Exif-Recherche – Antifaschistisches Archiv für Rostock und Umgebung https://indyhro.blackblogs.org Linke Veröffentlichungen aus unterschiedlichen Quellen Fri, 18 Dec 2020 18:18:05 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 „Tag X“-Romantik aus dem Bilderbuch – „Corona-Proteste“ & rechter Terror https://indyhro.blackblogs.org/2020/11/29/tag-x-romantik-aus-dem-bilderbuch-corona-proteste-rechter-terror/ Sun, 29 Nov 2020 00:00:00 +0000 http://indyhro.blackblogs.org/?p=3598 Continue reading „Tag X“-Romantik aus dem Bilderbuch – „Corona-Proteste“ & rechter Terror]]> [Original erschienen unter https://exif-recherche.org/?p=6953]

Am 18. November 2020 ging in Berlin für extreme Rechte ein lange gehegter Traum ein Stück weit in Erfüllung. Über Stunden stand der Neonazi-Multifunktionär Thomas Wulff in vorderer Front eines wütenden Mobs im Sprühregen eines Wasserwerfers und genoss sichtlich das Gefühl von Volksaufstand und Nationaler Revolution. Vollvermummte Hooligans mit Quarzhandschuhen und krawallerprobte Neonazis sangen neben Masken-Verweigerern mit Herz-Schildern im Wasserwerfer-Regen „Oh, wie ist das schön“. Sie feiern sich selbst, ihren „Widerstand“, ihre zahlen-starke Präsenz, ihre gemeinschaftliche Wut. Auch wenn sich nicht die erhofften 1,3 Millionen in der Nähe des Reichstags zusammenfanden, schafften es die anwesenden Zehntausenden, die Polizeikräfte teils im Rückwärtsgang vor sich herzutreiben. Mehrere Tausend Rechte versuchten, Polizeiketten zu durchbrechen, bewarfen die Polizei mit Flaschen und Pyrotechnik. Sogar ein Konzertflügel – auf dem zuvor noch Westernhagens „Freiheit“ im Chor angestimmt wurde – diente an diesem Tag dazu, behelmte Polizei aus dem Weg zu räumen.

Zu der Veranstaltung war mit „Tag X“-Rhetorik aufgerufen worden. Es hieß, jetzt ginge es um alles, man müsse sich bewaffnen und die Kinder zu Hause lassen. Aufrufe wie „Berlin muss brennen“ und Mordphantasien gegen allerlei Feinde wurden in sozialen Netzwerken geteilt. So entstand eine Atmosphäre, in der sich RechtsterroristInnen – und alle, die gerne welche sein würden – pudelwohl fühlten.

Personen wie Jörg Scholze – Mitglied des «Nordkreuz»-Netzwerks – trieb etwa die Vorstellung, dass es nun endlich losgehe, von Rostock nach Berlin. Auf jenen „Tag X“ bereitete sich das rechte Netzwerk aus Bundeswehrsoldaten und Spezialeinsatzkräften der Polizei schon lange aktiv vor. Die Mitglieder sammelten Waffen, Sprengstoff und Munition, legten Listen an und trainierten für den „Ernstfall“.

Scholze war 2016 auf einem Treffen der Gruppe mit den «Nordkreuz» Mitgliedern Haik Jäger, Marko Gross und Jan-Hendrik Hammer. Letzterer soll auf dem Treffen eine Liste mit Linken gezeigt und gesagt haben diese sollen aus den Weg geräumt werden. Scholze ist als Oberfeldwebel viele Jahre Vorsitzender des Reservistenverbandes Fliegerhorst Laage gewesen. Auch steht Scholze mit dem Schießgelände „Baltic Shooters“ in Güstrow in Verbindung, wo er Beisitzer der Prüfungskommission ist. Der Name des Inhabers des Geländes, Frank Thiel, machte erst jüngst die Runde, da Lorenz Caffier von ihm eine Waffe erwarb. Caffier, zum Zeitpunkt des Waffenkaufs Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern, trat nach Bekanntgabe dieses Vorfalls zurück.

Auf den «Querdenken» Aufmärschen finden sich auch Personen aus dem UnterstützerInnen-Netzwerk des NSU ein. So waren am 18. November in Berlin Thomas „Ace“ Gerlach und Jens Bauer inmitten der Masse im angeregten Gespräch zu beobachten. Bauer, ehemals NPD-Funktionär, ist Vorsitzender der völkischen, extrem rechten «Artgemeinschaft – Germanische Glaubensgemeinschaft». Er hatte dem NSU-Unterstützer Ralf Wohlleben auf seinem Hof in Sachsen-Anhalt eine Bleibe versorgt, nachdem dieser aus der Untersuchungshaft entlassen wurde. Wohlleben besorgte den RechtsterroristInnen Gelder und die Tatwaffe, mit der der NSU bis 2011 neun Menschen erschossen hatte.

Bauers „Artgemeinschaft“ versteht sich als neo-nationalsozialistische Elite und lockte schon vor seiner Zeit so manche RechtsterroristInnen an. So nahm das NSU-Kernmitglied Beate Zschäpe 1997 an einer Veranstaltung der «Artgemeinschaft» teil. Auch die Brüder Maik und André Eminger waren nachweislich 2004 und 2005 Teil der Treffen des extrem rechten Bundes. Andrè Eminger unterstützte das NSU-Trio 14 Jahre lang. Als sich am 4. November 2011 der NSU selbstenttarnte floh er zu seinem Bruder Maik ins bandenburgische Grabow, wo er 20 Tage später verhaftet wurde.

Thomas Gerlach wiederum gilt seit Jahrzehnten als enger Weggefährte von Ralf Wohlleben. Gemeinsam organisierten sie RechtsRock-Konzerte und waren maßgeblich am Aufbau von Kameradschaftsstrukturen beteiligt. Gerlachs damalige Partnerin Mandy Struck verhalf seit 1998 u.a. Beate Zschäpe zu einer neuen Identität, als das Trio in Sachsen im Untergrund lebte. Gerlach, der seit fast zwei Jahrzehnten der militanten Neonazi-Bruderschaft «Hammerskin Nation» angehört – arbeitete außerdem jahrelang in der Baufirma des Thüringer NSU-Unterstützers André Kapke.

Als Thomas Gerlach im Münchner NSU-Prozess aussagen musste, empfing ihn der NSU-Helfer André Eminger, der mit Zschäpe und Wohlleben auf der Anklagebank saß, mit dem Shirt „Brüder Schweigen – Bis in den Tod“. Schließlich kam Gerlach im NSU-Komplex mit einer Aussageverweigerung durch. Die gleiche Botschaft trug sein Bruder Maik Eminger im Prozess gegen den NSU auf seinem T-Shirt zur Schau. Auch er war am 18. November in Berlin vor Ort und rückte bereits zuvor durch seine Teilnahme an Veranstaltungen von «Querdenken» in den Fokus.

„Brüder Schweigen“ ist aber auch der Namenszusatz der rechten Terrororganisation «The Order» aus den USA, die vor Jahrzehnten einen Mord begangen hatte und dafür bis heute in der internationalen Neonaziszene verehrt wird. Weitere Personen aus dem NSU-UnterstützerInnen-Netzwerk fand man schon auf dem «Querdenken»-Aufmarsch Anfang November in Leipzig. Dort konnte etwa der Chemnitzer Neonazi Gunter Fiedler ausgemacht werden. Er organisierte dem NSU-Kerntrio eine Wohnung, nachdem dieses 1998 „untergetaucht“ war und stellte später Uwe Böhnhardt seinen Personalausweis zur Verfügung, damit dieser sich einen Reisepass beantragen konnte.

Nach Berlin zog es am 18. November ebenso den Brandenburger Neonazi Maik Schneider. Dieser zündete 2015 mit weiteren Neonazis ein Auto und eine geplante Unterkunft für Geflüchtete an und sollte eigentlich derzeit eine langjährige Haftstrafe absitzen. Das erste Urteil vom Februar 2017, das eine Gesamtfreiheitsstrafe von 9,5 Jahren Haft umfasste, wurde aufgrund der Befangenheit eines Schöffen nicht rechtskräftig und auch gegen das zweite Urteil von Oktober 2019 – eine 7-Jährige Haftstrafe – legte Schneider Revision ein. Der Prozess steht weiterhin aus.

Da im ersten Prozess der Anklagepunkt „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ aus ökonomischen Gründen zurückgezogen wurde, konnte eine Serie weiterer Straftaten für die Schneider als Hauptprotagonist einer Gruppe gilt, bis heute nicht aufgeklärt werden.

Bei den Großdemonstrationen von «Querdenken» waren auch etliche Neonazis der jüngeren Generation anzutreffen, die rechtsterroristische Attentäter zu Helden stilisieren und ihnen nacheifern. Die Verherrlichung von Terror und Waffengewalt zeigt sich beispielsweise bei der Reisegruppe um den in Rostock wohnhaften Deutsch-Ukrainer Ivan Kormilitsyn. Über die sozialen Netzwerke mobilisiert er seine (Online)-Bekanntschaften und nahm mit diesen zuletzt am 7. November in Leipzig an den Ausschreitungen im Rahmen der «Querdenken»-Kundgebung teil. Dabei verbreitete er und seine Anhänger Aufkleber mit der Losung „Kyle was right“.

Eine perfide Sympathiebekundung für den 17-Jährigen Neonazi Kyle Rittenhouse, der in den USA am 25. August 2020 zwei «Black Lives Matter»-Demonstranten ermordet hatte. Rittenhouse hatte Joseph Rosenbaum und Anthony Huber erschossen, als diese versuchten, ihn davon abzuhalten, auf antirassistische Demonstrant:innen zu schießen. Produziert hatte die in Leipzig präsentierten Aufkleber die rechte Plattform «International Conservative Community». Ivan Kormilitsyn hat einen deutschen Ableger der Gruppe ins Leben gerufen und produziert dafür Inhalte in den sozialen Netzwerken. Das ehemalige AfD-Mitglied trainierte bereits in der Ukraine an Waffen und nahm erst im Sommer 2020 an einer mehrtägigen Schulung der ukrainischen Gruppe «Tradition and Order» Teil. Deren Ableger «Tradition und Ordnung» initiierte er vor einiger Zeit in Deutschland und schart seitdem vor allem jüngere Neonazis um sich.

Am 21. November in Leipzig verbreiteten auch Neonazis der neonazistischen Kampfsportgruppe «Knockout 51» aus Eisenach die Aufkleber mit der Botschaft „Kyle was right“. Der Eisenacher Kay Noeske führte die Aufkleber bereits am Leipziger Hauptbahnhof mit sich. «Knockout 51» selbst kann auf zahlreiche Verbindungen in die militante und auch terroristische Neonazi-Szene blicken. Deren Hauptprotagonist Leon Ringl soll einen deutschen Ableger der «Atomwaffen Division» ins Leben gerufen haben. Die Gruppe trainierte in den USA den Umgang mit Waffen und Sprengvorrichtungen. Die Eisenacher Gruppe um Ringl war auch schon am 29. August 2020 bei «Querdenken» in Berlin vor Ort und beteiligte sich dort an den Angriffen auf die Polizei vor der russischen Botschaft.

Bombenbastler und SympathisantInnen rechtsterroristischer Gruppen waren seit Anbeginn der „Corona-Proteste“ Teil der Masse. Bereits bei einer Veranstaltungen am 1. August 2020 in Berlin nahm etwa der verurteilte Rechtsterrorist Martin Wiese aus Mecklenburg-Vorpommern teil. Wiese erlangte 2003 internationale Bekanntheit, als er und acht weitere Neonazis einen Sprengstoffanschlag auf die Veranstaltung zur Grundsteinlegung des Jüdischen Kulturzentrums in München planten. In Berlin fühlte er sich ungemein sicher, schwang das große Wort und bepöbelte gemeinsam mit seinem Begleiter Dirk Bahlmann Journalist:innen. Bahlmann drohte einer Journalistin: „Ihr werdet noch abgeurteilt!“. Der 52-Jährige Ex-NPDler Bahlmann soll Wiese damals Waffen für den Anschlag beschafft haben. Heute ist er als Reichsbürger bekannt. Aktuell laufen gegen die beiden Ermittlungen wegen Terrorverdachts, sie sollen angekündigt haben Menschen töten zu wollen, darunter auch Polizeibeamte.

In zahlreichen «Querdenken» Ortsgruppen wurde intern über die Teilnahme von Neonazis an entsprechenden Veranstaltung debattiert. Das Ergebnis: Man wolle sich nicht abgrenzen und das Denken in Schubladen wie „links“ und „recht“ auflösen, sowie sich als neue Bewegung nicht spalten lassen. So leugnen die einen die Teilnahme von extrem Rechten, während die anderen sich darüber freuen, endlich auf einen schlagkräftigen Arm zurückgreifen zu können – was als widersprüchlich und Sollbruchstelle wirken mag, funktioniert tatsächlich gut. Schon PEGIDA vollzog den Spagat zwischen Distanzieren und Umarmen von Neonazis erfolgreich.

