#krise #queerecarearbeit #abortion #abtreibung #§218streichen #queer #PND – Bittersweet https://bittersweet.blackblogs.org FLINT*A+ Kollektiv Tue, 15 Nov 2022 11:42:40 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 https://bittersweet.blackblogs.org/wp-content/uploads/sites/2010/2022/05/cropped-8-32x32.png #krise #queerecarearbeit #abortion #abtreibung #§218streichen #queer #PND – Bittersweet https://bittersweet.blackblogs.org 32 32 Redebeitrag auf der Demo/ Speech at the demonstration „Solidarisch aus der Krise“ https://bittersweet.blackblogs.org/2022/11/14/redebeitrag-auf-der-demo-speech-at-the-demonstration-solidarisch-aus-der-krise/ Mon, 14 Nov 2022 11:43:11 +0000 http://bittersweet.blackblogs.org/?p=44
Foto: @fasteffens

[DE, ENG below]

Hallo und wie schön, dass ihr hier seid. Wir sind Aktivistis vom bittersweet Kollektiv, die rund um den Queerfeministischen Feierabend Veranstaltungen planen. Wir wollen in Oldenburg safere Räume für FLINTA+ schaffen. Orte zum Austausch, Vernetzen, Wohlfühlen kreieren. FLINTA+ bedeutet Frauen, Lesben, Inter*, Nichtbinär, Trans*, Ageschlechtliche und alle die sich in diesen Labels nicht wiederfinden, aber patriarchiale Gewalt erfahren. 


Nun aber zur eigentlichen Sache. Unser Redebeitrag wird die Gewalt an queeren Körpern und Abtreibung thematisieren sowie Bezug auf queere Carearbeit nehmen. 


Ok cool, die Regierung hat das Informationsverbot für Abtreibung, welches im Paragraph 219a verankert war Ende Juni gekippt, aber am Paragrafen 218, der seit über 150 Jahren Schwangerschaftsabbrüche kriminialisiert, hält sie fest? Es ist ermüdend und es macht wütend. [1]
Bei einem Abbruch müssen Schwangere erst einen Antrag ausfüllen, damit die Kosten übernommen werden. Dazu kommt, dass es erst seit kurzem Listen mit Stellen gibt, die Abbrüche überhaupt durchführen. Und diese Stellen sind immer noch viel zu wenige! Gerade in ländlichen Regionen kommen für die schwangere Person noch Reisekosten und ein hoher organisatorischer Aufwand hinzu. Die Zugänge zu Abtreibungen sind deshalb immer noch sehr ungleich verteilt! Deshalb zeigt sich immer wieder Abtreibungen zählen zum Klassenkampf!


Wir fordern:  

  • Paragraf 218 aus dem Strafgesetzbuch streichen!
  • Schwangerschaftsabbrüche enttabuisieren und entstigmatisieren!
  • Versorgungslage für Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland verbessern – das heißt unter anderem die Kostenübernahme von Abbrüchen von den Krankenkassen
  • Abtreibungsgegner*innen den verdammten Tag vermiesen!


Nicht selten berührt die Auseinandersetzung mit Schwangerschaftsabbrüchen auch das Thema der Pränataldiagnostik.Wir wollen uns nun diesem Thema annähern und uns kritisch positionieren. 
„Habt ihr vorher gewusst, dass euer Kind eine Behinderung hat?“ Fragen wie diese, die an Erziehungspersonen gerichtet werden, formen die Erwartungshaltung an Eltern, für die Leistungsfähigkeit ihres Kindes, in der kapitalistischen Gesellschaft, Sorge zu tragen. UND es stärkt das vorherrschende normative Verständnis von „Behinderung als Defizit“. UND dieses Stigma beeinflusst wiederum die Handlungsoptionen von Schwangeren. Denn anstelle die Empfindungen der schwangeren Person wahrzunehmen, wird bei der Pränataldiagnostik der Fokus auf die Entwicklung des Fötus gerichtet. Was meint ihr, wie selbstbestimmt kann eine schwangere Person nach dem Befund der PND noch entscheiden? [2]

Es folgt ein Zitat von Kirsten Achtelik „Umsturz aller Verhältnisse in denen wir, unsere Lieben und alle anderen pflegeleicht sein müssen! Für Zulassen von Schwächen, Ambivalenzen, Unlust und Kaputtheit! Gegen die Idee der perfekten, strahlenden, immer einsatzbereiten Mutter! Gegen die Illusion des gesunden, perfekten, talentierten, superschlauen und immer freundlichen Kindes!“ [3]


Wir sagen: Nein! zur Herrschaft von Staat und Kapital über unsere Körper – für eine sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung!

