Am 9. November soll auf Einladung des Centrums für Bioethik Helmut F. Kaplan an der Universität Münster sprechen. Auf seiner Internetseite setzt Kaplan die Shoah mit moderner Tierhaltung gleich und vertritt weitere menschenverachtende Positionen.
„Eine wundervolle, traumhaft-schöne Landschaft – aber ich weiß, was dahintersteckt: ein riesiges KZ.“¹ „KZ auf dem Mönchsberg. KZ in Salzburg. KZ mitten in der Kulturmetropole.“²
Viele Texte in Kaplans „Kompendium“³ sind geprägt von einer Instrumentalisierung der Shoah für seine Tierrechtspolitik. Dabei geht es ihm nicht um einen (schon von sich aus fragwürdigen) Vergleich dieser mit der kapitalistischen Tierverwertung, was nicht zuletzt daran zu erkennen ist, dass er auf die wesentlichen Unterschiede nicht zu sprechen kommt.⁴ Vielmehr löst er Begriffe wie „Holocaust“ und „KZ“ aus ihrem historischen und ideologischen Kontext, um eine plumpe Gleichsetzung zu vollziehen.
Zur Vergegenwärtigung: Die Shoah war der wahnhafte Versuch der nationalsozialistischen deutschen Gesellschaft, alle von ihr als „Juden“ identifizierten Menschen zu vernichten – eine Vernichtung, die keine anderen Zwecke verfolgte, als die Vernichtung selbst. Sie ist nicht aus rationalen, kapitalistischen, materiellen oder militärischen Motiven zu erklären, sondern lediglich als Konsequenz der Ideologie des Antisemitismus.⁵
Hingegen ist die Tierhaltung, die in den modernen bürgerlichen Gesellschaften stattfindet, ein Ausdruck des kapitalistischen Normalbetriebs. Tiere werden als Produkte (oder deren Träger) behandelt, als Waren zur Profitmaximierung genutzt. Das Ziel dieser Rationalität ist es nicht sie zu quälen oder zu vernichten – vielmehr sollen solche Handlungen staatlich unterbunden werden.
„Aber hier endet die Parallele zwischen uns und den Überlebenden des Holocaust nicht: Hat nicht jeder, der als Mensch und nicht als Tier auf die Welt gekommen ist, immenses Glück gehabt! Oder möchten Sie in einem der modernen Vernichtungslager geboren worden sein, um als Versuchstier, Pelzmantel oder Schnitzel zu enden?“⁶
Die von Kaplan immer wieder bemühten Gleichsetzungen verhöhnen all jene, welche von den NationalsozialistInnen ermordet wurden ebenso wie diejenigen, welche die Shoah überlebten. Er meint sie in die gleiche Position stellen zu können, die Tieren in der modernen Ökonomie zukommt – teilweise muss es gar so scheinen, als sei er der Ansicht, es erginge Tieren heutzutage schlimmer, als jenen Menschen, die zur Zeit des Nationalsozialismus ausgegrenzt, entrechtet, gedemütigt, verfolgt, gefoltert, ermordet wurden.⁷ Neben einer erneuten Erniedrigung der Opfer wird damit das unvorstellbare Grauen, für welches die Chiffre ‚Auschwitz‘ steht, verschleiert und verharmlost. Die Singularität, welche der Zivilisationsbruch der Deutschen darstellt, wird im business as usual aufgelöst.⁸
Quelle: Kaplans Facebookprofil.
Argumentationsmuster wie diese kommen dem deutschen Bedürfnis nach der Entsorgung der Vergangenheit durchaus entgegen. Die Relativierung der nationalsozialistischen Taten durch unzulässige Vergleiche dient immer wieder der nationalen Schuldabwehr und der Externalisierung der eigenen Geschichte. Es ist daher wenig verwunderlich, dass Kaplan 2010 dem neonazistischen Medium „Fahnenträger“ ein Interview mit dem bezeichnenden Titel „Holocaust-Vergleich wird immer wichtiger“ gab.⁹
„Selbst um den Preis des Weltuntergangs wollen wir nicht vom Fleischessen lassen.“¹⁰ „Eine weltweite Klimakatastrophe wäre die gerechte Strafe für jahrtausendelange Verbrechen an Tieren.“¹¹
Doch mit Shoahrelativierungen ist es bei Kaplan nicht getan: Zu seinem Repertoire gehören auch eine ganze Reihe anderer menschenverachtender Äußerungen.¹² Im Angesicht der „Hölle, die wir den Tieren auf Erden bereiten“¹³, der „Dummheit und Schlechtigkeit der Menschen[, die] nie enden werden“¹⁴ und dem „völlige[n] Versagen der Tierrechtsbewegung“¹⁵ träumt er „die Barmherzigkeit der Bombe“¹⁶ herbei, die als „ultimative Katastrophe für [die Tiere] eine Erlösung wäre“¹⁷. Solche apokalyptischen Sehnsüchte, die sich durch Kaplans Onlinepublikationen ziehen, vermengen sich dabei mit einem frappierenden Fehlen von universellem Mitgefühl¹⁸ – über das allgegenwärtige menschliche Leid in der Moderne schreibt Kaplan zumeist nur, um es zu absurden Vergleichen mit tierischem Leid heranzuziehen¹⁹ oder den aus seiner Sicht dafür Verantwortlichen zu wünschen²⁰.
„Allein es fragt sich: Soll man sich diesem Terror der Irrationalität und Dummheit auf Dauer wirklich beugen? Soll man ewig “klugerweise” auf die Wahrheit verzichten? Nein! Man muß die Wahrheit sagen, weil sich die Wahrheit nur so durchsetzen kann.“²¹
Es muss überraschen, dass eine universitäre Institution ausgerechnet Helmut F. Kaplan als Referenten ausgewählt hat. Schon eine nur oberflächliche Sichtung seiner Website macht deutlich, mit wem man es zu tun hat – er selbst beginnt die thematische Auflistung seiner Texte mit „(Beschreibung des) Holocaust, den wir Tieren bereiten“²². Ebenso schnell finden sich bei einer kurzen Internetrecherche brauchbare Kritiken an Kaplan.²³ Zudem ist es nicht so (was allerdings nichts besser machen würde), dass Kaplan stellvertretend für eine relevante Position innerhalb der Tierrechtsbewegung auftreten könnte – ganz im Gegenteil kann er als isolierte Randfigur gelten.²⁴
Letztlich spricht auch der Termin – der 77. Jahrestag der Reichspogromnacht –, zu dem das CfB einen notorischen Shoahrelativierer²⁵ eingeladen hat, nicht für die zu erwartende Sorgfalt bei der Organisation einer akademischen Ringvorlesung.
Gruppe et2c (Münster)
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Endnoten:
¹ Kaplan, KZ in Bayern.
² Kaplan, KZ in Salzburg.
³ Anscheinend wird dieses nicht mehr häufig aktualisiert. Dass Kaplan sein Denken nicht geändert hat, zeigen (neben dem Fehlen jeglicher Distanzierung von dort abrufbaren Texten) die Äußerungen auf seinem Facebookprofil.
⁴ Wenn Kaplan selbst von „Unterschieden“ schreibt, geht es ihm nur darum, die heutige Tierhaltung als verwerflicher erscheinen zu lassen. Siehe: Kaplan, Holocaust einst und jetzt: Ein wichtiger Unterschied; Kaplan, Wahrheitsverachtend!; Kaplan, Schweigen ist ein Verbrechen.
⁵ Es konnte hier nicht darum gehen, alle Alleinstellungsmerkmale der Shoah aufzuzeigen. Vielmehr sollten gerade jene Aspekte hervorgehoben werden, an denen offensichtlich wird, dass ein Vergleich mit der Tierverwertung abwegig ist.
⁷ Siehe (neben Kaplan, Holocaust) auch: Kaplan, Planet des Leidens.
⁸ Auf Kaplanisch: „Vor allem aber würde die überfällige Entsorgung des irrationalen Einmaligkeits-Mythos die Grundlage dafür schaffen, das bisher größte Menschheitsverbrechen ins Blickfeld zu rücken: den seit Jahrtausenden währenden und sich täglich noch steigernden Holocaust an Tieren.“ – Kaplan, Schlechte Zeiten für Holocaust-Leugner.
⁹ Das Interview ist ebenfalls auf Kaplans Internetseite zu finden. Weiterführend hierzu auch: Emil Franzinelli, Hauptsache für die Tiere?.
¹⁰ Kaplan, Weltuntergang statt Vegetarismus?.
¹¹ Kaplan, Klima und Gerechtigkeit.
¹² Viele Texte, auf welche die in diesem Text insgesamt geübte Kritik ebenso zutreffen würde, wurden nicht angeführt. Beim Recherchieren fiel uns zudem eine problematische Verwendung der Begriffe „Indianer“ und „Eskimo“ (Kaplan, Der Lack ist ab; Kaplan, Wie ist das eigentlich mit …?) sowie ein ausgeprägter Antiamerikanismus (Kaplan, Ich bin ein Amerikaner; Kaplan, Wo es um Tiere geht, wird jeder zum Bush) auf.
¹³ Kaplan, Hölle auf Erden.
¹⁴ Kaplan, Lehre aus dem Krieg – hier bezeichnet Kaplan die Menschen auch als einen „Fehlschlag der Natur“, sie würden „immer dumm und böse“ bleiben; Ähnlich: Kaplan, Tierversuche und Menschlichkeit.
¹⁵ Beispielsweise: Kaplan, Tierrechte – das Ende einer Illusion?.
¹⁶ Kaplan, Weltuntergang wünschenswert?.
¹⁸ „Nachdem wir nun festgestellt haben, daß es sich beim Tsunami [2004] um eine fürchterliche Katastrophe handelt […], muß aber auch folgendes gesagt werden dürfen: Unter diesen Opfern gibt es bestimmt auch kaltherzige und unmoralische Menschen. Und diese Menschen haben den moralischen Anspruch, daß ihnen geholfen wird, verwirkt.“ – Kaplan, Mut zur Wahrheit. Ebenfalls eindringlich: Kaplan, Verbotene Gefühle? und: Kaplan, Wenn Jäger sterben.
