Deutschland – Antiziganismus Watchblog https://antizig.blackblogs.org Fri, 01 Jul 2022 08:16:46 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 https://antizig.blackblogs.org/wp-content/uploads/sites/775/2019/01/cropped-antizig-header-e1546873341720-32x32.jpg Deutschland – Antiziganismus Watchblog https://antizig.blackblogs.org 32 32 Situation der Sinti in Duisburg https://antizig.blackblogs.org/2022/07/01/situation-der-sinti-in-duisburg/ Fri, 01 Jul 2022 08:11:04 +0000 http://antizig.blackblogs.org/?p=1534

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Warum die Duisburger Sinti ein Denkmal von der Stadt fordern https://antizig.blackblogs.org/2022/07/01/warum-die-duisburger-sinti-ein-denkmal-von-der-stadt-fordern/ Fri, 01 Jul 2022 08:05:05 +0000 http://antizig.blackblogs.org/?p=1532 Continue reading Warum die Duisburger Sinti ein Denkmal von der Stadt fordern ]]>

Mit einem Denkmal soll an jene Duisburger Sinti gedacht werden, die Opfer des Holocaust wurden. Warum ein Verein diese Forderung erhebt.

Die Duisburger Sinti-Familien fordern in einem offenen Brief an die Stadt eine „angemessene Aufarbeitung der Gewaltverbrechen im Zweiten Weltkrieg sowie der Aufarbeitung der Verfolgung der Sinti nach 1945“.

Der Duisburger Sinti Verein als Interessensvertretung für rund 150 Familien wünscht ein Denkmal, um der Opfer des Holocaust aus ihrer Community zu gedenken. „Wir brauchen so ein Denkmal, damit so eine Zeit nicht noch mal kommt“, sagt Siegfried Mettbach.

Schicksal der Duisburger Sinti wurde im Rahmen einer Ausstellung recherchiert

Das Zentrum für Erinnerungskultur der Stadt hat 2020 im Rahmen der Ausstellung „Rassendiagnose Zigeuner“ eine Broschüre herausgegeben, in der der Völkermord an den europäischen Sinti und Roma als „vergessener Holocaust“ bezeichnet und in der exemplarisch einigen Familienschicksalen nachgespürt wird.

 
 
 

Kriminalpolizei sorgte für die Deportation von Duisburger Sinti

Die Duisburger Kriminalpolizei hat während des Zweiten Weltkriegs 143 Menschen deportieren lassen, sie galten als „Zigeuner“, für die es sogar ein eigenes Kommissariat gab. Nach Recherchen des Zentrums für Erinnerungskultur starben viele von ihnen im Vernichtungslager Auschwitz. Ein besonders „eifriger“ Kriminalobersekretär brachte demnach sogar ein zwei- und ein fünfjähriges Kind persönlich mit dem Zug nach Auschwitz, die Mütter der beiden hatte er zuvor bereits deportieren lassen.

Mario Reinhardt vom Verein sagt, dass die beiden Kinder zu seiner Verwandtschaft gehören. „Für uns als Opfer des Holocaust sind die Ermordungen erst 75 Jahre her.“ Aus Täterperspektive seien es indes „schon 75 Jahre“. Allerhöchste Zeit jedenfalls, der Verstorbenen würdevoll zu gedenken.

Quelle: WAZ

Stand: 01.07.2022

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Unerwünschte Zuwanderung – Brandschutz als vertreibender Mieterschutz für Rumänen in Duisburg https://antizig.blackblogs.org/2022/06/14/unerwuenschte-zuwanderung-brandschutz-als-vertreibender-mieterschutz-fuer-rumaenen-in-duisburg/ Tue, 14 Jun 2022 09:58:55 +0000 http://antizig.blackblogs.org/?p=1529 Continue reading Unerwünschte Zuwanderung – Brandschutz als vertreibender Mieterschutz für Rumänen in Duisburg ]]> In Duisburg werden Wohngebäude von Rumänen und Bulgaren brandschutztechnisch überprüft. Finden sich Mängel, haben die Bewohner fünf Stunden, um ihre Sachen zu packen und sich für eine neue Bleibe zu kümmern. Tausende haben bereits ihre Wohnungen verloren. Diese Praxis wirft Fragen auf: Geht es wirklich um Brandschutz?

Anfang Mai war es wieder soweit, in Duisburg sollte ein Mehrfamilienhaus geräumt werden. Das Jobcenter informierte Betroffene vorab, um die Leistungen einzustellen und nahm das Ergebnis der brandschutztechnischen Überprüfung vorweg.

Worum geht es?

In der ersten Maiwoche 2022 stand im Duisburger Stadtteil Hochfeld eine bau- und brandschutztechnische Überprüfung eines Mehrfamilienhauses an. Diese führt in den meisten Fällen zu einer vollständigen Nutzungsuntersagung, d.h. zu einer sofortigen Zwangsräumung der weitgehend migrantischen Bewohnerschaft durch die Stadtverwaltung. Das örtliche Jobcenter hatte bereits über zwei Wochen davor Sozialleistungsberechtigte mit amtlichem Bescheid darüber informiert, dass zum 4. Mai 2022 die Leistungseinstellung erfolgt, da der Wohnungsverlust ansteht. Damit wurde das Ergebnis der brandschutztechnischen Überprüfung vorweggenommen.

Bei einer bau- und brandschutztechnischen Überprüfung eines Wohnhauses geht es darum, Gefahr für Leib und Leben der Bewohnenden abzuwenden. Es handelt sich dem Grunde nach um ein umsichtiges und verantwortungsvolles, ja rechtlich gebotenes Handeln der zuständigen Behörde, um Gefahren für die öffentliche Ordnung und Sicherheit auszuschließen. Die Überprüfungen können zu dem Ergebnis führen, das eine unmittelbare und unabwendbare Gefahr besteht, die ein sofortiges Handeln erfordern. Als Ultima Ratio steht die direkt Nutzungsuntersagung, die zum unmittelbaren Wohnungsverlust führt.

„2016 bis 2021 wurden durch die zuständige Behörde ca. 77 Wohngebäude überprüft, wovon 66 unmittelbar geräumt werden mussten. D.h. ca. 3.000 Menschen haben in den zurückliegenden fünf Jahren in Duisburg die Wohnung aufgrund des mangelhaften bau- und brandschutztechnischen Zustandes ihrer Wohnhäuser verloren.“

Die Duisburger Dimension des Themas verdeutlicht die Bilanz für die Jahre 2016 bis 2021. Danach wurden durch die zuständige Behörde ca. 77 Wohngebäude überprüft, wovon 66 unmittelbar geräumt werden mussten. D.h. ca. 3.000 Menschen haben in den zurückliegenden fünf Jahren in Duisburg die Wohnung aufgrund des mangelhaften bau- und brandschutztechnischen Zustandes ihrer Wohnhäuser verloren. Die Zahlen lassen erahnen, vor welchen Aufgaben die örtlichen Sozial-, Jugend- und Wohnungsbehörden stehen müssen. Ganz zu schweigen von dem Ordnungsamt als unterster Polizeibehörde, die bei fehlendem Ersatzwohnraum die Menschen ordnungsrechtlich unterbringen muss.

Worum könnte es noch gehen?

Die ordnungsrechtliche Unterbringungsverpflichtung gilt auch gegenüber EU-Zugewanderten. Damit rückt die notwendige Perspektive auf die spezifische Duisburger Problemlage in den Fokus. In der Stadt waren laut Ausländerzentralregister zum Jahresende 2021 23.260 aus Bulgarien und Rumänien stammende Personen gemeldet (14.035 BG/9.225 RO), womit sie ca. 4,7 Prozent der Stadtbevölkerung stellen. Wobei sich die Gesamtgruppe sehr heterogen zusammensetzt und insbesondere durch eine große Zahl an Familien geprägt ist. Viele gehören der Roma-Minderheit an.

