Suchergebnisse für „celik“ – endofroad https://endofroad.blackblogs.org Sat, 26 Sep 2020 17:49:04 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 https://endofroad.blackblogs.org/wp-content/uploads/sites/581/2018/04/cropped-freespeech1-32x32.png Suchergebnisse für „celik“ – endofroad https://endofroad.blackblogs.org 32 32 Mustafa Çelik: „Weil kurdisches Leben für Sie nicht zählt“ https://endofroad.blackblogs.org/archive/10869 https://endofroad.blackblogs.org/archive/10869#respond Sun, 27 Sep 2020 18:44:05 +0000 http://endofroad.blackblogs.org/?p=10869 Continue reading ]]> kopiert von anfdeutsch.com

Im PKK-Prozess gegen Mustafa Çelik in Hamburg hat der Angeklagte in seinem Schlusswort erklärt: „Ich stehe zu allem, was ich getan habe, und werde weiterhin jede Initiative und Aktion für Frieden in Kurdistan unterstützen.“

Vor dem Oberlandesgericht Hamburg ist am Donnerstag der Prozess gegen den kurdischen Aktivisten Mustafa (Amed) Çelik fortgesetzt worden. Der 43-Jährige wird der Mitgliedschaft in der PKK beschuldigt und ist seit seiner Festnahme in Bremen im vergangenen Januar in Untersuchungshaft. Die Oberstaatsanwaltschaft fordert zwei Jahre und acht Monate Freiheitsstrafe. Am gestrigen Prozesstag beendet Çelik sein Schlusswort. Die Urteilsverkündung wird voraussichtlich in der nächsten Woche am 1. Oktober um 11 Uhr erfolgen.

Mustafa Çelik machte in seiner mehrstündigen Rede deutlich, dass er sein Leben den Rechten und der Würde des kurdischen Volkes und der Frauen gewidmet hat: „Es ist nicht wichtig, wie lange man lebt, sondern für welche Werte man sein Leben lang einsteht.“ In Hinblick auf die gesellschaftliche Stellung von Frauen im Mittleren Osten, wo die Ehre der Gesellschaft zu Lasten der Frauen geht, zitierte er Simone de Beauvoir: „Man wird nicht als Frau geboren, man wird zur Frau gemacht“.

Geschichtliche Dimension der kurdischen Frage in der Außen- und Innenpolitik der Nationalstaaten

Nachdem Mustafa Çelik am Vortag in seinem Schlussvortrag auf die Ursprünge der kurdischen Geschichte im Neolithikum Mesopotamiens sowie auf die nationalstaatlichen Verflechtungen der Türkei mit NATO/GLADIO einging, führte er am Donnerstag die politischen Entwicklungen und Friedensinitiativen zur kurdischen Frage in den letzten 20 Jahren aus.

Çelik schlussfolgerte, dass sein politisches Engagement durch die deutsche Rechtsprechung kriminalisiert werde, denn nicht alle, die nach dem Paradigma Abdullah Öcalans für eine geschlechterbefreite, demokratische und laizistische Gesellschaft eintreten, seien Mitglied in der PKK. Auch die Gleichsetzung der PKK mit dem Islamischen Staat (IS) ist für ihn inakzeptabel. In der Autonomieregion Nord- und Ostsyrien (Rojava) haben 68 verschiedene Länder im Rahmen der internationalen Koalition, angeführt von den USA, Deutschland, Frankreich und England, den IS im Jahr 2019 militärisch besiegt. Die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD), deren größte Verbände die kurdische Verteidigungseinheiten YPG und YPJ sind, führten während der gesamten Operation den Kampf am Boden alleine. Etwa 11.000 Kämpferinnen und Kämpfer sind dabei ums Leben gekommen, 25.000 gelten heute als Kriegsversehrte. In Südkurdistan (Nordirak) vermochte keine Streitmacht der Welt zwischen 2006 und 2018 der sich zum Islamischen Staat entwickelnden Organisation etwas entgegensetzen, weder die NATO-Staaten noch Russland, Syrien oder Iran. In Kerkûk, Şengal, Mosul, Hewlêr (Erbil) und Mexmûr waren es die Volksverteidigungskräfte der PKK (HPG), die die Bevölkerung vor einem weiteren Massenmord bzw. Genozid an der ezidischen Gemeinschaft schützten.

