tauschwert – Antipolitisch-Sozialrevolutionäre Tendenz https://astendenz.blackblogs.org Es lebe die Möglichkeit der klassen- und staatenlosen Weltgemeinschaft! Thu, 10 Apr 2025 22:16:23 +0000 de-CH hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 Auf wessen Seite steht die IG Metall? https://astendenz.blackblogs.org/2025/03/15/auf-wessen-seite-steht-die-ig-metall/ Sat, 15 Mar 2025 22:18:15 +0000 https://astendenz.blackblogs.org/?p=319 Dieses Flugblatt wurde am 15. März 2025 bei dem Aktionstag der IG Metall in Hannover verteilt.

IG Metall: Co-Managerin von Rüstungskapital und Staat

Die IG-Metall ist die Co-Managerin des deutschen Rüstungskapitals. Und damit eine Gewährleisterin einer reibungslosen Produktion des Mordwerkzeuges, womit der deutsche Staat sich selbst und seine Verbündeten – unter anderem Israel und die Ukraine – aufrüstet.

Der deutsche Imperialismus rüstet massiv auf – mit der Unterstützung des bürgerlich-bürokratischen Apparates der IG Metall. Dabei wird auch nichtmilitärische Produktion auf die von Mordwerkzeug umgestellt. Zum Beispiel in Görlitz. Dort wird der Waggonbau auf Panzerproduktion umgestellt. Der IG-Metall-Bezirksleiter Berlin-Brandenburg-Sachsen, Dirk Schulze, sagte zu dieser Umstellung der Produktion: „Sicherlich sind nicht alle glücklich über die Umstellung auf eine Fertigung von Wehrtechnik. Das kann ich verstehen. Unbestreitbar aber ist, dass wir – leider – in diesen Zeiten diese Produktion benötigen.“

Ein bewusstes Rumgeeiere in einer Klassenfrage: Für wen ist Rüstungsproduktion notwendig? Und auf wessen Kosten wird sie produziert und angewendet? Nun, die Rüstungsproduktion ist notwendig für den kapitalistischen Staat Deutschland, der mit dem Mordwerkzeug indirekte Kriege führt – indem er es an die befreundeten Kriegsnationen Israel und Ukraine schickt – und sich auf potenziellen direkten Krieg vorbereitet. Und für die Rüstungsunternehmen, die mit der Produktion und dem Verkauf der Tötungsmittel ihren Profit machen, ist diese selbstverständlich auch notwendig.

Die IG Metall ist Teil des herrschenden deutschen Nationalismus. Als Co-Managerin des Rüstungskapitals und des deutschen Staates ist die Produktion von Mordwerkzeug auch für den Apparat dieser Gewerkschaft „notwendig“. Indem die IG-Metall-Bonzen kapitalistische und staatliche Notwendigkeiten verteidigen, zeigen sie ihre Unentbehrlichkeit für die deutsche Nation.

Auf wessen Kosten erfolgt die Rüstungsproduktion und deren Anwendung? Viele Menschen bezahlen als Manövriermasse des zwischenstaatlichen Konkurrenzkampfes ihre kriegerische Anwendung mit ihrer Gesundheit und ihrem Leben. Ihre Herstellung erfordert die Arbeitskraft der KollegInnen in der Rüstungsindustrie. Sie produzieren in Form der Preise für das Mordwerkzeug mehr Geld als sie in Form des Lohnes kosten. Die Differenz ist der Profit, den sich die Rüstungsbourgeoisie einsteckt. Die KollegInnen der Rüstungsindustrie sind deren Ausbeutungsmaterial.

Klar, bleiben wir Lohnabhängige „brauchen“ auch wir die Rüstungsproduktion als Teil unserer Arbeitsplätze (= Orte der Ausbeutung). Aber wir müssen nicht notwendig Lohnabhängige (Ausbeutungsmaterial) und StaatsbürgerInnen (Manövriermasse des zwischenstaatlichen Konkurrenzkampfes) bleiben. Wir können perspektivisch auch Kapitalismus und Staat revolutionär überwinden. Kapital, Staat und Gewerkschaften wie die IG Metall wollen das selbstverständlich nicht.

Die IG Metall und das Gemetzel in der Ukraine

In der Ukraine führt der deutsche Imperialismus als Teil von EU und NATO einen Stellvertreterkrieg gegen den russländischen Imperialismus – mit Hilfe der IG Metall. Das Gemetzel in der Ukraine und der Wirtschaftskrieg ist von allen Beteiligten ein Klassenkampf von oben gegen uns, die Lohnabhängigen der ganzen Welt. Die kapitalistischen Staaten Deutschland, die europäischen Verbündeten, die Ukraine, die USA und Russland tragen ihre Konkurrenzkämpfe auf Kosten der Lohnabhängigen aus. Die EU und NATO expandierten imperialistisch nach Osteuropa, die einstige Einflusssphäre des Kremls. Bei der Ukraine sagte Moskau Njet. Der russische Imperialismus überfiel 2022 die Ukraine. NATO und EU rüsten die Ukraine auf – was ein indirekter, Stellvertreterkrieg, darstellt – und führen ein Wirtschaftskrieg gegen Russland, um ihren Rivalen zu schwächen. Für die Staaten Russland, USA, Ukraine und jene der EU sind ihre Insassen – unter ihnen wir Lohnabhängigen – nichts als lebendige Schachfiguren im großen geopolitischen Spiel. Imperialistische „Solidarität mit der Ukraine“ ist keine Solidarität mit den Lohnabhängigen dieses Landes, die für „ihre“ KapitalistInnen und Politbonzen sowie für NATO und EU schuften, morden und sterben sollen!

Was ist notwendig? Dass die Lohnabhängigen Russlands, der Ukraine, der EU und der NATO durch einen unbefristeten branchenübergreifenden Massenstreik das Gemetzel der kapitalistischen Staaten beenden! Doch die Lohnabhängigen sind überall zu stark in die jeweiligen Nationen, diese politischen Zwangsgemeinschaften aus Kapital und Lohnarbeit, integriert. Die großen Gewerkschaftsapparate unterstützen das Gemetzel in der Ukraine und den Wirtschaftskrieg auf der Seite ihres jeweiligen Staates. Unter anderem die IG Metall in Deutschland. Den Wirtschaftskrieg gegen Russland, unter dessen Folgen – erhöhte Lebensmittel- und Energiepreise – die Lohnabhängigen der ganzen Welt litten, unterstützten die Bonzen der IG Metall zusammen mit dem Kapitalverband Bund der Deutschen Industrie (BDI) am 1. März 2022 durch eine gemeinsame Erklärung.

