Uncategorized – Antiziganismus Watchblog https://antizig.blackblogs.org Thu, 14 Apr 2022 12:47:08 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 https://antizig.blackblogs.org/wp-content/uploads/sites/775/2019/01/cropped-antizig-header-e1546873341720-32x32.jpg Uncategorized – Antiziganismus Watchblog https://antizig.blackblogs.org 32 32 WIR SUCHEN UNTERSTÜTZUNG https://antizig.blackblogs.org/2022/04/14/wir-suchen-unterstuetzung/ Thu, 14 Apr 2022 12:47:08 +0000 http://antizig.blackblogs.org/?p=1526 Liebe Leserinnen und Leser,

um den Blog möglichst aktuell zu halten benötigen wir eure Unterstützung bei der Sammlung und Veröffentlichung von antiziganistischen Meldungen. Daher suchen wir engagierte RedakteurInnen die Interesse am Thema haben und aktiv werden wollen. Meldet euch gerne unter antizig [at] mtmedia PUNKT org

]]>
Roma-Kriegsflüchtlinge in Mannheim abgewiesen https://antizig.blackblogs.org/2022/04/07/roma-kriegsfluechtlinge-in-mannheim-abgewiesen/ Thu, 07 Apr 2022 07:40:15 +0000 http://antizig.blackblogs.org/?p=1521 Continue reading Roma-Kriegsflüchtlinge in Mannheim abgewiesen ]]> Deutschland: Ungleichbehandlung von ukrai­ni­schen Ge­flüch­te­ten mit Roma-Hin­ter­grund am Mann­hei­mer Bahnhof

Stellungnahme des Verbands deutscher Sinti und Roma, Landes­ver­band Ba­den-Württem­berg e.V. (VDSR-BW):

Als Bahnhofshelfer in der Nacht vom 23.03. auf den 24.03.2022 geflüchtete Menschen aus der Ukraine in die dafür vor­gese­henen Räum­lich­keiten der DB brachten, re­agierten mut­maßlich Beamte der DB-Si­cherheit ab­weisend auf die Familien und fingen eine Diskus­sion mit den Bahn­hofs­helfern an, in der Zeugen zu­folge anti­ziganis­tische Vorurteile wieder­gegeben wurden als Be­gründung, warum diesen Menschen der Zugang zu den DB-Räumen für Flücht­linge verwehrt werden solle. Auch auf Kompromiss­vor­schläge der Bahnhofs­helfer wurde mut­maßlich ab­weisend reagiert.

Die geflüchtete Gruppe befand sich zu diesem Zeitpunkt bereits in den Räumen der DB für ukrainische Ge­flüchtete. Die Bundespolizei kam zu der Situa­tion hinzu, sowie weiteres Personal der DB-Sicherheit, sowie eine Beamtin mit einem Dober­mann-Hund. Der Hund ist laut Aus­sagen der DB-Sicherheit am 24.03.2022 wäh­rend des Dienstes privat mit­geführt worden.

Als Begründung, warum die Familien weggeschickt werden sollten, wurde angeb­lich ge­äußert, dass sich keine Männer in den Räum­lich­keiten auf­halten dürften. In den Räumen waren bereits andere Männer. In einem Klärungs­gespräch am 24.03.2022 u.a. mit Andrea Kadenbach, der Bahn­hofs­leiterin von Mannheim, wurde deutlich, dass sich auch Männer in diesem Raum au­fhalten dürfen. Sowohl die Helfer als auch die Familien waren ein­ge­schüch­tert von dem massiven Auf­treten des Sicher­heits­personals. Als andere ukrai­ni­sche Geflüchtete den Raum betraten, wur­den sie von den Sicherheits­beamten nicht beachtet.

Es ist für den VDSR-BW nicht ersichtlich, warum das DB-Personal sich gegen­über den Neu­ankömm­lin­gen mu­maßlich ab­weisend ver­hielt. Der Landes­verband erwar­tet eine Stellung­nahme der DB (und DB-Siche­heit) Mann­heim und der Bundespolizei Mannheim. Wir erwarten eine schnellst­mög­liche Aufklärung. Den ent­sprechen­den Leitungen wurde heute ein Schreiben des Vor­stands­vor­sitzenden Daniel Strauß zu­gesandt.

  • Der Beauftragte der Bundesregierung gegen Antiziganismus wurde über diesen Vor­fall in Kennt­nis ge­setzt.
  • Der VDSR-BW ist entsetzt über die Ungleichbehandlung von ukraini­schen Roma in diesem Fall.
  • An vielen Grenzen der Ukraine zu europäischen Staaten wie Polen oder Moldau werden zahl­reichen Berich­ten zu­folge ukrai­ni­sche Roma nicht oder nur unter er­schwer­ten Be­dingun­gen durch­ge­lassen oder sie werden an der Weiter­reise ge­hindert.
  • Andrea Kadenbach hat sich in einem internen Treffen am 24.03.2022 bei den Bahn­hofs­hel­fern und dem VDSR-BW für das Vor­gehen ent­schul­digt.
  • Nachhaltige Sensibilisierungsmaßnahmen für die Bahnange­stell­ten wurden bei dem inter­nen Treffen in Aus­sicht ge­stellt.
  • Bekämpfung von struk­tu­rel­lem Anti­ziga­nis­mus und das Wohl­befin­den der Fami­lien haben für den Lan­des­ver­band Pri­orität.

Quelle: dROMa

Stand: 07.04.2022

]]>
Brandanschlag in Greiz https://antizig.blackblogs.org/2022/04/07/brandanschlag-in-greiz/ Thu, 07 Apr 2022 07:29:19 +0000 http://antizig.blackblogs.org/?p=1519
In #Greiz gab es Brandanschlag auf Unterkunft für Geflüchtete. Vier Personen verletzt. „Ein Bewohner berichtete, dass er kurz vor dem Brand Stimmen auf der Straße gehört und einen weißen Transporter gesehen habe. Personen sollen etwas von „Z******** gerufen“ haben.“ #Rassismus
 