2019 wurden die Kurden von der internationalen Staatengemeinschaft, die sich zur Bekämpfung des IS zusammengeschlossen hat, fallengelassen. Im Oktober vergangenen Jahres startete das Erdogan-Regime mit pro-türkischen Dschihadistenmilizen und Söldnertruppen vor den Augen der Weltöffentlichkeit eine völkerrechtswidrige Invasion in der Autonomieregion Nord- und Ostsyrien und besetzte die Städte Serêkaniyê (Ras al-Ain) und Girê Spî (Tall Abyad) sowie umliegende Regionen. Ein Jahr zuvor (2018) wurden Teile des Kantons Efrîn (Afrin) unter den gleichen Bedingungen besetzt. In dieser Woche wurde der Bericht (https://anfdeutsch.com/aktuelles/verschiedene-un-staaten-fordern-aufklaerung-der-sna-verbrechen-21747) der unabhängigen internationalen Untersuchungskommission über Syrien auf der 45. Sitzung der UN-Menschenrechtskommission vorgestellt. Viele UN-Staaten fordern darin Aufklärung über die Kriegsverbrechen der durch die Türkei gelenkten und finanziell unterstützten Syrischen Nationalarmee (SNA). Dabei kommen auch Kriegswaffen (https://anfdeutsch.com/aktuelles/Ueber-ein-drittel-deutscher-kriegswaffen-gehen-an-die-tuerkei-19964) deutscher Herkunft zum Einsatz. In den besetzen Gebieten kommt es dem Bericht zufolge zu systematischer Folter, Vergewaltigung, Entführungen und Plünderungen. Die verbliebene Bevölkerung wird zudem einer Zwangsislamisierung und Zwangstürkisierung unterworfen. Die Zivilbevölkerung wird massiv in ihren Menschenrechten eingeschränkt, kulturelle Monumente werden zerstört und die Verwendung der kurdischen Sprache wird unter Strafe gestellt.

So resümierte Çelik zu diesem Teil seines Schlusswortes: „Staaten haben kein Gewissen, ich weiß das. Menschenrechte werden wirtschaftlichen Interessen geopfert, aber dieser Zustand ist unethisch und von schamloser Unmenschlichkeit gekennzeichnet.“

Sabotage der Friedensprozesse durch NATO/GLADIO

Wie schon an den vorherigen Prozesstagen legte Çelik deutlich dar, dass die Politik Erdogans durch die rassistische Tradition des türkischen Staats gekennzeichnet ist. Zudem seien viele Friedensinitiativen Abdullah Öcalans von türkischen Staatsträgern, den Strukturen des tiefen Staates der Türkei (Ergenekon), NATO-Staaten bzw. GLADIO in Zusammenarbeit mit diversen Nachrichtendiensten sabotiert worden. Diese seien auch 1998 und 1999 am internationalen Komplott beteiligt gewesen, der zu der Verschleppung Öcalans in die Türkei führte. Als Beispiel nannte Çelik die dreijährige Osloer Friedensepisode, die 2011 vom türkischen Staat beendet wurde und eine massive Angriffswelle auf die Guerillagebiete in Südkurdistan nach sich zog. 2013 wurde Sakine Cansiz, eine Mitbegründerin der PKK, in Paris mit zwei weiteren kurdischen Frauen durch einen vom türkischen Geheimdienst MIT beauftragten Killer ermordet. Dieses politische Attentat mitten in Europa fand zu einer Zeit statt, in der Verhandlungsgespräche mit Abdullah Öcalan auf der Gefängnisinsel Imrali aufgenommen worden waren. Çelik bezeichnete die Taktik der türkischen Staatsführung, „auf Friedensgespräche eingehen, um dann zu einem kräftigen Erstschlag auszuholen“, als äußerst schädlich für einen Friedensprozess in der Türkei.

Zurück in die dunkle Zeit der neunziger Jahre

In Hinblick auf die in den Medien so bezeichnete „Hubschrauber-Folter“ erklärte Çelik, der türkische Staat strebe eine Neuauflage der staatlichen Konter-Methoden aus den neunziger Jahren an. Während dieser Zeit, in die ca. 17.500 ungeklärte Morde fallen, welche den Todesschwadronen des JITEM (inoffizieller Militärgeheimdienst) zugerechnet werden können, habe sich deutlich die auf einen Genozid abzielende Vernichtungspolitik des türkischen Staates gezeigt. Auch die 3.500 bis 4.000 zerstörten Dörfer in den kurdischen Gebieten der Türkei sind laut Çelik in diesem Kontext zu betrachten.