Dem US-Imperialismus unter Trump wird dieser Stellvertreterkrieg mit Russland in der Ukraine zu teuer. Er strebt einen imperialistischen Schacherfrieden mit dem Kreml auf Kosten der ukrainischen Bevölkerung an. Außerdem will er die Rohstoffe der Ukraine plündern, auf die auch schon die EU ein Auge geworfen hat. Weder Washington noch Moskau wollen die EU am Verhandlungstisch sitzen haben. Auch der deutsche Imperialismus bekommt so seine drittklassige Rolle aufgezeigt. Der zieht daraus drei Schlussfolgerungen: Aufrüsten, Aufrüsten und nochmals Aufrüsten. Dafür sollen auch ordentlich Staatsschulden gemacht werden. Für uns Lohnabhängige heißt es: Kanonen statt Butter.

Die deutschen Gewerkschaften stehen auf der Seite der forcierten Aufrüstung des deutschen und EU-Imperialismus. Die Erste Vorsitzende der IG Metall, Christiane Benner, bekannte sich eindeutig zur Aufrüstung: „Den jetzigen Vorstoß begrüßen wir klar. Die wirtschaftliche, gesellschaftliche und die geopolitische Situation erfordern Weitblick.“

Diese Beispiele machen überdeutlich: Die IG Metall macht dabei mit, uns als Manövriermasse für den zwischenstaatlichen Konkurrenzkampf zuzurichten. So wie die deutschen Gewerkschaften 1914 das Gemetzel des Ersten Weltkrieges mitorganisiert hatten. Die IG Metall ist der verlängerte Arm des deutschen Imperialismus.

Die klassenkämpferisch-revolutionäre Alternative zur IG Metall

Der Apparat der IG Metall beantwortet durch seine Praxis jeden Tag, wo er steht: Auf der Seite von Kapital und Staat. Selbst im Klassenkampf innerhalb des Kapitalismus für höhere Löhne und kürzere Arbeitszeiten ist diese Gewerkschaft für Lohnabhängige kaum zu gebrauchen. Gehen Kapital und Staat zur Gegenoffensive über, zeigt es sich, dass diese Gewerkschaft nicht zur Gegenwehr für Lohnabhängige taugt. Mit der IG Metall ist viel Imperialismus und Krieg zu machen. Aber effektiven Klassenkampf von unten ganz sicher nicht!

Klar, innerhalb des durch staatliche Gesetze regulierten Tarifvertragssystems, dass nur Streiks erlaubt, wenn sie erstens von Gewerkschaften geführt und zweitens die Streikziele in Tarifverträge münden können, hat die IG Metall ein absolutes Monopol auf Arbeitsniederlegungen in der Metall- und Elektroindustrie. Ja, der Staat schafft sich die Gesetze, damit das klassenkämpferische Proletariat innerhalb des legalen Rahmens nicht viel machen kann. Der kapitalistische Staat schmiedet durch sein demokratisches Streikrecht, das Tarifvertragssystem und seine Hausgewerkschaft IG Metall eine sehr schwere Kette für die Lohnabhängigen der Metallbranche.

Und doch gibt es wilde Streiks. Arbeitsniederlegungen ohne und gegen die zentralen Gewerkschaftsapparate. Besonders viele selbstorganisierte Arbeitsniederlegungen entfalteten sich in der BRD 1969 und 1973 – auch im Geschäftsbereich der IG Metall.

Der Kapitalismus wird auch in Deutschland immer krisenhafter. Kapitalistische Unternehmen und der Staat werden die Lohnabhängigen härter angreifen müssen. Der deutsche Imperialismus tritt in der globalen Konkurrenz immer aggressiver auf. Wie lange kann es also noch Frieden in der BRD geben, während Deutschland auf der Welt direkte und indirekte Kriege mitführt?! Die BerufspolitikerInnen wollen Deutschland „kriegstüchtig“ machen. Das heißt: Wir Lohnabhängigen sollen stärker ausgebeutet werden. Wir sollen für Kapital und Staat mehr Reichtum produzieren. Und der Staat gibt mehr Geld für Mordwerkzeug aus. Deutsche SoldatInnen sollen perspektivisch in militärischen zwischenstaatlichen Konkurrenzkämpfen töten und sterben. So wie sie bereits in Afghanistan bis 2021 töteten und starben. Wollen wir uns wirklich als Manövriermasse von Kapital und Staat im internationalen Konkurrenzkampf verheizen lassen?!

Der deutsche Staat will „kriegstüchtig“ werden. Wenn wir uns nicht verheizen lassen wollen, müssen wir klassenkampftüchtig werden! Die IG Metall ist kriegstüchtig. Sie ist die Hausgewerkschaft der deutschen Rüstungsindustrie und des deutschen Imperialismus. Sie kann deshalb kein Mittel des Klassenkampfes gegen den deutschen Imperialismus sein!

Wie gesagt, die Alternative zu den bürgerlich-bürokratischen Gewerkschaftsapparaten ist die klassenkämpferische Selbstorganisation. Radikalisiert sich der Klassenkampf in der BRD, was aufgrund der Vertiefung der kapitalistischen Krise und der globalen Konkurrenz nicht unwahrscheinlich ist, dann werden vielleicht auch wilde Streiks zunehmen. Wenn sich der Klassenkampf zur sozialen Revolution radikalisiert – die vielleicht die kapitalistische Produktionsweise aufhebt, den Staat zerschlägt und in der klassen- und staatenlosen Gemeinschaft mündet –, dann ist die revolutionäre Klassenkampforganisation, die unvereinbar mit Gewerkschaften ist, notwendig.

KollegInnen, die klassenkämpferisch-revolutionäre Alternative zu den Gewerkschaften sind wir selbst!

Und nur wir selbst!