Quelle: https://twitter.com/KatharinaKoenig/status/1508090718518235137
Stand: 07.04.2022
]]>
Geschichte im Ersten: Der lange Weg der Sinti und Roma https://antizig.blackblogs.org/2022/04/07/geschichte-im-ersten-der-lange-weg-der-sinti-und-roma/ Thu, 07 Apr 2022 07:26:49 +0000 http://antizig.blackblogs.org/?p=1517 Continue reading Geschichte im Ersten: Der lange Weg der Sinti und Roma ]]> Jùlie Halilic ist stolz, wenn sie an ihren Großvater denkt. Wallani Georg erkämpfte gemeinsam mit anderen Bürgerrechtlern, dass der Massenmord an den Sinti und Roma 1982 als Völkermord anerkannt wurde. Begonnen hatte es mit einer Besetzung der KZ-Gedenkstätte Dachau. Elf Sinti traten dort 1980 in den Hungerstreik, weil die Verfolgung für Angehörige ihrer Minderheit mit der Befreiung nicht endete, weil der Rassismus gegen Sinti und Roma ungebrochen fortbestand. Sie texteten ein beliebtes Wanderlied um, um darauf aufmerksam zu machen: „Lustig ist das Zigeunerleben, Faria, Faria ho – Staat braucht uns keine Rechte (zu) geben, Faria, Faria ho“. Die Aktion in Dachau markierte den Beginn der Bürgerrechtsbewegung, eines langen Weges der Emanzipation.

Rassismus gegen Sinti und Roma dauerte nach 1945 fort

Die Auschwitz-Überlebende Zilli Schmidt kämpfte viele Jahre um Anerkennung ihrer Verfolgung aus rassischen Gründen. Die Musiker Manolito Steinbach und Romani Weiß wuchsen in den 1970er Jahren in West-Berlin auf. Sie erzählen davon, wie sie lange Zeit lieber unsichtbar bleiben wollten, wie diese Vorsicht erst nach und nach einem neuen Selbstbewusstsein wich. Gianni Jovanovic erlebte, dass die Verfolgung auch mit der Anerkennung des Völkermords nicht endete. Nachdem er 1982 einen Bombenanschlag in Darmstadt überlebt hatte, wurde wenig später das Haus seiner Verwandten in einer Nacht- und Nebelaktion von der Stadt abgerissen.

 
Die Musiker Manolito Steinbach und Romani Weiss

Die Musiker Manolito Steinbach und Romani Weiss

Mit diesen persönlichen Lebenswegen zeichnet der Film emotional und eindrucksvoll die Geschichte von Deutschlands größter nationaler Minderheit nach und macht bisher unerzählte Perspektiven sichtbar. Individuelle Geschichten und bisher kaum gezeigtes Archivmaterial nehmen mit in eine Zeit, in der Sinti und Roma weiter diskriminiert wurden und in der sie sich schließlich zur Wehr setzten. Unter den historischen Aufnahmen aus den ARD-Archiven fand Filmautor Adrian Oeser viele Szenen, die deutlich machen, wie stark der Rassismus gegen Sinti und Roma nach 1945 fortdauerte – und auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk immer wieder befeuert wurde. Die Dokumentation „Der lange Weg der Sinti und Roma“ ist damit auch eine kritische Auseinandersetzung der ARD mit ihrer eigenen Geschichte.

 

Der Film zeigt darüber hinaus, dass eine Aufarbeitung in vielen gesellschaftlichen Bereichen bis heute notwendig ist. Bis in die 1980er Jahre arbeiteten Landeskriminalämter und Forscher in ganz Deutschland mit den Akten der Rassenhygieniker aus der Nazizeit weiter, um Sinti und Roma systematisch zu erfassen. Erst die Bürgerrechtler konnten diese Aktenbestände in den 1980er Jahren freipressen. Beeindruckendes Archivmaterial zeigt, wie sie die Dokumente ihrer Verfolgung fast vierzig Jahre nach der Befreiung erstmals in den Händen halten. Zu realisieren, dass die systematische Stigmatisierung so lange andauerte, belastet den Bürgerrechtler Rudko Kawczynski bis heute.

 

„Der lange Weg der Sinti und Roma“ ist ein Film über Geschichte, die nicht abgeschlossen ist, über eine Zeit, die bis heute fortwirkt. Ein Film übers Gestern fürs Heute.

 

Ein Film von Adrian Oeser

Quelle: Das Erste

Stand: 07. April

]]>
Aufruf zum Protestrundgang am 26. Oktober 2019 am ‚Flughafen der Unerwünschten‘ – Flughafen Karlsruhe Baden-Baden 14-17 Uhr https://antizig.blackblogs.org/2019/10/11/aufruf-zum-protestrundgang-am-26-oktober-2019-am-flughafen-der-unerwuenschten-flughafen-karlsruhe-baden-baden-14-17-uhr/ Fri, 11 Oct 2019 10:25:15 +0000 http://antizig.blackblogs.org/?p=1306 Continue reading Aufruf zum Protestrundgang am 26. Oktober 2019 am ‚Flughafen der Unerwünschten‘ – Flughafen Karlsruhe Baden-Baden 14-17 Uhr ]]>

Tausende Menschen vom Flughafen abgeschoben!

Wer den vorliegenden AUFRUF mitunterzeichnen und unterstützen möchte, schreibe bitte eine kurze Antwort an [email protected]

Das Konstrukt der ’sicheren Herkunftsländer‘ führt(e) zu folgenschweren Eingriffen in das Leben tausender Menschen. Bundesregierung legt 2019 Bericht zur Einstufung den ’sicheren Herkunftsländer‘1 vor.

Die Landesregierungen von Baden-Württemberg haben in den letzten 19 Jahren den Flughafen Karlsruhe Baden-Baden (FKB) zu einem Abschiebeflughafen ausgebaut um ihre ‚Unerwünschten‘ abschieben zu können. Selbst das Abschiebegefängnis2 wurde in Pforzheim gebaut, da der FKB in der Nähe sei. Der Flughafen in Süddeutschland wurde zu einer der wichtigsten Abschiebe-Drehscheibe in den Balkan. Aus dem gesamten Bundesgebiet wird vom Flughafen abgeschoben.

Das Rückübernahmeabkommen mit dem Kosovo und vor allem die Umsetzung des politisch-rechtlichen Konstrukts der ’sicheren Herkunftsländer‘ hat in den letzten vier Jahren zu tausenden Polizeieinsätzen gegen Einzelpersonen und Familien mit Kindern geführt. Diese fanden meist in den frühen Morgenstunden statt. Die Menschen wurden im Schlaf überrascht. Nicht selten wurde Gewalt angewendet oder angedroht.

