Antiziganismus auf politischer Ebene – Antiziganismus Watchblog https://antizig.blackblogs.org Fri, 04 Sep 2020 12:39:16 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 https://antizig.blackblogs.org/wp-content/uploads/sites/775/2019/01/cropped-antizig-header-e1546873341720-32x32.jpg Antiziganismus auf politischer Ebene – Antiziganismus Watchblog https://antizig.blackblogs.org 32 32 Rezension: NICHTS GELERNT?! Konstruktion und Kontinuität des Antiziganismus https://antizig.blackblogs.org/2020/09/04/rezension-nichts-gelernt-konstruktion-und-kontinuitaet-des-antiziganismus/ Fri, 04 Sep 2020 11:56:49 +0000 http://antizig.blackblogs.org/?p=1408 Continue reading Rezension: NICHTS GELERNT?! Konstruktion und Kontinuität des Antiziganismus ]]> von Benjamin Horvath

Der vorliegende Sammelband von Katharina Peters und Stefan Vennmann beleuchtet die Situation von Rom*nja in Deutschland aus unterschiedlichen Perspektiven und leistet dabei einen guten Überblick über aktuelle Vorschungsansätze.

Dirk Wolff stellt das Projekt „AIDD – Angekommen in Duisburg und Dortmund“ vor. Der Bericht bietet einen interessanten Einblick in die Konzeption und Arbeit des Projekts und stellt damit eine gute Skizze für (mögliche) ähnliche Projekte in anderen Städten (bspw. Halle/Saale) mit nennenswertem Zuzug von Roma dar. Ein daraus resultierendes Netzwerk solcher Gruppen könnte zu einem nützlichen Informationsaustausch führen.

Wibke Kleina beschreibt in „Zwischen Passfähigkeit und Besonderung“ die Diskriminierung zugereister Roma im deutschen Schulsystem, dass ihnen die Geringschätzung von Schulbildung vorwirft, während eine Mehrzahl von Faktoren für mögliche schlechtere Leistungen ausgeblendet werden. Dieses von Lehrenden als auch höheren Entscheidungsträgern (wie einst, im Kontext einer Demo gegen die Abschiebung von Roma, aus dem Mund von Boris Palmer gehört) gehegte Stereotyp übersieht die mannigfachen Faktoren, die zu einem möglichen Fernbleiben vom Unterricht und möglicher schlechten Leistungen bei Roma-Kindern führen können. Leider ist zu befürchten, dass die angeführten Lösungsvorschläge, wie die gezielte Betreuung der Kinder, an der schlechten Finanzierung der Schulen in Deutschland und einem Mangel an Lehrenden (besonders in strukturschwachen Regionen) scheitern werden.

In „Sind wir zu intolerant?“ untersucht Katharina Peters Fernseh-Talkshows im öffentlich-rechtlichen Fernsehen im Zeitraum 2012 bis 2015. Einem Zeitraum, in dem Meldungen über (von Roma bewohnte) „Problemhäuser“ in Duisburg auch auf dem Antizig-Bloghäufig gespiegelt wurden und auch Halle-Silberhöhe antiziganistische Bekanntheit erlangte. Der EU-Beitritt Rumäniens und Bulgariens im Jahr 2007 entfachte in Deutschland in den Folgejahren eine Debatte über Integration und im besonderen den Bezug von Sozialhilfe für EU-BürgerInnen. In jenen Talkshows befeuerten häufig eingeladene Gäste mit rechten Ansichten den antiziganistischen Gesellschaftsdiskurs, der Roma in Verbindung mit Kriminalität und unhygenischen Zuständen setzt.

Einen spannenden Einblick in konkrete stadtpolitische Entwicklungen der Duisburger Nordstadt im Kontext des Zuzugs von Menschen aus Rumänien und Bulgarien liefert Joachim Krauß in „Der Zukunft abgewandt“. Neben empirischen Daten über die Bevölkerungsentwicklung in jenem Gebiet wird das ressentimentbasierte Vorgehen der Stadtführung gegen die Neuzugezogenen beleuchtet.

Im darauf folgenden, zusammen mit Sylvia Brenneman gegebenen, Interview wird beschrieben mit welchen – teils illegalen Methoden – die Stadt Duisburg gegen jene Zugezogenen vorgegangen ist.

Markus Ends Beitrag „Die Dialektik der Aufklärung als Antiziganimuskritik“ liest sich durch seinen universitären Aufbau zunächst enorm zäh und birgt für KennerInnen seiner früheren Texte zum Gehalt der Dialektik der Aufklärung von Adorno und Horkheimer zu einer Theorie des Antiziganismus, oder den Texten seiner RezipientInnen, wenig neue Erkenntnisse. Zum Ende des Beitrags arbeitet End jedoch eine überzeugende und nachvollziehbare eigenständige idealtypische Sinnstruktur des Antiziganismus heraus, die sich von der „Überzivilisiertheit“ im Antisemitismus und der „Naturverhaftung“ im (post-)kolonialalen Rassismus unterscheidet und damit die „Vorurteilsforschung“ um eine wichtige Facette bereichert.

Sebastian Winter liefert in „‘Femme fatal‘ und ‚Zwangsprostituierte‘“ einen aktuellen Blick auf das geschlechtsspezifische Bild der „Zigeunerin“ an Hand vermeintlicher Zwangsprostituierten in der Dortmunder Nordstadt und beschreibt den Wandel der antiziganistischen Perzeption als eine matriarchale Gesellschaft (Eulberg) zu einer archaisch-patriarchal repressiven. Eine These, die Interesse an weiteren Ausführungen weckt.

Auch Rafaela Eulberg trägt eine weitere wertvolle Facette zur geschlechtsspezifischen Dimension des Antiziganismus bei. „Das Bild der ‚Zigeunerin‘ als ‚nicht-okzidentale Andere‘“ führt in die Okzident-Orient-Dichotomie am Beispiel der „Zigeuner-Magierin“ und der ihr zugrunde liegenden Religion-Magie-Dichotomie ein. Ein wichtiger Beitrag zur historischen Genese des Antiziganismus mit einer hohen Aktualität im speziellen für Länder wie Rumänien, in denen ‚Wahrsagerinnen‘ eine höhere Präsenz im öffentlichen Leben haben.

In „Antiziganismus, Kolonialismus und Neoliberalismus“ ist Merfin Demir bestrebt den „stereotypen Wahrnehmungskontext“ über Rom*nja aufzubrechen und eine „Reflexion auf Beobachtungen, Untersuchungen und Erfahrungen aus der rassismuskritischen Empowermentarbeit“ darzulegen. Was folgt sind vier nur bedingt zusammenhängende Unterkapitel, wovon das Letzte auch in seiner Konklusion widersprüchlich wirkt. Der Anstoß zu einer Untersuchung der Parallelen der Versklavung von Roma in Rumänien, Indigenen des amerikanischen Kontinents und den dorthin verschleppten AfrikanerInnen, auf Basis einer Entmenschlichungs- und Minderwertigkeits-Argumentation wirkt interessant. Er birgt jedoch auch die Gefahr durch eine Parallelisierung die Spezifiken der verschiedenen Ausbeutungsereignisse zu übergehen. Das präsentierte Quellenmaterial zur Sklaverei in Rumänien wirkt dürftig, was jedoch zur tiefer gehenden Erforschung dieses Themas animieren sollte. Karg stellt sich leider auch die Quellenlage sowie die aufgestellte Kausalität für einen energisch vermuteten Einfluss der schwarzen US-Bürgerrechtsbewegung der 60er Jahre auf die internationale Roma-Selbstorganisation dar.

Astrid Messerschmidt zeichnet in „Antiziganismuskritik in Auseinandersetzung mit Rassismus und Nationalismus“ nach, wie das Bild des „Zigeuners“ und „Juden“ im Kontrast zur arbeitssamen, homogenen, nationalen Gemeinschaft konstruiert wurde, dass in der Vernichtung von Jüd*Innen, Rom*njia und Sint*ezza kulminierte. Die Aufarbeitung des Porajmos war und ist bis heute schleppend verlaufen bis nicht existent gewesen, wie der noch heutige Umgang deutscher Behörden mit geflüchteten Rom*nja zeigt. Messerschmidt spricht bei der Aufarbeitung des Porajmos die Gefahr eines ethnologischen Blicks auf Rom*nja als Gruppe an, dass dem Abbau von Vorurteilen entgegenwirken kann. Stattdessen sei eine Reflexion über die Geschichte und Wirkung des Antiziganismus von Nöten. Gerade für Betroffene von Antiziganismus ist die Auseinandersetzung damit essentiell für die Entwicklung eines stabilen Selbstbewusstseins. Da in Schulen eine solche Auseinandersetzung nicht geführt wird, müssen Betroffene auf außerschulische Angebote ausweichen.

