Fluchthilfe – Free Schubi https://freeschubi.blackblogs.org Wed, 04 May 2016 16:46:20 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 https://freeschubi.blackblogs.org/wp-content/uploads/sites/777/2019/01/cropped-cropped-hangarheader-1-32x32.jpg Fluchthilfe – Free Schubi https://freeschubi.blackblogs.org 32 32 „Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet“* https://freeschubi.blackblogs.org/2016/05/04/richtet-nicht-auf-das-ihr-nicht-gerichtet-werdet/ https://freeschubi.blackblogs.org/2016/05/04/richtet-nicht-auf-das-ihr-nicht-gerichtet-werdet/#respond Wed, 04 May 2016 16:46:20 +0000 http://freeschubi.blogsport.eu/?p=317 Continue reading ]]>

Nach 30 langen Verhandlungstagen ging am 2. Mai der Prozess gegen Schubi am Landgericht Rostock zu Ende. Die Kammer verurteilte ihn zu einer Haftstrafe von 4 Jahren und 5 Monaten.

Die Urteilsbegründung

In der etwa einstündigen Verlesung der Urteilsbegründung richtete der Vorsitzende Richter eine längere Eingangsrede an den Angeklagten und das Publikum. Die ca. 100 Besucher_innen reagierten darauf wiederholt mit Zwischenrufen. In seiner Ansprache avancierte der Richter zu einem wahren „Extremismus“-Kenner. Gewalt gegen öffentliche Bedienstete sei nicht hinnehmbar, so der Richter. Er begründete dies damit, dass „Angriffe auf Polizeibeamte oder auch zum Beispiel auf Feuerwehrleute die brennende Asylbewerberheime beschützen, … nicht zu tolerieren“ seien. Und mit Angriffen auf Asylunterkünfte kennt er sich aus: Er war es, der die beiden Neonazis Thomas Hocke und Florian Hillner Anfang des Jahres wegen versuchten Mordes und schwerer Brandstiftung zu einer minimalen Haftstrafe von 5 Jahren verurteilt hatte, nachdem sie im Oktober 2014 versucht hatten, eine bewohnte Unterkunft in Groß Lüsewitz (Landkreis Rostock) mit Molotow-Cocktails in Brand zu setzen. Für den Richter sind rechte und linke „Hetzer“ gleich.

Er unterstellte Schubi Hass gegen Polizei und Staat, den dieser bei Fußballspielen ausgelebt habe. Dies begründete er mit dessen antifaschistischer Haltung und Funden aus Schubis Wohnung, wie etwa linken Plakaten. Obwohl es mit der Anklage nichts zu tun hatte, warf das Gericht Schubi erneut vor, Fluchthilfe unterstützt zu haben. Auf eine entsprechende Anweisung der Polizei hätte er in seiner Tätigkeit als Schiffsoffizier entgegnet, dass er sich nicht an Abschiebungen beteilige – ein wahrer Staatsfeind eben, so soll man die Thematisierung dieser Episode in Prozess und Urteilsverkündung wohl interpretieren. Vom Publikum erhielt Schubi dafür langen Applaus, das Gericht hatte jedoch nur Missbilligung für ihn übrig.

Ein Steinwurf auf den Nebenkläger, der dabei leicht verletzt wurde, wurde mit einer Einzelstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten bestraft. Die harte Strafe, die sogar noch sechs Monate über der Forderung der Staatsanwaltschaft liegt, wurde unter anderem mit der Geschwindigkeit begründet, die der Stein beim Aufprall gehabt haben soll. Empörte Zwischenrufe wiesen darauf hin, dass vor 6 Jahren am gleichen Landgericht ein Neonazi einen Feuerlöscher von einer Empore aus mehreren Metern Höhe auf Antifaschist_innen geworfen hatte (die, nebenbei bemerkt, keine Körperschutzausrüstung angelegt hatten). Damals wurde der sogenannte Pölchow-Prozess vor Gericht verhandelt. Der Neonazi, der damals den Feuerlöscher geworfen hatte, war straffrei davon gekommen. Der Vorsitzende Richter in Schubis Verfahren wiegelte den wütenden Einwurf des Prozessbeobachters damit ab, dass er sich um diesen Vorfall später kümmern werde.

Die Polizist_innen, die auf richterliche Anordnung seit dem achten Verhandlungstag im Juli letzten Jahres im Gerichtssaal verweilen um die richterliche Hoheit im Saal durchsetzen zu können, beobachteten das Publikum derweil. Eine Polizistin versuchte mehrfach Personen während der Verhandlung abzufilmen, versteckte die Kamera jedoch, wenn sie dabei beobachtet wurde. Bereits im Juli hatten Prozessbeobachter_innen bemerkt, dass Polizist_innen im Gerichtssaal Filmaufnahmen gemacht hatten, was damals durch die Verteidigung beanstandet wurde.