Zwischen 2012 und 2019 wurden mehr als 9.000 Personen, darunter etwa 3.000 Minderjährige und davon etwa dreiviertel unter 14 Jahren vom FKB abgeschoben. Noch nie zuvor hat es so viele Abschiebungen vom FKB wie zwischen 2014 und 2018 gegeben. Davon betroffen waren viele Roma. Sie haben mit ihrer Flucht versucht aus struktureller Diskriminierung, Rassismus, gelebter Rechtlosigkeit sowie bitterer Armut auszubrechen. Wie schon oft in der Geschichte der Roma sahen sie sich erneuter Vertreibung ausgesetzt.

Für die Landesregierung und für die Betroffenen hätte es ein emanzipatorischer Schritt gegen den existierenden Rassismus, den Roma im alltäglichen Leben auf dem Balkan besonders erfahren, sein können. Rechtliche Möglichkeiten3 haben sich dazu angeboten. Doch die GRÜNEN haben mit ihrer entscheidenden Stimme (Kretschmann) im Bundesrat, eine solche Politik verneint. Sie setzten auf Abschiebungen. Ein eindeutiges Versagen GRÜNER Politik! Die Folgen sind für die Betroffenen in mehrfacher Hinsicht katastrophal. Bis heute werden Personen, die bereits lange hier leben, Kinder die hier geboren und sozialisiert wurden, in die Schule gehen, junge Menschen die kurz vor einer Ausbildung stehen, jene in Arbeit, Menschen die besondere Unterstützung brauchen und kranke Menschen abgeschoben. Nach ihrer Abschiebung interessiert sich niemand mehr für sie.

Auf der einen Seite kommt dieses Land seiner historisch politischen Verantwortung gegenüber Roma nicht nach. Es gewährt Menschen die offener Diskriminierung ausgesetzt sind kein Bleiberecht. Auf der anderen Seite werden Fachkräfte4 aus den Ländern des West-Balkan angeworben und deren Aufenthalt an die Arbeit gekoppelt. Eine Politik des Nehmens, aber nicht des Gebens und der Solidarität. So holt Gesundheitsminister Jens Spahn „zur Bekämpfung des Pflegenotstands in Deutschland“5 Fachkräfte aus dem Kosovo. Nach der Balkan-Regelung wurden mehrere zehntausend Arbeits-Anträge6 bewilligt. Die Bauindustrie7, Gastronomie und Pflege profitieren von den willigen und billigen Arbeitskräften aus dem West-Balkan.

Eines ist dabei jedoch sicher, Roma, die besonderer Ausgrenzung in den Gesellschaften des Balkans ausgesetzt sind, deren Bildungsniveau in Folge langjähriger struktureller Diskriminierung niedrig ist, sind selbst von der neoliberalen Balkan-Regelung ausgeschlossen.

Im Laufe dieses Jahres wird die Bundesregierung erneut einen Bericht zu den sogenannten „sicheren Herkunftsstaaten“ vorlegen. Es ist zu befürchten, dass dieser Bericht keine objektive und ergebnisoffene Untersuchung der tatsächlichen Situation in diesen Ländern sein wird, sondern eine Rechtfertigung der politisch gewollten Entscheidung, die Länder für „sicher“ zu erklären.

Wir protestieren am 26. Oktober 2019 am ‚Flughafen der Unerwünschten‘ und fordern ein Ende der Abschiebungen in den West-Balkan!

Wir fordern die Anerkennung der fortwährenden Diskriminierung der Roma, Anerkennung ihrer Fluchtgründe, entsprechende Unterstützungsprogramme und ein bedingungsloses Aufenthaltsrecht!

1https://www.dstgb.de/dstgb/Homepage/Aktuelles/Archiv/Archiv%202017/Bilanz%20zu%20sicheren%20Herkunftsl%C3%A4ndern/bericht-herkunftstaaten.pdf

2https://kleineanfragen.de/baden-wuerttemberg/15/7455-umwandlung-der-jugendstrafanstalt-pforzheim-in-eine-abschiebehafteinrichtung

3Aufenthaltsgesetz, Non Refoulement-Gebot, Qualifikationsrichtlinien (Art.9 – Kumulative Verfolgung) wie auch das „Handbuch und Richtlinien über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft“ des UNHCR (Seite 15) „Sozialrechtliche Diskriminierung als Fluchtgrund“ https://www.freiburger-forum.net/wordpress/wp-content/uploads/2014/05/Gutachten_WD_BT_Aufenthaltstatus

4https://www.spiegel.de/politik/deutschland/westbalkan-regelung-deutsche-botschaften-mit-visaanfragen-ueberfordert-a-1257542.html

5https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/pflegenotstand-jens-spahn-wirbt-im-kosovo-um-pflegekraefte-a-1277400.html

6https://www.spiegel.de/politik/deutschland/westbalkan-regelung-deutsche-botschaften-mit-visaanfragen-ueberfordert-a-1257542.html

7https://www.welt.de/politik/deutschland/article180179718/Westbalkan-Regelung-Wird-das-migrationspolitische-Experiment-noch-ausgeweitet.html