Wie die Theorie des homo sacers von Giorgio Agamben zu gefährlichen, theoretischen Reduktionen führt, zeigt Stefan Vennmann in „Der Nicht-Ort der Vernichtung“ auf. Er nimmt damit u.a. Bezug auf Roswitha Scholz, die – mehr oder minder – versuchte, die Theorie Agambens bzw. dessen Rezeption durch Robert Kurz für die Antiziganismusforschung nutzbar zu machen. Im Buch „Antiziganistische Zustände“ nimmt sie den homo sacer als Ausgangspunkt, um die Ausgrenzungsgeschichte der Sinti und Roma und dessen strukturelle Ausformungen bis heute nachzuzeichnen. Dahingehend übergeht oder blende Scholz das Problem aus, das Vennmann in der Theorie Agambens sieht: Die Reduktion auf den homo sacer blendet die Spezifik verschiedener Diskriminierungsformen – um die es letztlich in der Antiziganismusforschung gehen sollte – aus, die die fundamentalen Unterschiede der Ausgrenzung, besonders im Kontext des Nationalsozialismus, übergeht.

Weniger kontrovers wie angekündigt fiel das Interview „Antiziganismus, Romaphobie und Gadje-Rassismus“ mit Drita Jakupi am Ende des Buches aus. Hier führt sie ihre Ablehnung des Begriffs „Antiziganismus“, aufgrund der Weiterverwendung des Wortes „zigan“ und dessen historischen Aufladung u.a. durch den Nationalsozialismus, aus. Dieser kann von, sich als Rom*nija verstehenden, Menschen als verletzend empfunden werden. Die, aus diesen Gründen entspringende Ablehnung des Begriffs ist nachvollziehbar. Stattdessen plädiert Jakupi dafür von „Romaphobie“ zu sprechen.

Gründe für und gegen die Verwendung des Begriffs „Antiziganismus“ in der Forschung, wurden in der Vergangenheit bereits an anderer Stelle diskutiert (Verweise auch im Interview). An dieser Stelle wird hingegen kurz der alternative Begriff „Romaphobie“ kritisch in den Blick genommen:

Zunächst verstehen sich nicht alle, sonst als „Zigeuner“ bezeichneten, Menschen und Gruppen als Rom*nja (bspw. in der Sinti Allianz Deutschland, unter Jenische, in der Ungarischen Zigeuner Partei u.a.). Mit der zunehmenden Anwendung des Begriffs „Roma“ (oder auch „Sinti und Roma“ als zusammengehöriger Begriff) auf alle, mit „ziganistischen“ Stereotypen belegten, Menschen droht „Roma“ zu einem reinen, vermeintlich politisch-korrekten Re-Branding des Wortes „Zigeuner“ zu werden, da es ebenso zu einer „Homogenisierung heterogener Individuen und Gruppen“ (Zitiert nach Magdalena Marsovszky: Verfolger und Verfolgte – Antiziganismus in Ungarn, S. 14) führt.

Bereits die NPD schafft es auf ihren Aufklebern von „Sinti und Roma“ zu sprechen, dabei aber die selben Stereotype zu bedienen, wie sie mit dem Wort „Zigeunern“ transportiert werden. In Ungarn, wo – gemutmaßt – die Verwendung von „Roma“ eine längere Geschichte hat als in Deutschland, wird der Begriff von der Mehrheitsgesellschaft bereits komplett Synonym verwendet. Inklusive all seiner Stereotype und der dahinter stehenden Herabwürdigung, der damit bezeichneten Menschen. In der Bild-Zeitung und ähnlichen Formaten diente bereits die Kombination „Rumänen und Bulgaren“ als Chiffre für „antiziganistische“ Stereotype. Dahingehend muss Frau Jakupis Aussage widersprochen werden, dass Diskriminierung mit der Sprache beginnt.

Mit Bezug auf einen Beitrag von Tobias Neuburger zur Debatte um die Verwendung des Begriffs „Antiziganismus“, muss an dieser Stelle sogar davor gewarnt werden, den Begriff „Zigan“ einfach durch „Roma“ ersetzen zu wollen. Die Gefahr besteht das durch das politisch akzeptable Label „Roma“ (für alle von Antiziganismus betroffenen Menschen) nicht nur die dahinterliegenden Stereotype des „Zigan“ bedenkenloser fortgeführt werden können, sondern durch vermeintlich politisch korrekt handeln wollende Menschen zu einer noch größeren Verbreitung dieser beitragen

Der, im Titel genannte, Begriff „Gadje-Rassismus“ hätte das Potenzial die angeführten Probleme beider vorhergehenden Begriffe zu umgehen. Jedoch wurde, trotz des Titels, leider nicht darauf eingegangen.

Erhältlich über den Verband für interkulturelle Arbeit (VIA) und über den Buchhandel (Verlag Situationspresse, Duisburg).

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Roma in der Krise https://antizig.blackblogs.org/2020/04/29/roma-in-der-krise/ Wed, 29 Apr 2020 15:01:47 +0000 http://antizig.blackblogs.org/?p=1360 Continue reading Roma in der Krise ]]> Mit der Corona-Pandemie spüren Roma und Sinti in Europa steigende Anfeindungen. Wie ist die Situation in Österreich? Eine Nachfrage zum heutigen Internationalen Tag der Roma.

Die Covid-19-Epidemie bestätigt eine bekannte Tendenz krisenhafter Ereignisse: Jene, deren Lebensumstände schon zuvor prekär waren, trifft die Krise mit besonderer Wucht. Roma und Sinti, mit mehr als zehn Millionen die größte ethnische Minderheit in Europa, geraten gerade in südosteuropäischen Ländern unter verstärkten Druck. Rund die Hälfte aller europäischen Roma lebt in Tschechien, der Slowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Serbien und Mazedonien, wo in großen Elendssiedlungen vielfach etliche Menschen auf engstem Raum zusammenleben – ideale Bedingungen für die Ausbreitung von Covid-19.

Krisen befeuern aber auch Repressionen gegen Randgruppen und Minderheiten, die gerade in ökonomisch schwierigen Zeiten vermehrt in Sündenbock-Rollen gedrängt werden. Krisen können deshalb auch zum Brandbeschleuniger rassistischer Gewalt werden. In Bulgarien wurden von Roma bewohnte Stadtviertel staatlich abgeriegelt, die Menschen darin von medizinischer und Lebensmittelversorgung abgeschnitten. Den Abriegelungen ging auch das Gerücht voraus, Roma könnten das Coronavirus aus dem Ausland eingeschleppt haben. In Rumänien und der Slowakei gab es ähnliche Maßnahmen.

Roma-Organisationen schlagen deshalb Alarm. Der Zentralrat deutscher Sinti und Roma warnte, dass nationalistische Politiker in Südosteuropa die Corona-Krise nützen könnten, um „rassistische Positionen als Regierungshandeln zu legitimieren“. Rassismus gegen Roma, der dort seit Jahren massiv und gewaltbereit existiere, bekomme durch dieses staatliche Handeln eine neue Qualität.

Wie aber ist die Situation in Österreich? Hierzulande leben nach Schätzungen zwischen 10.000 und 50.000 Roma und Sinti. Armuts-Siedlungen gibt es hier nicht. Und das Leben der in Österreich seit 1993 anerkannten Volksgruppe hat wenig mit alten Roma-Klischees vom „fahrenden Volk“ zu tun. Die größte zusammenhängende Roma-Siedlung des Landes ist jene am Stadtrand von Oberwart – und auch hier leben nur rund 55 Menschen. Ansonsten sind Gemeinschaftssiedlungen unüblich, die große Mehrheit der Volksgruppen-Angehörigen lebt verteilt in den Städten.

Rassismusgefahr besteht immer

Vor rund zwei Wochen sorgte aber eine Gruppe von Roma und Sinti aus verschiedenen Ländern, die mit ihren Wohnwägen unter anderem in Steyr und Linz Halt gemacht hatte, für mediale und politische Aufregung. Der Linzer FPÖ-Sicherheitsstadtrat Michael Raml sprach von „Unklarheit über die gesundheitliche Lage der angereisten Gruppe“. Und die Berichterstattung regionaler Medien kritisierten Roma-Vertreter als stereotyp bis rassistisch.

„Die Gefahr ist, dass Roma zunehmend zu Prügelknaben gemacht werden“, sagt Emmerich Gärtner-Horvath im Gespräch mit der „Wiener Zeitung“. Gärtner-Horvath ist Vorsitzender des Volksgruppenbeirats der Roma und Obmann des Vereins Roma-Service, der größten Roma-Organisation in Österreich. Die Lage der Volksgruppe in Österreich bewertet er zwar sehr positiv, die Gefahr, dass steigender Rassismus in Nachbarländern mittelfristig über die Grenzen hinausstrahle, sei aber immer gegeben.

