Viele Roma sind aufgrund früherer prekärer Arbeitsbedingungen sowie fehlender Einkommen und Ressourcen, auf die sie sich in dieser Krisensituation verlassen können, einem extremen Armutsrisiko ausgesetzt. Die große Mehrheit war auf prekäre Selbständigkeit, unregelmäßige tägliche Arbeit, das Sammeln von wiederverwertbaren Materialien oder auf andere Einkommensquellen angewiesen, die nun aufgrund von Krisenmaßnahmen nicht mehr zur Verfügung stehen. Betriebsstilllegungen und Einschränkungen der Bewegungsfreiheit verschlechtern die Situation weiter. Die Menschen waren und sind nicht in der Lage Vorräte anzulegen und haben oft keine Möglichkeiten Vorräte zu Hause zu lagern. Tausende von Familien waren bereits in der Vergangenheit auf die Zivilgesellschaft oder humanitäre Organisationen angewiesen, die sie (oder ihre Kinder) regelmäßig mit Lebensmitteln versorgen. Die Sozialhilfe reicht in den meisten Ländern nicht aus, um den Lebensunterhalt zu bestreiten und durch die Krise ist mit einem weiteren Anstieg der Preise für Lebensmittel und Artikeln des Grundbedarfs zu rechnen. Schon heute können wir feststellen, dass es in vielen Familien und ausgegrenzten Siedlungen an ausreichend Nahrungsmitteln fehlt. Viele Roma haben zudem aufgrund fehlender Ausweispapiere keinen Zugang zu Sozialleistungen. Wenn humanitäre Hilfe zu spät verteilt wird, wenn größere marginalisierte Siedlungen bereits hungern, kann dies schwerwiegende Folgen haben und zu Gewalt führen.
Es besteht eine erhöhte Gefahr der Verbreitung des Virus, da viele Roma aufgrund von Antiziganismus und Ausgrenzung in tiefgreifender Armut und unter menschenunwürdigen Lebensbedingungen ohne Zugang zu Trinkwasser, zu Hygieneartikeln und zu Gesundheitsdiensten leben, was die Möglichkeiten zur Eindämmung des Virus stark limitiert. Der Gesundheitszustand vieler Roma in den betroffenen Ländern ist im Allgemeinen bereits erheblich schlechter als in der Mehrheitsbevölkerung.
Die Gefahr von rassistischer Gewalt gegen Roma
Bisher können wir nur einige Fälle unverantwortlicher Medienberichterstattung (konventionelle und soziale Medien) über Sinti und Roma in der COVID-19-Krise beobachten. Im Falle einer massenhaften Ansteckung innerhalb einer Roma Siedlung würde sich das Virus nicht nur schnell innerhalb der Community ausbreiten, sondern es könnten auch andere Stadtteile infiziert werden, was zu rassistischer Mob-Gewalt gegen Roma führen könnte. Bei einer insgesamt angespannten Situation können wir jedoch mit einer Zunahme von Beschuldigungen gegen Roma und wahrscheinlich sogar mit Gewalt rechnen. Die Verbreitung von Hate Speech, Gerüchten oder gefälschten Nachrichten über soziale Medien kann eine schreckliche Wirkung haben. In den letzten 20-30 Jahren haben wir bereits massive Gewalt gegen Roma erlebt, darunter auch neuere Fälle, in denen „Fake News“, die über soziale Medien verbreitet wurden, zu direkter Gewalt gegen Einzelpersonen führten. Zusätzlich zur Gewalt können wir erleben, dass allein basierend auf der Tatsache, dass einzelne Personen aus Westeuropa zurückkehrten, und bei Verdacht auf Infektionen in Roma-Siedlungen ganze Gemeinden und Siedlungen polizeilich abgeriegelt wurden. Die Polizei erlaubte in diesen Fällen den Bewohnern nicht, die Nachbarschaft zu verlassen.
Aufgrund der allgemeinen Lebensbedingungen haben Kinder Schwierigkeiten, am Fern- und Heimunterricht teilzunehmen. Enge Wohnverhältnisse sind dem Lernen nicht förderlich, viele Kinder haben keine Computer zu Hause oder die Eltern sind Analphabeten oder haben nur wenige Klassen in der Schule besucht und können ihre Kinder nicht unterstützen. Zivilgesellschaftlich geführte Bildungszentren sind geschlossen oder benötigen zusätzliche Mittel für die Online-Bildung. Wir können in naher Zukunft mit hohen Abbrecherquoten und Zehntausenden von Kindern rechnen, die in den Schulen den Anschluss verlieren.
Quelle: Zentralrat deutscher Sinti und Roma
Stand: 29.04.2020
]]>The European Environmental Bureau (EEB), a pan-European network of green NGOs, found Roma communities were often excluded from basic services, such as piped drinking water, sanitation and rubbish collection, while frequently living at or near some of the dirtiest sites in Europe, such as landfills or contaminated industrial land.
As many as 10 million Roma people live in Europe, including 6 million in EU member states. While their social exclusion has been long documented, EEB researchers say denial of basic services and exposure to pollution has been overlooked.