Quelle: Stop Deportation

Stand: 11.10.2019

]]>
Gani Rama wurde in Priština zu Tode geprügelt https://antizig.blackblogs.org/2019/09/27/gani-rama-wurde-in-pristina-zu-tode-gepruegelt/ Fri, 27 Sep 2019 12:40:52 +0000 http://antizig.blackblogs.org/?p=1304 Continue reading Gani Rama wurde in Priština zu Tode geprügelt ]]> Gani Rama wurde in Priština zu Tode geprügelt
Am 20.7.2019 wurde Gani Rama, der viele Jahre in Göttingen gelebt hat, schwer misshandelt in einer Straßenunterführung mitten in Priština aufgefunden. In der Notaufnahme verstarb er an seinen Verletzungen, wie eine Zeitung berichtete. Ein Roma-Journalist aus Priština, den das Roma Center kennt, hat sich bei der Polizei erkundigt und erfahren, dass eine Überwachungskamera die Tat und den Täter aufgezeichnet hat. Wir warten ab, ob der Täter ermittelt und strafverfolgt wird. Unserer Erfahrung nach ist das häufig nicht der Fall. Der Journalist hat mit Ganis Mitbewohner gesprochen, der die Leiche identifiziert hat.
Gani Rama floh nach der Bombardierung Serbiens, dem so genannten Kosovokrieg, 1999 nach Deutschland. Hier lernte er seine Frau kennen, die seit 1990 in Deutschland lebte. Das Paar bekam fünf Töchter. Im Januar 2010 wurde Gani Rama zum ersten Mal verhaftet und in den neu gegründeten Staat Kosovo abgeschoben.
Dort erging es ihm sehr schlecht. Er wurde obdachlos und mehrmals verprügelt. Als das Roma Center ihn 2010 und 2012 in Priština besucht hat, erzählte er uns von Drohungen und Prügel durch Kosovoalbaner. Da er so oft angegriffen wurde, erwähnte immer wieder, dass er eines Tages umgebracht werde. Ein Nachbar drohte ihm: “Sehe ich dich nochmal auf der Straße, bringe ich dich um”. Gani ging zwar zur Polizei, bekam dort aber keine Hilfe, sondern nur Drohungen, dass man IHN einsperren werde, wenn er sich nochmal beschwert. Auch in den Asylverfahren nannte er die Drohungen als Grund, jedoch wurde ihm nie geglaubt. (Siehe „Tag 4“.)
Weil er im Kosovo nicht sicher war und zu seiner Familie zurück wollte, kam er nach mehreren Monaten illegal nach Deutschland zurück. Jedoch wurde er verhaftet, konnte aber nicht in Abschiebehaft gebracht werden, da er an lebensbedrohlicher Tuberkulose litt. Er blieb mehrere Monate in stationärer Behandlung, während am 12. April 2011 seine Frau mit ihren Töchtern alleine abgeschoben wurde. Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus wurde auch Gani abgeschoben.
Die Familie lebte unter schlimmen Bedingungen im Kosovo. Ganis Gesundheitszustand blieb schlecht, da seine Behandlung durch die Abschiebung abgebrochen wurde.
Ein weiterer Versuch erfolgte, in Sicherheit zu leben – die Familie kam zurück nach Deutschland. Am 24.5.2017 wurde Gani Rama erneut ins Kosovo abgeschoben. Seitdem hat er ohne seine Familie in Priština gelebt. Dort wurde unser Freund am 20.07 getötet. Unser Beileid gehört seiner Familie.
*
Öfter zeigt sich, dass das Leben von Roma in Kosovo nicht viel Wert ist. Erst vor kurzem wurde ein brutaler Angriff auf eine Roma-Frau gefilmt (hier ein Link zu dem gewalttätigen Video), während diverse Personen tatenlos zusahen.
Mehr zur Familie von Gani hier und hier.

Quelle: Alle bleiben!

Stand: 27.09.2019

]]>
Erfassung der Roma in Italien: „Salvini stößt Türen des Hasses weit auf“ https://antizig.blackblogs.org/2019/07/25/erfassung-der-roma-in-italien-salvini-stoesst-tueren-des-hasses-weit-auf/ Thu, 25 Jul 2019 17:35:53 +0000 http://antizig.blackblogs.org/?p=1294 Continue reading Erfassung der Roma in Italien: „Salvini stößt Türen des Hasses weit auf“ ]]> Italiens starker Mann geht auf die Schwächsten los. Ab jetzt sollen Camps und Lager von Sinti und Roma erfasst werden, damit diese abgeschoben werden können. Die Erfassung von Ethnien in Datenbanken hat eine menschenverachtende Tradition – auch in Deutschland.

Der rechtsradikale italienische Innenminister Salvini lässt „Lager“ der Minderheit der Sinti und Roma ab jetzt erfassen. Sein Ministerium hat die italienischen Präfekten aufgefordert, innerhalb von zwei Wochen Berichte über Roma, Sinti und andere „fahrende Leute“ vorzulegen. Die Maßnahme gilt als Vorbereitung für großangelegte Abschiebungen. Salvini, der den Plan schon 2018 angekündigt hatte, sorgt damit nicht nur bei Menschenrechtlern für Empörung.

„Mit seinen erneuten Drohungen gegen Sinti und Roma stößt Salvini die Türen des Hasses in Italien weit auf und setzt erneut die Schwächsten der Schwachen in Europa dem Hass der Straße aus, den er selber bei seinen Anhängern immer wieder hervorkitzelt. Alle diese Strategien des Hasses sind Europas unwürdig“, sagte der Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, Christoph Heubner.

Erfassung als erster Schritt weiterer Diskriminierungen

Die Erfassung von Minderheiten hat eine lange und menschenverachtende Geschichte, gilt sie doch als erster Schritt für weitere Diskriminierungen, Maßnahmen und in manchen Fällen sogar Vernichtung. In Deutschland gipfelte die Erfassung im Porajmos, dem Genozid an Sinti und Roma.

Die deutsche Polizei hat über 250 Jahre hinweg eine zentrale Rolle bei der Erfassung und Verfolgung von Sinti und Roma gespielt, heißt es beim Zentralrat Deutscher Sinti und Roma. Laut einer Studie von Markus End über „Antiziganistische Ermittlungsansätze in Polizei- und Sicherheitsbehörden“ sind erste Polizeikategorien für „Zigeuner“ seit dem frühen 18. Jahrhundert belegt. „Spätestens ab 1899 wurde das Konzept der ‚Zigeunerkriminalität‘ auch institutionell angewendet, bis in die frühen 2000er liegen Nachweise dafür vor, dass es weiterhin zur Anwendung kam“, schreibt End.

Polizeiliche Erfassung von Sinti und Roma wird auch in Deutschland praktiziert

In München wurde ab 1899 eine Personenkartei erstellt. Die Vorläuferorganisation von Interpol eröffnete 1936 in Wien eine „internationale Zigeunerzentrale“, deren Daten später in Hände der SS und des Reichskriminalpolizeiamtes gerieten. Die Nationalsozialisten errichteten dann 1938 eine „Reichszentrale zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens“, welche maßgeblich an den Deportationen der Sinti und Roma in die Konzentrations- und Vernichtungslager beteiligt war.

Auch nach der Niederlage des Dritten Reiches wurde die antiziganistisch ausgerichtete Praxis der Polizei fortgeführt. 1953 wurde bei der Münchener Polizei nun die „Landfahrerzentrale“ eingerichtet und Dateien weitergeführt. Leitfäden für Polizeibeamte des Bundeskriminalamtes wurden bis in die Siebziger Jahre hinein mit rassistischen Stigmata publiziert.

Demonstration von Sinti und Roma am 28. Januar 1983 anlässlich des 50. Jahrestags der Machtergreifung vor dem Bundeskriminalamt. Gemeinfrei Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma

Die im Nationalsozialismus erfolgte Totalerfassung der Sinti und Roma in „Landfahrerkarteien“ und die Kategorisierung als „Landfahrer“ wurde in der polizeilichen Praxis in vermeintlich nicht rassistische „personengebundene Hinweise“ wie „häufig wechselnder Aufenthaltsort“ überführt. In Kriminalitätsstatistiken ist bis in die 2000er-Jahre hinein von „mobilen ethnischen Minderheiten“ oder „mobilen Tätergruppen“ die Rede.