Zudem habe es auch in Österreich immer Gruppen gegeben, die antiziganistische Ressentiments bedient hätten, sagt Gärtner-Horvath, „auch in der Politik“. Die Wachsamkeit in weiten Teilen der Republik ist indessen nicht zuletzt aus historischen Gründen stark ausgeprägt: Vor 1938 lebten rund 11.000 Roma und Sinti in Österreich. Rund zwei Drittel von ihnen wurden im Nationalsozialismus ermordet.

Gute Zusammenarbeit mit der Politik

Tatsächliche Rückschläge für Roma in Österreich erwartet Gärtner-Horvath aktuell nicht: „Wir haben in der Volksgruppe auch eine sehr gute Zusammenarbeit mit der Politik.“ Die 2011 von der EU initiierte Roma-Strategie 2020, die Verbesserungen etwa im Wohn- und Bildungssektor und am Arbeitsmarkt zum Ziel hatte, sei sehr gut umgesetzt worden.

„Nicht ganz so optimistisch“ sieht das Mirjam Karoly, Politikwissenschafterin und stellvertretende Obfrau des Vereins Romano-Centro in Wien, der sich für Verbesserung der Lebensbedingungen von Roma und gegen Diskriminierung engagiert. In der konkreten Umsetzung der Strategie 2020 gebe es durchaus noch „viel Spielraum zur Verbesserung“ – bei der Förderung von Roma im Bildungsbereich als auch der Antidiskriminierungsarbeit.

Der Verein Zara dokumentierte im vergangenen Jahr 54 antiziganistische Vorfälle, 2020 bislang elf. Erfasst werden sowohl Fälle im Onlinebereich wie Anfeindungen in sozialen Medien, als auch offline. Das Spektrum reicht dabei von verbalen Beschimpfungen bis zu Drohungen und körperlichen Attacken. Dokumentiert werden können nur Ereignisse, die Betroffene oder Zeugen an Zara melden. Die offiziellen Zahlen bezeichnet Dilber Dikme, Juristin und Leiterin der Zara-Beratungsstellen, deshalb gegenüber der „Wiener Zeitung“ als „Spitze des Eisbergs“.

Zu Beginn der Corona-Epidemie habe man verstärkte Attacken auf „asiatisch aussehende Menschen“ registriert, im weiteren Verlauf auch auf geflüchtete Menschen. Ob Angriffe auf weitere Minderheiten wie Roma zunehmen, wertet der Verein längerfristig aus. „Ich befürchte aber, dass das erst der Anfang einer Entwicklung ist“, sagt Dikme. „Denn wenn die Krise sich verfestigt, die Arbeitslosigkeit lange hoch bleibt, werden auch öfter andere zu Sündenböcken gemacht.“

Quelle: Wiener Zeitung

Stand: 29.04.2020

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Zentralrat Deutscher Sinti und Roma warnt vor Rassismus in der Corona-Krise https://antizig.blackblogs.org/2020/03/30/zentralrat-deutscher-sinti-und-roma-warnt-vor-rassismus-in-der-corona-krise/ Mon, 30 Mar 2020 15:57:51 +0000 http://antizig.blackblogs.org/?p=1337 Continue reading Zentralrat Deutscher Sinti und Roma warnt vor Rassismus in der Corona-Krise ]]> Rechtsextreme und nationalistische Politiker in einer Vielzahl von Ländern Mittelost- und Südosteuropas wollen die gegenwärtige Krise, die durch den neuen Corona-Virus entstanden ist, nutzen, um ihre rassistischen Positionen jetzt als Regierungshandeln zu legitimieren und umzusetzen.

In Bulgarien forderten Politiker der extremen Rechten die Regierung auf, als „nationale Maßnahme“ Kontrollstellen an allen von Roma bewohnten Stadtvierten einzurichten. In der Folge haben nationale und lokale Behörden bereits mehrere Roma-Stadtviertel abgeriegelt. Damit werden Roma grundrechtswidrig von jeder medizinischen Versorgung ausgeschlossen, die Versorgung mit Lebensmitteln und allen anderen Gütern des täglichen Bedarfs wird abgeschnitten. Damit bereiten die staatlichen Institutionen bewußt eine humanitäre Notlage vor. Der Rassismus gegen Roma, der in diesen Ländern massiv und gewaltbereit seit Jahren existiert, bekommt durch dieses staatliche Handeln eine neue Qualität. Damit ist wieder die Gefahr von neuen Pogromen gegen Roma gegeben.

Die Krise, die der Corona-Virus international ausgelöst hat, trifft alle Menschen unabhängig von ihrer Herkunft. Anstelle von Stigmatisierung und Ausgrenzung müssen die verantwortlichen Regierungen die besonders bedrohte Situation von Roma in den Ländern Mittel- und Südosteuropas anerkennen und umgehend zielgerichtete Maßnahmen ergreifen. Infolge des bestehenden strukturellen Rassismus in vielen Regionen haben große Teile der Roma-Bevölkerungen keinen Zugang zu Trinkwasser und leben oftmals in desolaten Wohnverhältnissen. Die Regierungen dieser Länder tragen seit Jahrzehnten die Verantwortung für die systematischen Versäumnisse beim Aufbau einer vernünftigen Infrastruktur in den vielen ausschließlich von Roma bewohnten Stadtvierteln und Siedlungen. „Der Zentralrat fordert diese Regierungen und die Europäische Union auf, ihrer Verantwortung jetzt endlich gerecht zu werden und nicht zuzulassen, daß Roma erneut als Sündenböcke von Nationalisten und Rassisten mißbraucht werden“, erklärte heute Romani Rose.

Der Zentralrat begrüßt die Initiativen vieler Regierungen, Informationen über den Virus in allen Sprachen und an alle Bürger zu verbreiten. Die enge Kooperation mit den nationalen und lokalen Roma-Organisationen, die bereits intensiv die Information und Aufklärung von Roma in ihrer Region unterstützen, ist hierbei von grundlegender Bedeutung. Der Zentralrat begrüßt ebenso die Initiativen von zivilgesellschaftlichen Organisationen mit Unterstützung von Regierungen Lebensmittel- und Hygienepakete an benachteiligte Bevölkerungsgruppen auszugeben.

Mit Sorge sehen jedoch der Zentralrat und andere internationale Menschenrechtsorganisationen, daß große Teile der Roma-Bevölkerungen, die seit dem Zusammenbruch der sozialistischen Staaten sich in einer zunehmend desolaten Lage befinden, jetzt auf Dauer ohne jede Einkommensmöglichkeit sind. „Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma wendet sich daher umgehend an die Regierungen in den jeweiligen Ländern, an die Institutionen der Europäischen Union und des Europarates, die humanitäre Hilfe für alle betroffenen Menschen, die ohne Versorgung sind, sicherzustellen“, so Romani Rose.

Quelle: Zentralrat deutscher Sinti und Roma

Stand: 30.03.2020

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Sinti und Roma in der Coronakrise: Es drohen Rassismus, Pogrome, Hungersnot https://antizig.blackblogs.org/2020/03/27/sinti-und-roma-in-der-coronakrise-es-drohen-rassismus-pogrome-hungersnot/ Fri, 27 Mar 2020 14:33:17 +0000 http://antizig.blackblogs.org/?p=1329 Continue reading Sinti und Roma in der Coronakrise: Es drohen Rassismus, Pogrome, Hungersnot ]]> Die Coronakrise trifft Minderheiten besonders hart. Werden Sinti und Roma zu Sündenböcken? In Bulgarien wurden die ersten Siedlungen abgeriegelt.

Es ist nur ein Gerücht, aber es entfacht eine verheerende Wirkung: Angeblich haben Roma-Migranten, die aus Deutschland und anderen Teilen Westeuropas nach Bulgarien zurückreisten, das Coronavirus in den Balkanstaat eingeschleppt. Die ersten beiden Bulgaren, die sich infizierten und später sogar starben, sollen sich, wie es heißt, nur deshalb angesteckt haben, weil Roma entgegen den Empfehlungen der bulgarischen Regierung sorglos gehandelt und so ihre Landsleute in Gefahr gebracht hätten. Von „mangelnder Disziplin“ der Roma ist die Rede.

Soweit die Legende. In der Praxis haben nun in Bulgarien Politiker der extremen Rechten die Regierung aufgefordert, als „nationale Maßnahme“ Kontrollstellen an allen von Roma bewohnten Stadtvierteln einzurichten. Wie der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma berichtet, sind in der Folge von nationalen und lokalen Behörden bereits mehrere Roma-Stadtviertel abgeriegelt worden.