Bewegungen wie PEGIDA und jetzt «Querdenken» sind in der Lage, sich stets ihre eigenen Wahrheiten zu stricken und darüber alle (vermeintlichen) Widersprüche aufzulösen. Dementsprechend hat sich die Teilnahme organisierter Neonazis etabliert und von Demo zu Demo können neue Synergieeffekte beobachtet werden. Wurde in Leipzig am 7. November 2020 noch ein rechter Schlägertrupp gebraucht, um sich gemeinsam die Straße freizukämpfen, gelang der aufständische Moment in Berlin – gegen die Polizei vorzugehen – auch ohne die Initialzündung der Neonazi- und Hooligangruppen.

Der Schulterschluss gelingt über über ein diffuses „wir“ gegen „die da oben“, sowie über antisemitische und regierungsfeindliche Inhalte. Man ist sich mindestens darin einig, dass die Pandemie („Plandemie“) von oben gesteuert würde, um eine „Neue Weltordnung“ einzuleiten. Mal bleibt es bei antisemitischen Geraune, mal wird dabei offen antisemitisch vom Leder gezogen. Dann werden angebliche Zitate der Rothschilds und von Soros fabuliert, da schwadroniert der Querdenker-Arzt Bodo Schiffmann auf dem Frankfurter Paulsplatz darüber, dass das Virus „in den Wolkenkratzern dieser Stadt“ von der „Hochfinanz“ erfunden worden sei, um „Weltwirtschafts-Geldsysteme“ neu zu ordnen. Und schließlich: Mit Hilfe der öffentlich-rechtlichen und Medienschaffenden („Lügenpresse“) würde diese Weltordnung legitimiert und die „Finanzeliten“ gefördert. Gegen diesen „Plan“ und diese „Diktatur“ gelte es maximalen Widerstand zu leisten. Die «Querdenken» AnhängerInnen beschwören fast täglich neue apokalyptische Szenarien herauf und wähnen sich in einem Krieg, der ihre Gewaltanwendung legitimiert.

Diese Erzählung ist nach vielen Seiten anknüpfungsfähig. Zu den extremen Rechten sowieso, zu einem riesigen Feld von EsoterikerInnen, deren Wissenschaftsfeindlichkeit sich mit dem Intellektuellenhass der Neonazis vereint, bis hin zu denen, die alles stets vor dem Hintergrund einer Weltverschwörung begreifen, in der alles seine Funktion, Logik und Ordnung haben muss. Viele Kader der extremen Rechten begreifen die Organisation um Formate wie «Querdenken» ganz strategisch als Werkzeug mit der sie als nationalrevolutionäre Massenbewegung die Regierung stürzen wollen.

Um den Feind greifbarer zu machen, werden einzelne Personen ausgemacht und zu Hassobjekten und Feindbildern stilisiert, an denen man sich abarbeiten und den Hass gezielt kanalisieren kann. Ein derartig kollektiver Hass befeuerte unter anderem auch die Ermordung von Walter Lübcke. Immer wieder hetzten Neonazis von Facebook bis «PI-News» gegen ihn und seine Aussagen im Kontext des damaligen Migrationsgeschehens. Im Juli 2019 dann hatten Stephan Ernst und ein möglicher Mittäter den CDU Politiker hingerichtet.

Den Tatentschluss soll Ernst kurz nach dem Aufmarsch in Chemnitz am 1. September 2018 gefasst haben. Dort kam es zu einer ähnlichen Eskalation wie in Berlin und Leipzig. Sogenannte Bürgerliche hatten mit organisierten Neonazis und Kräften aus der AfD – dem parlamentarischen Arm der Bewegung – die Polizei angegriffen, Menschen bedroht und versucht, die Straße zu erkämpfen. Den Rechten gelang es, das Geschehen zu bestimmen und die Polizei zurückzudrängen. Sie erlebten einen Triumph, der bei vielen Euphorie auslöste und ihre Allmachtsfantasien bestärkte. Beflügelt von dem Erlebnis Chemnitz schritt Stephan Ernst zur nächsten Tat – der Hinrichtung eines Politikers, der Rechten als „Volksverräter“ galt.

Ob „Großer Austausch“ oder „Corona-Diktatur“, die Mythen sind austauschbar, die Mechanismen die gleichen. Viele «Querdenken» AnhängerInnen machten in nur wenigen Monaten eine Turbo-Radikalisierung durch, auf die der Staat und auch die Gesellschaft bislang keine Antwort gefunden haben. In den Telegram Gruppen und bei vielen Personen können in Echtzeit besorgniserregende Radikalisierungsprozesse beobachtetet werden. Bislang völlig unauffällige Kleinbürger:innen, die vor wenigen Wochen noch schüchtern die erste Demonstration ihres Lebens besuchten, agieren heute hochaggressiv gegen Kritiker:innen, die es wagen, sich ihnen in den Weg zu stellen. Personen, die am Anfang der Proteste gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie noch als Posthippies mit Blumen- und Herzchen-Motiven auftraten, glauben nun, erkannt zu haben, dass die Corona-Verschwörung doch nur eine (Verschwörungs-)Facette einer gigantischen Verschwörung ist. Etliche von ihnen schließen sich der «QAnon»-Bewegung an und / oder mutieren zu ReichsbürgerInnen. Für viele funktioniert «Querdenken» als eine Erweckungsbewegung. Und die extremen Rechten haben darin freie Hand.

Erst jetzt liefert der Verfassungsschutz einen Analyse-Bericht in dem man gar einen neuen Extremismus für «Querdenken» erfinden will, da es keinen passenden „Phänomenbereich“ gäbe. Die Funktionsfähigkeit des staatlichen „Frühwarnsystems“ gleicht abermals einem Totalausfall. Die Sicherheitsbehörden entdecken mit ihren Millionen-Etats im Jahre 2020 gerade erst das Internet und stellen in der digitalen Welt offensichtlich fest, dass die sogenannte „Mitte“ sich minütlich menschenfeindlich äußert und eingestellt ist. Tatsachen, die Studien seit Jahren belegen. Die Prozesse seien für sie „weder zu quantifizieren noch zu qualifizieren“.

Man folgt stur der wissenschaftlich widerlegten, aber in staatlichen Kreisen noch immer wirkungsmächtigen Annahme, dass aus der sogenannten Mitte der Gesellschaft keine wirkliche Gefahr entstehen könne. Dies erklärt die Konzeptlosigkeit des polizeilichen Handelns, das als Radikalisierungsmotor wirkt. Es gießt Wasser auf die Mühlen des rechten Mobs, der sich mit jedem gewonnenen Meter auf der Straße weiter ermächtigt und in seinen Revolutionsgefühlen bestärkt fühlt.

Mindestens drei Anschläge aus dem «Querdenken» Spektrum sind bislang bekannt: Brandsätze auf das Robert-Koch-Institut und ein Sprengsatz in Berlin-Mitte, mit der Forderung, dass die Regierung zurück treten soll. Ansonsten würde es weitere Anschläge geben. Auch die Ölanschläge im Sommer und im Herbst 2020 auf Kunstwerke in Museen in Berlin, Potsdam und Paderborn tragen die Handschrift der rechten «QAnon»-VerschwörerInnen-Szene. Die betroffenen Museen sollen in ihrer kruden Logik zentrale Treffpunkte von „Satanisten und Kindermörder“ sein, die sie in der Regierungsriege vermuten.

Demnach stellen derzeit nicht nur die längst bekannten RechtsterroristInnen und ihr Umfeld, die sich von «Querdenken» ermutigt fühlen, eine besondere Gefahr dar. Am 18. November schallte zunächst voller Inbrunst das Mantra der «Querdenken» Bewegung „Friede, Freiheit, Demokratie“ durch die Straßen und über die Plätze Berlins. Das Ergebnis eines abstrusen Politikverständnisses. Sie wollen Frieden in ihrem Vorgarten, aber Krieg gegen die Regierung und Andersdenkende. Sie wollen mit aller Macht und Gewalt ihre persönliche Freiheit durchsetzen, auf Kosten anderer Leben. Diese Bewegung ist im Kern antidemokratisch, autoritär und brandgefährlich.

Nach dem „Kampf“ mit der Staatsmacht am 18. November in Berlin herrschte eine bedrückende Stille auf dem Platz vor dem Brandenburger Tor. Der Platz leerte sich nur langsam, am Boden zerbrochene Flaschen, nasse Pappschilder und zahlreiche müdegekämpfte Gesichter. Einige entsetzt, andere voller Wut. Einer sagt zu dem Anderen „das ist die Ruhe vor dem Sturm“.

Umso bedeutender ist es, dass am 21. November in Leipzig erstmals das Kräfteverhältnis gebrochen werden konnte. «Querdenken» war dem Gegenprotest weit unterlegen und die gesamte Innenstadt war, anders als am 7. November, geprägt von antifaschistischen Protest. Obwohl es von Seiten organisierter Neonazis abermals zu Übergriffen kam und die „QuerdenkerInnen“ Polizeiketten durchbrachen, gelang es den Rechten nicht, den Raum zu dominieren. Der Tag war eine große Demotivation für die «Querdenken»-Bewegung. Doch vollends gebrochen scheint die Dynamik noch nicht. Erneut ruft «Querdenken» zu Versammlungen auf. „Zeit, es zu beenden“ ist eine Parole der Mobilisierungen in den sozialen Netzwerken. Wieder bereitet sich die Front aus WutbürgerInnen, rechten Hooligans und Neonazis auf den finalen Aufstand vor.

Thomas Wulff sichtlich glücklich in Berlin am 18. November 2020 – Bildrechte: Pixelarchiv
Thomas Wulff sichtlich glücklich in Berlin am 18. November 2020 – Bildrechte: Pixelarchiv
Jörg Scholze, «Nordkreuz»-Mitglied in Berlin am 18. November 2020 – Bildrechte: Pixelarchiv
Jörg Scholze, «Nordkreuz»-Mitglied in Berlin am 18. November 2020 – Bildrechte: Pixelarchiv
Jens Bauer, Vorsitzender der «Artgemeinschaft» in Berlin am 18. November 2020 – Bildrechte: Pixelarchiv
Jens Bauer, Vorsitzender der «Artgemeinschaft» in Berlin am 18. November 2020 – Bildrechte: Pixelarchiv
Jens Bauer (links) und Thomas Gerlach (rechts) im Gespräch in Berlin am 18. November 2020 – Bildrechte: Pixelarchiv
Jens Bauer (links) und Thomas Gerlach (rechts) im Gespräch in Berlin am 18. November 2020 – Bildrechte: Pixelarchiv
Hammerskin Thomas Gerlach in Berlin am 18. November 2020 – Bildrechte: Pixelarchiv
Hammerskin Thomas Gerlach in Berlin am 18. November 2020 – Bildrechte: Pixelarchiv
Maik Eminger in Berlin am 18. November 2020 – Bildrechte: Recherche Netzwerk Berlin
Maik Eminger in Berlin am 18. November 2020 – Bildrechte: Recherche Netzwerk Berlin
NSU-Unterstützer Gunter Fiedler (mitte) am 7. November 2020 in Leipzig – Bildrechte: Tim Mönch
NSU-Unterstützer Gunter Fiedler (mitte) am 7. November 2020 in Leipzig – Bildrechte: Tim Mönch
Maik Schneider in Berlin am 18. November 2020 – Bildrechte: Pixelarchiv
Maik Schneider in Berlin am 18. November 2020 – Bildrechte: Pixelarchiv
Rostocker Neonazis verbreiten am 7. November 2020 in Leipzig Aufkleber „Kyle was right“ – Bildrechte: Pixelarchiv
Rostocker Neonazis verbreiten am 7. November 2020 in Leipzig Aufkleber „Kyle was right“ – Bildrechte: Pixelarchiv
Kay Noeske aus Eisenach mit „Kyle was right“ Aufklebern in Polizeikontrolle am 21. November 2020 in Leipzig – Bildrechte: Pixelarchiv
Kay Noeske aus Eisenach mit „Kyle was right“ Aufklebern in Polizeikontrolle am 21. November 2020 in Leipzig – Bildrechte: Pixelarchiv
(Feind-)Plakate der «Querdenken» Demonstrationen am 7. November 2020 in Leipzig – Bildrechte: Pixelarchiv
(Feind-)Plakate der «Querdenken» Demonstrationen am 7. November 2020 in Leipzig – Bildrechte: Pixelarchiv
Nach den Auseinandersetzungen in Berlin am 18.November 2020 – Bildrechte: Kim Winkler
Nach den Auseinandersetzungen in Berlin am 18.November 2020 – Bildrechte: Kim Winkler

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Der «Kampf der Nibelungen» 2020: Online-Stream statt Großevent https://indyhro.blackblogs.org/2020/10/23/der-kampf-der-nibelungen-2020-online-stream-statt-grossevent/ Fri, 23 Oct 2020 00:00:00 +0000 http://indyhro.blackblogs.org/?p=3621 Continue reading Der «Kampf der Nibelungen» 2020: Online-Stream statt Großevent]]> [Original erschienen unter https://exif-recherche.org/?p=6760]

Großspurig hatten die OrganisatorInnen angekündigt, dass das extrem rechte Kampfsport-Event «Kampf der Nibelungen» (KdN) 2020 alle bisher ausgetragenen Fightnights der Reihe übertreffen werde. Schnell zeichnete sich jedoch ab, dass die Infektionsschutz-Bestimmungen, wie auch der staatliche Repressionsdruck die Durchführung einer solcher Veranstaltung unmöglich machen.