Polizeiliche Kategorie „Häufig wechselnder Aufenthaltsort“

„Personengebundene Hinweise“ (PHW) in Datenbanken dienen offiziell dem Schutz der einschreitenden Polizeikräfte im Arbeitsalltag. Sie erscheinen im Zuge jeder personenbezogenen Datenabfrage im bundesländerübergreifenden Informationssystem der Polizeien (INPOL) oder in den entsprechenden Datenbanken der Länderpolizeien als „Warnhinweis“ für die Einsatzkräfte. Jede Polizistin und jeder Polizist darf die gespeicherten Daten einsehen.

„Die Polizei Baden-Württemberg nutzt die Merkmale „Land- und Stadtstreicher“ und „wechselt häufig Aufenthaltsort“, was als polizeiliches Synonym für Roma und Sinti gilt“, schreibt Christian Schröder in einem Gastbeitrag von 2015 bei netzpolitik.org. Im Jahr 2016 musste der sächsische Innenminister Ulbig in der Antwort auf eine kleine Anfrage (PDF) angeben, dass die sächsische Polizeidatenbank PASS 2.254 Personen mit dem PHW „wechselt häufig Aufenthaltsort“ erfasst hat, in Baden-Württemberg waren im Jahr 2015 mehr als 12.000 Menschen in dieser Kategorie gespeichert.

Bundesregierung gegen ethnische Erfassung

In der Antwort auf eine kleine Anfrage zum Thema aus dem Jahr 2017 (PDF) lehnt die Bundesregierung eine behördliche Erfassung von Personen unter ethnischen Kategorien ab: „Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges werden in der Bundesrepublik Deutschland aus historischen Gründen keine bevölkerungsstatistischen und sozioökonomischen Daten auf ethnischer Basis erhoben. Auch bestehen rechtliche Bedenken hinsichtlich der Erfassung ethnischer Daten.“

Das hinderte das Bundesland Bayern nicht daran, die „Erweiterte DNA-Analyse“ im Rahmen des neuen Polizeigesetzes einzuführen. Die erweiterte Analyse gilt als Einfallstor für eine polizeiliche Erfassung der „biografischen Herkunft“.

Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma kritisierte damals: „Die Debatte um die Zulassung erweiterter DNA-Analysen knüpft unmittelbar an rassistische Diskurse an, durch die spätestens seit dem 11. September 2001 nicht-mehrheitsdeutsche Personen allein aufgrund ihrer tatsächlichen oder zugeschriebenen Herkunft kriminalisiert und weitere stigmatisiert werden.“

Quelle: netzpolitik.org

Stand: 25.07.2019

]]>
JOBBIKs Erben https://antizig.blackblogs.org/2019/06/10/jobbiks-erben/ Mon, 10 Jun 2019 23:40:37 +0000 http://antizig.blackblogs.org/?p=1135 Continue reading JOBBIKs Erben ]]> Mit altbewährtem Antiziganismus und Martialität drängt die neue Partei Mi hazánk (dt. Unsere Heimat) in die ungarische Öffentlichkeit…

Von Benjamin Horvath

Angestachelt von einem Video, in dem ein Rom in einem Geschäft unangekündigt Leute angriff, hielt Mi hazánk eine Kundgebung im ost-ungarischen Törökszentmiklos ab und warnte vor nicht weniger als dem „Zigeuner-Terror“ vor Ort. Für solche Menschen werde Parteichef Lászlo Toroczkai die Todesstrafe wieder einführen. Zumindest aber soll nach belgischem Vorbild ein Abkommen zur Anmietung von Gefängnissen im Ausland eingeführt werden, jedoch nicht mit den Niederlanden – wie im Falle Belgiens – sondern mit Russland. Straftäter aus Ungarn würden dann nach Sibirien geschickt und Gefängniskosten niedrig gehalten werden.

Als deren neueste Abspaltung, tritt Mi hazánk in die Fußstapfen der Partei JOBBIK, die einst als faschistisch zu bezeichnen war. Unter deren ehemaligem Parteichef Gábor Vona wurde die paramilitärische Ungarische Garde und ihre diversen Nachfolgeorganisationen gegründet. Mit Unterstützung der Garde hielt JOBBIK Aufmärsche in von Roma bewohnten Gebieten ab, um gegen die von ihnen so genannte „Zigeuner-Kriminalität“ vorzugehen. Einem Konzept, welches den Roma den Großteil der in Ungarn begangenen Verbrechen zuspricht, aufgrund einer vermeintlich genetischen oder kulturellen Veranlagung zur Kriminalität. Zehn Jahre nach der Mordserie an Roma in Ungarn und der jede Aufmerksamkeit auf sich ziehenden Hetze gegen Geflüchtete besinnt sich die ungarische Rechte wieder auf klassische Betätigungsfelder wie den Antiziganismus. Die auf wenig Zuspruch stoßende Idee der Roma-Partei Opre von einer autonomen Roma Provinz, bestehend aus vier ungarischen Komitaten, stilisiert Toroczkai zum neuen Trianon hoch und zeigte die Partei vor dem Obersten Gericht an. Mit dem Vertrag von Trianon verlor Ungarn nach dem Ersten Weltkrieg Zwei-drittel seines Territoriums.

Mi hazánk gründete sich nach einem Richtungsstreit innerhalb der JOBBIK. Im Vorfeld der ungarischen Parlamentswahl 2018 änderte Vona den Parteikurs und bemühte sich JOBBIK als konservative Alternative zur FIDESZ darzustellen. Im Bestreben eine Volkspartei zu werden, wurden offen rassistische Rhetorik und militantes Auftreten von oben herab unterbunden. Damit zog Vona den Unmut vieler Anhänger auf sich und geriet sogar in Konflikt mit Mitgliedern der Ungarischen Garde. Nachdem Vona die Partei nicht zum Wahlsieg führen konnte, legte er wie angekündigt alle Ämter und Mandate nieder und verließ die Partei. Im sich daraufhin entfachenden Machtkampf um seine Nachfolge setzte sich der moderate Flügel um Tamás Sneider knapp gegen Toroczkai durch. In Konsequenz gründeten Toroczkai und radikale Gleichgesinnte die neue Partei Mi hazánk, die über ehemalige JOBBIK-Mandate aktuell auch im Parlament vertreten ist. 