The EEB, in collaboration with researchers in central and eastern Europe, found 32 cases of “environmental racism” in five European countries: Hungary, Bulgaria, Romania, Slovakia and North Macedonia. The researchers also drew on existing work on living conditions of Roma people in Bosnia and Herzegovina, Serbia, Montenegro and Kosovo.
Absence of water, sanitation and rubbish collection were problems in more than half the case studies, such as Stolipinovo in Bulgaria, Europe’s largest Roma settlement and part of the city of Plovdiv. About 60,000 people are estimated to live in the district, but many are cut off from piped water and sanitation services from the rest of Plovdiv, a European capital of culture in 2019.
In Hungary, access to the public water supply for some Roma communities was shut down during summer heatwaves – decisions affecting 800 people in Gulács in August 2017 and 1,500 inhabitants of Huszártelep in 2013. The northern Hungarian city of Ózd received nearly €5.5m (£4.8m) from Switzerland to improve provision of running water to Roma communities, but researchers said many had not benefited from the scheme. Authorities claimed Roma households did not pay their bills.
Previous research concluded that only about 12% of Roma communities had functioning flush toilets and drainage systems.
One vivid example of the desperate conditions Roma people can find themselves living in is Pata-Rât, on the outskirts of Cluj-Napoca in Romania’s north-west, known for its gothic architecture and baroque palaces.
At Pata-Rât about 2,000 Roma people live next to or on a landfill site. “It’s horrifying,” said the Roma rights activist Ciprian Nodis, who has visited several times. “It’s similar to what you can see in the favelas of Rio de Janeiro. People are living in extreme poverty with no access to utilities, no access to electricity, water. They live in improvised shelters made from recyclable materials that they find on the landfill – cardboard, or rotten wood, or things like that. Most of them work in the landfill.”
He identified four separate Roma communities living at Pata-Rât: the first group came in the 1960s, and the most recent arrivals in 2013 when Roma residents of Cluj-Napoca were evicted from the city centre. The least fortunate of the four communities live on the landfill itself, where the air, water and soil is deeply polluted. “It’s a living hell, especially for the children who are born there. It’s bad luck to be born in Pata-Rât,” Nodis said.
But Pata-Rât is not even exceptional. Researchers identified more Roma communities living on or next to landfill sites at Fakulteta, near Sofia. On the outskirts of the Transylvanian city of Turda, Roma families live on a former industrial site contaminated with mercury. Unsurprisingly Roma people in the 32 case studies were vulnerable to respiratory and infectious diseases, accidents and depression.
Meanwhile Roma communities not living on degraded land risk eviction, without legal recourse. About 100 Roma people living in Constanƫa in Romania were forced to move to allow for the creation of a holiday resort.
Patrizia Heidegger, one of the report’s authors and the director of global policies and sustainability at the EEB, said the 32 cases were only the tip of the iceberg.
Denial of basic services persisted, despite Roma communities having being settled in the same villages and cities for many years. Absence of water or sanitation was “not due to not having lived in the place for a long time. It’s really total neglect of neighbourhoods with Roma populations.”
The problem was compounded as Roma communities were often blamed for the pollution and land degradation, she said. “They are perceived as the environmental problem and not as communities that are disproportionately affected by exposure to pollution or the non-provision of environmental services, which then leads to the degradation of their environment.
Roma communities faced huge prejudices, she said, citing attitudes such as “‘they don’t care about a clean environment, they don’t care where they live, they work in waste dumps anyhow so they live there.’ These are racist prejudices.”
The EEB is now calling on EU authorities and member states to increase efforts to protect health, while urging them to recognise the scale of the problem. “We need to acknowledge that environmental racism exists in Europe. That is the first step,” Heidegger said.
Source: The Guardian
Date: 15.04.2020
]]>Ältere Menschen und solche mit Vorerkrankungen, Ärzte und medizinisches Personal – sie sind in der Corona-Krise die am meisten Gefährdeten. Über eine große und besondere Risikogruppe in Europa spricht die Öffentlichkeit jedoch kaum: über Millionen armer Roma. Für viele von ihnen, vor allem in Mittel- und Südosteuropa, könnte sich bald eine gesundheitliche und humanitäre Katastrophe anbahnen.
Die meisten von ihnen leben unter Elendsbedingungen und überwiegend ohne Möglichkeiten zur Hygiene. Zudem können viele ihre informellen Beschäftigungen wie Schrott- und Plastiksammeln oder Straßenhandel mit Lebensmitteln, Haushaltswaren oder Blumen zur Zeit nicht mehr ausüben.
Roma-Organisationen schlagen Alarm
Doch nicht nur das. Viele Roma sind, neben dem ohnehin verbreiteten Antiziganismus, derzeit auch einer besonderen Stigmatisierung ausgesetzt: Einige Länder wie die Slowakei, Rumänien und Bulgarien haben neben den allgemeinen Beschränkungen zusätzliche Maßnahmen für Roma-Siedlungen ergriffen – diese werden präventiv unter Quarantäne gestellt oder polizeilich abgeriegelt.