Statt einer Fightnight, an der 2018 bis zu 800 Neonazis teilnahmen, konnte das Team um Alexander Deptolla lediglich einen Online-Stream bieten. Um die fünfzehn Kämpfe mit internationaler Beteiligung versprach man Interessierten, wobei am Ende nur eine handvoll dessen präsentiert werden konnte. Zusammengefasst in einem rund zweistündigen, dilettantisch zusammengeschnittenen Video, welches mit der Einsicht Deptollas endete, dass man vorerst keine weiteren Veranstaltungen plane.

Eine Verbotsverfügung und die Folgen

An die Aufmerksamkeit von 2018, wo das Hauptevent des KdN im Oktober im ostsächsischen Ostritz öffentlich ausgetragen wurde, wollte das Orga-Team im Folgejahr eigentlich anknüpfen. Eine Verbotsverfügung der Stadt Ostritz verhinderte dies jedoch.

Bis zum letzten Moment versicherte Alexander Deptolla und seine MitorganisatorInnen der Szene, dass man alle Wege gehen würde, um das Verbot zu kippen. Die Infrastruktur des KdN war schließlich schon Tage vor dem Event nach Ostritz gebracht worden und zahlreiche HelferInnen aus dem engen Umfeld des KdN – maßgeblich die NS-Straight Edge-Gruppierung «Wardon 21» – hatten am 12. Oktober 2019 Bänke, den Ring und Essensstände aufgebaut. Die Polizei unterband jedoch die Anreise der Kämpfenden, wie auch einzelner BesucherInnen. Zerknirscht meldete sich Deptolla am Abend in den sozialen Netzwerken zu Wort und verkündete, dass der KdN so nicht stattfinden werde. Ein Eilantrag des Veranstalters gegen das Verbot wurde mit der Begründung „das öffentliche Interesse an der Sicherung der freiheitlich demokratischen Grundordnung überwiege das wirtschaftliche Interesse des Antragstellers“ zurückgewiesen.

Geblieben waren dem KdN vor allem immense Geldeinbußen. Über 10 000 Euro hätte man in Vorleistung gehen müssen. Gelder die aus dem Ticketverkauf – 35 Euro für einen Stehplatz, 45 Euro für einen Sitzplatz – generiert wurden und an die KäuferInnen nicht zurück gezahlt werden könnten. Stattdessen appellierte Deptolla an die Solidarität und vertröstete die TicketbesitzerInnen auf ein Event in 2020. Die Eintrittskarten würden nicht an Gültigkeit verlieren und auf juristischem Weg wolle man mittels einer Fortsetzungsfeststellungsklage das Verbot kippen. Da es absehbar war, dass diese Klage nicht bis zum neu angesetzten Austragungstag, dem 10. Oktober 2020, verhandelt und die aktuelle Pandemie ein Fightevent in der Größe nicht hergeben würde, beschlossen die OrganisatorInnen, ihre Veranstaltung per Online-Stream durch zu führen.

Als am 26. September 2020 mehrere Lokalzeitungen meldeten, dass eine Hundertschaft der Polizei am Morgen in Magdeburg eine Kampfsport-Veranstaltung aufgelöst hatte, wurde schnell klar, dass auch der angedachte Video-Stream in der ursprünglich geplanten Version so nicht stattfinden kann.

Von rund 90 Neonazis, darunter die OrganisatorInnen, KämpferInnen und Teammitgliedern, hatte die Polizei auf dem Gelände des rechten Motorradclubs «Division 39» im Magdeburger Stadtteil Rothensee die Personalien aufgenommen. Eine Bestätigung, dass es sich dabei um den «Kampf der Nibelungen» handelte, gab u.a. Manuel Ganser. Der Kader der Neonazipartei «Der III. Weg» aus Zwickau postete schließlich auf Telegram ein Bild aus der Personenkontrolle und teilte mit, dass der KdN abermals verboten wäre. Eine polizeiliche Gefahrenanalyse hätte ergeben, dass Straftaten nicht ausgeschlossen werden könnten, so die Lokalzeitung «Volksstimme». Eine Untersagung der Veranstaltung aufgrund von präventiver Gefahrenabwehr, die nicht nur eine Identitätsfeststellung mit sich zog, sondern auch die Sicherstellung des Boxrings. Laut eigenen Angaben wurden zudem diverse Speichermedien beschlagnahmt.

In Bezug auf den Austragungsort sei dabei erwähnt, dass die Rocker genau gewusst haben, wen sie dort ihr Clubhaus anvertrauen. Durchaus mit Kalkül hatte die rechte Rocker-Gruppierung «Division 39» an dem besagten Wochenende auf Facebook mitgeteilt, dass man auf einen Ausflug nach Rostock sei. Lokale Antifaschist:innen widerlegten das Ablenkungsmanöver jedoch, denn der Motorradclub war bewiesenermaßen an diesem Tag nicht in Norddeutschland. Die Gruppierung gilt als Auffangbecken für Neonazis und rechte Hooligans und war u.a. auf Aufmärschen von «PEGIDA» anzutreffen.

Trotz des herben Schlages in Magdeburg bewarben die OrganisatorInnen des KdN ihren Online-Stream weiter, mit der Aussage, dass man dem Publikum auch weiterhin etwas zu bieten hätte. Auch die Szene selbst inszenierte sich, als ob es keine Rückschläge gegeben hätte und bewarben das Event simultan zum Orga-Team. Schweizer Neonazis um die junge Gruppe «Nationale Aktionsfront» kündigten sogar ein Public-Viewing an, dass letztlich in Tuggen (Kanton Schwyz) am Rande von Zürich von statten ging, wie die «Antifa Bern» berichtete. Um die 20 Euro kostete der Zugang zum Stream, wobei TicketbesitzerInnen vom Vorjahr den Zugangscode kostenlos zu Verfügung gestellt bekommen sollten. Man müsse außerdem über 18 Jahre alt sein, um den Zugangscode erwerben zu können.

Der Stream – weder atemberaubend, noch professionell

Am Abend des 10. Oktober selbst, war erst einmal warten angesagt. Obwohl der Stream für 18 Uhr angesetzt war, verging einige Zeit, bis auf der Homepage des KdN ein auf der Plattform „Vimeo“ hochgeladenes Video erschien.

Fast eine viertel Stunde vergeht in dem Stream, in der sich die ZuschauerInnen bereits veröffentlichte Zusammenschnitte des KdN der letzten Jahre, Werbevideos der extrem rechten Bekleidungsmarken «Resistend» und «Black Legion», sowie einen selbstdarstellerischen Clip der Neonazi-Kampfsportgruppe «Baltik Korps» anschauen mussten, bis Alexander Deptolla im Bild erscheint. Minutenlang erklärt er – im Rahmen einer Autofahrt – die aktuelle Situation des KdN und geht auf den folgenden Videozusammenschnitt ein. Zwanzig Minuten vergehen insgesamt, bis die angekündigten Kämpfe beginnen. Und auch da wird das Online-Publikum getäuscht. Denn statt aktueller Kämpfe griff man zunächst auf Mitschnitte von Events aus den vorherigen Jahren zurück.

Begonnen wird dabei mit einem Kampf aus dem Jahr 2016, als der KdN im hessischen Gemünden klandestin ausgetragen wurde. Alle Beteiligten werden nur verpixelt gezeigt, erkennbar ist jedoch Malte Redeker als Ringrichter des Boxkampfes zwischen „Angie“ und „Julia“. Redeker ist es im Übrigen auch, der im gesamten Online-Stream die präsentierten Kämpfe kommentiert und dabei in dritter Person sprechen muss, wenn er etwa Entscheidungen des Ringrichters – d.h. sich selbst – erklärt. Bei der Kämpferin „Julia“ handelt es sich um Julia Thomä, die in Mecklenburg-Vorpommern in den Strukturen lokaler Kameradschaften politisiert wurde und später bei den «Jungen Nationalisten» maßgeblich mitwirkte. Gegnerin „Angie“ kommt ebenfalls aus Deutschland und wird aus dem Publikum lautstark angefeuert. Dass der KdN alles andere als ein unpolitisches Sportevent ist, verdeutlicht einer der Trainer von „Angie“. Er präsentiert sich in Jogginghose mit dem Schriftzug der griechischen Neonazi-Partei «Chrysi Avgi». Deren Führungsriege wurde am 7. Oktober 2020 wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung und dem Mord an dem antifaschistischen Rapper Pavlos Fyssas zu teils hohen Haftstrafen verurteilt.

Auf den Boxkampf – ein Debut, da erstmals in der Geschichte des KdN Frauen in den Ring stiegen – folgt ein Kampf vom Oktober 2018, wo der KdN in Ostritz stattfand. Zu sehen ist erneut ein Boxkampf, in dem „Woltan“ vom «NS Fightclub Sofia» aus Bulgarien gegen den Tschechen „David“ vom «White Rex Czech Fight Team» antritt. Letzterer, der bei den «South Legion»-Hooligans aus České Budějovice (Budweis) aktiv ist, gewann den Kampf – sichtlich erfreulich für seine Trainer Vít Mrákota und Tomáš Dubský, die euphorisch in den Ring stürmten.

Wie schon nach dem ersten gezeigten Kampf, wird auch nach diesem Mitschnitt Werbung eingeblendet, bevor – nach insgesamt 40 Minuten – einer der ersten aktuellen Kämpfe präsentiert wird.

Der Plan B liegt im Osten Thüringens

Es ist ein Bruch in der Ästhetik, wie er härter nicht hätte sein können. Statt Nebelmaschine und pompöser Einlaufmusik wird ohne Anmoderation ein Kampf präsentiert, der in einem vier Quadratmeter großen, selbst gebauten Ring ausgetragen wurde. Als Ringbegrenzung dienen schwere Gerüststangen und als Eckenschutz sind lediglich Pratzen auf Holzplatten angebracht. Die Trainer lehnen, mehrheitlich maskiert, an den im Raum befindlichen Kraftsportgeräten, während die Wände des Gyms mehr schlecht als recht mit den Bannern des KdN und von «Black Legion» abgedeckt wurden. Hier und da erkennt man jedoch Poster vergangener, kommerzieller Events, wie der «Altenburger Benifiz-Boxnacht» oder des «Shuri Fightclub» in Plauen.

Im Raum selbst befinden sich etwa 50 bis 60 Personen, darunter die Kämpfer, ihre Trainer und Teams, das Orga-Team des KdN, sowie dem Orga-Kreis nahestehende Personen. Eine geschlossene Gesellschaft, die sich dort um die Mittagszeit klandestin zusammengefunden hat. Bei dem Austragungsort selbst handelt es sich um das Gym der Neonazi-Kampfsportgruppe «Barbaria Schmölln». 2013 gegründet, betreibt die Gruppe das Gebäude an der Adresse An der Sprotte 3 im Schmöllner Gewerbegebiet.

Kein Zufall, dass der KdN auf das Gebäude zurückgreifen konnte, denn schließlich ist Martin Langner – Headcoach der «Barbaria Schmölln» – ein langjährig aktiver Kampfsportler im Netzwerk des «Kampf der Nibelungen». Er trat nicht nur selbst mehrfach auf den Events an, sondern trainierte auch andere Neonazis für den KdN, etwa Sebastian Dahl. Politisch ist er mittlerweile in den Reihen der Neonazi-Partei «Der III. Weg» angekommen und nahm zuletzt am 3. Oktober 2020 an deren Aufmarsch in Berlin teil. Das Gym der «Barbaria Schmölln» geriet indes schon 2018 in den Fokus, als dort mehrere bekannte Neonazis an einem Mannschaftswettkampf teilnahmen. Darunter auch der NSU-Unterstützer André Eminger, wie Olia Coşkun in ihrem Kapitel im jüngst erschienenen Buch „Ihr Kampf“ von Robert Claus zu berichten weiß. Beworben wurde der Wettkampf im Übrigen auf der offiziellen Webpräsenz der Stadt Schmölln, als „Vereinsfest / 5 Jahres Feier“ des «Barbaria Sportgemeinschaft e.V.».

Der im Stream gebotene erste Kampf in neuer Umgebung, zeigt „Max“ im Boxen gegen André Fuhr aus Dortmund. Wie u.a. die «Mean Streets Antifa Dortmund» berichtet, gehörte Fuhr der «Aktionsgruppe Dortmund West» (AG West) an. Die im Mai 2020 aufgelöste Gruppe versuchte in die Fußstapfen der verbotenen Gruppe «Nationaler Widerstand Dortmund» zu treten und war eng an die lokalen Strukturen der Neonazi-Partei «Die Rechte» angebunden. Ferner ist Fuhr in der Graffiti-Szene aktiv, wo er aktuell unter dem Sprühernamen „Nova“ auftritt.