¹⁹ Beispiele: Terrorismus (Kaplan, Terror in New York – und überall; Kaplan, Schrecklich und unverständlich?; Kaplan, Ex-Terrorist bereut; Kaplan, Jäger sind Terroristen), Apartheid (Kaplan, Apartheid perfektioniert und globalisiert), jahrelange Freiheitsberaubung/Folter/Vergewaltigung/Mord (Kaplan, Amstetten ist überall; Kaplan, Amstetten ist überall II).
²⁰ „Das Widerlichste: die sich als ‘Gourmets’ bezeichnenden Berufsfresser. Man sollte sie zum Verhungern nach Afrika schicken.“ – Zitate von Helmut F. Kaplan (I); „Solange wir, die wir ‚draußen’, in der Freiheit, im Glück sind, denen nicht helfen, die ‚drinnen’, im Gefängnis sind, so lange haben wir kein Recht auf Glück. Wer genießt, ohne zu helfen, macht sich schuldig und verdient nicht zu leben.“ – Zitate von Helmut F. Kaplan (II).
²¹ Kaplan, Mut zur Wahrheit.
²² tierrechte-kaplan.org/kompendium/
²³ Zum Beispiel bei Wikipedia.
²⁴ Siehe: BAT, Kaplans Präsenz am Kongress: Ein politischer Fehler und die sich dort anschließende Diskussion.
²⁵ Kaplan wird beim Thema „Ist Fleischessen Privatsache? Zum politischen und ethischen Stellenwert des Vegetarismus“ (siehe Ankündigungsplakat), den seiner Meinung nach „nicht nur legitim[en], sondern sogar äußerst erhellend[en]“ „Holocaust-Vergleich“ (Kaplan, Holocaust einst und jetzt) sehr wahrscheinlich erneut bemühen.
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Am heutigen Abend findet in Münster eine Demonstration statt, die sich gegen einen lokalen Ableger der rassistisch-antimuslimischen¹ “Pegida-Bewegung” richtet und dem die Worte „Freiheit, Gleichheit, Vielfalt und Toleranz“ entgegenwirft.
Obwohl Engagement gegen Rassismus und seine jüngsten Ausprägungen nötig und sinnvoll ist, muss der von „Münster GEGEN Pegida“ verfolgte Ansatz sowohl inhaltlich, als auch in seiner Vorgehensweise aus den in diesem Flugblatt formulierten Gründen kritisiert werden.²
Dieser Text ist als Diskussionsgrundlage konzipiert. Vieles konnte jedoch nur skizzenhaft dargelegt werden und bedürfte der weiteren Erläuterung und Vertiefung. Da dies in der gebotenen Kürze nicht möglich war, wir Missverständnisse ausräumen wollen und uns durchaus darüber bewusst sind, dass wir der Demonstration in Gänze damit nicht gerecht werden, sollte dieses Papier als Angebot zur weiteren Auseinandersetzung betrachtet werden.
I. Bisher gibt es keinen Grund, die Anmeldung einer Kundgebung durch “MünGIDA” zu erwarten. Es existiert lediglich eine wenig ernstzunehmende Facebookgruppe. Für eine Aktion wie die heutige Demonstration liegt also zunächst kein dringlicher Anlass vor – der bei einer geringen Vorlaufzeit auch einen kurzen und inhaltlich kaum durchdachten Aufruf rechtfertigen könnte.
II. Die auffälligste Schwachstelle des Aufruftextes ist seine inhaltliche Beliebigkeit. Mit ihm ist eine zu große Bandbreite an Positionen vereinbar. So können z. B. auch jene sich als eingeladen ansehen, die zwar gegen nichtstaatliche rassistische Gewalt eintreten, jedoch für die Verschärfung der sowieso schon katastrophalen Einwanderungspolitik.
III. Die Aufrufenden suchen „einen echten Dialog“ mit denjenigen, die sich von “Pegida” angesprochen fühlen. Bei diesen hat man es jedoch – nicht zuletzt die Interviews des Fernsehmagazins Panorama³ zeigen dies – fast ausschließlich mit Rassist*innen zu tun. Für einen „Dialog“ mit eben solchen gibt es keine Grundlage, da ihre Meinungen auf irrationalen, kontrafaktischen Vorstellungen über die Realität beruhen. Beispielsweise behaupten sie eine “Islamisierung Deutschlands”, de facto gibt es keine dementsprechenden Tendenzen; sie fürchten sich maßlos vor “Islamisten”, de facto ist der Anteil von radikalen Verfechter*innen des politischen Islam an der Bevölkerung in der BRD verschwindend gering. Letztlich offenbart sich in ihren Äußerungen ein gesellschaftliches Ressentiment gegen alles als “fremd” Wahrgenommenes, das sich an einem Feindbild (“den Muslimen”) abzureagieren droht (und welches mit tatsächlichen Moslem*innen nichts zu tun hat). Anders als im Aufruf behauptet ist “Pegida” also nicht „religions-“ und nicht bloß „ausländerfeindlich“, sondern diese Positionen sind Ausdruck eines Rassismus, der eine andere bzw. größere Reichweite hat.
IV. Eine angemessene Umgangsweise mit den Anhänger*innen rassistischer Ideologie ist die Verweigerung jeglichen Dialogs. Ihre Positionen sollten jenseits der Grenze aller gesellschaftlichen Diskurse liegen, sie können nur Gegenstand von Kritik sein. Sich auf sie einzulassen – sich ihnen gegenüber „nicht verschlossen“ zu zeigen – verschafft ihnen Legitimität, die ihnen nicht zusteht.
V. Sinnvolle, konkrete antirassistische Praxis bestünde derzeit darin, sich gegenüber jenen solidarisch zu verhalten, die von Rassismus betroffen sind: Die Unterstützung von antirassistischen (Hilfs- und Selbst-)Organisationen und von Geflüchteten, das Engagement gegen die unmenschliche Gesetzeslage sowie institutionalisierte Repression und Armut von Migrant*innen, das Verhindern von Abschiebungen,⁴ das Einschreiten bei und Verhüten von rassistischen Übergriffen wären hier einige Beispiele.
VI. Dem Rassismus selbst (und seinen noch nicht völlig verblendeten Träger*innen) kommt man nur durch Aufklärungsarbeit bei. Um diese überhaupt betreiben zu können, bedarf es einer kritischen Gesellschaftstheorie, die auch einen reflektierten Begriff von Rassismus formuliert.
VII. Genau diese geht den Verfasser*innen des Aufrufes zur heutigen Demonstration jedoch offensichtlich ab. Laut Aufruf will man „die Ängste und Nöte der [“Pegida”-bewegten] Bürgerinnen und Bürger“ „verstehen“. Dass dieses „Verstehen“ sich nicht empathisch auf die Meinungen von Rassist*innen beziehen kann, sollte aus III und IV hervorgegangen sein. Verstehen muss man hingegen die gesellschaftlichen Verhältnisse, die zu Ängsten und Nöten führen, welche sich in Rassismus äußern. Einer kritischen Gesellschaftstheorie läge es dabei fast auf der Hand, dass andauernd mit ihrer Austauschbarkeit konfrontierte Menschen nach dem Ausschluss oder der Geringschätzung potentieller Konkurrent*innen rufen [“Die xy klauen uns die Arbeitsplätze!”]; dass wer unter dem Druck steht, sich selbst an die Gesellschaft anzupassen und für den Markt zu disziplinieren, dazu neigt, eigene unterdrückte Wünsche und Triebe auf “andere” zu projizieren und so nicht mehr als eigene wahrzunehmen (die “Anderen” sogar dafür zu hassen, in ihnen die Verkörperung jener zu sehen) [“Alle xy sind Faulenzer!”]; dass in Verhältnissen, in denen jede*r potentiell gegen jede*n um die Teilhabe am gesellschaftlichen Reichtum kämpfen muss, die Kompensation der eigenen Vereinzelung durch den Anschluss an imaginäre Kollektive [Rasse, Nation, …] einen ungemeinen Sog ausübt.
VIII. Statt mit einer materialistischen Gesellschaftskritik ist das Einzige, womit „Münster GEGEN Pegida“ aufwarten kann, der Verweis auf die Begriffe „Freiheit, Gleichheit, Vielfalt und Toleranz“. Aus der Erfahrung der letzten antifaschistischen Kundgebungen aus dem (links)bürgerlichen Spektrum ist zu erwarten, dass in Bezug auf Rassismus mit dem Sprechen von „Toleranz“ die Vorstellung verbunden ist, als “anders” wahrgenommene Menschen (regelrecht wie eine Zumutung) gnädigerweise zu erdulden. Hinter dem Schlagwort „Vielfalt“ lauert einerseits immer die Festschreibung von Menschen auf Identitäten, die ihnen aufgrund rassistischer Stereotype zugewiesen werden. Andererseits soll gerade ihre “Andersartigkeit” eine Bereicherung für die Mehrheitsgesellschaft mit sich bringen. [Vereinfacht: Migrant*innen sind für “das Bunte” zuständig, weshalb es sich lohnt, sie zu tolerieren. Diese Funktion können sie selbstverständlich nur erfüllen, solange sie als “(angenehme) bunte Flecken” von der Mehrheitsgesellschaft gekennzeichnet werden und sich so verhalten, wie sie in deren Augen sollen (nämlich nur als Ausdruck der Clichés, mit denen sie belegt werden).]
IX. Werden „Freiheit“ und „Gleichheit“ nicht weiter expliziert, sind sie Ausfluss bürgerlicher Ideologie. Auch wenn in diesen Begriffen immer noch ihre (ursprünglich) emanzipatorische Intention mitschwingt, verkommen sie zu ökonomischen Bestimmungen, wendet man sie nicht gegen die apersonale Herrschaft des Kapitals, den stummen Zwang der Verhältnisse.
So schließt „Freiheit“ zwar eigentlich das Versprechen der möglichst weitgehenden Selbstverwirklichung aller Individuen mit ein, sie ist jedoch in der bestehenden Gesellschaft nur sicher in den garantierten Beschränkungen: sie bedeutet für die meisten vor allem, frei zu sein vom Besitz an Produktionsmitteln und frei, Verträge abzuschließen, um die eigene Arbeitskraft zu verkaufen. „Gleichheit“ trägt zwar noch den Klang der Gerechtigkeit und gesellschaftlichen Beteiligung in sich, unverrückbar bleibt jedoch nur die Austauschbarkeit auf dem Markt und die perfide “Fairness” der diesen garantierenden Gesetze. Für beide gilt: Alles Weitergehende ist dem Kapitalismus Verhandlungssache, Luxus.
