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Im Gedenken an die Opfer des antisemitischen Angriffs am gestrigen Jom Kippur-Tag.
In Solidarität mit der Jüdischen Gemeinde Halle.Gegen jeden Antisemitismus!
Würde es mit rechten Dingen zugehen, wäre bei jeder Diskussion über den Konflikt Israels mit seinen arabischen Nachbarn stets auch von der Flucht und Vertreibung nahezu aller Jüdinnen*Juden aus der arabischen Welt die Rede, die außerhalb Israels kaum im Bewusstsein ist. Die gerade auf Deutsch erschienene Studie des französischen Historikers Georges Bensoussan über „Die Juden der arabischen Welt“ ruft die Flucht von etwa 900.000 Jüdinnen*Juden aus den arabischen Ländern in Erinnerung und zeigt, dass die Radikalisierung der arabisch-islamischen Judenfeindschaft vor der israelischen Staatsgründung einsetzte und in vielen Aspekten eine Reaktion auf die partielle Autoemanzipation der Jüdinnen*Juden in den arabischen Gesellschaften war.
Der Vortrag wird die Situation der Jüdinnen*Juden in den arabischen Gesellschaften skizzieren, die Bedeutung der arabisch-jüdischen Geflüchteten für Israel thematisieren und der Frage nachgehen, warum ihr Schicksal bisher kaum thematisiert wurde.
Dr. Stephan Grigat ist Lehrbeauftragter an der Uni Wien, Permanent Fellow am Moses Mendelssohn Zentrum der Universität Potsdam und Research Fellow am Herzl Institute for the Study of Zionism and History der Universität Haifa. Er ist Autor von „Die Einsamkeit Israels“ und Herausgeber von „AfD & FPÖ“ sowie „Iran – Israel – Deutschland“. Zuletzt hat er die Einleitung zu Georges Bensoussans Buch „Die Juden der arabischen Welt“ geschrieben, das soeben bei Hentrich & Hentrich erschienen ist.
Diese Veranstaltung ist eine Kooperation mit der Projektstelle Antisemitismusbekämpfung im AStA der Universität Münster.
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Im Auftrag des exilierten Instituts für Sozialforschung verfasste Franz Neumann mit Behemoth Anfang der 1940er Jahre in den USA eine der bis dahin umfangreichsten und kenntnisreichsten Studien der nationalsozialistischen Herrschaft. In seiner Pionierarbeit analysierte er (ähnlich wie sein Freund und Anwaltskollege Ernst Fraenkel in Doppelstaat) gleichermaßen die theoretischen Schriften von Carl Schmitt – dem „Kronjuristen des Reiches“ – als auch die Herrschaftspraxis des nationalsozialistischen Regimes anhand dessen Gesetzen, Prozessen und Erlassen. Die Negation eines allgemein gültigen Rechts zugunsten einer exklusiven Ordnung der Volksgemeinschaft und der Herrschaft von rackets (Banden) beschrieb er als einen zentralen Aspekt der autoritären Krisenlösung des Nationalsozialismus.
In den USA erfuhr das Buch große Beachtung und verschaffte Neumann ein Engagement beim amerikanischen Geheimdienst, für den er wie sein Institutskollege Herbert Marcuse „Feindanalysen“ über den deutschen Nationalsozialismus erstellte. Obwohl Behemoth international rasch als Klassiker der Forschung zum Nationalsozialismus galt, dauerte es in Deutschland bis in die 1970er Jahre, bis Neumanns Werk erstmals in deutscher Sprache veröffentlicht wurde. Aufgrund andauernder Kontinuitäten von Antisemitismus und Antimarxismus bekam Neumann als jüdischer Autor mit Sympathie für die marxsche Ökonomiekritik jedoch im postnazistischen Deutschland nie die Aufmerksamkeit und Anerkennung wie in der englischsprachigen Diskussion.
Mit dem Seminar soll ein Überblick über die zentralen Thesen von Neumanns Studie gegeben und diese mit zeitgenössischen linken Faschismusinterpretationen verglichen werden. Dabei werden besonders Parallelen und Differenzen zu Ernst Fraenkels Doppelstaat und Friedrich Pollocks Interpretation des Nationalsozialismus als neuer Ordnung eines autoritären Staatskapitalismus behandelt. Des weiteren soll diskutiert werden, inwiefern Neumanns Analysen auch einen Beitrag für ein besseres Verständnis aktueller autoritärer Tendenzen liefern können. Es werden gemeinsam Textausschnitte gelesen und diskutiert.