Toroczkai ist kein Unbekannter in der ungarischen Rechten. 2001 war er Mitbegründer und Vorsitzender der 64 Burgkomitate Jugendbewegung, einer revanchistischen Organisation, die Anspruch auf Gebiete außerhalb des heutigen ungarischen Staatsgebietes erhebt. Landesweit bekannt wurde die Gruppe während rechter Krawalle in Budapest 2006, in dessen Zuge das Gebäude des öffentlichen Rundfunks angegriffen wurde. Auch im umliegenden Ausland ist die Gruppe aktiv: Toroczkai selbst hatte für dortige Vergehen bereits Einreiseverbote für Serbien und die Slowakei. Zwei ihrer Mitglieder wurden 2017 wegen Planung eines Sprengstoffanschlags in Rumänien verurteilt. Seit 2013 ist Toroczkai Bürgermeister von Ásotthalom, einem Ort an der Grenze zu Serbien. Anfang 2015 schlug er den Bau eines Zauns an der ungarischen Südgrenze vor, der von der Regierung unter Ministerpräsident Viktor Orbán im selben Jahr verwirklicht wurde. Den Grenzschutz unterstützt Toroczkai durch rechte Bürgerwehren, die wegen massiver Gewaltanwendung gegen Geflüchtete bereits aufgefallen sind.

In diesem Geiste wurde zuletzt in einer offiziellen Pressekonferenz die Gründung einer paramilitärischen Gruppierung angekündigt. Die Nemzeti Légió (dt. Nationale Legion)  werde auf keinen Fall die Nachfolgeorganisation der verbotenen Ungarischen Garde, werde aber ihren Geist weiter tragen und aus deren Fehlern lernen. Zu ihren Aufgaben  sollen der mehrfach betonte Schutz der Heimat, die Wahrung der Traditionen und die Vermittlung militärischer Grundkenntnisse gehören. Zu jenen Traditionen zählt das Zurückblicken „auf Zeiten in denen der Wille zur Organisation der Verteidigung der Heimat im Ungarntum und der Regierung noch vorhanden war.“ Daneben soll sie sich auch noch um den Katastrophenschutz und die Überwachung rechtswidriger Zwangsräumungen kümmern.

Die Gründung der Nationalen Legion fand am 1. Juni in der Stadt Szeged statt, in Anlehnung an die Gründung der ungarischen Armee vor 100 Jahren, wenn auch die Vereidigung durch den Hitler-Verbündeten Miklós Horthy erst am 6. Juni stattfand. Damit wird jener ungarischen Armee gehuldigt unter deren Mithilfe 1919 die ungarische Räterepublik zerschlagen und viele ihrer Protagonisten ermordet, mit dem Segen Nazi-Deutschlands verlorene Gebiete besetzt und an der Seite der Wehrmacht die Sowjetunion angegriffen wurde. Der als Anführer auserkorene László Födelmesi, wetterte bei seiner Antrittsrede gegen die kommunistische Ideologie, Homosexualität, ein aufgeweichtes Männlichkeitsbild und ein aus den Fugen geratenes Geschlechtersystem. Födelmesi war zuvor acht Jahre lang Söldner in der französischen Fremdenlegion war. Darüber hinaus gehören ehemalige Mitglieder der Ungarischen Garde zur zehnköpfigen Gründungsgruppe. Strukturell soll die Legion auch als Dachorganisation verschiedener radikaler und paramilitärischer rechter Gruppen wie bspw. der Betyársereg (Banditenarmee) dienen, die bisher der Partei der ungarischen Identitären Erő és Elszántság (dt. Kraft und Entschlossenheit) nahe stand.

Wie JOBBIK in der Vergangenheit, könnte Mi hazánk bei steigenden Wahlergebnissen der neue Ideengeber der FIDESZ-Regierung werden. Die Militarisierung der ungarischen Gesellschaft und im speziellen der Jugend könnte den Plänen der ungarischen Regierung entgegenkommen. Orbán plant bereits den Etat der ungarischen Armee für 2024 zu verdoppeln, um diese von Kopf bis Fuß umzubauen.

 

Quelle: Hagalil

Stand: 11.06.2019

]]>
Und immer sollen die Roma schuld sein https://antizig.blackblogs.org/2019/05/15/und-immer-sollen-die-roma-schuld-sein/ Wed, 15 May 2019 21:00:29 +0000 http://antizig.blackblogs.org/?p=1132 Continue reading Und immer sollen die Roma schuld sein ]]> Roma werden in Bulgarien überall diskriminiert, immer wieder entlädt sich der Hass auf die Minderheit in Gewalt. Vor der Europawahl nutzen rechte Parteien die Stimmung.

Als die ersten Steine über den Wohnzimmerboden rollten, verbarrikadierte sich die Familie Hristow im Badezimmer. Es ist der Raum des Hauses, in dem keine Fenster sind, die zertrümmert werden können. Drei Generationen kauerten ängstlich am Boden und lauschten den Rufen der fast 2.000 Menschen vor ihrer Tür. Sie hatten eine eindeutige Botschaft mitgebracht: „Kommt raus, wir machen Seife aus euch.“ So erzählt es die Familie später.

Eigentlich ist Gabrowo, gelegen im gebirgigen Norden Bulgariens, als Zentrum des Humors und der Komödie bekannt. Die Stadt gilt als wohlhabend, gepflegt und perfekt für Familien. Nicht in dieser Nacht. Die fanatische Menschenmenge zog schließlich weiter, suchte anderswo nach Mitgliedern der verhassten ethnischen Minderheit. Die Familie Hristow lief durch das Haus, über den erdigen Vorhof, hin zum Minivan, mit dem sie aus ihrer Heimatstadt flohen. Für Roma wie sie, so teilte ihnen die Polizei mit, sei Gabrowo nicht mehr sicher.

Seit seiner Geburt nennt Familienoberhaupt Wassil Hristow die kleine Stadt Heimat. Vor dem Gesetz sind er, seine Kinder und Enkelkinder den Menschen gleichgestellt, die ihnen in dieser kalten Aprilnacht mit dem Tod drohten. Im Alltag werden Roma allerdings auf fast allen Ebenen diskriminiert – von separaten Behandlungsräumen in Krankenhäusern bis zu getrenntem Unterricht in den Schulen. Für viele ethnische Bulgaren ist die Volksgruppe ein Feindbild. Die Minderheit wird für nahezu alle sozialen und wirtschaftlichen Übel eines Landes verantwortlich gemacht, das als ewiges Schlusslicht der EU gilt. Es herrscht eine kollektive Verachtung, die sich immer wieder entlädt. In Extremfällen, wie jüngst in Gabrowo, bedeutet diese Entladung pogromartige Aufstände. In der kleinen Stadt wurden nicht nur Familien bedroht und Nachbarn aus der Stadt gejagt, auch manche Häuser wurden niedergebrannt.