So gelagerte „Freiheit“ und „Gleichheit“ für „alle Menschen“ zu fordern, mag zwar angesichts der realen Lebensbedingungen, unter denen global ihre Mehrheit vegetiert, ein Fortschritt sein – es ist aber nicht das, was man menschenwürdig nennen würde.
Wenn wir nun selbst vor dem Hintergrund dieser Kritikpunkte Bilanz ziehen, drängt sich für uns der Verdacht auf, dass die heutige Demonstration in erster Linie der (Selbst-)Bestätigung dient.
Man will sich als „modern, aufgeschlossen und vielfältig“ darstellen. Der Wunsch nach Harmonie ist sich hier selbst schon Anlass genug – es braucht nicht einmal die konkrete Dissonanz einer “MünGIDA”-Kundgebung. Deshalb auch greift man zur Aktionsform „Kerzenzug“, inszeniert ein “Event”, bei dem sich die Teilnehmer*innen gegenseitig auf die Schultern klopfen können und das letzten Endes nur ein Lippenbekenntnis ist.
Würde man es ernst(er) meinen mit dem eigenen Anspruch, hätte man sich im Vorfeld etwas mehr Gedanken gemacht (I) und könnte eine zutreffendere Kritik an “Pegida” äußern (III, VII), wäre schließlich zu einem anderen Praxisansatz (IV-VI) gekommen. Anstatt zu meinen, mit dem Schmettern einiger gutbürgerlicher Phrasen (VIII-IX) sei alles gesagt, hätte man sich um eine kritische Gesellschaftstheorie bemüht und nach den gesellschaftlichen Ursachen von Rassismus gefragt (VII). Dabei wäre zu Tage getreten, dass es einen immanenten Zusammenhang von Kapitalismus und Ideologien gibt – weshalb konkrete antirassistische Praxis (V) für die Beseitigung der Ursachen immer auch antikapitalistisch aufgestellt sein sollte.
Durch das Ausbleiben jeglicher Kritik der Gesellschaft im Aufruf wird dieser ebenso zur Bestätigung des Status Quo, zu dem die Demonstrierenden selbst zu gehören scheinen. Ihre größte Befürchtung soll sein, dass “Pegida” „salonfähig“ wird – die stabilisierende „Mitte der Gesellschaft“ wollen sie für sich selbst. Diese Beschränktheit im Denken offenbart sich ebenfalls darin, dass es „Münster GEGEN Pegida“ allem voran um Diskurse in Münster und vielleicht noch im Rest von Deutschland geht.
Dass es nichtstaatliche rassistische Gewalt – die von “Pegida”, “Hogesa”, rechtsradikalen Organisationen, Nazis uvm. vorbereitet und ausgeübt wird – überhaupt gibt, dass man in Münster wie andernorts vor ihr nicht sicher sein kann, darauf kommt man lieber nicht zu sprechen. Ebenso verschweigt man, dass wegen gesellschaftlichen Ressentiments, von denen “Pegida” offen wie implizit nicht einmal alle äußert, der reibungslose Ablauf staatlicher Gewalt gegen als “Fremde” wahrgenommene Menschen erst möglich ist: Repressionen gegen Migrant*innen, Ersaufen von Menschen im Mittelmeer, Abschiebungen, die unmenschliche Unterbringung von Geflüchteten, das weltweite Elend (Armut, Unterdrückung, Verfolgung, …), das diese überhaupt erst zur lebensgefährlichen Fluch ins Ungewisse zwingt usw. – all das hat seine Rückendeckung dadurch, dass man “andere” aus der eigenen Gruppe ausschließt, all das konstituiert und durchzieht auch das Leben in Münster. Und es bleibt im Aufruf unwidersprochen (II).
Letztlich verwundern derlei Aussparungen nicht, lässt sich nur dank ihnen die gewünschte Harmonie in einer antagonistischen Gesellschaft ansatzweise denken, kann ein verlogen unschuldiges Bild von Münster in der Welt schemenhaft ermöglicht werden.
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Unser Programm bleibt die Abschaffung aller Verhältnisse, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist. Wir wollen die freie Assoziation der Menschheit in einer staaten- und klassenlose Weltgesellschaft, in der jede*r ohne Angst verschieden sein kann. Die heutige Demonstration – so unser Verdacht – steht für nichts davon ein.
Täte sie das, so wäre ihre Antwort auf „Pegida“ der Aufruf zur Solidarität mit den von Rassismus betroffenen, zur Aufklärungsarbeit und zum (wo nötig auch handgreiflichen) Abwehrkampf gegen Rassist*innen solange, bis eine Praxis zur Aufhebung des jetzigen Zustandes zu Gunsten einer Utopie, in der alle Menschen endlich menschenwürdig leben können, nicht länger verstellt ist.
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Gruppe et2c
[email protected] | et2c.org
P.S.: Dieses Flugblatt wurde vor der Veröffentlichung des vollständigen „Ablaufs“ der Demonstration verfasst, die am Nachmittag des 04.01.2015 in der Facebookveranstaltung erfolgte und der zeigt, wozu man unter dem hier kritisierten Aufruf fähig ist. Nicht zuletzt durch die Einladung aller Ratsmitglieder (inklusive der “AfD”) und die darum geführte Diskussion hat sich mehr als bestätigt, was vorher nur Verdacht sein konnte. Rückblickend hätten wir diesen Flyer weniger wohlwollend und wesentlich schärfer fassen sollen.
Weiterlesen:
Endnoten:
¹ Wir halten völkisch-nationalistische und rassistische Ideologie für das entscheidende Charakteristikum der “Pegida-Bewegung”. Eine derartige Einordnung nahm kürzlich auch eine der lokalen Antifa-Gruppen vor, der wir hier folgen.
² Grundlage der hier geäußerten Kritik ist der auf Facebook veröffentlichte Aufruf.
³ “RTL-Inkognito” hin oder her. Teil 1 und Teil 2 bei YouTube.
⁴ Eine Anlaufstelle für solche Betätigungen wäre in Münster beispielsweise die Gemeinnützige Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender.
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Am 10.10.1943 fand der erste Luftangriff bei Tageslicht auf Münster statt. Heute, 70 Jahre später, lädt der Philharmonische Chor unter der Schirmherrschaft des Oberbürgermeisters und mit der Unterstützung zahlreicher prominenter Institutionen und Unternehmen dazu ein, diesem Ereignis zu gedenken.
Bei einem Blick in das Werbematerial und auf die Presseverlautbarungen im Vorfeld fällt schnell auf, dass sich die Form des Gedenkens einreiht in einen nationalen Vergangenheitsdiskurs, der sich ausschweigt über den Kontext der alliierten Luftangriffe und in dessen Zentrum ein kollektives Betrauern deutscher “Zivilpersonen” steht. Prominent tritt in Münster das Klagen über die Zerstörung der Innenstadt und das Lob der Wiederaufbauleistung der MünsteranerInnen hinzu.
[What the problem is]
Kein Wort wird verloren über den von den Deutschen betriebenen Vernichtungskrieg, der über 50 Millionen Menschen den Tod brachte. Nichts liest man über den von den Deutschen geschlossen getragenen Nationalsozialismus, den alle Schichten verschweißenden eliminatorischen Antisemitismus, den Kulminationspunkt dieses Wahns in der industriellen Massenvernichtung von über 6 Millionen Jüdinnen*Juden. Eine Erinnerung an die Verfolgung, Unterdrückung und Ermordung von allen, die den Deutschen unliebsam waren – Sinti, Roma, Homosexuelle, Kritiker*innen, körperlich oder geistig Auffällige, … – sucht man ebenso vergebens.
Stattdessen zielt das Gedenken in Münster, genauso wie in Dresden, Hamburg, Frankfurt und zahlreichen anderen deutschen Städten (deren häufigere und größere Jammerveranstaltungen nur die Provinzialität Münsters betonen) wesentlich darauf, ein spezifisch deutsches Geschichtsbewusstsein zu propagieren, das einen positiven Bezug auf die eigene Nation zulässt und einfordert.
[Bomber Harris Superstar]
Wichtiger Bestandteil dieser Verklärung der Geschichte ist die Selbstinszenierung der Deutschen als “Opfer”. “Opfer” u. a. der alliierten Bombenabwürfe, die durch die Titulierung als “Kriegsverbrechen” den Verbrechen der Deutschen an die Seite gestellt werden sollen, um so die singuläre Schuld der Deutschen zu relativieren.
Die alliierten Bomben waren jedoch nur die Antwort auf den Rassenkrieg der Deutschen und mit ihnen wurden wesentlich andere Ziele verfolgt. Zunächst waren noch Häfen, Bahngleise, Industrie- und Militäreinrichtungen im Fadenkreuz der Bomber – so auch in Münster, das ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt zum Umschlag von Kriegsnachschub und wie heute ein bedeutsamer Militärstandort war, von dem aus unter anderem Luftangriffe auf britische Städte (darunter Coventry) geplant wurden. Um den Krieg möglichst schnell zu beenden, sollte der Durchhaltewille der Bevölkerung gebrochen werden und die Bombardierungen ab 1942 auf die Innenstädte konzentriert.
Die münsteraner Reaktion war ein trotziges “Trotzdem und dennoch: Wie staoht fast!”. Denn anders als gerne behauptet, war der Großteil der deutschen BürgerInnen Münsters – Katholizismus hin oder her – auch kein “Opfer” einer “Hitlerdiktatur”, sondern bis zuletzt von den wesentlichen ideologischen Bestandteilen des Nationalsozialismus überzeugt. Die Legitimität des Naziregimes wurde nie bezweifelt und auch aktiven Widerstand hat es – Galen hin, Galen her – aus der lokalen deutschen Bevölkerung nicht gegeben. Dementsprechend hielten sich zum Zeitpunkt der Bombardierungen in Münster wohl kaum noch Gegner*innen der Volksgemeinschaft oder von dieser Verfolgte auf, sie waren von den in der Stadt Verbliebenen durch Deportationen entfernt oder anderweitig zum Schweigen gebracht worden.