Herbert Heuß, wissenschaftlicher Leiter des Zentralrats, kritisiert: „Damit werden Roma grundrechtswidrig von jeder medizinischen Versorgung ausgeschlossen, die Versorgung mit Lebensmitteln und allen anderen Gütern des täglichen Bedarfs wird abgeschnitten.“ Und dies bei ohnehin desolaten Wohnverhältnissen in den Siedlungen. Oft fehlt der Zugang zu Trinkwasser.

Romani Rose warnt vor neuen Pogromen

Der Vorsitzende des Zentralrats, Romani Rose, warnt – auch an die Adresse der EU und der Regierungen betroffener Länder: „Roma dürfen nicht erneut als Sündenböcke von Nationalisten und Rassisten missbraucht werden.“ Er sieht in der Krise „die Gefahr von neuen Pogromen gegen Roma“.

 

Einer der Wortführer der Forderungen zur Abriegelung der Roma-Siedlungen in Bulgarien ist der für seine rassistischen Tiraden bekannte Europaabgeordnete Angel Dschambaski von der nationalen Bewegung Imro.

Nach Informationen des Zentralrats der Sinti und Roma sind die Behörden in drei bulgarischen Städten dem Appell des Rechtsextremisten bereits gefolgt und haben Roma-Wohngettos abgeriegelt, in denen insgesamt mehr als 50.000 Menschen leben – in Nowa Sagora, der Rosenöl-Stadt Kasanlak und Sliwen. Laut einem Bericht des Portals „Euractiv“ sehen sich beispielweise in Sliwen die rund 25.000 Roma aus dem Viertel Nadeschda einer regelrechten Blockade gegenüber: Jeder, der das Viertel verlassen wolle, werde von der Polizei kontrolliert. Für die Roma-Siedlungen in der Region um die Hauptstadt Sofia drohen vergleichbare Regelungen.

„Euractiv“ berichtet weiter, das Innenministerium in Sofia habe die sogenannten Roma-Vermittler aufgefordert, eine Notfall-Aufklärungskampagne über das Coronavirus zu starten. Innenminister Mladen Marinow drohte demnach, die eingesetzten Vermittler sollten endlich ihre Arbeit erfolgreich erledigen, ansonsten würden die Roma-Viertel von der Außenwelt abgeschnitten.

Eine verschärfte Stimmungsmache gegen Sinti und Roma in der Coronakrise gibt es in fast allen Ländern Mittel- und Osteuropas – von Rumänien über Ungarn bis zur Slowakei, aber auch in den Westbalkan-Staaten wie Nordmazedonien, Bosnien-Herzegowina, Serbien, Kosovo und Albanien. In den österreichischen Städten Linz und St. Pölten machten Kommunalpolitiker der rechtspopulistischen FPÖ vor dem Hintergrund der Ausbreitung des Coronavirus Sicherheitsbedenken gegen Roma-Lager geltend. Auch in Rumänien wurden bereits Forderungen von rechtsradikalen Kommunalpolitikern laut, Roma-Siedlungen abzuriegeln.

Viele Roma in extrem prekärer Situation

Dass nationalistische Politiker die Coronakrise nutzen, um Sinti und Roma auszugrenzen, ist allerdings nur ein Teil der aktuellen Probleme, wie Herbert Heuß vom Zentralrat weiter erläutert. Ausgangssperren und Reisebeschränkungen haben nach seinen Worten dazu geführt, dass viele Roma inzwischen praktisch ohne Einkommen sind, sich in einer „extrem prekären Situation“ befänden.

Viele Roma sind schon jetzt arbeitslos. Andere können ihre bisherigen Jobs als Flaschen- oder Schrottsammler – also als prekäre Selbstständige – unter den Bedingungen von Ausgangssperren im Moment nicht ausüben, vermutlich wochen- oder sogar monatelang. Weitere haben die Aussicht auf Verdienstmöglichkeiten als Erntehelfer zum Beispiel in Deutschland verloren – Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte am Mittwoch verfügt, dass die Einreise von Helfern beispielsweise beim Spargelstechen oder bei der Erdbeerernte bis auf weiteres untersagt ist. Unter den Erntehelfern sind in den vergangenen Jahren auch viele Roma gewesen.

In den Siedlungen ist man auf einen Ausbruch des Coronavirus praktisch in keiner Weise vorbereitet. Oft leben Hunderte und Tausende dicht an dicht zusammen, manchmal zehn und mehr Menschen in einem Raum zusammen. Eigentlich von den Behörden untersagte Kontakte lassen sich so kaum vermeiden. „Was passiert, wenn das Virus in diesen Siedlungen ausbricht?“, fragt sich Stephan Müller, externer Mitarbeiter des Zentralrats. „Das wird eine Katastrophe.“

Soziale Wohlfahrt deckt nicht den Lebensunterhalt

Die meisten osteuropäischen Länder haben nur eine begrenzte soziale Wohlfahrt – sie reiche nicht aus, um den Lebensunterhalt zu sichern, analysiert Zentralrats-Experte Müller. Er fragt sich: „Wie werden die Menschen überleben?“ Müller zum Tagesspiegel: „Der Rassismus gegenüber Roma, der Antiziganismus ist weit verbreitet. Aufgrund der katastrophalen Lebensbedingungen vieler Roma und ihren durch Korruption und Rassismus begrenzten Zugang zum Gesundheitswesen, besteht die Gefahr, dass viele Roma sich anstecken können und keine Behandlung erhalten.“ Der Zentralrats-Vertreter erwartet: „Rassisten werden nicht zögern, Roma zum Sündenbock für die Krise machen, was weitreichende Folgen haben kann.“

Der Zentralrat fordert umfassende Nothilfe: Tankwagen mit Trinkwasser, Lebensmittel- und Hygienepakete, Gesundheitsversorgung, dies alles in einer gemeinsamen Kraftanstrengung von Regierungen, EU, örtlichen Behörden und zivilgesellschaftlichen Organisationen. Romani Rose appelliert, diese „humanitäre Hilfe für alle betroffenen Menschen ohne Versorgung“ sei umgehend sicherzustellen. Geschehe das nicht, droht aus Sicht seiner Organisation zehntausenden von Roma in Europa demnächst eine Hungersnot. Vielleicht sogar hunderttausenden

Quelle: Tagesspiegel

Stand: 27.03.2020

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Getrennter Schulunterricht: Orbán will Entschädigung für Roma-Kinder verhindern https://antizig.blackblogs.org/2020/03/09/getrennter-schulunterricht-orban-will-entschaedigung-fuer-roma-kinder-verhindern/ Mon, 09 Mar 2020 16:35:19 +0000 http://antizig.blackblogs.org/?p=1327 Continue reading Getrennter Schulunterricht: Orbán will Entschädigung für Roma-Kinder verhindern ]]> Getrennte Klassen, keine Teilnahme an Ausflügen und am Schwimmunterricht. Jahrelang wurden Roma-Kinder an einer Schule in Ungarn diskriminiert, bis ein Gericht ihnen Entschädigung zusprach. Doch Ministerpräsident Viktor Orbán will das verhindern.

Budapest, 23. Februar – Tausende von Menschen ziehen durch die Innenstadt, demonstrieren vor dem Obersten Gerichtshof und dem Parlament gegen die Diskriminierung von Roma: „Ein Ungarn – wir gehören hierher! Alle zusammen! Ein Ungarn, wir gehören hierher“, skandieren sie. Die Regierung müsse Gerichtsurteile, die zugunsten der Roma ausfallen, respektieren.

Gyöngyöspata, eine Kleinstadt, eine Autostunde nordöstlich von Budapest entfernt. Rund 2.500 Menschen leben hier, circa 20 Prozent gehören der Roma-Minderheit an. Unterhalb der historischen Dorfkirche zur Heiligen Jungfrau Maria liegt die Grund- und Hauptschule. Bis zur Pensionierung des alten Direktors im Jahr 2017 wurden hier Roma-Kinder von den übrigen Schulkindern getrennt. Die 21-jährige ehemalige Schülerin Nicolett erinnert sich: „Wir waren unten, im Erdgeschoss. Sie, die ungarischen Kinder waren oben, im ersten Stockwerk. Sie haben getrennte Jahrgänge für die Klassen 1, 2 und 3 gehabt.“ 

Roma-Kinder wurden systematisch von anderen Kindern getrennt

Eine richtige Schulausbildung habe sie nicht erhalten. Systematisch seien sie und die übrigen Roma-Kinder von „normalen“ Schülern getrennt worden: „Wir haben Mittagessen in einem getrennten Raum bekommen. Wir durften nicht ins Schwimmbad gehen. Wir duften nicht an Ausflügen oder Auftritten teilnehmen.“

Schon 2012 hatte das Landgericht Eger zugunsten der Kinder geurteilt: In Gyöngyöspata seien die Roma-Kinder rechtswidrig von den anderen Schulkindern getrennt worden. Die Stadt und die Schule gingen in Berufung und verloren, sieben Jahre später, auch diese Klage. Im Herbst 2019 gab das zuständige Bezirksgericht in Debrecen den 62 ehemalige Roma-Schüler recht: Die Roma hätten ihre ganze Schulzeit widerrechtlich in einer von den Nicht-Roma getrennten Schule verbringen müssen, sie hätten Unterricht auf niedrigerem Niveau erhalten und seien damit diskriminiert worden.