Um weiter zu verdeutlichen, welch brutaler sexistischer, rassistischer und faschistischer Gewalt insbesondere Kurdinnen in der Türkei heutzutage ausgesetzt sind, bezog sich Çelik auf einige der jüngsten Beispiele. Für einige Zuschauer*innen erkennbar schwer zu ertragen, berichtet er von dem Schicksal einer jungen Frau aus Êlih (türk. Batman) sowie von weiteren Fällen, in denen Armeeangehörige junge kurdische Frauen und auch Mädchen vergewaltigt haben sollen. Er ging auch auf die in der Türkei praktizierte „Politik der Straflosigkeit“ ein, die dazu führt, dass Gewalttäter gegen Frauen kaum strafrechtliche Konsequenzen zu befürchten haben.

Die Eskalation der Gewalt in Nordkurdistan ist auch dem Bericht der Zweigstelle des Menschenrechtsvereins IHD in Amed aus August zu entnehmen. Innerhalb der türkischen Armee nehmen die teils tödlichen Attacken auf kurdische Wehrpflichtige zu, zuletzt wurde ein Fall aus Izmir bekannt. Doch nicht nur in Nordkurdistan, in der gesamten Türkei sind insbesondere kurdischstämmige Menschen einer zunehmenden Gewalt durch nationalistische und faschistische Angriffe ausgesetzt. Der vor wenigen Wochen erfolgte Lynchmordversuch an kurdischen Saisonarbeiter*innen ist kein Einzelfall in der Türkei.

Weiter spannte Çelik den Bogen von 2006, als eine große Repressionswelle mit Massenverhaftungen kurdischer Politiker*innen und zivilgesellschaftlichen Vertreter*innen begonnen hatte, bis zum Jahr 2020, in dem Massenverhaftungen insbesondere von HDP-Politikerinnen und Frauenrechtsaktivistinnen wieder auf der Tagesordnung des Erdogan-Regimes stehen.

Zum Ende seines Schlussvortrags zeigte Çelik der vorsitzenden Richterin sehr detailliert auf, aus welchen Regionen die 2,5 Millionen Menschen stammen, die aufgrund der Angriffe des türkischen Staates auf alle vier Teilen Kurdistans innerhalb der letzten fünf Jahre fliehen mussten. Neben den überwiegenden Binnenvertriebenen flüchten viele Menschen auch nach Europa. In den letzten fünf Jahren ist die Zahl der kurdisch-stämmigen Bevölkerung in Deutschland laut Çelik von 800.000 Menschen auf ca. 1,5 Millionen gestiegen. Die Schätzungen schwanken dabei aufgrund der schwierigen Bedingungen und Repressionen, denen Asylsuchende hierzulande ausgesetzt sind.

Deutlich kritisierte Çelik in diesem Zusammenhang die „Doppelgesichtigkeit“ der nationalstaatlichen Regierungen. Zum Vergleich führte Çelik das Massaker von Srebrenica zu Zeiten des Bosnienkrieges an, wobei der Mord an 8.000 Zivilist*innen von den UN als Genozid eingestuft wird. In Kobanê fielen ebenfalls mehrere tausend Zivilist*innen zwischen 2014-2015 dem IS zum Opfer. In diesem Zusammenhang stellte Çelik eine rhetorische Frage an das Gericht: „Wo ist der Unterschied bei diesen Menschenleben, warum ist der Massenmord an Kurdinnen und Kurden kein Genozid?“ Er beantwortet die Frage selbst: „Weil kurdisches Leben für Sie nicht relevant ist.“ Çelik schloss diesen Abschnitt seines Schlusswortes mit: „Die Anklage ist kein Problem für mich. Ich und die PKK sind das Ergebnis einer nicht geklärten Kurdenfrage. Das ist mein Problem.“

„Auch wir möchten leben“

Immer wieder machte Çelik an verschiedenen Stellen seines Schlusswortes deutlich, dass die Lösung der kurdischen Frage durch die Legalisierung der PKK und die Freilassung von Abdullah Öcalan erfolgen muss. In seinen Ausführungen bekräftigte er, dass es an der Zeit ist, das PKK-Verbot in Deutschland aufzuheben. Der Weg zur Freiheit des kurdischen Volkes hin zu einem nachhaltigen Frieden im Mittleren Ostens gemäß des „apoistischen Paradigmas“ könne nicht ohne laizistische und demokratische Werte und eine ökologisch bewusste Gesellschaft entstehen.