[Wiederaufbau ist nicht Aufarbeitung]
Nach dem Krieg beeilten sich die MünsteranerInnen, ihre Innenstadt wieder aufzubauen. Der Identifikationsort Prinzipalmarkt sollte als Illusion einer bürgerlich-konservativen Tradition wiederauferstehen. Dazu wurde mit Rückgriff auf Pläne und Personen aus der Zeit des Nationalsozialismus ein neues, stark am vorherigen Erscheinungsbild orientiertes Stadtzentrum konstruiert – auch vor nicht zerstörten Fassaden wurde beim Angleichen und Zurechtrücken nicht Halt gemacht. Der Prinzipalmarkt wurde so als alltäglicher Erinnerungsort zu einer Materialisierung postfaschistischer Vergangenheitsbewältigung. Auch architektonisch hatte man den Nationalsozialismus externlaisiert als kurze, fremde Episode und seine Opfer ausgeblendet. Vor dieser Kulisse ließ es sich gut so tun, als wäre nichts gewesen – die münstersche Wiederaufbauleistung erscheint in diesem Licht als Exempel für den Stunde-0-Mythos und die Schlussstrich-Debatte 1950ff.
Wie überall in Deutschland folgte nach dem Leugnen bald der Anspruch, geläutert zu sein. Statt die Vergangenheit aufzuarbeiten und nach den Gründen des Nationalsozialismus zu fragen, wurde schnell dazu übergegangen, sie zu bewältigen, mit ihr umzugehen und sie für politische Zwecke, schließlich sogar zur Legitimierung von militärischen Interventionen Deutschlands jenseits der Grenzen von Territorium und Geschichte, nutzbar zu machen. Dass die letzte Aufführung von “War Requiem” als “Gedenkkonzert” im münsteraner Dom vor 20 Jahren, also nicht lange nach der “Wiedervereinigung”, mit dem Wiederaufstieg Deutschlands zur Weltmacht zusammenfällt, spricht ebenso Bände.
[Deutsche TäterInnen sind keine Opfer]
Wenn es wirklich das Anliegen der Veranstaltenden ist, gegen den “Wahnsinn des Krieges” anzugehen, hätten sie mit einem “Gedenkkonzert” am heutigen Tag nicht katastrophaler fehl gehen können. Pikant ist auch die Auswahl der Komposition, die zum Gedenken an die Bombardierung der britischen Stadt Coventry durch die deutsche Luftwaffe entstanden ist.
In der gebotenen Kürze dieses Flyers konnten unsere Hauptkritikpunkte nur kurz angerissen werden – dass nicht unvermittelt an “Zivilpersonen” als Opfer von Bombardierungen erinnert werden kann, wenn es sich um eine deutsche Stadt zur Zeit des Nationalsozialismus handelt, sollte klar geworden sein. Wer unterschiedslos an alle Opfer des Krieges erinnert, spielt der Relativierung der von den Deutschen kollektiv und bewusst begangenen Verbrechen ebenso in die Hände, wie dem Wiedererstarken des deutschen Nationalismus. Nicht zu erwähnen, was der Kontext der Luftangriffe gegen die deutsche Bevölkerung war, arbeitet der Verklärung der Geschichte gleichermaßen zu, wie die unkritische Rezeption des historischen und gegenwärtigen Umgangs mit der Vergangenheit.
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Die Bombardierung Münsters war eine von vielen Maßnahmen, welche die Alliierten sich zu ergreifen gezwungen sahen, um dem Wahnsinn der Deutschen möglichst schnell Einhalt zu gebieten. Die Niederschlagung des Nationalsozialismus – im Falle Münsters der Einmarsch von Briten und Amerikanern am 02.04.1945 – kam für seine Opfer dennoch zu spät. Sie zu erinnern und gleichzeitig nie wieder ähnliches geschehen zu lassen, daran hätte Gedenken sich auszurichten.
Nie wieder Deutschland!
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Mehrere Antifa-Gruppen aus dem Rheinland laden im Januar nach Köln, um mit „antifaschistischen Gruppen, zivilgesellschaftlichen Organisationen, Parteien, Gewerkschaften und interessierten Einzelpersonen“ über die auch 2011 anstehenden „großen extrem rechten Events“ zu diskutieren und „langfristig angelegte überregionale spektrenübergreifende Bündnisse“ zu schaffen.
Im Folgenden werden einige Kritikpunkte an der Konferenz und deren Hintergrund erläutert. Es ist uns wichtig vorher zu betonen, dass wir mit diesem Flugblatt die Diskussion suchen und nicht kategorisch einen Bruch mit allen an der Konferenz Teilnehmenden vollziehen möchten. Aber Kritik ist kein konstruktiver Wattebausch, sondern eine Waffe, weshalb wir darum bitten, etwas Nachsicht zu haben, wenn die eine oder andere Formulierung vielleicht zunächst etwas hart erscheint. Wir sind der Auffassung, dass wenn Argumente konsequent und klar verfasst sind, sie sich leichter diskutieren und auf ihr Zutreffen überprüfen lassen.
Auf zum Bündnis! – Auf zum Atom!
Aufgrund der eigenen Schwäche suchten Antifa-Gruppen schon immer den Kontakt zu zivilgesellschaftlichen Organsiationen und Teilen der radikaleren Linken. Neu ist die Bestrebungen der Konferenz also nicht. Neu ist hingegen eher, dass Antifas, anders als noch in den neunziger Jahren, immer weniger versuchen radikale Gesellschaftskritik in solchen „großen“ Bündnissen zur Debatte zu stellen. Das Bündnis an sich scheint Selbstzweck geworden zu sein, und der Zweck – möglichst viele Menschen gegen Nazi-“Großevents“ auf die Straße zu bringen – heiligt alle Mittel. Zu einem „radikalen Akt“ wird bestenfalls noch der vermeintliche „zivile Ungehorsam“ und der „kollektive Regelverstoß“ geadelt. Einen solchen erkennen die OrganisatorInnen antifaschistischer „Großevents“ vor allem in friedlichen Sitzblockaden von (auch sonst) gesetzestreuen BürgerInnen. Dass deutsche BürgerInnen aber nicht von „der Antifa“ zu „kollektiven Regelvestößen“ ermuntert oder gar getragen werden müssen, sondern dass eben diese auch von selber auf solche „radikalen“ Ideen kommen, beweisen nicht zuletzt die Proteste gegen Stuttgart 21. Zu denken geben könnte allerdings, dass einzig Proteste gegen Nazis und RechtspopulistInnen, gegen Atommülltransporte und Bahnhofsumgestaltungen das – bestenfalls – linksliberale Milieu in Deutschland auf die Straße treibt, während selbst reformistische Proteste gegen den Sozial- und den Grundrechteabbau kaum auf Resonanz stoßen – von Demonstrationen gegen die deutsch-europäische Asylpolitik oder das Privateigentum an Produktionsmitteln ganz zu schweigen.
Der Grund, weshalb „breite Bündnisse“ – welche letztlich natürlich auch nur die immer gleichen linksliberalen bzw. zivilgesellschaftlichen Organisationen vereinen – funktionieren, ist darin zu suchen, dass radikale Gesellschaftskritik in den Bündnissen nicht diskutiert wird oder zumindest nicht nach außen hin sichtbar gemacht wird. „Antifa“, so war es zumindest einige Zeit Konsens, bedeutete auch eine unbeirrte Bekämpfung der Verhältnisse, die immer wieder faschistische und nationalsozialistische Ideologien hervorbringen müssen und das ohne hinter die bürgerliche Gesellschaft (zum Beispiel auf einen autoritären Staat oder eine proletarische Diktatur) zurückzufallen. Allein mit dem Label „links“ und „antikapitalistisch“ war es nicht getan, sondern es ging darum sich eine Kritik der Gesellschaft anzueignen, durch Austausch und Kontroverse zu schärfen und weiter zu vermitteln. Auf dem „Antifa-Kongress“ vermisst man diese wichtige Erkenntnis.
Nur logisch ist es deshalb, dass beim Auftakt der von antifaschistischen Gruppen getragenen Konferenz diese Frage diskutiert werden soll: „Inwiefern muss jeder Protest gegen öffentliches Auftreten von Neonazis auch den Rassismus der Mehrheitsgesellschaft thematisieren?“. Auch wenn sie nach einigen Tagen wieder von der Homepage verschwunden ist, in den offiziellen Flyern findet sie sich noch. Man kann diese Frage wohl nur als eine rhetorische begreifen. Die Xenophobie der Mehrheitsgesellschaft und die rassistische Politik von BRD und EU können und sollen in „breiten“ Bündnissen nicht auf angemessene Weise thematisiert werden. Erst Recht darf bei Strafe der Implosion der “breiten Bündnisse” nicht thematisiert werden, dass diverse aktuelle oder anvisierte Bündnispartner (etwa Die Linke, Bündnis90/Grüne, SPD) die Abschiebe- und Abschottungspolitik der BRD durch ihre aktuelle oder ehemalige Beteiligung an Landes- und Bundesregierungen mittragen, wenn sie nicht gar selbst rassistische Debatten forcieren. An dieser Stelle sei nur der ehemalige SPD- und Linkspartei-Vorsitzenden Oskar Lafontaine und dessen Rolle in der so genannten „Asyldebatte“ in den neunziger Jahren erwähnt, denn eine weitere Aufzählung linker RassistInnen, oder gar eine Debatte über die rassistische Verfasstheit von Staaten an sich („Insofern der Staat die Mittel hat, zu bestimmen, wer sich wie auf seinem Territorium ökonomisch betätigen darf, ist er von seiner Struktur her unaufhebbar rassistisch verfasst.“ Manfred Dahlmann), würde hier den Rahmen massiv sprengen.