Orbán will Entschädigungszahlung an Roma verhindern

Den 62 ehemaligen Schülerinnen und Schülern stehe eine Entschädigungssumme in Höhe von insgesamt 100 Millionen Forint zu, umgerechnet rund 300.000 Euro. Das Geld könne ja wohl kaum ausgezahlt werden an Menschen, die dafür nicht gearbeitet hätten, kündigte Ministerpräsident Viktor Orbán Anfang Januar dieses Jahres auf einer Pressekonferenz für die Auslandspresse an: „Ich bin kein Einwohner von Gyöngyöspata. Aber wenn ich dort leben würde, würde ich mich fragen: Wie ist das denn eigentlich? Dass eine Gemeinde, die mit mir im selben Dorf lebt, zu einer bestimmten ethnischen Gruppe gehört, eine erhebliche Summe bekommt, ohne jegliche Arbeit.“

„Wir fanden das ungerecht und empörend, dass er das vor dem obersten Gerichtshof überprüfen möchte,“ sagt die ehemalige Schülerin Nicolett. Gegen das Urteil des Bezirksgerichts ist die Kleinstadt Gyöngyöspata vor den Obersten Gerichtshof in Budapest gezogen, das Urteil wird im April erwartet. Die Stimmung im Dorf sei äußerst angespannt – sie, sagt Nicolett, und ihr Freund würden beschimpft: „Zum Beispiel, wenn wir ins Geschäft gehen, wurde ich einmal schon angegriffen und gefragt: Warum ich auf der Demonstration ein Gedicht zitiert habe. Oder mein Partner wurde von zwei alten Frau angebrüllt: Was er sich denn einbildet und dass die stinkenden Roma Geld kriegen.“

Bürgerbefragung zum Gerichtsurteil geplant

Géza Csemer, der Präsident der Roma Selbstverwaltung in Gyöngyöspata, erhielt anonymen Morddrohungen: Man werde ihm und den anderen zudem das Haus über dem Kopf anzünden. Dass es so weit gekommen sei, habe auch mit Orbáns Nein zum Gerichtsurteil zu tun: „Meiner Meinung nach ist es eine große Schande für das ganze Land. Wir haben es im Jahr 2020 erlebt, dass man Angst haben muss, obwohl in einem Rechtsstaat es die Entscheidung des Gerichtshofes gibt. Der Gerichtshof hat sein Urteil gefällt und die Leute haben jetzt Angst, das Geld anzunehmen.“

Die Orbán-Regierung lässt am 15. März „nationale Konsultationen“ durchführen, eine nicht verbindliche Befragung per Briefpost an alle Wählerinnen und Wähler, auch zu Gyöngyöspata. Denn das Urteil habe, Zitat „das Rechtsempfinden der Bürger“ verletzt.

Quelle: Deutschlandfunk

Stand: 09.03.2020

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Matteo Salvini außer Rand und Band: „Scheiß Zigeunerin“ https://antizig.blackblogs.org/2019/08/14/matteo-salvini-ausser-rand-und-band-scheiss-zigeunerin/ Wed, 14 Aug 2019 16:40:32 +0000 http://antizig.blackblogs.org/?p=1298 Continue reading Matteo Salvini außer Rand und Band: „Scheiß Zigeunerin“ ]]> Italiens Innenminister bleibt gegen Flüchtlinge hart und rastet bei einem Pressetermin aus.

Aggressives und autoritäres Verhalten prägen den Führungsstil des ultra-rechten italienischen Lega-Innenministers Matteo Salvini. Mit seinem Anti-Migrationskurs sorgt er für Aufsehen. Auch Pressefreiheit, Menschenrechte und demokratische Grundprinzipien werden zunehmend eingeschränkt.

Seit Tagen wartet das deutsche Rettungsschiff „Alan Kurdi“ mit 40 Menschen an Bord südlich der Insel Lampedusa auf grünes Licht für eine Hafeneinfahrt. Weitere 123 Personen hoffen an Bord des NGO-Schiffes „Open Arms“ ebenfalls auf einen sicheren Hafen. Salvini bleibt aber bei seiner harten Linie der Hafensperre. Die designierte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat gestern in Rom Premier Giuseppe Conte einen neuen EU-Asylpakt vorgeschlagen: „Wir wollen, dass die Aufnahmeprozeduren effizient, aber auch menschlich sind. Wir wissen, dass Italien aus geografischen Gründen stärker mit der Migrationsproblematik konfrontiert ist. Wir müssen Solidarität garantieren, das darf jedoch nicht einseitig sein“, erklärte von der Leyen.

Conte forderte, das Dubliner Abkommen zu ändern: „Es ist nicht zumutbar, dass das Migrationsproblem auf den Schultern der Ankunftsländer lastet.“
Innenminister Salvini hatte vorab Deutschland „Erpressung“ bei der Flüchtlingsverteilung vorgeworfen: „Von der deutschen Regierung sind miserable Signale gekommen.“

Der Lega-Chef urlaubt derzeit im Badeort Milano Marittima. Erholung scheint nach dem Dauerstreit mit dem populistischen Koalitionspartner Fünf Sterne nötig. Ob beim Bau der Hochgeschwindigkeitsstrecke Turin-Lyon, beim Haushaltsbudget, den Autonomiebestrebungen norditalienischer Regionen oder der Justizreform: Es gibt kaum ein Thema, in dem sich die beiden einig sind. Bei einer Pressekonferenz im Restaurant Papeet Beach in seinem Urlaubsort hatte Salvini offenbar wenig Lust, sich kritischen Journalistenfragen zu stellen. „Ich antworte nicht. Kinder müssen von der politischen Polemik ferngehalten werden. Punkt“, wiederholte Salvini wie ein Tonband.

Zur Vorgeschichte: Zu Wochenbeginn vertrieb sich Salvinis 13-jähriger Sohn die Zeit auf dem Meer – mit einem Jetski der italienischen Polizei. Ein Journalist der Tageszeitung La Repubblica filmte die Szene. Rasch verbreiteten sich die Aufnahmen im Internet. Salvini versuchte die Angelegenheit als „Fehler eines Vaters“ zu entschuldigen. Für Empörung sorgte dabei weniger die Vergnügungsfahrt von Salvini junior, als das aggressive Verhalten der Sicherheitsleute. Die Polizisten drohten dem Journalisten nach Weigerung, das Video zu löschen: „Wir wissen, wo du wohnst.“

Auch Antworten zur Affäre um russische Wahlkampfgelder für die Lega-Partei verweigerte der Minister. Ebenso reagierte er nicht auf neue Anschuldigungen, wonach sein Ex-Pressesprecher Savoini zwei Jahre vor Moskau bereits in Marokko Gelder lukriert haben soll. „Immer wenn ich lachen will, lese ich eure Zeitung“, spottete Salvini.

Zudem erreicht seine Verachtung gegenüber den Schwachen der Gesellschaft neue Dimensionen. Einer Roma-Frau ließ er vor der Kamera ausrichten: „Scheiß Zigeunerin, du wünschst mir ein Projektil, ich komme bald mit dem Bagger. Ciao!“

Quelle: Kurier

Stand: 14.08.2019

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Den aktuellen Antiziganismus gegen Sinti und Roma bekämpfen! https://antizig.blackblogs.org/2018/08/31/den-aktuellen-antiziganismus-gegen-sinti-und-roma-bekaempfen/ Fri, 31 Aug 2018 14:05:22 +0000 http://antizig.blogsport.de/2018/08/31/den-aktuellen-antiziganismus-gegen-sinti-und-roma-bekaempfen/ Continue reading Den aktuellen Antiziganismus gegen Sinti und Roma bekämpfen! ]]>

Zur antiziganistischen „Rattenproblem“-Hetze des Duisburger SPD-Bürgermeisters: Den aktuellen Antiziganismus gegen Sinti und Roma bekämpfen!

