biosozialen reproduktion – Antipolitisch-Sozialrevolutionäre Tendenz https://astendenz.blackblogs.org Es lebe die Möglichkeit der klassen- und staatenlosen Weltgemeinschaft! Thu, 10 Apr 2025 22:17:01 +0000 de-CH hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 Die IG Metall bei VW https://astendenz.blackblogs.org/2025/03/15/die-ig-metall-bei-vw/ Sat, 15 Mar 2025 22:24:30 +0000 https://astendenz.blackblogs.org/?p=321 Dieses Flugblatt wurde am 15. März 2025 bei dem Aktionstag der IG Metall in Hannover verteilt.

Die kapitalistische Ausbeutung der Lohnarbeit

Unsere Ausbeutung besteht darin, dass wir Lohnabhängigen mehr Geld produzieren, als wir als Lohn ausgezahlt bekommen. Unsere Arbeitszeit ist durch eine unsichtbare Grenze geteilt. In der selbstreproduktiven Arbeitszeit produzieren wir eine neue Geldsumme – neben der Übertragung der Produktionsmittelkosten auf das neu entstehende Produkt –, die unserem Lohn entspricht. In der Mehrarbeitszeit produzieren wir den Mehrwert, den sich die kapitalistischen Unternehmen aneignen. Arbeit findet im Kapitalismus in der Regel nur dann statt, wenn aus ihr genug Profit herausgepresst werden kann.

Die IG Metall – Co-Managerin der kapitalistischen Ausbeutung

Gewerkschaften können grundsätzlich nur die kapitalistische Ausbeutung der Lohnarbeit – durch Erkämpfung höherer Löhne, kürzerer Arbeitszeiten und geringerer Arbeitsintensität – abmildern, aber eben nicht überwinden. Sie führen einen Klassenkampf innerhalb des Kapitalismus. Gewerkschaften können und wollen keinen revolutionären Kampf gegen den Kapitalismus führen. In nichtrevolutionären Zeiten strebt nur eine kleine Minderheit der Lohnabhängigen bewusst eine soziale Revolution an.

Doch die meisten Gewerkschaften führen auch nur einen inkonsequenten Kampf um höhere Löhne und kürzere Arbeitszeiten. Wie wir an der IG Metall sehr gut sehen können, ist es eine Haupttendenz der bürgerlich-bürokratischen Gewerkschaftsapparate sich vollständig in die kapitalistischen Unternehmen und in den kapitalistischen Staat zu integrieren. Der Apparat der IG-Metall ist über das staatliche Streikrecht, das Tarifvertragssystem, das Sitzen von Gewerkschaftsbonzen in den Aufsichtsräten und Betriebsräte Co-Manager der kapitalistischen Metall- und Elektroindustrie. Hauptamtlichen GewerkschaftsfunktionärInnen und Betriebsräte gehören eindeutig nicht zur Klasse der Lohnabhängigen. Sie stellen eine Art Co-ManagerInnen der kapitalistischen Ausbeutung der Lohnarbeit dar.

Durch das Tarifvertragssystem verwalten die bürgerlich-bürokratischen Gewerkschaftsapparate, unter anderem die IG Metall, die kapitalistische Ausbeutung von uns Lohnabhängigen mit. Durch Tarifverträge zwischen dem „Arbeitgeber“-Verband Gesamtmetall (Flächentarif) beziehungsweise kapitalistischen Einzelunternehmen (Haustarife) auf der einen Seite und der IG Metall auf der anderen werden die Lohnhöhe und die Arbeitszeit mitbestimmt. Die oben beschriebene kapitalistische Ausbeutung der Lohnarbeit kann durch das Tarifvertragssystem nicht aufgehoben, sondern nur abgemildert werden.

Durch das Tarifvertragssystem wird der Klassenkampf zwischen Kapital und Lohnarbeit verrechtlicht und entschärft. Daran ist besonders der Staat als ideeller Gesamtkapitalist und politischer Gewaltapparat der kapitalistischen Ausbeutung interessiert. So schafft er die gesetzliche Grundlage für die Tarifautonomie von kapitalistischen Unternehmen und Gewerkschaften. Arbeitsniederlegungen sind in der BRD grundsätzlich nur dann legal, wenn erstens die Streikziele in einem Tarifvertrag münden können und zweitens, wenn sie von einer Gewerkschaft organisiert werden. Wilde Streiks ohne und gegen den Willen von zentralen Gewerkschaftsapparaten sind nicht legal.

Auf dieser gesetzlichen Grundlage wird die IG Metall zur Co-Managerin der kapitalistischen Ausbeutung in der Metall- und Elektroindustrie. Sie übt praktisch in dieser das Streikmonopol aus. Die IG Metall ist ein wichtiger Ordnungsfaktor. Sie schloss in ihrer Geschichte nicht wenige klassenkämpferische KollegInnen aus. Während Arbeitsniederlegungen passt der Apparat der Gewerkschaft scharf darauf auf, dass sich die KollegInnen auch ja brav an das bürgerliche Gesetzbuch halten. Außerdem zahlt die IG Metall während der von ihr organisierten Ausständen an ihre Mitglieder – und nur an diese! – Streikgeld. Der IG-Metall-Apparat ist also ein wichtiger Ordnungsfaktor, der sehr verantwortungsbewusst gegenüber Kapital und Staat hin und wieder seine klassenkämpferische Basis mobilisiert – und nach Tarifvertragsabschluss auch wieder demobilisiert.

Während der Laufzeiten von Tarifverträgen ist die IG Metall an die Friedenspflicht gebunden. In der sie nicht zu Streiks aufrufen darf. Das ist für die einzelnen Metall- und Elektrounternehmen ein wichtiger Grund, sich auf das Co-Management mit der IG Metall einzulassen. Der Klassenkampf ist dann berechenbar und weitgehend unter der Kontrolle der wirtschafts- und staatstragenden IG Metall. Allerdings müssen die Unternehmen dafür auch einen materiellen Preis zahlen. Die Löhne sind in tarifvertragsgebundenen Unternehmen höher als in Firmen ohne Tarifvertrag. Allerdings können Einzelunternehmen, die die Gewerkschaft an Bord lassen, sich in Krisensituationen auf das große Entgegenkommen der IG-Metall-Bonzen verlassen. Siehe VW und weiter unten in diesem Flugblatt.

Durch das Tarifvertragssystem wird der bürgerlich-bürokratische Apparat der IG Metall also zum Co-Manager der kapitalistischen Ausbeutung der Lohnarbeit. Außerdem sitzen IG-Metall-FunktionärInnen in den Aufsichtsräten großer Konzerne und die Gewerkschaft dominiert die meisten Betriebsräte in der Metall- und Elektroindustrie. Die Betriebsräte sind noch nicht mal Klassenkampforganisationen. Sie dürfen nicht zu Ausständen aufrufen und sind gesetzlich dem Betriebsfrieden verpflichtet. Gerade in der Autoindustrie sind nicht wenige BetriebsratsfürstInnen der IG Metall im wahrsten Sinne des Wortes Co-ManagerInnen des Kapitals. Siehe VW.

Die Gewerkschaft und der Betriebsrat bei Volkswagen

Die Rolle der IG Metall als Co-Managerin der kapitalistischen Ausbeutung wird bei dem Autokonzern Volkswagen (VW) überdeutlich. Die Gewerkschaft dominiert den Betriebsrat bei VW. Die IG-Metall-BetriebsratsfürstInnen wurden in den letzten Jahren regelrecht von dem Autokonzern eingekauft – auch mit illegalen Methoden. Die dann vor Gericht geklärt wurden und werden.

Aber nicht nur die IG-Metall-Betriebsräte waren und sind bei VW gute Co-ManagerInnen. Auch der Gewerkschaftsapparat lässt sich von diesem Konzern gerne einbinden. Gegen die Lohnabhängigen! Als der Gewinn bei VW im Jahre 2024 um zwei Drittel einbrach, war das Prinzip Maximalprofit gefährdet. Der Konzern musste handeln, indem er Leute rausschmeißt und die bleibenden Lohnabhängigen noch härter ausbeutet. So ging er Ende 2024 im Klassenkampf von oben in die Offensive. Die VW-Bosse verkündeten Anfang September 2024 Lohnkostensenkungen, die Entlassung von LeiharbeiterInnen und auch die Stammbelegschaft sollte reduziert werden.

Der IG-Metall-Apparat war von Anfang an bereit diese Angriffe auf ihre eigene Basis mitzutragen. Der Schaden sollte nur begrenzt werden. So machten die IG-Metall-Bonzen konstruktive Verbesserungsvorschläge, wie VW auf Kosten der Belegschaft sparen könnte. Gegenüber der Belegschaft hielten die FunktionärInnen dieser Gewerkschaft „kämpferische“ Reden und mobilisierten diese auch ein wenig. Schließlich einigte sich die IG Metall mit den VW-Bossen Ende Dezember 2024 auf folgende Angriffe auf die Lohnabhängigen: Bis zum Jahre 2030 sollen 35.000 Arbeitsstellen abgebaut werden. Die Zahl an neuen Ausbildungsstellen soll ab 2026 von 1.400 auf 600 gekürzt werden. Dafür verzichtete die IG Metall auf Lohnerhöhungen.

Die Gewerkschaft teilte mit, dass die im Abschluss der Metall- und Elektroindustrie vereinbarte Erhöhung bis 2030 „als Teilfinanzierung von Instrumenten zum Umgang mit Personalüberhängen ohne betriebsbedingte Kündigungen“ dienen werde. Die demagogischen Gewerkschaftsbonzen führten weiter aus: „Damit üben sich Beschäftigte in einem temporären Verzicht, verhindern damit aber gemeinsam den Kahlschlag an den VW-Standorten und helfen sich solidarisch gegenseitig.“ Welcher Kahlschlag wird denn durch den Lohnverzicht, den die IG Metall organisiert hatte, verhindert?! Die IG Metall stimmte Stellenabbau und Lohnkürzung zu. Sie war solidarisch mit VW – gegen die Lohnabhängigen. So eine Gewerkschaft ist ein Segen für Kapital und Staat. Ja, die IG-Metall-Bonzen erwiesen sich bei VW als echte VertreterInnen der ArbeiterInnen. StaubsaugervertreterInnen verkaufen Staubsauger und die IG Metall die ArbeiterInnen!

KollegInnen, ihr werdet von der IG Metall desorganisiert!

Sie ist ein Bonzenzuchtverein, aber für euch keine brauchbare Klassenkampforganisation!

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Auf wessen Seite steht die IG Metall? https://astendenz.blackblogs.org/2025/03/15/auf-wessen-seite-steht-die-ig-metall/ Sat, 15 Mar 2025 22:18:15 +0000 https://astendenz.blackblogs.org/?p=319 Dieses Flugblatt wurde am 15. März 2025 bei dem Aktionstag der IG Metall in Hannover verteilt.

IG Metall: Co-Managerin von Rüstungskapital und Staat

Die IG-Metall ist die Co-Managerin des deutschen Rüstungskapitals. Und damit eine Gewährleisterin einer reibungslosen Produktion des Mordwerkzeuges, womit der deutsche Staat sich selbst und seine Verbündeten – unter anderem Israel und die Ukraine – aufrüstet.

Der deutsche Imperialismus rüstet massiv auf – mit der Unterstützung des bürgerlich-bürokratischen Apparates der IG Metall. Dabei wird auch nichtmilitärische Produktion auf die von Mordwerkzeug umgestellt. Zum Beispiel in Görlitz. Dort wird der Waggonbau auf Panzerproduktion umgestellt. Der IG-Metall-Bezirksleiter Berlin-Brandenburg-Sachsen, Dirk Schulze, sagte zu dieser Umstellung der Produktion: „Sicherlich sind nicht alle glücklich über die Umstellung auf eine Fertigung von Wehrtechnik. Das kann ich verstehen. Unbestreitbar aber ist, dass wir – leider – in diesen Zeiten diese Produktion benötigen.“

Ein bewusstes Rumgeeiere in einer Klassenfrage: Für wen ist Rüstungsproduktion notwendig? Und auf wessen Kosten wird sie produziert und angewendet? Nun, die Rüstungsproduktion ist notwendig für den kapitalistischen Staat Deutschland, der mit dem Mordwerkzeug indirekte Kriege führt – indem er es an die befreundeten Kriegsnationen Israel und Ukraine schickt – und sich auf potenziellen direkten Krieg vorbereitet. Und für die Rüstungsunternehmen, die mit der Produktion und dem Verkauf der Tötungsmittel ihren Profit machen, ist diese selbstverständlich auch notwendig.

Die IG Metall ist Teil des herrschenden deutschen Nationalismus. Als Co-Managerin des Rüstungskapitals und des deutschen Staates ist die Produktion von Mordwerkzeug auch für den Apparat dieser Gewerkschaft „notwendig“. Indem die IG-Metall-Bonzen kapitalistische und staatliche Notwendigkeiten verteidigen, zeigen sie ihre Unentbehrlichkeit für die deutsche Nation.

Auf wessen Kosten erfolgt die Rüstungsproduktion und deren Anwendung? Viele Menschen bezahlen als Manövriermasse des zwischenstaatlichen Konkurrenzkampfes ihre kriegerische Anwendung mit ihrer Gesundheit und ihrem Leben. Ihre Herstellung erfordert die Arbeitskraft der KollegInnen in der Rüstungsindustrie. Sie produzieren in Form der Preise für das Mordwerkzeug mehr Geld als sie in Form des Lohnes kosten. Die Differenz ist der Profit, den sich die Rüstungsbourgeoisie einsteckt. Die KollegInnen der Rüstungsindustrie sind deren Ausbeutungsmaterial.

Klar, bleiben wir Lohnabhängige „brauchen“ auch wir die Rüstungsproduktion als Teil unserer Arbeitsplätze (= Orte der Ausbeutung). Aber wir müssen nicht notwendig Lohnabhängige (Ausbeutungsmaterial) und StaatsbürgerInnen (Manövriermasse des zwischenstaatlichen Konkurrenzkampfes) bleiben. Wir können perspektivisch auch Kapitalismus und Staat revolutionär überwinden. Kapital, Staat und Gewerkschaften wie die IG Metall wollen das selbstverständlich nicht.

Die IG Metall und das Gemetzel in der Ukraine

In der Ukraine führt der deutsche Imperialismus als Teil von EU und NATO einen Stellvertreterkrieg gegen den russländischen Imperialismus – mit Hilfe der IG Metall. Das Gemetzel in der Ukraine und der Wirtschaftskrieg ist von allen Beteiligten ein Klassenkampf von oben gegen uns, die Lohnabhängigen der ganzen Welt. Die kapitalistischen Staaten Deutschland, die europäischen Verbündeten, die Ukraine, die USA und Russland tragen ihre Konkurrenzkämpfe auf Kosten der Lohnabhängigen aus. Die EU und NATO expandierten imperialistisch nach Osteuropa, die einstige Einflusssphäre des Kremls. Bei der Ukraine sagte Moskau Njet. Der russische Imperialismus überfiel 2022 die Ukraine. NATO und EU rüsten die Ukraine auf – was ein indirekter, Stellvertreterkrieg, darstellt – und führen ein Wirtschaftskrieg gegen Russland, um ihren Rivalen zu schwächen. Für die Staaten Russland, USA, Ukraine und jene der EU sind ihre Insassen – unter ihnen wir Lohnabhängigen – nichts als lebendige Schachfiguren im großen geopolitischen Spiel. Imperialistische „Solidarität mit der Ukraine“ ist keine Solidarität mit den Lohnabhängigen dieses Landes, die für „ihre“ KapitalistInnen und Politbonzen sowie für NATO und EU schuften, morden und sterben sollen!

Was ist notwendig? Dass die Lohnabhängigen Russlands, der Ukraine, der EU und der NATO durch einen unbefristeten branchenübergreifenden Massenstreik das Gemetzel der kapitalistischen Staaten beenden! Doch die Lohnabhängigen sind überall zu stark in die jeweiligen Nationen, diese politischen Zwangsgemeinschaften aus Kapital und Lohnarbeit, integriert. Die großen Gewerkschaftsapparate unterstützen das Gemetzel in der Ukraine und den Wirtschaftskrieg auf der Seite ihres jeweiligen Staates. Unter anderem die IG Metall in Deutschland. Den Wirtschaftskrieg gegen Russland, unter dessen Folgen – erhöhte Lebensmittel- und Energiepreise – die Lohnabhängigen der ganzen Welt litten, unterstützten die Bonzen der IG Metall zusammen mit dem Kapitalverband Bund der Deutschen Industrie (BDI) am 1. März 2022 durch eine gemeinsame Erklärung.

Dem US-Imperialismus unter Trump wird dieser Stellvertreterkrieg mit Russland in der Ukraine zu teuer. Er strebt einen imperialistischen Schacherfrieden mit dem Kreml auf Kosten der ukrainischen Bevölkerung an. Außerdem will er die Rohstoffe der Ukraine plündern, auf die auch schon die EU ein Auge geworfen hat. Weder Washington noch Moskau wollen die EU am Verhandlungstisch sitzen haben. Auch der deutsche Imperialismus bekommt so seine drittklassige Rolle aufgezeigt. Der zieht daraus drei Schlussfolgerungen: Aufrüsten, Aufrüsten und nochmals Aufrüsten. Dafür sollen auch ordentlich Staatsschulden gemacht werden. Für uns Lohnabhängige heißt es: Kanonen statt Butter.

Die deutschen Gewerkschaften stehen auf der Seite der forcierten Aufrüstung des deutschen und EU-Imperialismus. Die Erste Vorsitzende der IG Metall, Christiane Benner, bekannte sich eindeutig zur Aufrüstung: „Den jetzigen Vorstoß begrüßen wir klar. Die wirtschaftliche, gesellschaftliche und die geopolitische Situation erfordern Weitblick.“

Diese Beispiele machen überdeutlich: Die IG Metall macht dabei mit, uns als Manövriermasse für den zwischenstaatlichen Konkurrenzkampf zuzurichten. So wie die deutschen Gewerkschaften 1914 das Gemetzel des Ersten Weltkrieges mitorganisiert hatten. Die IG Metall ist der verlängerte Arm des deutschen Imperialismus.

Die klassenkämpferisch-revolutionäre Alternative zur IG Metall

Der Apparat der IG Metall beantwortet durch seine Praxis jeden Tag, wo er steht: Auf der Seite von Kapital und Staat. Selbst im Klassenkampf innerhalb des Kapitalismus für höhere Löhne und kürzere Arbeitszeiten ist diese Gewerkschaft für Lohnabhängige kaum zu gebrauchen. Gehen Kapital und Staat zur Gegenoffensive über, zeigt es sich, dass diese Gewerkschaft nicht zur Gegenwehr für Lohnabhängige taugt. Mit der IG Metall ist viel Imperialismus und Krieg zu machen. Aber effektiven Klassenkampf von unten ganz sicher nicht!

Klar, innerhalb des durch staatliche Gesetze regulierten Tarifvertragssystems, dass nur Streiks erlaubt, wenn sie erstens von Gewerkschaften geführt und zweitens die Streikziele in Tarifverträge münden können, hat die IG Metall ein absolutes Monopol auf Arbeitsniederlegungen in der Metall- und Elektroindustrie. Ja, der Staat schafft sich die Gesetze, damit das klassenkämpferische Proletariat innerhalb des legalen Rahmens nicht viel machen kann. Der kapitalistische Staat schmiedet durch sein demokratisches Streikrecht, das Tarifvertragssystem und seine Hausgewerkschaft IG Metall eine sehr schwere Kette für die Lohnabhängigen der Metallbranche.

Und doch gibt es wilde Streiks. Arbeitsniederlegungen ohne und gegen die zentralen Gewerkschaftsapparate. Besonders viele selbstorganisierte Arbeitsniederlegungen entfalteten sich in der BRD 1969 und 1973 – auch im Geschäftsbereich der IG Metall.

Der Kapitalismus wird auch in Deutschland immer krisenhafter. Kapitalistische Unternehmen und der Staat werden die Lohnabhängigen härter angreifen müssen. Der deutsche Imperialismus tritt in der globalen Konkurrenz immer aggressiver auf. Wie lange kann es also noch Frieden in der BRD geben, während Deutschland auf der Welt direkte und indirekte Kriege mitführt?! Die BerufspolitikerInnen wollen Deutschland „kriegstüchtig“ machen. Das heißt: Wir Lohnabhängigen sollen stärker ausgebeutet werden. Wir sollen für Kapital und Staat mehr Reichtum produzieren. Und der Staat gibt mehr Geld für Mordwerkzeug aus. Deutsche SoldatInnen sollen perspektivisch in militärischen zwischenstaatlichen Konkurrenzkämpfen töten und sterben. So wie sie bereits in Afghanistan bis 2021 töteten und starben. Wollen wir uns wirklich als Manövriermasse von Kapital und Staat im internationalen Konkurrenzkampf verheizen lassen?!

Der deutsche Staat will „kriegstüchtig“ werden. Wenn wir uns nicht verheizen lassen wollen, müssen wir klassenkampftüchtig werden! Die IG Metall ist kriegstüchtig. Sie ist die Hausgewerkschaft der deutschen Rüstungsindustrie und des deutschen Imperialismus. Sie kann deshalb kein Mittel des Klassenkampfes gegen den deutschen Imperialismus sein!

Wie gesagt, die Alternative zu den bürgerlich-bürokratischen Gewerkschaftsapparaten ist die klassenkämpferische Selbstorganisation. Radikalisiert sich der Klassenkampf in der BRD, was aufgrund der Vertiefung der kapitalistischen Krise und der globalen Konkurrenz nicht unwahrscheinlich ist, dann werden vielleicht auch wilde Streiks zunehmen. Wenn sich der Klassenkampf zur sozialen Revolution radikalisiert – die vielleicht die kapitalistische Produktionsweise aufhebt, den Staat zerschlägt und in der klassen- und staatenlosen Gemeinschaft mündet –, dann ist die revolutionäre Klassenkampforganisation, die unvereinbar mit Gewerkschaften ist, notwendig.

KollegInnen, die klassenkämpferisch-revolutionäre Alternative zu den Gewerkschaften sind wir selbst!

Und nur wir selbst!

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Für die globale Vernetzung von revolutionären AnarchistInnen und antileninistischen KommunistInnen! https://astendenz.blackblogs.org/2024/07/02/fuer-die-globale-vernetzung-von-revolutionaeren-anarchistinnen-und-antileninistischen-kommunistinnen/ https://astendenz.blackblogs.org/2024/07/02/fuer-die-globale-vernetzung-von-revolutionaeren-anarchistinnen-und-antileninistischen-kommunistinnen/#respond Tue, 02 Jul 2024 22:16:37 +0000 https://astendenz.blackblogs.org/?p=225 Die massenmörderische Krisen- und Kriegsdynamik des globalen Kapitalismus schreit geradezu nach einer planetaren Vernetzung der revolutionären AnarchistInnen und antileninistischen KommunistInnen. Das Weltproletariat wird erbarmungslos von der Weltbourgeoisie verheizt. Der Klassenkampf des Proletariats wird noch immer innerhalb des reproduktiven Rahmens des Kapitalismus geführt, dessen Perspektive für die ProletarierInnen nur Ausbeutung, Arbeitslosigkeit, staatliche Elendsverwaltung, eine sich vertiefende ökosoziale Kriese und Krieg beziehungsweise einen asozialen Frieden bedeuten kann.

Die globale institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung (Gewerkschaften und politische Parteien) ist der bürokratische Ausdruck der den Kapitalismus reproduzierenden Grenzen des proletarischen Klassenkampfes. Die bürgerlich-bürokratischen Partei- und Gewerkschaftsapparate integrierten sich mehrheitlich in den Kapitalismus und wurden Fleisch von seinem Fleische. Anarchosyndikalismus und Parteimarxismus (Linke Sozialdemokratie, Marxismus-Leninismus, Trotzkismus und Linkskommunismus) sind entweder selbst Teil des kapitalistischen Problems oder außerstande eine revolutionäre Alternative zu Kapital, Staat und institutionalisierter ArbeiterInnenbewegung zu entwickeln.

Letzteres trifft besonders auf den Linkskommunismus zu. Er ist aufgrund seines Antiparlamentarismus, seiner Gewerkschaftsfeindlichkeit und seiner Ablehnung der nationalen Befreiung/Selbstbestimmung zu radikal, um sich in den Kapitalismus zu integrieren, aber zu parteimarxistisch-ideologisch borniert, um den konterrevolutionären Charakter des staatstragenden Bolschewismus ab 1917 zu erkennen und zu begreifen, dass die politische Partei grundsätzlich eine bürgerlich-bürokratische Organisationsform ist, die nur den Kapitalismus reproduzieren, aber eben nicht revolutionär überwinden kann. Das peinliche Rumgeeiere in der Staatsfrage – der berühmt-berüchtigte „Halbstaat“, den die LinkskommunistInnen in der Revolution aufmachen wollen –, ist eine antirevolutionäre Tendenz. Erstens kann es nur ganze Staaten geben und zweitens sind die immer konterrevolutionär!

Eine globale Vernetzung der revolutionären AnarchistInnen und antileninistischen KommunistInnen als organisatorisch-inhaltliche Alternative zu Anarchosyndikalismus und Parteimarxismus ist also absolut notwendig. Die Antipolitisch-Sozialrevolutionäre Tendenz (AST) strebt mittelfristig eine globale Föderation dieser revolutionären Kräfte an.

Keine bürokratisch-zentralistische und ideologisch-dogmatische „Internationale“!

Wir streben keine bürokratisch-zentralistische Internationale an, mit einem riesigen globalen Apparat, der die einzelnen Sektionen in den verschiedenen Nationen anführt. Nein, die globale Vernetzung der revolutionären AnarchistInnen und antileninistischen KommunistInnen, die wir mittelfristig und geduldig mit euch zusammen aufbauen wollen, soll klar und eindeutig mit der bürokratisch-zentralistischen und ideologisch-dogmatischen Tradition der parteimarxistischen (sozialdemokratischen, marxistisch-leninistischen und trotzkistischen) vier Internationalen brechen. Selbstverständlich soll sie sich auch von internationalen anarchosyndikalistischen und linkskommunistischen Zusammenschlüssen unterscheiden.

Die globale Vernetzung soll die unterschiedlichen theoretisch-kulturellen Ursprünge und Traditionen nicht einebnen, sondern produktiv zusammenführen. Sie soll praktische Gemeinschaftserlebnisse von Individuen und Kleingruppen sowie die inhaltliche Diskussion zwischen ihnen ermöglichen und damit Vereinzelung überwinden. Ganz auf der kollektiven Solidarität der Individuen und Gruppen beruhen. Einzeln und frei wie ein Baum, dabei geschwisterlich wie ein Wald!