Moritz Zeiler hat Geschichte und Politikwissenschaften studiert. Veröffentlichungen: Materialistische Staatskritik. Eine Einführung (Stuttgart 2017) und – zusammen mit der bremer Initiative associazione delle talpe – Mitherausgabe von Staatsfragen. Einführungen in materialistische Staatskritik (Berlin 2009) sowie Maulwurfsarbeit I-IV (Berlin/Bremen 2010-2018).
[ Eine Anmeldung unter [email protected] ist aus organisatorischen Gründen erwünscht, aber nicht zwingend erforderlich. Nach der Anmeldung werden die Textgrundlagen, der Ablaufplan usw. zugesandt. Die Teilnahme ist selbstverständlich kostenlos. ]
Diese Veranstaltung ist eine Kooperation mit dem AK Kritische Theorie und findet statt mit freundlicher Unterstützung durch den AStA der Universität Münster.
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Am Donnerstagabend findet der für dieses Semester vorletzte Termin der immer sehr empfehlenswerten „Veranstaltungen zur Ideologiekritik“ statt. In einem Vortrag wird Christine Zunke der Frage nachgehen, ob es sich bei der in nahezu allen Disziplinen angestrebten ‘wissenschaftlichen Objektivität’ um ein ideologisches Projekt handelt.
Während der Veranstaltung stehen wir hinter der Theke und laden nach der Diskussion zu einem Kneipenabend in netter Gesellschaft.
Vortrag und Diskussion mit Dr. Christine Zunke
In seinen von 1830 bis 1842 geschriebenen Arbeiten zur Positiven Philosophie forderte Auguste Comte, dass die Wissenschaft von den Fragen nach dem Wesen der Dinge ablassen und sich endlich den Tatsachen zuwenden solle. Das Positive, das tatsächlich Vorhandene und Messbare möglichst ohne subjektive Verzerrungen darzustellen wurde ab der Mitte des 19. Jahrhunderts zum neuen Ideal der Naturwissenschaften. Hiermit fand eine erkenntnistheoretische Wende statt – weg von der ‘Naturwahrheit’ und hin zur empirischen ‘Objektivität’. Dieser Wechsel von der Suche nach dem Wesentlichen zur Darstellung objektiver Tatsachen veränderte den Charakter der modernen Wissenschaften grundsätzlich.
In ihrem 2007 erschienenen Werk Objektivität zeigten Lorraine Daston und Peter Galison, dass sich hiermit zugleich der ideale Typus des Wissenschaftlers radikal veränderte. Während Goethe noch den Geist des Genies als unhintergehbare Bedingung jeder wissenschaftlichen Erkenntnis pries, schrieb Darwin in seiner Autobiographie, dass „nicht schnelle Auffassungsgabe oder geistige Beweglichkeit“, sondern „die Beobachtung und Sammlung von Tatsachen […] mit allem nur erdenklichen Fleiß“ das Erfolgsgeheimnis seiner Forschungen sei. Spekulative Einbildungskraft und geniales Interpretationsvermögen standen als subjektive Erkenntnisformen einer objektiven Betrachtung des Gegenstandes zunehmend im Weg und mussten durch besondere Praktiken der Selbstdisziplinierung unterdrückt werden. Während die industrielle Revolution die Menschen daran gewöhnte, im Takt der produzierenden Maschinerie zu arbeiten, wurden Selbstbeherrschung, Fleiß und gewissenhaftes Protokollieren aller Arbeitsvorgänge auch zu epistemischen Tugenden der Forschung. Eine neue Form des wissenschaftlichen Sehens fand ihr Ideal in photographischen Abbildungsverfahren, in denen die Kamera – im Gegensatz zum subjektiven Blick – all jene Tugenden verkörperte, nach denen die Naturforscher und ihre IllustratorInnen strebten.
Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts dauerte es, bis Comtes zentrale Forderung, auch die Sozialwissenschaften sollten sich an den positiven Methoden der Naturwissenschaften orientieren, weitgehend durchgesetzt war. Nun entwickelte sich eine Kritik an der radikalen Trennung von erkennendem Subjekt und erkannter Objektivität, die jedoch kaum bis auf die Naturwissenschaften zurückwirkte. Die Kritische Theorie diagnostizierte Anfang der 60er Jahre im Rahmen des sogenannten Positivismusstreites das Ideal der wissenschaftlichen Objektivität, die sich von allem Einfluss des erkennenden Subjektes möglichst frei halten soll, als eine spezifisch kapitalistische Form der Entfremdung: Wie die ArbeiterInnen von ihren Produkten, so seien die WissenschaftlerInnen von ihren Objekten abgeschnitten.
Dr. Christine Zunke lehrt am Institut für Philosophie der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg und arbeitet derzeit an ihrer Habilitation über den Lebensbegriff in der Biologie.
Donnerstag, 14.02.2019, 19:00 Uhr (s.t.)
Baracke // Scharnhorststr. 100 (zw. IfPol u. Aasee) // 48151 Münster
Eine Veranstaltung der AStA-Projektstelle Ideologiekritik.
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In den 1970er Jahren forderten Feministinnen die Befreiung der ‚Hausfrau‘, welche die unbezahlte Hausarbeit „aus Liebe“ leistet. Mit ihren Publikationen und Aktionen zeigten sie dabei auf, dass eine emanzipatorische Kapitalismuskritik nicht ohne den Blick auf die gesellschaftliche, geschlechtliche und internationale Arbeitsteilung auskommt. Auch heute muss eine radikale Kritik am Bestehenden sowohl die Erwerbs- als auch die Familienarbeit in ihren Verhältnissen und ihrer Verwobenheit erfassen – und die spätestens seit der Hausarbeitsdebatte unausweichlichen Fragen nach den Zusammenhängen von Kapitalismus und Patriarchat sowie der Produktion der Lebensmittel (Warenproduktion) mit der Produktion des Lebens („Reproduktion“) stellen.
Historisch betrachtet gibt es schlagfertige materialistisch-feministische Theorien, die diesen Anspruch verfolgen. Einige dieser Ansätze zu erläutern und zu klären, wie und was all das mit Liebe zu tun hat, wird Gegenstand des Vortrags sein.
Katharina Volk lebt derzeit in der Nähe von Kiel und arbeitet bei der IG Metall im Bezirk Küste. Im Juni 2018 erschien ihre Dissertation unter dem Titel „Von der Gesellschaftsanalyse zur Utopie. Ein historischer Rückblick auf materialistisch-feministische Theorien“ im Verlag Westfälisches Dampfboot.
Der Vortrag findet im Rahmen des Salon Féministe statt und ist eine Kooperation der Gruppe et2c mit dem Autonomen Frauen*referat.
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Materialistische Kritiker*innen kommen bei ihren Ermittlungen gegen die Gesellschaft, in der wir leben, zu dem Resultat: Der Staat muss weg. Doch was ist dran an dieser Feststellung und den Analysen, die zu ihr führen? Was ist der Staat überhaupt und (wie) werden wir ihn jemals los?
Diese und weitere Fragen sollen im Verlauf dieses Lesekreises diskutiert werden. Die Organisierenden▾ verstehen ihn in mehrfacher Hinsicht als offen: Es wird kein Vorwissen vorausgesetzt, die Auswahl der Lektüre ist nicht strikt festgelegt und teilnehmen können alle, die sich für das Thema interessieren. Vorläufig haben wir angedacht, Auszüge aus Marxschen Texten, in denen der Staat thematisiert wird, Kapitel aus Eugen Paschukanis Allgemeine Rechtslehre und Marxismus, Johannes Agnolis Schrift Der Staat des Kapitals sowie Joachim Bruhns Abschaffung des Staates zu lesen. Die Textgrundlagen können als PDF und/oder Ausdruck zur Verfügung gestellt werden – auch wenn sie nicht alle sofort leicht verständlich sind, wollen wir sie uns durch gemeinsames Lesen und Diskutieren erschließen.
▴Der Lesekreis ist eine Kooperation der Gruppe et2c mit dem AK Kritische Theorie und findet ab dem 16.04.2018 immer montags um 20 Uhr im Plenarraum des AStAs der Universität statt. Eventuelle Zeit- oder Ortsänderungen werden über einen Mailverteiler und den Blog des AKKT bekannt gegeben.