Am 9.8.2018 setzte sich Duisburgs SPD-Oberbürgermeister Link an die Spitze einer neuerlichen Welle antiziganistischer Hetze. Er erklärte, mit „krimineller Energie“ und „viel Betrug“ ginge es Roma in Duisburg und anderswo in Deutschland angeblich nur darum, Kindergeld und andere Sozialleistungen abzuzocken. Das gipfelte im Satz: „Ich muss mich hier mit Menschen beschäftigen, die ganze Straßenzüge vermüllen und das Rattenproblem verschärfen. Das regt die Bürger auf.“

In einer Pressemitteilung vom 13.8.18 protestierte der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma, dass mit derartigen rassistischen Äußerungen offenbar „aus den Reihen der SPD ein alter Antiziganismus wieder gesellschaftsfähig gemacht werden soll“. Romani Rose warf dem SPD-Politiker vor, „eine auf die Abstammung rekurrierende völkische Sortierung von Menschen vornehmen zu wollen“. Romani Rose stellt weiter fest: „Dies steht in der Tradition der Herstellung von Sündenböcken und birgt, gerade jetzt, die Gefahr von Gewalt gegen Sinti und Roma“ (s. Pressemitteilung vom 13.8.18). Tatsächlich hatte der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma unmittelbar nach den Äußerungen des Duisburger Oberbürgermeisters eine Vielzahl von Hass-Mails erhalten, zum Teil mit massiver Gewaltandrohung.

Schon vor dem 9.8.2018 hatte der Duisburger SPD-Politiker mit seiner rassistischen Hetze „völkische Sortierung von Menschen“ betrieben. Im Herbst 2015 erklärte er: „Ich hätte gerne das Doppelte an Syrern, wenn ich dafür ein paar Osteuropäer abgeben könnte.“ (Zitiert nach ND v. 13.8.18) Bereits am 19. Juli 2018 hatte der SPD-Politiker Link unmissverständlich in Seehofer-Manier erklärt: „Wenn wir unseren Job machen, dann ist die AfD überflüssig.“ (Zeit online 19.7.18)

Kontinuität des Antiziganismus I– SPD-OB Metzger

Link ist nicht der erste Vorreiter rassistischer Hetze und diskriminierender Politik in der SPD. Darauf macht der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma in seiner Pressemitteilung vom 13.8.2018 aufmerksam: „Mit dem Hinweis auf das Auftreten von ‚Ratten‘ hatte vor Jahren der Darmstädter SPD-Oberbürgermeister Günther Metzger das, wie der Zentralrat damals kritisierte, ‚seit 1945 schlimmste Beispiel für Rassismus‘ geliefert. Die Argumentation von Oberbürgermeister Link nimmt dieses zutiefst rassistische Bild auf und verbindet es mit dem Vorwurf des Betrugs und unhygienischer Lebensweise, die Ratten anziehe.“ Um diese Kontinuität zu verdeutlichen, ist es angebracht, etwas genauer an das damalige antiziganistische Geschehen in Darmstadt zu erinnern.

Seit 1980 lebten dort einige Roma-Familien aus Jugoslawien. Bereits im Januar 1982 erfolgte ein Sprengstoffanschlag auf eines ihrer Wohnhäuser. Die rassistische Stimmung in der Bevölkerung nahm danach sogar noch zu. Im August 1983 ließ der Darmstädter SPD-Oberbürgermeister Günther Metzger in einer Blitzaktion das Haus abreißen, in dem vier der Roma-Familien gelebt hatten. Er „begründete“ den Abriss nachträglich mit angeblicher „Seuchengefahr“. Nach der Rückkehr aus dem Urlaub mussten die Betroffenen die Reste ihres Mobiliars, ihrer Kupferwerkstatt und sogar die Bilder ihrer im Zweiten Weltkrieg durch die faschistische Ustascha ermordeten Angehörigen in den Trümmern suchen. Im September versuchten fünfzehn von ihnen, den SPD-Bürgermeister Metzger zu einem Gespräch zu bewegen und auf die unzureichenden Lebensbedingungen der Roma nach dem Hausabriss hinzuweisen, vergeblich. 1984 wurden die betroffenen Familien aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (zwei Familien konnten nach Protesten und Interventionen noch in anderen deutschen Städten bleiben). (Infos aus http://www.sintiundroma.org/de)

Dass derartiges keine für die SPD angeblich untypischen Einzelfälle sind, wird am Beispiel des SPD-Politikers Sarrazin überdeutlich. Dieser hat mit seiner millionenfach verbreiteten deutschnationalistischen, rassistisch-völkischen Hetze in seinem 2010 erschienenen Buch „Deutschland schafft sich ab“ und weiteren „Beiträgen“ dieser Art seitdem und bis heute seinen fest verankerten Platz in der SPD.

Kontinuität des Antiziganismus II – Wilhelm Leuschner

Wie tiefgehend und weit zurückreichend der Antiziganismus ist, zeigt der SPD-Politiker Wilhelm Leuschner. Leuschner war zwar nach 1933 aktiver Widerstandskämpfer gegen die Nazi-Herrschaft. Er wurde von den Nazi-Schergen gefoltert, ins Gefängnis geworfen und ins KZ geschleppt und 1944 hingerichtet. Das darf aber nicht vergessen machen, dass er als Hessischer Innenminister von 1928 bis 1933 antiziganistische Hetze und schlimme Ausgrenzungspolitik gegen die Sinti und Roma betrieb.

Leuschner legte 1929 dem Hessischen Landtag das „Gesetz zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens“ vor. Dieses trat im April 1929 in Kraft. Bei der Lesung des Gesetzes formulierte Leuschner als Ziel, damit noch stärker als bisher „die Zigeunerplage als dauernde Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ zu bekämpfen, da „eine Ausrottung des Übels bisher nicht möglich war“ (zitiert nach Frankfurter Rundschau v. 1.12.17). Leuschners Gesetzesinitiative fand im Parlament breite Zustimmung. Nur Abgeordnete der KPD lehnten das Gesetz als „Ausnahmegesetz“ ab.

Auf Grundlage des Gesetzes wurden die Kreisämter verpflichtet, alle Daten über Geburt, Heirat oder Tod von Menschen, die als „Zigeuner“ identifiziert wurden, an das Polizeiamt in Darmstadt zu melden. Daneben führte das von Leuschner initiierte Gesetz eine Genehmigungspflicht für ein Reisegewerbe von Sinti und Roma ein. Die Erlaubnis wurde an eine erkennungsdienstliche Behandlung geknüpft. Dies schränkte die Berufsausübung der Betroffenen massiv ein. Die behördlichen Unterlagen fielen später den Nazis für ihre Vernichtungspolitik in die Hände Nach 1945 galt im Land Hessen das Gesetz noch bis 1957.

Unter dem Hessischen Innenminister Leuschner wurde 1929 an der Stadtgrenze Frankfurts auch ein „Zigeunerlager“ errichtet, um „Zigeuner und nach Zigeunerart umherziehende Personen“ aus dem Stadtgebiet fernzuhalten. Sinti und Roma konnten auf Grund der damals bestehenden Rechtslage in dieses Lager noch nicht zwangseingewiesen werden. Doch ermöglichte es doch die umfassendere Schikane von „Zigeunern“ durch Polizei und städtische Behörden.

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1893 hielt August Bebel auf einem SPD-Parteitag seine bekannte Rede „Antisemitismus und Sozialdemokratie“. Im Zusammenhang mit der jüdischen Unterdrückungs- und Verfolgungsgeschichte merkte Bebel an, dass es hierzulande eine solch grausame Verfolgung durch Jahrhunderte nur noch bei einem anderen Volk gegeben hat, nämlich den Sinti und Roma. Er prangert hier ausdrücklich die ‚Zigeunerverfolgungen‘ an und äußert seine Bewunderung angesichts „dieser furchtbaren Verfolgungen“. (Protokoll über die Verhandlungen des Parteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands 1893, Berlin 1893, S. 227) Dies war eine wichtige und richtige Feststellung Bebels, ein Ansatz- und Ausgangspunkt für eine solidarische Haltung. Befremdlich ist allerdings, dass diese Äußerung Bebels laut Parteitagsprotokoll unter den Delegierten „Heiterkeit“ auslöste. Das ist ein Hinweis auf schon damals problematische oder falsche Haltungen in der Sozialdemokratie, lange bevor die SPD nach einem Ausspruch von Rosa Luxemburg mit der Bewilligung der Kriegskredite 1914 zu einem „stinkenden Leichnam“ geworden war.

Solidarität mit den Sinti und Roma gegen jede Form von Diskriminierung und Verfolgung!

In der Tat, bis heute wird kaum eine Minderheit in Deutschland in den reaktionären Medien und von Politikern diverser Couleur immer wieder so verhetzend dargestellt und diskriminiert, von staatlichen Behörden so unterdrückt und verfolgt und auch von der Mehrheit der deutschen Bevölkerung so verachtet wie die Sinti und Roma, ungeachtet des Völkermords der Nazis an 500.000 Sinti und Roma. Bis heute ist das Leben der Sinti und Roma in Deutschland in einem hohen Maß geprägt von antiziganistischer Ausgrenzung und Diskriminierung, von Polizei-Schikanen und Abschiebeterror sowie von mörderischen Nazi-Attacken. Gegen all das erklären wir:

Es ist die Aufgabe aller fortschrittlichen GewerkschafterInnen und Antifas, verstärkt die antiziganistische Hetze zu bekämpfen und zu entlarven, egal von wem diese betrieben wird. Es gilt mit den Sinti und Roma im Kampf gegen jegliche antiziganistischen Diskriminierungen, Verfolgungen und Angriffe wirklich solidarisch zu sein.