Natürlich ist dabei auch eine Beliebigkeit zu verhindern. Die Vernetzung von revolutionären Gruppen und Individuen kann kein Selbstzweck, sondern muss die gemeinsame praktisch-geistige Vorbereitung auf die mögliche Weltrevolution sein.

Diskussionsgrundlage für einen inhaltlichen Minimalkonsens einer globalen Föderation von revolutionären AnarchistInnen und antileninistischen KommunistInnen

Damit die globale Vernetzung der revolutionären AnarchistInnen und antileninistischen KommunistInnen eine klare organisatorisch-inhaltliche Alternative zu Parteimarxismus und Anarchosyndikalismus werden kann, muss sie auf klaren Grundprinzipien beruhen. Die AST schlägt zur Diskussion folgende Punkte vor.

1. Für die revolutionäre Aufhebung der Warenproduktion. Die Warenproduktion basiert auf global voneinander getrennten kleinbürgerlichen und kapitalistischen Wirtschaftseinheiten, die ihre Produkte mittels der Ware-Geld-Beziehung austauschen müssen. Das Geld ist der verselbständigte Ausdruck des Tauschwertes. Basis des Tauschwertes ist der Produktionswert, die durchschnittliche, gesellschaftlich notwendige Herstellungszeit einer Ware. Je höher der Produktionswert einer Ware ist, umso höher ist in der Regel auch ihr Tauschwert. Außerdem wird der Tauschwert auch durch die Marktkonkurrenz aus Nachfrage und Angebot bestimmt.

Indem das sich revolutionär selbst aufhebende Proletariat die Produktionsmittel und die soziale Infrastruktur in gesamtgesellschaftliche Verfügungsgewalt überführt und den Staat zerschlägt, schafft es die Voraussetzungen für die Aufhebung des Tauschwertes. Überwindung des Tauschwertes heißt, dass in der klassen- und staatenlosen Gemeinschaft die Produkte nicht getauscht – auch nicht durch einen Naturaltausch ohne Geld! – sondern gesamtgesellschaftlich kollektiv-solidarisch verteilt werden. Die Individuen sind keine passiven Objekte der gesamtgesellschaftlichen Leitung und Planung der Produktion sowie der Verteilung der Produkte, sondern deren aktive Subjekte.

RevolutionärInnen kritisieren jegliche „Vergesellschaftung“ innerhalb von Warenproduktion und Staat als Scheinalternative. GenossInnenschaften und „selbstverwaltete“ Betriebe innerhalb des Kapitalismus sind im besten Falle kleinbürgerlich-kollektive Formen der Warenproduktion und gehen fließend in Kapitalgesellschaften über.

2. Für die revolutionäre Zerschlagung aller Staaten. Staaten sind grundsätzlich sozialreaktionäre Gewaltapparate von Klassengesellschaften. Im Kapitalismus sind die Staaten die politischen Gewaltapparate der Kapitalvermehrung. Es kann keine „progressiven“ oder „sozialistischen“ Staaten geben. Das sich selbst revolutionär aufhebende Proletariat muss den Staat zerschlagen! Die „Halbstaaten“ einer angeblichen „Übergangsgesellschaft“, die der Linkskommunismus herbeiphantasiert, kann es nicht geben. Zwischen dem kapitalistischen Staat und der klassen- und staatenlosen Gemeinschaft gibt es keine staatsförmige „Übergangsgesellschaft“, sondern „nur“ die mögliche revolutionäre Zerschlagung des Staates! Den Staat zu zerschlagen, heißt die gesamtgesellschaftlich-kollektive Organisation des Lebens ohne Gewaltapparate und BerufspolitikerInnen.

Da das Proletariat eines Landes, einer Gruppe von Ländern, eines Kontinents unmöglich mit der sozialen Revolution warten kann, bis ihre Klassengeschwister weltweit so weit sind, kann die Weltrevolution nur eine permanente Kette der Zerschlagung der Nationalstaaten sein. In der Weltrevolution wird es also sowohl schon mögliche klassen- und staatenlose Gemeinschaften als auch noch kapitalistische Staaten geben. Der revolutionäre Kampf gegen die Konterrevolution – sowohl von marodierenden Banden als auch von Staaten – beruht auf der kollektiven Militanz des sich selbst revolutionär aufhebenden Proletariats beziehungsweise der klassen- und staatenlosen Gemeinschaft, aber nicht auf von der Gesellschaft getrennten Gewaltapparaten. Letztere wären der reproduzierte Staat. In der Praxis wird es schwer werden, notwendige revolutionäre Gewalt gegen die Konterrevolution auszuüben, ohne den Staat zu reproduzieren. Aber der reproduzierte Staat ist die Konterrevolution! Deshalb kompromissloser Kampf gegen die linkskommunistische Ideologie von dem „Halbstaat“ in der angeblichen „Übergangsperiode“ zwischen Kapitalismus und Kommunismus! Die Weltrevolution ist erst zu Ende, wenn alle kapitalistischen Staaten revolutionär zerschlagen sind.

3. Gegen die institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung (Gewerkschaften und politische Parteien). Gewerkschaften sind der bürokratisch entfremdete Ausdruck des reproduktiven Klassenkampfes des Proletariats innerhalb des Kapitalismus. Im frühen Kapitalismus ging die Bourgeoisie noch total repressiv gegen den proletarischen Klassenkampf vor. Streiks und Gewerkschaften waren absolut verboten. Doch große Teile der herrschenden Klasse erkannten in einem sozialen Lernprozess – auch aufgrund des Druckes des klassenkämpferischen Proletariats – dass in einer Klassengesellschaft der Klassenkampf nicht effektiv absolut zu verbieten ist. So wurde in den verschiedenen Staaten der reproduktive Klassenkampf und die Gewerkschafen unter bestimmten Bedingungen legalisiert. Der Klassenkampf wurde verrechtlicht und damit tendenziell entradikalisiert. Die Gewerkschaften wurden durch das durch staatliche Gesetze regulierte Tarifvertragssystem, gesetzlich-sozialpartnerschaftliche Betriebsräte und das Sitzen von Gewerkschaftsbonzen in den Aufsichtsräten der Konzerne zu Co-Managerinnen der kapitalistischen Ausbeutung.

Die meisten Gewerkschaften sind durch einen antagonistischen Klassengegensatz geprägt. Auf der einen Seite die bürgerlich-bürokratischen Apparate der hauptamtlichen FunktionärInnen – die sozial nicht (mehr) zum Proletariat gehören – und auf der anderen die ehrenamtlichen FunktionärInnen und die lohnabhängige Basis als Manövriermasse. Die Haupttendenz der Gewerkschaftsapparate ist es, sich vollständig in den kapitalistischen Staat zu integrieren.

Gewerkschaften können grundsätzlich nur einen reproduktiv-sozialreformistischen Klassenkampf um höhere Löhne, für kürzere Arbeitszeiten und eine geringere Arbeitsintensität sowie gegen die Angriffe von Kapital und Staat innerhalb des Kapitalismus, aber eben keinen revolutionären für die klassen- und staatenlose Gesellschaft führen. Selbstverständlich gibt es zwischen ihnen große Unterschiede. So gibt es total sozialreaktionäre Gewerkschaften, die völlig in die jeweiligen Staaten integriert sind und auch deren imperialistischen Kriege unterstützen, aber auch Basisgewerkschaften, die gegen Aufrüstung, Waffenhandel und Krieg einen pazifistisch-reformistischen Klassenkampf führen.

Die Behauptungen des Anarchosyndikalismus, es könne revolutionäre Gewerkschaften geben und er würde sie aufbauen, hat er durch seine eigene Praxis widerlegt. Durch seine Anpassung an das Tarifvertragssystem, gesetzlich-sozialpartnerschaftliche Betriebsräte und das reformistische Bewusstsein der Mehrheit des Proletariats wurde der Anarchosyndikalismus selbst zu einer Strömung des globalen Gewerkschaftsreformismus. Gewerkschaften sind die Organisationsform des reproduktiven Klassenkampfes innerhalb des Kapitalismus, aber eben keine revolutionären zur dessen Zerschlagung. Gewerkschaften können nicht revolutionär und revolutionäre Klassenkampforganisationen (siehe Punkt 5) keine Gewerkschaften sein!

In nichtrevolutionären Zeiten können RevolutionärInnen einfache Mitglieder von Gewerkschaften sein. Aber sie dürfen keine neben- oder hauptamtlichen Funktionen in ihnen übernehmen. Gewerkschaften müssen grundsätzlich durch revolutionäre Klassenkampforganisationen, die sich allerdings erst möglicherweise in der sozialen Revolution herausbilden können, ersetzt werden. Berits im reproduktiven Klassenkampf innerhalb des Kapitalismus entwickelt sich die proletarische Selbstorganisation als Alternative zur Gewerkschaftsbürokratie (siehe Punkt 5). Völlig in den kapitalistischen Staat integrierte Gewerkschaftsapparate, die auch imperialistische Kriege unterstützen, müssen aktiv in der sozialen Revolution zerschlagen werden!

Politische Parteien bildeten sich ab dem 19. Jahrhundert zu zwar nicht absolut notwendigen, doch weit verbreiteten Basiseinheiten der bürgerlichen Politik. Parlamentarische Demokratien sind pluralistische Mehrparteiendiktaturen. In ihnen konkurrieren die politischen Parteien in Form von freien Wahlen um die Beherrschung des Staatsapparates. Freie Wahlen machen aus ProletarierInnen Stimmvieh, dass ihre strukturellen KlassenfeindInnen, die BerufspolitikerInne,n dazu ermächtigt, entweder den kapitalistischen Staat zu regieren oder systemloyal zu opponieren. Neben den Demokratien gab und gibt es noch faschistische und marxistisch-leninistische (siehe Punkt 4) Einparteiendiktaturen.

Politische Parteien sind klassengespalten in bürgerlich-bürokratische Apparate aus hauptamtlichen FunktionärInnen sowie BerufspolitikerInnen und -ideologInnen auf der einen und der kleinbürgerlich-proletarischen Basis auf der anderen Seite. Mensch kann zwischen kleinbürgerlich-radikalen Protest-/Aufstandsparteien und großbürgerlichen Systemparteien unterscheiden.

Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bildeten sich sozialdemokratische Massenparteien als politischer Flügel der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung. Einige von ihnen betrogen sich selbst und das Proletariat mit einer „revolutionären“ Ideologie, die aber nicht mit ihrer Praxis des parlamentarischen Sozialreformismus übereinstimmte, sondern diese verschleierte. Sie nahmen an Wahlen teil und integrierten sich immer stärker in das parlamentarische System. Die bürgerlich-bürokratischen Apparate der sozialdemokratischen Parteien strebten als Haupttendenz an, von der Bourgeoisie voll anerkanntes Regierungspersonal des kapitalistischen Staates zu werden.

Für die europäische Sozialdemokratie kam dieser Moment im Jahre 1914, den Beginn des Ersten Weltkrieges und der europäischen revolutionären Nachkriegskrise (1917-1923). Die meisten europäischen sozialdemokratischen Parteien unterstützten den Ersten Weltkrieg auf der Seite ihres jeweiligen Nationalstaates. Nur pazifistische und radikale Teile der Sozialdemokratie waren gegen die Kriegsbeteiligung. Während der europäischen revolutionären Nachkriegskrise wurde die Sozialdemokratie – besonders die deutsche SPD – offen konterrevolutionär, die blutig das klassenkämpferisch-revolutionäre Proletariat niederschlug. Heute ist die Sozialdemokratie vollständig in den Kapitalismus integriert.

Infolge der europäischen revolutionären Nachkriegskrise spaltete sich der radikale Flügel der Sozialdemokratie weltweit sowohl als Partei-„Kommunismus“ als auch als Rätekommunismus ab. In einigen Nationen entstanden marxistisch-leninistische Parteidiktaturen (siehe Punkt 4). In hochentwickelten privatkapitalistischen Demokratien integrierten sich marxistisch-leninistische und trotzkistische Parteien in das parlamentarische System. Indem Marxismus-Leninismus und Trotzkismus an parlamentarischen Wahlen teilnehmen, helfen sie dabei die Demokratie als Diktatur des Kapitals praktisch-geistig zu reproduzieren und die ProletarierInnen zum Stimmvieh abzurichten und braven demokratischen StaatsbürgerInnen zu erziehen.

Die sich vernetzenden Gruppen des revolutionären Anarchismus und des antileninistischen Kommunismus lehnen die politische Partei als Organisationsform des klassenkämpferischen Proletariats und der revolutionären Minderheiten ab. Ihre Kleingruppen sind weder Gewerkschaften noch politische Parteien und sie streben es auch nicht an, es zu werden.

4. Revolutionärer Antileninismus. Die politische Machtübernahme der bolschewistischen Partei im Oktober 1917 – nach dem alten russischen Kalender – stellte keine „proletarische Revolution“ dar, wie der Parteimarxismus einschließlich des Linkskommunismus behauptet, sondern der Prologder staatskapitalistischen Konterrevolution. Das sozialreaktionäre Lenin-Trotzki-Regime zerschlug die Sowjets als Organe der klassenkämpferischen Selbstorganisation des Proletariats. Ab der Verstaatlichung der Großindustrie im Frühsommer 1918 war es staatskapitalistisch. Es folgten weitere sozialreaktionäre politische Machteroberungen von marxistisch-leninistischen Parteiapparaten und die Herausbildung staatskapitalistischer Regimes in Euroasien, Afrika und auf Kuba.

Die ultrazentralistischen und überbürokratischen staatskapitalistischen Produktionsverhältnisse begünstigten die ursprüngliche, nachholende und beschleunigte Industrialisierung von einstigen Agrarnationen, aber auf Dauer konnten sie nicht der Konkurrenz des hochentwickelten Privatkapitalismus standhalten, weshalb sich in den marxistisch-leninistischen Staatsparteien proprivatkapitalistische Reformfraktionen entwickelten und die politische Macht eroberten. Diese transformierten dann den Staats- in den Privatkapitalismus. In der Sowjetunion und in Osteuropa zerfielen die marxistisch-leninistischen Parteidiktaturen. In China, Vietnam und auf Kuba wurde und wird das Kapital unter der Herrschaft der marxistisch-leninistischen Parteien privatisiert.

5. Für die klassenkämpferische Selbstorganisation und die revolutionäre Selbstaufhebung des Proletariats. Das Proletariat kann nur in klassenkämpferischer Selbstorganisation seine Interessen und Bedürfnisse gegen Kapital und Staat durchsetzen. Die klassenkämpferische Selbstorganisation richtet sich bereits im reproduktiven Klassenkampf innerhalb des Kapitalismus gegen die bürgerlich-bürokratischen Gewerkschaftsapparate. Besonders in längeren Arbeitsniederlegungen, die offiziell von den Gewerkschaften geführt werden, entwickeln sich teilweise Formen der Doppelherrschaft. Auf der einen Seite die Selbstorganisation der Basis und auf der anderen die bürgerlich-bürokratischen Gewerkschaftsapparate. Die höchste Form nimmt die Selbstorganisation der Lohnabhängigen im reproduktiven Klassenkampf in gewerkschaftsunabhängigen wilden Streiks an. Ist die Arbeitsniederlegung relativ kurz und sind die Belegschaften verhältnismäßig klein, reicht oft bereits die informelle Selbstorganisation der Lohnabhängigen. Dauert der wilde Streik jedoch länger und/oder stehen größere beziehungsweise mehrere Belegschaften in ihm, dann werden offizielle Organe der klassenkämpferischen Selbstorganisation, gewerkschaftsunabhängige Streikkomitees, notwendig.

Revolutionäre Kleingruppen orientieren sich auf die klassenkämpferische Selbstorganisation des Proletariats, lehnen aber den Anspruch auf dessen „Führung“ ab. Ihre Funktion ist es praktisch-geistige Impulse zur Radikalisierung des Klassenkampfes zu geben. Wohl wissend, dass der Hauptimpuls zur Radikalisierung des Proletariats dessen eigener praktischer Kampf ist. RevolutionärInnen lehnen jede Stellvertreterpolitik gegenüber dem Proletariat einschließlich des Guerillakrieges getrennt vom Klassenkampf ab.

In außerordentlichen Situationen kann sich der proletarische Klassenkampf zur sozialen Revolution radikalisieren. Dann ist die revolutionäre Klassenkampforganisation notwendig. Wir verstehen darunter die Organisation der Revolution. Diese wird sowohl durch die informelle Aktion des Proletariats als auch durch offizielle Organe der klassenkämpferischen Selbstorganisation geprägt sein. Die Aufgabe der revolutionären Klassenkampforganisation wird die Aufhebung der Warenproduktion (Punkt 1) und die revolutionäre Zerschlagung des Staates (Punkt 2) sein. Gelingt dies, dann transformiert sich die revolutionäre Klassenkampforganisation in die klassen- und staatenlose Gemeinschaft. Die revolutionäre Klassenkampforganisation ist also die Selbstaufhebung des Proletariats als Prozess.

Diese revolutionäre Organisation des Proletariats kann nur die Warenproduktion aufheben und den Staat zerschlagen, wenn sie ganz auf der kollektiv-solidarischen Selbstorganisation der Klasse ohne bürokratische Apparate und BerufspolitikerInnen beruht. Hauptamtliche Gewerkschafts- und ParteifunktionärInnen sowie BerufspolitikerInnen haben in der revolutionären Klassenkampforganisation des Proletariats nichts zu suchen! Revolutionäre Kleingruppen der vorrevolutionären Zeit gehen in der revolutionären Klassenkampforganisation auf. Diese kann nur die klassen- und staatenlose Gesellschaft gebären, wenn sie bereits mit deren Organisationsprinzipien schwanger geht.

Wir wissen nicht, wie die zukünftige revolutionäre Klassenkampforganisation aussehen wird. Die ArbeiterInnen- und Soldatenräte der europäischen revolutionären Nachkriegskrise (1917-1923) waren nur potenziell und tendenziell revolutionär. Sie hatten sich noch nicht das klare Ziel der Aufhebung der Warenproduktion und der revolutionären Zerschlagung des Staates gestellt. Und sie wurden zum Beispiel in Russland zuerst von menschewistischen und „sozialrevolutionären“ BerufspolitikerInnen deformiert, die versuchten die Sowjets in den proprivatkapitalistischen Staat zu integrieren. Später wurden bolschewistische BerufspolitikerInnen in den Sowjets immer stärker. Die Bolschewiki forderten demagogisch: „Alle Macht den Sowjets!“ Als sie dann mit Hilfe der Sowjets die politische Macht erobert hatten, zerschlugen sie diese als Organe des selbstorganisierten Klassenkampfes. Daraus gibt es nur eine Lehre zu ziehen: BerufspolitikerInnen raus aus der revolutionären Klassenkampforganisation! Allen politischen Parteien – auch den linkskommunistischen – und Gewerkschaften einschließlich der anarchosyndikalistischen, die die Führung des revolutionären Proletariats anstreben, muss ordentlich auf die Finger geklopft werden!

6. Revolutionäre Kritik des Antifaschismus. SozialrevolutionärInnen bekämpfen die Demokratie kompromisslos – so wie alle anderen Staatsformen. Sie kämpfen gegen FaschistInnen, Nazis sowie Militärputsche und -diktaturen, aber verteidigen niemals die Demokratie. So wie der Antifaschismus im Zweiten Weltkrieg und im spanischen BürgerInnenkrieg demokratische Regimes gegen faschistische Staaten und Militärputsche unterstützte und damit das große kapitalistische Massaker am Weltproletariat mit organisierte, ist er auch heute in den verschiedenen Gemetzeln Teil der Rechtfertigungsideologien und Mobilisierung für die Demokratie. RevolutionärInnen lehnen Einheits- und Volksfronten mit bürgerlichen Kräften – einschließlich der Sozialdemokratie, des Marxismus-Leninismus und des Trotzkismus gegen den Neofaschismus ab. Sie bekämpfen ihn auf klassenkämpferisch-revolutionärer Grundlage.

Das ist die Lehre aus dem spanischen BürgerInnenkrieg (1936-1939), bei dem die institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung – von den StalinistInnen und SozialdemokratInnen über die linkssozialistische POUM bis zur anarchosyndikalistischen CNT – mit anderen bürgerlichen Kräften eine Volksfront bildete, gegen die die Generäle unter Franco putschten. Die Volksfront führte sowohl einen innerkapitalistischen und sozialreaktionären BürgerInnenkrieg gegen die putschenden Generale als auch einen Klassenkampf von oben gegen das Proletariat und den linken Flügel der Volksfront (POUM und Basis der CNT). Den Klassenkampf von oben gewann die Volksfront, während sie den BürgerInnenkrieg gegen Franco verlor. RevolutionärInnen mussten sowohl die Volksfront als auch die putschenden Generäle bekämpfen.

7. Gegen nationale „Befreiung“/Selbstbestimmung/Autonomie. Die Nationen sind Zwangs- und Scheingemeinschaften aus Kapital und Lohnarbeit. Ihr organisierender Kern ist der Nationalstaat. Nationen beruhen ökonomisch auf der erfolgreichen Vermehrung des Nationalkapitals, politisch auf der Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols und ideologisch auf den Nationalismus. Der Letztgenannte integriert die Lohnabhängigen in die jeweiligen Nationalstaaten und spaltet das Weltproletariat. Dieses wird in der globalen Interaktion der Nationen – sowohl kooperative Konkurrenz als auch konkurrenzförmige Kooperation – erbarmungslos verheizt. Die ProletarierInnen werden durch den Nationalismus in blutigen Gemetzeln aufeinandergehetzt – im Interesse des Weltkapitalismus.

RevolutionärInnen bekämpfen die nationalistische Benachteiligung und Unterdrückung von kulturellen, sprachlichen und religiösen Minderheiten sowie den Rassismus gegen Menschen mit bestimmten Hautfarben. Aber auch dagegen, dass aus diesen Minderheiten durch nationalistische Politik neue Nationen geformt werden. Für die dann entweder Autonomie in bestehenden Nationalstaaten verlangt und durchgesetzt (wie zum Beispiel „die KurdInnen“ im Nordirak und in Syrien) oder einen neuen unabhängigen Nationalstaat aufgemacht werden. Nationale „Befreiung“/Selbstbestimmung und Autonomie kann nur Kapital und Staat reproduzieren, aber eben nicht überwinden. Gegen nationalistische Unterdrückung hilft keine nationale „Befreiung“, sondern nur die soziale Befreiung von der Nation durch die mögliche Weltrevolution und die globale klassen- und staatenlose Gemeinschaft. In der globalen Konkurrenz der Nationen unterstützen die RevolutionärInnen keinen, sondern bekämpfen alle.

8. Gegen den Pazifismus. Der (klein)bürgerliche Pazifismus tritt für den bürgerlichen Frieden sowohl innerhalb der als auch zwischen den kapitalistischen Staaten ein. Doch dieser ist lediglich die nichtmilitärische Form der Konkurrenz aller gegen alle. Er ist asozial und gewalttätig. Im Inneren beruht er auf dem staatlichen Gewaltmonopol und in der Außenpolitik auf Aufrüstung. Der bürgerliche Frieden innerhalb des Kapitalismus ist nicht die Alternative zum Krieg, sondern dessen Quelle.

Der Pazifismus verlangt die freiwillige, kooperative und nennenswerte Abrüstung der kapitalistischen Staaten. Doch die ist aufgrund der globalen Konkurrenz illusorisch. Es kann nur eine wirkliche Abrüstung geben: die Zerschlagung aller Staaten durch die mögliche globale Revolution. Kompromissloser Klassenkrieg! Weltproletariat gegen Weltbourgeoisie!

9. Grundsätzliche Kritik sowohl des kapitalistischen Patriarchats als auch der bürgerlichen Frauenemanzipation im Kapitalismus. Für den revolutionären Kampf gegen das kapitalistische Patriarchat. Das kapitalistische Patriarchat ist sowohl klassenübergreifend als auch klassenspezifisch. Frauen sind innerhalb der Bourgeoisie (Kapitalistinnen, Managerinnen, Berufspolitikerinnen und Spitzenbeamtinnen) unterrepräsentiert, während die Proletarierinnen einer sexistischen Extrauausbeutung unterworfen werden. So sind zum Beispiel Frauenlöhne durchschnittlich niedriger als Männerlöhne. Ein Ausdruck des kapitalistischen Patriarchats ist auch, dass die meisten biosozialen Reproduktionstätigkeiten (einkaufen, reinigen der Wohnung, Pflege von kranken und/alten Menschen, Beaufsichtigung und Erziehung von Kindern…) sowohl innerfamiliär als auch durch Lohnarbeit durchschnittlich hauptsächlich von Frauen verrichtet werden. Weitere Aspekte des kapitalistischen Patriarchats sind die Degradierung der Frauenkörper zum Sexualobjekt – besonders in Pornographie und Prostitution –, patriarchal-sexistische Gewalt gegen Frauen einschließlich von Femiziden sowie staatliche Repression gegen Abtreibungen.

Der (klein)bürgerliche Feminismus kämpft für Gleichberechtigung von Frauen und Männern innerhalb des Kapitalismus und damit der Klassenspaltung. Er erkämpfte in seiner Geschichte das Frauenwahlrecht, die Zulassung von Frauen zu bestimmten Berufen und immer mehr Berufspolitikerinnen und Wirtschaftsmanagerinnen. Und auch die sexistische Extraausbeutung der Frauen konnte abgemildert werden. Die völlige Durchsetzung der bürgerlichen Frauenemanzipation innerhalb des Kapitalismus würde bedeuten, dass Frauen innerhalb der Bourgeoisie nicht mehr unterrepräsentiert und die Proletarierinnen nicht mehr sexistisch extra ausgebeutet werden sowie die biosozialen Reproduktionstätigkeiten gleichmäßig unter den Geschlechtern, aber ungleichmäßig zwischen den Klassen verteilt werden. Die Durchsetzung von Punkt eins ist wahrscheinlicher als der Punkte 2 und 3. Jedoch haben die Proletarierinnen nichts davon, wenn sie von mehr Politikerinnen regiert, von Kapitalistinnen ausgebeutet und von Chefinnen herumkommandiert werden. Der bürgerliche Feminismus führt geradewegs zur „feministischen Außenpolitik“ kapitalistisch-imperialistischer Staaten…

Auch wenn der (klein)bürgerliche Feminismus es noch so sehr leugnet: es gibt auch weiblichen Sexismus gegen Männer. Klar, die bürgerliche Kleinfamilie ist grundsätzlich – auch von ihrer Geschichte her – patriarchal und vom männlichen Sexismus geprägt. Aber es gibt auch zwischenmenschliche Beziehungen, in denen Frauen Männer unterdrücken. Und auch sexuelle Belästigung von Männern durch Frauen. Dieser weibliche Sexismus kommt auch teilweise im (klein)bürgerlichen Feminismus zum Ausdruck. Zum Beispiel wenn in der feministischen Ideologie teilweise unterschwellig anklingt, aber manchmal auch offen behauptet wird: Frauen sind die besseren Menschen. Oder wenn einige Feministinnen gegen trans Frauen als „Männer in Frauenkleidern“ hetzen. Das ist nicht „nur“ transfeindlich, sondern auch sexistisch gegen Männer. RevolutionärInnen bekämpfen den weiblichen Sexismus genauso konsequent wie den männlichen.