Im Unterschied zu Städten wie Berlin, Frankfurt, Hamburg, Köln oder München ist in Duisburg trotz der dokumentierten Armutslagen keine auffällige Obdachlosigkeit aus diesen beiden Zuwanderungsgruppen zu verzeichnen. Folgerichtig ist die andernorts drängende Frage der ordnungsrechtlichen Unterbringung von EU-Zugewanderten in Duisburg nicht Gegenstand der öffentlichen Debatte. Vielmehr ist die hohe Zahl einfach ausgestatteter und sanierungswürdiger Wohnungen ein wesentlicher Grund für die Zuwanderung aus Bulgarien und Rumänien in die Stadt. Diese strukturelle Voraussetzung wird in der städtischen Politik und Verwaltung seit inzwischen zehn Jahren als ein zu minimierendes Risiko und nicht als langfristige Gestaltungschance und -aufgabe gesehen.

Unerwünschte Zuwanderung

Duisburg hat sich als einer der wichtigen Zuwanderungsorte für Menschen aus Bulgarien und Rumänien etabliert. Die Stadt ist ein Verkehrsknotenpunkt von überregionaler Bedeutung, auch durch die Nähe zu Belgien und den Niederlanden. Entsprechend weit erstreckt sich der von Duisburg aus erreichbare Arbeitsmarkt, der u.a. Tätigkeiten in der Verpackungs- und Logistikbranche, der Fleischindustrie, dem Bau- sowie dem Reinigungsgewerbe auch in den Nachbarländern bietet. Die niedrigen Mieten und informelle Wohnangebote in der Stadt machen ein tägliches Pendeln über die Ruhrgebietsgrenzen auch für Beschäftigte im Niedriglohnsektor möglich.

Gleichzeitig bietet der Duisburger Arbeitsmarkt fließende Übergänge vom Bereich nicht-dokumentierter Arbeit hin zu legaler Beschäftigung, allerdings oft unter prekären Bedingungen, wozu auch die Doppelfunktion von Arbeit- und Wohnungsgeber zählt. Die Lebenssituation vieler Zugewanderter aus Bulgarien und Rumänien in Duisburg zeigt im Brennglas die Konsequenzen ungehinderter Marktlogik für ressourcenarme Menschen.

„Der Duisburger Oberbürgermeister erläutert im August 2021 seine Sicht darauf: ‚Ich bleibe bei meinem Standpunkt: Ein Großteil der etwa 9.000 rumänischen und 14.000 bulgarischen Staatsangehörigen in Duisburg hält sich hier illegal auf.’“

Der Duisburger Oberbürgermeister erläutert im August 2021 seine Sicht darauf: „Ich bleibe bei meinem Standpunkt: Ein Großteil der etwa 9.000 rumänischen und 14.000 bulgarischen Staatsangehörigen in Duisburg hält sich hier illegal auf. Sie erfüllen einfach nicht die Voraussetzungen für die Arbeitnehmerfreizügigkeit. Vielen fehlen die grundlegenden Skills, Sprachkenntnisse, Schulabschluss oder eine Berufsausbildung. Es ist bekannt, dass Schlepper die Notlage vieler Menschen in den Herkunftsländern ausnutzen und die Menschen mit Scheinarbeitsverträgen ausstatten, um so Aufstockungsleistungen zu erhalten. Nur wenige können mit ihrer Arbeit ihre Familien ernähren.“

Die Verhältnisse auf dem Duisburger Arbeits- und Wohnungsmarkt zeigen sich mitunter konfliktreich in einzelnen Stadtteilen. Überbelegung und damit einhergehend Ruhestörung sowie unsachgemäße Müllentsorgung gelten auch als wichtige Indizien für die Einordnung von Wohnhäusern als Schrott- oder Problemimmobilien. Die bestehenden Problemlagen werden ethnokulturell überzeichnet und ein sozial unerwünschtes Verhalten gilt als Roma-spezifisch.

„Taskforce Problemimmobilien“

Die Landesregierung NRW reagierte im Jahr 2014 auf die Wohnungsnotstände, die sich im Zuge der EU-Zuwanderung in den Ruhrgebietsstädten zeigten, mit einem Wohnaufsichtsgesetz. Zu dessen lokaler Durchsetzung bildete die Duisburger Stadtverwaltung unter Führung des Ordnungsamtes eine „Taskforce Problemimmobilien“ mit breiter Zusammensetzung – über TÜV, Feuerwehr, Wohnungsaufsicht, Sozialamt, Finanzamt, die kommunalen Ver- und Entsorgungsbetriebe bis hin zum Gesundheits- und Jugendamt. Sie setzte ein Wohngebäudemonitoring um und führte monatlich Hausbegehungen insbesondere in den Stadtteilen Hochfeld und Marxloh durch. Bis zum Herbst 2016 kam es auf dieser Grundlage zu insgesamt drei Schließungen von Wohngebäuden, da Gefahr für die Bewohnerschaft und die öffentliche Ordnung festgestellt wurde. Nach Möglichkeit wurde den Bewohnenden von städtischer Seite Ersatzwohnraum angeboten.

Hausräumungen bei „Problemimmobilien

Zum Herbst 2016 erfolgte unter der damals frisch berufenen Ordnungs- und Rechtsdezernentin eine Neuausrichtung der „Taskforce Problemimmobilien“. Diese wurde in ihrer Arbeitsweise nach dem Wohnaufsichtsgesetz als ineffektiv eingeschätzt. Hauptansatzpunkt wurde nunmehr der Brandschutz als Instrument des Sonderordnungsrechts. Auf dieser Grundlage sind seither u.a. in den Stadtteilen Beeck, Bruckhausen, Hochfeld, Marxloh, Meiderich und Ruhrort die benannte Vielzahl mehrgeschossiger Wohngebäude unmittelbar geräumt worden. Ihre Bewohnerschaft besteht vorrangig aus bulgarischen und rumänischen Familien mit einer Vielzahl Kinder. Das Jugendamt ist nunmehr nicht von vornherein eingebunden.

„Finden sich Mängel, wird die sofortige Schließung des Hauses verfügt. Die Bewohnenden erhalten die Möglichkeit, ihre Habe innerhalb von fünf Stunden heraus zu bringen und sich um eine neue Bleibe zu kümmern.“

Der schematische Ablauf ist der: Wohngebäude werden überprüft, zu denen es eine bestimmte Beschwerdelage geben soll. Ein Team u. a. aus Ordnungsamt, TÜV, Feuerwehr, Energieversorgung, Entsorgungsunternehmen und auch Jobcenter unter Amtshilfe durch die Polizei, die keine aktive Rolle einnimmt, betritt ohne Voranmeldung am Begehungstag morgens die Häuser. Die Personalien der Bewohnenden werden in ihren Wohnungen überprüft. Finden sich Mängel, die aus Brandschutzgründen eine unabwendbare Gefahr darstellen, wird die sofortige Schließung des Hauses verfügt. Die Bewohnenden erhalten die Möglichkeit, ihre Habe innerhalb von fünf Stunden heraus zu bringen und sich um eine neue Bleibe zu kümmern.