Roma-Organisationen in Europa sind deshalb alarmiert. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma etwa befürchtet, dass „rechtsextreme und nationalistische Politiker in Mittel- und Südosteuropa die gegenwärtige Corona-Krise nutzen, um ihre rassistischen Positionen als Regierungshandeln zu legitimieren und umzusetzen“, wie es in einer Stellungnahme heißt. Auch der Berichterstatter für Roma der parlamentarischen Versammlung des Europarats, der tschechische Parlamentsabgeordnete František Kopřiva, warnt: „Statt zu versuchen, Roma als durch das Corona-Virus besonders gefährdete Gruppe zusätzlich zu schützen, heizen einige Politiker Antiziganismus aktiv an.“
Besonders gefährdet: Elendssiedlungen
Etwa zehn bis zwölf Millionen Roma gibt es in Europa – sie sind die größte Minderheit des Kontinents. Fast die Hälfte aller europäischen Roma lebt in sieben mittel- und südosteuropäischen Ländern: Tschechien, Slowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Serbien und Mazedonien. Dort finden sich auch einige der berüchtigtesten europäischen Elendssiedlungen, etwa Lunik IX am Rande der ostslowakischen Großstadt Kaschau (Košice), Stolipinovo im bulgarischen Plovdiv, Ferentari in der rumänischen Hauptstadt Bukarest oder Shuto Orizari nahe der nordmazedonischen Hauptstadt Skopje.
Gemeinsam ist ihnen und anderen derartigen Siedlungen, dass dort Menschen in großer Zahl auf engstem Raum zusammenleben. Häufig haben Familien, in denen drei oder vier Generationen zusammenwohnen, nur ein oder zwei Räume zur Verfügung. Außer einigen wenigen gemeinschaftlichen Wasserhähnen auf der Straße gibt es in solchen Siedlungen meistens kein fließendes Wasser und keine Kanalisation. Es sind ideale Bedingungen für die Ausbreitung von ansteckenden Krankheiten wie COVID-19.
Obwohl die Lebensbedingungen der Roma und die Zustände in den Elendssiedlungen in allen mittel- und südosteuropäischen Ländern weithin bekannt sind, gibt es in der jetzigen Corona-Krise nirgendwo zentrale Maßnahmen, um einer blitzartigen und massenhaften Ausbreitung des Coronavirus vorzubeugen, etwa die Einrichtung einer besseren Wasserversorgung. Željko Jovanović, der das Roma-Programm der Open Society Foundation leitet, warnt jedoch davor, die Versorgung von armen Roma weiter zu vernachlässigen. „Bisher hat die Mehrheitsgesellschaft den Umstand ignoriert, dass Arbeitslosigkeit unter Roma schlecht für die ganze Wirtschaft ist und dass rechtsextreme Angriffe auf Roma schlecht für die Demokratie sind“, sagt Jovanović der DW. „Jetzt muss klar sein, dass der Gesundheitsschutz für Roma direkte und sofortige Konsequenzen für Nicht-Roma hat.“
Sozialprogramme sind dringend notwendig
In der Slowakei hat die neue rechtskonservativ-nationale Regierung das Problem inzwischen erkannt – allerdings nicht, ohne in zweifelhafter Weise vorzugehen. Der Regierungschef Igor Matovič kündigte in dieser Woche Massentests von Roma auf das Coronavirus in zunächst 33 Siedlungen an, womit am Freitag begonnen werden sollte. Dabei sollten vor allem Menschen, die kürzlich aus dem Ausland zurückgekehrt sind, getestet werden. Vorgenommen werden die Tests von Militärärzten, begleitet von Soldaten. Je nach Testergebnis sollen dann einzelne Bewohner auf staatliche Quarantäne-Stationen kommen oder ganze Siedlungen unter Quarantäne gestellt werden.
Laut Matovič sei das militärische Vorgehen „keine staatliche Demonstration der Stärke“, es gehe nur um die Sicherheit der Roma selbst. Der in dieser Woche abgesetzte Roma-Beauftragte der im Februar abgewählten slowakischen Regierung, Ábel Ravasz, kritisierte die Maßnahme gegenüber dem Nachrichtenportal Parameter scharf: Der Einsatz von Militär stigmatisiere die Roma, statt ihnen das Gefühl zu geben, dass der Staat ihr Partner sei, so Ravasz.
In Rumänien und Bulgarien wiederum werden einige größere Roma-Siedlungen von Polizei und Gendarmerie abgesperrt, da viele Bewohner in den letzten Tagen aus dem Ausland zurückgekehrt sind und zudem offenbar teilweise massiv gegen Quarantäne-Regeln verstoßen. Im südostrumänischen Țăndărei beispielsweise, wo viele Roma leben, patroullieren derzeit Dutzende maskierter Einsatzpolizisten, die Stadt ist abgeriegelt. Auch in Bulgarien sind Roma-Viertel in den Städten Nova Sagora, Kazanlak und Sliven abgeriegelt.