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5. Biosoziale Reproduktionsverhältnisse, Familie und Prostitution https://astendenz.blackblogs.org/2023/04/15/5-biosoziale-reproduktionsverhaeltnisse-familie-und-prostitution/ Sat, 15 Apr 2023 01:09:44 +0000 http://astendenz.blackblogs.org/?p=94 Die biologischen Geschlechter männlich und weiblich sorgen durch das Zeugen und Gebären vom neuen Leben für die biosoziale Reproduktion der Menschheit. Soziale Geschlechterrollen, also was in einer bestimmten Gesellschaft als „männlich“ und „weiblich“ gilt, hat aber nicht viel mit den biologischen Geschlechtern zu tun. Zum Beispiel hat die Norm, dass es in der Regel fast überall als „unmännlich“ gilt, Röcke zu tragen, nichts mit dem biologischen Geschlecht zu tun. Das Überkreuzliegen von biologischem Geschlecht, sozialer Geschlechterrolle und individueller Geschlechtsidentität führte auch zur Entwicklung von Transgender und nichtbinärer Geschlechtsidentität. Transgender sind Personen, deren individuelle Geschlechtsidentität nicht ihrem eingetragenen Geschlecht entspricht. Nichtbinäre Geschlechtsidentitäten sind dadurch geprägt, dass sie außerhalb der Zweigeschlechtlichkeit liegen. Sie ordnen sich nicht eindeutig und immer den Kategorien „männlich“ und „weiblich“ unter. Auch die Homo- und Bisexualität weichen von dieser heterosexuellen Norm ab. Bürgerliche Staaten unterdrückten allgemein alle Abweichungen von der heterosexuellen Normierung. Ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts kam es auch aufgrund der sozialen und politischen Bewegung all jener Menschen, die von der heterosexuellen und/oder binärgeschlechtlichen Normierung abweichen in einigen Staaten zu einer gewissen Liberalisierung der Familienpolitik und Legalisierung von Transgender, Homo- und Bisexualität sowie nichtbinären Geschlechtsidentitäten. Sozialrevolutionäre Antipolitik kämpft entschieden gegen die staatliche Repression gegen nichtheterosexuelle Menschen, Transgender und Personen mit einer nichtbinären Geschlechtsidentität. Außerdem strebt sie eine totale Aufhebung sozialer Geschlechterrollen und der heterosexuellen Normierung in einer nachkapitalistisch-nachpolitischen, klassen- und staatenlosen Weltgemeinschaft an.

Aber noch immer ist die monogam-heterosexuelle Kleinfamilie aus Mann, Frau und Kindern das vorherrschende biosoziale Reproduktionsverhältnis im Kapitalismus. Die rechtsstaatliche Institutionalisierung der bürgerlichen Kleinfamilie stellt die Ehe dar. Diese hat sich in einigen Ländern liberalisiert und auch gegenüber gleichgeschlechtlichen Paaren geöffnet. Aber die Ehe ist im Prinzip in der Regel unvereinbar mit allen nichtmonogamen Liebes- und Sexualbeziehungen. Der bürgerliche Staat begünstigt in der Regel noch immer Familien und Ehen als vorherrschende biosoziale Reproduktionsverhältnisse. Seine konkrete Familienpolitik ist auch abhängig von den allgemeinen Entwicklungstendenzen der Kapitalvermehrung. In westlichen Gesellschaften leben immer mehr Menschen in Singlehaushalten.

In diesen Privathaushalten – egal ob die von Singles, monogamen Paaren/Familien/Ehen oder Kommunen der Polyamorie – reproduzieren sich die Menschen biosozial. Bourgeoisie sowie produktions- und handelsmittelbesitzende KleinbürgerInnen reproduzieren sich als PrivateigentümerInnen. Hier ist auch die Vererbung von Privateigentum an Produktionsmitteln/Firmenanteilen an den Nachwuchs sehr wichtig. Dagegen reproduzieren kleinbürgerliche und proletarische Lohnabhängige in diesen Privathaushalten ihre Arbeitskraft biosozial. Dazu sind auch biosoziale Reproduktionstätigkeiten nötig (Einkaufen, Saubermachen, Kochen, das Behüten und die Erziehung von Kindern sowie die Pflege von kranken und/oder älteren Familienmitgliedern). Bourgeoisie und das obere KleinbürgerInnentum können die biosozialen Reproduktionstätigkeiten weitgehend auf privat dienende Lohnabhängige beziehungsweise auf die privatkapitalistisch organisierte Dienstleistungsbranche abwälzen. Das ist in den Single- und Paarhaushalten des unteren KleinbürgerInnentums und des Proletariats nicht möglich.

Hier sind die biosozialen Reproduktionstätigkeiten auch im westlichen Kapitalismus noch immer vorwiegend Frauensache. In der lohnabhängigen Familie hat sich dort folgendes Rollenmodell durchgesetzt: Der Mann ist meistens der Hauptverdiener in einem Vollzeitjob, während die Frau meistens weniger verdient – oft auch in Teilzeit- und/oder nichtsozialversicherungspflichtigen Minijobs. Gleichzeitig verrichtet sie den größten Teil der biosozialen Reproduktionstätigkeiten. Selbstverständlich gibt es auch heterosexuelle Paare/Familien/Ehen, in der die Frauen die Haupt- oder Alleinverdienerinnen sind und die Männer den größten Teil der innerfamiliär-biosozialen Reproduktionstätigkeiten verrichten. Doch das ist eine Minderheitentendenz. Und es gibt auch Paar- und Familienhaushalte, in denen die biosozialen Reproduktionstätigkeiten fair auf Mann und Frau verteilt werden.

Aber egal ob in Single- oder Paarhaushalten, ob vorwiegend von den Frauen, den Männern oder gleichberechtigt ausgeübt: Innerfamiliär-biosoziale Reproduktionstätigkeiten dienen bei Lohnabhängigen dazu, eine vermietbare Arbeitskraft zu reproduzieren. Ein ungepflegter und/oder durch Drogen geschädigter Körper lässt sich wesentlich schwerer an dessen potenzielle AusbeuterInnen vermieten. Biosoziale Reproduktionstätigkeit erhält also den Tauschwert der Arbeitskraft, fügt dieser aber keinen neuen hinzu. Sie ist tendenziell lohnsparend. So ist zum Beispiel selbst kochen kostengünstiger als in das Restaurant gehen.

Dort wo die biosoziale Reproduktionstätigkeit noch vorwiegend patriarchal-sexistisch durch die Frauen erfolgt, wird sie praktisch durch „ihren“ Mann ausgebeutet. Sie produziert Gebrauchswert für die ganze Familie, für sich, den Mann und die Kinder, während er sich in der Freizeit weitgehend ausruhen kann und muss, damit er wieder fit ist für den Job. Sind die Frauen auch noch lohnabhängig, dann leiden sie unter einer starken Doppelbelastung aus Job und innerfamiliär-biosozialen Reproduktionstätigkeiten. Die bürgerliche Kleinfamilie ist noch immer stark patriarchal-sexistisch geprägt.

Der Staat greift durch seine Politik in die biosoziale Reproduktion der Menschen ein. Besonders überwacht er die Gebärfunktion der Frauen. In den meisten Ländern ist er weit davon entfernt diese Funktion den Frauen als freie Kontrolle über ihren eigenen Körper zu überlassen, sondern er schuf und schafft ein mehr oder weniger repressives Abtreibungsverbot. Dieses wiederum wird von der klassenübergreifenden Frauenbewegung bekämpft, durch ihren Druck kam es in einigen Ländern zu mehr oder weniger konsequenten Legalisierung des Schwangerschaftsabbruches. Auch stellte der politische Gewaltapparat bis in das 20. Jahrhundert hinein Mann und Frau in der Familie nicht rechtlich gleich. Lange Zeit war die Frau in der bürgerlichen Kleinfamilie weitgehend entmündigt und ihrem Mann auch juristisch unterworfen. Der antipolitische Kommunismus strebt die Zerschlagung der Ehe als staatlich sanktionierte Form der bürgerlichen Kleinfamilie und die Gleichberechtigung aller Formen von Liebes- und Sexualbeziehungen in einer klassen- und staatenlosen Weltgemeinschaft an.