Kontakt: GewerkschafterInnen und Antifa gemeinsam gegen Dummheit und Reaktion
c/o Jugendzentrum in Selbstverwaltung, Postfach 12 19 65, 68070 Mannheim – E-Mail: [email protected]

Quelle + pdf.: GewerkschafterInnen und Antifa gemeinsam gegen Dummheit und Reaktion
Stand: 31.08.2018

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Wir und die Anderen https://antizig.blackblogs.org/2018/08/25/wir-und-die-anderen/ Sat, 25 Aug 2018 16:16:53 +0000 http://antizig.blogsport.de/2018/08/25/wir-und-die-anderen/ Antiziganismus und Populismus in Ungarn

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Roma im Fadenkreuz https://antizig.blackblogs.org/2018/08/25/roma-im-fadenkreuz/ Sat, 25 Aug 2018 15:44:10 +0000 http://antizig.blogsport.de/2018/08/25/roma-im-fadenkreuz/ Continue reading Roma im Fadenkreuz ]]>

Trotz Grundgesetz – Landtagsfraktion der sächsischen AfD will die Roma in dem Bundesland zählen lassen

Mitte Juni reichte der sächsische AfD-Landtagsabgeordnete Carsten Hütter eine der vielen parlamentarischen kleinen Anfragen ein, mit denen die rechtspopulistische Partei für gewöhnlich zu provozieren versucht. Diesmal wollte Hüttner im Namen seiner Fraktion mit seiner Anfrage in Erfahrung bringen, wie viele Sinti und Roma in dem ostdeutschen Bundesland leben, wobei die Landesregierung zudem die Mitglieder dieser von dem NS-Regime verfolgten Minderheit nach ihrer Staatsangehörigkeit aufschlüsseln sollte.

Überdies wollte die AfD erreichen, dass die sächsische Landesregierung empirisches Material bezüglich der üblichen Ressentiments gegenüber Roma liefert: Die Regierung sollte angeben, in welchen Umfang die Schulpflicht der Roma-Kinder eingehalten wird. Zudem wollte die AfD wissen, wie viele Roma auf Sozialleistungen in Sachsen angewiesen seien. Ähnliche Anfragen, die aber nicht so explizit formuliert wurden, sind auch von der AfD in Sachsen-Anhalt eingebracht worden.

Trotzdem bildet die Anfrage des AfD-Mannes Hüttner eine neue Eskalationsstufe bei den Bemühungen der zunehmend nach rechts abdriftenden Partei, ethnische Minderheiten zu erfassen – denn hier wird ein evidenter Grundgesetzbruch gefordert. In ihrer knappen Antwort verwies die sächsische Landesregierung folglich auf das Grundgesetz, das – angesichts der Erfahrungen mit dem Nationalsozialistischen Terrorregime – die „Erhebung ethnischer Daten verbietet“. Diese dürften nach dem „Grundgesetz nicht erfasst werden“.

Vertreter der Roma fanden deutliche Worte für diesen abermaligen „Tabubruch“ der AfD. Der Vorgang erinnere ihn „an die Nazis“, erklärte Herbert Heuß vom Zentralrat Deutscher Sinti und Roma, diese hätten schon vor der Machtergreifung angefangen, „Listen und Karteien von Juden, Sinti und Roma zu erstellen“. Der Präsident des Roma-Zentralrats, Romani Rose, warnte, dass solche Vorstöße der AfD, die ausdrücklich nach „ethnischen Daten“ fragt, ein „klares Zeichen“ dafür seien, dass diese Partei sich „nicht an unsere Verfassung gebunden fühlt“.

Mit solchen kleinen Anfragen sorge die AfD derzeit für „spitze Ohren“ bei den offiziellen Minderheiten in der Bundesrepublik, bemerkte die Sächsische Zeitung. Nicht nur die Roma, auch Mitglieder der dänischen Minderheit und der Sorben warnten vor den Versuchen der AfD, „gerade in Anbetracht der Geschichte“ zur ethnischen Erfassung von Minderheiten überzugehen.

Indes scheint die AfD mit solchen rassistischen Vorstößen vor allem darauf abzuzielen, die Methoden der italienischen Rechtspopulisten zu kopieren. Italiens Innenminister und Vize-Premier Matteo Salvini kündigte kurz nach der Amtsübernahme an, die Roma Italiens zählen zu lassen. Salvini wollte ebenfalls in Erfahrung bringen, wie viele Roma ihre Kinder in Schulen schicken oder eine italienischen Staatsbürgerschaft besitzen. Die Roma ohne Pass will Salvini ausweisen, die italienischen Roma müsse man „leider behalten“, so der Spitzenpolitiker der rassistischen Regierungspartei Lega.

Kritiker bezeichneten das Vorgehen Salvinis als dessen „neueste Masche mit leicht faschistischem Anstrich“, da in Italien die Zahl der Roma bekannt sei. Es gehe dem Lega-Chef nur darum, absichtlich Hass zu schüren, kritisierte der Abgeordnete Federico Fornaro. Inzwischen hat mit der Lombardei die erste Region mit der abermaligen Roma-Zählung angefangen, bei der alle Roma-Siedlungen kontrolliert und gegebenenfalls – falls diese illegal seien – abgerissen werden sollen.

Blanke Gewalt gegen Roma üben derzeit vor allem rechtsextreme Gruppen in der Ukraine aus (Militante rechtsextreme Gruppen können in der Ukraine ungestraft Gewalt anwenden). Bei mehreren Überfällen, die zumeist von faschistischen Formationen aus dem Westen des Landes verübt werden, sind Roma ermordet und verletzt worden. In der Nähe der westukrainischen Stadt Lviv, einer Hochburg der faschistischen Rechten, überfielen Ende Juni mit Messern bewaffnete Rechtsextremisten ein Zeltlager von Roma-Wanderarbeitern; sie ermordeten einen 24-jährigen Mann und verletzten eine Frau sowie drei Kinder und Jugendliche schwer (Toter bei Überfall einer Nazi-Bande auf ein Roma-Lager). In der Ukraine wurden allein in diesem Jahr zwei Dutzend solcher Übergriffe gezählt.

Stand: 25.08.2018
Quelle: Telepolis

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In Europa erstarkt der Antiziganismus – Hassverbrechen und Sondererfassung https://antizig.blackblogs.org/2018/08/25/in-europa-erstarkt-der-antiziganismus-hassverbrechen-und-sondererfassung/ Sat, 25 Aug 2018 15:35:34 +0000 http://antizig.blogsport.de/2018/08/25/in-europa-erstarkt-der-antiziganismus-hassverbrechen-und-sondererfassung/ Continue reading In Europa erstarkt der Antiziganismus – Hassverbrechen und Sondererfassung ]]>

Am 2. August, dem »Roma Holocaust Memorial Day«, wird der Ermordung der Sinti und Roma im Nationalsozialismus gedacht. Doch der Antiziganismus in Europa gehört nicht der Vergangenheit an.

In ganz Europa erstarkt derzeit der Antiziganismus, also der Hass auf Roma. Besonders krass manifestriert er sich seit mehreren Monaten in der Ukraine, wo extrem rechte Milizen regelrecht Jagd auf Roma machen. Brutaler Höhepunkt einer Serie gewalttätiger Übergriffe war die Ermordung eines 24jährigen Rom in Lwiw am 23. Juni während eines nächtlichen Angriffs auf eine Siedlung. Dabei wurden außerdem mehrere Roma, unter ihnen Kinder, schwer verletzt. Immer wieder gibt es schwere antiziganistische Gewalttaten in der Ukraine. Zu einer pogromartigen Vertreibung von Roma aus einem Kiewer Park kam es am 7. Juni. Die Täter, Mitglieder der rechtsextremen Miliz »National Druschyna«, waren mit Hämmern und Äxten bewaffnet – die Miliz besteht unter anderem aus Veteranen des Regiments Asow. Dieses ist einer der etwa 80 paramilitärischen Freiwilligenverbände, die gegen die von Russland unterstützten Separatisten im Osten des Landes kämpfen.

Die Miliz hatte ihren Angriff angekündigt und übertrug ihn live auf ihrer Facebook-Seite.