RevolutionärInnen stellen der bürgerlichen Frauenemanzipation im Kapitalismus grundsätzlich den revolutionären Kampf gegen das Patriarchat gegenüber. Durch die soziale Revolution sowie die klassen- und staatenlose Gemeinschaft können viele biosoziale Reproduktionstätigkeiten, die im Kapitalismus hauptsächlich innerfamiliär und von Frauen verrichtet werden, auf freiwilliger Grundlage vergesellschaftet und auf alle Geschlechter fair verteilt werden. Nur durch die revolutionäre Aufhebung der Ware-Geld-Beziehung sowie des sozialen und sexuellen Elends kann auch die Prostitution überwunden werden. Ihr staatliches Verbot, die Teile des Feminismus fordern, können diese nur in den Untergrund treiben und das Leben der Prostituierten erschweren.

10. Gegen heterosexuelle und geschlechtliche Normierungen – aber auch gegen die verlogene staatliche „Regenbogentoleranz“ und kleinbürgerliche Identitätspolitik. RevolutionärInnen bekämpfen sowohl die staatliche Repression gegen Menschen, die der heterosexuellen und binären Geschlechternorm nicht entsprechen – homo-/bisexuelle, nichtbinäre und trans Menschen – in jenen Ländern, wo diese besteht, als auch die verlogene „Regenbogentoleranz“ von in dieser Frage liberaleren Nationen und Staatenbündnisse. Grundsätzlich braucht der Kapitalismus keine heterosexuellen und geschlechtlichen Normierungen. Solange Schwule, Lesben, nichtbinäre und trans Menschen durch fleißige Produktion und aufgeschlossenem Konsum das Kapital vermehren sowie brave StaatsbürgerInnen sind, ist für den modernen Liberalismus alles in Ordnung. Liberale Staaten und Staatenbündnisse wie die Europäische Union (EU) machen auch die „Regenbogentoleranz“ zur imperialistischen Waffe gegen Staaten, mit denen sie aus anderen Gründen konkurrieren und die repressiv die heterosexuelle und geschlechtliche Normierung durchsetzen.

RevolutionärInnen unterschieden zwischen biologischen Geschlechtern, sozialen Geschlechterrollen und individuellen Geschlechtsidentitäten. Soziale Geschlechterrollen wollen sie durch die soziale Revolution aufheben (siehe Punkt 9), während sie alle individuelle Geschlechtsidentitäten tolerieren, solange die sich nicht gegen andere richten. Soll jede/r nach seiner/ihrer Fasson glücklich werden. Aber RevolutionärInnen wissen auch, dass im Kapitalismus alle Identitäten – unter anderem „Nation“, Hautfarbe, Religion, biologisches Geschlecht, soziale Geschlechterrolle und individuell Geschlechtsidentität sowie sexuelle Orientierung – zu Kostümen im Konkurrenzkampf aller gegen alle werden. Der rechtskonservativ-neofaschistische Konkurrenzchauvinismus gegen „AusländerInnen“, „Nichtweiße“, Homosexuelle, nichtbinäre und trans Menschen genau wie die linksliberale Hetze gegen „cis-Männer“ und „alte, weiße Männer“ – damit die jungen, „nichtweißen“ Frauen innerhalb von KleinbürgerInnentum und Bourgeoisie ordentlich Karriere machen können. RevolutionärInnen bekämpfen sowohl die rechtskonservativ-neofaschistische als auch die linksliberale Identitätspolitik als Konkurrenzchauvinismus und Spaltung des Weltproletariats.

11. Grundsätzliche Kritik des bürgerlichen „Umweltschutzes“ innerhalb des Kapitalismus. Für die Reinigung des Planeten von kapitalistischem Dreck! Das kapitalistische Produktionsverhältnis, in dem sich alles um die grenzenlose Vermehrung des Tauschwertes/Geldes dreht, ist absolut sozialreaktionär und zerstörerisch gegen die pflanzliche und tierische Mitwelt. Die massenhafte Vergiftung, Zubetonierung, Vermüllung und Entwaldung unseres Planeten, der Klimawandel und das massenhafte Artensterben sind lebensgefährliche Ausdrücke der vom Kapitalismus permanent produzierten sozialökologischen Krise. Die technokratischen Versuche der kapitalistischen Staaten den Klimawandel zumindest einzudämmen, verschärfen diese Krise nur. Elektromobilität statt Verbrennungsmotor! Auf dass der lebensgefährliche, ressourcenverschwenderische und zerstörerische, aber eben auch sehr profitable Individualverkehr weiter reproduziert wird. Und Wälder für neue Autobahnen weichen müssen. Eindämmung des Klimawandels durch Windräder in „Naturschutzgebieten“! So sehen die „Lösungen“ der kapitalistischen Technokratie aus.

Auch die klassenübergreifende Umweltbewegung ist aus sich heraus nicht in der Lage, die kapitalistische Vernichtung der pflanzlichen und tierischen Mitwelt sowie den Klimawandel aufzuhalten. Nur die mögliche Weltrevolution kann durch die Überwindung der kapitalistischen Produktions- und Konsumtionsverhältnisse die ökosoziale Krise eindämmen. Dies spricht nicht dagegen, dass RevolutionärInnen an lokalen Bewegungen gegen konkrete kapitalistische Naturzerstörungen teilnehmen, um radikalisierende Impulse zu geben. Aber sie müssen immer die strukturelle kleinbürgerliche Beschränktheit auch der radikalsten klassenübergreifenden Umweltbewegung kritisieren. In der institutionalisierten Umweltbewegung, also in den verschiedenen kleinbürgerlichen Vereinen, haben RevolutionärInnen grundsätzlich nichts verloren.

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10. Klassenübergreifende Protestbewegungen https://astendenz.blackblogs.org/2024/06/03/10-klassenuebergreifende-protestbewegungen/ https://astendenz.blackblogs.org/2024/06/03/10-klassenuebergreifende-protestbewegungen/#respond Mon, 03 Jun 2024 21:22:59 +0000 https://astendenz.blackblogs.org/?p=217 Klassenübergreifender Protest nimmt oft die Form der sozialen Straßenbewegung an. Es gibt auch Straßenbewegungen, die klar von den proletarischen Unterschichten dominiert werden, wie zum Beispiel Jugendrevolten (zum Beispiel in London im August 2011), Ghettoaufstände (so im Herbst 2005 in Frankreich in der Banlieue von Paris) oder militante Arbeitslosenbewegungen (wie in der Weltwirtschaftskrise ab 1929 in den USA). Beispielsweise entwickelte sich ab November 2018 in Frankreich die stark proletarisch geprägte Straßenbewegung der Gelbwesten. Diese organisierte ein Jahr lang militante Demonstrationen. Eine starke Verbindung von Klassenkampf und vom Proletariat dominierte Straßenbewegungen geht von branchenübergreifenden Streiks aus. Lohnabhängige streben von ihren Arbeitsorten auf die Straßen und öffentlichen Plätzen, um ihren sozialen Protest zum Ausdruck zu bringen. Sie demonstrieren gemeinsam mit nichtlohnarbeitenden ProletarierInnen und unzufriedenen kleinbürgerlichen Schichten. Auf einen oder zwei Tage begrenzte Generalstreiks, noch deutlicher branchenübergreifende Erzwingungsstreiks bringen die Möglichkeit zum Ausdruck, dass das klassenkämpferische Proletariat potenziell zum Gravitationszentrum des sozialen Protestes werden kann. Dies kann jedoch nur in einer möglichen sozialen Revolution geschehen.

Von dieser proletarisch dominierten Straßenbewegung als Teil des Klassenkampfes müssen wir den klassenübergreifenden sozialen Protest unterscheiden, in dem das Proletariat nur als der Schwanz von KleinbürgerInnen oder bestimmten politischen Fraktionen des Kapitals agiert. Am stärksten ist die klassenübergreifende Protestbewegung bei allgemeinen sozialen Antiregierungsprotesten. Eine solche bürgerliche Protestbewegung kann bestimmte Regierungen und -formen stürzen – aber nur bei der Reproduktion des Staates. Die alte Regierung wird durch den Druck einer allgemeinen sozialen Protestbewegung gestürzt, um eine neue bilden zu können. Eine solche allgemeine klassenübergreifende Protestbewegung ist zutiefst politisch. Sie wird zur Manövriermasse von bestimmten politischen Kapitalfraktionen gegen andere. Das Proletariat ist hier nur Bauer im politischen Schachspiel. Antipolitisch-sozialrevolutionäre Strömungen können in klassenübergreifende allgemeine Protestbewegungen nur intervenieren, wenn sie ihre absolute Unabhängigkeit gegenüber deren politischen Führungen wahren können.

Verdeutlichen wir dies an den zwei Beispielen Belarus und Myanmar. Belarus ist nur eine formale Demokratie, in der die führende politische Charaktermaske, Lukaschenko, wirkliche politische Konkurrenz um die Beherrschung des Staatsapparates nicht wollte, aber gleichzeitig auch nicht auf den legitimierenden Effekt von Wahlen verzichtete. Das Ergebnis waren die massiven Wahlfälschungen im August 2020. Dagegen entwickelte sich eine allgemeine klassenübergreifende Protestbewegung. Sie wurde eindeutig von der liberal-demokratischen politischen Opposition angeführt, die vom westlichen Imperialismus, von der EU und der USA, unterstützt wurde. Diese politische Protestbewegung wurde vom Lukaschenko-Regime mit Unterstützung Moskaus repressiv zerschlagen. Die Lohnabhängigen waren in dieser Bewegung nur der proletarische Schwanz innerhalb des politischen und imperialistischen Konkurrenzkampfes. Eine antipolitisch-sozialrevolutionäre Strömung in Belarus hätte sowohl das Lukaschenko-Regime als auch die liberal-demokratische Opposition, den russländischen und den westlichen Imperialismus bekämpfen müssen. Nicht für die Ersetzung von Lukaschenko als regierende Charaktermaske durch prowestlich-demokratische BerufspolitikerInnen, sondern den langen Kampf für die antipolitisch-sozialrevolutionäre Zerschlagung von Belarus als Teil einer möglichen Weltrevolution!

Myanmar befand sich seit 2011 in der Transformation von einer Militärdiktatur zu einer demokratischen Herrschaftsform. Es bestand eine Zivilregierung, die von der Nationalen Liga für Demokratie (NLD) und deren führende Charaktermaske Suu Kyi gestellt wurde, während die Militärs weiterhin große Teile der wirtschaftlichen und politischen Macht in ihren Händen behielten. Die Wahlen im November hätten der NLD mehr politischen Einfluss beschert, dagegen putschten die Militärs am 1. Februar 2021. Sie entmachteten NLD und Suu Kyi. Dagegen entwickelte sich zuerst eine soziale Protestbewegung, die von der prodemokratischen Fraktion des Kapitals dominiert wurde. Die Militärs gingen mit scharfer Repression gegen diese Bewegung vor. Im April 2021 bildeten die DemokratInnen eine Gegenregierung zu den herrschenden Militärs, die Regierung der Nationalen Einheit, die schließlich auch eine militärische Streitmacht, die Volksverteidigungskräfte (PDF), aufstellte. In der zivilen klassenübergreifenden Protestbewegung gegen das Militärregime waren besonders Lohnabhängige aus dem Medizin- und Pflegebereich sowie LehrerInnen aktiv.

SozialrevolutionärInnen dürfen auf gar keinem Fall an den militärischen Kämpfen zwischen DemokratInnen und Militärdiktatur teilnehmen. Das ist ein sozialreaktionäres innerkapitalistisches Gemetzel. An der zivilen, klassenübergreifenden Protestbewegung gegen das Militärregime können sie nur teilnehmen, wenn sie auch die Demokratie als Herrschaftsform des Kapitals kompromisslos bekämpfen. Nicht nur gegen die Militärdiktatur, sondern gegen alle politischen Formen der Diktatur des Kapitals! Kein Bündnis mit demokratisch-oppositionellen BerufspolitikerInnen gegen das Militärregime, sondern antipolitischer Klassenkampf gegen den Staat!

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In seinen geschichtlichen Zentren, in Europa und Nordamerika, ist der Kapitalismus noch immer strukturell rassistisch und patriarchal-sexistisch, es hat aber bereits eine linksliberale Modernisierung dagegen eingesetzt, gegen die der Rechtskonservativismus und der Neofaschismus verbissen ankämpfen. Rassismus und Sexismus sind sowohl klassenübergreifend als auch klassenspezifisch. „Nachtweiße“ und Frauen sind in der Bourgeoise Europas und Nordamerikas unterrepräsentiert und das „farbige“ sowie weibliche Proletariat wird oft einer extra rassistischen und sexistischen Ausbeutung und Unterdrückung unterworfen.

Ein Kapitalismus ohne Rassismus und Sexismus wäre prinzipiell-strukturell möglich. Menschen mit „nichtweißer“ Hautfarbe und Frauen sind dann innerhalb der europäisch-nordamerikanischen Bourgeoisie nicht mehr unterrepräsentiert und als Teil des Proletariats nicht mehr rassistisch und sexistisch extraausgebeutet – wobei selbstverständlich die „normale“ Ausbeutung bleibt. Es ist auch prinzipiell möglich, dass die feministische Modernisierung des Kapitalismus die biosozialen Reproduktionstätigkeiten gleichmäßiger auf die Schultern von Männern und Frauen verlagert. Aber das wird wohl kaum etwas daran ändern, dass die Bourgeoisie den Großteil der Tätigkeiten auch zu ihrer biosozialen Reproduktion dem privat dienenden Lohnabhängigen – dem modernen Dienstpersonal – aufhalst. Egal, wie weit die linksliberale Modernisierung des Kapitalismus gehen kann, SozialrevolutionärInnen werden mit Sicherheit nicht zu ihrem kleinbürgerlichen Schwanz gehören. Sie stellen der bürgerlichen Frauenemanzipation im Rahmen der kapitalistischen Klassenspaltung den revolutionären Kampf gegen das kapitalistische Patriarchat gegenüber. Und der liberalen Gleichberechtigung der Hautfarben im Kapitalismus die klassen- und staatenlose Weltgemeinschaft.

Demgegenüber sind die kleinbürgerlich-klassenübergreifenden BürgerInnenrechtsbewegungen diskriminierter „nichtweißer“ Bevölkerungsteile (zum Beispiel die afroamerikanische und die der UreinwohnerInnen in den USA) als auch die verschiedenen Frauenbewegungen objektiv Teil der linksliberalen Modernisierung des Kapitalismus. Die linksliberale Identitätspolitik, die im modernen Antirassismus und Antisexismus zum Ausdruck kommt, vergisst bei dem klassenübergreifen Charakter von Rassismus und Sexismus oft deren Klassenspezifik. Gerade darin zeigt sich ihr kleinbürgerlich-sozialreaktionärer Charakter. Nicht von ungefähr ist das mit Absicht klassenneutrale Feindbild der linksliberalen Identitätspolitik, der „alte, weiße Mann“, Projektionsfläche eines Konkurrenzchauvinismus. Die jungen, „farbigen“ Damen aus Bourgeoisie und KleinbürgerInnentum neiden den „alten weißen Männern“ die politische und wirtschaftliche Macht. Ihre „nichtweiße“ Hautfarbe und ihr weibliches Geschlecht ist bei ihnen das spezifische Kostüm im Konkurrenzkampf aller gegen alle. Selbstverständlich sind die jungen „nichtweißen“ Damen der Bourgeoisie genauso strukturelle Klassenfeindinnen des multikulturellen, multinationalen und geschlechterübergreifenden Weltproletariats wie die „weißen alten Männer“ dieser herrschenden Klasse.

Über den sozialreaktionären Charakter des „schwarzen“ Nationalismus/Rassismus haben wir schon im Kapitel I.12 geschrieben. Zeigen wir kurz die reaktionären Tendenzen des Mittelstandsfeminismus auf. Zum Beispiel sind Teile der Frauenbewegung männer- und Transgenderfeindlich – letztere werden als „Männer in Frauenkleidern“ abqualifiziert. „Wie weit die Annäherung von Teilen der lesbisch-feministischen Bewegung an rechte Organisationen geht, wird am Beispiel von Julia Beck deutlich. (…) In den USA ist sie eine der wichtigsten Stimmen im Kampf gegen die Rechte von Transpersonen. Seit kurzem lebt sie in Berlin. In den Vereinigten Staaten hat sie zusammen mit der Woman‘s Liberation Front (Wolf) mehrere Kampagnen gegen die Liberalisierung von Transrechten unter der Regierung von Barack Obama durchgeführt. 2019 nahm sie an einer Veranstaltung der Heritage Foundation teil. Die 1973 unter Ronald Reagan gegründete konservative Stiftung hat sich in den vergangenen Jahren auch immer wieder durch ihre Unterstützung antikommunistischer Bewegungen hervorgetan.“ (Janka Kluge, Lesbenfrühling ohne Transfrauen, in: junge Welt vom 21. Mai 2021, S. 15.)

SozialrevolutionärInnen können international an größeren klassenübergreifenden Frauenbewegungen gegen soziale Diskriminierung, geschlechtsbezogene Gewalt und staatliche Repression gegen Abtreibungen teilnehmen, müssen aber immer deren kleinbürgerlichen Charakter kritisieren. Ähnliches gilt auch für größere antirassistische Bewegungen. Aber grundsätzlich gilt: ProletarierInnen können ihre rassistische und/oder sexistische Extraausbeutung nicht im Rahmen von klassenübergreifenden Antirassismus-/Antisexismus-Bewegungen überwinden. Da wo zum Beispiel der Frauenstreik nicht nur symbolisch ist, sondern in wirklichen Arbeitsniederlegungen zum Ausdruck kommt, beruht er auch auf der Solidarität ihrer männlichen Kollegen (siehe Kapitel II.11). In solchen Frauenstreiks wird auch deutlich, dass der proletarische Klassenkampf perspektivisch zum Gravitationszentrum des sozialen Widerstandes werden kann.

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Der militärische Konkurrenzkampf zwischen den kapitalistischen Nationalstaaten erzeugt ein unermessliches Leid innerhalb der kleinbürgerlich-proletarischen Zivilbevölkerung. Dagegen richtet sich die kleinbürgerliche Friedensbewegung, die aber in ihrer Mehrheit nicht wirklich die Ursachen des imperialistischen Krieges bekämpft: die kapitalistische Produktionsweise und die bürgerlichen Nationalstaaten. Dabei darf mensch ein paar Sprüche gegen den Kapitalismus nicht mit einer klaren antikapitalistischen Positionierung verwechseln. Die Mehrheit der Friedensbewegung stellt dem imperialistischen Krieg den bürgerlichen Frieden als Scheinalternative gegenüber. Doch der bürgerliche Frieden zwischen den Staaten ist lediglich eine nichtmilitärische Form des Konkurrenzkampfes. Bürgerlicher Frieden trägt in sich den imperialistischen Krieg wie die Wolke den Regen. Bürgerlicher Frieden ist nur hochgerüstet zu haben. Gerade die zwei Kalten Kriege zeigen zudem, dass Frieden und Krieg keine starren Gegensätze sind, sondern fließend ineinander übergehen. Der kleinbürgerliche Pazifismus tritt für eine Abrüstung der Staaten und für deren friedliche Kooperation ein, also bei deren Weiterexistenz. Es kann aber nur eine wirksame Abrüstung geben: Die Zerschlagung aller Nationalstaaten durch das sich selbst revolutionär aufhebende Weltproletariat. Dagegen ist die friedliche Kooperation der Nationalstaaten – also der strukturellen Klassenfeinde des Proletariats – nur eine besondere Form des kapitalistischen Klassenkrieges.

Während die Frauen- und die antirassistischen BürgerInnenrechtsbewegung zwar klassenübergreifend sind, eint sie jedoch noch durch den patriarchal-sexistischen und rassistischen Charakter des Kapitalismus die sozial bedeutsamen Gemeinsamkeiten wie Geschlecht oder Hautfarbe. Bei der Friedensbewegung ist das nicht so. Einzig der Abscheu gegen den Krieg und die Verklärung des bürgerlichen Friedens hält die Bewegung zusammen. Sie ist also durch und durch kleinbürgerlich. SozialrevolutionärInnen stellen der kleinbürgerlichen Friedensbewegung den proletarischen Klassenkampf gegen den Kapitalismus gegenüber. So streikten zum Beispiel in den USA am 1. Mai 2008 an der Westküste 25.000 HafenarbeiterInnen gegen den Irakkrieg Washingtons. Stimmt schon, das war mehr eine symbolische Aktion. Um imperialistische Kriege wirklich zu verhindern oder zu beenden, ist ein unbefristeter branchenübergreifender Erzwingungsstreik notwendig. Und um den bürgerlichen Frieden als Quelle des imperialistischen Krieges zum Versiegen zu bringen, ist eine globale soziale Revolution erforderlich. Klar, noch wird der Klassenkampf reproduktiv im Rahmen des Kapitalismus geführt, aber er hat revolutionäre Tendenzen und Potenzen, was mensch von der kleinbürgerlich-pazifistischen Bewegung nicht behaupten kann.

Friedensbewegungen können nur dann eine Massenbasis bekommen, wenn die Bedrohung durch einen möglichen Krieg stark empfunden wird, wie zum Beispiel in der BRD in den 1980er Jahren durch die Aufstellung von Atomraketen während des ersten Kalten Krieges. Oder wenn der imperialistische Krieg mit starken Verlusten an SoldatInnen der „eigenen“ Nation verbunden ist, wie zum Beispiel das von Washington organisierte Gemetzel in Vietnam.

Ähnlich wie die Friedens- ist auch die Umweltbewegung klassenübergreifend-kleinbürgerlich. Sie kann dort einen größeren Umfang annehmen, wo kapitalistische Unternehmen oder die Staaten als politische Gewaltapparate menschen- und mitweltfeindliche Maßnahmen durchsetzen wollen, zum Beispiel den Bau von Kohle- und Atomkraftwerken oder von Pipelines. In solchen konkreten Situationen können auch proletarische RevolutionärInnen an einer klassenübergreifenden und damit objektiv kleinbürgerlichen Umweltbewegung teilnehmen, um diese ein wenig zu radikalisieren, aber in der institutionalisierten Umweltbewegung haben sie nichts zu suchen. Die progressivsten Kräfte der Umweltbewegung müssen lernen, sich grundsätzlich auf den proletarischen Klassenkampf als potenziellen Gravitationskern des sozialen Widerstandes zu orientieren.

SozialrevolutionärInnen machen grundsätzlich deutlich, dass die klassenübergreifende Umweltbewegung aus sich heraus die permanente ökosoziale Krise, die von der kapitalistischen Produktionsweise produziert wird, nicht lösen wird. Große Teile der Umweltbewegung glauben, wenn sie nur genügend Druck auf die BerufspolitikerInnen ausüben, diese dann wichtige Schritte gegen den Klimawandel unternehmen würden. Doch der Klimawandel wurde durch die Verbrennung von fossilen Energieträgern hervorgerufen. An dieser Energiestruktur hängen starke Kapitalinteressen, weshalb die Staaten als ideelle Gesamtkapitalisten nur langsam gegensteuern – durch die Förderung erneuerbarer Energien (Wind- und Sonnenenergie sowie die von Biomasse) und der Elektroantrieb in der Automobilindustrie als Scheinalternative. Der Kapitalismus hat das Zeug dazu, die ökosoziale Krise lebensbedrohlich zu verschärfen, aber nicht sie zu lösen. Die ökosoziale Krise kann nur von einer klassen- und staatenlosen Weltgemeinschaft vielleicht gelöst werden. Doch diese klassen- und staatenlose Weltgemeinschaft kann nur möglicherweise durch die globale soziale Revolution entstehen, die wiederum nur als eine extreme Radikalisierung des Klassenkampfes möglich ist.

Klar, solange die Mehrheit des Proletariats noch mehrheitlich ein reproduktiv-sozialreformistisches Bewusstsein hat, verteidigen auch viele Lohnabhängige ihre umweltschädlichen Ausbeutungsplätze – einfach, weil das „unproduktive“ Elend der Erwerbslosigkeit von ihnen noch drückender wahrgenommen wird als das produktive der Lohnarbeit. Große Teile der Umweltbewegung reagieren darauf, dass sie eine umweltfreundliche Umgestaltung der kapitalistischen Produktionsweise fordern. Proletarische RevolutionärInnen treten dem gegenüber für eine Überwindung der kapitalistischen Produktionsweise ein. Diese Produktionsweise kann aber nur von innen, durch die revolutionäre Selbstaufhebung des Proletariats überwunden werden.

Diese sozialrevolutionäre Perspektive muss dem sozialreformistischen Green New Deal (GND) entgegengesetzt werden. Das Feld der GND ist mit verschiedenen Pflanzen der Ideologieproduktion bewachsen. Für den Mainstream ist es nur ein neues Jobparadies mit tarifvertraglich ausgehandelten Löhnen in der Branche der erneuerbaren Energieerzeugung. Auf das die kapitalistische Ausbeutung der Lohnarbeit grün wird! Matthias Martin Becker schrieb darüber: „Das US-amerikanische Sunrise Movement, eine Initiative der Klimagerechtigkeitsbewegung, fordert ,Klimajobs‘: sichere Arbeitsplätze im Energiesektor, die nach gewerkschaftlichen Tarifen bezahlt werden, und gleichzeitig die Umstellung auf Erneuerbare vorantreiben. So sollen die Beschäftigten im fossilen Energiesektor überzeugt werden, die bisher über deutlich bessere Einkommen und Arbeitsbedingungen verfügen als die bei den Erneuerbaren. Die Infrastruktur soll insbesondere der ärmeren Bevölkerung zugutekommen, in Form günstigerer Stromtarife und energetisch sanierte Sozialwohnungen.“ (Matthias Martin Becker, Klima, Chaos, Kapital. Was über den Kapitalismus wissen sollte, wer den Planeten retten will, PapyRossa Verlag, Köln 2021,S. 148.) Da der GND nur den Kapitalismus praktisch-geistig reproduzieren kann, muss er von SozialrevolutionärInnen kompromisslos bekämpft werden.