Keine Reaktion der Regierung
Jenseits solcher polizeilicher und militärischer Maßnahmen erhalten arme und besonders gefährdete Roma bisher nur in wenigen Einzelfällen besondere staatliche Hilfen. In der Slowakei stellten einige Kommunen in Roma-Siedlungen eine mobile Trinkwasserversorgung zur Verfügung. In Rumänien ließ das Bürgermeisteramt der siebenbürgischen Stadt Klausenburg (Cluj) vergangene Woche Lebensmittel- und Hygienepakete an 300 Familien verteilen, die am Stadtrand neben der Mülldeponie Pata Rât leben.
In Ungarn, wo vor allem im Osten des Landes viele Roma unter Elendsbedingungen hausen, hat der Roma-Aktivist und Vorsitzende des ungarischen Roma-Parlaments, Aladár Horváth, ein spezielles Sozialprogramm für Bewohner segregierter Siedlungen gefordert. In einem Schreiben an die Regierung und den Staatspräsidenten schlug er ein Neun-Punkte-Programm zum Krisenmanagement für arme Roma vor. „In den gettoisierten Gebieten haben die Bewohner keine Ersparnisse, keine Vorräte, es gibt dort keine ärztliche Versorgung, und es wächst die Furcht, dass man seinen Kindern nicht mehr zu essen geben kann“, schreibt er. Eine Antwort erhielt er bisher nicht.
Quelle: DW.de
Stand: 09.04.2020
Source: Georg Eckert Institute
Date: 06.04.2020
]]>Die Lage in vielen Siedlungen ist grundsätzlich schlimm und viele Menschen werden durch die Bedingungen, in denen sie leben, krank. Viele haben keine Krankenversicherung und wenn sie eine haben, können sie sich die Zuzahlungen nicht leisten, die ständig verlangt werden.
Jetzt, da hohe Hygienestandards notwendig sind, um die Verbreitung des Coronavirus einzudämmen, droht eine humanitäre Katastrophe. Der Verband der Koordinatoren für Roma-Fragen (Asocijacija koordinatora za romska pitanja) versucht daher, die am stärksten gefährdeten Familien zu erfassen, um zu verhindern, dass die Epidemie in die Siedlungen eindringt. Der Verein versucht, möglichst viele humanitäre Pakete mit Lebensmitteln und Hygieneartikeln bereitzustellen. Der Verein hat die Behörden zur Unterstützung aufgerufen. Einige Gemeinden, also lediglich die lokale Ebene, haben geantwortet und organisieren sich nun mit NGOs, um die Menschen zu Unterstützen. In manchen Orten wird derzeit versucht, die Wasserversorgung über Wassertanks zu gewährleisten. Jedoch reicht es nicht aus.
Es ist aktuell besonders wichtig, möglichst schnell die Lage vor Ort und die Möglichkeiten der Menschen zu verbessern, sich vor dem Virus zu schützen. Bitte spendet jetzt und sagt es weiter.
Das Roma Center wird das Geld an die lokalen Unterstützer_innen weiterleiten, damit Hilfe schnell und unkompliziert bei den Menschen ankommt:
Roma Center e.V.
Sparkasse Göttingen
IBAN: DE11260500010056057540
BIC: NOLADE21GOE
Das Roma Center ist ein gemeinnütziger Verein. Daher sind Spenden steuerlich absetzbar. Auf Anfrage senden wir Ihnen gerne eine Spendenquittung zu.
Weitere Infos über die Situation.
Wichtige gesundheitliche Informationen auf Romanes.
Quelle: Roma Antidiscrimination Network
Stand: 30.03.2020
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Deutschland: Gericht spricht Roma aus Serbien Schutz zu
Urteil: Schutz der Menschenrechte ist für Roma in Serbien nicht garantiert; Ausreiseverbot für Roma stellt Verfolgungshandlung dar.
PRO ASYL: Pauschale Einstufung von Westbalkanstaaten als „sichere Herkunftsländer“ ist nicht zu rechtfertigen.
Während die Große Koalition ein Gesetz vorbereitet, das Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien zu „sicheren Herkunftsländern“ von Asylsuchenden erklärt und Asylanträge aus diesen Ländern pauschal abwehren soll, hat ein Stuttgarter Gericht zwei Angehörige der Roma-Minderheit in Serbien als Flüchtlinge anerkannt.
Die Asylanträge der beiden serbischen Staatsbürger waren vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Dezember 2013 als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt worden. Dagegen hatten die beiden Angehörigen der Roma-Minderheit geklagt – erfolgreich: Ende März 2014 hat das Verwaltungsgericht Stuttgart die Entscheidung des Bundesamts gekippt und den beiden Klägern die Flüchtlingseigenschaft (…) zugesprochen. PRO ASYL begrüßt die umfassende menschenrechtliche Auseinandersetzung des Verwaltungsgerichts mit der Situation von Roma in Serbien. „Wir hoffen, dass sich viele Gerichte diesem positiven Beispiel anschließen werden“, sagte Marei Pelzer, Rechtspolitische Referentin von PRO ASYL.