Auch die Verteidigung griff der Vorsitzende Richter an, indem er dieser vorwarf, die Kammer mit „dumpfen Populismus“ bewusst diskreditiert zu haben. Insbesondere die Einschätzung der Verteidigung in ihren Plädoyers, dass an Schubi aus politischer Überzeugung ein Exempel statuiert werden solle, schien dem Vorsitzenden nicht gefallen zu haben.

Das Urteil

Wegen versuchter und vollendeter gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Sachbeschädigung und Verstößen gegen das Vermummungsverbot wurde Schubi zu einer Haftstrafe von 4 Jahren und 5 Monaten verurteilt. Weiterhin muss er 300 Euro (!) Schmerzensgeld an den Nebenkläger, einen Polizisten der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) zahlen, der von einem Steintreffer eine Rippenprellung davon getragen hatte. Die Kammer hatte „keinen Zweifel“, dass Schubi, trotz der schwachen Beweislage, der Täter sei, der beim Spiel des FC Hansa Rostock gegen Dynamo Dresden im November 2014, Steine auf Polizeibeamte geworfen hatte. Für die Tatvorwürfe vom Spiel des FC Hansa Rostock gegen RB Leipzig wurde er hingegen freigesprochen, weil ihm keine Würfe nachgewiesen werden konnten.

Bei beiden Spielen bestanden die Beweismittel vor allem aus Videomaterial der Polizei, das überhaupt nur schleppend in das Verfahren eingeführt wurde. Der Unterschied, warum die Kammer die Beweislage beim Spiel gegen Dynamo Dresden anders bewertet, ist der ehemalige Mithäftling und Zeuge Thomas C.. Im Sommer 2015 hatte er sich an den Verfassungsschutz MV gewandt und „Bericht erstattet“. Er behauptete, Schubi habe die Vorwürfe vom Spiel gegen Dresden ihm gegenüber zugegeben. Außerdem versprach C. „Erkenntnisse“ über die linke Szene in Rostock. Der von einer Sachverständigen vor Gericht als „pathologischer Lügner“ klassifizierte C. avancanierte damit zum Hauptbelastungszeugen, dessen Glaubwürdigkeit für die Kammer durch nichts, aber auch rein gar nichts zu erschüttern war.

Die Gesamtstrafe von 4 Jahren und 5 Monaten liegt nur oberflächlich betrachtet unter den von der Staatsanwaltschaft geforderten 4 Jahren und 9 Monaten. Deren Forderung bezog sich auf alle fünf Anklagepunkte, verurteilt wurde Schubi nun nur wegen drei Anklagepunkten. Damit ist das Gericht bei der Strafzumessung im Grunde über das von der Anklage geforderte Strafmaß deutlich hinaus gegangen. Schubis Verteidigung hatte einen Freispruch sowie Entschädigung für die U-Haft gefordert und kündigte an, Revision gegen das Urteil einzulegen.

*Fußnote: Matthäus 7:1 – Eines der bei Schubi gefundenen und in der Urteilsverkündung thematisierten Plakate zeigt ein Zitat („Der Mensch ist am wenigsten er selbst, wenn er in seiner eigenen Person spricht. Gib ihm eine Maske und er wird dir die Wahrheit sagen“), dessen Urheber Oscar Wilde der Richter allerdings unter den Tisch fallen ließ. Stattdessen sollte der Spruch wohl Schubis angebliche Bereitschaft zur Vermummung und Gewaltausübung gegen Polizist*innen illustrieren – oder so. Da die Zitatrecherche offensichtlich nicht zu den Stärken der Kammer gehört, haben wir in diesem Fall den Urheber gleich mitgeliefert.
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Fußballfan und Fluchthelfer – Wer ist Schubi? https://freeschubi.blackblogs.org/2015/10/09/fussballfan-und-fluchthelfer-wer-ist-schubi/ https://freeschubi.blackblogs.org/2015/10/09/fussballfan-und-fluchthelfer-wer-ist-schubi/#respond Fri, 09 Oct 2015 16:15:54 +0000 http://freeschubi.blogsport.eu/?p=151 Continue reading ]]> Die heutige Befragungen zielten zum großen Teil darauf ab, den Angeklagten zu dämonisieren und als politischen Überzeugungstäter hinzustellen. Dazu wurde heute überraschend ein Komplex behandelt, der keinerlei Bezug zu den Fußballspielen des FC Hansa gegen den SG Dynamo oder RB Leipzig hatte. Es ging dabei um die Frage, ob Schubi sich an seinem Arbeitsplatz gegen eine erzwungene Mithilfe zu einer Abschiebung zur Wehr gesetzt haben soll. Zwei Zeugen sagten zu diesem Vorgang aus.