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Noch immer herrscht mehr oder minder repressiv in den meisten Staaten der Welt die heterosexuelle Normierung. Dagegen entwickelte sich die klassenübergreifende und damit notwendig kleinbürgerliche soziale Protestbewegung der Homo-, Bi-, Trans- und Intersexuellen (LGBT). Notwendig kleinbürgerlich ist diese Bewegung, weil alle Menschen jenseits der Bourgeoisie – also auch die ProletarierInnen – kleinbürgerliche Markt- und Politsubjekte sind. Nur im kollektiven Klassenkampf kann das Proletariat potenziell seine kleinbürgerlichen Tendenzen überwinden. Diese Überwindung kann jedoch nicht bei einer klassenübergreifenden Organisierung von Menschen aufgrund ihrer von der heterosexuellen Normierung abweichenden sexuellen Orientierung oder individuellen Geschlechtsidentität erfolgen. Diese Menschen können zusammen nur eins fordern: das Ende ihrer Diskriminierung durch den Staat und dass ihre Bedürfnisse in Form von Rechten auf Anderssein jenseits der heterosexuellen Normierung staatlich anerkannt werden. Trotz teilweise militanter Kämpfe von Teilen dieser Bewegung gegen den politischen Gewaltapparat, kann diese niemals auf sich allein gestellt den politischen Gewaltapparat zerschlagen. Der Staat kann die LGBT-Bewegung grundsätzlich integrieren, indem er alle individuellen Geschlechtsidentitäten und auch nichtheterosexuelle Lebensformen absolut anerkennt und diese Anerkennung sich auch in der herrschenden Ethik vollständig durchsetzt. Dies ist prinzipiell möglich – auch wenn dabei große Widerstände zu überwinden sind. Weil dies mit der kapitalistischen Produktionsweise nicht unvereinbar ist.

Ihre Höhepunkte erlebt die LGBT-Bewegung in bunten Straßendemonstrationen am Christopher Street Day (CSD), auf denen die Menschen ihre sexuelle Orientierung und individuelle Geschlechtsidentität jenseits der heterosexuellen Normierung demonstrieren. „Seinen Ursprung hat der CSD im Jahr 1969. Damals in den frühen Morgenstunden des 28. Juni, hatten sich Schwule, Lesben und Dragqueens gegen eine Serie brutaler Übergriffe durch die Polizei gewehrt. Infolge einer Reihe von Angriffen der Beamten auf die in der New Yorker Christopher Street gelegene Bar ,Stonewall Inn‘ kam es zu heftigen Straßenschlachten mit Betroffenen, die sich erstmals militant der staatlichen Repression widersetzten.“ (Markus Bernhardt, Vor großen Herausforderungen, in: junge Welt vom 2. Juli 2021, S. 15.)

Am Beispiel der LGBT-Bewegung lässt sich auch sehr gut der Unterschied zwischen rechter und mittig-linker Fraktion des Kapitals in den USA verdeutlichen. Donald Trump, der Repräsentant der rechten Fraktion des Kapitals, machte als US-Präsident im Februar 2017 eine Regelung seines mittigen Vorgängers, Barack Obama, rückgängig, die es Transgendern in Schulen und Universitäten freistellte, welche Toiletten und Umkleideräume sie benutzten. Als der Repräsentant der mittig-linken Fraktion des Kapitals, Joe Biden, im Januar 2021 neuer US-Präsident wurde, unterzeichnete er noch im ersten Monat seiner Amtszeit ein Dekret, dass jungen Transgender erlaubte, deren eigetragenes Geschlecht männlich ist, die sich aber als Mädchen fühlen, beim Sport gegen biologische Mädchen anzutreten. Außerdem machte Biden ebenfalls in diesem Monat den von Trump durchgesetzte Ausschluss von Trans-Menschen vom US-Militär rückgängig.

An diesen Beispielen wird deutlich, dass die Diskriminierung von Transgendern und die kapitalistische Ausbeutung von Lohnarbeit in bürgerlichen Staaten zwei völlig verschiedene Dinge sind. Die erste kann in bürgerlichen Staaten vollständig aufgehoben werden, während sie grundsätzlich auf der kapitalistischen Ausbeutung der Lohnarbeit beruhen. Die politisch mittig-linke Fraktion des US-Nationalkapitals ist in der Lage, die LGBT-Bewegung zu integrieren, während die rechte sie weiter gegen sich aufbringt.

Perspektivisch, von der Möglichkeit seiner revolutionären Zuspitzung her, ist der proletarische Klassenkampf auch die einzige soziale Bewegung, die sexuelle Befreiung erkämpfen kann. Früher wurde die Sexualität unterdrückt, heute wird sie im hochentwickelten Kapitalismus vermarktet. In der Peripherie des Kapitalismus, wie zum Beispiel in Russland wird Homosexualität noch immer unterdrückt. Die Begrenzung – auch des heterosexuellen – Sexualtriebes passte zum Frühkapitalismus, als das Kapital ursprünglich angehäuft wurde. Geld vermehren, nicht vögeln! Ab einer bestimmten Fettschicht der Kapitalvermehrung – im Westen war das nach dem Zweiten Weltkrieg – wurde dann auch der Massenkonsum zur Quelle der Kapitalvermehrung. Ab den 1970er Jahren wurde auch die Sexualität vermarktet. Der Frauenkörper wurde zur Wichsvorlage. Sexualität wurde vom Tabuthema zur Ware. Die gleiche Entwicklung brachte jedoch auch eine Liberalisierung und eine gewisse Aufweichung der heterosexuellen Normen mit sich. Sexuelle Toleranz wurde ein Markenzeichen der ökolinksliberalen Fraktion des Kapitals. Ein Beispiel dafür, dass innerkapitalistischer „Fortschritt“ untrennbar mit der allgemeinen Zivilisationsbarbarei dieser Gesellschaft verbunden ist. Auch das Proletariat litt und leidet sowohl unter der frühkapitalistischen Unterdrückung als auch der kulturindustriellen Vermarktung der Sexualität. SexarbeiterInnen sind Teil des Proletariats. Und es gibt auch ProletarierInnen, die von der heterosexuellen Norm abweichen, die zuweilen noch sehr totalitär in Teilen der kapitalistischen Peripherie herrscht. Die revolutionäre Selbstaufhebung des Proletariats muss auch sexuelle Befreiung beinhalten.

Ein Teil der politischen Linken, der 1968erInnen, dachte das vorrangige Beschäftigen mit der Sexualität sei subversiv, doch sie war nur die Selbstvermarktung des kleinbürgerlichen Individuums. Seine sexuelle Identität ist Teil seines unverwechselbaren Kostüms, in dem er in den Massenszenen mitspielt. Die Identitätspolitik macht ein Riesentamtam aus den von der heterosexuellen Familie abweichenden Formen des Zusammenlebens. Sie kultiviert geradezu die Abweichung. Linksintellektuelle KleinbürgerInnen machen Politik für die von der herrschenden Norm abweichenden Formen von Sexualität, Geschlecht und Hautfarbe. Während sich die neoliberalen KleinbürgerInnen sozial und kulturell darum balgen, wer der/die erfolgreichste unter ihnen ist, streiten sich ihre linksidentitären Klassengeschwister darum, wer die Unterdrücktesten sind. Eine Kultivierung der Benachteiligung und Unterdrückung. Und des kleinbürgerlichen Individualismus. Das linksidentitäre Klagelied lautet: „Ich bin ja in meiner Identität so sehr unterdrückt. Du hast eine ganz andere Identität, kannst mich also gar nicht verstehen. Schon dein Versuch, über meine Unterdrückung mit zu reden, stellt eine Nichtanerkennung meiner unterdrückten Identität dar.“

Während der Sexismus und Rassismus dem Geschlecht und der Hautfarbe eine soziale Bedeutung zuschrieben, die sie ursprünglich gar nicht hatten und erst durch das materiell werden der rassistischen und sexistischen Ideologie bekamen, kultivieren kleinbürgerlich-linksidentitäre Frauen und Farbige nun ebenfalls ihr weibliches Geschlecht und ihre dunkle Hautfarbe – aber positiv. Wo der rechte Sexismus und Rassismus ein Minuszeichen setzt, setzt die linke Identitätspolitik ein Plus. Das ist nun so ziemlich das Gegenteil davon, für eine Gesellschaft zu kämpfen, in der die biologischen Merkmale wie Geschlecht und Hautfarbe keine sozialen Rollen mehr spielen. Die linke Identitätspolitik ist nur der kleinbürgerliche Schwanz der ökoliberal-multikulturell-sexualtoleranten Fraktion der Bourgeoisie.

Linke Identitätspolitik spaltet wie rechtspolitischer „weißer“ Rassismus und „männlicher“ Sexismus“ das Weltproletariat. Der sozialrevolutionäre Universalismus als der geistig-ethische Ausdruck von der möglichen klassenkämpferisch-revolutionären Einheit des globalen Proletariats (siehe Kapitel V.6) nimmt selbstverständlich die rassistische und sexistische Extraausbeutung und -unterdrückung von „nichtweißen“ und „weiblichen“ Teilen der planetaren Klasse wahr. Es ist auch richtig, diese zu betonen. Aber es ist falsch, um „Weiblichkeit“, „nichtweiße Hautfarbe“ oder nichtheterosexueller Orientierung einen identitären Kult zu veranstalten. Schwule, heterosexuelle, männliche und weibliche, „weiße“ und „nichtweiße“ ProletarierInnen kämpfen schon im reproduktiven Klassenkampf Seite an Seite gegen Kapital und Staat. Es gilt das Einigende zu betonen, nicht das Trennende, so wie dies Rassismus, Sexismus, Heterochauvinismus und linksliberale Identitätspolitik tun.

Letztere ist für linke KleinbürgerInnen auf Selbstfindungstrip wahnsinnig wichtig, aber für ProletarierInnen, die ihre eigene Ausbeutung erkannt haben und die soziale Befreiung anstreben, ist das ein absurdes Theater. Proletarisch-revolutionäres Klassenbewusstsein ist die Verneinung der erbärmlichen bürgerlichen Identitätskultur und -politik. Revolutionäre ProletarierInnen suchen nicht nach sich selbst im individualistisch-kleinbürgerlichen Alltag, sondern finden sich im kollektiven Kampf ihrer Klasse. Proletarische RevolutionärInnen streben die Aufhebung der bürgerlichen Identität an, ihre eigene Selbstaufhebung.

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Es entwickeln sich auch kleinbürgerlich-reaktionäre Bewegungen wie zum Beispiel während der globalen Coronaviruspandemie die von deren LeugnerInnen und VerharmloserInnen sowie den ImpfgegnerInnen in Europa und in Nordamerika. Natürlich muss das Management der Staaten in der globalen COVID-19-Pandemie grundsätzlich von einem antikapitalistisch-antipolitischen Standpunkt kritisiert werden. Aber die rechtsreaktionäre Rebellion – an dessen Schwanz sich auch einige politische Linke befinden, wie zum Beispiel in Deutschland die Linksnationalistin Sahra Wagenknecht – gegen das Maskentragen, Abstandhalten und Impfen ist absolut irrational, pandemietreibend, ultraindividualistisch, sich und andere gefährdend. Es ist die Rebellion von Marktsubjekten, die die vollständige Unterwerfung unter die Ware-Geld-Beziehung für „Freiheit“ und die Mund- und Nasenbedeckung gegen COVID-19 für das „Ende der Freiheit“ halten. Die Bewegung der CoronaleugnerInnen und -verharmloserInnen sowie der ImpfgegnerInnen ist irrational-sozialreaktionärer Protest gegen sozialreaktionäre politische Gewaltapparate. Sie ist der Ausdruck einer Gesellschaft, in der die gegeneinander kämpfenden Klassen und untereinander konkurrierenden Marktsubjekte nur indirekt über die Ware-Geld-Beziehung und den Staat vergesellschaftet sind. „Ich will ohne Maske einkaufen gehen! Ich will im Urlaub die Sau rauslassen, wenn ich mir schon auf Arbeit alles gefallen lassen muss! Ich will mich nicht impfen lassen, das ist meine private Entscheidung!“ schreit das asoziale Konkurrenzindividuum, die Gefahren der Pandemie für sich selbst und andere ignorierend.

Der demokratische Staat ist grundsätzlich der Hüter dieser individualistischen Freiheitsvorstellungen von Marktsubjekten, aber in der Pandemie hat er keine andere Wahl, als diese ein wenig und inkonsequent einzuschränken, um die Leichenproduktion nicht gar so groß werden zu lassen. Klar, Notstandsmaßnahmen von Staaten sind etwas anderes, als kollektiv und solidarisch durchgesetzte Sicherheitsvorkehrungen – doch dazu ist eine Klassengesellschaft grundsätzlich nicht fähig. Und dass der Staat die Notstandsmaßnahmen gegen das Coronavirus dazu nutzt, um grundsätzlich seine Macht auszubauen, ist auch klar. Klassenkämpferische ProletarierInnen halten räumlichen Abstand, tragen eine Mund-Nasen-Bedeckung und lassen sich impfen, nicht weil der Staat das so will, sondern weil es medizinisch zweckmäßig ist. Sie kämpfen gegen die reale Diktatur des Kapitals, aber nicht gegen eine eingebildete „Impfdiktatur“, wobei auch sie aus antipolitischen Gründen eine staatliche Impfpflicht ablehnen. Proletarische RevolutionärInnen kämpfen gegen den Staat, verteidigen aber nicht die ökonomische und politische Freiheit in dessen Rahmen.

Aber diese kleinbürgerlich-reaktionäre Massenbewegung von Amok laufenden Marktsubjekten – einschließlich der ProletarierInnen, die als MitläuferInnen in solchen Bewegungen nichts als kleinbürgerliche IndividualistInnen sind –, die militant ihre Freiheit verteidigen, Fakten zu ignorieren und damit zur Gefahr für sich selbst und andere zu werden, ist ein gefährlicher Ausdruck der demokratisch-faschistischen Sozialreaktion, in der asozialer Konkurrenzindividualismus, Ultranationalismus und Irrationalismus sich mischen. NeofaschistInnen sind sowohl in Europa als auch in den USA Teil dieser Bewegung. Und sie ist militant. So besetzte sie im April 2020 das Kapitol des US-Bundesstaates Michigan, um die „Freiheit“ gegen staatliche COVID-19-Beschränkungen zu verteidigen. Und terrorisierte Kommunen durch „Bürgerwehren“. Auch in Deutschland ist diese Bewegung teilweise sehr gewalttätig. In Berlin stürmte am 29. August 2020 der rechtsnationalistische Teil der Bewegung von CoronaleugnerInnen und VerharmloserInnen den Reichstag. Beim Aufeinanderprallen dieser kleinbürgerlichen Bewegung mit dem Staat trifft reaktionäres Pack auf reaktionäres Pack. Die linksbürgerlichen Gegendemonstrationen gegen die „QuerdenkerInnen“ in Deutschland sind bieder-staatstragend und antifaschistisch-beschränkt mit ein paar Tropfen sozialreformistischer Ideologie verrührt.

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6. Sozialdemokratische Parteien https://astendenz.blackblogs.org/2024/03/23/6-sozialdemokratische-parteien/ https://astendenz.blackblogs.org/2024/03/23/6-sozialdemokratische-parteien/#respond Sat, 23 Mar 2024 23:53:52 +0000 https://astendenz.blackblogs.org/?p=189 Unter der globalen Sozialdemokratie verstehen wir im weitesten Sinne jene Strömung, die historisch gesehen aus dem politischen Flügel der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung entstanden ist und einen parlamentarischen Sozialreformismus betreibt. Wir unterscheiden zwischen einer radikalen Sozialdemokratie, die in Worten „antikapitalistisch“ auftritt, aber deren parlamentarisch-sozialreformistische Praxis nur die bürgerliche Politik und die kapitalistische Warenproduktion reproduzieren kann und einer offen prokapitalistischen. So haben einige heutige sozialdemokratische Parteien wie zum Beispiel in Deutschland die SPD und Die Linke eine solche verbalradikale Vergangenheit. Während dieser trat die Sozialdemokratie für eine politische Eroberung des Staates durch das Proletariat und die Verstaatlichung der großindustriellen Produktionsmittel ein. Das war sozusagen das Maximalziel der verbalradikalen Sozialdemokratie. Dies erwies sich in der Praxis des Partei-„Kommunismus“, des Marxismus-Leninismus, der sich als radikale Abspaltung der Sozialdemokratie entfaltete und in einigen Ländern Eurasiens, Afrikas und auf Kuba die politische Staatsmacht erkämpfte, als staatskapitalistisch-sozialreaktionär. Weil sowohl Marxismus-Leninismus als auch Trotzkismus als die beiden Hauptströmungen des Parteimarxismus geschichtlich aus der Sozialdemokratie stammen und weiterhin parlamentarischen Sozialreformismus betreiben – die sie mit einer mehr oder weniger radikalen Rhetorik verrühren – kann mensch sie durchaus als radikal-sozialdemokratisch bezeichnen. Dagegen passte und passt sich der rechte Flügel der Sozialdemokratie immer stärker an den Privatkapitalismus an und verbürgerlichte total – das heißt, er legte die verbale Radikalität ab wie eine zu eng gewordene Jacke.

Insgesamt reproduzieren sowohl die „gemäßigte“ als auch die radikale Sozialdemokratie – einschließlich des Marxismus-Leninismus und des Trotzkismus – die Klassenspaltung in Form von bürgerlich-bürokratischen Parteiapparaten aus hauptamtlichen FunktionärInnen sowie BerufspolitikerInnen und -ideologInnen auf der einen und einer weitgehend machtlosen kleinbürgerlich-proletarischen Basis als Manövriermasse auf der anderen Seite. Die Sozialdemokratie nimmt an der Formierung des Wahlvolkes teil, welches die regierenden und systemloyal opponierenden politischen Charaktermasken der Nationalkapitale per Stimmzettel ermächtigt. SozialrevolutionärInnen müssen besonders die radikale Sozialdemokratie hart bekämpfen, weil sie unter der Absonderung „antikapitalistischer“ Phrasen durch ihre reformistische Praxis nur den Kapitalismus reproduziert, ja zum linken Flügel des Kapitals gehört. Die radikale Sozialdemokratie ist in der Lage noch vorbewusste antikapitalistische Instinkte – besonders bei jungen Menschen – zu absorbieren und in politische Kanäle zu lenken, die letztendlich den globalen Kapitalismus nicht gefährden. So sehr die rechte Fraktion des Kapitals auch gegen die Sozialdemokratie hetzen mag, sie ist Fleisch vom Fleische des Kapitalismus.

Sozialdemokratische Parteien waren und sind sowohl ein Ausdruck der parlamentarisch-demokratischen Illusionen des Proletariats als auch der kapitalistischen Modernisierung. Zu Beginn des Industriekapitalismus hatten die ProletarierInnen auch in den Demokratien noch nicht das allgemeine Wahlrecht. Die unreife Bourgeoisie hatte Angst vor den ProletarierInnen als WählerInnen – am Ende wählen die noch den Kapitalismus ab! – und das unreife Proletariat entsprechende Illusionen. Die Erkämpfung des allgemeinen Wahlrechtes durch das klassenkämpferische Proletariat und die sozialdemokratischen Parteien widerlegten die unreifen Ängste und Illusionen. Der Kapitalismus ist nicht abwählbar. Aber durch das allgemeine Wahlrecht bekommt er in der Regel eine größere politische Stabilität. Der illusorische Klassenkampf für das allgemeine Wahlrecht stärkte und modernisierte den Kapitalismus.

Die klassische, im Privatkapitalismus wirkende Sozialdemokratie ist staatsinterventionistisch, auf den Sozialstaat orientiert. In Deutschland ging Bismarck durch das Sozialistengesetz zwischen 1878 und 1890 repressiv gegen die Sozialdemokratie vor, gleichzeitig schuf er aber die Sozialversicherungen, um ihr den Wind aus den Segeln zu nehmen. Ab 1891 war die SPD in ihrer Praxis eine sozialreformistische Massenpartei, die sich selbst und ihre proletarische Basis durch eine „revolutionär“-marxistische Ideologie betrog. In den anderen westeuropäischen und nordamerikanischen Ländern war das ähnlich. Die sozialdemokratischen Massenparteien schlossen sich 1889 weltweit zur „Sozialistischen Internationale“ zusammen – sie zerfiel aber im Jahre 1914, als sich die meisten sozialdemokratischen Parteien im Ersten Weltkrieg auf die Seite der jeweiligen Nationalstaaten stellten.

Schauen wir uns die Integration der SPD in den deutschen Nationalstaat etwas genauer an. Diese war das Ergebnis von zwei sich gegenseitig durchdringenden und bedingenden sozialen Lernprozessen – der Lernprozess der Bourgeoisie und deren politischem Personal auf der einen Seite und der des sozialdemokratischen Parteiapparates auf der anderen. Die Bourgeoisie lernte, dass sie mit Hilfe der Sozialdemokratie den proletarischen Klassenkampf viel besser eindämmen konnte, und die Sozialdemokratie, dass sie nur als politisches Personal der Bourgeoisie an die Staatsmacht gelangen konnte. Der sozialdemokratische Apparat wuchs bis 1914 gewaltig an und bestand in diesem Jahre aus 267 RedakteurInnen, 89 GeschäftsführerInnen, 413 Menschen des kaufmännischen und 2646 Leuten des technischen Personals. Diese Leute können wir alle als kleinbürgerliche ParteibeamtInnen betrachten. Die Parlamentarier als kleinbürgerliche Berufspolitiker kamen noch dazu. Sowohl die kleinbürgerlichen ParteibeamtInnen als auch die sozialdemokratischen Parlamentarier waren zwar nach der sozialdemokratischen Ideologie „Arbeitervertreter“, gehörten aber sozialökonomisch und sozialpsychologisch nicht zum Proletariat, sondern stellten eine sozialdemokratische Variante des KleinbürgerInnen- und KleinbürokratInnentums dar. Und wonach streben KleinbürgerInnen und KleinbürokratInnen sozialpsychologisch aufgrund ihrer Sozialökonomie ganz allgemein? Danach GroßbürgerInnen und GroßbürokratInnen zu werden, nach der Anerkennung durch die Bourgeoisie. Die Mehrheit der sozialdemokratischen KleinbürgerInnen und KleinbürokratInnen im deutschen Kaiserreich stellte da keine Ausnahme dar.

Und innerhalb der deutschen Bourgeoisie entstand im Laufe der Entwicklung bereits während des Kaiserreiches eine Fraktion, welche bereit war die Sozialdemokratie als eine ihrer politischen Strömungen anzuerkennen und zu integrieren. Die VorreiterInnen dieser Fraktion der Bourgeoisie entwickelten sich besonders in der Elektro- und in der Chemie-Industrie. Über den Verein für Sozialpolitik und die um die Jahrhundertwende gegründete Gesellschaft für soziale Reform suchte die Elektro- und Chemie-Bourgeoisie den Dialog mit Gewerkschafts- und SPD-BürokratInnen. Beide Vereine wurden von dieser Fraktion der Bourgeoisie finanziell gefördert. In der „revisionistischen“ Strömung innerhalb der Sozialdemokratie, die von Bernstein ideologisch geführt wurde, welche die sozialreformistische Praxis mit einer Ideologie ausstattete, die dieser Praxis entsprach, fand die integrative Fraktion der Bourgeoisie ihren Ansprechpartner. Das von Kautsky repräsentierte Zentrum der Partei verteidigte bis 1914 die marxistische Ideologie der Sozialdemokratie – auf dem Boden der sozialreformistischen Praxis, welche den „Revisionismus“ hervorbrachte und immer stärker machte. Als die deutsche Bourgeoisie dann 1914 den Versuch machte die bereits aufgeteilte Welt im Interesse des deutschen Imperialismus neu aufzuteilen, nutzte die Mehrheit der Sozialdemokratie dies, um sich während des imperialistischen Gemetzels auf die Seite der Nation zu stellen. Die sozialdemokratische Parlamentsfraktion stimmte für die Kriegskredite und die Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands verzichtete für die Dauer des imperialistischen Gemetzels auf jeden Streik. Die Partei- und Gewerkschaftsbürokratie schloss einen Burgfrieden mit der Bourgeoisie und führte einen heftigen Klassenkrieg von oben gegen das Proletariat. Während der revolutionären Nachkriegskrise in Deutschland (1918-1923) stellten sich SPD und Gewerkschaften fest auf die Seite der deutschen Bourgeoisie. Die SPD verbündete sich mit der militärischen Konterrevolution und ging blutig gegen das revolutionäre Proletariat vor. Eine folgerichtige Entwicklung war zu ihrem Ende gekommen. Diese hatte mit „Verrat“ nicht das Geringste zu tun. Ein bürgerlich-bürokratischer Apparat, Fleisch vom Fleische des Kapitalismus, vertrat konsequent seine Interessen gegen das klassenkämpferisch-revolutionäre Proletariat.

Bereits im Kaiserreich gab es schon Ansätze einer radikalen Kritik an der Sozialdemokratie, die sowohl von innen als auch von außen geübt wurde. Diese Kritik können wir in eine anarchistische und eine radikalmarxistische unterteilen. Mit der anarchistischen Kritik an der Sozialdemokratie beschäftigen wir uns im Kapitel III.3. Schauen wir uns hier die radikalmarxistische Kritik genauer an. Interessant ist in dieser Hinsicht die radikale Kritik, die während der 1890er Jahre an der SPDvon den „Jungen“ formuliert wurde. Diese waren radikalmarxistische Oppositionelle innerhalb der SPD um 1890, die sich am zentralistisch-autoritären Parteiaufbau und am parlamentarischen Sozialreformismus stießen. Interessant ist, dass die „Jungen“ bereits auf dem SPD-Parteitag von 1891, auf dem das kautskyanisch-marxistische Programm beschlossen wurde, über die Sozialdemokratie feststellten: „Die ganze Bewegung ist verflacht und zur puren Reformpartei kleinbürgerlicher Richtung herabgesunken.“ (Protokoll über die Verhandlungen des Parteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, abgehalten zu Erfurt vom 14.-20. Oktober 1891, Berlin 1891, S. 74.) Damit wurde schon sehr früh alles gesagt. Doch auch der Hauptideologe des damaligen Marxismus, Friedrich Engels, bekämpfte die radikalmarxistischen „Jungen“, was alles über dessen ideologische Verknöcherung und Versumpfung aussagt. Unser nachmarxistischer und nachanarchistischer Kommunismus steht eindeutig auch in der Tradition der „Jungen“.