Quelle: MIGazin

Stand: 14.06.2022

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„Wir haben gelernt“: Campingplatz weist Sinti-Familie ab – und entschuldigt sich https://antizig.blackblogs.org/2021/11/01/wir-haben-gelernt-campingplatz-weist-sinti-familie-ab-und-entschuldigt-sich/ Mon, 01 Nov 2021 10:12:43 +0000 http://antizig.blackblogs.org/?p=1514 Continue reading „Wir haben gelernt“: Campingplatz weist Sinti-Familie ab – und entschuldigt sich ]]> Die Idylle des Wald-Campingplatzes im nordhessischen Bad Zwesten trügt: Laut Vorstandsbeschluss waren Sinti-Familien bisher nicht willkommen, wie ein aktueller Fall enthüllt. Auf die Empörung folgt eine Entschuldigung.

Ganz am Anfang, beim Einchecken, sei auf dem Wald-Campingplatz in Bad Zwesten (Schwalm-Eder) noch alles normal gewesen, erinnert sich Robert Unger. Die Familie zeigte in der vergangenen Woche ihre Ausweise, bekam einen Schlüssel fürs Tor und den Stromanschluss. Dann der plötzliche Rauswurf. Auch ein Hinweis auf die weinenden Kinder fruchtete nicht. Die Familie musste den Platz verlassen. Der Grund: Die Familie zählt zur Minderheit der Sinti in Deutschland.

Bürgermeister: Dulde keine Diskriminierung

Grundlage des Rausschmisses war ein Beschluss des Betreibers Camping Club Kassel (CCK), der Sinti und Roma den Zutritt zu dem Gelände verwehrte – angeblich habe es in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen gegeben. Der Fall sorgte für Empörung.

„Wir sind schockiert. Hier werden jahrhundertealte Ausgrenzungen vollkommen unverhohlen fortgeführt“, kritisierte Adam Strauß, der Vorsitzende des Landesverbandes Deutscher Sinti und Roma, am Dienstag in einer Mitteilung den Vorfall. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hatte die Vorgänge gegenüber der Frankfurter Rundschau als „beschämend“ bezeichnet.

Auch der Bürgermeister von Bad Zwesten, Michael Köhler (FDP), kündigte gegenüber dem hr an, ein klärendes Gespräch mit den Verantwortlichen des Campingplatzes zu führen. Er dulde solche Diskriminierung nicht.

Campingplatzbetreiber: „Wir haben gelernt“

Nun rudert auch der Camping Club zurück. Vorstandsmitglied Michael Zollmann räumte gegenüber dem hr ein, man habe einen Fehler gemacht. Die Kritik und das Geschehene sei nicht spurlos an ihm und den Vorstandskollegen vorbeigegangen. Es sei ein „unsäglicher Vorfall“.

Mit einem Brief wolle man beim Landesverband der Sinti und Roma und der betroffen Familie Unger um Entschuldigung bitten, erklärte Zollmann dem hr. Auch habe man festgelegt, künftig keinerlei diskriminierende Beschlüsse mehr zu fassen zu wollen. Der Brief endet mit den Worten „Wir haben gelernt!“.

Familienvater Unger: „Das ist mir noch nie passiert“

Für seine Familie sei der rassistische Vorfall eine schlimme Erfahrung gewesen, sagt Robert Unger: „Das ist mir noch nie passiert“, sagt Unger, er lebe immer schon in Deutschland, genauso wie der Rest seiner Familie: „Meine Vorfahren sind seit mehr als 100 Jahren hier“, sagt er. Er habe seinen drei und sechs Jahre alten Kindern erklären müssen, warum sie nicht willkommen sind, auch seiner Mutter und Cousins, die auch auf den Campingplatz kommen wollten.

„Mein Sohn geht bald in die zweite Klasse, was soll er dort erzählen über seinen Urlaub – dass er nicht auf den Campingplatz durfte?“, fragt Unger. Er selbst habe als Kind in der Schule Vorurteile und Antiziganismus erlebt, sagt der Familienvater. Aber jetzt sei er 32 Jahre alt und habe gehofft, solche Erfahrungen seien vorbei.

Den Urlaub setzte die Familie schließlich an der Nordsee fort. Er werde jedenfalls alle seine Bekannten vor dem Platz in Bad Zwesten warnen, sagt Unger – „Ich will nicht, dass irgendwer noch so eine schlechte Erfahrung machen muss.“

Weitere Informationen

Diskriminierung und Verfolgung

Der Begriff „Antiziganismus“ bezeichnet die Diskriminierung und Verfolgung von Menschen, die der Minderheit der Sinti und Roma angehören. Da er selbst die abwertende Bezeichnung „Zigeuner“ enthält, ist der Begriff nicht unumstritten, wird aber auch von einigen Organisationen der Sinti und Roma bewusst verwendet. Andere bevorzugen den Ausdruck Rassismus. (Zu einem Dossier der Bundeszentrale für polische Bildung geht es hier.) Die damit verbundenen Vorurteile begegnen den Betroffenen immer noch, wie der Fall in Bad Zwesten zeigt – und sie haben eine furchtbare Tradition in Deutschland.

Die vernichtende Rassen-Ideologie in der NS-Zeit richtete sich gerade auch gegen Sinti und Roma, sie konnte auf ein uraltes Feindbild zurückgreifen. Die genaue Opferzahl ist schwer zu bestimmen. Aber sie geht in die Hundertausende. Es könnten bis zu 500.000 ermordete Sinti und Roma in den von Nazi-Deutschland besetzten Gebieten Europas gewesen sein, wie unter anderem der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages festgehalten hat.

Quelle: hessenschau

Stand: 01.11.2021

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Unabhängige Kommission Antiziganismus fordert grundlegenden Perspektivwechsel in der Gesellschaft Tagung zum Bericht der Unabhängigen Kommission Antiziganismus am 4./5. Juni https://antizig.blackblogs.org/2021/06/17/unabhaengige-kommission-antiziganismus-fordert-grundlegenden-perspektivwechsel-in-der-gesellschaft-tagung-zum-bericht-der-unabhaengigen-kommission-antiziganismus-am-4-5-juni/ Thu, 17 Jun 2021 11:27:37 +0000 http://antizig.blackblogs.org/?p=1503 Continue reading Unabhängige Kommission Antiziganismus fordert grundlegenden Perspektivwechsel in der Gesellschaft Tagung zum Bericht der Unabhängigen Kommission Antiziganismus am 4./5. Juni ]]> Antiziganismus stellt ein massives gesamtgesellschaftliches Problem in Deutschland dar. So lautet das Resümee des Berichts der Unabhängigen Kommission Antiziganismus, der vom Deutschen Bundestag in Auftrag gegeben wurde. Die zentralen Inhalte des Kommissionsberichts werden am 4. und 5. Juni 2021 bei einer Online-Veranstaltung präsentiert. Der Bericht stützt sich auf 15 aktuelle, von der Kommission initiierte Studien. Sie greifen besonders die Perspektiven der Betroffenen auf. Hierfür wurden breite empirische Erhebungen durchgeführt.

Antiziganistischer Rassismus ist eine „allumfassende Alltagserfahrung für Sinti_ze und Rom_nja“, so die Kommission. Der Bericht konstatiert ein „Versagen deutscher Politik, deutscher Gesetzgebungen und deren Rechtsanwendung“. Untersucht wurde Antiziganismus beispielsweise in kommunaler Verwaltung, Schulbüchern und Polizei. Mehrere empirische Studien weisen hier institutionellen Antiziganismus nach.

Die Kommission fordert eine umfassende Strategie gegen Antiziganismus. „Wir brauchen einen grundlegenden Perspektivwechsel in der deutschen Gesellschaft, der die strukturellen Ursachen des Problems in den Blick nimmt.“ Entscheidend sei in diesem Kontext auch eine „Politik der nachholenden Gerechtigkeit“, „die das seit 1945 begangene Unrecht gegenüber Überlebenden und deren Nachkommen ausgleicht“.

