-debatte/
5 https://www.ignis.de/ueber-uns/
6 http://noplace.blogsport.de/material/organisationen-umfeld/
7 https://www.weisses-kreuz.de/ueber-uns/wer-wir-sind
8 https://www.weisses- kreuz.de/dynamo/files/user_uploads/Allgemeine_Downloads/Stellungnahme_Homosexualita et_23112017.pdf
9 https://www.ojc.de/kommunitaet/leitbild/auftrag/
10 https://www.ojc.de/kommunitaet/leitbild/dreiklang/
11 ttps://www.dijg.de/ehe-familie/dekonstruktion-geschlechter-queer-studies/
12 „Dazu paßt der Witz: Ein Kind wird geboren; endlich erreicht die Oma den Vater am
Telefon mit der Frage: „Ist es denn ein Bub oder ein Mädchen?“ Darauf er stolz: „Das lassen wir es
später selber mal entscheiden.“ https://www.dijg.de/gender-mainstreaming/fliessende-identitaet- gender/
13 https://www.dijg.de/gender-mainstreaming/fliessende-identitaet-gender/
14 https://www.dijg.de/pornographie-sexsucht-pornosucht/formen-ursachen/sexuelle- suechtigkeit/
15 https://www.pathinfo.org/
16 https://www.pathinfo.org/what-we-believe
17 https://www.endlich-wieder-leben.de/endlich-wieder-leben-1/das-leitungsteam/
18 https://www.youtube.com/watch?v=CEYohsdsvys&has_verified=1
19 https://de.wikipedia.org/wiki/Bund_Freier_evangelischer_Gemeinden_in_Deutschland#Kritik_u nd_Richtigstellung
20 https://www.youtube.com/watch?v=p0efVz8qbpw
21 Beispiel: Anfrage an den Bundestag 2008: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/079/1607917.pdf