Da die Sozialdemokratie unvereinbar mit einem radikal antiparlamentarischen Marxismus war und ist, wurden die Jungen 1891 aus der SPD geworfen. Sie gründeten im November 1891 die Vereinigung Unabhängiger Sozialisten. Doch den „Jungen“ gelang zwar eine scharfe materialistische Kritik an der Sozialdemokratie und ihre Ablehnung des Parlamentarismus war auch sehr bedeutend, aber ihnen gelang nicht die Ausformulierung einer klaren sozialrevolutionären Alternative. Das war in der damaligen vorrevolutionären Zeit auch nicht möglich. So wandte sich ein großer Teil der „Jungen“ dem Anarchismus zu, der ebenfalls auch grundsätzlich nicht dazu in der Lage war eine theoretische und praktische sozialrevolutionäre Alternative zur Sozialdemokratie zu begründen. Der marxistische Flügel der „Jungen“ brach zusammen. Die Zeit war für einen marxistischen Antiparlamentarismus einfach noch nicht reif. Denn der radikale Marxismus war wesentlich stärker als der Anarchismus die geistige Verarbeitung von Klassenkampferfahrungen. So konnte der radikale Marxismus nur im verschärften Klassenkampf der revolutionären Nachkriegskrise wachsen und gedeihen – um dann nach dem Sieg der Konterrevolution wieder dahin zu schmelzen und zu degenerieren…

Die radikalmarxistischen Intellektuellen Rosa Luxemburg und Anton Pannekoek, die am Ende des 19. Jahrhunderts/Anfang des 20. Jahrhunderts am linken Flügel der Sozialdemokratie wirkten, waren nicht so radikal wie die „Jungen“. Sie kritisierten zu dieser Zeit nicht prinzipiell den parlamentarischen und gewerkschaftlichen Sozialreformismus, sondern nur deren opportunistischsten Auswüchse.

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4. GenossInnenschaften und selbstverwaltete Betriebe https://astendenz.blackblogs.org/2024/01/29/4-genossinnenschaften-und-selbstverwaltete-betriebe/ Mon, 29 Jan 2024 01:33:37 +0000 https://astendenz.blackblogs.org/?p=176 GenossInnenschaften sind kleinbürgerlich-kollektive Formen der Warenproduktion. Sie gehen im Privatkapitalismus nahtlos in Kapitalgesellschaften über. Der utopische Sozialismus hatte zu Beginn des 19. Jahrhunderts große Illusionen in GenossInnenschaften. Der bürgerliche Sozialreformist Robert Owen sowie seine kleinbürgerlichen und proletarischen AnhängerInnen sahen in den GenossInnenschaften einen Weg die kapitalistische Ausbeutung zu überwinden. Noch heute sehen verschiedene anarchistische und marxistische IdeologInnen in GenossInnenschaften eine Form der Vergesellschaftung der Produktionsmittel – im Rahmen von Warenproduktion und Staat. Vielleicht können einige Menschen in Form von GenossInnenschaften ein angenehmeres Leben führen als sie es als Lohnabhängige in einem „normalen“ kapitalistischen Betrieb führen könnten – aber die GenossInnenschaften können nur eine Nische innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft sein, aber keine gesamtgesellschaftliche Alternative zu dieser, die sie wirklich aufhebt.

Auch im entwickelten Industriekapitalismus führten verschiedene Belegschaften von Betrieben, die von ihren kapitalistischen EigentümerInnen geschlossen werden sollten, diese unter kollektiver Regie als „selbstverwaltete Betriebe“ weiter. Klar, innerhalb des Kapitalismus sind solche „selbstverwalteten Betriebe“ besser als die Arbeitslosigkeit. Aber diese Betriebe sind nicht wirklich „selbstverwaltet“, sondern vom kapitalistischen Markt organisiert, für den sie Produkte und Dienstleistungen liefern müssen, um überleben zu können. Außerdem können sie nur im Rahmen staatlicher Gesetzlichkeit fungieren. „Selbstverwaltete Betriebe“ stellen also keine wirkliche Alternative zum Kapitalismus dar, sie reproduzieren die Ware-Geld-Beziehung innerhalb des Staates. SozialrevolutionärInnen müssen diese Grenzen der „selbstverwalteten Betriebe“ klar erkennen und benennen und scharf jenen Sozialreformismus kritisieren, die diese zur angeblichen „Alternative zum Kapitalismus“ hochstilisieren.

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Wir schrieben bereits im Kapitel I.7 wie die anarchosyndikalistische Gewerkschaft CNT das innerkapitalistische Gemetzel des spanischen BürgerInnenkrieges (1936-1939) mit organisierte, während wirkliche SozialrevolutionärInnen beide kriegführende Seiten, also sowohl die putschenden Generäle unter Franco als auch das antifaschistische Volksfront-Regime bekämpfen mussten. Die sozialreaktionären CNT-Bonzen traten stattdessen in die Volksfront-Regierung ein. Dies wird auch heute von einigen anarchosyndikalistischen IdeologInnen als „Fehler“ bezeichnet – was für eine Verniedlichung! Aber auf ihre „Kollektivierungen“ während des spanischen BürgerInnenkrieges sind die AnarchoideologInnen noch heute verdammt stolz und erzählen über diese einen Haufen schmutziger Lügen.

Die Wahrheit: Die CNT organisierte auf „kollektivistische“ Weise den Kapitalismus, als viele PrivatkapitalistInnen ins Lager der putschenden Generäle geflohen waren und das klassenkämpferische Proletariat in größte Wallung geraten war. Die CNT war also zu Beginn des Militärputsches eine verdammt wichtige Konterrevolutionärin, die das reaktionäre Volksfront-Regime durch „Kollektivierungen“ im Rahmen von Staat und kapitalistischer Warenproduktion am Laufen hielt. Wir SozialrevolutionärInnen kritisieren diese „Kollektivierungen“ ganz klar als Anarchokapitalismus, während die republikanisch-stalinistische Konterrevolution in ihrem Verlauf bestrebt war diese anarchokapitalistischen Experimente zu beenden und das Privateigentum an den Produktionsmitteln wieder herzustellen. So erforderte der konsequente Schutz des Privateigentums an Produktionsmitteln die konterrevolutionäre Frontstellung gegen den CNT-Anarchokapitalismus.

Besonders in der Landwirtschaft ging die CNT gegen den Großgrundbesitz vor – um dann die Landbevölkerung in Form von „Kollektiven“ im Interesse des kapitalistisch-antifaschistischen Krieges auszubeuten. Die StalinistInnen, die selbst in der UdSSR eine brutale Zwangskollektivierung durchgezogen hatten, waren während des spanischen BürgerInnenkrieges die Avantgarde einer nicht weniger brutalen Zwangsentkollektivierung. Sie organisierten privatbesitzende BäuerInnen in der Gewerkschaft UGT – die sie auch sonst immer erfolgreicher unterwanderten – gegen die kleinbürgerlich-kollektive Warenproduktion. Besonders in Aragon, wo die CNT sehr stark war, ging die stalinistische Konterrevolution im August 1937 massiv gegen die kleinbürgerlichen Kollektive vor. Landwirtschaftliche Kollektive, Unternehmen unter gewerkschaftskapitalistischer UGT/CNT-Kontrolle und Genossenschaften in den Städten wurden vom republikanisch-stalinistischen Block massiv zerstört. So wurden die anarchokapitalistischen Experimente in der Fleisch- und Molkereiwirtschaft in Katalonien im Juni 1937 beendet und die Betriebe den früheren PrivateigentümerInnen zurückgegeben.

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Wir wollen uns hier mit kollektiven Formen der Agrarproduktion im Rahmen von Klassengesellschaften auseinandersetzen, weil diese ebenfalls von vielen sozialreformistischen IdeologInnen – sowohl von marxistischen als auch anarchistischen – idealisiert werden. Auch nachdem sich der Urkommunismus in die verschiedenen Klassengesellschaften transformiert hatte, blieben teilweise gewisse kollektive Formen des Eigentums, der Produktion und des Konsums in der Landwirtschaft bestehen. Zum Beispiel hielt sich im zaristischen Russland die alte Dorfgemeinde – bis sie von den kapitalistischen Agrarreformen nach der niedergeschlagenen Revolution von 1905 zerstört wurde. Einige MarxistInnen, LinksnationalistInnen und andere politische Wirrköpfe idealisieren diese Reste des gemeinschaftlichen Eigentums in der Agrarproduktion innerhalb von Klassengesellschaften als „Agrarkommunismus“. Wir betonen demgegenüber, dass dieser Begriff eine Idealisierung des Gemeinschaftseigentums darstellt. Wenn die Gemeinschaft durch soziale Ungleichheit und die Herausbildung von Klassenherrschaft geprägt ist, ist diese und ihr Eigentum nicht mehr kommunistisch.

Wir wollen diesen „Agrarkommunismus“, wie er in Form der Allmende im deutschen Feudalismus weiterbestand, analysieren und kritisieren. Wir haben bereits im Kapitel I.2 die militärische Demokratie der GermanInnen als sich auflösenden Urkommunismus beziehungsweise sich entwickelnde Klassengesellschaft beschrieben. Im 5. und 6. Jahrhundert wurde bei einigen germanischen Stammesverbänden – so auch bei den Franken – das Gemeinschaftseigentum an Ackerland aufgehoben. Es wurde Privateigentum (Allod). Im Gegensatz dazu blieben Weide, Wald und Gewässer im Gemeinschaftsbesitz der Dörfer (Allmende). Diese Allmende entwickelte sich im Rahmen des Feudalismus und des Agrarkapitalismus.

Schauen wir uns die Transformation der Allmende im Feudalismus und sich entwickelnden Agrarkapitalismus genauer an. Die Dörfer differenzierten sich durch die feudal-kapitalistische Entwicklung immer stärker aus. Neben einem breiten bäuerlichen Mittelstand entwickelte sich auch eine Schicht von landarmen und landlosen DorfbewohnerInnen, die Lohnarbeit leisten mussten, um überleben zu können. Sie wurden Knechte und Mägde der reicheren BäuerInnen. Doch das sich herausbildende Landproletariat konnte sich nicht allein durch Lohnarbeit ernähren. Zum Lebenserhalt trug neben der Armenfürsorge der Kirche auch die Allmende als dörflicher Gemeinschaftsbesitz an Wiesen, Weiden, Wäldern und Gewässern bei. Indem die KleinbäuerInnen und das entstehende Landproletariat das Gemeinschaftseigentum und die kollektiven Rechte der Allmende nutzen konnten – zum Beispiel das Recht auf die Ährenlese nach der Ernte oder das Recht ein kleines Vieh auf der Dorfwiese zu weiden –, konnten sie sich ihre biosoziale Reproduktion sichern. Die Allmende sicherte und regulierte also die soziale Differenzierung und die sich entwickelnde kapitalistische Ausbeutung der Lohnarbeit im Dorfe. Sie war ein Rest des Urkommunismus, das bereits von der feudal-kapitalistischen Klassengesellschaft deformiert war. In ihrer Erleichterung der biosozialen Reproduktion der Dorfarmut gleicht sie dem heutigen bürgerlichen Sozialstaat. Hier schließt sich der Kreis. Große Teile der kleinbürgerlichen politischen Linken verklären sowohl den sozialreaktionären Wirkungszusammenhang der alten Allmende wie des modernen bürgerlichen Sozialstaates.

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In Bolivien bildete sich während des linksbürgerlichen Morales-Regimes (2005-2019) eine regelrechte GenossInnenschaftsbourgeoisie heraus. Die ersten GenossInnenschaften im bolivianischen Bergbausektor wurden bereits während der Weltwirtschaftskrise von 1929 gegründet. Deren Bedeutung nahm mal ab und mal zu. Während der neoliberalen Offensive der Privatbourgeoisie wurde in Bolivien im Jahre 1985 die Zerschlagung des staatlichen Bergbau-Konsortiums COMIBOL zugunsten multinationaler Konzerne beschlossen. Die entlassenen LohnarbeiterInnen gingen zuerst in die Städte und suchten dort neue Jobs. Als sie dort jedoch keine fanden, kehrten sie in die Minen zurück. Diese Rückkehr war mit Klassenkämpfen verbunden. Die neugegründeten GenossInnenschaften absorbierten einen Teil der Arbeitslosen, die der privatisierte Bergbausektor produzierte. Auch betrieben sie im Gegensatz zu den Privatinvestoren die alten und wenig profitablen Bergwerke. Durch die staatliche Legalisierung der GenossInnenschaften wurde der Klassenkampf befriedet.

Das linksreaktionäre Regime der MAS unterstützte seit 2005 die GenossInnenschaften. Aus ihren Reihen entwickelte sich eine neue Bourgeoisie. Durch die hohen Rohstoffpreise stiegen auch die bolivianischen Bergbauexporte von einem Preis von 500 Millionen US-Dollar 2006 auf über 3 Milliarden US-Dollar 2013. Aus der Produktion der Bergbauexporte stammten immerhin 30 Prozent von den GenossInnenschaften. Beim Gold waren es 71 Prozent, bei Zinn 41 Prozent, beim Silber 37 Prozent. Der von der Linksreaktion regierte Staat überantwortete seit 2008 43 Prozent der von ihm vergebenen Territoriums diesen Bergbaukooperativen. Deren Zahl verdreifachte sich von 447 im Jahr 2008 bis 2013 auf 1 400. Im letztgenannten Jahr beschäftigten sie 120 000 ArbeiterInnen, 90 Prozent der im Bergwerkssektor Tätigen. Der Staat unterstützte die GenossInnenschaften auch dadurch, dass diese nur wenig Steuern bezahlen mussten. Sie zahlten nur 4 Prozent Umsatzsteuer und lediglich ein Prozent des Produktionswerts als Konzessionsgebühr für die Ausbeutung der COMIBOL-Minen. So gingen im Jahre 2012 lediglich 44 Millionen US-Dollar ihrer Exporteinnahmen von 1,059 Milliarden an den Staat.

Die sozialen Unterschiede zwischen den bolivianischen GenossInnenschaften waren sehr ausgeprägt. Mehr als 80 Prozent der Bergbaukooperativen bestanden aus zehn bis fünfzig GenossenschafterInnen. Zwei Prozent von ihnen hatten mehr als 200 Mitglieder. Das Kapital der GenossInnenschaften war stark konzentriert und zentralisiert. So befanden sich 74 Prozent der Produktion in den Händen von 12 Prozent der Bergbaukooperativen. Dementsprechend waren auch die Gewinne sehr ungleich verteilt. Während um 2015 einige GenossenschafterInnen monatlich um die 60 000 Bolivianos – um diese Zeit etwa 8 500 Dollar – erhielten, bekamen die embryonal kapitalistisch ausgebeuteten LohnarbeiterInnen der Kooperative lediglich 1 500 Bolivianos (215 US-Dollar). Bei den großen GenossInnenschaften waren bis zu 80 Prozent der Beschäftigten LohnarbeiterInnen. Das waren schon keine kleinbürgerlich-kollektiven Formen der Warenproduktion mehr, das waren bereits kapitalistische Unternehmen! Lediglich 10 GenossInnenschaften hatten um 2015 mehr als 300 Mitglieder.

Die kapitalistischen GroßgenossInnenschaften sind sozial stark ausdifferenziert und auch von großer Ungleichheit geprägt. Lediglich formal waren alle ArbeiterInnen GenossenschafterInnen. In der Wirklichkeit existierten unterschiedliche Kategorien. So gab es vom Land kommende Hilfskräfte. Diese jobbten in den Kooperativen als SaisonarbeiterInnen, um ihr karges Einkommen aus der Agrarproduktion auszubessern. Auch unqualifizierte Arbeitskräfte wurden eine längere Zeit – manchmal Jahre – als Lohnabhängige ausgebeutet, bis sie Mitglieder der GenossInnenschaften werden konnten. Viele GenossenschafterInnen hatten TagelöhnerInnen unter Vertrag, die sie embryonal kapitalistisch ausbeuteten. So schufteten im Cerro Rico von Potosí vier HilfsarbeiterInnen für eine/n Genossenschafter/in. Der Gewinn wurde dann folgendermaßen aufgeteilt: Die GenossenInnenschafterInnen bekamen 40 Prozent, während es bei den TagelöhnerInnen 60 Prozent waren. So verdienten die TagelöhnerInnen nur etwa zwischen 700 und 1 000 Bolivianos (100-140 Dollar).

Auch gab es so genannte Zweithände, das war eine Kategorie zwischen TagelöhnerInnen und GenossenschafterInnen. Aber auch letztere waren nicht gleich. Es gab drei bis vier unterschiedliche Kategorien von ihnen. Die Rechte der GenossenschafterInnen waren ausdifferenziert und nur die oberen Kategorien hatten Anspruch auf Prämien und Zusatzzahlungen. In manchen Kooperativen übten nur wenige Mitglieder Führungsfunktionen aus.

Die Arbeit war so organisiert, dass sich die einzelnen GenossenschafterInnen ihren eigenen Platz im Stollen suchten. Diesen Platz beuteten sie dann unabhängig aus. Die GenossenschafterInnen konnten sich untereinander zusammenschließen oder Lohnabhängige einstellen und ausbeuten. Einnahmen der Kooperativen waren abhängig vom Mineraliengehalt des abgebauten Gesteins. In den größten GenossInnenschaften von Potosí widmete sich deren Management Führungsaufgaben, während die TagelöhnerInnen das Gestein abbauten. Die Führungstätigkeit im Management der Kooperativen enthielt die Möglichkeit des Aufstiegs in die Politik, zumal enge Verbindungen zur regierenden MAS bestanden. Große Kooperativen verfügten über bürgerlich-bürokratische Apparate. Diese entfalteten ihre politökonomische Macht über Büros, BuchhalterInnen, FahrerInnen, IngenieurInnen, Sicherheitspersonal und eine bessere technische Ausstattung. Auch konnten sie wegen ihres größeren Umsatzes zu besseren Preisen verkaufen. Die soziale Differenzierung innerhalb der Kooperativen war also sehr groß, sie gingen fließend in Kapitalgesellschaften über.

So entwickelte sich im linksreaktionären Regime der MAS eine GenossInnenschafts-Bourgeoisie. Diese besetzte Verwaltungsposten oder war mit dem Führungsmanagement eng verbunden. Sie kontrollierte wertvolle Mineralienvorkommen, gliederte Aufgaben aus und investierte in Technologie. Die GenossInnenschafts-Bourgeoisie eignet sich hohe Profite an. Sie handelte wie KapitalistInnen und große Wirtschaftsbosse. Diese Emporkömmlinge hatten direkte Beziehungen zu den VermarkterInnen. In einigen Fällen konnten sie auch Verträge mit ausländischen InvestorInnen zur Risikoaufteilung aushandeln.

So entwickelte sich eine neue Schicht der Bourgeoisie in Bolivien, deren Macht und Prestige auf der Kontrolle der produktiven Tätigkeit der anderen GenossInnenschafterInnen und der TagelöhnerInnen gründete. Das GenossInnenschafts-Proletariat schuftete währenddessen sehr hart – oft mit manuellen Werkzeugen – in den Minen. Indem die GenossInnenschafts-Bourgeoisie die Arbeit organisierte, eignete sie sich auch den Mehrwert an, den das Proletariat in den Kooperativen produzierte. Diese neue Schicht der herrschenden kapitalistischen Klasse kontrollierte selbstverständlich auch den GenossInnenschaftsverband Federación Nacional de Cooperativas Mineras de Bolivia (FENCOMIN), der vor dem Verfall der Rohstoffpreise etwa ein Drittel der Bergbauexporte des Landes organisierte.

Und diese GenossInnenschafts-Bourgeoisie strebte auch in die Politik, sie stärkte die linke Fraktion des bolivianischen Nationalkapitals. Eine führende Figur dieser Schicht der Bourgeoisie stellt zum Beispiel der Senator der regierenden MAS für das Departement Potosí, Efraín Condori, dar. Bevor dieser Herr sein Unwesen als linker Politbonze trieb, arbeitete er in den 1980er Jahren noch in der Mine Catavi – damals noch zum staatlichen Konsortium COMIBOL gehörend. In den 1990er Jahren wurde Condori in der GenossInnenschaft 20 de Octubre aktiv. Von dieser Kooperative wurde er schließlich zum Präsidenten gewählt. Zwischen 1998 und 2000 stieg dieser Emporkömmling zum Präsidenten des GenossInnenschaftsverbandes FENCOMIN auf. Und schließlich wurde er Politbonze der regierenden MAS. Das ist alles, was die Linksreaktion vermag: Der Aufstieg ehemaliger ProletarierInnen in die Bourgeoisie.

Eine weitere führende Figur der GenossInnenschafts-Bourgeoisie ist Pascal Huarachi. Dieser war zuerst ein StudentInnenführer, ab 1996 dann Bildungsbeauftragter der BergbaugenossInnenschaft von Chorolque. Zwischen 2002 und 2004 war der Mann ein führender Sekretär des GenossInnenschaftsverbandes FENCOMIN. In den Jahren 2005/2006 war er dessen Vorsitzender. Auch er stieg zum Senator der regierenden MAS auf. Außer den Senatoren stammten um 2015 sechs Kongressabgeordnete aus den Bergbaukooperativen. In dieser Zeit stellten sie 8 Prozent der Regierungsfraktion der linksreaktionären MAS. Auch der erste Bergbauminister von Evo Morales war ebenfalls ein früherer Vorsitzender der FENCOMIN. Dieser Verband hatte auch großen Einfluss innerhalb des Bergbauministeriums. Um 2015 herum waren mindestens zwei Genossenschafter Staatssekretäre.

Zwischen der GenossInnenschafts-Bourgeoisie als Teil der herrschenden kapitalistischen Klasse und den linken Politbonzen der MAS gab es also enge soziale Verflechtungen. Allerdings war diese auch nicht frei von Konflikten. Die Bergbaukooperativen übten teilweise Druck auf die regierenden linken BerufspolitikerInnen aus, damit diese Gesetze im Interesse der GenossInnenschafts-Bourgeoisie machten. Zum Beispiel vor den Wahlen von 2014. Da unterstützte der FENCOMIN die linke MAS erst nach der Verabschiedung eines für die GenossInnenschafts-Bourgeoisie vorteilhaften Gesetzes. Dieses 2014 verabschiedete Gesetz begünstigte den Bergbau gegenüber der Agrarproduktion. So beinhalteten die staatlich vergebenen Bergbaukonzessionen die Möglichkeit BäuerInnen zu enteignen. Auch richtet sich das Bergbaugesetz der regierenden Linksreaktion gegen die Interessen der amerikanischen UreinwohnerInnen von Bolivien. Trotz der plurinationalen Ideologie der MAS-Bonzen sind diese wie die regierende Rechtsreaktion vor ihr die politischen Charaktermasken der kapitalistischen Ausbeutung der Bodenschätze. Das Bergbaugesetz von 2014 erkannte nur drei Arten von Bergbauunternehmen an, nämlich privat- und staatskapitalistische, sowie genossenschaftliche. Wie wir weiter oben darlegten, ist der Übergang der GenossInnenschaften in Kapitalgesellschaften sehr fließend. Nach der Ansicht des Forschungszentrums Centro de Estudios para el Desarrollo Laboral y Agrario (CEDLA) zwang das Bergbaugesetz die uramerikanischen Gemeinschaften dazu „eine kapitalistische, marktorientierte Organisationsform anzunehmen, und eigene soziokollektive Strukturen aufzugeben“. (CEDLA, Ley Minera del MAS. Privatista y antiindígena, in: Boletín de Seguimiento a Polícas Públicas, Nr. 282014, S. 5, online: www.redunitas.org/CEDLA_control_ciudadano_26.pdf.)

Aus sozialrevolutionärer Sicht ist dazu zu sagen, dass diese „eigenen soziokollektiven Strukturen“ der amerikanischen UreinwohnerInnen innerhalb des bürgerlichen Nationalstaates Bolivien im besten Falle an bäuerlich-urkommunistische Traditionen anknüpfen und eine kollektiv-kleinbürgerliche Form der Warenproduktion verkörpern können. Sie können also nur weniger kapitalistisch ausgeprägt sein wie die großen Bergbaukooperativen, aber keine wirkliche nachkapitalistischeAlternative darstellen. Das linksreaktionäre MAS-Regime bekämpfte mit dem Bergbaugesetz von 2014 gewisse Traditionen des vorkapitalistischen BäuerInnen-Kommunismus. Selbstverständlich kann der antikapitalistische Kommunismus schöpferisch-kritisch an den Traditionen des vorkapitalistischenKommunismus anknüpfen, er macht sich aber keine Illusionen über deren Charakter innerhalb kapitalistischer Nationen. Aber er bekämpft auch dessen Zerstörung durch die kapitalistische Sozialreaktion, zu der auch die linke MAS-Regierung in Bolivien gehörte. Die Zerstörung bäuerlich-urkommunistischer Traditionen durch die bolivianische regierende Linksreaktion war nur die andere Seite der Medaille der Herausbildung einer GensossenInnenschafts-Bourgeoisie als linkspolitischer Beitrag zur Neuzusammensetzung der herrschenden kapitalistischen Klasse in Lateinamerika. Als das MAS-Regime den Bau einer Straße durch ein Gebiet der amerikanischen UreinwohnerInnen in Ost-Bolivien plante, konnten sich die linken Politbonzen auf die – auch von ihnen herangezüchteten – GenossInnenschafts-Bourgeoisie voll verlassen. Sie mobilisierte zu den Großdemonstrationen der Regierung, wofür sie das Regime mit zwei Gesetzen zugunsten des Bergbaus belohnte.

Der kleinbürgerlich-demokratische Intellektuelle und Forscher am Dokumentations- und Informationszentrum Bolivien (CEDIB), Pablo Vilegas, schrieb, dass keine andere gesellschaftliche Gruppe über eine solche Macht verfüge, wie sie im Rahmen der Bergbaukonzessionen zugestanden werde. Die Schürfrechte seien „durch Normen geschützt, die eher einer Monarchie als einer Demokratie entsprechen“. (Pablo Villegas, Ley de minería a costa de la democracia, in: Petropress, Nr. 33, Februar-August 2014, Cochabamba, Cedib, S. 26.) Typisches linksdemokratisches Gebaren, die großen Ideale der Demokratie gegen deren Wirklichkeit als kapitalistisches Staatssystem zu verteidigen. Nach der Analyse der CEDLA boten die gesetzlichen Regelungen der regierenden Linksreaktion den Bergbauunternehmen und ihren InvestorInnen Schutz vor „den Aktionen von Individuen oder Gruppen, die Bergbaugebiete und ihre Installationen besetzen oder besetzen planen.“ (CEDLA, Ley Minera del MAS, a.a.O., S. 6.) Das linksreaktionäre Regime schützte auf diese Weise das Bergbaukapital vor sozialen Protest.