Zudem fordert die Kommission, „effektive und nachhaltige Partizipationsstrukturen für die Communitys der Sinti_ze und Rom_nja auf allen Ebenen zu schaffen“. Diese müssten verbindlich und auf Dauer angelegt sein.

Die Unabhängige Kommission Antiziganismus empfiehlt Bund und Ländern, Beauftragte gegen Antiziganismus zu berufen und eine ständige Bund-Länder-Kommission zu schaffen, um die Arbeit gegen Antiziganismus auf höchster Ebene politisch zu verankern.

Eine weitere Forderung der Kommission lautet: „Die zahlreichen Defizite bei der ‚Wiedergutmachung‘ des Unrechts gegenüber Sinti_ze und Rom_nja müssen umgehend kompensiert und den Überlebenden ein Leben in Würde ermöglicht werden.“ Darüber hinaus solle ein umfassender Prozess der Aufarbeitung der sogenannten Zweiten Verfolgung nach 1945 durch eine von Perspektiven von Sinti_ze und Rom_nja geprägte Wahrheitskommission eingeleitet werden.

Der Bericht macht weiterhin deutlich, dass es in der Asylpolitik seit Jahrzehnten zu einer erheblichen Benachteiligung von Rom_nja, die in Deutschland Schutz vor Verfolgung, Diskriminierung, Gewalt und Krieg suchten, gekommen ist. Die Unabhängige Kommission Antiziganismus empfiehlt der Bundesregierung auch vor dem Hintergrund der europäischen Dimension des nationalsozialistischen Genozids ein klares Bekenntnis zu einer besonderen Verantwortung: „Die Abschiebung von Rom_nja aus der Bundesrepublik sowie die Perspektivlosigkeit derjenigen, die bis heute mit dem unsicheren Status einer Duldung leben müssen, sind zu beenden.“

Über die Unabhängige Kommission Antiziganismus

Die Unabhängige Kommission Antiziganismus wurde vom Deutschen Bundestag eingesetzt. Das Gremium hat sich – nach vorangegangenen fachlichen Konsultationen mit dem Zentralrat Deutscher Sinti und Roma – am 27. März 2019 im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat konstituiert. Ihm gehören 11 Personen aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft an, die sich mit Antiziganismus beziehungsweise Rassismus gegen Sinti_ze und Rom_nja befassen.

Weiterführende Informationen

Zentrale Empfehlungen der Unabhängigen Kommission Antiziganismus https://ots.de/TH0bVC

Programm der Tagung „Perspektivwechsel. Nachholende Gerechtigkeit. Partizipation“ am 4./5. Juni https://ots.de/SuVFIX

Mitglieder der Kommission https://ots.de/qRIxip

Der gesamte Bericht der Unabhängigen Kommission Antiziganismus „Perspektivwechsel – Nachholende Gerechtigkeit – Partizipation“ ist bisher noch nicht erschienen; er wird in Kürze unter anderem als Bundestagsdrucksache veröffentlicht werden.

Pressekontakt:

Koordinierungsstelle der Unabhängigen Kommission Antiziganismus
c/o Deutsches Institut für Menschenrechte
Dr. Sarah Kleinmann
Zimmerstraße 26/2710969 BerlinTelefon: 030 259 359-485E-Mail: [email protected]

Quelle: Presseportal

Stand: 15.06.2021

 

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Koordinierungsstelle „Unabhängige Kommission Antiziganismus“ https://antizig.blackblogs.org/2021/06/17/koordinierungsstelle-unabhaengige-kommission-antiziganismus/ Thu, 17 Jun 2021 11:22:38 +0000 http://antizig.blackblogs.org/?p=1501 Continue reading Koordinierungsstelle „Unabhängige Kommission Antiziganismus“ ]]>

Ziel

Am Deutschen Institut für Menschenrechte ist die Koordinierungsstelle der Unabhängigen Kommission Antiziganismus angesiedelt. Die Mitglieder der Kommission setzen sich mit unterschiedlichen Erscheinungsformen von Antiziganismus in Deutschland auseinander und nehmen eine Bestandsaufnahme vor, die historische Entwicklungen berücksichtigt. Ziel der Kommissionsarbeit ist die Erstellung eines Berichts für den Bundestag. Das Gremium arbeitet unabhängig, die Inhalte des Berichtes und die Empfehlungen obliegen ausschließlich seiner Entscheidung. Der Bericht soll im Frühjahr 2021 veröffentlicht werden.

Kurzbeschreibung des Projekts

CDU/CSU und SPD haben im Koalitionsvertrag für die 19. Legislaturperiode vereinbart, eine bundesweite Kommission zum Problem des Antiziganismus in Deutschland einzusetzen. Dieses Gremium, die Unabhängige Kommission Antiziganismus, wurde von der Bundesregierung einberufen und hat sich am 27. März 2019 konstituiert.

Die Mitglieder der Kommission

  • Prof. Dr. Klaus-Michael Bogdal, Professor für Germanistische Literaturwissenschaft an der Universität Bielefeld
  • Dr. Hendrik Cremer, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Institut für Menschenrechte
  • Dr. Markus End, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Technischen Universität Berlin
  • Dr. Karola Fings, Projektleitung „Enzyklopädie des NS-Völkermordes an den Sinti und Roma in Europa“ an der Forschungsstelle Antiziganismus am Historischen Seminar der Universität Heidelberg
  • Jana Mechelhoff-Herezi, Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas
  • Prof. Dr. Elizabeta Jonuz, Professorin für Soziale Arbeit, Migration und Internationales an der Hochschule Hannover
  • Silas Kropf, Freiberuflicher Teamer, Trainer und Referent
  • Prof. Dr. Astrid Messerschmidt, Professorin für Erziehungswissenschaft an der Bergischen Universität Wuppertal
  • Dr. Frank Reuter, Wissenschaftlicher Geschäftsführer der Forschungsstelle Antiziganismus am Historischen Seminar der Universität Heidelberg
  • Prof. Dr. Wolfram Stender, Professor für Soziologie an der Hochschule Hannover
  • Dr. Jane Weiß, Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Humboldt-Universität zu Berlin

Die Kommission hat die Mitglieder Hendrik Cremer und Elizabeta Jonuz zu Koordinator_innen bestimmt. Die Koordinierungsstelle der Unabhängigen Kommission Antiziganismus organisiert die Arbeit der Unabhängigen Kommission Antiziganismus.

Zielgruppen

Der Bericht der Unabhängigen Kommission Antiziganismus wird Empfehlungen für Maßnahmen gegen Antiziganismus auf der Ebene des Bundes und der Länder enthalten.

Beteiligte Personen/Projektmitarbeiter_innen

Dr. Hendrik Cremer, Dr. Sarah Kleinmann, Vera Ilic

Förderzeitraum

Die Koordinierungsstelle hat eine Laufzeit von Juli 2019 bis Juni 2021.