„Gabrowo muss von den Roma gesäubert werden“

Der Auslöser war eine Prügelei. Drei angetrunkene junge Roma hatten in einem 24 Stunden geöffneten Supermarkt im Zentrum der Stadt einen Streit begonnen. Es kam zu einem Handgemenge mit einem Angestellten. Nichts, was man sich in seiner Nachbarschaft wünscht, aber auch kein vorsätzliches Handeln einer kriminellen Bande. Und doch verbreiteten sich die Bilder der Überwachungskamera rasant im ganzen Land. Selbst die Politik nutzte den Vorfall, um die Minderheit öffentlich zu diffamieren. Auf einer Pressekonferenz sprach der stellvertretende Premierminister Krassimir Karakatschanow von „immer unverschämteren Zigeunern“. Swetlana Dontschewa schrieb auf Facebook: „Gabrowo muss von den Roma gesäubert werden.“ Dontschewa ist die Frau eines weiteren stellvertretenden Premierministers, der EU-Projekte zur Integration der Roma verantwortet.

So wie in Mitteleuropa gegen Flüchtlinge und Muslime gewettert wird, werden in Bulgarien die Roma systematisch diskriminiert und zum Stimmenfang genutzt. „Immer, wenn Wahlen bevorstehen – und ganz besonders, wenn die Umfrageergebnisse der rechten und konservativen Parteien niedrig sind oder sinken – kommt ein ‚Konflikt‘ aufgrund eines Zwischenfalls auf“, sagt der Soziologe Alexej Pamporow. „Und von diesem ‚befreien‘ uns dann die Anführer der rechten Parteien.“ Pamporow ist außerordentlicher Professor der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften und beobachtet seit vielen Jahren, wie die politische Kommunikation und die Medien des Landes mit Stereotypen gegen Roma arbeiten. Der Rechtsruck in Europa ging auch an Bulgarien nicht vorbei und verschlimmerte die Situation der Roma. Die konservative Partei GERB, die bis auf eine kurze Unterbrechung seit 2009 den Ministerpräsidenten stellt, koaliert seit 2017 mit einer Allianz rechtsradikaler Parteien. 2019 ist ein wichtiges Wahljahr in Bulgarien. Neben den EU-Wahlen im Mai stehen im Herbst auch Kommunalwahlen an.

Eine Konstellation, die Menschen wie Daniela Mihajlowa große Sorgen bereitet. Das Büro der Anwältin liegt im zweiten Stock eines Altbauhauses in Sofia. Mihajlowa nimmt an einem Holztisch Platz und erzählt von ihrer Arbeit. Bald senkt sie ihren Kopf. „Die Situation für Roma in Bulgarien wird immer schlimmer“, sagt sie. „Weil es der einfachste Weg für Politiker ist, den durchschnittlichen Bulgaren zu erreichen.“ Das Jahr 2019 war erst wenige Tage alt, da gab es bereits die ersten Proteste gegen Roma. Im Dorf Woiwodinowo, nahe der aktuellen europäischen Kulturhauptstadt Plowdiw. Zwei Roma hatten einen bulgarischen Soldaten angegriffen. Kollektiv zog man sämtliche Roma im Dorf zur Verantwortung. Dutzende mussten fliehen.

„Vor 1989 schätzten die Bulgaren die Fürsorge des Staates – es gab Arbeit, Bildung und Urlaub“, sagt Mihajlowa. Als der eiserne Vorhang fiel, stand sie gerade vor dem Beginn ihres Studiums. „Meine Klassenkameraden und ich waren damals großer Hoffnung, dass wir eine Gesellschaft werden, in der Menschen dieselben Möglichkeiten haben“, sagt sie. Doch die Demokratie stellte dem Land und seiner Bevölkerung viele Hürden. Staatliche Betriebe wurden privatisiert, Arbeitsplätze eingespart, die Wirtschaft kam nicht in Gang. Die Schuldigen waren schnell gefunden. „Roma waren die einfachste Zielscheibe“, sagt Mihajlowa.

„Sie werden die Stadt verlassen müssen“

Gabrowo war eine der wenigen Ausnahmen. Die Stadt mit ihren 60.000 Einwohnerinnen und Einwohnern war ein Paradebeispiel für ein gelungenes Miteinander. Auch dank Dejan Kolew und seiner Bildungsorganisation Amalipe. „Auf Romanes bedeutet Amalipe Freundschaft“, erklärt er. Die Sonne scheint ihm ins Gesicht, er sitzt im Garten eines exklusiven, abgeschiedenen Hotels 50 Kilometer nördlich von Gabrowo. Kolew ist hier zu einer Bildungskonferenz mit Vertretern der Politik geladen. Mit fast 280 Schulen in ganz Bulgarien kooperiert seine Organisation, um Kindern aus Romafamilien eine Ausbildung zu garantieren. Kolew war ursprünglich Lehrer, doch in seinem ersten Berufsjahr hatte er ein Schlüsselerlebnis, wie er sagt. Auf einer Feier wurde ein Erstklässler eines Freundes gefragt, ob ihm ein Mädchen besonders gefalle. Der Junge nannte das einzige Romamädchen seiner Klasse. Da sei Kolew klar geworden: „All die Vorurteile gegenüber Roma existieren bei Kindern noch nicht.“ Seither bemüht sich die Organisation, Kindern aus Romafamilien bei der Einschulung zu helfen und in der Schule zu halten.

In Gabrowo ist dafür das Team von Iwan Todorow zuständig. Früher, sagt Todorow, habe es in Gabrowo Klassen gegeben, in denen ausschließlich Roma saßen. Heute gehörten nie mehr als zwei oder drei Schüler pro Klasse der Minderheit an. Das fördere die Integration, festige die Bulgarischkenntnisse und lasse gar nicht erst zu, dass bulgarische Kinder Vorurteile entwickelten. Doch dann kam es zur Prügelei im 24-Stunden-Supermarkt und den Aufständen. Die Romakinder kamen von heute auf morgen nicht mehr zur Schule, weil sie sich nicht mehr aus dem Haus trauten. „Unsere Arbeit in der Stadt war ein Schritt nach vorn, aber mit diesem Vorfall haben wir zehn Schritte zurück gemacht“, sagt Todorow. Vor allem die Kinder seien traumatisiert von den schreienden Menschenmassen, den Steinen, die die Fenster zertrümmerten, und den Geschichten von den Häusern anderer Roma, die nicht nur beschädigt, sondern angezündet wurden.