Die Autonomieregion Nord -und Ostsyrien sei beispielhaft für das gelebte Paradigma, in dem die multiethnischen Völker und Religionsgemeinschaften sich in Rätestrukturen und Kommunen selbst verwalten und Geschlechtergerechtigkeit ein Eckpfeiler des Gesellschaftsvertrags ist. An das Gericht gewandt, sagte Çelik, für ihn hätten auch die Worte von Martin Luther King Gültigkeit: „Wenn du nicht bereit bist, für deine Freiheit etwas zu geben, solltest du das Wort nicht in den Mund nehmen.“

Deutlich bekundete er seine Verbundenheit mit Abdullah Öcalan und dem Wunsch nach Frieden in Kurdistan mit den Worten: „Es lebe Abdullah Öcalan! Es lebe das Projekt des Friedens! Es leben die Frauen! Es leben die kurdischen Politikerinnen und Politiker, die in Kurdistan gegen den Faschismus kämpfen! Es lebe die Geschwisterlichkeit der Völker! Ich verneige mich voller Ehrfurcht vor den 11.000 Gefallenen aus Rojava.“

„Der Fluss der Tränen und des Blutes in meinem Land muss beendet werden“

An die vorsitzende Richterin appellierte Çelik zum Schluss: „So lange ich mir meiner selbst bewusst bin, stelle ich mich dem Gewissen von Frauen. Ich hoffe, dass Ihr Urteil ein Ende der Schmerzen des kurdischen Volkes bedeutet. Vor allem aus humanitärer Sicht. Der Fluss der Tränen und des Blutes in meinem Land muss beendet werden.“

Wie schon zu Beginn der Verhandlung grüßte Mustafa Çelik die anwesenden Zuhörer*innen und wünschte allen Prozessteilnehmer*innen viel Erfolg in ihrem Leben. Für sein Volk und für alle Frauen und Kinder im Mittleren Osten forderte er die sofortige Umsetzung des Urteils des belgischen Kassationsgerichtshofes, der festgestellt hatte, dass die PKK keine Terrororganisation ist. Im Hinblick auf die Anklage, die zum Großteil auf der organisatorischen Unterstützung des Hungerstreiks in Straßburg gegen die Isolation Abdullah Öcalans im letzten Jahr basiert, bekräftigte Çelik: „Ich stehe zu allem, was ich getan habe, und werde weiterhin jede Initiative und Aktion für Frieden in Kurdistan unterstützen.“

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Forsetzung des Prozesses gegen Bremer Aktivisten https://endofroad.blackblogs.org/archive/10594 https://endofroad.blackblogs.org/archive/10594#respond Tue, 11 Aug 2020 10:10:11 +0000 http://endofroad.blackblogs.org/?p=10594 Continue reading ]]> kopiert von anfdeutsch.com

In Hamburg ist gestern und heute der Prozess gegen den kurdischen Aktivisten Mustafa Çelik fortgesetzt worden. Als Zeuge fiel ein Kriminalhauptkommissar a.D. mit seinem PKK-Wissen durch, die Verteidigung beantragte eine Prozessbewertung nach Völkerrecht.

Hamburger PKK-Prozess: Antrag auf Bewertung nach Völkerrecht

Hamburger PKK-Prozess: Antrag auf Bewertung nach Völkerrecht

Vor dem Oberlandesgericht Hamburg ist der Prozess gegen Mustafa Çelik wegen „Mitgliedschaft in der PKK“ fortgesetzt worden. Çelik, der in seinem Umfeld unter seinem kurdischen Namen „Amed“ bekannt ist, steht schon zum zweiten Mal vor Gericht. Dem schwerkranken Aktivisten aus Bremen wird erneut „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ nach §129a/b vorgeworfen. Bereits im August 2016 war er vor dem Oberlandesgericht Celle zu zweieinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Der 43-Jährige leidet unter mehreren chronischen Erkrankungen und ist seit seiner Festnahme im Januar 2020 unter schweren Bedingungen zunächst in der JVA Bremen und jetzt in Hamburg in Untersuchungshaft.

Am gestrigen Verhandlungstag wurde hauptsächlich der Zeuge John Becker, 1. Kriminalhauptkommissar aus Mecklenburg-Vorpommern im Ruhestand, verhört. Im Zuge dessen folgte eine Darlegung zur „Entstehung der PKK-Geschichte“ auf Grundlage einer Strukturakte über die Organisation der kurdischen Arbeiterpartei und der Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK) in Deutschland, sowie ihre Verbindungen in die Türkei und den Nordirak. Auf Nachfragen gab der Zeuge an, die Akte sei „ohne Zuhilfenahme türkischer Behörden“ entstanden.