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Der Mensch ist ein soziales Wesen, aber im Kapitalismus auch ein asoziales Marktsubjekt und Konkurrenzindividuum. Die meisten Menschen – besonders die lohnabhängigen – werden in der verdinglichten, geldproduzierenden Arbeit nicht glücklich. Ganz im Gegenteil. Sie erwarten deshalb von ihren Partnerschaftsbeziehungen beziehungsweise Familien und Ehen, dass sie glücklich machen. Sozusagen das biosoziale Reproduktionsverhältnis als Oase des Glücks im kapitalistischen Meer der Konkurrenz-Asozialität, stumpfsinnig machender Lohnarbeit und Ware-Geld-Verdinglichung menschlicher Beziehungen. Dadurch werden allerdings viele Paarbeziehungen, Familien und Ehen emotional überfrachtet. Die Menschen machen sich gegenseitig zum Objekt eines totalitären Glücksanspruchs. Aus der tiefen Erfüllung aus gegenseitiger Zuneigung am Beginn einer Beziehung, die in dem schönen Kompliment zum Ausdruck kommt „Du machst mich glücklich“ wird schnell der absolute Anspruch: „Mache mich glücklich!“ Dieses Besitzdenken kann Liebe und Zärtlichkeit nur töten und Quelle von körperlicher, psychischer und emotionaler Gewalt sein – bis hin zum Mord. Bei der Ausübung von körperlicher Gewalt in Paarbeziehungen, Familien und Ehen sind die Männer oft die Täter und die Frauen die Opfer. Aber es gibt auch Frauen, die „ihren“ Männern durch psychisch-emotionale oder gar körperliche Gewalt das Privatleben zur Hölle machen. Sehr oft werden also im Kapitalismus aus biosozialen Reproduktionsverhältnissen asoziale Gewaltverhältnisse.

Das bürgerliche Alltagsbewusstsein produziert Sprüche über das Verhältnis von menschlichen Solidarbeziehungen und dem Ware-Geld-Verhältnis, die erstmal banal klingen, aber eine tiefe Wahrheit über die Warengesellschaft offenbaren. „Bei Geld hört die Freundschaft auf“ sagt zum Beispiel sehr viel darüber aus, wie die konkurrenzförmige Jagd nach dem verselbständigten Ausdruck des Tauschwertes auch zwischenmenschliche Solidarbeziehungen zerstören. „Liebe kann man nicht kaufen“ bedeutet aber auch, dass diese zwischenmenschliche Zärtlichkeit für kein Geld der Welt zu haben ist. Ficken kann mensch dagegen für Geld. Prostitution heißt aber auch im Gegenzug von der Ware-Geld-Beziehung gefickt zu werden. Die Prostitution ist eine Ware-Geld-Perversion der Sexualität. Sie beruht auf dem sozialen Elend der Prostituierten, irgendwie Geld verdienen zu müssen, und dem sexuellen Elend der FreierInnen. Die Prostitution ist noch stark patriarchal-sexistisch geprägt. Das heißt, dass die meisten Prostituierten weiblich und die meisten FreierInnen männlich sind. Aber auch Frauen können sich Callboys mieten. Dies ist eine Minderheitenströmung innerhalb der Prostitution. Der bürgerliche Staat kann die Prostitution legalisieren oder verbieten – aber aufheben kann er sie nicht, da es die herrschende Warengesellschaft selbst ist, die sie hervorbringt. Ein Teil des kleinbürgerlichen Mittelstandsfeminismus tritt für das Verbot der Prostitution bei der Kriminalisierung der Freier ein. Der antipolitische Kommunismus kämpft für eine sozialrevolutionäre Überwindung der Prostitution durch die Aufhebung der Ware-Geld-Beziehungen sowie des sozialen und sexuellen Elends.

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2. Die geschichtliche Entwicklung von Tausch- und Mehrwertproduktion vor dem Industriekapitalismus https://astendenz.blackblogs.org/2023/02/16/2-die-geschichtliche-entwicklung-von-tausch-und-mehrwertproduktion-vor-dem-industriekapitalismus/ Thu, 16 Feb 2023 21:50:47 +0000 http://astendenz.blackblogs.org/?p=79 Die Warenproduktion entwickelte sich bereits in den vorindustriekapitalistischen Klassengesellschaften. Warenproduktion ist Produktion der Güter für den Austausch mit Geld als dem allgemein anerkannten Ausdruck des verselbständigten Tauschwertes. Voneinander getrennte kleinbürgerliche oder kapitalistische Wirtschafseinheiten tauschen ihre Produkte mit Hilfe des Geldes aus. Die Urgesellschaft bestand noch nicht aus voneinander getrennten Wirtschaftseinheiten. Innerhalb der Stämme der JägerInnen, SammlerInnen und FischerInnen wurden die Produkte nicht getauscht, sondern gesamtgesellschaftlich verteilt. Die Produkte hatten einen Gebrauchswert, verkörpert in ihren nützlichen Eigenschaften, und einen Arbeits- beziehungsweise einen Produktionswert, verkörpert in der durchschnittlichen, gesellschaftlich notwendigen Herstellungszeit, aber noch keinen Tauschwert. Waren haben auch einen Gebrauchs- und Produktionswert, aber zusätzlich noch einen Tauschwert. Der Tauschwert einer Ware drückt im Naturaltausch aus, wie viel andere Produkte mit ihr einzutauschen sind. In der kleinbürgerlichen Warenproduktion von städtischen HandwerkerInnen auf der Basis des Privateigentums an den Produktionsmitteln werden die Waren schon in Geld eingetauscht. Der Preis ist der Geldausdruck des Tauschwertes. Im Geld bekommt der Tauschwert der Waren seinen verselbständigten Ausdruck. Die Warenpreise werden sowohl von dem Produktionswert, also ihren durchschnittlichen, gesellschaftlich notwendigen Herstellungszeiten als auch durch die Marktkonkurrenz in Form von Angebot und Nachfrage bestimmt.