Während seines Kampfes gegen „Max“ trug er zudem ein T-Shirt des «Tremonia Kollektiv». Eine Gruppe die sich 2020 gründete und sich auf ihrer Webseite als „heimattreues Kollektiv aus und für Dortmund“ vorstellt – mehr Inhalt gibt die Gruppe bisher nicht Preis. Begleitet wurde Fuhr in Schmölln u.a. von seiner Partnerin, der Neonazi-Aktivistin Marnie Wachmann aus Bochum und dem Dortmunder Alexander Pentrup. Pentrup gehörte ebenfalls der AG West an und nahm dort eine führende Rolle ein.

„Max“ wiederum wurde von einer handvoll Neonazis aus Eisenach begleitet, die einheitlich in Merchandise der Kampfsport-Gruppe «Knockout51» bekleidet waren. Unmaskiert präsentierten sich etwa Leon Ringl und Maximilian Andreas als Abgesandte der Gruppe. Bei „Max“ scheint es sich offensichtlich um Kevin Noeske zu handeln. Noeske trainiert seit vielen Jahren Kampfsport, unter anderem im «Imperium Fight Team» in Leipzig zusammen mit dem Neonazi-Hooligan Benjamin Brinsa. Dass die «Knockout 51» Gruppe sich nicht nur auf rechten Kampfsport-Events wie dem «Tiwaz» 2018 und 2019 beweisen will, sondern auch den Straßenkampf sucht, konnte am 29. August 2020 in Berlin beobachtet werden, wo die Gruppe sich an Auseinandersetzungen mit der Polizei beteiligte.

Tirza Müller war es, die bei André Fuhrs Kampf als Ringrichterin fungierte. Sie gehört zur Struktur der Neonazi-Partei «Der III. Weg» in Bayern und war noch 2016 aktive Thaiboxerin im «Barracuda»-Gym in München. Bei dem darauf folgenden Kampf übernahm hingegen Malte Redeker diese Funktion. Gekämpft wurde nun im Mixed Martial Arts (MMA), wobei ein „Micha vom Fightclub Wardon“ gegen einen „Max aus der Lausitz“ antrat. Bei „Micha“ handelt es sich um Philipp Oertel aus Thüringen. Gemeinsam mit seinem Bruder Lukas Oertel – der ihn in Schmölln betreute – ist er seit 2017 in der NS-Straight Edge-Gruppierung «Wardon 21» organisiert, die als engste Unterstützer des KdN gelten. Bekleidet war Philipp Oertel in Schmölln übrigens im selben Outfit, den die maskierte Person in den Trainingsvideos des KdN trug, die zu Zeiten des Corona-Lockdown produziert wurden. Nicht verwunderlich, diese Videos stammen schließlich aus der Feder von «Wardon 21». Auch Jörg Henning, der ebenso Teil der Gruppe ist, war in Schmölln anwesend. Am Ende gewinnt „Max“ den Kampf gegen Oertel und dem Stream folgt – wieder einmal – ein harter Schnitt, gefolgt von der Einblendung eines Bildschirmschoner mit dem Logo des KdN.

Völlig unvermittelt beginnt dann der nächste Boxkampf.

Im Ring stehen sich dabei Julian Menzel aus dem Raum Bautzen und der schwedische Neonazi Anton Stigermark gegenüber. Menzel kämpfte schon im Oktober 2018 in Ostritz und tritt seit 2019 als Kämpfer von «Wardon 21» auf. Der junge, hoch ideologisierte Neonazi stellt sich selbst als NS-Straight Edge dar und wurde in den Strukturen der «Kameradschaft Ostsachsen», sowie in der JN politisiert. Aktuell ist er zudem Teil der «Wanderjugend Oberlausitz», deren Auftreten stark an die verbotene «Heimattreue Deutsche Jugend» erinnert. Bei seinem Kampf in Schmölln wurde er u.a. von Lukas Oertel vom «La Familia Fightclub Erfurt» betreut.

Anton Stigermark, der ursprünglich für einen MMA-Kampf zugesagt hatte, versucht sich in Schweden als rechter Vordenker und vermischt dabei Metapolitik und Kampfsport. Dabei ist er an die rechte Sportgruppe «Legio Gloria» um Marcus Follin angebunden und wirkt an Videos des rechten YouTube-Formats «Palaestra Media» mit. Betreiber dessen ist Jonas Nilsson, der Stigermark für diverse MMA-Kämpfe vorbereitete, aber auch das faschistische Regiment «Azow» im Kampfsport ausbildete, wie er in den sozialen Netzwerken offenkundig zugibt. „First week in August – Anton Stigermark doing his debut“, erklärt er seinen Followern weiter und spielt damit auf Stigermarks Premiere im MMA an, die letztlich im August 2018 im «Reconquista Club» des «Azow»-Regiments in Kiew stattfand. Nilsson und Stigermark waren bereits 2017 auf dem «Kampf der Nibelungen» zugegen und betreuten dort ihren Kämpfer Marcus Follin. Stigermark selbst kämpfte auch beim neonazistischen «Pro Patria Fest» in Griechenland 2019.

Dass auch ein Kampf von Marcus Follin am 26. September 2020 in Magdeburg hätte aufgezeichnet werden sollen, dafür spricht, dass er sich „zufällig“ an dem Wochenende in Deutschland aufhielt. Er sei auf Geschäftsreise gewesen, verlautbarte er in den sozialen Netzwerken, postete jedoch am Abend des 26. September Bilder von der «5. Invictus Fightnight» in Saalfeld, Thüringen. Auf der selben Veranstaltung fanden sich auch Felix Stiller und Dominic Exel vom rechten «Fightclub 062» ein. Exel hatte erst im Juni 2019 auf dem Neonazi-Eventuell «Tiwaz» bei Zwickau gekämpft. Der «Fightclub 062» selbst ist offizieller Unterstützer des KdN.

Erwähnenswert an dem Kampf zwischen Menzel und Stigermark in Schmölln war indes nur der peinliche Zwischenruf von Moderator Henrik Ostendorf. Lauthals bekundete er mit den Worten „Sverige Sverige Fosterland“ seine Sympathie mit dem Schweden – eine Anspielung auf einen gleichnamigen Song der rechten schwedischen Kultband «Ultima Thule».

Nach erneuter Werbepause folgte dann ein K1-Kampf. Angekündigt wurden „Max aus Emsland“, sowie Steve Stock aus Thüringen. Letzterer wurde dabei von Franz Pauße und einem weiteren Mitglied aus dem Orga-Kreis des KdN betreut. Darauf kann man schließen, da beide das nicht frei verkäufliche „Team“-T-Shirt des KdN trugen. Auch André Penczek, der zur Dortmunder Clique um Alexander Deptolla und «Die Rechte» gehört, war in Schmölln anwesend und präsentierte solch ein T-Shirt.

Eine unmittelbare Nähe zur Dortmunder Struktur ist auch bei „Max aus dem Emsland“ erkennbar. Gemeinsam mit etlichen Mitgliedern des Orga-Kreises des KdN nahm „Max“, bei dem es sich um Maximilian Lang handelt, zuletzt im August 2020 an einer Kundgebung der Partei «Die Rechte» in Dortmund teil. Zum bereits achten Mal wollte man mit der Kundgebung gegen das 2012 erwirkte Verbot der Gruppierung «Nationaler Widerstand Dortmund» protestieren. Für Lang und Stock war es scheinbar der erste Kampf. Kommentator Redeker hofft, dass beide dem Sport treu bleiben.

Im letzten Kampf des Tages in Schmölln, so Moderator Ostendorf im Vorgang, werde man erneut internationale Beteiligung haben. Als „Veteran des KdN“ bezeichnet Kommentator Redeker den Bulgaren, der unter dem Namen „Miroslav“ in den Ring tritt. Er gehört dem «NS Fightclub Sofia» an und kämpfte in Schmölln gegen Julian Menzel, der somit seinen zweiten Boxkampf des Tages bestritt, diesen jedoch verlor.

An der Neonlampe tummeln sich die Motten

Nach längerer Werbepause wechselte man im Stream erneut die Örtlichkeit. Wenn man bisher dachte, dass das Setting in Schmölln schon nicht von viel Professionalität zeugt – die das Orga-Team schließlich permanent beteuert – so wird es nun völlig unterirdisch. Denn es ist ein Heizungskeller, der nun als Kulisse dient. Abermals nutzte man Elemente aus dem Gerüstbau als Art Ringbegrenzung, auf dem Boden liegen keine Matten und an der Neonröhre tummeln sich die Motten. „Bisschen Fightclubmäßig“, wie Redeker die Umstände im Stream beschreibt, befinden sich in dem Raum um die zehn Personen. Alle sind maskiert, laut eigenen Angaben zum Infektionsschutz.

Kommentator Redeker erklärt wie es zu dem Kampf gekommen sein soll. Alexander Deptolla und „Olli“ würden sich schon lange kennen und hätten vor ein paar Jahren zugesagt, einmal gegeneinander in den Ring zu steigen. Bei „Olli“, der im Stream in T-Shirt und Hose der «AG Körper & Geist» der Neonazi-Partei «Der III. Weg» bekleidet ist, handelt es sich um Oliver Oeltze. Begleitet wurde er u.a. von Sebastian Glaser.

Oeltze und Deptolla kennen sich tatsächlich schon viele Jahre, vor allem durch ihre Überschneidungen innerhalb der militanten Neonazi-Szene. Denn während Deptolla maßgeblich beim verbotenen «Nationalen Widerstand Dortmund» mitwirkte, war Oeltze beim ähnlich gewaltvoll auftretenden «Nationalen Widerstand Berlin» aktiv. Der Berliner ist heute Schlüsselfigur des „Stützpunkt Berlin“ der Partei «Der III. Weg», während der Dortmunder jüngst für «Die Rechte» kandidierte.

„Stabiler Stand, auch wenn unser Alex nicht gerade den sportlichsten Eindruck macht. Bin überrascht, ob er über die Zeit kommen wird“, kommentiert Redeker den Kampf. Beide mussten letztlich nicht nur drei Runden kämpfen, sondern eine weitere vierte, da sich die Punkterichter uneins über die Wertung waren. „Tobi, das war unentschieden“, rief Deptolla dem Ringrichter entgegen. Mit „Tobi“ war Tobias Vogt aus Strausberg in Brandenburg gemeint. Er begleitete schon einige Kämpfer auf Szene-Events, etwa auf dem «Tiwaz» 2018 im Erzgebirge. Im April 2018 kämpfte Vogt aber auch selbst auf einer Veranstaltung des KdN in Ostritz. Bekanntheit erlangte Vogt allerdings vorrangig durch seine Tätigkeit als Musiker bei den RechtsRock-Bands «Exzess» und «Die Lunikoff Verschwörung».

Im Falle von Oeltze und Deptolla nützte auch eine vierte Runde nichts. Der Kampf wird als Unentschieden gewertet und nachdem die Kamera noch wenige Momente die Atmosphäre des Heizungskellers aufnimmt, erscheint ein verwackeltes, offenbar mit dem Handy aufgenommenes Video. Zu sehen ist Alexander Deptolla, wie er in der Nacht, irgendwo an einer Tankstelle, aus einem Fahrzeug der Polizei aussteigt.

Der Stream ändert danach abermals die Kulisse und zeigt Deptolla erneut während einer Autofahrt. Es sind die abschließenden Worte zum Stream, wo er vor allem auf die Repressalien des Staats gegen die Durchführung des KdN eingeht. Dabei teilte er mit: „Was der Staat dieses Jahr an Repression aufgefahren hat, war auf jeden Fall eine neue Nummer, würde ich sagen. Es fängt an über Abschiebungen von Kämpfern aus dem Ausland mit denen wir uns rum geärgert haben. Es geht darum, dass Hallen gestürmt wurden, wo wir klagen müssen. Dass uns komplette Landkreise Veranstaltungsverbote aufgedrückt haben und zu guter letzt wurden noch ein Peilsender an einem Auto eines Mitwirkenden gefunden (…) Es gab sogar zeitweise Haftaufenthalte für Leute von uns weil es darum ging, dass man in einem Bundesland festgesetzt wurde und man einen Verdacht der Bildung einer kriminellen Vereinigung hatte (…) Davon sind übrigens auch Ausschnitte zu sehen in diesem Video (…)“. Bei letzterem dürfte es sich um das kurze Handy-Video handeln, das im Nachgang von Deptollas Kampf im Stream eingeblendet wird.

„Es wird erstmal keine Veranstaltung von uns geben“, führt Deptolla weiterhin aus. Einen Tag später erreicht diese Nachricht auch die sozialen Netzwerke. Man wolle sich zurück ziehen, bis die juristischen Fragen geklärt sind, heißt es. Der «Kampf der Nibelungen» als Bekleidungsmarke werde jedoch weiterhin voran getragen.