Selbstbestimmung über das eigene Leben und über den eigenen Körper fordern wir auch im Kampf um die faire Verteilung von Carearbeit, also alle anfallenden Aufgaben in Haushalt, Pflege, Erziehung. Zu wenig Beachtung findet auch noch immer der Mental load, die ständige und andauernde Belastung durch Planung, Organisation und den Druck nichts vergessen zu dürfen. Bevor du also das nächste Mal einer Flinta+ Person vorhälst, du hättest ja was gemacht, wenn die Person nur was gesagt hätte, dann halte lieber den Mund und denk drüber nach, was du alles nicht auf dem Schirm hast und nicht auf dem Schirm haben musst.


Im privaten Bereich sind Carearbeiten unbezahlt und oft unbemerkt. Als Lohnarbeit gehören die Jobs in Pflege und Erziehung zu den schlechtbezahlten mit oft miserablen Arbeitsbedingungen. Wenn das System nicht mehr genügend preiswerte Arbeitskräfte bietet, werden Frauen aus dem Ausland geholt. Sexismus, Klassismus und Rassismus gehen hier Hand in Hand. Queere Menschen, Trans*, Inter*, Nichtbinäre und Ageschlechtliche Personen sind sehr viel häufiger als andere von Armut betroffen. Die ärztliche Versorgung ist häufig geprägt durch Misgenderung und Gewalt. Gegenseitige Unterstützung wird hier alternativlos.Queere Menschen leisten Carearbeit, die ungesehen bleibt, die das Rechts- und Gesellschaftssystem aber nötig machen. Begleitung zu Terminen bei Ämtern und Ärtz*innen, Versorgung nach OP’s oder in psychischen Notlagen.


Und auch für unsere Cis – endo männlichen Freunde übernehmen wir weiterhin die Carearbeit, weil sie sich bei uns wohler fühlen, als bei ihren Kumpels, weil sie sonst niemand fragt, wie es ihnen geht und weil Frauen und Queers eben noch immer der Abfalleimer für den emotionalen Ballast von allen sind. Und so übernehmen Queers das Fragen, das Aufräumen, das Windelnwechseln, das Kotze aufwischen und das Tränen trocknen. Weil es häufig so viel leichter ist, als es zu erklären. 


Apropos erklären: Kann mir mal eine Person erklären, warum wir bei allen Stellenausschreibungen immer stehen haben „männlich, weiblich, divers“ aber in den Betrieben ändert sich nichts? Warum nehmen immer alle an, sie wüssten das Geschlecht ihrer Kolleg*innen. Fragt doch mal danach. Misgendering führt nachweislich zu psychischen Problemen. Und nicht alle haben die Kraft, sich immer und immer wieder zu outen. Liebe Cis-Endos, fragt doch mal von euch aus nach den Pronomen, eröffnet den Raum und schafft somit einen solidarischeren Umgang miteinander. Du fragst dich, was Cis-Endo männlich heißt? Sei so lieb und schau es im Internet nach. Wir haben für heute genug Aufklärungsarbeit geleistet. 

Foto: @fasteffens

[ENG]

Hello and how nice that you are here. We are activists from the bittersweet collective who plan events around the Queerfeminist Feierabend. We want to create safe spaces for FLINTA+ in Oldenburg. Places for exchange, networking, feeling good. FLINTA+ means women, lesbians, inter*, non-binary, trans*, asexuals and all those who do not find themselves in these labels but experience patriarchal violence. 


But now to the real issue. Our speech will address violence against queer bodies and abortion, as well as making reference to queer care work. 