Schauen wir uns jetzt grob die Entwicklung von Tauschwert- und Mehrwertproduktion vor dem Industriekapitalismus an. Der Urkommunismus war weltgeschichtlich gesehen zwar eine klassen- und staatenlose Gesellschaft, aber von der Haupttendenz her werdende Klassengesellschaft. Ein großer Unterschied der möglichen zukünftigen klassen- und staatenlosen Gesellschaft zum Urkommunismus wird der sein, dass die erstere auf mehr oder weniger autonomen Stämmen beruhte, während der nachkapitalistische Kommunismus notwendigerweise eine Weltgemeinschaft hervorbringen muss. Nur als solidarische Weltgemeinschaft kann die mögliche globale klassen- und staatenlose Gesellschaft Krieg und den Handel als institutionalisierte Ware-Geld-Beziehung aufheben. Die Stämme der Urgesellschaft führten gegeneinander Krieg und im Frieden einen sich entwickelnden Handel miteinander. Beides sind Ausdrücke dafür, dass die kollektiv-solidarische Gemeinschaftlichkeit des Urkommunismus kaum über den Stamm hinausging. Natürlich wird auch die zukünftige mögliche klassen- und staatenlose Gesellschaft auf kleinere lokale Einheiten beruhen, aber diese werden nicht voneinander isoliert sein, sondern eine kollektiv-solidarische Weltgemeinschaft bilden. Diese Weltgemeinschaft braucht moderne Verkehrs- und Kommunikationsmittel als materiell-technische Basis. Auch dies ist ein Grund, warum der zukünftige nachkapitalistische Kommunismus nur auf einer hohen Produktivität beruhen kann. Wegen dem niedrigen Stand der technologischen Produktivkräfte haben im Urkommunismus die Stämme verschiedener und weit voneinander entfernter Kontinente – zum Beispiel die in Europa und in Australien – nichts voneinander gewusst. Es gab trotz der großen sozialen Gleichheit bereits in den urkommunistischen Gesellschaften der JägerInnen und SammlerInnen weltliche (Häuptlinge) und geistige (SchamanInnen, Medizinmänner/frauen und PriesterInnen) Würdenträger. Diese konnten sich aber wegen der niedrigen Arbeitsproduktivität dieser Gesellschaften noch nicht zu einer herrschenden Klasse entwickeln. Denn herrschende Klassen (zum Beispiel: antike SklavInnenhalter, Feudalherren, KapitalistInnen) arbeiten nicht mehr unmittelbar selbst körperlich-praktisch, sondern leben von der Ausbeutung der unmittelbaren ProduzentInnen (zum Beispiel: SklavInnen, hörige und leibeigene BäuerInnen, LohnarbeiterInnen). In einer Klassengesellschaft müssen also die unmittelbaren ProduzentInnen über das Produkt, welches für ihre eigene biosoziale Reproduktion notwendig ist, hinaus ein Mehrprodukt herstellen, dass sich die jeweils herrschende Klasse aneignet. Die Arbeitsproduktivität von urkommunistischen Gesellschaften von JägerInnen, SammlerInnen und FischerInnen war zu gering, um ein ständiges Mehrprodukt hervorbringen zu können, von dem eine herrschende Klasse hätte leben können.

Durch die so genannte „neolithische Revolution der Produktivkräfte“, der Übergang der menschlichen Gesellschaften zu Ackerbau und Viehzucht, entwickelte sich die ökonomische Voraussetzung der Entwicklung der Klassengesellschaft: Die Möglichkeit eines ständigen Mehrproduktes, welches sich eine nicht mehr selbst unmittelbar körperlich arbeitende herrschende Klasse aneignen konnte. Der Übergang zu einer Gesellschaft von AckerbäuerInnen und ViehzüchterInnen war ein Entwicklungsprozess, der mehrere Jahrtausende dauerte. Einige menschliche Gesellschaften in Eurasien, Afrika, Amerika und die gesamte Urbevölkerung Australiens machten diesen Entwicklungsprozess nicht selbständig durch. Weltgeschichtlich entwickelte sich der Übergang zu Ackerbau und Viehzucht zuerst im 10. Jahrtausend vor der christlichen Zeitrechnung in Vorderasien. In Süd- und Mitteleuropa entwickelte er sich zwischen 7500 und 4000 Jahren vor der christlichen Zeitrechnung, während sich dieser Prozess in Teilen Mittelamerikas zwischen 5100 und 4200 vor unserer Zeitrechnung entfaltete.

Mit dem Ackerbau und der Viehzucht zersetzte sich der Urkommunismus und es bildete sich eine Klassengesellschaft heraus. Die Übergangsgesellschaft vom Urkommunismus zur frühen Klassengesellschaft nannte der Marxismus-Leninismus „militärische Demokratie“, während sie die bürgerliche Ethnologie als „Häuptlingstum“ bezeichnet. Beispiele für einen zerfallenden Urkommunismus beziehungsweise einer sich langsam entwickelnden Klassengesellschaft waren die GermanInnen zur Zeit des antiken Römischen Reiches und einige Stämme der nordamerikanischen UreinwohnerInnen.

Merkmale der „militärischen Demokratie“ beziehungsweise des „Häuptlingstums“ sind, dass privilegierte Funktionen wie die von Häuptlingen oder von Medizinmännern/Schamanen/Priestern erblich werden. Begünstigt wurde eine entstehende Klassengesellschaft durch Erscheinungen, die einen wachsenden Zentralismus erforderten: zum Beispiel die künstliche Bewässerung oder permanente militärische Auseinandersetzungen mit anderen Gemeinschaften – besonders mit bereits existierenden Klassengesellschaften. Zum ersten Mal entwickelte sich eine Übergangsgesellschaft vom Urkommunismus zu einer frühen Klassengesellschaft im Vorderen Orient auf der Grundlage eines ausgebildeten Regenfeldbaus seit dem 8./7. Jahrtausend vor der christlichen Zeitrechnung. Dort bildete sich eine Priesterherrschaft heraus.

In einer solchen Übergangsgesellschaft vom Urkommunismus zur Klassengesellschaft gab es bereits große soziale Unterschiede zwischen Jung und Alt, Männern und Frauen – die ersteren entwickelten sich immer stärker zu den Unterdrückern der letztgenannten –, geistig-leitender und körperlich-ausführender Tätigkeit, mehr und weniger ökonomisch erfolgreichen Mitgliedern des Stammes. Die zunehmenden sozialen Widersprüche verlangten nach einem scheinbar neutralen Schiedsrichter. Diese Rolle wurde von zunehmend privilegierten Häuptlingen und Medizinmännern/SchamanInnen/PriesterInnen ausgeübt. Aber diese Privilegierten konnten sich noch nicht auf einen Staat – also einen politischen Gewaltapparat – stützen. Der zerfallende Urkommunismus war keine klassenlose Gesellschaft mehr – aber eben auch noch nicht in Form des Staates zur Klassengesellschaft versteinert. Friedrich Engels beschrieb die soziale Organisation einer solchen Gesellschaft so: „Heerführer, Rat, Volksversammlung bilden die Organe der zu einer militärischen Demokratie fortentwickelten Gentilgesellschaft. Militärisch – denn der Krieg und die Organisation zum Krieg sind jetzt regelmäßige Funktionen des Volkslebens geworden.“ (Friedrich Engels, Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats, S. 159.)