Dreh- und Angelpunkt Neonazi-Aufmärsche
In einem Aufruf zu „Massenblockaden“ gegen den Naziaufmarsch in Stollberg heißt es: „Jeder erfolgreich durchgeführte Aufmarsch wirkt motivierend, stabilisierend und ideologisierend auf die NS-Szene. Die Auswirkungen zeigen sich in verstärkter überregionaler Vernetzung, aber auch im Kleinen; durch ein alltägliches offensives, gewalttätiges Auftreten von NeofaschistInnen in Stolberg, Düren, Aachen – Städte, in denen Menschen zunehmend Opfer von Nazigewalt werden.“, weiter heißt es in dem erwähnten Aufruf: „Für Neonazis sind kollektive Veranstaltungen wie Aufmärsche nicht nur wichtig, um Rassismus und Nationalismus öffentlich zu propagieren. Sie festigen auch das Selbstbild eines kollektiven »Wir« der TeilnehmerInnen.“ So richtig der letzte Satz ist, so verkürzt ist es, „rechte Events“ zum Dreh- und Angelpunkt antifaschistischer Interventionen zu machen und sich Schwerpunktmäßig auf die Initiierung von eigenen „Gegenevents“ zu konzentrieren. Nicht selten gewinnen gerade Aufmärsche bei denen es „geknallt“ hat, also bei denen es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei und GegendemonstrantInnen gekommen ist, an Eventcharakter für den „erlebnisorientierten“ Teil der Nazi-Szene. Die Verhinderung und Störung von Naziaufmärschen mag für Nazis ärgerlich sein, die allerwenigsten hören aber wegen eines verhinderten Aufmarsches auf, für die nationalsozialistische Sache zu agieren und agitieren.
Aufmärsche sind vielmehr nur eine einzelne Ausdrucksform extrem rechter Umtriebigkeit. Ungestörte regelmäßige Kameradschaftsabende, Konzerte oder kleinere illegale Aktionen sind für das Selbstverständnis und die Außenwirkung der neonazistischen Subkultur mindestens genauso wichtig. Zudem drängt sich bei der Lektüre des Aufrufs zu den Protesten in Stollberg der Eindruck auf, dass eine relativ starke Naziszene primär die Folge von Aufmärschen wäre. Dabei ist es doch vielmehr so, dass Neonazis gerade dort Aufmärsche veranstalten, wo sie über aktive, gefestigte und verhältnismäßig große Strukturen verfügen. Gerade für die Regionen Aachen-Düren, Siegen oder Dortmund-Hamm lässt sich dies feststellen. Das Problem ist also eher, dass z.B. im Raum Aachen-Düren Neonazis jahrelang agieren konnten, ohne von zivilgesellschaftlichen Akteuren, Polizei, Verwaltung und auch „der Antifa“ gestört zu werden. Die wenigen aktiven AntifaschistInnen in dieser Region waren Jahrelang auf sich gestellt, auf Unterstützung von „Großstadt-Antifas“ mussten sie lange vergebens warten. Es drängt sich also der Verdacht auf, dass „Großstadt-Antifas“ vor allem dann in die Provinz aufbrechen wenn es gilt, medienwirksam „Events“ in Form von „Massenblockaden“ und „breiten Bündnissen“ zu inszenieren. Der „Nazialltag“, also die regelmäßigen Übergriffe, „Propagandaaktionen“ und die Zusammenkünfte, in denen Nazis neue Mitglieder agitieren und einbinden, stellen für AntifaschistInnen und andere von Nazis zu Feinden erklärte Gruppen jedoch das viel größere Probleme dar.
Beispiel Dortmund – Solidarität muss Praktisch werden!
Ähnlich wie dem Raum Aachen-Düren wird auch der nordrheinwestfälischen „Nazihochburg“ Dortmund von Seiten des Großteils der Antifabewegung nur dann Aufmerksamkeit geschenkt, wenn rechte „Großevents“ wie der so genannte „Antikriegstag“ anstehen. Dabei lässt sich auch und gerade für Dortmund konstatieren, dass der „Großaufmarsch“ zum „Antikriegstag“ und dessen überregionale Bedeutung nur Ausdruck einer relativ starken und gefestigten rechten Szene in Dortmund ist. Die organisierten Neonazis um den „NW Dortmund“ verfügen nicht nur über ein „Nationales Zentrum“, in dem regelmäßig Kameradschaftsabende und Veranstaltungen stattfinden, sondern haben auch beste Kontakte zu den zahlreichen rechts-subkulturell geprägten Stadtteil-Cliquen, zu rechten Fußballfans und Hooligans sowie zu extrem rechten Parteien in Dortmund und Umgebung. Der engere Kreis des “NW Dortmund” und das mobilisierbare Umfeld der Nazi-Szene in Dortmund umfasst ca. 200 Personen und verfügt über eine gefestigte Infrastruktur. Dies alles erklärt die zahlreichen öffentlichen Auftritte, „Propagandaaktionen“ und auch Übergriffe bis hin zum Mord in Dortmund. Die wenigen organisierten AntifaschistInnen in Dortmund und dem Ruhrgebiet waren lange auf sich alleine gestellt und sind es auch heute zumeist. Zu größeren Aktionen von Seiten der Dortmunder Zivilgesellschaft und der nordrheinwestfälischen linken Szene kommt es in Dortmund nur anlässlich des „Antikriegstages“ und auch das erst seit zwei Jahren. Kurzfristig organisierte Antifa-Aktionen nach brutalen Übergriffen oder die alljährliche Gedenkdemonstration für den 2005 von einem Neonazi ermordeten Thomas „Schmuddel“ Schulz erfahren kaum überregionale Unterstützung. Zurück geführt wird dies dann – wie in einem Ankündigungstext der Konferenz – auf eine „Zersplitterung der Spektren“. Hier ist zu erwähnen, dass zumindest ein „antifaschistisches Spektrum“ jenseits vom „Antikriegstag“ kaum kontinuierlich gegen Nazis in Dortmund aktiv wird, gleiches lässt sich über die „Spektren“ Zivilgesellschaft und Gewerkschaften sagen – und auch dies seit Jahren. Wichtig wäre es, der rechten Szene in Dortmund kontinuierliche antifaschistische Arbeit an 365 Tagen im Jahr entgegen zu setzen. Wie die Erfahrungen der letzten zehn Jahre zeigen, kann sich auf die oben erwähnten Spektren – nicht nur aus linksradikaler Perspektive – nicht verlassen werden. Eine Fixierung auf den „Antikriegstag“ ist zudem mehr als problematisch und dient wohl primär der Pflege des guten Gewissens und dem Bedürfnis nach „Praxis“ der einmal im Jahr zum „Event“ anreisenden Bewegungslinken. Es lässt sich wohl nur darüber spekulieren, wie groß die linksradikale Szene tatsächlich wäre, wenn diese „Großevents“ vielen Bewegungslinken nicht selbst ein „Wir-Gefühl“ vermitteln würden, dass über die eigene Marginalität und Bedeutungslosigkeit hinwegtäuscht.
Ein Patentrezept zur Zerschlagung der Nazi-Szene in Dortmund und in anderen „Nazihochburgen“ können wir nicht anbieten. Sicher ist jedoch, dass es viele bessere Methoden gibt mit denen man Nazis praktisch in die Schranken weisen kann. Dazu gehört auch die Verhinderung ihrer öffentlichen Auftritte und die konsequente Einschränkung ihrer Bewegungsräume. Maßnahmen einer solchen Art müssen kontinuierlich erfolgen, stehen einer radikalen Gesellschaftskritik aber nicht im Wege. Im Gegenteil: Ein Event-Antifaschismus, der versucht möglichst viele Menschen für spektakuläre Aktionen unter einen Hut zu bekommen, es aber unterlässt, eine Gesellschaftskritik, die ihres Namens würdig ist, zu entwickeln und zu artikulieren, bleibt auf lange Sicht wirkungslos.
Aktion und Politik – ist das wirklich alles?
Den auf diesem Kongress vertretenen antifaschistischen Politikansatz halten wir also aus mehreren Gründen für kritikwürdig. Die hier repräsentierten Gruppen vernachlässigen es seit Jahren, die neonazistischen Aktivitäten gesellschaftlich zu kontextualisieren. Eine Gesellschaftskritik, die über den Allgemeinplatz hinaus reicht, dass „Rassismus auch aus der Mitte der Gesellschaft“ komme, artikulieren sie nicht. Diese Kritiklosigkeit ist jedoch integraler Bestandteil ihres „Erfolgsrezeptes“: Sie ist Voraussetzung für die viel beschworene Zusammenarbeit mit Gewerkschaften, Kirchen, Parteien und anderen Gruppen, die an der Verfasstheit dieser Gesellschaft nichts grundsätzliches auszusetzen haben und jeden, der das anders sieht, unter Extremismusverdacht stellen. Eine Zusammenarbeit zwischen Antifa und zivilgesellschaftlichen Gruppen hat keine Radikalisierung dieser Gruppen, sondern die Aufgabe von radikaler Gesellschaftskritik zur Folge.
Was die Versammelten vereint ist letztlich ein Praxisfetisch, der schon durch die Kapitälchen des “ACT” auf den Werbematerialien zum Ausdruck kommt. Nur in Hinblick auf erhoffte zukünftige Aktionen hat man sich – sei es wegen fehlenden Inhalten oder ideologischen (freundlicher: theoretischen) Differenzen – etwas zu sagen. Es geht nicht um theoretische Diskussionen, die vielleicht im Vorfeld oder Vordergrund zu stehen hätten, sondern um die Tat, sei sie abseits der Selbstbestätigung und Selbsterhaltung durch Eigenwerbung noch so belanglos.
Im Umkehrschluss heißt diese Konstellation deshalb auch, dass der inhaltliche Gehalt von Mobilisierungen auf einen langweiligen und antikritischen Konsens heruntergebracht werden muss oder zumindest auf das Nebeneinanderstehen von (ansatzweise) vernünftigen Positionen und solchen, die erstere zu bekämpfen hätten, hinausläuft. Es wird taktiert, für einzelne Bündnispartner schwierige Themen werden umschifft und am Ende klopft man sich für die ach so erfolgreiche Bündnistümelei gegenseitig auf die Schultern.
Doch auch in Hinblick auf den Anti-Nazi-Kampf bleiben die hier vertretenen Strategien wirkungslos oder reichen zumindest nicht über symbolische Erfolge, wie die Blockade des Naziaufmarsches in Dresden hinaus. Jenseits solcher medientauglichen „Gegen-Großevents“ kommen keine Aktionen in den regionalen Nazihochburgen zustande.