Ein Coup für den KdN – ein Armutszeugnis für die Politik

Von der Größe, die das extrem rechte Kampfsport-Event noch im Jahr 2018 ausstrahlte, ist wenig geblieben. Der präsentierte Online-Stream dürfte für viele ZuschauerInnen zumindest inhaltlich eine herbe Enttäuschung gewesen sein, die Entscheidung, keine weiteren Veranstaltungen in nächster Zeit durchführen zu wollen, ist eine der daraus gezogenen Konsequenzen.

Nichts desto trotz bewiesen die OrganisatorInnen des KdN erneut ihre Fähigkeit, als Netzwerk auch unter miserablen Umständen funktionieren zu können. Angefangen beim Rückgriff auf etablierte Neonazi-Gyms wie das der «Barbaria Schmölln», über die Einbindung erfahrener Medienschaffenden vor Ort – darunter Leon Ringl und Dennis Brandt von «Reconquista Media» – bis hin zur Einbeziehung offenbar ausgebildeter Ring-und Punkterichter wie Malte Redeker und Tobias Vogt.

Auch wenn der Stream alles andere als beeindruckend war und die Gegebenheiten mehr als unprofessionell wirkten, erhielt das Online-Publikum doch etwas Wesentliches. Nämlich einen exklusiven Einblick in den «Kampf der Nibelungen», der einer Öffentlichkeit verwehrt bleibt. Die Zuschauenden gerieten schließlich in die Position der Eingeweihten und wurde Teil der Gemeinschaft, Teil von etwas Verbotenem, etwas Verruchtem.

Im Gegenzug erfährt der KdN Wertschätzung und gilt szene-intern auch weiterhin als erfolgreiche und unverwundbare Organisation. Einem ideologisch gefestigten Publikum ist es schließlich egal, ob der KdN als Gala vor hunderten ZuschauerInnen oder im Heizungskeller mit «Fightclub-Charme» stattfindet. Der Fakt, dass die Kämpfe trotz einem vorangegangenen Verbot in Magdeburg, am Ende in Schmölln improvisiert stattfinden konnten, ist ein Coup – und ein Armutszeugnis für die Politik. Jetzt, in verweilender, defensiver Position, entzieht man den ermittelnden Behörden den Handlungsdruck. Auch deswegen sollten Deptollas Schlussworte in Bezug auf den Rückzug des KdN, nicht als Erfolg gewertet werden. Die Vermarktung des Labels und der damit einhergehenden Ideologie der Wehrhaftigkeit, findet auch weiterhin statt.

Vielmehr ist sich der Orga-Kreis bewusst, dass der «Kampf der Nibelungen» wesentliche Voraussetzungen bieten dürfte, um als Organisation verboten zu werden. Wie kaum eine andere Organisation bildet das Format nun mehr seit sieben Jahren ein Netzwerk, in dem sich Personen aus allen rechten Lebenswelten einfinden. Jüngst wurde bekannt, dass sogar Angehörige der Bundeswehr an Events des KdN teilnahmen.

Nicht zuletzt ist der KdN Produkt einer toxischen Allianz eingespielter, langjährig aktiver Neonazis, bei deren Personalien alle Warnsignale auf Rot schalten. So ist Hauptprotagonist Malte Redeker nicht nur Europa-Chef der international vernetzten, gewalttätigen Bruderschaft «Hammerskin Nation», sondern auch Initiator und Aufbauhelfer zahlreicher Kameradschaften, Kampagnen und Projekte. Der Zweite im Bunde, Henrik Ostendorf, verfügt über einen Erfahrungsschatz, den er seit den 1980er Jahren kontinuierlich erweitern konnte – zwischen rechten Hooligan-Milieu, etlichen Neonazi-Parteien, RechtsRock-Events und rechter Publizistik. Alexander Deptolla wiederum, der als einziger der Drei öffentlich als Gesicht des KdN auftritt, verdeutlichte die Gefahr, die von seiner Person ausgeht, erst vor kurzem selbst. So hätten ihn die Behörden als „Gefährder“ gelistet, d.h. als eine „relevante Person“, bei der man davon ausgehe, dass sie Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen könne, so die Definition.

Würde man das nahe Umfeld des KdN, die unterstützenden Strukturen und die KämpferInnen hinsichtlich ihrer Gefährlichkeit ausführen, könnte man damit Bücher füllen. Genau das findet sich aber schon an anderer Stelle: in Analysen lokaler Recherche-Plattformen, auf den Informationsseiten von Kampagnen wie «Runter von der Matte» oder in den Artikeln engagierter Journalist:innen, die seit Jahren auf die Dimension und Bedeutung des Netzwerkes hinweisen.

 


 

Update: Am 24. Oktober wurden weitere Informationen zu Kevin Noeske im Text ergänzt

Der KdN blieb 2019 verboten, das Zelt dementsprechend leer
Der KdN blieb 2019 verboten, das Zelt dementsprechend leer
KdN 2016: Kampf von Julia Thomä (links) gegen „Angie“, während Malte Redeker als Ringrichter wirkt
KdN 2016: Kampf von Julia Thomä (links) gegen „Angie“, während Malte Redeker als Ringrichter wirkt
Das tschechische Team auf der Anreise in Ostritz im Oktober 2018, darunter auch „David“ (2.v.l.) – Bildrechte: Pixelarchiv
Das tschechische Team auf der Anreise in Ostritz im Oktober 2018, darunter auch „David“ (2.v.l.) – Bildrechte: Pixelarchiv
KdN 2018: Kampf von „David“ aus Tschechien (links) gegen „Woltan“ aus Bulgarien
KdN 2018: Kampf von „David“ aus Tschechien (links) gegen „Woltan“ aus Bulgarien
Austragung des KdN 2020 in den Räumen von «Barbaria Schmölln» im Osten Thüringens
Austragung des KdN 2020 in den Räumen von «Barbaria Schmölln» im Osten Thüringens
Juli 2018: Wettkampf bei der «Barbaria Schmölln» um Headcoach Martin Langner (4.v.r.), an dem u.a. auch André Eminger (7.v.r.) teilnahm
Juli 2018: Wettkampf bei der «Barbaria Schmölln» um Headcoach Martin Langner (4.v.r.), an dem u.a. auch André Eminger (7.v.r.) teilnahm
André Fuhr (links) gegen Kevin Noeske, der von «Knockout51» aus Eisenach unterstützt wurde
André Fuhr (links) gegen Kevin Noeske, der von «Knockout51» aus Eisenach unterstützt wurde
Die Eisenacher Neonazi-Gruppe «Knockout51» am Rande des Rings, darunter Maximilian Andreas (1.v.l.)
Die Eisenacher Neonazi-Gruppe «Knockout51» am Rande des Rings, darunter Maximilian Andreas (1.v.l.)
Malte Redeker als Ringrichter in Schmölln
Malte Redeker als Ringrichter in Schmölln
Am Boden: Philipp Oertel von «Wardon 21»
Am Boden: Philipp Oertel von «Wardon 21»
Julian Menzel (links), hier als Kämpfer auf dem «Tiwaz» im Juni 2019
Julian Menzel (links), hier als Kämpfer auf dem «Tiwaz» im Juni 2019
Boxkampf zwischen Julian Menzel (links) und Anton Stigermark aus Schweden
Boxkampf zwischen Julian Menzel (links) und Anton Stigermark aus Schweden
Das schwedische Team um «Legio Gloria» auf dem KdN 2017: Dan Eriksson, Magnus Söderman, Marcus Follin, Jonas Nilsson und Anton Stigermark (vl.n.r.)
Das schwedische Team um «Legio Gloria» auf dem KdN 2017: Dan Eriksson, Magnus Söderman, Marcus Follin, Jonas Nilsson und Anton Stigermark (vl.n.r.)
Franz Pauße (links) und Kämpfer Steve Stock aus Thüringen
Franz Pauße (links) und Kämpfer Steve Stock aus Thüringen
K1-Kampf von „Christian“ gegen Maximilian Lang (rechts)
K1-Kampf von „Christian“ gegen Maximilian Lang (rechts)
„Miroslav“ vom «NS-Fightclub Sofia» aus Bulgarien
„Miroslav“ vom «NS-Fightclub Sofia» aus Bulgarien
Henrik Ostendorf als Moderator der Veranstaltung vor Ort in Schmölln
Henrik Ostendorf als Moderator der Veranstaltung vor Ort in Schmölln
KdN 2020 im Heizungskeller: links Oliver Oeltze, 3.v.l. Sebastian Glaser und als Ringrichter Tobias Vogt
KdN 2020 im Heizungskeller: links Oliver Oeltze, 3.v.l. Sebastian Glaser und als Ringrichter Tobias Vogt
Oliver Oeltze (links) und Sebastian Glaser im Rahmen von Aktivitäten der «AG Körper & Geist»
Oliver Oeltze (links) und Sebastian Glaser im Rahmen von Aktivitäten der «AG Körper & Geist»
Offenbar war Deptolla einer der kurzzeitig festgesetzten Neonazis am 26. September 2020 in Magdeburg
Offenbar war Deptolla einer der kurzzeitig festgesetzten Neonazis am 26. September 2020 in Magdeburg

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Rechtsterrorist Martin Wiese auf «Querdenken»-Demonstration in Berlin https://indyhro.blackblogs.org/2020/08/18/rechtsterrorist-martin-wiese-auf-querdenken-demonstration-in-berlin/ Tue, 18 Aug 2020 00:00:00 +0000 http://indyhro.blackblogs.org/?p=3626 Continue reading Rechtsterrorist Martin Wiese auf «Querdenken»-Demonstration in Berlin]]> [Original erschienen unter https://exif-recherche.org/?p=6746]

Martin Wiese, erlangte 2003 internationale Bekanntheit, als er und acht weitere Neonazis einen Sprengstoffanschlag auf die Veranstaltung zur Grundsteinlegung des Jüdischen Kulturzentrums in München planten.

Am 1. August 2020 zogen über 20.000 Verschwörungsideolog:innen durch Berlin, um gegen die Maßnahmen der Regierung zur Eindämmung des Coronavirus zu protestieren. Unter denen, die sich auf diesem Event als «Querdenker» und Verteidiger:innen des Grundgesetzes inszenierten, waren haufenweise extrem Rechte: FunktionärInnen der NPD, Kameradschafts-Mitglieder und sogenannte «Reichsbürger». Zwischen schwarz-weiß-roten Reichsfahnen und „Kill Bill Gates“- Plakaten reihte sich auch der Rechtsterrorist Martin Wiese in den Aufzug ein.

Wiese, der heute wieder in Mecklenburg-Vorpommern lebt, war bei der «Querdenken»-Demonstration am 1. August 2020 in Berlin in einem Neonazi-Shirt mit dem Symbol der sogenannten „Schwarzen Sonne“ (einem zwölfarmigen Hakenkreuz) und der Aufschrift „Pommern niemals Knecht“ unterwegs. Er wurde von Dirk Bahlmann aus Löcknitz (Mecklenburg-Vorpommern) begleitet, ein alter Bekannter von Wiese, gegen den 2003 auch wegen der Anschlagsplanung auf das Jüdische Kulturzentrum ermittelt wurde. Bahlmann soll Wiese damals Waffen verschafft haben, unter anderem war er von Wiese um die Beschaffung einer Handgranate gebeten worden. Wiese und Bahlmann sind in einem Video des ARD-Magazins Kontraste zu sehen. Wiese schreit der ARD Journalistin ins Mikrofon: „Lug und Betrug“. Von der Seite droht ihr Bahlmann: „Ihr werdet noch abgeurteilt!“. Auf die Nachfrage der Journalistin „von wem?“ entgegnet er: „Warte ab“.

Der 1976 in Anklam (Mecklenburg-Vorpommern) geborene Martin Wiese trat bereits im Alter von 16 Jahren als militanter Neonazi in Erscheinung. Im August 1992 beteiligte er sich an den tagelangen Angriffen und Brandanschlägen auf eine Unterkunft von Geflüchteten und ein Wohnheim für ehemalige vietnamesische Vertragsarbeiter:innen in Rostock-Lichtenhagen. 1998 zog er von Mecklenburg-Vorpommern nach Bayern, wo er sich 2002 zum Führer der heute verbotenen «Kameradschaft Süd» aufschwang.

Die Gruppe veranstaltete paramilitärische Trainings und war insbesondere im Bereich der «Anti-Antifa» umtriebig: Unter anderem besorgten sie sich persönliche Daten politischer Gegner:innen und spähten deren Lebensgewohnheiten aus. Für den geplanten Anschlag auf das jüdische Kulturzentrum kümmerte sich Wiese in erster Linie um die Beschaffung von Waffen und Sprengstoff. Die Gruppe plante einen „großen Bumm“ bei dem möglichst viele Menschen getötet werden sollten, gesprochen wurde von 2.000 Personen. Zum Führungskreis der «Kameradschaft Süd» zählte auch der Neonazi Didier Magnien. Er drillte die Truppe in paramilitärischen Trainings, besorgte mit Wiese Waffen und spitzelte als V-Mann für den bayerischen Verfassungsschutz.