Häuser wie das von Krassimir Mitew. Auch er hatte vor dem Mob die Flucht ergriffen. Als der kleine, hagere Mann mit dem Schnurrbart wenige Tage später zu seinem Haus zurückkehrte, standen nur noch das Mauerwerk und ein kleiner Teil des Daches. Jetzt schreitet er bedächtig durch die zwei Zimmer, die völlig ausgebrannt sind. Als habe er Angst, seine verkohlten Habseligkeiten zu beschädigen. Dort stand sein Bett mit der Federkernmatratze, zeigt er, hier drüben der Stuhl mit dem Esstisch. Das Haus habe er erst vor fünf Jahren gebaut, mit seinen eigenen Händen. Er werde es wohl wiederaufbauen, gibt er zu verstehen. Wenn es aber nach der Stadtregierung geht, dürfte er das nicht. Denn für Mitews Haus liegt keine offizielle Baugenehmigung vor. Keine Seltenheit in Bulgarien, wo nach 1989 viele Häuser auf öffentlichem Grund und ohne Genehmigung errichtet wurden. Im ganzen Land werden Bauten dieser Art eigentlich toleriert. In Gabrowo stehen sie nun vor dem Abbruch. Allerdings nur jene, in denen Roma leben.

„Warum wollen sie, dass wir gehen?“

Statt über abgebrannte Häuser und die Urheber der Brandanschläge zu sprechen, lenkt sich der öffentliche Diskurs einmal mehr auf das Fehlverhalten der Roma. Auch Innenminister Mladen Marinow von der Regierungspartei GERB ist nach Gabrowo gekommen. Das Gespräch mit betroffenen Vertretern der ethnischen Minderheit sucht er nicht. Dafür mit dem neuen Polizeidirektor, dessen Vorgänger freiwillig zurücktrat. Zumindest offiziell. „Ich hätte mir von dem alten Polizeidirektor bessere Kommunikation erwartet“, sagt Marinow im Foyer des Rathauses, während sich dessen Nachfolger Borislaw Mourow draußen am Wasraschdana-Platz den Fragen einiger Bürger stellt. „Die jüngsten Probleme sind gelöst. Wir planen nun spezielle Polizeieinsätze“, sagt Mourow. „Es gibt Menschen, die nicht in Gabrowo gemeldet sind. Sie werden die Stadt verlassen müssen.“ Die Überprüfungen der Meldeadressen verdeutlichen, wie die Politik auf die „jüngsten Probleme“ reagiert: Möglichst viele der noch verbliebenen Roma von Gabrowo sollen aus dem Stadtbild verschwinden.

Vater Wassil und seine Familie wohnen in einem Haus, das sie von der Gemeinde mieten. Sie sind in Gabrowo gemeldet und können nicht weggeschickt werden. Dennoch fährt an diesem Vormittag die Stadtregierung vor. Mit einem Bagger. Weil der Platz knapp ist für die zehnköpfige Familie, hatte sie zwischen ihrem Haus und der Garage einen hölzernen Verschlag gebaut, in dem Vorräte und Kleidung lagerten. Und der gilt ab sofort als illegal. Wassil Hristow kann nur machtlos zusehen, als der Bagger die Holzkonstruktion niederreißt. Seine Frau und seine Schwester versuchen, letzte Gegenstände zu retten. Einen Besen mit Schaufel und einen Suppentopf aus Porzellan ziehen sie klagend aus dem Schutt. Wassils Schwester ist besonders aufgebracht. „Ich habe meine Stimme Borissow (der Ministerpräsident Bulgariens, Bojko Borissow, Anm. d. Red.) gegeben“, sagt sie. „Und das tut er uns jetzt an.“

Im Inneren ihres Hauses ist die Welt noch in Ordnung. Die Decke ist weiß gestrichen, die Wände sind violett, die Fensterrahmen grün. Die Packung Seife hat neben der Mikrowelle ihren Platz, die braune Kunstfelldecke wirft keine einzige Falte, so stramm ist sie über die Couch gespannt. In der peniblen Ordnung stechen unförmige Holzbretter hervor, die provisorisch in die Fensterrahmen geschlagen sind. Dahinter liegt eines der Fenster, durch das vor wenigen Tagen Steine flogen. Niemand von der Familie wurde verletzt, die kaputten Scheiben sind die einzigen Schäden einer kalten Aprilnacht, die Wassil Hristow noch immer ratlos macht. „Eigentlich hatten wir nie Probleme mit den Bulgaren“, sagt er. „Warum wollen sie, dass wir gehen?“

Quelle: Zeit Online

Stand: 15.05.2019

]]>
Regierung reagiert auf Protest gegen Roma-Schlägerei in Gabrowo https://antizig.blackblogs.org/2019/05/08/regierung-reagiert-auf-protest-gegen-roma-schlaegerei-in-gabrowo/ Wed, 08 May 2019 18:07:21 +0000 http://antizig.blackblogs.org/?p=1127 Continue reading Regierung reagiert auf Protest gegen Roma-Schlägerei in Gabrowo ]]>

In den Abendstunden des 10. April versammelten sich spontan einige Hundert Bürger der mittelbulgarischen Stadt Gabrowo, um ihren Unmut im Zusammenhang mit einem Überfall von drei Roma auf einen Verkäufer in einem Geschäft, der zusammengeschlagen wurde, zum Ausdruck zu bringen. Der Fall rief ein Sondertreffen von Vizepremierminister zu Sicherheitsfragen Krassimir Karakatschanow im Innenministerium hervor. Karakatschanow dankte für das schnelle Eingreifen der Polizei, die verhindert hat, dass die Bürger Selbstjustiz ausüben. Es stellte sich heraus, dass die Täter vorbestraft sind. „Die Lage in Gabrowo ist unter Kontrolle und es sind keine Provokationen zu erwarten“, versicherte Karakatschanow nach dem Treffen. Mit dem Fall befasst sich die Staatsanwaltschaft.

Quelle: Radio Bulgaria

Stand: 08.05.2019

]]>