Strukturakte über PKK und KCK Ergebnis jahrelanger Internet-Recherche

Diese Akte ist, laut Aussagen des Zeugen Beckers, das Ergebnis jahrelanger Internet-Recherche auf „PKK-nahen“ Medienwebseiten sowie der Auswertung von Asservaten. Mit Asservaten sind bei Durchsuchungen beschlagnahmte Dokumente gemeint, sowie Beschlüsse von Exekutivräten und Versammlungen. Prozessbeobachter*innen zufolge ist es der Versuch, auf Grundlage von konstruierten Verbindungen zwischen Einzelpersonen und Vereinen bzw. Organisationen dem Angeklagten eine Gebietsverantwortlichkeit nachzuweisen.

Im Verlauf der Befragung durch die Vorsitzende Richterin gab Zeuge Becker an, die PKK handele gemäß der Doktrin der „legitimen Selbstverteidigung“. An anderer Stelle musste er seine Aussage revidieren; so sprach er zunächst von den Bestrebungen der KCK, sogenannte autonome Selbstverwaltungsstrukturen in den kurdischen Gebieten in der Türkei aufzubauen, dann wieder von dem Ziel der PKK, einen Staat Kurdistan errichten zu wollen – auch gegen den Willen der Staaten Syrien, Irak und Iran. Auf Nachfragen der Verteidiger Schmitt und Karaman räumte der Zeuge ein, in seinen Aussagen eine Bewertung vorgenommen zu haben, welches die Aufgabe des Gerichts ist.

Verteidigung bemängelt wertenden Stil des Zeugen

Die Verteidigung von Çelik bemängelte immer wieder den wertenden Stil, in dem der Zeuge Becker seine Vernehmung vornahm. Dieser mache durch einige Aussagen klar, dass eine chronologische Auflistung angeblicher Anschläge auf türkisch-staatliche Einrichtungen ohne Betrachtung im historischen Kontext zu keiner hilfreichen Einordnung führen. Für eine politische Bewertung brauche es mehr als das Studium von Beschlüssen und das Zählen von militärischen Auseinandersetzungen – in einem kriegsführenden Land, resümierte Anwalt Schmitt zum Ende des gestrigen Verhandlungstags.

Am heutigen Prozesstag gab der Verteidiger Schmitt eine Erklärung zu der Aussage des Zeugen Beckers vom Vortag ab, in der er grundlegend die Kritik vom Vortag erörterte. Die sogenannte Strukturakte eigne sich nicht hinsichtlich der Nachvollziehbarkeit, inwiefern der Angeklagte durch demokratisch-konföderale Strukturen in Deutschland zum Gebietsleiter gewählt worden sein könnte. Ebenfalls widerlegte Schmitt, dass die PKK eine kommunistische Organisation sei. Zudem widerlegte er die Annahme des Zeugen Beckers vom Vortag, alle kurdischen Kulturvereine sowie Menschen, die sich für den Menschenrechtskampf der kurdischen Bewegung einsetzen „ob Kurd*in oder nicht Kurd*in“, stünden im Zusammenhang mit der PKK. Laut Rechtsanwalt Schmitt decken sich die vorgetragenen Ermittlungsergebnisse des Bundeskriminalamtes sowie die daraus hervorgehende Bewertung durch den Zeugen Becker mit denen des türkischen Staates.

Antrag zur Prozessbewertung auf Grundlage des Völkerrechts

Zudem stellte die Verteidigung heute einen Antrag zur Bewertung des Prozesses auf Grundlage des humanitären Völkerrechts nach UN-Charta, inwieweit der Konflikt zwischen PKK und türkischem Staat als „nationaler Befreiungskampf“ bewertet werden kann – und nicht als „internationaler bewaffneter Konflikt.“ Sie führte dazu viele Resolutionen und Beispiele aus der historischen Auseinandersetzung an. Demnach kann die gewaltsame Erkämpfung des Selbstbestimmungsrechts des kurdischen Volkes als ein Kampf eines Volkes gegen ein rassistisches Regime, Kolonialherrschaft und Besatzung bewertet werden.

Der Prozess wird am 13. (12 Uhr), 14. (10 Uhr), 15. und 16. September, 23. und 24. September am OLG Hamburg, Sievekingplatz 3, fortgesetzt.

Quelle: anfdeutsch.com

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Kurdischer Aktivist Mustafa Çelik in Bremen verhaftet https://endofroad.blackblogs.org/archive/8871 https://endofroad.blackblogs.org/archive/8871#respond Wed, 08 Jan 2020 20:15:25 +0000 http://endofroad.blackblogs.org/?p=8871 Continue reading ]]>

bild und text: anfdeutsch

Der kurdische Aktivist Mustafa Çelik ist erneut verhaftet worden. Er wurde vor zwei Tagen in seiner Wohnung festgenommen und befindet sich in der JVA Bremen.