Es wurde auf diese Weise „zu einem Instrument der Konzessionsinhaber“, wie Villegas schrieb. Die BesitzerInnen von Schürfrechten würden nach Ansicht dieses kleinbürgerlichen Demokraten auf widersprüchliche Weise sogar „über dem Parlament“ stehen, was nach dieser Denkrichtung ein schweres Verbrechen gegen die demokratischen Ideale darstellt. Das linksreaktionäre Regime hatte nach Villegas den GenossInnenschaften Privilegien eingeräumt, nachdem diese ihre politische Unterstützung von der Verabschiedung des Bergbaugesetzes abhängig gemacht hatten. Zum anderen setze die regierende MAS „die Polizei ein, um oppositionellen Verbänden wie CONAMAQ oder CIDOB (Anmerkung von Nelke: Organisationen der amerikanischen UreinwohnerInnen) den Organisationsstatus abzuerkennen und ihre Funktionen von der Regierung gegründeten Organisationen zu übertragen.“ (Pablo Villegas, Ley de minería a costa de la democracia, a.a.O., S. 28.) Wie wir sehen, muss die politische Linke, wenn sie zu einer regierenden Charaktermaske der Demokratie als realer kapitalistisch-sozialreaktionärer Staatsform wird, auch jene linksdemokratischen Illusionen, die sie woanders als Oppositionskraft selbst schürt, mit Füßen treten. SozialrevolutionärInnen belustigen sich über die kleinbürgerlich-demokratischen Ideale und bekämpfen die reale Demokratie kompromisslos.

Und die Demokratie ist auch ein Futternapf für linke Politbonzen und die GenossInnenschafts-Bourgeoisie. Dies bekamen auch die kleinbürgerliche DemokratInnen der CEDLA mit. Auch nach ihrer Ansicht unterstützte die Regierung „die Kooperativisten als Angehörige einer aufstrebenden Bourgeoisie, die wiederum das neue plurinationale Bolivien stärken soll“. (CEDLA, Ley Minera del MAS, a.a.O.) Neben der aufstrebenden GenossInnenschafts-Bourgeoisie unterstützt die linke MAS auch die HändlerInnen und mittleren AgrarproduzentInnen im Norden der Provinz Santa Cruz. Auf diese Weise baute die linke Fraktion des Kapitals ihre eigene ökonomische Basis aus, während andererseits sich neuformierende Teile der Bourgeoisie in der Linksreaktion ihre politische Vertretung sahen.

Die GenossInnenschafts-Bourgeoisie versteckte sich hinter der proletarischen Maske. In Wahlkampagnen für die MAS setzten sich die Bourgeois der Kooperativen BergarbeiterInnenhelme auf. Sie reproduzierten damit auf demagogisch-ideologische Weise Symbole der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung. Deren bürgerlich-bürokratischen Partei- und Gewerkschaftsapparate sind aber schon lange global Teil der linken Fraktion des Kapitals. Unter der proletarischen Maske mobilisierte die GenossInnenschafts-Bourgeoisie auch die LohnarbeiterInnen des Bergbaus – sowohl für als auch gegen die regierenden linken Politbonzen der MAS. So beteiligte sich auch die kapitalistische und bürokratische Führungsschicht der Bergbaukooperativen an den sozialen Kämpfen, wie zum Beispiel an denen in Potosí – die am stärksten von Bergbau geprägte Provinz in Bolivien. Die GenossInnenschafts-Bourgeoisie war zentraler Akteur der dortigen Bewegungen von 2007, 2010 und 2015. Selbstverständlich gehörte sie auch dem Comité Cívico Potosinista (COMCIBO; Bürgerkomitee von Potosí) an. Dieses organisierte 2015 einen dreiwöchigen Streik mit Verkehrsblockaden und Straßenprotesten.

2015, als die Rohstoffpreise fielen, stellte das COMCIBO einen Forderungskatalog, der aus 26 Punkten bestand. Unter anderem wurden Maßnahmen zur Strukturförderung gefordert. Außerdem mobilisierte die GenossInnenschafts-Bourgeoisie die proletarische Basis der Bergbaukooperativen für die Eröffnung der bereits vor 40 Jahren errichteten, aber nie in Betrieb genommene Minenanlage von Karachipampa und die Sanierung des Silberbergs von Potosí, deren Zusammenbruch und damit die Verschüttung der Gräben drohte. Dieser Cerro Rico de Potosí war eines der größten des von den GenossInnenschaften ausgebeuteten Silbervorkommens.

Durch Kampf und Kooperation im Verhältnis zur regierenden Linksreaktion hatten sich die Bergbaukooperativen und deren Bourgeoisie an der Spitze vier Privilegien erkämpft: Erstens zahlten sie weniger Abgaben und keine Mehrwertsteuer. Zweitens waren sie wegen ihrem vorgeblichen sozialen Charakter und weil sie angeblich nicht gewinnorientiert waren, von den normalen Verpflichtungen des Steuersystems befreit. Drittens wurden sie von der linken Regierung bei der Vermarktung ihrer Produkte unterstützt. Und viertens war für die Bergbaukooperativen auch die Umweltschutzgesetzgebung nicht bindend. Die linken BerufspolitikerInnen verbünden sich mit der herausbildenden Bourgeoisie der GenossInnenschaften und mit der Gewerkschaftsbonzokratie, um in der Konkurrenz mit der Rechtsreaktion über eine stabile sozialökonomische Basis verfügen zu können. Während die Führungselite der Bergbaukooperativen die Unterstützung durch das linke Regimes nutzte, um ihren weiteren sozialen Aufstieg politisch abzusichern. Sowohl in der Kooperation als auch im Konflikt mit der regierenden Linksreaktion setzte sie sich die proletarische Maske auf und mobilisiert die Basis der GenossInnenschaften. Die Hauptgeschädigten der Kooperation der linken Politbonzen mit der GenossInnenschafts-Bourgeoisie waren die von ihr ausgebeuteten TagelöhnerInnen in den Bergbaukooperativen sowie die uramerikanischen Dorfgemeinschaften in den Anden, die die Bodenschätze, die ihnen formal gehörten, selbst nicht abbauen konnten – der Abbau könnte auch im besten Falle höchstens kleinbürgerlich-kollektiv im Rahmen der Warenproduktion erfolgen –, weil sie weder über die dafür notwendigen Geldmittel verfügten noch vom Staat unterstützt wurden. Doch trotz der Unterstützung durch die regierende Linksreaktion suchte die aufstrebende Bourgeoisie der Bergbaukooperativen auch das Bündnis mit dem Privatkapital, um die Führung im Sektor zu übernehmen. Pablo Poveda vermutete: „Tendenziell geht die Entwicklung dahin, dass die Bergbaugenossenschaften und die für sie geltenden Sonderregeln zu einem Einfallstor für das ausländische Kapital werden und dass auf diese Weise die verschwundene Klasse des mittleren Bergbauunternehmertums in Bolivien ersetzt wird.“ (Pablo Poveda, Formas de productión de la cooperativas mineras en Bolivia, CEDLA, La Paz 2014, S. 85.)

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13. Die vom Kapitalismus produzierte ökosoziale Krise https://astendenz.blackblogs.org/2023/10/05/13-die-vom-kapitalismus-produzierte-oekosoziale-krise/ Thu, 05 Oct 2023 21:14:52 +0000 https://astendenz.blackblogs.org/?p=139 Die kapitalistische Produktionsweise ist der Höhepunkt dieser lebensfeindlichen Entwicklung. Sie brachte mit den Atombomben Waffen hervor, die die Potenz haben alles menschliche Leben auszulöschen. Der atomare Overkill ist nicht die einzige Form der möglichen kapitalistischen Ausrottung der ganzen Menschheit. Auch die von der kapitalistischen Produktionsweise produzierte permanente ökologische Krise hat leider das Zeug dazu. Eine Produktionsweise, die notwendigerweise darauf beruht, dass sich der abstrakte Reichtum in Form des verselbständigten Tauschwertes, des Geldes, unaufhörlich in den Händen der Bourgeoisie vermehrt, ist strukturell unfähig zu einer ökologischen Nachhaltigkeit. Die kapitalistische Produktionsweise hat bisher unzählige Menschen, Tiere und Pflanzen für die permanente Kapitalvermehrung vernichtet – und sie hat die Potenz das bisherige Ökosystem, was auch die Lebensgrundlage für die Menschheit darstellt, unrettbar zu zerstören.

Die Menschen unterscheiden sich von den Tieren durch die bewusste und sich weiterentwickelnde Produktion von Werkzeugen, die Sprache und das begriffliche Denken. Alle drei Unterscheidungsmerkmale bildeten in der menschlichen Entwicklung eine untrennbare Einheit. Menschen passen sich an ihre Mitwelt an, indem sie diese verändern. Diese ständige Veränderung der nichtlebenden und lebenden Mitwelt, veränderte auch die Menschheit. Produktionsverhältnisse wurden im Verlauf der gesellschaftlichen Entwicklung zu Ausbeutungsverhältnissen der unmittelbaren ProduzentInnen durch verschiedene herrschende Klassen. Menschliche Produktivkraftentwicklung ist in der Klassengesellschaft auch die Entwicklung von Zerstörungskräften, die sich gegen das pflanzliche, tierische und menschliche Leben richten. Das ist nicht nur an der technologischen Entwicklung von Mordwerkzeug zu studieren, sondern an dem gesamten technokratischen „Fortschritt“. Produktionsmittel sind in der Klassengesellschaft gleichzeitig Zerstörungsmittel der unmittelbaren ProduzentInnen sowie der pflanzlichen und tierischen Mitwelt.

Die gefährlichsten Ausdrücke der vom Kapitalismus produzierten permanenten ökosozialen Krise sind das Artensterben, die menschlich erzeugte Klimaveränderung und die Zoonosen. Durch die Vernichtung unzähliger Pflanzen- und Tierarten durch die kapitalistische Produktionsweise ist letztendlich auch die menschliche Ernährung gefährdet. So veröffentlichte am 6. Mai 2019 der Weltbiodiversitätsrat IPBES einen Bericht zur Situation der biologischen Vielfalt auf unserem Planeten, aus dem hervorging, dass sich das Artensterben extrem beschleunigen werde. Bis zu eine Million Arten könnten aussterben, viele bereits in den kommenden Jahrzehnten.

Auch Nordamerika ist ein Ort des Artensterbens. Im Jahre 2019 ging die Information durch die Medien, dass in Nordamerika innerhalb weniger Jahrzehnte die Existenz von Vögeln um fast drei Milliarden gesunken ist. ForscherInnen berichteten im Fachblatt „Science“, dass die Populationen an Vögeln in den USA und Kanada seit 1970 um insgesamt 29 Prozent zurückgegangen sind. Mehr als 90 Prozent dieses Schrumpfens entfielen auf zwölf weitverbreitete Vogelarten wie zum Beispiel Finken, Schwalben und Spatzen. Diese Vögel haben einen großen Einfluss auf das Ökosystem und die Nahrungskette indem sie Samen verteilen und für die menschliche Agrarproduktion bestimmte „Schädlinge“ vertilgen.

Zu den Hauptursachen der Reduzierung der Vögelpopulationen gehören kleiner werdende Lebensräume, die Intensivierung der kapitalistischen Agrarproduktion und die Urbanisierung. Der Ornithologe Rosenberg sagte dazu: „Heute sieht man Maisfelder, die sich bis zum Horizont erstrecken. Alles ist keimfrei und mechanisiert, für Vögel, Wildtiere und Natur ist kein Platz mehr.“ (Zitiert nach Vogelsterben in den USA und Kanada, zdfheute vom 20. September 2019, zdf-de-cdn.ampprojekt.orc.) Durch die massive Verwendung von Pestiziden vernichtet die kapitalistische Agrarproduktion viele Insekten und damit die Nahrungsquelle für die Vögel. Aber auch freilaufende Hauskatzen und tödliche Flüge gegen Glasscheiben verringern deren Bestand.

Neben dem Artensterben bewirkte der Industriekapitalismus auch eine gefährliche Veränderung des Klimas. Und dies vor allem durch die Produktion und Freisetzung von Treibhausgasen. Diese sind Spurengase, die zum Treibhauseffekt unseres Planeten beitragen. Sie sind sowohl natürlichen Ursprungs als auch durch die kapitalistische Produktionsweise hervorgerufen. Treibhausgase absorbieren einen Teil der vom Boden abgegebenen langwelligen (infraroten) Wärmestrahlung (thermische Strahlung), die ansonsten in das Weltall entweichen würde. Dabei nehmen sie Energie auf und emittieren diese entsprechend ihrer lokalen Temperatur vorwiegend als Wärmestrahlung. Deren zur Erde gerichteter Anteil ist die atmosphärische Gegenstrahlung, die die Erdoberfläche zusätzlich zum kurz- bis langwelligen Sonnenlicht erwärmt. Die natürlichen Treibhausgase, besonders Wasserdampf, heben die durchschnittliche Erdoberflächentemperatur auf +15° C an. Ohne den natürlichen Treibhauseffekt würde die Durchschnittstemperatur der Erdoberfläche lediglich -18° C betragen, was ein höher organisiertes Leben schwierig machen würde.

Doch der Industriekapitalismus produziert in einem solchen Maße Treibhausgase (Kohlendioxid – entsteht durch die Verbrennung der fossilen Energieträger Kohle, Gas und Öl –, Methan, Lachgase, Aerosole und Rußpartikel), dass die Durchschnittstemperatur der Erdoberfläche gefährlich erhöht wird. Die Durchschnittstemperatur stieg im Verglich zu 1850 bis 1900 bis zu den 2010er Jahren nach Angaben des Weltklimarates etwa um 1,1 °C. Die beiden Jahre 2016 und 2020 waren mit minimalen Temperaturunterschieden die zwei wärmsten seit Beginn der systematischen Messungen im Jahre 1880. Diese Erderwärmung von 1951 bis 2010 wurde mindestens zu 93 bis 123 Prozent durch die Menschheit, genauer: durch die kapitalistische Produktionsweise, verursacht. Dass die Wirkung des Menschen auf die Erderwärmung über 100 Prozent liegt, heißt, dass natürliche Faktoren diese teilweise kompensieren.

Der Klimawandel hat bereits jetzt spürbare Folgen. Unter anderem in den USA. Eine Folge des Klimawandels ist die Zunahme extremer Wetterlagen wie zum Beispiel Dürreperioden, Starkregen, Stürme… Nach Äußerungen von US-Präsident Joe Biden haben die extremen Wetter-Ereignisse im Jahre 2020 in den USA Kosten von 99 Milliarden Dollar verursacht. Während im Westen der USA die Trockenheit zunimmt, die zu verheerenden Waldbränden führt, nehmen im Osten des Landes Starkregenfälle und tropische Stürme zu. Auch an der Küste von Louisiana ist der Klimawandel schon deutlich zu spüren. So nehmen Wirbelstürme zu und der Wasserspiegel steigt. Durch den Anstieg des Wasserspiegels verschwindet nach und nach das Sumpfgebiet. An 1,5 Tagen geht auf diese Weise durchschnittlich Sumpfland von der Größe eines Fußballfeldes verloren. Was heute noch Sumpf ist, könnte in einer Woche schon offenes Wasser sein. Doch viele Menschen sind in diesem Gebiet auf das Marschland als Schutz vor einer Sturmflut angewiesen. Weil der Klimawandel immer heftigere und häufigere Hurricanes verursacht, haben bereits viele Menschen die Küsten Louisianas verlassen.

Die globalen Folgen eines weiteren Klimawandels – von denen bereits jetzt einige schon Tatsachen sind – werden steigende Meeresspiegel, Gletscherschmelze, eine Verschiebung von Klimazonen, Vegetationszonen und Lebensräumen, ein verändertes Auftreten von Niederschlägen, stärkere oder häufigere Waldbrände und Wetterextreme wie Überschwemmungen, Stürme und Dürren sein. Auch die stärkere Ausbreitung von Parasiten und tropischen Krankheiten wird eine Folge des Klimawandels sein. Die Umweltflucht wird ebenfalls zunehmen. Wie stark die Durchschnittstemperatur auf unserem Planeten zunimmt, hängt besonders von der Menge an Treibhausgasen ab, die in Zukunft ausgestoßen werden. Im Jahre 2007 ging der Intergovermental Panel on Climate Change im Fünften Sachstandsbericht davon aus, dass sich die weltweite Durchschnittstemperatur bis in das Jahr 2100 abhängig von den weiteren Emissionen um 1,5 bis 4,5 Grad erhöht. Der Trend zu einer immer höheren Durchschnittstemperatur wird die Ökosysteme und mit ihnen Milliarden Menschen enorm belasten. Zum Beispiel hinsichtlich der Wasserversorgung. Durch die globale Erwärmung wird auch das Artensterben beschleunigt. Der Klimawandel kann zu einer für die Menschheit lebensfeindlichen Heißzeit führen.

Der planetare Anstieg des Meeresspiegels ist auch eine Folge des Klimawandels. Im 20. Jahrhundert stieg der globale Meeresspiegel etwa um 15 Centimeter. Durch den Klimawandel beschleunigte sich der Anstieg. Wenn mensch den Zeitraum von 2006 bis 2015 zugrunde legt, steigt der globale Meeresspiegel zurzeit um rund 3,6 Millimeter pro Jahr. Dies gefährdet das küstennahe Leben von Menschen.

Zu der vom Kapitalismus produzierten permanenten biosozialen Reproduktionskrise gehören auch die Zoonosen. Das sind von Tieren zu Menschen und von Menschen zu Tieren übertragbare Infektionskrankheiten. Die industriekapitalistische Massentierhaltung, die Jagt und der Verzehr von Wildtieren und das Abholzen von Wäldern fördern die Zoonosen. Auch die globale COVID-19-Pandemie ab 2019 ist eine Zoonose. Diese weltweite Pandemie ist sowohl ein Ausdruck als auch eine extreme Verschärfung der biosozialen Reproduktionskrise. Das Coronavirus wurde von Fledermäusen – wahrscheinlich über Zwischenwirte – auf den Menschen übertragen. Und die globale Fleischindustrie und die zunehmende Entwaldung bereiten weitere potenziell hochgefährliche Zoonosen und Pandemien vor…

Fazit: Nichts deutet daraufhin, dass die permanente ökosoziale Krise vom Weltkapitalismus gelöst werden könnte. Dagegen ist eine für die gesamte Menschheit tödliche Zuspitzung der biosozialen Reproduktionskrise durchaus möglich. Sehr wahrscheinlich kann die ökosoziale Krise nur durch eine mögliche klassen- und staatenlose Weltgemeinschaft, wie sie aus einer siegreichen globalen sozialen Revolution hervorgehen kann, gelöst werden. Der technologische „Fortschritt“ ist im Kapitalismus so sozialreaktionär und naturzerstörerisch geworden, dass er die menschliche, tierische und pflanzliche Existenz bedroht.

Es kann natürlich nicht um ein mystisches „Zurück zur Natur“ gehen. Allerdings um einen bewussten Eingriff in die belebte und unbelebte Mitwelt. Dazu ist der Kapitalismus aber grundsätzlich nicht fähig. In der Warenproduktion, in der es letztendlich um die unaufhörliche Vermehrung des Tauschwertes geht, sind ein verantwortungsvoller Umgang mit Menschen, Tieren und Pflanzen nur ein Kostenfaktor für die Einzel- und Nationalkapitale, die den angeeigneten Mehrwert schmälern. Die bürgerlichen Konkurrenzsubjekte schieben sich die Verantwortung für die Naturzerstörung gegenseitig zu. Das Kapital muss vermehrt werden, koste es, was es wolle! Und es kostet… Vielleicht unser aller Leben?

Die Bourgeoisie reagiert auf die permanente ökosoziale Krise auf technokratische Weise. Klar, sie will und kann die kapitalistischen Produktionsverhältnisse nicht verändern. So bleibt ihr nur ein technokratischer Ansatz. Jahrzehntelang hat die internationale kapitalistische Technokratie den Verkehr immer stärker von der Schiene auf die Straße und in die Luft verlegt – und auf diese Weise zur Klimaveränderung, Waldvernichtung und Artensterben beigetragen. Jetzt soll der Übergang vom Benzinmotor zum Elektroantrieb den Automobilverkehr grün waschen – auf das weiterhin Wälder für neue Autobahnen und den Ausbau der alten abgeholzt werden! Es lebe die Elektromobilität – egal wie viele Menschen und Tiere totgefahren werden! Auch die von der kapitalistischen Technokratie organisierte Umstieg von der fossilen Energiegewinnung zur erneuerbaren ist viel zu langsam und inkonsequent, um den Klimawandel wirklich auch nur einzudämmen.

Frankreich versucht sogar die verdammt gefährliche „friedliche Nutzung der Atomenergie“ grün zu waschen und auszubauen. Doch die „friedliche“ Nutzung dieser von den Menschen nicht völlig beherrschbaren Technologie erzeugt bereits im störungsfreien Zustand durch Atomkraftwerke eine radioaktive Niedrigstrahlung, die für viele menschliche Gesundheitsschäden und Tode, für Krebserkrankungen und Immundefekte, verantwortlich ist. Von der Gefahr von Störfällen in Atomkraftwerken wie beispielsweise in Tschernobyl 1986 oder in Fukushima 2011 ganz zu schweigen. Die „friedliche Nutzung“ der Atomtechnologie ist Teil des Klassenkrieges der Bourgeoisie für den Maximalprofit, der unser aller Überleben gefährdet. Deshalb reicht es auch nicht, aus besonders gefährlichen kapitalistischen Technologien wie der Kohle- und Atomkraft auszusteigen. Wir müssen aus der hypergefährlichen, sozialreaktionären und mitweltvernichtenden Kapitalvermehrung, dieser unaufhörlichen Anhäufung des abstrakten Reichtums in Form des Geldes als Dreh- und Angelpunkt einer ganzen Produktionsweise, raus! Konsequenter Schutz des globalen Ökosystems geht nur antipolitisch-sozialrevolutionär! Entreißen wir den blauen Planeten der Weltbourgeoisie, um ihn als Träger des Lebens zu retten!

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7. Politische Formen der kapitalistischen Herrschaft https://astendenz.blackblogs.org/2023/05/22/7-politische-formen-der-kapitalistischen-herrschaft/ Mon, 22 May 2023 22:15:46 +0000 http://astendenz.blackblogs.org/?p=111 Damit die industriekapitalistische Warenproduktion zur herrschenden Produktionsweise werden kann, muss sie sich auch die Politik und ihr wichtigstes Organ, den Staat, unterwerfen, diesen zum Gewaltapparat der permanenten Kapitalvermehrung machen. Wir haben im Kapitel I.2 dargestellt, wie sich Ansätze einer kapitalistischen Warenproduktion bereits in der antiken (Griechenland und Römisches Reich) und in der ostafrikanischen Sklaverei sowie im eurasischen Feudalismus herausentwickelt hatten. Aus der antiken Sklaverei hat sich nicht der heutige Industriekapitalismus entwickelt, sie ging vorher unter beziehungsweise transformierte sich in den europäischen Feudalismus. Dieser und jener in Asien gebar schließlich die industriekapitalistische Warenproduktion. In Europa wurde der Industriekapitalismus zuerst zur auch politisch herrschenden Produktionsweise. Dagegen wurde in großen Teilen Asiens, in Afrika, Amerika und Australien entweder die ersten Grundlagen für die industriekapitalistische Produktionsweise durch den „weißen“ Imperialismus geschaffen (Teile Asiens, Afrika) oder sie setzten sich durch ihn voll durch (Amerika und Australien). Hier wurde der Industriekapitalismus durch den Prozess von Kolonialisierung und nationaler „Befreiung“ politisch durchgesetzt, womit wir uns im Kapitel I.12 auseinandersetzen werden.

In diesem Kapitel geht es uns darum, aufzuzeigen, wie die industriekapitalistische Warenproduktion sich eigenständig von innen in Westeuropa, Russland/Sowjetunion, in den arabischen Golfmonarchien und in Japan zur auch politisch herrschenden entwickelte.

Während der europäischen Übergangsperiode vom Feudalismus zum Industriekapitalismus (11. Jahrhundert bis ca. 1780) bildeten sich zwischen dem 13. und dem 16. Jahrhundert in den Städten die faktische politische Herrschaft des Handelskapitals und in Oberitalien Stadtstaaten heraus. Die handelskapitalistisch beherrschten Städte waren als Keimformen bürgerlicher Politik Inseln im feudalen Meer. Die faktisch vom Handelskapital ökonomisch und politisch beherrschten Städte waren – bis auf die oberitalienischen – Teil von ständischen Monarchien. Auf dem Lande herrschten feudale Produktionsverhältnisse. Schauen wir uns die Herausbildung der sozialökonomischen und politischen Herrschaft des Handelskapitals in den europäischen Städten genauer an.

Seit dem 9. Jahrhundert entwickelten sich im europäischen Feudalismus neue Städte als Gewerbe- und Handelsniederlassungen heraus. Diese waren zunächst noch an Feudalburgen angelehnt. Dieses vorkommunale Stadium der städtischen Entwicklung wurde durch die Trennung des Handwerks von der Agrarproduktion und die Intensivierung des Fernhandels im 11. Jahrhundert überwunden. Zwischen dem 11. und dem 13. Jahrhundert bildeten sich viele neue Städte heraus. In diesen entwickelten sich die kleinbürgerlich-handwerkliche Warenproduktion und der Fernhandel.

Handel und Handwerk verwalteten sich in Form der Gilden und Zünfte selbst. Die Handwerksmeister beuteten bereits die Lohnarbeit von Gesellen und Tagelöhner embryonal-kapitalistisch aus. Allerdings war der Mehrwert zu gering, als dass die Meister ausschließlich von ihm leben konnten, weshalb sie im Unterschied zu KapitalistInnen auch noch unmittelbar selbst körperlich arbeiten mussten. Die Gesellen standen sozialökonomisch und -psychologisch zwischen KleinbürgerInnentum und Proletariat. Einerseits wurden sie bereits von ihren Meistern embryonal-kapitalistisch ausgebeutet, andererseits konnten sie selbst Meister werden. Sie führten auch in Form von Streiks einen Klassenkampf gegen ihre Meister. Aus diesem Klassenkampf entwickelte sich im 14. Jahrhundert die Gesellenbewegung heraus.

Die politische Emanzipation der Städte von den weltlichen und geistigen Feudalherren, die die Städte beherrschten, vollzog sich im Rahmen der Kommunebewegung, die sich ab der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts im deutschen Reich entfaltete. Zum Beispiel entwickelte sie sich 1073 in Worms und 1074 in Köln. Die Kommunebewegung dauerte bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts an. Ab der Mitte des 13. Jahrhunderts verband sie sich mit der Bürgeropposition gegen die patrizische Ratsverfassung, mit der wir uns weiter unten in diesem Kapitel beschäftigen wollen. Die Ziele der Kommunebewegung waren die soziale Emanzipation der StadtbewohnerInnen von den feudalen Bindungen an den Stadtherren, die Sicherung der freien Entfaltung von Handel und kleinbürgerlich-handwerklicher Warenproduktion, die Aufhebung feudaler Vorrechte wie zum Beispiel die der Burgen in der Stadt sowie die Herausbildung städtebürgerlicher Gerichts- und Verwaltungsorgane. Durch diese soziale Bewegung bildeten sich in unterschiedlichen Grad die von Feudalherren freien Städtegemeinden (Kommunen) heraus.