Ok cool, the government overturned the ban on abortion information enshrined in section §219a at the end of June, but they are holding on to section §218, which has criminalised abortions for over 150 years? It’s tiring and it’s infuriating. [1]
In order to have an abortion, pregnant people must first fill out an application so that the costs are covered. On top of that, only recently have there been lists of places that perform abortions at all. And there are still far too few of these places! Especially in rural areas, the pregnant person has to pay travel costs and a lot of organisational work. Access to abortions is therefore still very unevenly accessible! That is why abortions are shown again and again to be part of the class struggle!


We demand:  

  • Remove §218 from the penal code!
  • Remove taboos and destigmatise abortions!- Improve the provision of abortions in Germany – this means, among other things, that the costs of abortions should be covered by the health insurance companies.
  • make abortion opponents‘ everyday miserable!

The debate on abortion often touches on the issue of prenatal diagnostics.We now want to approach this issue and take a critical position. 

„Did you know beforehand that your child had a disability?“ Questions like this, directed at caretakers, shape the expectation for parents to care for their child’s ability to perform, in capitalist society. AND it reinforces the prevailing normative understanding of „disability as deficit“. AND this stigma in turn influences pregnant persons options for action. Because instead of perceiving the sensations of the pregnant person, prenatal diagnostics focus on the development of the foetus. What do you think, how self-determined can a pregnant person still decide after the results of PND? [2]

The following is a quote from Kirsten Achtelik: „Overthrow all conditions in which we, our loved ones and everyone else have to be easy to care for! For allowing weaknesses, ambivalences, unwillingness and brokeness! Against the idea of the perfect, radiant, always ready mother! Against the illusion of the healthy, perfect, talented, super smart and always kind child!“ [3]

We say: No! to the domination of state and capital over our bodies – for sexual and reproductive self-determination!

We also demand self-determination over our own lives and bodies in the struggle for a fair distribution of care work, i.e. all the tasks that arise in the household, care and education. Too little attention is still paid to the mental load, the constant and permanent burden of planning, organisation and the pressure not to forget anything. So before you reproach a Flinta+ person the next time that you would have done something, if only the person had said something, then keep your mouth shut and think about all the things that you don’t have on your radar and don’t need to have on your radar.

In the private sector, care work is unpaid and often unnoticed. As paid work, care and education jobs are among the lowest paid with often miserable working conditions. When the system no longer offers enough cheap labour, women are brought in from abroad. Sexism, classism and racism go hand in hand here. Queer people, trans*, inter*, non-binary and asexual people are affected by poverty much more often than others. Medical care is often marked by misgendering and violence. Mutual support becomes an alternative here. Queer people do care work that goes unseen, but which the legal and social system makes necessary. Accompanying them to appointments with authorities and doctors, providing care after surgeries or in psychological emergencies.

And we continue to do the care work for our cis – endo male friends, because they feel more comfortable with us than with their buddies, because no one else asks them how they are and because women and queers are still the trash can for everyone’s emotional ballast. 
And so queers do the asking, the cleaning, the nappy changing, the vomit wiping and the tear drying. Because it’s often so much easier than explaining. 


Speaking of explaining: Can one person explain to me why we always have „male, female, diverse“ on all job advertisements but nothing changes in the workplaces? Why does everyone always assume they know the gender of their colleagues? Why don’t you ask them? Misgendering has been proven to lead to psychological problems. And not everyone has the strength to come out over and over again. Dear cis-endos, why don’t you ask about the pronouns, open up the space and thus create more solidarity with each other? You wonder what cis-endo male means? Be so kind and look it up on the internet. We’ve done enough educating for today. 

Foto: @fasteffens

Sources

[1] https://taz.de/Streichung-des-Paragrafen-219a/!5826226/

[2] Achtelik, Kirsten (2015). Self-determined norm: feminism, prenatal diagnostics, abortion. first edition. Berlin: Verbrecher Verlag. 

[3] Achtelik, Kirsten (2018). Is prenatal diagnostics discriminatory? Intervening in a debate, in Journal für Psychologie, Jg. 26, No. 2, pp.75-94.

]]>