In seiner Begründung macht das Gericht deutlich, dass Roma dort extrem benachteiligt werden und gezwungen sind, am Rand der Gesellschaft zu leben. Dabei stützt es sich sowohl auf Berichte des Auswärtigen Amtes als auch auf ein Gutachten von Dr. Karin Waringo. Die Expertin der Roma-Organisation Chachipe hatte für den PRO-ASYL-Bericht „Serbien – ein sicherer Herkunftsstaat von Asylsuchenden in Deutschland?“ Quellen zur Menschenrechtssituation in Serbien ausgewertet. Sie wurde vom Verwaltungsgericht auch als sachverständige Zeugin angehört.
Ausdrücklich folgt das Gericht Waringos Einschätzung, dass der serbische Staat Roma keinen hinreichenden Schutz gegen die häufiger werdenden Übergriffe von Dritten gewährt. Als ausschlaggebend bezeichnet das Gericht die Beschränkung von Freizügigkeit und Menschenrechten der Roma in Serbien. Denn das serbische Recht stelle die Ausreise mit der Absicht, Asyl zu beantragen, unter bestimmten Umständen unter Strafe. Dies verletzt nach Auffassung des Gerichts die die Europäische Menschenrechtskonvention wie auch die in der serbischen Verfassung gewährte Ausreisefreiheit. Daher liege eine Verfolgungshandlung vor. Da entsprechende staatliche Kontrollmaßnahmen selektiv auf die Minderheit der Roma zielten, knüpfe die Verfolgung auch an ein asylrelevantes Merkmal an.
Die Gerichtsentscheidung macht deutlich, was PRO ASYL in der Stellungnahme zum aktuellen Gesetzgebungsverfahren hervorgehoben hat: Es bedarf einer differenzierten Auseinandersetzung mit dem Einzelfall und mit der systematischen rassistisch motivierten Diskriminierung der Roma, um zu sachgerechten Ergebnissen zu kommen. Die pauschale Einstufung der ex-jugoslawischen Staaten als „sichere Herkunftsländer“ wie es der aktuelle Gesetzentwurf der Bundesregierung vorsieht, ist nicht zu rechtfertigen.
Quelle: dRoma Blog
Stand: 29.04.2014
Das Urteil ist rechtskräftig. Sobald die Reisefähigkeit des Ehepaars Arsic aus Serbien bescheinigt ist, müssen sie mit der Abschiebung in ihre Heimat rechnen. Dort, wo ihre Angehörigen getötet worden sind.
Das Urteil ist rechtskräftig. Sobald die Reisefähigkeit des Ehepaars Arsic aus Serbien bescheinigt ist, müssen sie mit der Abschiebung in ihre Heimat rechnen. Das Roma-Paar war im Mai 2014 nach Deutschland geflüchtet. Teile der Familie waren in Serbien von Rechtsextremen ermordet worden (TLZ berichtete). Dennoch gilt Serbien seit September 2014 als sicheres Herkunftsland – auch für Roma. Gegen die Ablehnung des Asylantrages vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hatte Familie Arsic Klage erhoben. Jetzt kam der Fall vor das Verwaltungsgericht in Gera. „Die Klage wurde als offensichtlich unbegründet abgelehnt“, sagt Bernd Amelung vom Verwaltungsgericht Gera. Den „diversen Begehren der Familie Arsic“ sei der Richter nicht nachgekommen. Cedar Arsic hatte versucht, den Gerichtstermin noch einmal zu vertagen, um einen Rechtsanwalt aus Aachen hinzuzuziehen. „Diesem Antrag muss das Gericht nicht nachgeben“, so Amelung. „Außerdem handelte es sich bei Familie Arsic bereits um einen Folgeantrag. Grundsätzlich kann man nach Ablehnung des ersten Asylantrags einen Folgeantrag stellen“, erklärt Amelung dazu. In den meisten Fällen setzt sich das Bundesamt jedoch nicht mit der Begründung des Antrags auseinander, sondern entscheidet häufig, dass sich die „Sach- und Rechtslage“ im Vergleich zum ersten Verfahren nicht geändert hat und deshalb auch keine neue Prüfung stattfinden muss.