Die Kommunebewegung war klassengespalten in eine aus Kaufleuten und Ministeralen bestehende Oberschicht und kleinbürgerlich-proletarische Unterschicht (Handwerksmeister und Gesellen). Besonders in den älteren Bischofsstädten war die Kommunebewegung militant. Dagegen nahm sie in den jüngeren Städten – vor allem in den mittleren und kleinen – eine friedlichere Verlaufsform an, bei der die ehemals stadtherrlichen Rechte, Befugnisse und Ämter durch Kauf- und Pfandgeschäfte oder durch Übereinkünfte errungen werden mussten. Durch diese friedlichere Form der Bewegung konnten die Feudalherren diese Städte stärker unter ihrer Kontrolle behalten. Die organisatorische Form der Kommunebewegung war der Zusammenschluss der StadtbewohnerInnen zu Schwurgemeinschaften oder Eidgenossenschaften. Die Kommunebewegung verwirklichte bürgerliche Marktfreiheit und städtebürgerliche politische Freiheit, indem sie für einen Teil der StadtbewohnerInnen feudale Abhängigkeiten wie Leibeigenschaft und Hörigkeit aufhob. Als sozialrevolutionär ist sie dennoch nicht zu bezeichnen, weil sie nur die Keime für eine zukünftige kapitalistische Ausbeutung und die politische Herrschaft der Großkaufleute in den Städten freilegte.

Die Klassenspaltung der Kommunebewegung zwischen patrizischen Kaufleuten, welche politisch die Städte beherrschten und nichtpatrizischen Kaufleuten – die sozialökonomisch erstarkt waren, aber nach wie vor von der politischen Herrschaft ausgeschlossen waren –, Handwerksmeistern sowie Gesellen und Tagelöhnern, führte zu sozialen und politischen Kämpfen innerhalb der Stadtbevölkerung. Gegen die politische Alleinherrschaft der patrizischen Kaufleute entfaltete sich ab der zweiten Hälfte des 13 Jahrhunderts die Bürgeropposition, die zum größten Teil aus kleinbürgerlichen Zunfthandwerkern bestand. Die Bürgeropposition forderte die Beteiligung an der politischen Macht. Sie wurde manchmal von vorindustrieproletarischen Schichten unterstützt und fand ihre soziale Basis in den Zünften und Gilden. Die Bürgeropposition entstand oft aus dem Widerstand gegen zusätzliche Steuerforderungen der stätischen Regierung, des Rats, oder gegen dessen Verwaltung der Finanzen. So entfaltete sich zum Beispiel eine Bürgeropposition in Köln (1258-1261) und in Lübeck (1408-1416). In einigen Städten konnte die Bürgeropposition wenigstens zeitweise die politische Machtbeteiligung durchsetzen. Dagegen konnten die patrizischen Großkaufleute in Hamburg, Lübeck, Stralsund, Rostock, Regensburg, Nürnberg und in Frankfurt am Main ihre politische Alleinherrschaft behaupten. Hatte dagegen die Bürgeropposition Erfolg, dann bildete sich aus deren führenden Kräften und den patrizischen Kaufleuten eine neue städtische Oberschicht.

Die relative städtische Selbstverwaltung, durch die das Handelskapital politische Macht ausübte, war mit der feudalen Staatsform der ständischen Monarchie vereinbar, aber nicht wirklich mit der Staatsform des Absolutismus. So wurde unter dieser Staatsform die städtische Selbstverwaltung wieder eingeschränkt. Im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation beseitigten die sich herausbildenden absolutistischen Kleinstaaten im 17. und 18. Jahrhundert die Selbstverwaltung der Städte.

In Oberitalien entwickelten sich zwischen dem 13. und dem 16. Jahrhundert republikanische Stadtstaaten heraus, die politisch von der Handelsbourgeoisie und von Großhandwerkern beherrscht wurden. Unter diesen handelskapitalistischen Stadtstaaten in Oberitalien waren Genua, Florenz und Venedig die mächtigsten. Im 16. Jahrhundert verloren jedoch die oberitalienischen Stadtrepubliken wieder ihre ökonomische und politische Bedeutung. Zum einen wurden die Handelswege dieser Stadtstaaten durch die osmanische Eroberung Konstantinopels im Jahre 1453 stark behindert, zum anderen wurde die Öffnung neuer Handelsrouten sowie die europäische Entdeckung, Eroberung und Ausplünderung Amerikas – die eine gewaltige sozialreaktionäre Triebkraft zur Entwicklung des Kapitalismus wurde – durch den portugiesischen und den spanischen Territorialstaat vorangetrieben, die über ungleich stärkere Machtressourcen als die oberitalienischen Seerepubliken verfügten.

Neben den vom Handelskapital politisch beherrschten Städten entwickelten sich in Europa absolutistische Monarchien als Staatsformen des Überganges vom Feudalismus zum Industriekapitalismus heraus. Absolute (unbeschränkte) Monarchien lösten die ständischen ab. Dies geschah indem die MonarchInnen ständische oder andere Interessenvertretungen entmachteten – teilweise nach heftigen sozialen Kämpfen –, um alle politisch-staatliche Macht in ihrer Hand zu zentralisieren. Der Staatsapparat wurde ungeheuer ausgebaut und gefestigt. Mit seiner enormen politischen Zentralisation stellte der Absolutismus ein Vorläufer des bürgerlichen Nationalstaates dar. Er bildete sich im 15. und 16. Jahrhundert in Europa heraus und erfuhr im 17. und 18. Jahrhundert seinen Höhepunkt. Mächtige absolutistische Staaten bildeten sich in Spanien, England und Frankreich heraus. Die politische Zentralisation dieser Länder war auch notwendig dafür, dass diese Amerika kolonialisieren konnten. Im europäischen Absolutismus vermehrten sich auch erfolgreich das Handels-, Bank- und Manufakturkapital. Die politische Zentralisation begünstigte die Kapitalvermehrung in Form von einheitlichen Währungen und Zöllen. Im deutschen Sprachraum – einschließlich von Österreich – entwickelte sich der Absolutismus in Form von Kleinstaaten.

Doch der europäische Absolutismus war noch nicht der verwirklichte bürgerliche Nationalstaat als politischer Gewaltapparat der Kapitalvermehrung. Der absolute Machtanspruch der MonarchInnen musste von der Bourgeoisie gebrochen werden, um auch zur politisch herrschenden Klasse zu werden. In England und Frankreich wurde der Absolutismus im 17. und 18. Jahrhundert durch die politische Machteroberung der Bourgeoisie überwunden (siehe Kapitel I.8).

In den deutschen Kleinstaaten war die Bourgeoisie sozial und politisch zu schwach, um den Absolutismus durch den Prozess aus antifeudaler Revolution und bürgerlicher Konterrevolution loszuwerden. Hier verbanden sich die vielen Kleinstaaten durch den preußischen Imperialismus 1871 in Form des Kaiserreiches – eine konstitutionelle Monarchie – zum deutschen Nationalstaat. Der beruhte auf einen Klassenkompromiss aus sich verbürgerlichenden GroßgrundbesitzerInnen und KapitalistInnen. Dieser Kompromiss war für GroßgrundbesitzerInnen und KapitalistInnen gleichermaßen notwendig. Um in der zwischenstaatlichen Konkurrenz mithalten zu können, mussten sich die deutschen Kleinstaaten zur Nation vereinen und diese musste zur politischen Form der Industrialisierung werden. Im Industriezeitalter können nur Industriestaaten die globalen Konkurrenzkämpfe einigermaßen erfolgreich führen. Die Industrialisierung wurde zur ökonomischen Notwendigkeit der Politik und die Herausbildung bürgerlicher Nationalstaaten zur politischen Voraussetzung der Industrialisierung.

Im arabischen Raum gibt es bis heute absolute Monarchien (Katar, Saudi-Arabien…), diese sind aber im Zeitalter des Weltkapitalismus keine Staatsformen des Überganges vom Feudalismus zum Industriekapitalismus mehr – so wie früher der europäische Absolutismus –, sondern ganz klar politische Gewaltapparate der herrschenden Kapitalvermehrung. In den absoluten Golfmonarchien wurde die Ölförderung zur Triebkraft der nationalkapitalistischen Entwicklung. Das Privatkapital und Staatsfonds (zum Beispiel der von Katar) der Golfmonarchien investiert den Mehrwert stark in westeuropäische und nordamerikanische Kapitalgesellschaften.

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Die vom Handelskapital politisch beherrschten Städte gab es weder in Russland noch im asiatischen Feudalismus. Sie war eine Spezialität der europäischen Entwicklung zum Kapitalismus. Zwar entwickelten sich in China und in Arabien/Nordafrika schon eher kapitalistische Tendenzen als im europäischen Feudalismus – aber sie konnten sich dort nicht politisch zum ersten Mal vollständig durchsetzen.

Im arabischen Großreich, welches unter den Omajjaden und Abbasiden vom späten 7. bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts bestand und das westliche Asien, Nordafrika und die iberische Halbinsel umfasste, entwickelten sich der Handelskapitalismus und die Ansätze einer kapitalistischen Warenproduktion zuerst sehr dynamisch. Jedoch konnte das arabische Handelskapital nicht die politische Macht erobern. Jürgen Kocka schrieb über das Dilemma der arabischen Bourgeoisie: „In den beiden letzten Jahrhunderten des ersten Jahrtausends entstand in einigen Teilen Arabiens ansatzweise eine kaufmannskapitalistische Bourgeoisie, deutlicher als irgendwo sonst auf der damaligen Welt. Doch an der von traditionellen Eliten, adligen Großgrundbesitzern und militärischen Führern ausgeübten politischen Macht nahmen die Kaufmannskapitalisten keinen Anteil. Die zeitweise und in Ansätzen entstehende Bourgeoisie herrschte nicht. Die arabischen Kaufleute blieben vom Staat weiter entfernt als die (…) europäischen.“ (Jürgen Kocka, Geschichte des Kapitalismus, Verlag C.H.Beck, München 2013, S. 31.)

Auch in Japan entwickelte sich zwischen dem 14. und 16. Jahrhundert der vorindustrielle Kapitalismus innerhalb des Feudalismus. Es bildeten sich Zünfte, der Fernhandel, freie Städte und Kaufmannsgenossenschaften heraus – doch diese Entwicklung wurde im 17. Jahrhundert durch den japanischen Feudalstaat gestoppt. Ab dem Jahre 1638 schloss die Zentralgewalt Japan für über zwei Jahrhunderte von der Außenwelt ab. Dem japanischen Kapital gelang es im 17. Jahrhundert nicht die politische Macht zu erobern. Der noch nicht bürgerliche Staat ließ dann die kapitalistische Entwicklung Japans durch eine Abschottungspolitik stagnieren.

Nachdem 1853/54 US-Kriegsschiffe die „Öffnung“ des japanischen Marktes für US-amerikanisches Kapital erzwangen, organisierte Tokio die Industrialisierung des Landes. Diese vollzog sich unter der Staatsform einer konstitutionellen Monarchie. Das Japanische Kaiserreich bestand von 1889 bis 1946. Bei dieser schleichenden Transformation von der feudalen zur bürgerlichen Staatlichkeit ließ На промышленной основе sich Japan stark vom Deutschen Kaiserreich inspirieren. Auf industrieller Basis entwickelte sich der japanische Imperialismus. Dieser führte 1894/95 einen siegreichen Krieg gegen China, bei dem er sich Formosa (Taiwan) aneignen konnte. Auch der Krieg gegen Russland im Jahre 1904 endete für Japan siegreich. Russland musste nach seiner Niederlage die Mandschurei räumen und Süd-Sachalin an Japan abtreten. Im Jahre 1910 annektierte der japanische Imperialismus auch Korea. Doch der japanische Kapitalismus war ein Spätentwickler. Die Welt war schon imperialistisch aufgeteilt. Also versuchte der japanische Imperialismus im Zweiten Weltkrieg im Bündnis mit dem deutschen und italienischen Faschismus die Welt neu aufzuteilen – was jedoch bekanntlich misslang.

Im eurasischen Russland war dagegen der Zarismus als eine Mischform aus einer europäischen absoluten Monarchie und einer asiatischen Despotie das politische Herrschaftssystem, unter dem sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts der Beginn der kapitalistischen Industrialisierung vollzog. Und zwar gleich in der Form der Großindustrie. Diese industriellen Großbetriebe, die oft vom Auslandskapital betrieben wurden, blieben jedoch Inseln im agrarischen Meer. Die russische Bourgeoisie blieb im Zarismus sozialökonomisch und politisch gegenüber den agrarischen Großgrundbesitzern und der staatlichen Beamtenbürokratie sehr schwach. Doch es entwickelte sich in Russland ein zwar zahlenmäßig sehr schwaches und sich noch nicht völlig von den BäuerInnnen abgesondertes, aber sehr klassenkämpferisches Industrieproletariat. Als deren bürgerlich-bürokratischer und politideologisch entfremdeter Ausdruck entwickelte sich auch in Russland die Sozialdemokratie (siehe Kapitel II.6). Und zwar in Form eines reformistischen Flügels (Menschewiki) und eines kleinbürgerlich-radikalen (Bolschewiki).

Der Zarismus bestand die harte Prüfung des imperialistischen Ersten Weltkrieges nicht und geriet in eine Todeskrise. Die Russische Revolution, mit der wir uns anderer Stelle – siehe die Kapitel II.7 und V.2 – beschäftigen, stürzte nicht nur den russischen Zaren und brachte eine bürgerlich-demokratische Republik als Zwischenspiel hervor, sondern endete schließlich konterrevolutionär in der bolschewistisch-„kommunistischen“ Parteidiktatur als politischer Überbau eines Staatskapitalismus (siehe Kapitel I.9). Durch diesen entwickelte sich die Sowjetunion zu einer Industrienation.

Nach dem Zweiten imperialistischen Weltkrieg entstanden durch eigenständige politische Machteroberung und die Expansion des sowjetischen Imperialismus weitere marxistisch-leninistische Parteidiktaturen. Diese verdeutlichten zwei Tatsachen. Erstens, dass der totale Staatskapitalismus mit parlamentarischer Demokratie unvereinbar ist. Die Staatsbourgeoisie verfügt über die verstaatlichten Produktionsmittel, weil sie den Staat regiert. Als herrschende Klasse kann sie keine freien Wahlen erlauben, weil dies das Risiko einer Abwahl einschließt. Keine herrschende Klasse kann und will sich einfach abwählen lassen, dann wäre sie keine herrschende Klasse mehr. Die PrivatkapitalistInnen in den Demokratien lassen sich auch nicht von ihrer Belegschaft wählen und abwählen. Wähl- und abwählbar ist in pluralistisch-demokratischen Mehrparteiendiktaturen das regierende Personal der Bourgeoisie. Die marxistisch-leninistische Staatsbourgeoisie regierte selbst und konnte sich deshalb nicht einfach abwählen lassen. Als sie während der Todeskrise des sowjetisch-osteuropäischen Staatskapitalismus sich dennoch abwählen lassen musste, war dies für sie gleichbedeutend mit ihrer Transformation in eine „normale“ Bourgeoisie auf der Grundlage des Privateigentums. Viele heutige BerufspolitikerInnen, PrivatkapitalistInnen und WirtschaftsmanagerInnen in Russland und Osteuropa hatten ihre Karriere innerhalb der alten Staatsbourgeoisie begonnen. Zweitens war und ist die marxistisch-leninistische Parteidiktatur durchaus mit der Transformation zum Privatkapitalismus vereinbar, wie China, Vietnam und Kuba beweisen.

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Zur vorherrschenden Staatsform des entwickelten Privatkapitalismus entwickelte sich die Demokratie. Demokratie heißt Volksherrschaft. Das „Volk“ ist eine ideologische Abstraktion und besteht in der kapitalistischen Wirklichkeit aus sich bekämpfenden Klassen und untereinander konkurrierenden Marktsubjekten. Klassen- und Konkurrenzkämpfe verhindern, dass sich das „Volk“ solidarisch selbst regieren kann. In der demokratischen Wirklichkeit herrscht dann auch ein politischer Gewaltapparat. Dieser ist ideologisch dem „Volk“ verpflichtet und in der Realität das Machtorgan der herrschenden Bourgeoisie. Die moderne Demokratie ist eine politische Form der sozialen Diktatur des Kapitals. Für kleinbürgerliche DemokratInnen ist jedoch die „wirkliche Demokratie“ etwas anderes als sie in Wirklichkeit ist, nämlich eine sozialreaktionäre Herrschaftsform der Bourgeoisie. Sie spielen die ideologische „Volksherrschaft“ gegen die wirkliche Demokratie als Bourgeoisie-Herrschaft aus. Kleinbürgerliche DemokratInnen wollen die ideologische „Volksherrschaft“ verwirklichen. Doch das ist unmöglich. Das „Volk“ kann als ein ideologisches Konstrukt nicht herrschen und Subjekt eines Staates sein. Und eine klassen- und staatenlose Gesellschaft beruht auf einer herrschaftsfreien Selbstorganisation freier ProduzentInnen. Den möglichen Kommunismus als „Volksherrschaft“ zu bezeichnen, heißt, ihn in den Dreck der bürgerlichen Ideologieproduktion zu ziehen. Der antipolitische Kommunismus bekämpft die wirkliche Demokratie genauso konsequent wie alle anderen Staatsformen.

Moderne Demokratien können konstitutionelle Monarchien (zum Beispiel Großbritannien) oder Republiken sein. Die Republiken können wir noch in Präsidial- und parlamentarische Republiken unterteilen. Stabile Demokratien sind pluralistische Mehrparteiendiktaturen. Die politischen Parteien konkurrieren in Form der freien Wahlen um die Beherrschung der Staatsapparate. Politische Parteien sind bürgerlich-bürokratische Herrschaftsapparate aus BerufspolitikerInnen und -ideologInnen, die über die herrschaftslose kleinbürgerlich-proletarische Basis aus Mitgliedern und WählerInnen als Manövriermasse verfügen können. Politische Parteien wollen in einer Demokratie im Prinzip alle nur das eine: den Staatsladen regieren und sich vom Wahlvolk dazu ermächtigen lassen. Damit sie gewählt werden, müssen sie sich dann doch nach außen irgendwie unterscheiden. Demokratische Parteien liefern sich und dem zuschauenden Publikum eine Show mit dem Namen Wahlkampf. In dieser werfen sie sich gegenseitig vor, den Staatsladen unsachgemäß zu managen.

In freien Wahlen steht alles Wichtige schon vorher fest: Die Herrschaft des Tauschwertes über den Gebrauchswert, die kapitalistische Ausbeutung der Lohnarbeit und die Herrschaft der BerufspolitikerInnen über die gesamtgesellschaftliche Organisation. Ist die Demokratie stabil, können die ProletarierInnen links, mittig, rechts, ungültig oder gar nicht wählen, sie werden immer die pluralistisch-demokratische Mehrparteiendiktatur als politischen Überbau der Kapitalvermehrung bekommen. In stabilen Demokratien fälschen in der Regel die regierenden Parteien nicht die Wahlen und die unterlegenen erkennen ihre Niederlage an. Zu stabilen Demokratien gehört eine gewisse Fettschicht der Kapitalvermehrung und eine Disziplin der untereinander konkurrierenden politischen Parteien. Die Abwählbarkeit von Regierungen gewährleistet in stabilen Demokratien die reibungslose Reproduktion des Staates. Systemloyal-demokratische Oppositionsparteien kritisieren Regierungen, aber nicht den Staat, den sie in der Zukunft selbst regieren wollen. Demokratische Oppositionsparteien sind in der Regel Regierungsparteien im Wartestand. Auch parlamentarische OppositionspolitikerInnen leben in Form von Parlamentsdiäten vom staatlich angeeigneten Mehrwert.

Außer dem Politzirkus der freien Wahlen hat die Demokratie für ihr „Volk“ noch allerhand Narrenfreiheit zu bieten, was einen gewissen Spielraum für die kleinbürgerliche Protestpolitik bietet, aber dessen Rahmen das klassenkämpferische Proletariat zerschlagen muss, um sich von Ausbeutung und Unterdrückung befreien zu können. Pressefreiheit ist im Wesentlichen die Freiheit der kapitalistischen und kleinbürgerlichen EigentümerInnen der Medien ihre Meinung dem eigentumslosen Proletariat zu verkaufen. Medienfreiheit ist eine Unterabteilung der kapitalistischen Handelsfreiheit. Kleinbürgerliche Radikale und klassenkämpferische ProletarierInnen haben außerdem noch das Recht sich friedlich zu versammeln und unter Auflagen auch gegen den Staat zu demonstrieren. Darüber das die Versammlungen und Proteste friedlich bleiben, wacht der hochgerüstete politische Gewaltapparat. Kleinbürgerliche Protestpolitik fordert „politische Freiheiten“ vom Staat, also eine größere Spielwiese im Rahmen des Kapitalismus, während der antipolitische Kommunismus für eine politikfreie, klassen- und staatenlose Gesellschaft kämpft.

In nicht stabilen beziehungsweise nur formalen Demokratien akzeptieren Regierungsparteien ihre Abwahl nicht so ohne weiteres. Sie wollen nicht auf die legitimierende Funktion von Wahlen verzichten, aber sich auch nicht einfach abwählen lassen. Die Folgen sind eine nicht wirklich freie politische Konkurrenz zwischen den Parteien und gefälschte Wahlen. So zu beobachten im August 2020 in Belarus. Oder die Wahlverlierer akzeptieren nicht ihre Niederlage und mobilisieren ihren Anhang gegen die Sieger. Wie der Verlierer der US-Präsidentschaftswahlen von 2020, Donald Trump, der seine Niederlage nicht akzeptierte und seine Anhänger am 6. Januar 2021 gegen das Kapitol mobilisierte. Okay, das war jetzt noch nicht wirklich ein putschistischer Kampf um die politische Macht, aber „normalen“ demokratischen Gepflogenheiten entsprach es auch nicht. Die Ereignisse waren ein Ausdruck der politischen Krise der US-Demokratie.

Wenn sich innerhalb der herrschenden Klasse beziehungsweise des Politpersonals eines Staates schwere Konflikte entwickeln, die sich nicht durch die Herrschaftstechnik von Wahlkämpfen lösen lassen, dann kann dies auch in parlamentarischen Demokratien zu BürgerInnenkriegen führen. Ein Beispiel dafür war der US-amerikanische BürgerInnenkrieg (1861-1865) zwischen der Industriebourgeoisie der Nordstaaten, die von der Ausbeutung der doppelt freien Lohnarbeit lebte, und den AgrarkapitalistInnen der Südstaaten, die sich von afroamerikanischen SklavInnen Mehrwert produzieren ließen. Der US-amerikanische BürgerInnenkrieg war von beiden Seiten ein kapitalistisch-sozialreaktionäres Gemetzel. Der Sieg der Nordstaaten reproduzierte folgerichtig nicht nur die industriekapitalistische Ausbeutung der Lohnabhängigen, sondern ebenfalls den Rassismus gegenüber den AfroamerikanerInnen auch ohne deren direkte Versklavung. Da die Aufhebung der Sklaverei in den USA in diesem sozialreaktionären Zusammenhang erfolgte, war sie auch nicht emanzipatorisch.

In einer Demokratie ist das Militär einer zivilen Regierung untergeordnet. Ein Militärputsch stellt den Sturz einer zivilen Regierung dar. Regiert die Armee nach einem erfolgreichen Putsch, dann existiert eine Militärdiktatur. Der antipolitische Kommunismus bekämpft Militärputsche und -diktaturen – aber verteidigt niemals die Demokratie. Proletarische RevolutionärInnen nehmen am Klassenkampf gegen Militärputsche und -diktaturen teil, treten aber den prodemokratischen Illusionen innerhalb der Klasse entgegen. In einem BürgerInnenkrieg zwischen einer Demokratie und putschenden Militärs bekämpfen proletarische und intellektuelle SozialrevolutionärInnen konsequent immer beide Seiten.

Zum Beispiel im spanischen BürgerInnenkrieg (1936-1939). In Spanien regierte ab Januar 1936 eine prokapitalistisch-demokratische, antifaschistische Volksfrontregierung aus den Organisationen der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung – eine sozialdemokratische, eine moskauhörig-stalinistische und die linkssozialistische Partei POUM, sowie der anarchosyndikalistischen Gewerkschaft CNT (die beiden letztgenannten Kräfte traten dem sozialreaktionären Volksfront-Regime erst nach dem Militärputsch bei) – und der liberaldemokratischen Mitte. Dieses prokapitalistische und demokratisch-antifaschistisch-sozialreaktionäre Volksfrontregime geriet sowohl mit dem klassenkämpferischen Proletariat als auch mit der antidemokratischen Fraktion der spanischen Bourgeoisie aneinander. Letztere unterstützte den Militärputsch vom 17. Juli 1936. Gegen den Militärputsch entwickelte sich der reproduktive Klassenkampf des Proletariats, der durch starke prodemokratische Illusionen geprägt war. Eine sozialrevolutionäre Strömung, die es damals in Spanien nicht gab, hätte sich am Klassenkampf gegen den Militärputsch beteiligen und zugleich die prodemokratischen Illusionen und das Volksfront-Regime bekämpfen müssen. Sie hätte auf einen revolutionären Sturz des Volksfront-Regimes und auf einen revolutionären Klassenkrieg gegen das putschende Militär orientieren müssen.

Die institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung – StalinistInnen, SozialdemokratInnen, aber auch POUM und die anarchosyndikalistische CNT – überführte jedoch den reproduktiven Klassenkampf des Proletariats in einen innerkapitalistisch-sozialreaktionären BürgerInnenkrieg zwischen dem demokratischen Volksfront-Regime und den putschenden Militärs, zu deren führenden Gestalt sich immer stärker General Franco entwickelte. Dieser BürgerInnenkrieg wurde auch schnell internationalisiert. Während der italienische und deutsche Faschismus das putschende Militär unterstützten, Frankreich und Großbritannien offiziell „neutral“ blieben, was Franco begünstigte, griff der sowjetische Staatskapitalismus militärisch auf Seiten des Volksfrontregimes ein. Der sowjetische Imperialismus strebte damals ein Bündnis mit Frankreich und Großbritannien an, weshalb Moskau auch den demokratischen Privatkapitalismus in Spanien verteidigte. Die sowjetische Geheimpolizei ging in Spanien mit Folter und Mord gegen das klassenkämpferische Proletariat, den Trotzkismus und gegen den linken Flügel des Volksfront-Regimes, CNT und POUM, vor. CNT und POUM waren aber nichts anderes als das linke Feigenblatt des Volksfrontregimes, zu dessen bluttriefenden Schnauze sich immer stärker der sowjetische Imperialismus und die von ihm ausgehaltenen stalinistischen Mordbuben und Folterknechte entwickelten.