Sozialökonomisch beruhte die „militärische Demokratie“ oder das „Häuptlingstum“ auf dem gemeinsamen Besitz von Boden (Ackerland, Viehweiden und Wald) sowie Gewässern durch Stämme oder Dorfgemeinschaften. Sehen wir uns dies bei den GermanInnen in der Periode der „militärischen Demokratie“ genauer an. Viehweiden und Wald befanden sich ganz und ungeteilt im Besitz der germanischen Dorfgemeinschaft, der Mark. Die Ackerfelder verblieben zwar formal im Besitz der Dorfgemeinschaft, gerieten aber durch Verlosung in die Verfügungsgewalt der bereits patriarchalen Einzelfamilien. Die einzelfamiliäre Verfügungsgewalt über das Ackerland war noch kein Privateigentum, aber eine Vorstufe dazu. Das Ackerland wurde in der Periode der „militärischen Demokratie“ bei den Germanen noch nach einiger Zeit umverteilt, also neuverlost. Diese Verlosung von Ackerland hielt sich in einigen Gemeinden der Bayrischen Pfalz und am Rhein noch bis in das 19. Jahrhundert. An der Spitze der germanischen Markgenossenschaft stand der Dorfgraf oder Schultheiß, in bestimmten Gegenden auch Markmeister oder Centener genannt. Am Anfang bestand noch eine Wählbarkeit dieser privilegierten Funktion, sie wurde aber mit der zunehmenden Auflösung des Urkommunismus erblich.

Bei den GermanInnen transformierte sich die „militärische Demokratie“ in den Feudalismus. Davor transformierte sich bei den GriechInnen und den RömerInnen der sich auflösende Urkommunismus in die SklavInnenhaltergesellschaft. In Griechenland bildete sich die antike Sklaverei zwischen dem 10. und dem 7. Jahrhundert und in Rom zwischen dem 7. und dem 5. Jahrhundert vor der christlichen Zeitrechnung heraus. Doch die weltgeschichtlich erste Transformation von der „militärischen Demokratie“ zur staatlich organisierten Klassengesellschaft entwickelte sich im Vorderen Orient seit dem Ende des 4. Jahrtausends vor der christlichen Zeitrechnung. Sozialökonomisch beruhte diese Klassengesellschaft teilweise auf dem Gemeineigentum des Stammes oder der Dorfgemeinde an agrarischer Nutzfläche, welches sich aber in einigen Gebieten schließlich in Staatseigentum transformierte. Das Gemeineigentum an Grund und Boden als Restbestandteil des Urkommunismus war aber bereits von der entstehenden Klassengesellschaft deformiert, während Staatseigentum an Produktionsmitteln grundsätzlich ein sozialreaktionärer Ausdruck der Klassenherrschaft ist – einschließlich des von marxistisch-leninistischen Politbonzen beherrschten „sozialistischen“ Staatskapitalismus. Aber egal, ob in der frühen Klassengesellschaft der Grund und Boden noch formal Stammes- oder Dorfeigentum (Indien), oder bereits auch offiziell Staatseigentum (Ägypten) war: Die Produktion – besonders die künstliche Bewässerung – wurde vom Staat als politischen Gewaltapparat organisiert. Die den Staat beherrschenden BerufspolitikerInnen und -ideologInnen (PriesterInnen) sowie hohen Staatsbeamten eigneten sich als herrschende Klasse das gesellschaftliche Mehrprodukt an, dass sie teilweise zur Erweiterung der Produktion und zum anderen Teil zu einer privilegierten Konsumtion nutzten. Eine ähnliche frühe Klassengesellschaft bildete sich in Mittel- und Südamerika bei den Azteken (14.-16. Jahrhundert) und Inka (13. bis 16. Jahrhundert) heraus, die vom spanischen Kolonialismus zerschlagen wurde. Der Marxismus bezeichnet die weltgeschichtlich früheste Klassengesellschaft auch als „asiatische Produktionsweise“, was insofern irreführend ist, weil sie sich auf fast allen Kontinenten – bis auf Australien, wo es bis zur europäischen Kolonialisierung noch den Urkommunismus gab – entwickelt hatte.

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Bereits in der Urgesellschaft und in den Häuptlingstümern entwickelte sich der Naturaltausch heraus. Die Entwicklung der kleinbürgerlichen Warenproduktion und ein kapitalistischer Handel vollzog sich bereits in der staatszentrierten Klassengesellschaft der Azteken – im Gegensatz zu der weitgehend tauschwertlosen im alten Ägypten, im Mesopotamien und im Inka-Staat – heraus. Handelskapitalistisch ist die Vermehrung des Geldes, indem Waren teurer verkauft als sie eingekauft werden. Das Handelskapital bildete sich in vorindustriekapitalistischen Klassengesellschaften im Fernhandel heraus. Der Handelsprofit basierte auf der Dienstleistung der Ortsveränderung der Waren, der Intransparenz der Märkte sowie auf Betrug und Gewalt.