Dabei handelte es sich einerseits um einen kleinen untersetzten Mann mit orangener Jeanshose – einem Bundespolizisten der Menschen abschiebt. Dieser wurde zu einem Vorfall befragt, der sich im November 2014 zugetragen haben soll. An diesem Tage hatten Polizeibeamte unangekündigt eine Syrerin an Bord eines Fährschiffes gebracht, die nach Schweden abgeschoben werden sollte. Der Zeuge gab an, dass die Abschiebung von Seiten eines Schiffsoffiziers abgelehnt wurde. Dabei habe es sich um Schubi gehandelt. Ein weiterer Zeuge, der Kapitän des Schiffes, der heute ebenfalls geladen war, teilte dem Gericht mit, er habe Schubi angewiesen, den Beamten mitzuteilen, dass die Abschiebung nicht durchgeführt werde. Das ständige Einspannen der Besatzung für die Abschiebetätigkeiten stellt ein dauerhaftes Ärgernis für die Besatzung der Crews dar.

Dennoch wollten die Beamten die Abschiebung der Syrierin durchsetzen. Nach der ersten Auseinandersetzung offenbar überrascht, dass ihre Befehle nicht blind befolgt wurden, warteten die misstrauischen Bundespolizisten vor der Fähre ab. In einem von ihnen gestoppten Terminalbus, der vor allem Mitglieder der Crew des Fährschiffes transportierte, griffen die Beamten erneut die syrische Frau auf. Konfrontiert wurden sie bei Betreten des Busses nach Aussage des Bundespolizisten erneut von Schubi.

Der Angeklagte erlebte die Polizei in seinem Berufsalltag als ein Gegenüber, das die Besatzung des Fährschiffes immer wieder ungefragt zu Komplizen von Abschiebungen machen will. Dabei bemühen sich die Beamt_innen nicht um Kommunikation und in der Folge auch nicht um Fragen der Sicherheit. Sie liefern einfach Menschen am Fährterminal ab, und verlangen, dass die Fährlinie für sie die Abschiebung umsetzt. Diese Abschiebungen und das Verhalten der Polizei wird von der Besatzung der Schiffe nicht gutgeheißen. Die Bundespolizei erzwingt aber diese Kooperation.

Nach der Aussage von Schubis Vorgesetzten ergibt sich von dem Angeklagten das Bild eines Menschen, das im deutlichen Gegensatz zum Befehlsempfänger des abschiebenden Polizisten steht. Letzterer schiebt gedankenlos Menschen, die vor Not und Verfolgung geflohen sind ab, weil es für ihn nur ein Job ist. Der Befehlsempfänger, versucht dabei sein Tagewerk hinter Euphemismen und Beamtensprache zu verschleiern, was nichts an der Gedankenlosigkeit ändert, mit der er seine Order in die Tat umsetzt. Ihm schräg gegenüber saß auf der Anklagebank in der heutigen Verhandlung ein Mensch, der in seinem Arbeitsalltag Verantwortung für Kolleg_innen und die ihm anvertrauten Mitmenschen übernimmt, seien diese nun Freiwillige oder unfreiwillige Fahrgäste auf der Fähre.

Gegenüber diesem Angeklagten wechselten heute Staatsanwalt und vorsitzender Richter die Rollen. Während der Oberstaatsanwalt durch die Form seiner Nachfragen, bemüht war Uneindeutigkeiten zu erhellen, führte sich der vorsitzende Richter wie ein Chefankläger auf. Dabei geriet er nicht nur wiederholt mit der Verteidigung in Streit, sondern leistete sich auch eine ganz besondere verbale Entgleisung. So sprach er in der heutigen Verhandlung bei der Befragung des Kapitäns wörtlich von „Asylanten“. Ein Richter des Rostocker Landgerichts redete heute in der Sprache des „Packs“ (Sigmar Gabriel), er verwendete dieselben Begriffe wie die Hetzer von Pegida und NPD.

Auch darüber hinaus wurde das Kalkül der Kammer, Schubi als politischen Überzeugungstäter hinzustellen von der Realität überholt. Was ihm heute als mögliche Straftat zugerechnet werden sollte, geschieht seit nunmehr einem Monat tausendfach in Rostock. Wenn Schubi sich der Fluchthilfe „schuldig“ gemacht hat, indem er nicht mit Kadavergehorsam den Anweisungen der Bundespolizei nachkam, dann haben sich auch hunderte anderer freiwillige Helfer_innen von „Rostock hilft“ und anderen bürgerschaftlichen Hilfsinitiativen, der Fluchthilfe schuldig gemacht. Während die Bundeskanzlerin betonte, das Grundrecht auf Asyl kenne keine Obergrenze; redet der Vorsitzende Richter in der Sprache des rassistischen Packs. Die Kammer wollte Schubi ein Verhalten vorwerfen, das in den letzten vier Wochen beständig in Rostock und Sassnitz vorgekommen ist und das absolut im Einklang mit den Worten der Bundeskanzlerin steht. Würde Schubi nicht seit einem dreiviertel Jahr in Haft gehalten, so würde er heute eine derjenigen Fähren steuern, auf denen derzeit die Geflüchteten reisen. Wir sind uns sicher, er würde mit „Rostock hilft“ sehr gerne kooperieren.

Free Schubi!

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