Förderung

Bericht der Unabhängigen Kommission Antiziganismus 2021: Zentrale Forderungen

1. Berufung einer_eines Beauftragten gegen Antiziganismus und Einsetzung eines unabhängigen Beratungskreises

Die Überwindung von Antiziganismus/Rassismus gegen Sinti_ze und Rom_nja ist und bleibt eine dauerhafte Aufgabe für Staat, Politik und Gesellschaft. Deswegen fordert die Kommission die Berufung einer_eines Beauftragten gegen Antiziganismus durch die Bundesregierung. Dieses Amt soll im Bundeskanzleramt angesiedelt werden. Als Teil der Exekutive koordiniert die_der Beauftragte die Maßnahmen zur Überwindung von Antiziganismus und der Prävention ressortübergreifend. Ihr_sein Aufgabenbereich schließt die Koordination und Umsetzung des „Strategischen EU-Rahmens für Gleichstellung, Inklusion und Partizipation der Roma“ in Form der Nationalen Kontaktstelle für Sinti_ze und Rom_nja (NRCP) ein. Die zu berufene Person soll über nachgewiesene Expertise im Themenfeld Antiziganismus verfügen und möglichst parteipolitisch unabhängig sein. Außerdem ist darauf zu achten, dass die Person über eine möglichst breite Anerkennung und Akzeptanz in den von Antiziganismus betroffenen Communitys verfügt. Das Amt der_des Beauftragten ist mit angemessenen finanziellen und personellen Ressourcen auszustatten.

Die_der Beauftragte gegen Antiziganismus wird durch einen unabhängigen Kreis aus Wissenschaft, Praxis und Zivilgesellschaft beraten, der von der Bundesregierung in Absprache mit der_dem Beauftragten berufen wird. Bei der Zusammensetzung dieses Beratungskreises ist sicherzustellen, dass die Perspektive der von Antiziganismus Betroffenen mehrheitlich und in einem möglichst breiten Spektrum vertreten ist. Die Agenda und Arbeitsweise der_des Beauftragten wird im Benehmen mit dem unabhängigen Beratungskreis festgelegt.

2. Schaffung einer ständigen Bund-Länder-Kommission

Viele Maßnahmen zur Überwindung von Antiziganismus/Rassismus gegen Sinti_ze und Rom_nja fallen in die Zuständigkeit der Länder (Bildung, Justiz, Polizei etc.). Zur Sicherstellung der Umsetzung zahlreicher in diesem Bericht formulierter Empfehlungen fordert die Kommission deshalb die Schaffung einer ständigen Bund-Länder-Kommission. Der Bund sollte hier von der Möglichkeit Gebrauch machen, Anregungen zu geben und Impulse zu setzen.

Analog zur Bundesebene sind auf der Ebene der Länder Beauftragte gegen Antiziganismus und deren Arbeit begleitende, unabhängige Beratungskreise nach den unter (1) genannten Anforderungen zu berufen. Nach dem Vorbild der Bund-Länder-Kommission zur Bekämpfung des Antisemitismus soll die Vertretung der Länder in der einzurichtenden Bund-Länder-Kommission durch die Beauftragten gegen Antiziganismus erfolgen.

3. Umfassende Anerkennung des nationalsozialistischen Genozids an Sinti_ze und Rom_nja

Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus verhinderten die ehemaligen Täter_innen über Jahrzehnte eine Anerkennung des an Sinti_ze und Rom_nja begangenen Völkermords. Diese verweigerte Anerkennung hat entscheidend zum Fortwirken von Antiziganismus/Rassismus gegen Sinti_ze und Rom_nja nach 1945 beigetragen und führte zu einer gravierenden und bis heute andauernden Schlechterstellung von Sinti_ze und Rom_nja auf der Gesetzes- und der Umsetzungsebene in der ‚Wiedergutmachung‘. Die Unabhängige Kommission Antiziganismus fordert daher die Bundesregierung auf, diesen Nachteil umfassend und unmittelbar auszugleichen. Den Überlebenden muss ein Leben in Würde ermöglicht werden. Um den notwendigen Perspektivwechsel einzuleiten, empfiehlt die Kommission dem Bundesministerium der Finanzen, die im Bund und in den Ländern zuständigen Behörden explizit auf die Gültigkeit des Grundsatzes einer Kollektivverfolgung von Sinti_ze und Rom_nja für den Zeitraum vom 30. Januar 1933 bis zum 8. Mai 1945 hinzuweisen.

Für nicht in Deutschland lebende Überlebende des NS-Völkermordes an Sinti_ze und Rom_nja fordert die Kommission die Einrichtung eines Sonderfonds durch das Bundesministerium der Finanzen für diejenigen, die nach den gesetzlichen Vorschriften der Bundesrepublik Deutschland bisher keine oder nur geringfügige Entschädigungen erhalten haben. Eine niedrigschwellige, einmalige Anerkennungsleistung ist für alle Rom_nja und Sinti_ze vorzusehen, die vor der Befreiung ihres damaligen Heimat- oder Emigrationslandes von der NS-Besatzung oder den mit dem NS-Regime kollaborierenden Regierungen geboren wurden. Diejenigen, die die Anspruchsvoraussetzungen erfüllen, sollen laufende Leistungen erhalten.

Die Kommission fordert darüber hinaus, den gesundheitlichen, sozialen und ökonomischen Schaden, der durch die massive Benachteiligung in der Wiedergutmachungspraxis und den fortgesetzten Antiziganismus nach 1945 der Zweiten Generation entstanden ist, umfassend auszugleichen. Den bis 1965 in Deutschland geborenen Kindern der im Nationalsozialismus verfolgten Sinti_ze und Rom_nja sind daher nach dem Vorbild der Stiftung Anerkennung und Hilfe einmalige Pauschalen zur selbstbestimmten Verwendung auszuzahlen.

4. Kommission zur Aufarbeitung des an Sinti_ze und Rom_nja begangenen Unrechts in der Bundesrepublik Deutschland

Sinti_ze und Rom_nja wurde und wird durch staatliche Behörden und andere gesellschaftliche Institutionen der Bundesrepublik Deutschland (z. B. Polizei, Justiz, öffentliche Verwaltung, Ausländer- und Sozialbehörden, Schulen, Jugendämter, Kirchen, Wohlfahrtsverbände) gravierendes Unrecht zugefügt. Deshalb fordert die Kommission die Bundesregierung auf, einen umfassenden Prozess der Aufarbeitung dieses auch als Zweite Verfolgung bezeichneten Unrechts einzuleiten. Dazu ist eine mit angemessenen finanziellen und personellen Ressourcen sowie Befugnissen ausgestattete Kommission einzusetzen.

Unter Berücksichtigung der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 25. Oktober 2017 (2017/2038[INI]) und der Erfahrungen bereits stattgefundener Wahrheitskommissionen zur Aufarbeitung staatlichen Unrechts in Demokratien hat diese Kommission die Aufgabe, auf nationaler wie auf lokaler Ebene zur Beendigung der fortwirkenden Diskriminierung und Ausgrenzung beizutragen. Sie soll die Wahrheit über das begangene und bis heute fortdauernde Unrecht bekannt machen, die Verantwortung benennen und konkrete Schritte festlegen, um nachholende Gerechtigkeit herzustellen und in einen gesellschaftlichen Aufarbeitungsprozess einzutreten. Bei der Einsetzung der Kommission ist sicherzustellen, dass die Perspektiven von Sinti_ze und Rom_nja mehrheitlich und in einem möglichst breiten Spektrum vertreten sind.

5. Anerkennung von geflüchteten Rom_nja als besonders schutzwürdige Gruppe

In der Asylpolitik des wiedervereinigten Deutschlands führten seit 1990 antiziganistisch geprägte Debatten und Praktiken zu einer erheblichen Benachteiligung von Rom_nja, die in Deutschland Schutz vor Diskriminierung, Gewalt und Krieg suchten. Fluchtursachen wurden nicht anerkannt, und auch eine historische Verantwortung wurde für diese Überlebenden und Nachkommen eines vom nationalsozialistischen Deutschland zu verantwortenden Genozids von der Bundesrepublik nicht übernommen. Insbesondere Rom_nja, die aus Jugoslawien und den postjugoslawischen Staaten nach Deutschland flohen, wurde Zugang zu Recht, Wohnen, Gesundheit, Bildung und Arbeit erheblich erschwert oder gar verweigert. Ihnen wurde damit jegliche Zukunftsperspektive verwehrt.