In der römisch-griechischen Antike bildete sich bereits eine kapitalistische Warenproduktion auf der Basis der Sklaverei heraus. Eine kapitalistische Warenproduktion unterscheidet sich von der kleinbürgerlichen, dass die EigentümerInnen der Produktionsmittel nicht mehr unmittelbar-körperlich produktiv tätig sind, sondern vollständig von der Ausbeutung der unmittelbaren ProduzentInnen leben. Diese Ansätze einer kapitalistischen Warenproduktion entwickelten sich sowohl in der Landwirtschaft – auf Latifundien als einer Form des Großgrundbesitzes – als auch im Bergwerk und in der Handwerksproduktion. Die damaligen KapitalistInnen kauften oder mieteten SklavInnen, damit diese ihnen Mehrwert in Form von Geld produzierten. Die Arbeitszeit der SklavInnen war durch eine unsichtbare Grenze geteilt in eine selbstreproduktive Arbeitszeit, in der sie einen Tauschwert produzierten, der den Kosten ihrer Lebensmittel entsprach, während sie in der Mehrarbeitszeit einen Mehrwert produzierten, die sich ihre Ausbeuter, die SklavInnenhalter aneigneten. Der Kaufpreis der SklavInnen wurde erst in einem längeren Produktions- und Ausbeutungsprozess von diesen erarbeitet, so dass sich die SklavInnenhalter einen Tauschwert aneignen konnten, der diesen ursprünglichen Kosten entsprach. In der gesamten Arbeitszeit übertrugen die SklavInnen den Tauschwert der Produktionsmittel auf das neu entstehende Produkt. Während die Arbeitsgegenstände (Rohstoffe und Halbfabrikate) stofflich und tauschwertmäßig voll im neuen Produkt aufgingen, behielten die Werkzeuge im Produktionsprozess ihre gegenständliche Unabhängigkeit und ihr Tauschwert übertrug sich nach und nach auf die Produkte, die durchschnittlich mit ihrer Hilfe bis zu ihrem Verschleiß hergestellt werden konnten. Die SklavInnen waren menschliches produktives Kapital, die mit Hilfe der Werkzeuge als gegenständlichen produktivem Kapital Warenkapital produzierten. Indem die SklavInnenhalter die Waren verkauften, wandelte sich ihr Warenkapital in Geldkapital um, einschließlich des Mehrwertes in Geldform, den sie sich aneigneten. Diesen Mehrwert konsumierten sie teilweise, teilweise erweiterten sie mit ihm das Kapital, indem sie mehr SklavInnen und Werkzeuge kauften, damit noch mehr Mehrwert produziert werden konnte (siehe Nelke, SklavInnen und LohnarbeiterInnen, Soziale Befreiung 2021, S. 34/35).

Doch in der griechisch-römischen Antike herrschte die kapitalistische Produktionsweise nicht. Erstens beruhte die kapitalistische Warenproduktion der griechisch-römischen Antike technologisch noch überwiegend auf dem Handwerk und noch nicht auf der Maschinerie wie im Industriekapitalismus. Zweitens waren die meisten Produkte, die Agrargüter, keine Waren, sondern wurden von KleinbäuerInnen zur Selbstversorgung produziert, nur ein kleiner Überschuss wurde auf den Märkten verkauft. Drittens war die unaufhörliche und grenzenlose Vermehrung des Kapitals in der griechisch-römischen Antike noch nicht das alles andere totalitär beherrschende Prinzip. So war die kapitalistische Warenproduktion in der griechisch-römischen Antike keine herrschende Produktionsweise, sondern nicht mehr, aber auch nicht weniger als eine stark ausgeprägte Entwicklungstendenz. Doch diese wurde in Europa durch den Untergang des weströmischen Reiches im Jahre 476 und durch die nachfolgende Entwicklung des europäischen Feudalismus erst mal beendet.

Während der globalen Übergangsperiode zur industriekapitalistischen Warenproduktion entwickelte sich neben dem in Amerika auch ein afrikanischer Handels- und Plantagenkapitalismus, der auf der Sklaverei beruhte. So war der Handel in Westafrika seit Jahrhunderten vor dem europäischen Kolonialismus auf einem sehr hohen Niveau. Dort überlappten sich lokale, regionale und internationale Handelsnetze spezialisierter Kaufleute. Der Anteil der SklavInnen an der Gesamtbevölkerung betrug in manchen Regionen Westafrikas im 19. Jahrhundert bis zu 50 Prozent. Da männliche und kindliche Sklaven überwiegend nach Amerika weiterverkauft wurden, gab es in Westafrika überproportional viele Sklavinnen. So wurde die Polygamie in Westafrika begünstigt. Durch die europäisch-osmanisch-amerikanischen Verbote der Sklaverei im 19. Jahrhundert ging in Westafrika die Nachfrage nach SklavInnen für den Export langsam zurück und es entstand ein Überangebot an diesen menschlichen Handelsobjekten. Im Reich von Samori Touré (Guinea) entwickelte sich in den 1870er und den 1880er Jahren eine kapitalistische Plantagenwirtschaft auf der Grundlage der Sklaverei, die auch von der Politik unterstützt wurde. Auch im Sokoto-Reich (Nordnigeria, Südniker) im Zentralsudan förderte die politische Herrschaft die kapitalistische Sklaverei auf den Plantagen. Der Staat versorgte dort selbst die Plantagen mit SklavInnen. Im Reich Bornu, weiter nördlich am Tschadsee gelegen, nahm die Anzahl der SklavInnen ebenfalls zu. Dort wurden die Enklaven nichtmuslimischer Bevölkerungen zum bevorzugten Ort der Jagt auf SklavInnen.

Die auf den Plantagen von den SklavInnen gewonnenen Produkte waren größtenteils für den afrikanischen Markt bestimmt. SklavInnen in Westafrika stellten nicht nur Agrarprodukte her, sondern sie wurden auch in Manufakturen ausgebeutet. In diesen wurden Textilien für den Export nach ganz Westafrika produziert. So arbeiteten am Ende des 19. Jahrhunderts in der kommerziellen Metropole des Zentralsudan, Kano, 50.000 TextilfärberInnen. Die Anzahl der SklavInnen, die Stoffe webten und Garne spannten, muss logischerweise noch viel höher gewesen sein. Die auf kapitalistischer Sklaverei beruhende Textilindustrie dieses Gebietes konnte es durchaus mit der europäischen Konkurrenz aufnehmen und versorgte große Teile des westlichen Afrikas mit ihren Waren. Die Yoruba-Stadtstaaten im Waldland in Küstennähe stellten ähnlich wie das Königreich Dahomey ihre Ökonomie vom SklavInnen- auf den Palmölhandel um, wobei das letztgenannte Produkt auf SklavInnenarbeit – sowohl in der Produktion als auch der TrägerInnen beim Export – beruhte. In Abomey, der Hauptstadt von Dahomey, waren ein Drittel der 30.000 EinwohnerInnen SklavInnen, während in Ibadan, der größten westafrikanischen Stadt mit 70.000 EinwohnerInnen, es in den 1860er und 1870er Jahren mehr als einhundert kapitalistische UnternehmerInnen gab, von denen jeder mehr als 500 SklavInnen besaß.

Die sozialökonomische Grundlage der kapitalistischen Plantagensklaverei in Westafrika beruhte nicht nur auf ein Überangebot an SklavInnen bei schrumpfenden Exportmärkten, sondern auch auf der Knappheit an Arbeitskräften in diesem Gebiet. Der auf der Sklaverei beruhende westafrikanische Plantagenkapitalismus machte deutlicher als sein amerikanisches Gegenstück, dass es bei dieser um sozialökonomische Ausbeutung ging. Denn hier hatten anders als in Amerika die SklavInnen und deren AusbeuterInnen die gleiche Hautfarbe.