Weil der V-Mann die Pläne auffliegen ließ, konnte der Terroranschlag verhindert werden. Die «Kameradschaft Süd» wurde verhaftet und zerschlagen, sieben Mitglieder erhielten mehrjährige Haftstrafen. Martin Wiese musste wegen der Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung für sieben Jahre ins Gefängnis. Während seiner Haftzeit wurde er von der neonazistischen «Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige» (HNG) betreut. Nach seiner Haftentlassung 2010 war Wiese in Niederbayern wohnhaft und beim «Freien Netz Süd» (FNS) aktiv. Für einige Jahre prägte er als Redner und Organisator die Entwicklung dieser militanten und damals umtriebigsten bayerischen Neonazistruktur maßgeblich mit. Auch überregional trat Wiese auf, beispielsweise hielt er eine Rede beim «Thüringentag der nationalen Jugend» in Kahla im Juni 2013. Dort trug er ein T-Shirt mit der Aufschrift „Freiheit für Wolle“, das in der Neonaziszene aus Solidarität mit dem NSU-Mitglied Ralf „Wolle“ Wohlleben getragen wird.

Nach seiner Haftzeit blieb Wiese nicht lange straffrei. Schon im Mai 2012 wurde er unter anderem wegen Bedrohung und Volksverhetzung zu einem Jahr und neun Monaten Haft verurteilt. Er hatte im Sommer 2011 auf einer Kundgebung mehreren Journalist:innen ihr Todesurteil durch einen „Volksgerichtshof“ angedroht. In einem Berufungsverfahren im September 2013 wurde das Urteil auf ein Jahr und drei Monate verringert, im Juni 2014 trat er die Haft an. Im Februar 2015 wurde der Strafrest zur Bewährung ausgesetzt und ab Mitte 2015 meldete sich Wiese in Sozialen Netzwerken wieder zu Wort, öffentlich trat er jedoch kaum auf.

Im Mai 2019 kassierte Martin Wiese eine weitere Bewährungsstrafe, trotz einer noch laufenden Bewährungsfrist. Dieses Mal hatte er gegen das Waffengesetz verstoßen. Die Staatsanwaltschaft warf ihm vor, dass er 2016 und 2017 Zugang zu über 150 Waffen und Munition hatte. Wegen seiner Vorgeschichte ist Wiese mit einem erweiterten Waffenverbot belegt. Im Februar 2017 wurde in Abensberg (Niederbayern) das Elternhaus seiner Lebenspartnerin, in dem auch Martin Wiese lebte, von der Polizei durchsucht, weil ein Tippgeber die Polizei auf zahlreiche verbotene Waffen in dem Anwesen der Familie hinwies. Der Vater seiner Partnerin, der ehemalige Waffenhändler Maximilian Listl, ist ebenfalls als Rechter bekannt und bei der «Bayernpartei» aktiv. Weil Wiese die Waffen angeblich aus dem Haus haben wollte, half er eine Pumpgun auf einem anderen Grundstück der Familie zu vergraben. Wiese behauptete im Prozess, seit fünf Jahren nicht mehr politisch aktiv zu sein und keine Kontakte mehr zur rechten Szene zu haben. Über den Verbleib von sieben Waffen, die bei der Razzia nicht gefunden wurden, konnte er keine plausiblen Angaben machen.

Am 29. August soll die zweite Großdemonstration der «Querdenken»-Bewegung in Berlin stattfinden. In sozialen Netzwerken gibt es zahlreiche Aufrufe, in denen Tag X-Szenarien heraufbeschworen werden. So sprechen und schreiben Meinungsführer:innen der Bewegung beispielsweise davon, dass an diesem Tag der „Deep State“ vernichtet werden soll . Ein Narrativ das vermutlich auch Rechtsterroristen wie Martin Wiese erneut nach Berlin locken wird.

1. August 2020: Dirk Bahlmann (2.v.l.) und Martin Wiese in Berlin – Bildrechte: Pixelarchiv
1. August 2020: Dirk Bahlmann (2.v.l.) und Martin Wiese in Berlin – Bildrechte: Pixelarchiv
Martin Wiese im „Freiheit für Wolle“ T-Shirt beim „Thüringentag der nationalen Jugend“ in Kahla, Juni 2013 – Bildrechte: linksunten.indymedia.org CC BY-NC-SA 2.0
Martin Wiese im „Freiheit für Wolle“ T-Shirt beim „Thüringentag der nationalen Jugend“ in Kahla, Juni 2013 – Bildrechte: linksunten.indymedia.org CC BY-NC-SA 2.0

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«Nordkreuz», Rocker, «Identitäre Bewegung» & Burschenschaftler vereint beim AfD-Flügeltreffen  https://indyhro.blackblogs.org/2019/11/26/nordkreuz-rocker-identitaere-bewegung-burschenschaftler-vereint-beim-afd-fluegeltreffen/ Tue, 26 Nov 2019 00:00:00 +0000 http://indyhro.blackblogs.org/?p=3735 Continue reading «Nordkreuz», Rocker, «Identitäre Bewegung» & Burschenschaftler vereint beim AfD-Flügeltreffen ]]> [Original erschienen unter https://exif-recherche.org/?p=6580]

Als am Samstag, dem 23. November 2019, die AfD zum «Königsstuhltreffen» des völkisch-nationalistischen Flügels der Partei lud, kamen laut Pixelarchiv über 100 Rechte in Binz auf Rügen zusammen. Eingeladen hatte Enrico Komning, der seit kurzem einer von vier parlamentarischen Geschäftsführern der AfD-Bundestagsfraktion ist, während die Schweriner Stadtvertreterin Petra Federau die angereisten Gäste begrüßte. Austragungsort dieses „1. Flügeltreffens“ in Mecklenburg-Vorpommern war das „Strandhotel Arkona“, an dessen Inhaberin Birte Löhr sich Organisator Komning im Nachgang dankend wendete, da sie „allen Anfeindungen zum Trotze die AfD erneut hier Tagen ließ“.

Am Eingang des Hotels waren Mitarbeiter der «RS-Security» postiert. Der Firmeninhaber des Sicherheitsunternehmens, René Jens, sorgte bereits im Frühjahr 2019 mit seiner Kandidatur zur Kommunalwahl für die AfD für Wirbel. Neben seiner Parteiaktivität ist Jens schließlich aktives Mitglied der kriminellen Rocker-Gruppierung «Bandidos MC». Deren Chapter und Unterstützergruppen im Landkreis Vorpommern-Rügen pflegen einen steten Kontakt zur Neonazi-Szene und boten dieser schon Räumlichkeiten für RechtsRock-Konzerte.

Neben dem hochrangigen Thüringer AfD-Politiker Björn Höcke als Stargast des Abends hielt auch Andreas Kalbitz, Landesvorsitzender der AfD in Brandenburg, eine Rede. Beide gehören der extremen Rechten nicht nur innerhalb der Partei an.

Ein bekannter Gast in Binz war zudem der AfD-Funktionär und Terrorverdächtige Haik Jäger aus jener rechten Struktur, die unter dem Namen «Nordkreuz» bundesweit bekannt geworden ist. Die 30-köpfige Gruppe soll Angriffe auf politische Gegner*innen vorbereitet haben. Dafür sammelten die Mitglieder, die fast alle auch Reservisten der Bundeswehr und geübte Schützen sind, persönliche Daten und planten Leichensäcke und Löschkalk in großen Mengen zu bestellen.

Im August 2017 hatten die Behörden die Räumlichkeiten des ehemaligen LKA/SEK-Beamten Marko Groß, wie auch von dem mittlerweile pensionierten Polizeibeamten Jäger aus Grabow wegen des „Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat“ durchsucht. Der Präzisionsschütze Groß wird in dem Terrorverfahren lediglich als Zeuge geführt und muss sich aktuell wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, das Waffen- und Sprengstoffgesetz vor Gericht in Schwerin verantworten. Als Mitglied und Gründer von «Nordkreuz» hatte er insgesamt über 55.000 Schuss Munition und zugehörige Waffen teils aus Bundeswehrbeständen gebunkert. Den Ermittlungen zum Trotz hatte der – ebenfalls bei dem Treffen in Binz anwesende – ehemalige Polizeibeamte Nikolaus Kramer (Burschenschaftler und Mitglied des Landtages der AfD in Mecklenburg-Vorpommern) Haik Jäger Anfang 2018 in den Landesfachausschuss „Innere Sicherheit, Justiz und Datenschutz“ berufen.

Als Kriminaloberkommisar soll Haik Jäger über seinen Dienstcomputer Meldedaten politischer Feinde ausspioniert und in einer Liste für den sogenannten „Tag X“ abgelegt haben. Diese Personendossiers wurden bei Razzien 2017 und 2018 unter anderem bei Jäger gefunden und beschlagnahmt.

Holger Arppe, der auch am «Königsstuhltreffen» in Binz teilnahm, beschäftigte Haik Jäger als Wahlkampfmitarbeiter in der AfD. Arppe selbst wurde im September 2018 von der AfD ausgeschlossen. Im August 2017 ist Arppe aufgrund geleakter Chatprotokolle, die Vergewaltigungsphantasien, Pädophilie und brutale Gewaltphantasien an politischen Gegner*innen offenbarten, zurückgetreten. Arppe schrieb über seine Feinde: „Ich will sie hängen sehen“ und „Grube ausheben, alle rein und Löschkalk oben rauf.“ Seine Anwesenheit beim „Flügeltreffen“ in Binz scheint für die AfD jedoch unproblematisch.

Schon als aktives AfD-Mitglied pflegte Arppe auch intensive Kontakte zur «Identitären Bewegung» (IB), nahm an den Lesekreisen von IB-Bundesleiter Daniel Fiß teil und entwickelte mit deren Kaderstruktur gemeinsam Konzepte, wie etwa für die Kampagne zum Erhalt des Namenszusatzes „Ernst Moritz Arndt“ an der Universität Greifswald. Ein Wiedersehen zwischen Arppe und seinen damaligen MitstreiterInnen aus der IB, Daniel Menkens und Franziska Gerbe aus Greifswald, fand nun ebenfalls in Binz auf Rügen statt. Neben den beiden IB-Mitgliedern ist auch René Hackbarth als Teilnehmer des „Flügeltreffens“ auf Bildern zu erkennen. Er war vormals in der extrem rechten Gruppierung «NS Greifswald» organisiert und später bei der «Identitären Bewegung», bis er bei der «Jungen Alternativen M-V» landete, wo er bis heute aktiv ist.

Verbindungen zur «Identitären Bewegung» weist auch Thore Ragnar Teufel auf. Auch er war in Binz vor Ort und ist unter anderem bei der «Greifswalder Burschenschaft Rugia» organisiert. Die selbe Burschenschaft, der auch der Organisator des „Flügeltreffens“ Enrico Komning angehört. Die Mitgliedschaft in dieser extrem rechten Burschenschaft teilen sich die beiden mit dem bekannten Holocaustleugner Rigolf Hennig.

Dass der «Flügel» den radikalen rechten Rand innerhalb der AfD markiert, ist keine neue Erkenntnis. Dass dieser sich allerdings nicht mal mehr von mutmaßlichen Rechtsterroristen und pädophilen Gewaltphantasten abgrenzt ist bemerkenswert. AfD-Bundesvorsitzender Jörg Meuthen sagte 2017 auf einem „Flügeltreffen“: „Der Flügel ist ein integraler Bestandteil unserer Partei, und das wird er auch in Zukunft immer bleiben.“

René Jens – AfD- und «Bandidos»-Mitglied, sowie Inhaber von «RS Security» – Quelle: Pixelarchiv
René Jens – AfD- und «Bandidos»-Mitglied, sowie Inhaber von «RS Security» – Quelle: Pixelarchiv
Haik Jäger – Terrorverdächtiger aus der «Nordkreuz»-Gruppe – Quelle: Pixelarchiv
Haik Jäger – Terrorverdächtiger aus der «Nordkreuz»-Gruppe – Quelle: Pixelarchiv
Nikolaus Kramer (Fraktionsvorsitzender AfD in Mecklenburg- Vorpommern) wird bei Ankunft in Binz von Enrico Komning in Empfang genommen. – Quelle: Pixelarchiv
Nikolaus Kramer (Fraktionsvorsitzender AfD in Mecklenburg- Vorpommern) wird bei Ankunft in Binz von Enrico Komning in Empfang genommen. – Quelle: Pixelarchiv
Holger Arppe ehemaliger AfD-Funktionär auf Rügen – Quelle: Pixelarchiv
Holger Arppe ehemaliger AfD-Funktionär auf Rügen – Quelle: Pixelarchiv

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Never change a running System – Warum der Staat sich so schwer tut, gegen «Blood & Honour / Combat 18» vorzugehen https://indyhro.blackblogs.org/2019/08/19/never-change-a-running-system-warum-der-staat-sich-so-schwer-tut-gegen-blood-honour-combat-18-vorzugehen/ Mon, 19 Aug 2019 00:00:00 +0000 http://indyhro.blackblogs.org/?p=3750 Continue reading Never change a running System – Warum der Staat sich so schwer tut, gegen «Blood & Honour / Combat 18» vorzugehen]]> [Original erschienen unter https://exif-recherche.org/?p=6351]

Im Sommer 2018 berichtete Exif ausführlich über die Aktivitäten des Netzwerks «Blood & Honour / Combat 18» (B&H/C18), dessen deutscher Ableger unter den Namen «Combat 18 Deutschland» und «Brothers of Honour» auftritt. Viel ist seitdem passiert: Die Organisation von B&H/C18 in Deutschland wächst und gibt sich immer selbstbewusster, während der staatliche Umgang mit ihr endgültig zur Posse zu verkommen scheint. Es wird ermittelt, durchsucht, mit Verbot gedroht und dann doch wieder laviert, ausgesessen und laufen gelassen. Auch scheinen sich verschiedene Behörden uneins zu sein, wie mit B&H/C18 umzugehen ist und gegeneinander zu arbeiten. Zentral stehen die Fragen: Welche Behörden haben ein Interesse, dass diese Struktur weiter bestehen kann? Und warum?