» antifaschistische und kommunistische Gruppen aus NRW
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Es hat lange gedauert. Und obwohl man eigentlich nichts ernst nehmen sollte, was aus der münsteraner Hochschulpolitik kommt – vor allem, wenn Wahlkampf ist (und Wahlkampf ist fast immer) – wollen wir uns hier in aller Kürze mit der “Distanzierung” des aktuellen Uni AStA befassen.
Für die Notwendigkeit einer “Distanzierung” seitens des AStA der Universität Münster werden zwei zentrale “Gründe” angeführt:
Aus 1. folgt der Vorwurf, Küntzel und von der Osten-Sacken seien “Sarrazin-Anhänger”; aus 2., sie seien “Kriegstreiber”.
Zu 1.:
Ohne Frage sind eine Vielzahl der auf der Internetplattform ‘Achse des Guten’ veröffentlichten Artikel unvertretbar. Ein Grund die beiden genannten Referenten nicht einzuladen sind ihre “Gastbeiträge” dort allerdings nicht. Die bei ‘Achse des Guten’ veröffentlichten Texte von Thomas von der Osten-Sacken und Matthias Küntzel bewegen sich thematisch auf den Gebieten, aufgrund derer sie von uns eingeladen wurden. Diese haben mit der Debatte um die Thesen von Thilo Sarrazin rein gar nichts zu tun. Es ist daher wenig überraschend, dass es der Uni AStA versäumt nachzuweisen, ob sich von der Osten-Sacken oder Küntzel selbst an irgendeiner Stelle positiv – oder überhaupt – auf Thilo Sarrazin beziehen.
In der betreffenden Rede von Sarah Palin geht es um die gefährliche Ideologie des iranischen Regimes und die unzumutbare Situation unter diesem, dessen regionale wie internationale Umtriebigkeit und das iranische Atomprogramm – sowie um die von staatlicher Seite zu ergreifenden Handlungsoptionen: die Verschärfung von Sanktionen und die Unterstützung der aufständischen Zivilbevölkerung. Diese Inhalte, auf die sich von der Osten-Sacken hier positiv bezieht, sind – mit Verlaub – durchaus progressiv. Dass Sarah Palin im übrigen völlig indiskutable Positionen vertritt und sich ihre Ausrichtung was die Außenpolitik der USA anbelangt gewandelt hat, tut dem keinen Abbruch.
Zu 2.:
Es gibt ausreichende Hinweise für die militärische Ausrichtung des iranischen Atomprogramms. Zudem bekunden führende Persönlichkeiten des iranischen Regimes immer wieder ihren Willen, Atomwaffen zu erlangen. Auf welche Quellen sich der Uni AStA bezieht, wenn er das “in Frage stell[t]” wäre wirklich sehr interessant. Die sicherlich nicht aus der Luft gegriffene Besorgnis der Regierungen in der Region (Ägypten, Syrien und weitere) sind mittlerweile öffentlich bekannt, aber deren Geheimdienste arbeiten offenbar schlechter, als der Uni AStA. Auch die IAEA wäre bestimmt dankbar, könnte sie sich dessen bisher streng geheime Erkenntnisse in der nächsten “links vorm Schloss” anlesen.
Von einer “pauschalen Unterstellung” der Entwicklung von Atomwaffen kann überdies nicht die Rede sein. In mehreren Texten und auch in seinem letzten Buch hat Küntzel herausgearbeitet, warum es so wahrscheinlich ist, dass im Iran nicht an bloß ziviler Nutzung der Atomkraft gearbeitet wird. Auch die “Interessen des Westens im Iran” spielen bei unserer Veranstaltungsreihe übrigens sehr wohl eine Rolle. Bei der Veranstaltung mit Thomas von der Osten-Sacken ging es mehrfach um die Verknüpfungen des “Westens” und im speziellen Deutschlands mit dem iranischen Regime, wie es auch bei der Veranstaltung mit Küntzel nochmals darum gehen wird.
Beide haben mehrfach betont, dass ein Krieg gegen das iranische Regime die letzte und am wenigsten zu begrüßende Option ist, sondern vielmehr vermittels ‘smart sanctions’, der Isolierung des Regimes und Unterstützung der Oppositionsbewegung ein Regimewechsel erwirkt werden sollte. Dabei haben sie versucht zu belegen, dass die aktuelle Appeasement-Politik gegenüber dem Iran gerade nicht ‘befriedend’ sondern eskalierend wirkt und die diplomatischen Versuche allesamt schlicht gescheitert sind.
Aber dem Uni AStA geht es weder um eine differenzierte Kritik der Positionen der eingeladenen ReferentInnen, noch um eine zutreffende Kenntnisname ihres Verhältnisses zur ‘Achse des Guten’ oder Thilo Sarrazin. Eine nachvollziehbare Argumentation, warum die eingeladenen Referenten eine adäquate Kritik nicht leisten können sollten sucht man vergebens. Was bleibt ist der plumper Versuch, Referenten zu diffamieren und letzten Endes zusammen mit den Veranstaltenden als “rechts” zu stigmatisieren.
Dabei lässt man einige Details unter den Tisch fallen. So zum Beispiel, dass neben der Veranstaltung mit Fathiyeh Naghibzadeh[1] auch die Veranstaltung mit Thomas von der Osten-Sacken vom Uni AStA unterstützt wurde. Die entsprechenden Anträge sind mit ausreichend großem zeitlichem Vorlauf sowohl vor den entsprechenden Plena[2], als auch vor der Veranstaltungsreihe eingereicht worden, den der Uni AStA nicht genutzt hat, sich zu informieren. In der gebotenen Kürze eines Antrags zumindest haben nicht alle publizistischen Tätigkeiten eines/einer ReferentIn Platz. Letztlich taucht der Uni AStA also nicht zu Unrecht auf den Plakaten der Veranstaltungsreihe auf. Ohne seine Unterstützung wären zudem die beiden übrigen Vorträge[3] unsinnig gewesen, da die versuchte Kritik nicht ansatzweise umfassend genug gewesen wäre.
Selbst gibt der Uni AStA wenig Auskunft darüber, wer denn die angeprangerte “tausendfach[e] Ermordung irakischer Zivilisten” zu verantworten hat. Mit Nichten sind es amerikanische G.I.s, die im Irak Bombenanschläge verüben. Darüber, ob die Situation der Zivilbevölkerung unter einem Saddam Hussein erträglich(er) wäre, wird offensichtlich ebenfalls lieber geschwiegen.
Wären wir ähnlich ‘differenziert’ wie der Uni AStA und würden wir auf Argumente und Kritik nicht mehr Gedanken verbringen, würden wir ihn als einen weiteren europäischen Unterstützer des iranischen Regimes begreifen. Zumindest apologetisch und relativierend scheint man sich betätigen zu wollen, eine Kritik des iranischen Regimes – oder auch nur die selbst eingeforderte “kritische Auseinandersetzung” – fehlt völlig. Stattdessen vergleicht man lieber Äpfel mit Birnen, Irak mit Iran.
Aber vielleicht war die “Distanzierung” genauso ein unüberlegter Schnellschuss, wie vor einigen Monaten der Artikel “AStA verurteilt blutigen Angriff Israels”[4] im Zusammenhang mit der Intervention der IDF gegen die “Marvi Marmara”. Wir werden sehen.
Gruppe et2c, 03.12.2010
Wir möchten hiermit nochmals alle, die weitere Erläuterungen suchen, Kritik üben möchten oder einfach mit uns ins Gespräch kommen wollen zur offenen Nachbereitung und Diskussion der Veranstaltungsreihe einladen. Diese findet wie angekündigt am 16.12.2010 ab 19:30 Uhr im Seminarraum des Club Courage, Sternstraße 31, 48145 Münster statt.
Endnoten:
[1] Die übrigens auch einen “Gastbeitrag” bei ‘Achse des Guten’ hat.
[2] Siehe für Thomas von der Osten-Sacken das Protokoll vom 21.06. (Antrag 15.06.), für Fathiyeh Naghibzadeh das Protokoll vom 26.07. (Antrag 23.07.).
[3] Gemeint sind hier die Vorträge von Andreas Benl und Matthias Küntzel, welche vom AStA der Fachhochschule Münster unterstützt werden.
[4] Siehe dazu zum Beispiel: ASTA Münster gegen Israel.
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]]>“Three Days of Love, Peace and Music” versprechen die Veranstalter des “Ruhr-Reggae-Summer” (23. bis 25.07.2010) in Mülheim an der Ruhr. Doch was hat Reggae mit “Love and Peace” zu tun, fragen wir uns angesichts der vielen Reggae-Künstler*innen, die auf der Bühne Frauenfeindlichkeit und Schwulenhass performen. Es gibt zahlreiche Reggea-und Dancehall-Sänger, die auf der Bühne zum Ermorden und Lynchen schwuler, lesbischer und queerer Menschen aufrufen. Doch es geht nicht nur um diese Hassprediger, die davon singen, Schwule zu erschießen und propagieren, dass Sex nur als heterosexueller Penetrationssex stattfinden darf, sondern um ein grundlegendes Problem von Reggae-Songs und Reggae-Kultur.
Pressemitteilung des Bündnis emanzipatorischer Antifaschistinnen und Antifaschisten aus Münster:
Gleichzeitig zu der Kundgebung „Gegen den israelischen Angriff auf die Freiheitsflotte“ fand heute auch eine israelsolidarische Gegenkundgebung mit 25 Teilnehmern und Teilnehmerinnen statt.
Das Hauptanliegen der israelsolidarischen Demonstranten fasste Claudia Schultze, Sprecherin des Bündnis emanzipatorischer Antifaschistinnen und Antifaschisten aus Münster, wie folgt zusammen: „Uns geht es heute nicht darum, jegliches militärisches Vorgehen Israels zu verteidigen, sondern vielmehr auf eine einseitige Berichterstattung hinzuweisen und vor vorschnellen Verurteilungen Israels zu warnen.“ Steffen Dressler ergänzte: „Obwohl die Informationslage alles andere als klar ist, scheint für viele Leute der Schuldige bereits festzustehen – wie so häufig ist dies Israel.“ Als ein weiteres Problem machten die Teilnehmer und Teilnehmerinnen aus, dass im Falle Israels mit zweierlei Maß gemessen werde, wenn es um die Beurteilung von zivilen Opfern gehe. Auffällig zumindest sei, dass das Interesse an militärischen Konflikten, in die Israel verwickelt ist, regelmäßig größer ist als bei anderen vergleichbaren Konfrontationen.