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Als ausgesprochen junger Partei ist es für die „Alternative für Deutschland“ von zentraler Bedeutung, mit der „Freiheitlichen Partei Österreichs“ einen Verbündeten zu haben, der auf jahrzehntelange Erfahrung im politischen Geschäft zurückblicken kann. Auf Grund der sowohl zu Zeiten Jörg Haiders als auch unter dem heutigen Vorsitzenden Heinz-Christian Strache gesammelten Erfahrungen, wie ein Wähler*innenklientel über den harten Kern von überzeugten Rechtsradikalen hinaus angesprochen werden kann, ist die FPÖ für die AfD ein bevorzugter Partner. Für die FPÖ wiederum bietet sich erstmals die Gelegenheit, dass sich dauerhaft eine erfolgreiche Schwesterpartei in Deutschland etabliert, die zwar rechts von den Unionsparteien agiert, aber anders als etwa die NPD auch auf Bundesebene breitere Wähler*innenschichten anspricht und nicht permanent von einem Verbot bedroht ist.
Im soeben erschienenen Band „AfD & FPÖ“ wird die Politik und Ideologie der beiden Parteien vor dem Hintergrund der Asyl-, Flüchtlings- und Islamdebatte in den Nachfolgestaaten des Nationalsozialismus analysiert. Die vergangenheitspolitischen Diskussionen über den Umgang mit dem NS in den beiden Parteien werden ebenso beleuchtet wie die Positionierungen zum Antisemitismus, zu Israel und zur muslimischen Einwanderung. Die Beiträge thematisieren die völkischen, aggressiv-nationalistischen Positionierungen von AfD und FPÖ, die von beiden Parteien proklamierten Geschlechterbilder und Gesellschaftsvorstellungen, die Rolle von studentischen Burschenschaften und die Entwicklungen in einzelnen Landesverbänden vor dem Hintergrund des Erstarkens islamistischer Bewegungen.
Dr. Stephan Grigat ist Lehrbeauftragter an der Universität Wien. 2016/17 war er Gastprofessor am Moses Mendelssohn Zentrum der Universität Potsdam, 2015/16 Gastprofessor für kritische Gesellschaftstheorie an der Universität Gießen. Er ist der Herausgeber von „AfD & FPÖ. Antisemitismus, völkischer Nationalismus und Geschlechterbilder“ (Nomos/Facultas 2017), der Beiträge von Julius H. Schoeps, Samuel Salzborn, Marc Grimm/Bodo Kahmann, Juliane Lang, Christoph Kopke/Alexander Lorenz, Heribert Schiedel, Bernhard Weidinger, Karin Stögner, Gerhard Scheit und Franziska Krah enthält.
Diese Veranstaltung findet statt mit freundlicher Unterstützung durch:
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Jacques Lacan hat mit seiner These eines Wandels in den Über-Ich-Strukturen, wie er sie in seinen Seminaren Ende der 1960er formulierte, einen wichtigen Beitrag zu einer Gegenwartsdiagnose spätkapitalistischer Gesellschaften geleistet. Unter dem Stichwort “postödipale Subjektivierung” werden seine Thesen heute von der Schule von Ljubljana weitergeführt, um die Fallstricke jener Liberalisierung, welche die Proteste der 68er Generation maßgeblich mit angestoßen haben, zu verstehen.
Vor diesem Hintergrund geht der Vortrag der Frage nach, ob dem Auftauchen multipler geschlechtlicher Positionen, wie sie heute im Zuge des cultural turn als Unterwanderung der traditionellen Geschlechterordnung hochgehalten werden, tatsächlich ein subversives Potential zukommt, oder ob diese nicht vielmehr Ausdruck einer neuartigen “Biopolitik des Genießens” sind, die, weit davon entfernt, befreite Subjekt hervorzubringen, diese einer neuartigen Form von Herrschaft unterwerfen.
Tove Soiland studierte Geschichte, Philosophie und Germanistik in Zürich. Sie hat derzeit die Klara-Marie-Faßbinder-Gastprofessur in Ludwigshafen inne und ist Lehrbeauftragte an verschiedenen Universitäten.
2008 promovierte sie an der Universität Zürich zu »Luce Irigarays Denken der sexuellen Differenz. Eine dritte Position im Streit zwischen Lacan und den Historisten«. 2009 schrieb sie für das Stadttheater Bern die szenische Lesung »Nehmen Sie Ihr Gender selbst in die Hand, Madam!«. 2003 initiierte sie den »Gender-Streit«, eine Kontroverse um die theoretischen Grundlagen des Gender-Begriffs. Für das Historisch-kritische Wörterbuch des Marximus (8/I) verfasste sie 2013 den Eintrag »Lacanismus«.