Die Unabhängige Kommission Antiziganismus empfiehlt der Bundesregierung, ein klares Bekenntnis für eine Verantwortung gegenüber den in der Bundesrepublik seit vielen Jahren lebenden Rom_nja abzugeben und die Perspektivlosigkeit derjenigen, die bis heute mit dem unsicheren Status einer Duldung leben müssen, zu beenden. Mit Blick auf die praktische Anwendung der Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes ist klarzustellen, dass die in Deutschland lebenden Rom_nja aus historischen und humanitären Gründen als eine besonders schutzwürdige Gruppe anzuerkennen sind. Landesregierungen und Ausländerbehörden sind aufgefordert, die Praxis der Abschiebung von Rom_nja sofort zu beenden.

Darüber hinaus sind bestehende Barrieren für Rom_nja beim Zugang zum Recht abzubauen. Der Bundesregierung und dem Gesetzgeber des Bundes wird empfohlen, die menschenrechtlich nicht haltbare Einstufung von Serbien, Nordmazedonien, Bosnien-Herzegowina, Albanien, Montenegro und dem Kosovo als „Sichere Herkunftsstaaten“ zurückzunehmen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wie auch die Verwaltungsgerichte haben bei ihren asylrechtlichen Entscheidungen grundsätzlich zu beachten, dass sich Erfahrungen von Diskriminierung in diesen Staaten im Rahmen staatlicher Strukturen wie auch im Alltag individuell in unterschiedlicher Intensität verdichten können. Daher ist die bisherige Entscheidungspraxis mit Blick auf die tatsächliche Situation von Rom_nja in diesen Staaten zu prüfen. Kumulative Verfolgungsgründe sind anzuerkennen.

6. Umsetzung und Verstetigung von Partizipationsstrukturen

Obwohl die heterogenen Communitys der Sinti_ze und Rom_nja Teil der deutschen Gesellschaft sind, ist ihr Recht auf politische Partizipation bis heute nur unzureichend verwirklicht. Dies betrifft sowohl öffentlich-rechtliche Bereiche wie Medien, Wissenschaft sowie Behörden und andere staatliche Institutionen als auch verbindliche und auf Dauer angelegte politische Partizipationsstrukturen auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene.

Die Unabhängige Kommission Antiziganismus fordert die politisch Verantwortlichen deshalb auf, effektive und nachhaltige Partizipationsstrukturen für die Communitys der Sinti_ze und Rom_nja auf allen Ebenen zu schaffen. Dies umfasst ein Vertretungs- und Stimmrecht für Organisationen der Sinti_ze und Rom_nja in allen staatlichen Gremien, in denen es um die Angelegenheiten der Communitys der Sinti_ze und Rom_nja geht bzw. in denen Antiziganismus entgegengewirkt werden muss, wie zum Beispiel den Rundfunkräten und Landesmedienanstalten. Zudem ist die zivilgesellschaftliche Arbeit der Organisationen von Sinti_ze und Rom_nja in Deutschland durch transparente Strukturen einer dauerhaften finanziellen Förderung zu stärken. Partizipationsmodelle, wie Staatsverträge und/oder Partizipationsräte und ähnliche Maßnahmen, sollen auf Bundes- und Länderebene in Zusammenarbeit mit den Communitys umgesetzt und gesetzlich verankert werden. Dabei ist die Heterogenität der Organisationen in der Partizipation und materiellen Förderung abzubilden.

Die Kommission fordert die Bundesregierung auf, dem Bundestag in regelmäßigen, längstens aber vierjährlichen Abständen Berichte über den Umsetzungsstand der hier formulierten Handlungsempfehlungen vorzulegen. Zu den Berichten sollen parlamentarische Anhörungen stattfinden.

Im Übrigen empfiehlt die Kommission die Etablierung einer wirkungsorientierten Gesamtstrategie auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene zur Schaffung eines stärkeren Bewusstseins für sämtliche Erscheinungsformen von Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus und Rechtsextremismus in allen Lebensbereichen, im öffentlichen Raum wie auch in staatlichen Institutionen. Insbesondere ist – unter Einbeziehung und Mitwirkung Schwarzer Communitys in Deutschland – die Einrichtung und Gestaltung einer Kommission zu empfehlen, die sich mit Anti-Schwarzen-Rassismus befasst.

Der in diesem Bericht aus unterschiedlichen Perspektiven dokumentierte Antiziganismus stellt ein aktuelles, historisch gewachsenes und eigenständiges Macht- und Gewaltverhältnis dar, dessen bislang radikalste Ausprägung der staatlich organisierte Genozid im Nationalsozialismus war. Die Bundesregierung und der Bundestag, in deren Auftrag die Unabhängige Kommission Antiziganismus ihre Empfehlungen ausgearbeitet hat, stehen nunmehr in der Verantwortung, gezielt, unmittelbar und ohne Nivellierung der Besonderheit von Antiziganismus dessen Bekämpfung und Überwindung auf die politische Agenda zu setzen.

Pressemitteilung (03.06.2021): Unabhängige Kommission Antiziganismus fordert grundlegenden Perspektivwechsel in der Gesellschaft

Tagung zum Bericht der Unabhängigen Kommission Antiziganismus am 4./5. Juni

Berlin. Antiziganismus stellt ein massives gesamtgesellschaftliches Problem in Deutschland dar. So lautet das Resümee des Berichts der Unabhängigen Kommission Antiziganismus, der vom Deutschen Bundestag in Auftrag gegeben wurde. Die zentralen Inhalte des Kommissionsberichts werden am 4. und 5. Juni 2021 bei einer Online-Veranstaltung präsentiert. Der Bericht stützt sich auf 15 aktuelle, von der Kommission initiierte Studien. Sie greifen besonders die Perspektiven der Betroffenen auf. Hierfür wurden breite empirische Erhebungen durchgeführt.

Antiziganistischer Rassismus ist eine „allumfassende Alltagserfahrung für Sinti_ze und Rom_nja“, so die Kommission. Der Bericht konstatiert ein „Versagen deutscher Politik, deutscher Gesetzgebungen und deren Rechtsanwendung“. Untersucht wurde Antiziganismus beispielsweise in kommunaler Verwaltung, Schulbüchern und Polizei. Mehrere empirische Studien weisen hier institutionellen Antiziganismus nach.

Die Kommission fordert eine umfassende Strategie gegen Antiziganismus. „Wir brauchen einen grundlegenden Perspektivwechsel in der deutschen Gesellschaft, der die strukturellen Ursachen des Problems in den Blick nimmt.“ Entscheidend sei in diesem Kontext auch eine „Politik der nachholenden Gerechtigkeit“, „die das seit 1945 begangene Unrecht gegenüber Überlebenden und deren Nachkommen ausgleicht“.

Zudem fordert die Kommission, „effektive und nachhaltige Partizipationsstrukturen für die Communitys der Sinti_ze und Rom_nja auf allen Ebenen zu schaffen“. Diese müssten verbindlich und auf Dauer angelegt sein.

Die Unabhängige Kommission Antiziganismus empfiehlt Bund und Ländern, Beauftragte gegen Antiziganismus zu berufen und eine ständige Bund-Länder-Kommission zu schaffen, um die Arbeit gegen Antiziganismus auf höchster Ebene politisch zu verankern.