Im Sammelflieger zurück in die Heimat
Im Falle Arsic hat man einer erneuten Prüfung stattgegeben. Die Flüchtlingsorganisation „The Voice Refugee Forum Germany“ hat sich mit dem Fall auseinandergesetzt: „Gemessen am Leidensweg der Familie Arsic im Herkunftsland Serbien ist es absolut unverständlich, warum all diese verpflichtenden Rechtsnormen nicht bereits bei der Bearbeitung des Erstantrages berücksichtigt worden sind: zwei Mordopfer in der Familie, eine versuchte Vergewaltigung am Arbeitsplatz der Frau und daraus resultierend der Verlust ihrer Arbeit, da ihre Vorgesetzter keinen Ärger haben wollte, anschließende Bedrohung der Familie an Leib und Leben durch die Täter wegen der Anzeige bei der Polizei“, schreibt Thomas Ndindah vom „The Voice Refugee Forum Germany“. Außerdem verlor Cedar Arsic seine Stelle als Leiter einer Schule in Belgrad, da er politisches und soziales Engagement für die eigene Minderheit zeigte. All das, erklärt Martin M. Arnold vom Flüchtlingsrat Erfurt, seien jedoch keine Gründe, die einen Asylantrag halten könnten. „Seit Serbien als sicheres Herkunftsland gilt, werden solche Fälle als tragische Einzelfälle betrachtet. Es wird keine systematische politische Verfolgung der Minderheit in Serbien erkannt. Man geht davon aus, dass eine grundsätzlich gesicherte Struktur existiert. Dass Kündigungen und rechtsextreme Übergriffe in Serbien durchaus System haben, wird ignoriert.“ Nur aus ganz speziellen humanitären Gründen gebe es für Roma die Chance auf eine positive Beantwortung des Asylantrages. Solch ein Grund sei beispielsweise eine schwere Erkrankung. Nach dem abgelehnten Folgeantrag hätte Familie Arsic noch die Möglichkeit, Verfassungsbeschwerde einzulegen, erklärt Amelung vom Verwaltungsgericht Gera. Damit jedoch sei nicht zu rechnen. Die zuständige Ausländerbehörde in Breitenworbis werde nun die Abschiebung einleiten, sagt Martin M. Arnold. Eine spezielle Gruppe bei der Polizei leistet Amtshilfe, wenn es um die Durchsetzung von Abschiebungen gehe. „Bei Flüchtlingen aus den Balkanstaaten kommt es auch oft zu Massenabschiebungen. Die Flüchtlinge werden dann zunächst in Abschiebezentren gesammelt und inhaftiert. In Thüringen selbst gibt es kein Abschiebezentrum, deshalb lässt Thüringen in anderen Bundesländern inhaftieren. Dann starten Sammelflieger von Frankfurt, die mehrere hundert Menschen in ihre Heimat bringen. Dort drohen ihnen häufig Sanktionen des Heimatstaates.“ Wann genau Familie Arsic abgeschoben wird, ist noch nicht klar. Dass sie in Serbien vermutlich kaum eine Arbeit finden und Angst vor ihren rechtsextremen Verfolgern haben müssen, scheint dagegen sicher.
Quelle: Ostthüringer Zeitung
Stand: 21.05.2015
Mitmenschlichkeit gegenüber Flüchtlingen – das hat Bundespräsident Gauck gefordert. Eine Bonner Grundschule hat das mit Leben erfüllt – und nun Freunde verloren, ohne Abschied nehmen zu können. Die Familie wurde abgeschoben. Zurück bleiben Kinder mit vielen Fragen.
„Ich habe den ganzen Abend geweint, als Dyfidana und Muhamed weg waren“, erzählt Leo. Die serbischen Kinder waren ein halbes Jahr in der gleichen Klasse wie Leo an der Ketteler Gemeinschaftsgrundschule in Bonn. Auch für Flüchtlingskinder gilt die Schulpflicht und die beiden sind gerne zum Unterricht gegangen.
Um fünf Uhr stand die Polizei vor der Tür
Am 20. Januar 2015 erschienen die Geschwister nicht zum Unterricht, was ihre Lehrerin Marijana Lovrincevic skeptisch gemacht hat. „Ihre Eltern sind 100 Prozent zuverlässig, haben die Kinder immer persönlich entschuldigt, wenn sie mal krank waren“, erzählt sie. Erst am Nachmittag erreicht sie per Handy den Vater von Dyfidana und Muhamed, der mit seiner neunköpfigen Familie am Flughafen auf den Abflug nach Serbien wartet. „Die Polizei hat die Familie ohne Vorankündigung um fünf Uhr morgens abgeholt. Ich war einen Tag später in der Wohnung und habe das Chaos gesehen. Sie haben nur einen Koffer mitgenommen.“
Die zurückgebliebenen Freunde sind schockiert
In der Wohnung stehen noch die gepackten Tornister der Kinder. „Dyfidana hatte Kekse und Lebkuchen für die Klassenkameraden eingepackt, denn sie hatte einen Tag vorher Geburtstag“, erzählt Marijana Lovrincevic. „Das zerbricht einem das Herz. Wir standen alle unter Schock.“ Leo kann schwer akzeptieren, dass seine Freunde für immer weg sein sollen. Sein Vater Simon Mauch erzählt: „Leo hat lange geweint und wir sprechen viel darüber. Ich habe die Kinder kennengelernt. Es sind ganz wunderbare Menschen, die unsere Gesellschaft bereichert hätten.“
Vater: „Hier gibt es kein Leben für uns“
Das alte Haus der Familie in Serbien wurde völlig ausgeplündert und ist abbruchreif. Sie sind jetzt in dem Haus des Großvaters von Dyfidana und Muhamed untergekommen. Die Zustände dort sind gesundheitsgefährdend: Es gibt Schimmel, zugefrorene Rohre, kaum Möbel, kein fließendes Wasser und nur einen kleinen Holzofen zum Heizen. Die Kinder sind krank geworden und vermissen ihre Freunde in Deutschland. „Wir haben hier keine Hoffnung. Hier gibt es kein Leben für uns“, sagt Idriz Zivoli, Vater der sieben Kinder. Er erzählt, dass er in Serbien als Roma keinen Job bekommt, dass seine Kinder bei den Ärzten abgewiesen werden, sein Volk diskriminiert wird.