Der Vortrag findet im Rahmen des Salon Féministe statt und ist eine Kooperation der Gruppe et2c mit dem Autonomen Frauen*referat.
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Hingewiesen sei an dieser Stelle auch auf einen Vortrag von Hans-Ulrich Thamer am darauffolgenden Tag, in dem er auf Einladung der jüdischen Hochschulgruppe Hillel um 18 Uhr über die “Ausgrenzung und Verfolgung jüdischer Bürger in der Stadt und an der Universität Münster 1933-1938” referieren wird. (Der Veranstaltungsort wird nach Anmeldung mitgeteilt.)
Indes wollen in Jena Neonazis unter dem Label “ThüGIDA” einen Fackelmarsch durchführen, antifaschistische Gegenaktionen sind angekündigt. Auch in Freising müssen Antifaschist*innen aktiv werden, um eine Kundgebung der NPD zu verhindern. Dass beides in deutsche Normalität nur sich einreiht, verdeutlicht in diesem Jahr erneut der Aufruf zur Gedenkdemonstration in Berlin-Moabit.
]]>Die Mutmaßungen über den Massenmörder, der am 12. Juni 2016 im Pulse-Club im Alleingang einen Pogrom exekutierte, sowie die Art und Weise, in der die »queer community« den 49 Ermordeten gedenkt, haben eines gemeinsam: das Schweigen über den islamistischen Hintergrund der Tat. Dem Mörder wird zugeschrieben, er sei »homophob« aus der Verdrängung der eigenen Homosexualität gewesen; die Ermordeten werden zu Opfern zu lascher Waffengesetze in den USA. Entsprechend wendet sich die Community gleichermaßen gegen »Islamophobie und Homophobie« und protestiert in vorauseilender Empörung gegen die Stigmatisierung von Muslimen.
Die Möglichkeit aber, dass dieser Massenmord an Menschen, die in einem schwulenfreundlichen Club feierten, selbst mit strengsten Waffengesetzen stattgefunden hätte, weil der Täter Schwule und Lesben treffen wollte, weil er deren Freiheit gehasst und weil er im Namen des Islams gehandelt hat, kann nicht in Betracht gezogen werden. Denn das würde bedeuten, dass sich die Opfer von Orlando in nichts von denen im Bataclan in Paris, von denen in Bagdad oder Istanbul oder Tel Aviv unterscheiden und dass deren Gemeinsamkeit wiederum – leider – nur im Bewusstsein der Mörder existiert: Sie stehen für den Westen, die Dekadenz, die Musik-Fans, die Alkoholtrinker, die emanzipierten Frauen, die Juden, die Homosexuellen, die Transsexuellen.
In diese Gemeinsamkeit, wie sie von den Islamisten von Dhaka bis Orlando hergestellt wird, möchte sich die »queer community« nicht einreihen, im Gegenteil: Israel und der Westen sind ihr verdächtig, weil sie den Homo- und Transsexuellen Rechte gewährt, die unterdessen fast als selbstverständlich wahrgenommen werden. Sich zu diesen Rechten zu bekennen und für sie einzustehen, würde bedeuten: einzugestehen, dass das tatsächliche »Pinkwashing« – die Freundlicherwerdung des Westens durch die unbewusste Integration der Homoerotik in der kommerziellen Kulturindustrie, Mode, Popmusik, deren institutioneller Ausdruck die neuen Homorechte sind – erfolgreich war und die Homosexuellen dafür von den Feinden dieser Freundlichkeit zum Symbol erhoben werden – so wie die Juden für die Wohltaten der »Verjudung« verantwortlich gemacht werden. Die Reaktion dieser »community« auf den Massenmord von Orlando ist daher ein Aspekt kulturalistischer Unterwerfung.
Tjark Kunstreich lebt als Publizist und Sozialarbeiter in Wien. Sein Buch „Dialektik der Abweichung. Über das Unbehagen in der homosexuellen Emanzipation“ erschien 2015 in der Reihe konkret-texte.
Diese Veranstaltung findet statt in Kooperation mit:
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