«Combat 18» in den Schlagzeilen

Nach dem tödlichen Attentat auf den nordhessischen Regierungspräsidenten Walter Lübcke am 2. Juni dieses Jahres geriet C18 Deutschland in den Fokus der Medien. Auch weil ein Schwerpunkt der Organisation im Raum Kassel liegt, wo der Neonazi Stephan Ernst wohnte, der gestand, Lübcke erschossen zu haben und das Geständnis später widerrief. Bilder von 2002 zeigen Ernst in einer „Schutztruppe“ der NPD gemeinsam mit Stanley Röske, einem der heutigen Anführer von C18 Deutschland. Das BKA bestätigte schon kurz nach der Verhaftung von Ernst am 15. Juni, dass eine mögliche Verbindung von Ernst zu C18 geprüft werde – zum offenkundigen Missfallen der Verfassungsschutzbehörden, die wohl gehofft hatten, dass «Combat 18» nicht öffentlich thematisiert werden würde.

Im Verlauf der medialen Debatte wurde die Forderung laut, diese Gruppe zu verbieten, die sich selbst als „Terrormachine“ und bewaffneter Arm der in Deutschland verbotenen Organisation «Blood & Honour» labelt. Innenminister Horst Seehofer dachte kurz über ein Verbot von C18 Deutschland nach, doch es passierte nichts dergleichen. Mittlerweile wird zurückgerudert und nach Argumenten gesucht, weshalb man die Gruppe derzeit nicht verbieten könne und sollte. Für militante Neonazis war die öffentliche Debatte über C18 eher Signal und Ansporn. Am 22. Juli gab es eine Serie von Bombendrohungen gegen Moscheen und gegen die Partei die Linke, die mit «Combat 18» unterzeichnet waren. Wer dahinter steckt ist bislang unklar.

Am 26. Juni meldete sich C18 Deutschland selbst zu Wort: Die Organisation veröffentlichte ein Video, in dem sie einen Zusammenhang von C18 mit dem Lübcke-Mord bestreiten. Die Stellungnahme verlas Robin Schmiemann, der schon Mitte der 2000er einer C18-Gruppe im Dortmunder Raum angehörte. Eingeleitet wird das Video mit dem Schriftzug «Combat 18 Deutschland» und deren Organisationsabzeichen – einem Drachen.

Die Organisation «Blood & Honour / Combat 18»

Nicht jede Person, die ein «Combat 18»-Tattoo oder ein «Combat 18»-Shirt trägt oder ein Drohschreiben mit «Combat 18» unterzeichnet, muss zwangsläufig Mitglied einer C18-Gruppe sein. «Combat 18» dient manchen Neonazis als Label, um sich möglichst militant zu geben und das Bekenntnis zu rechtem Terror vor sich her zu tragen.

Die von Exif-Recherche im Juli 2018 offengelegte Struktur nennt sich «Blood & Honour / Combat 18» (B&H/C18). Sie ist international aktiv und tritt in Deutschland unter den Namen «Combat 18 Deutschland» (C18 Deutschland) und «Brothers of Honour» auf. Vermutlich will man einen allzu offenen Bezug auf «Blood & Honour» vermeiden, da die deutsche Division von «Blood & Honour» im Jahr 2000 verboten wurde und man nicht leichtfertig Ermittlungen wegen Weiterführung einer verbotenen Organisation provozieren will.

B&H/C18 in Deutschland ist eine geschlossene Personengruppe – eine Organisation mit einem Regelwerk, festen Strukturen und einem exklusiven Anspruch auf das Label «Combat 18». Sie formierte sich ab 2012 als deutscher Ableger eines internationalen «Combat 18»-Netzwerks und unterhält mehrere regionale Sektionen. Auch werden ganze Gruppen (wie im März 2019 die «Brigade 8») in C18 Deutschland aufgenommen. Wie die Richtlinien zeigen, gibt es Pflichttreffen, Mitgliedsbeiträge und Mitgliedskleidung, sowie Funktionen als Sektionsleiter oder Kassenwart. Es gibt Vollmitglieder und Mitglieds-Anwärter. Auf der Vorderseite der verschriftlichten Richtlinien prangt das Organisationssymbol des C18-Drachen. Dieses Erkennungszeichen findet sich international in allen Divisionsabzeichen und auf Kleidungsstücken der Mitglieder.

Die Drachen-Shirts sind nicht frei verkäuflich, es ist kein Handel bekannt, der diese anbietet. Aus der Kommunikation des internationalen Netzwerkes geht hervor, dass nur anerkannte Mitglieder von «Combat 18» diese Kleidung tragen dürfen. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass in Deutschland auch Personen, die keine Vollmitglieder sind – bspw. „Anwärter“ und von der Organisation anerkannte „Supporter“ – den C18-Drachen zeigen dürfen. . Bekannt ist allerdings, dass es auch Kleidungsstücke mit einem Organisationsabzeichen für Mitglieds-Anwärter gibt. Wichtige Personen von «Combat 18 Deutschland» sind nach wie vor: Stanley Röske, ehemals aus Nordhessen und jetzt in Eisenach wohnhaft, der eine Sektion von C18 Deutschland anführt und einer der „Europa-Chefs“ im C18-Netzwerk sein soll. Marko Gottschalk aus Dortmund, der die C18-Gruppe «Brothers of Honour» repräsentiert und dessen Band «Oidoxie» das bedeutendste musikalische Sprachrohr von C18 in Deutschland ist. Robin Schmiemann aus Castrop-Rauxel, der als rechte Hand des internationalen C18-Chefs William Browning aus England gilt und als Sprecher von C18 Deutschland auftritt, und Thorsten Heise aus Fretterode in Thüringen, ein enger Weggefährte von Browning, der im C18-Netzwerk eine Autoritätsperson und eine Art Spiritus Rector ist.

Exif schrieb im Sommer 2018, dass sich von zirka 50 Personen eine Mitgliedschaft in C18 Deutschland belegen lässt. Diese Zahl muss mittlerweile erheblich nach oben korrigiert werden. Alleine die Sektion Bayern, die in der Exif-Veröffentlichung von 2018 noch keine Rolle spielte, soll laut polizeilicher Ermittler*innen die mitgliederstärkste Sektion in Deutschland sein. Zulauf hat insbesondere die C18-Gruppe «Brothers of Honour», die in den letzten Monaten etliche neue Mitglieder vor allem aus Nordrhein-Westfalen aufnahm. Zudem wurde im März 2019 die Neonazigruppe «Brigade 8», die mehrere Dutzend Mitglieder hat, im Rahmen eines Konzertes im sächsischen Mücka in die Organisation C18 Deutschland aufgenommen.

Die «Brothers of Honour»

Die «Brothers of Honour» sind eine B&H/C18-Gruppe, die seit Monaten national und international überaus selbstbewusst auftritt. Sie sammelt sich um die Musikband «Oidoxie», ein Schwerpunkt der Gruppe liegt demnach im Großraum Dortmund. Erstmals tauchte Martin Krause, der Bassist von «Oidoxie», im Juli 2017 bei einem Festival in Themar (Thüringen) in einem «Brothers of Honour»-Shirt auf. Die «Brothers of Honour» sind ein integraler Bestandteil von B&H/C18, sie pflegen intensive Verbindungen zu den C18-Gruppen in Skandinavien, England, der Schweiz und Polen und werden von diesen als das deutsche C18 angesehen. Dass auch C18-Protagonisten aus England und Schweden in den Kutten der «Brothers of Honour» auftreten, zeigt, dass die Gruppe ihre Mitglieder mittlerweile international sammelt.

Seit Anfang 2019 tritt diese Gruppe in schwarzen Lederwesten („Kutten“) im Stile eines Rockerclubs auf. Sie zeigt in ihrem Gruppenlogo die Zahl 28, weiterhin finden sich auf ihren Kutten Patches mit dem Code „28FF28“ und dem C18-Leitspruch „Whatever it takes“. Die Initialen „BH“, die 28 (in der Reihenfolge des Alphabets die Buchstaben B und H) und „28FF28“ („Blood & Honour Forever, Forever Blood & Honour“) sind allesamt Bekenntnisse zum in Deutschland verbotenen Netzwerk «Blood & Honour». Bei einem Neonazitreffen in Themar am 6. und 7. Juli 2019 mussten die «Brothers of Honour» die „28“ auf ihren Kutten abkleben, da dies nach Einschätzung der Polizei vor Ort einen unerlaubten Bezug auf «Blood & Honour» darstelle. Doch von Ermittlungen wegen der Wiederbetätigung von «Blood & Honour Deutschland» sind die «Brothers of Honour» – im Gegensatz zu anderen Gruppen von C18 Deutschland – derzeit offensichtlich nicht betroffen.

In der uniformen Kluft zeigt sich das Selbstverständnis einer in sich geschlossenen Gruppe. Dass sich Nicht-Mitglieder derart kleiden, ist ebenso wenig vorstellbar, wie das Tragen einer Hells Angels-Kutte ohne entsprechende Zugehörigkeit und Befugnis. Insbesondere Thorsten Heise scheint zu den «Brothers of Honour» ein sehr enges Verhältnis zu pflegen. Dies wird unter anderem an Silvio Will aus Mecklenburg-Vorpommern deutlich. Will gilt seit Jahren als „Heise-Mann“ und ist bei fast all Veranstaltungen von Heise organisatorisch eingebunden. Im März 2019 trat Will beim C18-Treffen in Mücka mit der «Brothers of Honour»-Kutte auf. Beim «Eichsfeldtag» im Mai 2019 betreute er den Stand von Thorsten Heise im «Brothers of Honour»-Shirt.

Doch die Behörden verschweigen diese Gruppe und lavieren herum. Am 2. Juli 2019 schrieb das Innenministerium Nordrhein-Westfalen auf eine Anfrage der Grünen: „Seit 2013 ist in Deutschland eine C18-Gruppierung aktiv, deren Mitglieder aus mehreren Bundesländern stammen. Die Landesregierung geht von einer einstelligen Personenzahl aus, die in Nordrhein-Westfalen C18 zugerechnet werden kann. Die Personen verhalten sich grundsätzlich konspirativ, sodass nur wenige Aktivitäten öffentlich bekannt werden. Zu den bekannt gewordenen Aktivitäten gehört die Störung einer Veranstaltung der Partei Bündnis 90/Die Grünen in Lünen im September 2018. Diese wurde mutmaßlich durch einen der Hauptakteure bei C18 in Nordrhein-Westfalen initiiert, der auf einer Demonstration in Dortmund im Oktober 2018 dann in einem T-Shirt mit der Aufschrift „Combat 18“ in Erscheinung trat. Dieser Akteur hat auch 2019 an mehreren Demonstrationen der Partei „Die Rechte“ im Rahmen ihres Europawahlkampfes teilgenommen und sich auch mit entsprechenden T-Shirts gezeigt, so am 1. Mai in Duisburg und am 3. Mai in Dortmund.“

Der Hauptakteur von C18 Deutschland, dessen Aktivitäten breit ausgeführt werden, ist unschwer als Robin Schmiemann von den «Brothers of Honour» zu identifizieren. Doch „seine“ «Brothers of Honour» werden in der Antwort nicht namentlich erwähnt. Es scheint, als sei das Innenministerium in NRW bemüht, die «Brothers of Honour» aus der Schusslinie zu nehmen, um sie nicht in Verfahren gegen C18 Deutschland einbeziehen zu müssen. Das mag mit der Person Thorsten Heise zusammenhängen. Über Heise halten die „Dienste“ seit vielen Jahren schützende Hände, ihn möchte man bei einem Schlag gegen C18 Deutschland nicht mit Unannehmlichkeiten belästigen. Und es ist an der Zeit, eine zweite Person unter die Lupe zu nehmen, die wie keine zweite in Deutschland die „Terrormachine Combat 18“ und die «Brothers of Honour» personifiziert und an der bislang jegliche Repressalien vorbei liefen.