Claudia Schultze führte außerdem an: „Man sollte zusätzlich die Frage aufwerfen, welche Interessen sowohl die Organisatoren als auch die Aktivisten auf den Schiffen bei dem Durchbrechen der Seeblockade verfolgten. Es scheint doch so zu sein, dass von vornherein eine Konfrontation das eigentliche Ziel der Aktion war.“
Bündnis emanzipatorischer Antifaschistinnen und Antifaschisten aus Münster
[email protected]
Ein Flugblatt des Bündnis, das während der Kundgebung verteilt wurde, ist hier dokumentiert:
Gegen jeden Antisemitismus und Antizionismus (pdf)
Am 27. und 28. März 2010 wollen die extrem Rechten Parteien „PRO NRW“ und „NPD“ in Duisburg gegen eine behauptete „Islamisierung“ und „Überfremdung“ aufmarschieren. Diesem xenophoben und kulturalistischen Spektakel wollen sich mehrere Bündnisse entgegenstellen. Dass in den Bündnissen gegen Rechts aber auch islamistische und antisemitische Organisationen aktiv sind, scheint bislang wenige zu irritieren und einer noch kleineren Zahl von Menschen bekannt zu sein.
Ein emanzipatorischer Antifaschismus und Antirassismus muss reaktionären Ideologien jedweder Couleur eine deutliche Absage erteilen. Islamistische und antisemitische Organisationen und Personen haben in antifaschistischen und antirassistischen Bündnissen nichts zu suchen! Es kann nicht sein, dass im Rahmen der Proteste gegen die rassistische, nationalistische und kulturalistische Hetze von „PRO NRW“ und „NPD“, VertreterInnen anderer reaktionärer Ideologien geduldet oder gar in „Zweckbündnissen“ akzeptiert werden.
Wir fordern hiermit alle AntifaschistInnen und AntirassistInnen dazu auf sich nicht an Bündnissen zu beteiligen, bei denen reaktionäre Organisationen involviert sind!
]]>Presseerklärung der Freund_Innen der befreiten Gesellschaft:
Der heutige Prozess gegen eine Antifaschistin, die im Januar anlässlich einer israelfeindlichen Demonstration eine spontane Kundgebung gegen Antisemitismus angemeldet hatte, endete mit einer Verurteilung zu einer Geldstrafe von 300 Euro zuzüglich Gerichtskosten. Das Gericht bezweifelte den spontanen Charakter der Aktion und bemängelte, die Veranstaltung hätte frühzeitig angemeldet werden müssen. Darüber hinaus begründete das Gericht seine Entscheidung damit, dass die Teilnehmer_Innen der israelfeindlichen Demonstration durch die Aktion „provoziert“ worden seien und dadurch eine „gefährliche Situation“ entstanden sei. Silvia Stratmann, Pressesprecherin der Freund_Innen der befreiten Gesellschaft“, dazu: „Wir sind mit diesem Urteil sehr unzufrieden. Es kann nicht sein, dass spontanes Eintreten gegen Antisemitismus kriminalisiert wird, und dass dies auch noch mit der Gefährlichkeit der israelfeindlichen Demonstration begründet wird. Wir befürchten, dass das Urteil sich negativ auf die Bereitschaft anderer Menschen auswirkt, sich symbolisch gegen öffentlich geäußerten Antisemitismus zu stellen. Denn nun kommt zu der Bedrohung durch antiisraelische Demonstrant_Innen, auch noch die Sorge um staatliche Repression hinzu.“
» weitere Informationen (extern)
]]>Seit über eineinhalb Jahren etabliert sich in den antifaschistischen Strukturen in NRW eine junge Duisburger Gruppe unter dem Label “Rote Antifa”. Die Gruppe erklärt auf ihrer Internetseite, sie verstehe sich als Duisburger Vorhut einer internationalistischen, antirassistischen und antikapitalistischen Globalbewegung. Seit Beginn ihrer politischen Tätigkeit ist die Gruppe regelmäßig in gewalttätige Aktionen gegen andere antifaschistische Gruppen und Einzelpersonen involviert. Zudem kam es zu Aussagen, die darauf schließen lassen, dass die “Rote Antifa” einen anarchistischen und kommunistischen Minimalkonsens nicht teilt. Im Folgenden möchten wir beispielhaft einige Ereignisse aufführen, um zu verdeutlichen, warum wir – Anarchist_innen und Kommunist_innen aus NRW – eine Zusammenarbeit mit der “Roten Antifa” für untragbar halten.
Seit über eineinhalb Jahren etabliert sich in den antifaschistischen Strukturen in NRW eine junge Duisburger Gruppe unter dem Label “Rote Antifa”. Die Gruppe erklärt auf ihrer Internetseite, sie verstehe sich als Duisburger Vorhut einer internationalistischen, antirassistischen und antikapitalistischen Globalbewegung. Schon seit einigen Monaten ist sie zumindest teilweise an der medialen Aufarbeitung von Anti-Nazi-, Friedens- und anderen sozialpolitischen Demonstrationen beteiligt – ein umfangreiches Internetarchiv vermittelt den Eindruck einer stark organisierten und durch breite Strukturen unterstützten Arbeit. Sie sucht darüber hinaus Anschluss zu bestehenden linken Strukturen in NRW. Auch im restlichen Bundesgebiet und teilweise sogar im europäischen Ausland knüpft sie erste Kontakte. Sie tritt auf nahezu allen größeren politischen Events in NRW in Erscheinung, mobilisiert zu eigenen Antifa-Blöcken und führt schwach organisierte Demonstrationen spontan durch eine geschlossene Spitze und eigene Transparente an. Demnach ließe sich also eine Bereicherung hiesiger Strukturen vermuten. Doch seit Beginn ihrer politischen Tätigkeit ist die Gruppe regelmäßig in gewalttätige Aktionen gegen andere antifaschistische Gruppen und Einzelpersonen involviert. Zudem kam es zu Aussagen, die darauf schließen lassen, dass die “Rote Antifa” einen anarchistischen und linkskommunistischen Minimalkonsens nicht teilt.
Im Folgenden möchten wir beispielhaft einige Ereignisse aufführen, um zu verdeutlichen, warum wir – Anarchist_innen und Kommunist_innen aus NRW – eine Zusammenarbeit mit der “Roten Antifa” für untragbar halten. In manchen der bekannt gewordenen Fälle konnte nicht abschließend geklärt werden, ob es sich bei den Beteiligten ausschließlich um Mitglieder der Gruppe oder auch oder nur um ihr politisches Umfeld handelt. Bei den nachfolgend beschrieben Situationen darf ihre – zumindest indirekte – Beteiligung als gesichert gelten. Vollständig – und das halten wir für bezeichnend – ist die Chronologie allerdings nicht. Während der Zusammenstellung sind eine Reihe weiterer Vorfälle bekannt geworden, die nicht mehr erfasst wurden.
Wir möchten vermeiden, die innerlinken Auseinandersetzungen der letzten Jahre bewertend darzustellen. Wir sind uns im Klaren, dass die Aktionen der “Roten Antifa” nicht in politisch neutralem Raum stattgefunden haben. Wir halten allerdings genau so fest, dass sexistische Beleidigungen und ähnliche Übergriffe auf andere Antifaschist_innen niemals legitimer Teil einer linkspolitischen Auseinandersetzung sein können.
Die Gründungsphase der “Roten Antifa”
Die ersten von der “Roten Antifa” ausgehenden Konfrontationssituationen wurden bereits kürzeste Zeit nach ihrer offiziellen Gründung dokumentiert. Am 01.09.07 kam es im Rahmen der Gegenveranstaltungen zum neonazistischen Dortmunder “Antikriegstag” zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen einer Dortmunder Antifaschistin und Mitgliedern der “Roten Antifa”. Schon wenige Sekunden nach Beginn des verbalen Schlagabtausches bauten sich die insgesamt sechs Duisburger_innen um die Antifaschistin auf. Eine Person trat hervor und schubste sie unter Abschirmung der anderen Beteiligten vor die Brust. Die Antifaschistin konnte sich zwar durch einen beherzten Schlag ins Gesicht des Angreifers aus der Situation befreien. Allerdings warnten die Duisburger_innen bereits wenige Minuten später gegenüber anwesenden Genoss_innen der Antifaschistin, man solle demnächst “aufpassen” auf “die kleine Freundin”, weil es sonst “richtig knallt”. Schon hier machten sie deutlich, dass sie Frauen nicht einmal dann als Subjekte Ernst nehmen, wenn diese ihren Aggressionen entsprechend begegnen – ihre Worte und Taten zählen nur dann, wenn sie unter Schutzherrschaft männlicher Begleiter stehen. Solche Äußerungen wiederholten sich auch bei späteren Auseinandersetzungen.
Zwei Monate später erschien eine Erklärung[1] aus dem Umfeld des Autonomen Zentrums Mülheim/Ruhr als Reaktion auf einen Vorfall während eines Diskoabends am 02.11.07. Mitglieder der “Roten Antifa” hatten auf dem Weg zum AZ nationalistische und unverholen antisemitische Parolen (u.A. “Tod für Israel”) gebrüllt. In der Folge wurde den Personen, unter Anderem deswegen, der Zutritt zum AZ verwehrt. In der Auseinandersetzung wurde eine Mitarbeiterin des AZs als “Schlampe” beschimpft. In einer wenige Tage später eingereichten Erklärung distanzierte sich die Gruppe zwar von der sexistischen Beleidigung, in dem Sinne, dass im Eifer des Gefechts so etwas wohl jedem passieren könne, und der geäußerten Gewaltandrohungen, ließ aber die antisemitischen Parolen völlig unkommentiert. Das Plenum des Autonomen Zentrums reagierte auf die unzufrieden stellenden Äußerungen mit einem Hausverbot.