Auch an der ostafrikanischen Küste entwickelte sich innerhalb der so genannten Swahili-Zivilisationeine eigenständige Form der auf Sklaverei basierenden kapitalistischen Warenproduktion – noch vor der europäischen Kolonialisierung Amerikas – heraus. An der ostafrikanischen Küste entwickelte sich über dem Indischen Ozean der Handel mit China – vom 7. Jahrhundert bis der chinesische Zentralstaat ab den 1430er Jahren den Fernhandel einschränkte –, Arabien und Persien. Das geschichtliche Kerngebiet der Swahili-Zivilisation erstreckte sich an einem zirka 3500 Kilometer langen Streifen entlang der ostafrikanischen Küste. Es reichte von Somalia im Norden bis zum heutigen Staat Mosambik im Süden. Die sozialökonomischen, politischen und geistig-mentalen Grundlagen der Swahili-Zivilisation unterschied sich seit Ende des ersten Jahrtausends der christlichen Zeitrechnung deutlich vom ostafrikanischen Binnenland. Erst die handelskapitalistische und koloniale Durchdringung Ostafrikas durch den „weißen“ Imperialismus im 19. Jahrhundert führte wieder zu einer gewissen Annäherung. Während die Menschen des ostafrikanischen Inlandes entweder in urkommunistischen Gemeinschaften von JägerInnen und SammlerInnen oder in Agrargesellschaften von BäuerInnen und HirtInnen lebten, entwickelten sich entlang des Küstenstreifens der Handelskapitalismus und eine auf Sklaverei basierende Warenproduktion.

Arno Sonderegger schrieb über die an der ostafrikanischen Küste herrschende Klasse von GroßgrundbesitzerInnen, die eine auf Sklaverei basierende Warenproduktion ausbeuteten: „Sie agierten als große Grundherren, die in der Umgebung der Städte Ländereien besaßen, auf denen Sklaven und Sklavinnen Hirse, Baumwolle, Früchte und Gemüse anbauen mussten – sowohl für die regionalen Märkte als auch für den Exporthandel.“ (Arno Sonderegger, Kurze Geschichte des alten Afrika, marixverlag, Wiesbaden 2017, S. 173.)

In der sich ab dem 3. Jahrhundert in Asien und Europa durchsetzenden Feudalgesellschaft entwickelten sich ebenfalls die Ansätze eines Handels und einer kapitalistischen Warenproduktion – jetzt aber vorwiegend auf der Basis der Lohnarbeit. Im asiatischen Feudalismus waren die kapitalistischen Tendenzen zuerst stärker als im europäischen. Doch in Europa konnten sie sich zuerst vollständig als ein herrschendes Produktionsverhältnis durchsetzen (siehe Kapitel I.7).

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Plattform: Die Möglichkeit der Weltrevolution https://astendenz.blackblogs.org/2023/01/12/platform-die-moeglichkeit-der-weltrevolution/ Thu, 12 Jan 2023 02:33:39 +0000 http://astendenz.blackblogs.org/?p=62 Die AST hat ihre theoretische Plattform zur geistigen Orientierung für antipolitische SozialrevolutionärInnen veröffentlicht. Sie ist hier käuflich erhältlich (1. Teil und 2. Teil). Wir werden sie auch nach und nach auf dieser Homepage veröffentlichen.

Einleitung

Mit der Veröffentlichung unserer Plattform möchten wir, die Antipolitisch-Sozialrevolutionäre Tendenz (AST), einen geistigen Impuls zur Radikalisierung des Klassenkampfes leisten. Wir sind uns natürlich bewusst, dass der Hauptimpuls zur Radikalisierung des bewussten Seins des Proletariats dessen eigene Klassenkampfpraxis ist. Auch wissen wir, dass die Wirkung einer Schrift wie Die Möglichkeit der Weltrevolution in nichtrevolutionären Zeiten nur gering sein kann. Aber gerade in solchen reaktionären Zeiten ist revolutionäre Theorie so wichtig – als Ausblick auf ein mögliches zukünftiges bewusstes Sein der Revolution und einer klassen- und staatenlosen Weltgemeinschaft.

Im 1. Teil unserer Plattform analysieren und kritisieren wir den Kapitalismus in seiner geschichtlichen Entstehung und Bewegung. Wir beleuchten die Entstehung der Politik als staatsförmige Organisation der Klassengesellschaft – und dass es in ihrem Rahmen für das Proletariat keine soziale Befreiung von kapitalistischer Ausbeutung und staatlicher Elendsverwaltung geben kann. Auch nicht isoliert im Rahmen der Nation. Nur antipolitisches und antinationales Bewusstsein ist auch wirklich antikapitalistisch.

Der Klassenkampf hat eine enorme Bedeutung für die Radikalisierung des Proletariats, aber solange er reproduktiv im Rahmen des Kapitalismus geführt wird, hat er auch relativ sozialkonservative Tendenzen. Impulse zu einer sozialreformistischen Modernisierung der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft werden in ihm auch freigesetzt. Aber er hat selbstverständlich auch revolutionäre Tendenzen. ProletarierInnen setzen heimlich oder offen ihren eigenen Kopf, ihre materiellen Interessen und psychischen/mentalen Bedürfnisse gegen ihre ChefInnen und die krankmachende Kapitalvermehrung durch. Sie organisieren sich klassenkämpferisch selbst – gegen Kapital, Staat sowie die bürgerlich-bürokratischen Partei- und Gewerkschaftsapparate der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung. Letztere ist heute größtenteils mehr oder weniger in den Kapitalismus integriert und als Wächterin der reproduktiven Grenzen des Klassenkampfes aktiv. Sozialreformistisch und antirevolutionär. Dies kritisieren wir mit aller notwendigen Schärfe und Härte.

Im 2. Teil unserer Plattform analysieren wir dazu die mögliche sozialrevolutionäre Alternative. Wir verfolgen den langen Entwicklungsprozess des antipolitischen und antinationalen Kommunismus als geistig-ethischen Ausdruck des bewussten Kampfes gegen die nationalkapitalistische Politik. Dabei würdigen wir sowohl die revolutionären Tendenzen von Marxismus und Anarchismus, kritisieren aber auch deren weitverbreitete prokapitalistische Praxis. Heute ist ein nachmarxistischer und nachanarchistischer Kommunismus notwendig! Wir beschreiben die Vorgeschichte der AST als einer Strömung dieser Notwendigkeit.

Unsere Plattform gibt Impulse für die heutige Organisation von SozialrevolutionärInnen. Wir stellen den Widerspruch eines revolutionären Bewusstseins eines objektiv nichtrevolutionären Seins im „normalen“ Kapitalismus dar. Dieser Widerspruch kann progressiv nur durch das bewusste Sein der Revolution gelöst werden. Wir skizzieren diese mögliche zukünftige Weltrevolution als Geburtsprozess einer globalen, klassen- und staatenlosen Gesellschaft.

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