Offenbar wird Çelik sein fortgesetztes Engagement für Kurdistan zum Vorwurf gemacht. Angeblich soll er an Volksversammlungen in Hamburg und Bremen teilgenommen haben.

Mustafa Çelik war bereits im November 2015 in Bremen verhaftet und im August 2016 vom OLG Celle zu einer Haftstrafe von zweieinhalb Jahren wegen Mitgliedschaft in der PKK verurteilt worden. Die Strafverfolgungsbehörden hatten ihm vorgeworfen, seit Mitte 2013 Gebietsleiter zunächst für den Bereich Oldenburg und seit August 2015 für den Sektor Hamburg tätig gewesen zu sein. Neben den „üblichen“ Tätigkeiten, derer er beschuldigt wurde, hatte sich Mustafa Çelik intensiv um die Informations- und Mobilisierungsarbeit zu den Parlamentswahlen in der Türkei am 7. Juni 2015 zugunsten der Demokratischen Partei der Völker (HDP) eingesetzt.

Der kurdische Aktivist hat ernste Gesundheitsprobleme und muss sich einmal wöchentlich einer ärztlichen Kontrolle unterziehen.

Quelle: anfdeutsch.com

siehe auch
butenunbinnen: Mutmaßlicher hochrangiger PKK-Funktionär in Bremen verhaftet
Bullenpresse: Polizei Bremen verhaftet mutmaßlichen PKK-Gebietsleiter
Weser Kurier: Polizei nimmt PKK-Funktionsträger in Bremen fest

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Ahmet Agir nicht vergessen https://endofroad.blackblogs.org/archive/8017 https://endofroad.blackblogs.org/archive/8017#comments Mon, 23 Sep 2019 14:38:33 +0000 http://endofroad.blackblogs.org/?p=8017 Continue reading ]]>

Die Staatsanwaltschaft Bremen hat zwei Jahre nach Ahmets Tod 2017 in der Forensik Bremen-Ost wiederholt versucht, das Verfahren bezüglich Ahmets Tod nach einem Absonderungsversuch einzustellen bzw. eine Anklage zu verhindern.

Von Anfang an war zu erkennen, dass Zeugenaussagen von Inhaftierten nicht den gleichen Stellenwert erhielten wie Aussagen des Personals. Auch dass es trotz des Ermittlungsverfahrens wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu keinen Suspendierungen/Versetzungen der Tatbeschuldigten kam, verriet, wie „objektiv“ auf die Begebenheiten geschaut wurde. Wurde anfangs noch versucht, eine gänzlich andere Version zu konstruieren (eine von Ahmet verweigerte Urinkontrolle), wird nun seitens der Staatsanwaltschaft Bremen nur noch der Vorgang im Raucherraum verhandelt. Die Tatbeschuldigten befanden sich laut Staatsanwaltschaft in einer „Notwehrsituation“, da Ahmet, nach Angaben des Personals, mit einem Glasaschenbecher warf. Die „Notwehrsituation“: erst drei Personen gegen Ahmet, dann über 20 Pfleger*innen und Securitymitarbeiter gegen ihn, so verschriftlicht es die Staatsanwaltschaft, machen Zeugenaussagen von Mitinhaftierten nicht weiter notwendig.

Auch rechtfertigt diese „Notwehrsituation“ angeblich die angewendeten (KDM)-Kampftechniken. Eine Fixierung in Bauchlage, die von Amnesty International als Folter bezeichnet wird und in den USA seit 20 Jahren verboten ist, war für die Staatsanwaltschaft Bremen eine angemessene „Selbstverteidigung“ der Tatbeschuldigten. Ahmet ́s Kampf um Luft vor seiner Bewusstlosigkeit war kein Grund, von ihm abzulassen. Die Staatsanwaltschaft bewertet: da Ahmet noch lautstark schrie, kann er nicht wirklich in Not gewesen sein. Weiter, dass zu keinem Zeitpunkt Ahmets Luftzufuhr blockiert wurde. Dabei kosten angewendete KDM-Techniken und Fixierungen in Bauchlage immer wieder Menschen das Leben („Gewahrsamstod“).