Das Wuppertaler AZ, das in diesem Zeitraum ebenfalls Anlaufpunkt für die Gruppe geworden war, wurde unterdessen regelmäßig mit verschiedenen Schmierereien versehen – durchgestrichene Davidsterne, “Boykott Israel”, “Intifada bis zum Tod” und eine mit Davidstern versehene Nazi-Fahne gehörten zu den herausstechendsten Wandgestaltungen der Duisburger Antifas. Auch gegenüber dem AZ Wuppertal gab es in Folge der Zutrittsverweigerung in Mülheim halbherzige Besserungsversprechen der “Roten Antifa”, die allerdings zu keiner Zeit ernsthaft eingehalten wurden: In Bündnisgesprächen anlässlich eines Nazi-Aufmarsches in Essen (08.12.07) gaben Mitglieder der “Roten Antifa” zu verstehen, wie wenig ihren “antisexistischen” Distanzierungen zu glauben ist. Sie kündigten mehrfach an, den Nazis dadurch beizukommen, sie “in den Arsch [zu] ficken”. Auch in den folgenden Monaten blieb die von ihnen angekündigte positive Entwicklung der “Roten Antifa” vollständig aus. Sie versäumte es nicht nur, eine Kehrtwende in Bezug auf ihre sexistischen und homophoben Tendenzen einzuleiten, sie radikalisierte ihr politisches Programm sogar und beantwortete linke Konfliktfragen nun auch auf Demonstrationen entsprechend ihren bisherigen Äußerungen. Noch während der sog. “Antikap”-Demonstration vom 09.02.08 in Essen kam es wieder zu verbalen Angriffen auf anwesende Antifas. Anlass war hier eine von anwesenden Antifas mitgeführte Israelflagge, die die “Rote Antifa” zu massiven Gewaltandrohungen motivierte.
Ende 2008 – Verschärfung der politischen Programmatik
Es ist durchaus nicht davon auszugehen, dass die Duisburger_innen zu diesem oder einem späteren Zeitpunkt “lediglich” eine “antinationale” Perspektive verschärften. Die Gruppe unterhielt seit ihrer Gründung Kontakte zum pro-nationalistischen Duisburger “Initiativ e.V.”. Ende des Jahres 2008 unterschrieb sie auch einen Aufruf[2] der religiös-nationalistischen Initiative “Stoppt die Hetze”, auf deren Demonstrationen Männer und Frauen in separierten Blöcken laufen müssen und regelmäßig Unmengen von Nationalfahnen getragen werden. Die verbalen und körperlichen Angriffe auf israelische und jüdische Symbole galten also von Beginn an ihrem jüdisch-israelischen und nicht – nicht einmal dem Anspruch nach – ihrem religiös-nationalen Charakter.
Ab Januar 2009 mehrten sich darüber hinaus eigenständige Verlautbarungen. So veröffentlichte die Gruppe einen Aufruf zu einem “Antifa-Block” auf einer der zahlreichen nordrheinwestfälischen Demonstrationen gegen den israelisch-palästinensischen Krieg: In einem eigens formulierten Flyer[3] (“Stoppt das imperialistische Massaker in Gaza! Solidarität mit Palästina!”) erklärte sie die israelischen Behörden zum Alleinschuldigen der Entwicklungen. In den gesamten Ausführungen fanden Konfliktvertreter wie die Hamas oder andere Staaten der Region, die im Konflikt involviert waren, keinerlei Erwähnung. Auch hier ging es also nicht um eine grundsätzliche Ablehnung militärischer Konfliktlösungen. Tatsächlich demonstrierten die Duisburger_innen dann auch unter den nationalistischen und religiös-fundamentalistischen Sprechchören und Symbolen, die seinerzeit auf den Demonstrationen präsent waren, u.a. auch mit einer mitgeführten Flagge des Baskenlandes. Ausgehend von einer solchen Demonstration kam es dann auch zu einem weiteren Übergriff. Antifaschistische Jugendliche, die eine Düsseldorfer Großdemonstration am 03.01.09 beobachtet hatten, gerieten nach kurzer Zeit ins Visier einiger Duisburger Demonstrationsteilnehmer_innen. Ein Mitglied der “Roten Antifa” nahm einen durch die Beobachter_innen verklebten Aufkleber (“Deutschland stinkt!”) zum Anlass für eine Auseinandersetzung. Er fuhr die Antifas an, sie sollten gefälligst den “‘Gegen Deutschland’-Scheiß” von der Demonstration fernhalten. Auch hier waren die “antisexistischen” Distanzierungsversuche – ein Jahr nach den ersten Auseinandersetzungen – schon wieder vergessen. Eine am Wortgefecht beteiligte Antifaschistin wurde von dem Duisburger als “antideutsche Fotze” beleidigt. Als das Mitglied der “Roten Antifa” versuchte, den Aufkleber zu entfernen, kam es zum Handgemenge. Die angesprochene Genossin wurde dabei als Erste angriffen.
Die aktuelle Entwicklung
Im Rahmen der ersten Demonstration gegen den Essener Thor Steinar-Laden “Oseberg” (06.04.09) wurde erneut eine Antifaschistin aus dem Block der “Roten Antifa” angegriffen. Sie verteilte Flyer an umstehende Passant_innen, als sich ein Demonstrant aus dem Block löste um zielstrebig auf die Verteilerin loszugehen. Während diese noch nicht einmal realisiert hatte, was passiert, hatte sie der Demonstrant geschubst, unmittelbar danach einen an der Jacke befestigten Israelbutton abgerissen und diesen zu Boden geworfen. Da bereits zu diesem Zeitpunkt nationalistische Accessoires – vom sog. “Pali-Tuch” bis hin zu Buttons mit palästinensischer Flagge – zum Grundrepertoire der Duisburger_innen gehörten, muss davon ausgegangen werden, dass es auch hier um Israel und nicht um Nationalsymbole im Allgemeinen ging.
Eine weitere für den 06.06.09 organisierte Demonstration – wiederum gegen den Nazi-Laden “Oseberg” – wurde zu guter Letzt von Mitgliedern der Gruppe und ihrem politischen Umfeld gewalttätig an sich gerissen. Wie schon beim ersten Angriff rund um den “Oseberg”, wurden auch hier provozierende Nazis am Rande stehen gelassen; Flaggen verfassungsnationalistischer Parteien, wie die der “Grünen Jugend”, wurden ignoriert oder sogar beklatscht. Als störend und “provokativ” wurden wieder einmal ausschließlich zwei am Ende der Demonstration getragene Israelflaggen empfunden. Etwa vierzig bis fünfzig Demonstrant_innen drängten die letzten verbliebenen organisierten Antifas unter Wortführung einiger Mitglieder der “Roten Antifa” und der “Revolutionären Jugend” vom Demonstrationszug ab. Hier war erstmalig ein breites Unterstützer_innenspektrum der “Roten Antifa” bemerkbar. Neben den Einzelmitgliedern war es vorallem die “TKIB”, die die Aktion dominierte.[4] Darüber hinaus waren auch Einzelpersonen der “Antifaschistischen Jugend Bochum” (AJB) bzw. aus deren Umfeld beteiligt. Begleitet wurde die im Nachhinein als “antinational” bemäntelte Aktion von Parolen wie “Viva, viva, viva Palästina” und “Intifada bis zum Tod”.
Die “Rote Antifa” – eine Bilanz
Die Aktionen der “Roten Antifa” sind unserer Einschätzung nach nicht mehr legitimer Teil einer innerlinken Diskussion. Seit ihrer Gründung vertritt die Gruppe offensiv Inhalte, die im undogmatisch-linksradikalen Spektrum aus guten Gründen abgelehnt werden. Ihre Zusammenarbeit mit autoritären und nationalistischen Gruppen macht zudem deutlich, dass diese Inhalte konkrete Konsequenzen für die lokalen Antifa-Strukturen haben sollten. Ihre wiederholten sexistischen und antisemitischen Äußerungen und ihre zunehmenden Übergriffe auf Antifaschist_innen lassen erkennen, dass sie nicht bereit ist, ihre politische Basis kritisch zu reflektieren. In den letzten Monaten ist es immer wieder zu Kritik gegen das Vorgehen der “Roten Antifa” gekommen. Trotzdem hat sie bislang verweigert, diese Kritik umzusetzen. Im Gegenteil, so lange Konsequenzen ausbleiben, steigert sie ihr provokatives Verhalten. Keiner der genannten Vorfälle lässt sich auf die bisherigen Auseinandersetzungen zwischen traditions- und postantifaschistischen, zwischen kommunistischen und anarchistischen Strömungen reduzieren. Im Ruhrgebiet tritt eine Gruppe in Erscheinung, die die Zusammenarbeit mit Nationalist_innen, religiösen Fundamentalist_innen und Antisemit_innen hoffähig machen möchte – diese Entwicklung gilt es endlich aufzuhalten!
Wir können nur alle Gruppen, autonome Initiativen und linke Zentren dazu auffordern, sich in aller Deutlichkeit von dieser Gruppe zu distanzieren und endgültig die Unterstützung für die “Rote Antifa” aufzukündigen. Solange Antifaschist_innen in ihrer Anwesenheit um ihre körperliche und psychische Unversehrtheit bangen müssen, haben sie in emanzipatorischen Zusammenhängen nichts zu suchen! In diesem Sinne fordern wir von den antifaschistischen Strukturen auch keine Stellungnahme zu linken Diskursen und keine politische Positionierung im Zusammenhang jahrelang bestehender Konflikte. Wir fordern von Antifaschist_innen lediglich eine Abkehr von nationalistischen, sexistischen und antisemitischen Gruppen und Einzelpersonen.
Quellen:
[1] http://projekte.free.de/a2k2/mainpage.php?cat=archiv&id=789
[2] http://www.stoppt-die-hetze.de/
[3] http://www.rote-antifa.org/index.php?option=com_phocadownload&view=category&id=4:aufrufe&Itemid=64
[4] Die Beteiligung der verschiedenen Gruppen ist in diesem Fall auch auf der Internetseite der “Revolutionären Jugend” dokumentiert: http://revolutionaerejugend.de/de/?p=158
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