Sehr geehrtes Präsidium der Universität Göttingen,
vielleicht haben Sie die Schlagzeile schon gelesen:
Anfragen auf Grund von erlebter oder beobachteter Diskriminierung an die
Antidiskriminierungsstelle des Bundes sind um 78% gestiegen (im Vergleich von 2019 zu 2020).
Passend zu dieser Meldung kam bei uns die Neuigkeit an, dass Sie die an der Uni für solche Vorfälle vorgesehene Antidiskriminierungsstelle für Studierende zum 15. August komplett einstellen.
Für uns eine schwer nachvollziehbare Entscheidung, denn: Universitäten sind nicht frei von Diskriminierung und es braucht beständige Stellen und Projekte, die diese sichtbar machen und Betroffene unterstützen!
Nur um einmal das Ausmaß von Diskriminierung an deutschen Hochschulen zu skizzieren:
Eine Studie der CAU Kiel wies 2012 nach, dass 15,3% der Studierenden Diskriminierungserfahrungen im Hochschulkontext gemacht haben. Eine deutschlandweite Studie zu sexualisierter Belästigung ergab, dass 54,7% der Studentinnen dieser ausgesetzt waren. Und gerade Ihnen als Vorsitzenden der Uni Göttingen sollte bewusst sein, in welchem Maße Diskriminierung in universitären Räumen stattfindet: 2019 liefen zeitgleich zwei Disziplinarverfahren gegen Göttinger Dozenten, die Mitarbeiterinnen und Studentinnen zum Teil massiv sexuell belästigt haben; transfeindliche und
rechtsextreme Schmierereien auf dem Campus werden immer regelmäßiger gefunden; Dozent*innen weigern sich, rassistische Fremdzuschreibungen in ihren Veranstaltungen auf mehrmaliges Bitten von Studierenden zu unterlassen.
Eine fakultätsübergreifende Antidiskriminierungsstelle kann zwar kein Wundermittel gegen solche Vorkommnisse sein, aber sie kann wichtige Bausteine im Kampf gegen Diskriminierung an Hochschulen liefern.
Vier dieser, für Studierende unverzichtbarer, Bausteine wollen wir hier einmal benennen:
Aus diesen Gründen ist es wichtig, dass die Antidiskriminierungsberatung bestehen bleibt. Es wäre ein fatales Signal, wenn die Universität angesichts der steigenden Zahlen an Beleidigungen,
Diskriminierung und Übergriffen nun diese Stelle schließt. Die Antidiskriminierungsberatung hat auch überregionale Bedeutung: Sie wird wiederholt von anderen Unis bundesweit als Positiv Beispiel genannt, als Pilotprojekt, aus dem auch weitere Kooperationen entstanden sind.
Insbesondere vor dem Hintergrund, dass unsere Universität in allen Strategiepapieren immer ihre Diversität hervorhebt und diese fördern will, müssen auch entsprechende Stellen gefördert werden und nicht abgebaut.
Wir erwarten eine öffentliche Stellungnahme des Präsidiums zu dieser aus unserer Sicht völlig unzumutbaren Streichung, diese können Sie gerne stellvertretend für uns alle an [email protected] senden.
Vereint für den Erhalt der Antidiskriminierungsberatung!
Quellen:
Unbekannte sprühen rechte Parolen an der Uni | Göttingen (hna.de)
Antidiskriminierungsstelle – Diskriminierung an Hochschulen – Bausteine für einen systematischen Diskriminierungsschutz an Hochschulen
Anfragen wegen Diskriminierung: Alle Leitungen belegt – taz.de
Sexuelle Belästigungen: Zwei Göttinger Professoren sollen ihre Posten verlieren | Göttingen (hna.de)