Dass die mörderische Qualität des Antiziganismus nichts Neues ist, verdeutlicht die Situation der Roma in Ungarn. Nicht nur hetzen seit Jahren Mitglieder der extrem rechten Partei Jobbik und der Regierungspartei Fidesz offen gegen Roma; dort fanden auch regelmäßig gewaltätige Übergriffe paramilitärischer Gruppen auf Roma statt. Bereits vor zehn Jahren hatte am 21. Juli 2008 eine Mordserie in dem Dorf Galgagyörk, nordöstlich von Budapest, begonnen. Bei neun Angriffen auf 55 Roma wurden sechs Menschen getötet und weitere verletzt. Die vier Täter wurden zwar 2013 zu hohen Haftstrafen verurteilt, doch für die Überlebenden und Angehörigen der Ermordeten interessierten und interessieren sich ­Medien und Politiker in Ungarn kaum.

Regelmäßig gibt es Hinweise, dass europäische Polizeibehörden noch heute ethnische Sondererfassungen von Sinti- und Roma vornehmen oder weiterführen.

Ebenso wie bei den Morden in Ungarn machten bei den jüngsten Ausschreitungen in der Ukraine die Täter öffentlich keinen Hehl aus ihrer Überzeugung, Recht und Ordnung in die eigenen Hände nehmen zu müssen. Sie knüpfen an stereotype Vorstellung von »Zigeunern« an als die öffentliche Ordnung störend, kriminell und arbeitsscheu. »Ich lebe anständig, gehe nicht stehlen«, sagte hingegen Lsazlo Bango, ein Zeuge beim Gerichtsverfahren ­gegen die Täter der ungarischen Mordserie. Das Haus, in dem Bango mit ­seiner Frau und seinem damals minderjährigen Sohn wohnte, war eines der ersten Ziele der Angriffe.

Ungebrochen – auch in Westeuropa

»Bis heute ist Antiziganismus in Deutschland und Europa ungebrochen stark und das nicht nur am rechten Rand, sondern auch in der Mitte der Gesellschaft«, sagt Anja Reuss vom Zentralrat Deutscher Sinti und Roma der Jungle World.

Erschreckend sei in Deutschland insbesondere der gesellschaftliche Umgang mit dem anhaltend hohen Ausmaß antiziganistischer Gewaltverbrechen. Es sei, so Reuss, »frustrierend zu sehen, dass häufig weder in der deutschen Politik noch in der Öffentlichkeit hiervon Notiz genommen werden wird«.

Tätliche Übergriffe der jüngeren Vergangenheit auch in Deutschland belegen, dass Hassverbrechen gegen Roma kein auf Osteuropa beschränktes Problem darstellen. Immer wieder kommt es zu Brandanschlägen auf von Roma bewohnte Häuser wie in Plauen im vergangenen Dezember und im Februar dieses Jahres oder im Frankfurter Stadtteil Fechenheim im September 2016.

Die Vorstellung, dass bei Gewalt gegen Roma die Betroffenen irgendwie auch ein bisschen selbst schuld an den Übergriffen seien, ist verbreitet. Am 18. Juni schoss in Berlin-Friedrichshain ein Anwohner nach übereinstimmenden Medienberichten von seinem Balkon aus mit einer Luftdruckpistole auf ein im Hof spielendes Roma-Mädchen. Mehrere Medienberichte stellten in ihrer Berichterstattung den Umstand in den Vordergrund, dass Müll, Lärm und Kriminalität zum Alltag in dieser sogenannten Schrottimmobilie gehörten. »Das suggeriert«, so Andrea Wierich von der Roma-Organisation Amaro Foro in einer Pressemitteilung vom 26. Juni, »dass der Vorfall nicht überraschend und der Zorn des Schützen vielleicht sogar verständlich sei.«

Antiziganistische Hetzkampagnen

Als Beispiel für den »tief verankerten und kaum hinterfragten antiziganistischen Grundkonsens« verweist der ­Antiziganismusforscher Markus End auf die Debatte über die sogenannte Armutszuwanderung. Roma würden darin durchgängig unter Rückgriff auf antiziganistische Stereotype als »fremd, faul und arm« dargestellt. »Selbst kritische Stimmen schafften es meist nicht, die stereotypen Voran­nahmen der gesamten Debatte zu hinterfragen«, sagt End.

Dass bei der Ausgrenzung von Roma Ursache und Wirkung verkehrt werden, zieht sich wie ein roter Faden durch die deutsche Zuwanderungsdebatte der vergangenen Jahre. Diese verkehrte Wahrnehmungsweise, die die Frage nach den gesellschaftlichen Ursachen der prekären Situation dieser Neuankömmlinge ausblendet, hat im Antiziganismus eine lange Geschichte. Auf ­diese Weise werden seit dem 19. Jahrhundert immer wieder auf kommu­naler Ebene Vertreibungs- und Verdrängungsmaßnahmen gegen Roma und Sinti legitimiert. Das Resultat waren und sind Desintegrationsprozesse, die antiziganistische Stereotype wie von selbst befeuern.

Angesichts der derzeitigen antiziganistischen Gewaltwelle, so Reuss vom Zentralrat, sei sie ernüchtert, wenn in dieser Woche am 2. August dem Holocaust an den Sinti und Roma gedacht wird; der Begriff Holocaust schließt nach dem Verständnis der Roma-Verbände auch die Opfer des nationalsozialistischen Genozids an den Roma ein. Vor 74 Jahren, am 2. August 1944, wurden die verbliebenen 3 000 Frauen, Männer und Kinder im sogenannten Zigeunerfamilienlager im Konzent­rations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau in die Gaskammern ­getrieben und ermordet. Dieser Tag wird mittlerweile in vielen europäischen Ländern als »Roma Holocaust Memorial Day« begangen.

Nur der »kontinuierliche Druck der Bürgerrechtsbewegung« habe in den vergangenen drei Jahrzehnten zu Fortschritten in der öffentlichen Gedenk- und Erinnerungskultur beigetragen, sagt Rinaldo Strauß vom hessischen Landesverband deutscher Sinti und Roma der Jungle World. Ende der siebziger und Anfang der achtziger Jahre ­erregte die neu entstandene Bürgerrechtsbewegung deutscher Sinti und Roma Aufmerksamkeit mit medienwirksamen Aktionen wie Hungerstreiks, Besetzungen und Protestveranstaltungen auf ehemaligen KZ-Lagergeländen. Sie forderte ein Ende polizeilicher Sondererfassung, Wohnungsbauprogramme ohne Ghettoisierung und bessere Bildungsteilhabe. »Diese Forderungen sind heute so aktuell wie damals«, sagt Chana Dischereit vom ­baden-württembergischen Landesverband deutscher Sinti und Roma der Jungle World.

120 Jahre ethnische Sondererfassung

So unglaublich es klingen mag: Regelmäßig gibt es Hinweise, dass euro­päische Polizeibehörden noch heute ethnische Sondererfassungen von ­Sinti und Roma vornehmen oder weiterführen. 2013 bestätigte die schwedische Polizei die Existenz einer illegalen Datenbank, in der ungefähr 5 000 Roma ohne ersichtlichen Grund registriert worden waren.

In einem Gutachten von 2017 über ­Ermittlungsansätze bei deutschen Polizeibehörden sammelte der Antiziganismusforscher End Hinweise darauf, wie in Deutschland Polizeiarbeit von antiziganistischen Stereotypen beeinflusst und geleitet wird.

Bereits vor 120 Jahren wurde der bayerische »Nachrichtendienst für die ­Sicherheitspolizei in Bezug auf Zigeuner« gegründet, er war Vorbild für die Einrichtung weiterer »Zigeunerzentralen« der deutschen Polizei. Einer der ­Arbeitsschwerpunkte der bayerischen Zentrale war der Aufbau einer Personenkartei. Diese Kartei diente im Nationalsozialismus der systematischen Erfassung und Vernichtung der europäischen Sinti und Roma. Doch auch nach 1945 führte die bundesdeutsche Polizei die Kartei weiter.

Die Forderung nach systematische Erfassung von Roma erfreut sich wieder großer Beliebtheit. Im Juni kündigte der italienische Innenminister Matteo Salvini an, er wolle Italiens migrantische Roma zählen lassen und des Landes verweisen.

»Die italienischen Roma müssen wir leider hier behalten«, sagte Salvini, wie die Taz am 19. Juni berich­tete. Gleichzeitig kam es aus den Reihen der AfD zu ähnlichen Äußerungen. Der sächsische AfD-Abgeordnete Carsten Hütter richtete am 13. Juni eine Kleine Anfrage an den Landtag, die auf eine statistische Sondererfassung von Sinti und Roma zielt. Darin heißt es: »Wie viele Sinti und Roma haben einen Flüchtlingsstatus und wie viele beziehen staatliche Leistungen, in welchem Umfang?« Auch wollte die AfD wissen, wie viele Sinti und Roma die Schulpflicht nicht einhalten beziehungsweise »aktuell wohnungslos oder von ­Wohnungslosigkeit bedroht« seien.

Stand: 25.08.2018
Quelle: Jungle World

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