Eine weitere Forderung der Kommission lautet: „Die zahlreichen Defizite bei der ‚Wiedergutmachung’ des Unrechts gegenüber Sinti_ze und Rom_nja müssen umgehend kompensiert und den Überlebenden ein Leben in Würde ermöglicht werden.“ Darüber hinaus solle ein umfassender Prozess der Aufarbeitung der sogenannten Zweiten Verfolgung nach 1945 durch eine von Perspektiven von Sinti_ze und Rom_nja geprägte Wahrheitskommission eingeleitet werden.

Der Bericht macht weiterhin deutlich, dass es in der Asylpolitik seit Jahrzehnten zu einer erheblichen Benachteiligung von Rom_nja, die in Deutschland Schutz vor Verfolgung, Diskriminierung, Gewalt und Krieg suchten, gekommen ist. Die Unabhängige Kommission Antiziganismus empfiehlt der Bundesregierung auch vor dem Hintergrund der europäischen Dimension des nationalsozialistischen Genozids ein klares Bekenntnis zu einer besonderen Verantwortung: „Die Abschiebung von Rom_nja aus der Bundesrepublik sowie die Perspektivlosigkeit derjenigen, die bis heute mit dem unsicheren Status einer Duldung leben müssen, sind zu beenden.“

Über die unabhängige Kommission Antiziganismus

Die Unabhängige Kommission Antiziganismus wurde vom Deutschen Bundestag eingesetzt. Das Gremium hat sich – nach vorangegangenen fachlichen Konsultationen mit dem Zentralrat Deutscher Sinti und Roma – am 27. März 2019 im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat konstituiert. Ihm gehören 11 Personen aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft an, die sich mit Antiziganismus beziehungsweise Rassismus gegen Sinti_ze und Rom_nja befassen.

Der gesamte Bericht der Unabhängigen Kommission Antiziganismus „Perspektivwechsel – Nachholende Gerechtigkeit – Partizipation“ ist bisher noch nicht erschienen; er wird in Kürze unter anderem als Bundestagsdrucksache veröffentlicht werden.

Quelle: Institut für Menschenrechte

Stand: 15.06.2021

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Unabhängige Kommission Antiziganismus: Bericht über Antiziganismus vorgelegt https://antizig.blackblogs.org/2021/05/21/unabhaengige-kommission-antiziganismus-bericht-ueber-antiziganismus-vorgelegt/ Fri, 21 May 2021 14:42:40 +0000 http://antizig.blackblogs.org/?p=1497 Continue reading Unabhängige Kommission Antiziganismus: Bericht über Antiziganismus vorgelegt ]]> Die Bundesregierung hat heute den von Bundesinnenminister Seehofer vorgelegten Bericht der Unabhängigen Kommission Antiziganismus zur Kenntnis genommen. Der Bericht wird nun dem Deutschen Bundestag und dem Bundesrat zur weiteren Behandlung und Beratung übermittelt.

Bekämpfung des Antiziganismus: Der Bericht der Unabhängigen Kommission Antiziganismus wurde am Mittwoch im Kabinett vorgestellt. 

Im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD für die aktuelle 19. Legislaturperiode wurde vereinbart, ein Expertengremium zum Thema „Antiziganismus“ einzusetzen.

Dieses Gremium, die Unabhängige Kommission Antiziganismus, hatte sich nach vorangegangenen fachlichen Konsultationen mit dem Zentralrat Deutscher Sinti und Roma am 27. März 2019 im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat zusammengeschlossen.

Die Expertinnen und Experten haben nach zweijähriger Arbeit ihren Bericht mit zahlreichen Forderungen und Empfehlungen abgeschlossen. Dabei hat der Expertenkreis unabhängig und selbständig seine Arbeitsagenda festgelegt und abgearbeitet. Dieser Bericht wurde am Mittwoch von der Bundesregierung zur Kenntnis genommen.

Grundlage für weitere gesellschaftspolitische Diskussionen

Der Bericht beinhaltet Ausführungen zu antiziganistischen Erscheinungsformen und qualitativen sowie quantitativen empirischen Gegebenheiten in Deutschland, auch und gerade aus Perspektive der Sinti und Roma.

Zudem beleuchtet er die unterschiedlichsten Bereiche und Ausprägungen des Antiziganismus und schafft eine allgemeine Grundlage für weiterführende gesellschaftspolitische Diskussionen, die im Deutschen Bundestag zu führen sind.

Auch Bundeskanzlerin Merkel betonte bei der erst kürzlich erfolgten Verleihung des Europäischen Bürgerrechtspreises der Sinti und Roma die Bedeutung der Bekämpfung des Antiziganismus: „Wir alle sind gefordert, uns gegen jede Form von Antiziganismus zu wenden, hierzulande und in ganz Europa. Die Grundrechte und Grundwerte, die unsere Gesellschaft einen, sind unvereinbar mit antiziganistischen Auswüchsen aller Art.“

Quelle: Bundesregierung

Stand: 21.05.2021

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Hass, Hetze und Vorurteile: Zentralrat Sinti und Roma legt Beschwerde gegen Spiegel TV ein https://antizig.blackblogs.org/2021/05/21/hass-hetze-und-vorurteile-zentralrat-sinti-und-roma-legt-beschwerde-gegen-spiegel-tv-ein/ Fri, 21 May 2021 14:38:53 +0000 http://antizig.blackblogs.org/?p=1495 Continue reading Hass, Hetze und Vorurteile: Zentralrat Sinti und Roma legt Beschwerde gegen Spiegel TV ein ]]> Missachtung grob journalistischer Grundsätze – der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma legt Beschwerde gegen eine Spiegel-TV-Reportage ein. In einem Beitrag würden massive Vorurteile gegenüber der Minderheit gestärkt und Hass geschürt. In den sozialen Medien ist die Rede vom „Pack“.

Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma hat Beschwerde bei der Niedersächsischen Landesmedienanstalt (NLM) gegen eine Spiegel-TV-Reportage eingelegt. Der Beitrag „Perfide Abzocke mit Terrassenreinigung: Einmal saubermachen für 5.000 Euro“ stärke massive Vorurteile gegenüber der gesamten Minderheit und schüre Hass, der sich in unzähligen Hasskommentaren im Internet entlade und zu Angriffen auf Sinti und Roma führe, erklärte der Verband am Donnerstag in Heidelberg. „Dies dokumentieren insbesondere die Kommentarspalten unter dem Spiegel-TV-Beitrag in den sozialen Medien“, kritisiert Zentralratsvorsitzender Romani Rose.

Auf Facebook kommentiert ein Nutzer einen Ausschnitt aus dem Spiegel-TV-Video wie folgt: „Das Pack weiss doch dass in Deutschland was zu holen ist. Ein Kollege sagte zu mir, dass hätte er mal 1940 bei seinem Opa versuchen sollen. Er wüsste nicht wo er da gelandet wäre.“ Ein anderer Schreibt: „Dieses Pack würde ich sofort von meinem Grundstück jagen. Aber denen passiert ja nichts. Kassieren alle Hartz 4 und fahren Mercedes AMG.

Missachtung journalistischer Grundsätze

Er hielt den Produzenten vor, die Reportage missachte grob journalistische Grundsätze, Vorgaben des Niedersächsischen Mediengesetzes und des Medienstaatsvertrages sowie der Programmgrundsätze, wonach Programme die Würde des Menschen zu achten haben und auf ein diskriminierungsfreies Miteinander hinwirken sollen. Besonders kritisierte Rose Begriffe wie „Roma-Clan“, der der gesamten Minderheit Kriminalität allein aufgrund ihrer Abstammung unterstelle.