Der sowjetische Imperialismus führte den Klassenkampf von oben gegen das klassenkämpferische Proletariat, den Trotzkismus, und den linken Flügel der Volksfront wesentlich konsequenter als gegen Franco. Weshalb er auch den ersten Krieg gewann und den zweiten verlor. Im Mai 1937 provozierte der Stalinismus in Barcelona durch Repression gegen die CNT einen proletarischen Klassenkampf gegen ihn. CNT-Führung und POUM-Apparat bremsten das klassenkämpferische Proletariat und hinderten es daran mit dem Volksfront-Regime abzurechnen. So blieb dieses an der politischen Macht. Die StalinistInnen zerschlugen im Juni 1937 die POUM. Eine wirkliche sozialrevolutionäre Strömung durfte das demokratische Volksfront-Regime nicht gegen den Militärputsch verteidigen, sondern musste beide kompromisslos bekämpfen. Das taten damals konsequent der italienische Linkskommunismus – italienisch vom Entstehungsort her, international in der Orientierung – und die rätekommunistische Organisation in den USA, Groups of Council Communists. Nach dem Sieg im BürgerInnenkrieg 1939 errichtete Franco eine Militärdiktatur, die ab sein Tod 1975 wieder in eine Demokratie transformiert wurde.

Eine Militärdiktatur gab es in Europa auch in Griechenland (1967-1974). In Lateinamerika entwickelten sich zum Beispiel in Chile (1973-1990), Argentinien (1976-1983) und Brasilien (1964-1974) Militärdiktaturen. In Chile organisierte der US-Imperialismus einen Militärputsch gegen das linksreaktionäre Allende-Regime, welche eine staatsinterventionistische und staatskapitalistische Tendenz innerhalb des Privatkapitalismus verkörperte und gegen die Interessen der US-amerikanischen Bourgeoisie verstieß. Die Militärdiktatur unter Pinochet betrieb dann als erste Nation der Welt eine neoliberale Wirtschaftspolitik. Auch in der Türkei putschte das Militär zum Beispiel 1980. Als Staatsstreich bezeichnet mensch es, wenn der Staatsapparat (Militär, Polizei, Geheimdienste) oder eine kleinbürgerliche Umsturzpartei (zum Beispiel der Bolschewismus 1917, siehe Kapitel II.7) putscht, aber danach eine Zivilregierung den Staat managt. So putschte zum Beispiel der Staatsapparat im November 2019 in Bolivien gegen das linksreaktionäre Morales-Regime. Aber das Ergebnis war keine Militärdiktatur, sondern eine rechtsreaktionäre Zivilregierung, die inzwischen wieder abgewählt ist und der Linksreaktion weichen musste. Der Militärputsch in Ägypten gegen das islamistische Regime 2013 führte formal zu einer Zivilregierung unter dem parteilosen Militär as-Sisi als Präsidenten. Das Militär ist aber ökonomisch – es besitzt mehrere Firmen – und politisch ein sehr starker Machtfaktor. In Myanmar besteht seit 1962 faktisch eine Militärherrschaft. Zwischen Februar 2011 und Februar 2021 existierten Zivilregierungen, das Militär behielt jedoch noch viel politische Macht. Im Februar 2021 putschte es gegen die Zivilregierung.

Bei der extremsten Form rechter Politik, dem Faschismus, ist zu unterscheiden zwischen ihm als politideologischer Strömung einerseits und als Staatsform andererseits. Während der Rechtskonservativismus als eine politideologische Strömung der Nationaldemokratie fließend in den Neofaschismus übergeht, ist die parlamentarisch-demokratische Staatsform klar vom Faschismus als Herrschaftssystem in Italien (1922-1945) und Deutschland (1933-1945) zu unterscheiden. Faschismus und Nationalsozialismus waren in Italien und Deutschland kleinbürgerlich-reaktionäre Massenbewegungen, deren Terror gegen die politische Linke und gegen Juden (durch die deutschen Nazis) von den demokratischen Staatsapparaten vorwiegend toleriert wurde. Schließlich brachte die Staatsexekutive im Interesse der Bourgeoisie rechtsstattlich die FaschistInnen und Nazis an die politische Macht – in Italien der König und in Deutschland der Reichspräsident Hindenburg. Der Faschismus und der Nationalsozialismus als dessen deutscher Ausprägung waren – sowohl als kleinbürgerlich-reaktionäre Bewegung als auch als Staatsform – ein ultraextremer Ausdruck des Konkurrenzchauvinismus und seiner ideologisierten Praxis beziehungsweise praktizierten Ideologie aus Sozialdarwinismus, Militarismus, Imperialismus, Nationalismus, Rassismus und rassistisch-massenmörderischer Judenfeindschaft. Faschismus und Nationalsozialismus wurden als extremer Konkurrenzchauvinismus in der strukturellen Profitproduktionskrise des westeuropäischen und nordamerikanischen Kapitalismus groß und massenmörderisch potent.

Der deutsche Faschismus stellte einen bis zum industriellen Massenmord extrem gesteigerten Konkurrenzchauvinismus dar. Im „normalen“ Kapitalismus bestimmt die sozialökonomische Konkurrenz, welche Einzelkapitale und produktions- und handelsmittelbesitzende KleinbürgerInnen bankrottgehen und welche Lohnabhängigen ihren Job verlieren. Der deutsche Faschismus bestimmte die Vernichtung von Existenzen politisch durch rassistischen Antijudaismus. Er enteignete jüdische KapitalistInnen, wodurch das „arisierte“ Gesamtkapital sich stärker konzentrierte und zentralisierte. Indem die Nazis die jüdische Bevölkerung aus den Berufen drängten, konnten „arische“ Volksgenossen ihre Stellung einnehmen. Im faschistischen Verdrängungs- und Vernichtungsantijudaismus verband sich kalkulierender Konkurrenz- und Bereicherungsrationalismus mit irrationalem Rassenwahn. Die faschistische „Volksgemeinschaft“ wurde als antijüdische Beute- und Vernichtungsgemeinschaft zur massenmörderischen Gewalt.

Indem die Nazis die jüdische Bevölkerung aus der Wirtschaft, der Kultur und den Berufen drängte, schufen sie massenhaft ein für das Kapital „unproduktives“ Elend. Der „normale“ Kapitalismus ließ und lässt entweder das „unproduktive“ Elend zu Grunde gehen oder verwaltet es notdürftig durch die nationalen Sozialstaaten. Die Nazis vernichteten als extreme Übertreiber des Kapitalismus das „unproduktive“ Elend der jüdischen Bevölkerung, was sie selbst durch ihren Rassenwahn geschaffen hatten. Der industrielle Massenmord an den europäischen Juden und Jüdinnen, an Roma und Sinti sowie Menschen mit geistigen Behinderungen stellt kein „Zivilisationsbruch“ dar, wie der liberaldemokratische Antifaschismus als Verteidigungs- und Rechtfertigungsideologie der kapitalistischen „Normalität“ behauptet, sondern war der bisherige Höhepunkt der kapitalistischen Zivilisationsbarbarei. Der Kapitalismus ist auch in seiner nichtfaschistischen Form absolut massenmörderisch. Dies soll die Propaganda vom Faschismus als angeblichen „Zivilisationsbruch“ ideologisch verschleiern.

Bei der Transformation von der Demokratie zum Faschismus und wieder zur Demokratie als Staatsformen in Italien und Deutschland hatten wir die demokratisch-faschistische Sozialreaktion mit großen personellen Überschneidungen vor uns. Im Gegensatz zu globalen Militärputschen und -diktaturen, verwirklichte sich der Faschismus nach 1945 nicht mehr als Staatsform. Er war auch in den Augen der übergroßen Mehrheit der Weltbourgeoisie zu irrational und zerstörerisch. So sehr auch der Rechtskonservatismus als politideologische Strömung fließend in den Neofaschismus übergeht, so sehr bleiben und blieben auch rechtskonservative Regimes – zum Beispiel in Polen, Ungarn und die USA unter Präsident Trump – im Rahmen der Demokratie. Der Neofaschismus wirkt objektiv als äußerster rechter Flügel der Demokratie. Wenn ihn die übergroße Mehrheit der Weltbourgeoisie auch nicht an der politischen Macht haben will, so wird er doch von den verschiedenen demokratischen Staatsapparaten eingebunden. In Deutschland wurde zum Beispiel in der Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) die mitunter starke Verquickung von Neofaschismus und demokratischen Geheimdiensten offensichtlich (siehe Nelke, Drei Kräfte gegen das Proletariat: Der Staat, die Nazis und der Antifaschismus, Soziale Befreiung, Bad Salzungen 2012). Hier haben wir die gelebte Praxis der demokratisch-faschistischen Sozialreaktion vor uns.

Auch auf dem Maidan in der Ukraine als reaktionäre Straßenbewegung gegen den unliebsamen Präsidenten Janukowitsch war sie 2013/2014 aktiv und erfolgreich. Das Bündnis zwischen der neoliberal-demokratischen und der ultranationalistisch-neofaschistischen Fraktion der Opposition gegen Janukowitsch wurde auch vom EU- und dem US-Imperialismus unterstützt. Galt es doch geopolitisch, die Ukraine vollständig aus der Einflusssphäre Moskaus zu befreien. Als Washington in der Ukraine die demokratisch-faschistische Sozialreaktion unterstützte, wurden die USA von der mittigen Kapitalfraktion regiert. Auch diese Fraktion ist also punktuell zur Zusammenarbeit mit NeofaschistInnen bereit. Unter US-Präsident Obama geschah dies in der Außenpolitik. Und unter Trump, dem Vertreter der rechten Fraktion des Kapitals, auch in der Innenpolitik – besonders während des Sturms auf das Kapitol am 6. Januar 2021.

SozialrevolutionärInnen waren und sind keine kleinbürgerlichen AntifaschistInnen. Links- und RätekommunistInnen bekämpften den Faschismus und Nationalsozialismus auf revolutionärer Grundlage. Aber sie verteidigten nicht wie die StalinistInnen und TrotzkistInnen die sozialreaktionäre Demokratie als kapitalistische Staatsform gegen den Faschismus. Auch der heutige antipolitische Kommunismus bekämpft die demokratisch-faschistische Sozialreaktion kompromisslos, verteidigt aber niemals die Demokratie. (Siehe dazu: Red Devil, Auschwitz als Alibi. Kritik des bürgerlichen Antifaschismus, Bibliothek des Widerstandes, Lübeck 2001 und Red Devil, Die Demokratie ist die Diktatur des Kapitals. Eine kommunistische Kritik der Demokratie, Bibliothek des Widerstandes, Lübeck 2009.)

Eine weitere politische Form der kapitalistischen Herrschaft stellt der Islamismus dar. Der Islamismus ist politisierte Religion und religiös ummantelte Politik von arabischen, nord- und westafrikanischen Regimes, Parteien und bewaffneten Gruppen, während der Islam eine der monotheistischen Weltreligionen ist und seit dem 7. Jahrhundert existiert. Wir können einen schiitischen und einen sunnitischen Islamismus unterscheiden. Indem der Islam Staatsreligion von imperialistischen Regionalmächten wie dem Iran (schiitisch) oder Saudi-Arabien (sunnitisch) ist, stellt er auch eine Ideologie des Imperialismus dar.

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5. Biosoziale Reproduktionsverhältnisse, Familie und Prostitution https://astendenz.blackblogs.org/2023/04/15/5-biosoziale-reproduktionsverhaeltnisse-familie-und-prostitution/ Sat, 15 Apr 2023 01:09:44 +0000 http://astendenz.blackblogs.org/?p=94 Die biologischen Geschlechter männlich und weiblich sorgen durch das Zeugen und Gebären vom neuen Leben für die biosoziale Reproduktion der Menschheit. Soziale Geschlechterrollen, also was in einer bestimmten Gesellschaft als „männlich“ und „weiblich“ gilt, hat aber nicht viel mit den biologischen Geschlechtern zu tun. Zum Beispiel hat die Norm, dass es in der Regel fast überall als „unmännlich“ gilt, Röcke zu tragen, nichts mit dem biologischen Geschlecht zu tun. Das Überkreuzliegen von biologischem Geschlecht, sozialer Geschlechterrolle und individueller Geschlechtsidentität führte auch zur Entwicklung von Transgender und nichtbinärer Geschlechtsidentität. Transgender sind Personen, deren individuelle Geschlechtsidentität nicht ihrem eingetragenen Geschlecht entspricht. Nichtbinäre Geschlechtsidentitäten sind dadurch geprägt, dass sie außerhalb der Zweigeschlechtlichkeit liegen. Sie ordnen sich nicht eindeutig und immer den Kategorien „männlich“ und „weiblich“ unter. Auch die Homo- und Bisexualität weichen von dieser heterosexuellen Norm ab. Bürgerliche Staaten unterdrückten allgemein alle Abweichungen von der heterosexuellen Normierung. Ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts kam es auch aufgrund der sozialen und politischen Bewegung all jener Menschen, die von der heterosexuellen und/oder binärgeschlechtlichen Normierung abweichen in einigen Staaten zu einer gewissen Liberalisierung der Familienpolitik und Legalisierung von Transgender, Homo- und Bisexualität sowie nichtbinären Geschlechtsidentitäten. Sozialrevolutionäre Antipolitik kämpft entschieden gegen die staatliche Repression gegen nichtheterosexuelle Menschen, Transgender und Personen mit einer nichtbinären Geschlechtsidentität. Außerdem strebt sie eine totale Aufhebung sozialer Geschlechterrollen und der heterosexuellen Normierung in einer nachkapitalistisch-nachpolitischen, klassen- und staatenlosen Weltgemeinschaft an.

Aber noch immer ist die monogam-heterosexuelle Kleinfamilie aus Mann, Frau und Kindern das vorherrschende biosoziale Reproduktionsverhältnis im Kapitalismus. Die rechtsstaatliche Institutionalisierung der bürgerlichen Kleinfamilie stellt die Ehe dar. Diese hat sich in einigen Ländern liberalisiert und auch gegenüber gleichgeschlechtlichen Paaren geöffnet. Aber die Ehe ist im Prinzip in der Regel unvereinbar mit allen nichtmonogamen Liebes- und Sexualbeziehungen. Der bürgerliche Staat begünstigt in der Regel noch immer Familien und Ehen als vorherrschende biosoziale Reproduktionsverhältnisse. Seine konkrete Familienpolitik ist auch abhängig von den allgemeinen Entwicklungstendenzen der Kapitalvermehrung. In westlichen Gesellschaften leben immer mehr Menschen in Singlehaushalten.

In diesen Privathaushalten – egal ob die von Singles, monogamen Paaren/Familien/Ehen oder Kommunen der Polyamorie – reproduzieren sich die Menschen biosozial. Bourgeoisie sowie produktions- und handelsmittelbesitzende KleinbürgerInnen reproduzieren sich als PrivateigentümerInnen. Hier ist auch die Vererbung von Privateigentum an Produktionsmitteln/Firmenanteilen an den Nachwuchs sehr wichtig. Dagegen reproduzieren kleinbürgerliche und proletarische Lohnabhängige in diesen Privathaushalten ihre Arbeitskraft biosozial. Dazu sind auch biosoziale Reproduktionstätigkeiten nötig (Einkaufen, Saubermachen, Kochen, das Behüten und die Erziehung von Kindern sowie die Pflege von kranken und/oder älteren Familienmitgliedern). Bourgeoisie und das obere KleinbürgerInnentum können die biosozialen Reproduktionstätigkeiten weitgehend auf privat dienende Lohnabhängige beziehungsweise auf die privatkapitalistisch organisierte Dienstleistungsbranche abwälzen. Das ist in den Single- und Paarhaushalten des unteren KleinbürgerInnentums und des Proletariats nicht möglich.

Hier sind die biosozialen Reproduktionstätigkeiten auch im westlichen Kapitalismus noch immer vorwiegend Frauensache. In der lohnabhängigen Familie hat sich dort folgendes Rollenmodell durchgesetzt: Der Mann ist meistens der Hauptverdiener in einem Vollzeitjob, während die Frau meistens weniger verdient – oft auch in Teilzeit- und/oder nichtsozialversicherungspflichtigen Minijobs. Gleichzeitig verrichtet sie den größten Teil der biosozialen Reproduktionstätigkeiten. Selbstverständlich gibt es auch heterosexuelle Paare/Familien/Ehen, in der die Frauen die Haupt- oder Alleinverdienerinnen sind und die Männer den größten Teil der innerfamiliär-biosozialen Reproduktionstätigkeiten verrichten. Doch das ist eine Minderheitentendenz. Und es gibt auch Paar- und Familienhaushalte, in denen die biosozialen Reproduktionstätigkeiten fair auf Mann und Frau verteilt werden.

Aber egal ob in Single- oder Paarhaushalten, ob vorwiegend von den Frauen, den Männern oder gleichberechtigt ausgeübt: Innerfamiliär-biosoziale Reproduktionstätigkeiten dienen bei Lohnabhängigen dazu, eine vermietbare Arbeitskraft zu reproduzieren. Ein ungepflegter und/oder durch Drogen geschädigter Körper lässt sich wesentlich schwerer an dessen potenzielle AusbeuterInnen vermieten. Biosoziale Reproduktionstätigkeit erhält also den Tauschwert der Arbeitskraft, fügt dieser aber keinen neuen hinzu. Sie ist tendenziell lohnsparend. So ist zum Beispiel selbst kochen kostengünstiger als in das Restaurant gehen.

Dort wo die biosoziale Reproduktionstätigkeit noch vorwiegend patriarchal-sexistisch durch die Frauen erfolgt, wird sie praktisch durch „ihren“ Mann ausgebeutet. Sie produziert Gebrauchswert für die ganze Familie, für sich, den Mann und die Kinder, während er sich in der Freizeit weitgehend ausruhen kann und muss, damit er wieder fit ist für den Job. Sind die Frauen auch noch lohnabhängig, dann leiden sie unter einer starken Doppelbelastung aus Job und innerfamiliär-biosozialen Reproduktionstätigkeiten. Die bürgerliche Kleinfamilie ist noch immer stark patriarchal-sexistisch geprägt.

Der Staat greift durch seine Politik in die biosoziale Reproduktion der Menschen ein. Besonders überwacht er die Gebärfunktion der Frauen. In den meisten Ländern ist er weit davon entfernt diese Funktion den Frauen als freie Kontrolle über ihren eigenen Körper zu überlassen, sondern er schuf und schafft ein mehr oder weniger repressives Abtreibungsverbot. Dieses wiederum wird von der klassenübergreifenden Frauenbewegung bekämpft, durch ihren Druck kam es in einigen Ländern zu mehr oder weniger konsequenten Legalisierung des Schwangerschaftsabbruches. Auch stellte der politische Gewaltapparat bis in das 20. Jahrhundert hinein Mann und Frau in der Familie nicht rechtlich gleich. Lange Zeit war die Frau in der bürgerlichen Kleinfamilie weitgehend entmündigt und ihrem Mann auch juristisch unterworfen. Der antipolitische Kommunismus strebt die Zerschlagung der Ehe als staatlich sanktionierte Form der bürgerlichen Kleinfamilie und die Gleichberechtigung aller Formen von Liebes- und Sexualbeziehungen in einer klassen- und staatenlosen Weltgemeinschaft an.

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Der Mensch ist ein soziales Wesen, aber im Kapitalismus auch ein asoziales Marktsubjekt und Konkurrenzindividuum. Die meisten Menschen – besonders die lohnabhängigen – werden in der verdinglichten, geldproduzierenden Arbeit nicht glücklich. Ganz im Gegenteil. Sie erwarten deshalb von ihren Partnerschaftsbeziehungen beziehungsweise Familien und Ehen, dass sie glücklich machen. Sozusagen das biosoziale Reproduktionsverhältnis als Oase des Glücks im kapitalistischen Meer der Konkurrenz-Asozialität, stumpfsinnig machender Lohnarbeit und Ware-Geld-Verdinglichung menschlicher Beziehungen. Dadurch werden allerdings viele Paarbeziehungen, Familien und Ehen emotional überfrachtet. Die Menschen machen sich gegenseitig zum Objekt eines totalitären Glücksanspruchs. Aus der tiefen Erfüllung aus gegenseitiger Zuneigung am Beginn einer Beziehung, die in dem schönen Kompliment zum Ausdruck kommt „Du machst mich glücklich“ wird schnell der absolute Anspruch: „Mache mich glücklich!“ Dieses Besitzdenken kann Liebe und Zärtlichkeit nur töten und Quelle von körperlicher, psychischer und emotionaler Gewalt sein – bis hin zum Mord. Bei der Ausübung von körperlicher Gewalt in Paarbeziehungen, Familien und Ehen sind die Männer oft die Täter und die Frauen die Opfer. Aber es gibt auch Frauen, die „ihren“ Männern durch psychisch-emotionale oder gar körperliche Gewalt das Privatleben zur Hölle machen. Sehr oft werden also im Kapitalismus aus biosozialen Reproduktionsverhältnissen asoziale Gewaltverhältnisse.

Das bürgerliche Alltagsbewusstsein produziert Sprüche über das Verhältnis von menschlichen Solidarbeziehungen und dem Ware-Geld-Verhältnis, die erstmal banal klingen, aber eine tiefe Wahrheit über die Warengesellschaft offenbaren. „Bei Geld hört die Freundschaft auf“ sagt zum Beispiel sehr viel darüber aus, wie die konkurrenzförmige Jagd nach dem verselbständigten Ausdruck des Tauschwertes auch zwischenmenschliche Solidarbeziehungen zerstören. „Liebe kann man nicht kaufen“ bedeutet aber auch, dass diese zwischenmenschliche Zärtlichkeit für kein Geld der Welt zu haben ist. Ficken kann mensch dagegen für Geld. Prostitution heißt aber auch im Gegenzug von der Ware-Geld-Beziehung gefickt zu werden. Die Prostitution ist eine Ware-Geld-Perversion der Sexualität. Sie beruht auf dem sozialen Elend der Prostituierten, irgendwie Geld verdienen zu müssen, und dem sexuellen Elend der FreierInnen. Die Prostitution ist noch stark patriarchal-sexistisch geprägt. Das heißt, dass die meisten Prostituierten weiblich und die meisten FreierInnen männlich sind. Aber auch Frauen können sich Callboys mieten. Dies ist eine Minderheitenströmung innerhalb der Prostitution. Der bürgerliche Staat kann die Prostitution legalisieren oder verbieten – aber aufheben kann er sie nicht, da es die herrschende Warengesellschaft selbst ist, die sie hervorbringt. Ein Teil des kleinbürgerlichen Mittelstandsfeminismus tritt für das Verbot der Prostitution bei der Kriminalisierung der Freier ein. Der antipolitische Kommunismus kämpft für eine sozialrevolutionäre Überwindung der Prostitution durch die Aufhebung der Ware-Geld-Beziehungen sowie des sozialen und sexuellen Elends.

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Plattform: Die Möglichkeit der Weltrevolution https://astendenz.blackblogs.org/2023/01/12/platform-die-moeglichkeit-der-weltrevolution/ Thu, 12 Jan 2023 02:33:39 +0000 http://astendenz.blackblogs.org/?p=62 Die AST hat ihre theoretische Plattform zur geistigen Orientierung für antipolitische SozialrevolutionärInnen veröffentlicht. Sie ist hier käuflich erhältlich (1. Teil und 2. Teil). Wir werden sie auch nach und nach auf dieser Homepage veröffentlichen.

Einleitung

Mit der Veröffentlichung unserer Plattform möchten wir, die Antipolitisch-Sozialrevolutionäre Tendenz (AST), einen geistigen Impuls zur Radikalisierung des Klassenkampfes leisten. Wir sind uns natürlich bewusst, dass der Hauptimpuls zur Radikalisierung des bewussten Seins des Proletariats dessen eigene Klassenkampfpraxis ist. Auch wissen wir, dass die Wirkung einer Schrift wie Die Möglichkeit der Weltrevolution in nichtrevolutionären Zeiten nur gering sein kann. Aber gerade in solchen reaktionären Zeiten ist revolutionäre Theorie so wichtig – als Ausblick auf ein mögliches zukünftiges bewusstes Sein der Revolution und einer klassen- und staatenlosen Weltgemeinschaft.

Im 1. Teil unserer Plattform analysieren und kritisieren wir den Kapitalismus in seiner geschichtlichen Entstehung und Bewegung. Wir beleuchten die Entstehung der Politik als staatsförmige Organisation der Klassengesellschaft – und dass es in ihrem Rahmen für das Proletariat keine soziale Befreiung von kapitalistischer Ausbeutung und staatlicher Elendsverwaltung geben kann. Auch nicht isoliert im Rahmen der Nation. Nur antipolitisches und antinationales Bewusstsein ist auch wirklich antikapitalistisch.

Der Klassenkampf hat eine enorme Bedeutung für die Radikalisierung des Proletariats, aber solange er reproduktiv im Rahmen des Kapitalismus geführt wird, hat er auch relativ sozialkonservative Tendenzen. Impulse zu einer sozialreformistischen Modernisierung der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft werden in ihm auch freigesetzt. Aber er hat selbstverständlich auch revolutionäre Tendenzen. ProletarierInnen setzen heimlich oder offen ihren eigenen Kopf, ihre materiellen Interessen und psychischen/mentalen Bedürfnisse gegen ihre ChefInnen und die krankmachende Kapitalvermehrung durch. Sie organisieren sich klassenkämpferisch selbst – gegen Kapital, Staat sowie die bürgerlich-bürokratischen Partei- und Gewerkschaftsapparate der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung. Letztere ist heute größtenteils mehr oder weniger in den Kapitalismus integriert und als Wächterin der reproduktiven Grenzen des Klassenkampfes aktiv. Sozialreformistisch und antirevolutionär. Dies kritisieren wir mit aller notwendigen Schärfe und Härte.

Im 2. Teil unserer Plattform analysieren wir dazu die mögliche sozialrevolutionäre Alternative. Wir verfolgen den langen Entwicklungsprozess des antipolitischen und antinationalen Kommunismus als geistig-ethischen Ausdruck des bewussten Kampfes gegen die nationalkapitalistische Politik. Dabei würdigen wir sowohl die revolutionären Tendenzen von Marxismus und Anarchismus, kritisieren aber auch deren weitverbreitete prokapitalistische Praxis. Heute ist ein nachmarxistischer und nachanarchistischer Kommunismus notwendig! Wir beschreiben die Vorgeschichte der AST als einer Strömung dieser Notwendigkeit.

Unsere Plattform gibt Impulse für die heutige Organisation von SozialrevolutionärInnen. Wir stellen den Widerspruch eines revolutionären Bewusstseins eines objektiv nichtrevolutionären Seins im „normalen“ Kapitalismus dar. Dieser Widerspruch kann progressiv nur durch das bewusste Sein der Revolution gelöst werden. Wir skizzieren diese mögliche zukünftige Weltrevolution als Geburtsprozess einer globalen, klassen- und staatenlosen Gesellschaft.

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