„Die Familie hätte um hier bleiben zu können nachweisen müssen, dass die Kinder in Serbien nicht behandelt werden. Wie hätten sie das machen sollen? Das bestätigt doch kein Arzt“, sagt Marijana Lovrincevic, die nahezu täglich mit der Familie über das Handy in Kontakt steht. Sie – und auch die Kinder ihrer Klasse – stellen sich immer wieder die Frage, warum die Familie nicht bleiben konnte, warum sie bei Nacht und Nebel verschwinden musste.
Weniger als ein Prozent der Serben dürfen bleiben
Die meisten Serben müssen Deutschland wieder verlassen, denn Serbien gilt als sicheres Herkunftsland. Der Anteil der Anerkennung von Asylgründen liegt bei unter einem Prozent. Dass Familien nachts ohne Vorankündigung von der Polizei abgeholt werden, ist kein Einzelfall. „Die Betroffenen sind informiert, dass sie das Land innerhalb einer bestimmten Frist verlassen müssen“, sagt Marc Hoffmann, Sprecher der Stadt Bonn. Wer trotzdem nicht geht, wird abgeschoben. Über die Abreisezeiten entscheide nicht das Bonner Ausländeramt, sondern die Zentralstelle für Flugabschiebungen NRW, so Hoffmann. Es gibt keine Vorankündigung, damit die Betroffenen nicht untertauchen können. Die frühen Abreisezeiten kommen zustande, damit die Flüchtlinge in ihrem Herkunftsland zu Zeiten ankommen, wenn die zuständigen Behörden geöffnet sind.
Keine Chance für Roma
Die hoffnungslosen Lebensumstände für Roma in der EU beschäftigen Heinz Drucks seit über 20 Jahren. Er ist Vorstandsmitglied des Flüchtlingsrats NRW und Flüchtlingsberater in Soest. „Roma sind massiven Diskriminierungen und rassistischen Ausgrenzungen ausgesetzt. Diese finden jedoch keine Berücksichtigung im hiesigen Asylverfahren“, sagt er. Sie hätten keine Chance, ihre Lebenslage aus eigener Kraft zu ändern, denn ihnen fehle der Zugang zu Bildung und zum Arbeitsmarkt, so Drucks.
Hilfe für Familie Gas
Die Bonner wollen Familie Gas nicht im Stich lassen: Marijana Lovrincevic hat Kontakt zur serbischen Caritas aufgenommen, die die Familie mit einigen Lebensmitteln versorgt hat. Schulleiterin Christina Lang hat gemeinsam mit Ralf Knoblauch, Diakon der Pfarrgemeinde St. Thomas Morus ein Spendenkonto eingerichtet und die Kinder lassen eine Spardose bei Eltern und Lehrern rumgehen. Marijana Lovrincevic: „Vielleicht bekommen wir so viel Geld zusammen, dass Familie Gas sich ein kleines Häuschen leisten kann mit einem Garten zur Selbstversorgung. Die Gesellschaft dort können wir nicht ändern.“
Quelle: WDR
Stand: 23.02.2015
Keine Heizung, kein Wasser, kein Klo: Berichte über die desolate Lage einer aus Freiburg abgeschobenen Roma-Familie setzen Innenminister Gall zunehmend unter Druck.
Nach dem Bericht von Mitarbeiterinnen des Jugendhilfswerks und des SPD-Kreisverbandsvorsitzenden Julien Bender über ihren Besuch bei der abgeschobenen Familie Ametovic bleiben viele Fragen offen. Der Grünen-Landeschef Oliver Hildenbrand fordert, die Kriterien der „humanitären Einzelfallprüfung“ offen zu legen. Auf Nachfragen der BZ dazu sagt Andreas Schanz, Sprecher des Innenministeriums, vage, die Mitarbeiter des Regierungspräsidiums würden sich „genau anschauen, ob eine Abschiebung zu einem bestimmten Zeitpunkt zumutbar ist.“
Als Innenminister Reinhold Gall am Mittwoch die Abschiebung erneut öffentlich verteidigte, betonte er, dass er im Dezember selbst in Serbien gewesen sei und sich ein Bild von den Bedingungen vor Ort gemacht habe. Kennt er das Roma-Lager Nis? Nein, sagt auf Nachhaken der BZ Andreas Schanz – Reinhold Gall sei in einer Notunterkunft in Sabac gewesen. Er habe sich außerdem am Flughafen in Belgrad davon überzeugt, dass abgeschobene Flüchtlinge vom serbischen Flüchtlingskommissariat empfangen würden.
Was steckt hinter der „humanitären Einzelfallprüfung“?