 

Zudem habe der Beitrag wiederholt die Namen Betroffener genannt. Mehrere Familien hätten sich beim Zentralrat gemeldet, die den gleichen Namen trügen und damit als Unbeteiligte mit an den Pranger gestellt würden. „Eine derartige Darstellung verletzt massiv die Wahrung der Menschenwürde“, erklärte Rose.

Spiegel TV schon öfter aufgefallen

Von der NLM erwartet das Gremium eine grundsätzliche Prüfung der erhobenen Vorwürfe, insbesondere, inwieweit Spiegel TV private Videos und Facebook-Profile habe verwenden dürfen.

In der Vergangenheit waren dem Zentralrat Deutscher Sinti und Roma nach Angaben ihres wissenschaftlichen Leiters Herbert Heuß schon mehrfach grenzwertige Aussagen in Beiträgen von Spiegel TV aufgefallen, die im Rahmen der Drittsendezeit auf RTL ausgestrahlt werden. Mehrfache Anfragen an Spiegel TV seien jedoch ohne Reaktion geblieben, sagte er dem „Evangelischen Pressedienst“.

Quelle: Migazin

Stand: 21.05.2021

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Zirkusbrand in Weidenstetten: Das haben die Ermittlungen bisher ergeben https://antizig.blackblogs.org/2021/05/21/zirkusbrand-in-weidenstetten-das-haben-die-ermittlungen-bisher-ergeben/ Fri, 21 May 2021 14:26:23 +0000 http://antizig.blackblogs.org/?p=1491 Continue reading Zirkusbrand in Weidenstetten: Das haben die Ermittlungen bisher ergeben ]]> Manche halten Brandstiftung beim Zirkus in Weidenstetten für wahrscheinlich und ein rassistisches Motiv für möglich. Doch es gibt heftigen Widerspruch.

Kaum mehr als 30 Kilometer liegen zwischen Dellmensingen und Weidenstetten. In Dellmensingen hat es im Mai 2019 einen rassistisch motivierten Brandanschlag auf eine Gruppe Roma gegeben, das Landgericht Ulm hat fünf Jugendliche und junge Männer deswegen verurteilt. Im März 2021 brannten mehrere Wohnwagen einer Zirkusfamilie ab, die ihr Lager bei Weidenstetten aufgeschlagen hat. War es wieder ein Anschlag? Bürgerrechtler und ein Anwalt hielten das für sehr wahrscheinlich, doch es gab auch heftigen Widerspruch. Nun haben sich Polizei und Staatsanwaltschaft zu Wort gemeldet.

Quelle: Augsburger Allgemeine

Stand: 21.05.2021

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DISS Neuerscheinung zu TV und Antiziganismus https://antizig.blackblogs.org/2021/04/25/diss-neuerscheinung-zu-tv-und-antiziganismus/ Sun, 25 Apr 2021 17:52:47 +0000 http://antizig.blackblogs.org/?p=1487 Continue reading DISS Neuerscheinung zu TV und Antiziganismus ]]>

Ab sofort lieferbar ist der Band 46 der Edition DISS im Unrast-Verlag:

Katharina Peters
Das deutsche Fernsehen und der Fall ›Rassismus‹
Mediale Inszenierungen von Sinti und Roma im Tatort und in politischen Talkshows

Das Buch ist erhältlich im guten Buchhandel oder direkt beim Unrast-Verlag.
ISBN 978-3-89771-775-6
164 Seiten, 18 EUR

Das vermeintliche Wissen, das über Sinti*ze und Rom*nija kursiert, ist geprägt von negativen Stereotypen bei kaum vorhandenen Kontakterfahrungen mit Angehörigen der Minderheit. Die dominierenden Bilder werden durch die Medien verbreitet und als Wahrheiten ausgegeben und rezipiert. Sie beschränken sich außerdem nicht auf Mitglieder der Minderheit, sondern werden ohne Widerspruch auf Menschen aus Bulgarien und Rumänien übertragen. Neben der emanzipatorischen Arbeit einer zunehmenden Zahl an Selbstorganisationen, ist es ein Anliegen dieser Arbeit, die medialen Inszenierungen, deren Schauplätze und Akteur*innen, sowie die dahintersteckenden Wirkmechanismen und Strukturen aufzudecken.

Katharina Peters untersucht am Beispiel der medialen Inszenierung von ›Sinti und Roma‹ im deutschen Fernsehen, wie Rassismen adaptiert und verbreitet werden. Die mit dem Augsburger Wissenschaftspreis für interkulturelle Studien ausgezeichnete Analyse entlarvt die als Realitäten ausgegebenen Bilder in ihrer Konstruiertheit und schafft so Raum für andere Wirklichkeitsentwürfe, die ein vielfältigeres Bild zulassen und Stereotype negieren. Der diskurs- und medienwissenschaftliche Ansatz leistet einen Beitrag, Erscheinungsformen des Rassismus in Zeiten eines weltweit erstarkenden Nationalismus am Beispiel von Antiziganismus im deutschen Fernsehen detailliert zu beschreiben. Mit dem Ziel, die Sensibilität für eine diskriminierungsfreie mediale Darstellung zu schärfen und das Bewusstsein für die Realität Deutschlands als eine Einwanderungsgesellschaft zu stärken.

Katharina Peters

Katharina Peters (*1987) studierte Germanistik, Anglistik, Literatur- und Kulturwissenschaften und lebt im Ruhrgebiet. Als Mitarbeiterin am Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung und als Lehrbeauftragte arbeitet sie zu den Themen Rassismus, Antiziganismus und Gender Studies – insbesondere in den Medien.

Sie ist Verfasserin der Expertise Diskursivierung von ›Sinti und Roma‹ und ›Antiziganismus‹ in Bundestagsdebatten 2010 – 2019 im Auftrag der von der Bundesregierung eingesetzten Unabhängigen Kommission Antiziganismus, in der sie die politischen Positionen der einzelnen Fraktionen und deren Argumentationsstrategien untersucht. Die Ergebnisse der Studie werden 2021 veröffentlicht.

2020 erschien der von ihr und Stefan Vennmann herausgegebene Sammelband Nichts gelernt?! Konstruktion und Kontinuität des Antiziganismus. Weitere Infos dazu unterwww.diss-duisburg.de.

Für die vorliegende Arbeit wurde sie mit dem Augsburger Wissenschaftspreis für interkulturelle Studien 2020 ausgezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

Vorspann – Die Verwischung der Grenzen im Interdiskurs Fernsehen

Drehbuch – Korpus und Struktur der Analyse
Im Visier – Sint*ezza und Rom*nja als Objekte medialer Inszenierung
Wiederholung – Die Rolle des Fernsehens
Immer wieder sonntags – Der Tatort
Modus operandi – Zur Methode

‚Sinti und Roma‘ im mediopolitischen Diskurs – Eine Spurensuche

Die Bürde der kollektiven Schuld – Armer Nanosh (1989)
Musikalität und Leidenschaft – Die schlafende Schöne (2005)
Kriminalität und Elend
Klau-Kids: aus ‚Osteuropa‘ – Brandmal (2008) und Kleine Diebe (2000)
‚Menschenhandel‘, ‚Prostitutoon‘, ‚Arbeiterstrich‘, ‚Bettel-Clans‘ und ,Müll’ – Mein Revier (2012), Angezählt (2013), Mi sanjetz da, wo’s weh tut (2016), Klingelingeling (2016)

Auflösung oder offenes Ende? Résumé und Ausblick

Literatur
Verzeichnis Filme und Fernsehsendungen
Anhang
Übersicht Tatort-Folgen
Übersicht Polit-Talkshows
Übersicht (diskursauslösende) Ereignisse und mediale Bearbeitungen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen

Quelle: Disskursiv Blog

Stand: 25.04.2021

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