Dass Ahmet, bevor es im Raucherraum zur Gewalteskalation kam, sich von der Ausgangssituation (verweigerte Ausgabe seines Tablettes) abwendete, sich somit deeskalativ gegenüber der Provokation der Pflegerin verhielt und in diesem Moment der Absonderungszugriff (Eberhardt) ausgelöst wurde, bleibt ebenfalls unerwähnt. Auch dass, nachdem Ahmet im Zuge der Gewaltorgie das Bewusstsein verlor, erst über Minuten später der Notruf ausgelöst wurde, betrachtet die Staatsanwaltschaft nicht als fahrlässig. Sie erklärt, dass fälschlicherweise ein zweiter „Notfall-Zugriff-Alarm“ (Eberhardt) statt des Notrufs (Elonore) ausgelöst wurde. Auch lässt die Staatsanwaltschaft Bremen unberücksichtigt, dass mehrere Defibrillatoren der forensischen Psychiatrie nicht einsatzbereit waren und im Zuge der polizeilichen Ermittlungen die Chips der Geräte nicht ausgelesen wurden/werden konnten.

Die Rechtsmedizin kam zu dem Befund, dass erhebliche Vorerkrankungen Ahmet ́s Tod (mit)begründeten. Dass Ahmet unter „Fürsorgepflicht“ im forensischem Vollzug unter Psychopharmaka über 40 Kilo Körpergewicht zunahm und zuvor Arztkonzile verhindert wurden, bleibt von der Staatsanwaltschaft ebenfalls ausgespart.

Somit soll Ahmet ́s Tod als einer von vielen „tragischen Unfällen“ im Vollzug, als „schicksalshafter Tod“ unverantwortet bleiben. Weder Ahmets Angehörige, noch Mit-Inhaftierte und Aktivist*innen akzeptieren, dass der „Fall“ zu den Akten gelegt wird. Es wird ein Klageerzwingungsverfahren angestrengt. Oben genannte hoffen auf Solidarität und Unterstützung und fordern Politik sowie Fachaufsicht und Besuchskommission auf, für eine objektive und transparente Aufklärung zu sorgen.

Quellen:
Frontal 21, 9.10.18: Psychiatrie Bremen-Ost Schwere Vorwürfe gegenKlinik
https://www.zdf.de/…/fronta…/psychiatrie-bremen-ost-100.html
TAZ, 11.5.18: Die Station ist Trübsal pur – Mahnwache gegen Zustände in
der Psychiatrie: https://taz.de/Mahnwache-gegen-Zustaende-in-der-Psychiat…/…/
GefangenInfo 408: „In Gedenken an Ahmet Agir“ und GefangenInfo 409:
„Ende einer Therapie“