Als Antwort auf etliche konkrete Fragen zur „humanitären Einzelfallprüfung“ reagiert Andreas Schanz zunächst nur mit einem Verweis auf den Petitionsausschuss – der allerdings war zusätzlich zu der von der Landesregierung für Roma versprochenen, davon unabhängigen „humanitären Einzelfallprüfung“ von den Unterstützern der Familie hinzugezogen worden. Was steckt dann hinter der „humanitären Einzelfallprüfung“? Und gibt es Beispiele dafür, dass Vereinbarungen mit den serbischen Behörden nach einer Abschiebung eingehalten wurden? Welche Anhaltspunkte hatte das Regierungspräsidium Karslruhe für seine Einschätzung, dass eine Abschiebung der Ametovics verantwortbar sei? Wurden Bedingungen mit der serbischen Regierung ausgehandelt, um zu garantieren, dass sich die Behörden vor Ort um die Ametovics kümmern? Darauf antwortet Andreas Schanz, Serbien sei „ein souveräner Staat, von dem wir allenfalls Informationen erbitten können.“
Wohnung oder Notunterkunft?
Für Verhandlungen sei das Auswärtige Amt zuständig. Das Innenministerium habe nach der Abschiebung der Ametovics erfahren, „dass die Familie gut in Belgrad angekommen ist.“ Die serbischen Behörden hätten außerdem berichtet, dass den Ametovics eine Wohnung angeboten worden sei, die sie nicht angenommen hätten – später bezeichnet Andreas Schanz diese Wohnung dann nur noch als „einfache, aber ordentliche Notunterkunft“. Handelt es sich um eine Wohnung oder eine Notunterkunft? Wo ist sie? Auf diese Fragen bekommt die BZ keine Antwort. Der Aussage mit dem Wohnungsangebot widerspricht Carlos Mari, der Geschäftsführer des Jugendhilfswerks: Den Besuchern aus Freiburg habe Sadbera Ametovic äußerst glaubwürdig erzählt, es habe sich niemand um sie und die Kinder gekümmert. Eine Mitarbeiterin des Jugendhilfswerks habe mit Sadbera Ametovic telefoniert, während sie auf dem Flughafen herumgeirrt sei, sie habe die Situation dadurch miterlebt. Danach hätte sich die Familie ohne Geld für eine Busfahrkarte ins Roma-Lager Nis durchschlagen müssen und müsse deshalb nun Bußgeld bezahlen.
Das Innenministerium erwartet in den nächsten Tagen einen Bericht der serbischen Regierung. Oliver Hildenbrand kritisiert, der Innenminister sei „Profi genug, um zu wissen, dass ihm bei seinem Vorort-Besuch im Dezember nicht das wahre Elend gezeigt wurde, in dem Roma in Serbien leben müssen.“ Eine solche Reise sei kein Ersatz für eine „humanitäre Einzelfallprüfung.“
Quelle (mit Bildern): Badische Zeitung
Stand: 04.02.2015
Seit dem Rückübernahmeabkommen mit dem kosovarischen Staat von 2010 werden aus der Bundesrepublik Deutschland kontinuierlich Roma dorthin abgeschoben. Eine politische Entscheidung, die mit den realen Verhältnissen vor Ort nichts zu tun hat. Dies haben wir bereits in Serbien (siehe ebenfalls 2014: ABGESCHOBENE ROMA IN SERBIEN. Journalistische, juristische und medizinische Recherchen) erfahren können: Im Sommer 2013 treffen wir dort auf bittere Armut, auf Menschen, die Kleidung und Papier in Müllcontainern suchen, um diese wieder zu verkaufen. Sie sammeln weggeworfenes Essen, ganze Familien leben davon. Überall drohen Anfeindungen und Angriffe. Nichtsdestotrotz wurde Serbien am 6. November 2014 von der Bundesrepublik zum »sicheren Herkunftsland« deklariert.
Im Kosovo treffen wir Menschen, die überhaupt nichts haben. Die hungern und nur zögernd davon erzählen, weil sie sich dafür schämen oder es für selbstverständlich halten. Deren Leben hier zu Ende gegangen zu sein scheint, deren Pläne und Träume jäh zerschlagen wurden – weil sie aus Deutschland abgeschoben worden sind. Viele können an nichts mehr anknüpfen, weil der Krieg 1998/1999 sie nicht nur vertrieben, sondern vieles zerstört und alles verändert hat. Von den Milliarden, die nach dem Krieg in dieses winzige Stück Staat geflossen sind, haben die Menschen, auf die wir treffen, nicht profitiert.
Die Zuordnung zu einer Gruppe oder Minderheit trennt bis heute. In der geteilten Stadt Mitrovica kommt es zwischen SerbInnen und AlbanerInnen immer wieder zu Auseinandersetzungen. Roma sind im ganzen Land Anfeindungen und Angriffen ausgesetzt.
Fotos und Berichte auf 112 Seiten Bestellungen bitte über [email protected]/[email protected]
Quelle: Roma Center Göttingen
Stand: 22.12.2013