Unterzeichner*innen:
Familie und Freunde Ahmet ́s, AK- Psychiatriegewalt stoppen, Irren-Offensive, Landesverband, Psychiatrie-Erfahrene Berlin-Brandenburg, Werner-Fuss-Zentrum, Psychiatrie-kritische-Initative-Tübingen (PKIT), Initative Zwangsbefreit, Psychiatrie-kritische Gruppe Bremen, Seebrücke Bremen, Justice For MbobdawMbobda, Black Community in Hamburg Rote Hilfe e.V., Claudia Beck, Lordi Schadt (Schriftsteller), Heike O., Julia Benz u. Gabor Kovacs (Weglaufhaus-Initative-Ruhrgebiet), Dr. med. Regina Möckli, Pascale Schanck, Rechtsanwaltskanzlei Stefan Minninger(Kiel), Torsten Poenisch, Bärbel Bodendörfer, Tanja Kreutz, Inki Rose, Steffi Ant, Helge Thoelen, Brigitte Pusch, Sabine Schütenberg, Silke Kurzweg, Patty Badarau, Dr. Astrid Hirsch, Christian Lehmann-Feddersen, Kristina Dernbach (Mitglied im geschäftsführenden Vorstand des Bundesverbandes Psychiatrie-Erfahrener e.V.), Aziz Firat, Fatma Firat, Nahsen Yalçın, Gülay Yalçın, Alican Yalçın, Nesrin Yalçın, Mesut Zungur, Zöhre Zungur, Alper Zungur, Ekrem Zungur, Yunus Zungur, Ercan İlter, Azize İlter, Seval İlter, Alettin Firat, Gülay Firat, Azizcan Firat, Saim Firat, Zayide Firat, Pinar Firat, Mahmut Firat, Hasan Firat, Ahmet Firat, Zehra Zungur, Elisabeth Demirovska, Katarina Steinchen, Vanessa Taube, Mustafah Fedai, Sigrid Wolf Steinchen, Andreas Wolf, Magdalena Chilla, Benjamin Kraka, Orhan Gündogan, Berkan Gündogan, Seyhan Gündogan, Fatma Can, Dalar Hartani, Marenn Bock, G.Ghazaryan, Dieter Ahlemann-Bock, Emel Korkmaz, Saddetin Korkmaz, Aslan Korkmaz, Özcan Korkmaz, Gülizar Korkmaz, Dilşin Korkmaz, Fannado Korkmaz, Axel Korkmaz, Ferkur Korkmaz, Ercan Korkmaz, Medine Yaldiz, Seline Yaldiz, Dilvin Yaldiz, Dilşad Yaldiz, Rahmi Korkmaz, Gürkan Korkmaz, Imad El-Hadi, Abed Dagal, Adnan Malta, Sefa Eser, Tayfun Capalar, Zurafete Kumar, Mexhide Kraka, Zemona Golig, Linda Nickel, Ahmet Eser, Seher Eser, Ferize Eser, Funda Heleman, Ibrahim Heleman, Samentha Fox, Sona Merziç, Rijad Merziç, Elif Zehra Vurgun, Nur Tuba Ndour, Göksan Vurgun, Ovat/Rojda Deran, Emine Sgarra, Angelo Sgarra, Giuseppina Sgarra, Kaya Aldullah, Tayboga Muhammed, Firat Safiye, Sibel Agir, Pavum Naserian, Hulm Jacquenne, Merike Liebert, Max Boldt, Janis Wendland, Bas Geilten, Bas Kazim, Okur Marzena, Joachim Lauer, Sebastian Lindner, Daniela Bartnitzki, Özdemir Onur, Al-Kassaba Naser, Ahmad Alhaj-Ali, Zakaria Oklaa, Aljnied Diaa, Wise Osama, Afranjieh Amar, Issa Wafie, Kazah Muhamet, Oklaa Hazem, Muhamet Alhaj-Ali, Gahith Alhaj-Ali, Tolnea Aksuy, Cem Aksuy, Cengiz Aksuy, Öznur Cizdam, Almina Sezer, Gözde Sezer, Ahmet Eser, Seher Eser, Ferize Eser, Funda Heleman, Ibrahim Heleman, Samentha Fox, Sona Merziç, Rijad Merziç, Elif Zehra Vurgun, Nur Tuba Ndour, Göksan Vurgun, Alev Demir, Sider Hydogdu, Mehmet Önder, Filipoca Ceylan, Volkan Tava, Abdulbazri Bazkir, Yakah Hacan, Mohammed Akran, Bicah Aykut, L. Shugb, Khalit Sundus, Ali Kilius, Tolgay Yilmaz, Rainer Blum, Marun Meypienin, Murphy Timothy, Mustafa Okun, Sadettin Taskin, Mustafa Cakicn, Murat Güren, Aksay Birol,Tuncay Kasikci, Birol Aksay, Tuncay Kasikci, Cengiz Cahit, Turan Angici, Kadir Yigit, Murat Has, Murat Saygili, Zeynep Okur, Aleyna Okur, J. Spieß, Yasaman Mahclavid, Aricen Bayat D., Aydin Mohamet, Trang Thao My, Ümit Demirtay, Özgin Celik, Joan Hann, A. Hering, Alma M., Sven Bernsee, Lalchuir Sandhu, Melissa Eren, Vishal Kumar, Thelaxsan Antonistunar, Kerstin M., Can Artan, Samantha Focks, Ariana Focks, Detlev Bachmann, Nadine Wessel, Michelle Wessel, Karina Wessel, Bernd Focks, Mirtat Hardan, Maurice Focks, Pierre Focks, Peter Tietje, Rolf Rerzel, Edith Ahrens, Volker Hackeman, Petra Zander, Morkraf Tourmeh, Yousef Tourmeh, Ahmad Tourmeh, Mohammed Arfin, Mohammed Aras, Lorenz Steffen, Andreas Voß, Ömur Özdemir, Yagmur Özdemir, Musa Özdemir, Nurten Özdemir, Abdul Malak Zafer, Anna Abdul-Malaka, Ragid Khayri, Madhkov Messauda, Helali Amer, Omer Toumeh, Fahida Toumeh, Mouhammed Külünk, Yahya Külünk, Fatih Külünk, Hülya Yilmaz, Erdal Turan, Erkan Turan, Bürkan Kaya, Burak Kaya, Bünyamin Kaya, Thorsten Krüger, Ilkay Güler, Even Güler, Simge Güler, Malik Isskan, Mahmmud Isskan, L. Kapeas, Fenoozan Nino Rezaei

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