In dubio pro «Combat 18»

Auch bezüglich des 46-jährigen Dortmunders Marko Gottschalk summieren sich die Merkwürdigkeiten, die sich zu einem konkreten Bild verdichten. Im Jahr 2006 standen Razzien gegen Personen der «Division 28» an, einer Nachfolgestruktur von «Blood & Honour Deutschland». Das federführende Landeskriminalamt Baden-Württemberg bat die Kollegen in NRW darum, bei Gottschalk zu durchsuchen, da er nach ihren Erkenntnissen unter anderem in die Organisation von Konzerten eingebunden war, die Gegenstand der Ermittlungen waren. Doch die Behörden in NRW lehnten dies ab, sie führten nicht einmal ein Ermittlungsverfahren gegen Gottschalk, angeblich weil die Erkenntnisse zu alt gewesen seien. Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss in NRW zur Aufklärung der Verbrechen des NSU (im Folgenden: PUA) bemängelt, dass sich aus der Akte, die dem PUA vorgelegt wurde, nicht ergibt, wie und durch wen es zu dieser Bewertung gekommen war (Schlussbericht des PUA, S. 166).

Ein Jahr später, im November 2007, wurde Marko Gottschalk vom Amtsgericht Dortmund in einem anderen Verfahren mangels Beweisen freigesprochen. Damit nahm ein außergewöhnlich langes, weil durch unkooperatives Verhalten des Verfassungsschutz NRW verschlepptes Strafverfahren sein Ende. Gottschalk und weiteren Neonazis war vorgeworfen worden, zwischen den Jahren 2000 und 2002 die CD „Weisse Wut“ der sich zu C18 bekennenden Band «Weisse Wölfe» eingespielt und hergestellt zu haben. Die CD enthielt zahlreiche volksverhetzende und zur Gewalt aufrufende Lieder, weswegen der Dortmunder Staatsschutz seit 2002 gegen Gottschalk und seine Kameraden ermittelte. Im Juli 2005 wurde die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen. Dass es dennoch mehr als zwei Jahre dauern sollte, bis ein Urteil gesprochen werden konnte, ist der Intervention des Verfassungsschutzes und des Innenministeriums NRW geschuldet. Letzteres erteilte dem Hauptbelastungszeugen der Anklage keine Aussagegenehmigung. Der mit den Ermittlungen gegen «Weisse Wölfe» betraute Polizist war nämlich zwischenzeitlich vom polizeilichen Staatsschutz zum Verfassungsschutz NRW gewechselt. Drei Mal wurde vor dem Amtsgericht Dortmund verhandelt, dreimal erschien der Zeuge vom Verfassungsschutz nicht. Erst nach zwei weiteren Jahren stimmte der Verfassungsschutz NRW der Vernehmung seines Mitarbeiters unter der Maßgabe zu, dass diese per Videoschaltung erfolgt. Das war am 7. November 2007. Nicht erschienen waren – wie bereits bei den vorherigen Verhandlungsterminen – die als Zeugen geladenen ehemaligen Bandmitglieder, die bei der Polizei Belastendes ausgesagt hatten. Folglich hielt die Anklage nicht stand und Gottschalk verließ das Gericht ohne Strafe (Schlussbericht des PUA, S. 253-257).

Am 30. Juli 2019 gewann Gottschalk vor dem Landgericht in Dortmund einen Prozess gegen die die BILD-Zeitung. Gottschalk hatte auf Unterlassung geklagt, da die BILD ihn in einem Artikel von Juni 2019 als Mitglied und Schlüsselfigur von «Combat 18» beschrieb und seine Aktivitäten um eine C18-Zelle in Dortmund im Jahr 2003 erwähnte. Die Rechtsabteilung der BILD war auf den Prozess schlecht vorbereitet, so dass das Gericht der einstweiligen Verfügung von Gottschalk in dieser Instanz Recht gab.

Dass Marko Gottschalk seine exponierte Rolle in C18 Deutschland abstreitet und damit vor Gericht durchkommt, ist grotesk. Er trägt ein «Combat 18»-Tattoo auf der Brust und ist Gründer, Sänger und Frontmann der Band «Oidoxie», die wie keine zweite Band «Combat 18» in Deutschland repräsentiert und deren Konzerte seit Jahren den kulturellen Rahmen von Treffen von B&H/C18 in Deutschland bilden. So wurde die Neustrukturierung des internationalen Netzwerks von B&H/C18 am 3. März 2012 im Rahmen eines «Oidoxie»-Konzertes in Schweden beschlossen. Neonazis u.a. aus den skandinavischen Ländern, aus Deutschland, den Niederlanden und England legten im Rahmen des Konzerts die grundlegende Neuordnung fest. «Oidoxie» spielte auch am 23. März 2019 im sächsischen Mücka auf dem „Vereinigungstreffen“ von «Brigade 8» und C18 Deutschland. Und am 13. April 2019 stellte sich Band bei einem «Oidoxie»-Konzert in Sofia, bei dem das 20-jährige Bestehen von B&H/C18 Bulgaria gefeiert wurde, zum Foto vor einem Transparent mit dem C18-Drachen auf.

Nicht zu übersehen ist, dass Gottschalk eine führende Person der «Brothers of Honour» ist, die sich offen zu B&H/C18 bekennen. Bei allem Lavieren kommt auch der Verfassungsschutz nicht drumherum, die Rolle von Gottschalk in der 2012 neuformierten B&H/C18-Organisation anzuerkennen. Im Januar 2016 wurde im PUA der Verfassungsschutz-Mitarbeiter Jörg A. nach der Dortmunder „Zelle“ von «Combat 18 Deutschland» gefragt. Jörg A. bestritt, dass dies eine Zelle sei und antwortete: „Es ist vielleicht bestenfalls eine Gruppierung, die sich als „Combat 18“ bezeichnet. Meine Erkenntnisse sind da auch eher rudimentär. Ich weiß, dass der Marko Gottschalk da die treibende Kraft ist. Ich weiß, dass sich das alles um diese Musikgruppe oder diese Skinheadgruppe „Oidoxie“ gruppiert. (…) Und soweit mir das jetzt noch in Erinnerung ist, kam es zu verschiedenen Äußerungen Gottschalks, er sei eben auch der offizielle Ableger von „Combat 18 Deutschland“.

Bereits Anfang der 2000er Jahre hatte sich im Raum Dortmund um Gottschalk eine C18-Gruppe formiert, über deren Organisationsgrad und Gefährlichkeit die Meinungen auseinander gehen. Der Verfassungsschutz in NRW hatte mit dem Neonazi Sebastian Seemann einen V-Mann in der C18-Gruppe platziert. Burkhard Freier, Chef der Abteilung 6 Verfassungsschutz des Innenministeriums NRW, beschrieb diese Gruppe in einer Anhörung vor dem PUA 2016 als „Maulhelden“, die geredet aber nicht gehandelt hätten. Doch weder Freier noch der V-Mann Seemann bestritten, dass sich zu dieser Zeit im Raum Dortmund um Marko Gottschalk eine Gruppe von sieben Personen formierte, die sich C18 nannte, die über Terror und Untergrundkampf sprach und die sich Waffen beschaffte und an Schießtrainings teilnahm. (Teile der Aussagen von Freier und Seemann sind nachzulesen im Schlussbericht des PUA (ab S. 194).

Der Journalist David Schraven kam zu einer anderen Erkenntnis als Freier. Schraven hatte sich in Gesprächen mit einem ehemaligen Neonazi, der sich in Kreisen von C18 im Ruhrgebiet bewegt hatte, einen tiefen Einblick in die damalige Szene verschafft. Er schreibt, die Dortmunder C18-Gruppe habe mehrere Pumpguns und eine Maschinenpistole besessen und resümiert: „Nur mit Glück ist der große Knall einer rechtsradikalen Gewaltorgie in Dortmund ausgeblieben.“ Der PUA vermochte nicht zu klären, welche Gefahr von der Gruppe tatsächlich ausging. Doch an Gottschalks führender Rolle im Kreis von C18 hatte auch er keinen Zweifel: „Mehrere seit 2003 bei der Abteilung 6 eingegangene Quellenmeldungen enthielten die Information, dass Gottschalk eine wichtige Führungsperson von „Combat 18“ in Deutschland ist. Marko Gottschalk wurde innerhalb Neonazi-Szene als Repräsentant von „Combat 18“ in Deutschland angesehen.“ Die «Combat 18»-Zelle um Gottschalk spielte auch in den Ermittlungen zum Mord an Mehmet Kubaşık eine Rolle. Kubaşık war am 4. April 2006 in Dortmund vom NSU erschossen worden. Im November 2011, kurz nach der Selbstenttarnung des NSU, gab Seemann der Polizei einen Hinweis auf die Dortmunder C18-Gruppe, die er „Kampfgruppe Gottschalk“ nannte. Die habe sich, so Seemann, an dem Roman „The Turner Diaries“ orientiert, bzw. an der dort beschriebenen Terror-Strategie des „Leaderless Resistance“. Diese Strategie hatte offensichtlich auch der NSU verfolgt. Doch auf diesen Hinweis von Seemann folgten keine Ermittlungsmaßnahmen gegen Gottschalk und die C18-Gruppe. Nachdem die Nebenklage im NSU-Prozess die Aussagen Seemanns gefunden hatte, stellte sie Beweisanträge, um Seemann und Gottschalk als Zeugen zu vernehmen. Die Bundesanwaltschaft lehnte die Beweisanträge im November 2014 als irrelevant für das Verfahren ab. Erst im März 2015 wurde Gottschalk vom BKA zur Zeugenaussage geladen, wo er die Aussage verweigerte. Damit gab sich die Bundesanwaltschaft zufrieden, verzichtete auf eine staatsanwaltschaftliche Vorladung und auf sonst übliche Sanktionen. Auch im Münchener NSU-Prozess musste Gottschalk nicht erscheinen.

Das Bekenntnis zu Gewalt, Terror und «Combat 18» zieht sich als Faden durch die politische Vita des Marko Gottschalk. 2006 veröffentlichte «Oidoxie» die C18-Hymne „Terrormachine“, darin singt Gottschalk: „We want our Citys clean. This is the Terrormachine, this is Combat 18,, hail to Combat 18, hail to the terrormachine.“ In dem Song „Ready for war“ von 2008 gibt er ein weiteres Bekenntnis zu C18 ab: „We are full of hate for you, C18 stands on our banner, a radical army for freedom, aryan blood pride and honour. A better future for our people that’s what we’re fighting for, in the name of the gods hail to Odin, hail to Thor. We are ready for war, we are ready to fight. We are ready for war, we wish you a good night. To all the fucking wankers, you know what we will do. We are Combat 18, who the fuck are you?“

Anfang 2019 veröffentlichte B&H/C18 einen CD-Sampler mit dem Titel „Combat 18 Deutschland – B&H“. Das Cover zeigt ein Hakenkreuz, den C18-Drachen und einen SS-Totenkopf, die CD enthält Lieder bekannter und bekennender C18-Bands wie «TreueOrden» aus Thüringen, «Amok» aus der Schweiz und «Oidoxie». Über diese CD hatte Exif bereits im April 2019 berichtet.

Selbst mit der «Oidoxie Streetfighting Crew» (SFC) will Marko Gottschalk heute wenig zu tun gehabt haben – obwohl es sogar ein Foto von ca. 2005 gibt, auf dem sich die SFC in Einheitskleidung aufstellt und in deren Mitte Gottschalk steht. Die Anfang der 2000er aus dem „Sicherheitsdienst“ von «Oidoxie» hervorgegangene SFC galt bis in die 2010er Jahre szeneintern als das deutsche C18. Die SFC war eine Vorläuferstruktur des 2012 gegründeten C18 Deutschland, es gibt viele personelle Überschneidungen, zum Beispiel Robin Schmiemann und Stanley Röske, der in den 2000er Jahren die «Nordhessen-Crew» der SFC (einen SFC-Ableger im Raum Kassel) anführte. Über Gottschalk und die SFC sagte Sebastian Seemann 2016 vor dem hessischen PUA: „Und der Gottschalk steht halt darauf, viele Leute um sich zu scharen. Die haben dann alle dasselbe T-Shirt angekriegt. Irgendwann wurden die T-Shirts dann sogar rot, also Signalfarbe, damit man direkt erkennen konnte: Das waren Gottschalk, Oidoxie und die Leibstandarte der Band Oidoxie, also die Armee von Gottschalk. – Im Grunde ist diese Oidoxie-Crew deshalb so gewachsen, weil zum einen Gottschalk gerne viele Leute um sich schart und zum anderen auch viele gerne in den Genuss kommen wollten, in dieser Crew zu sein.“

Die zentrale Frage ist: Warum verklagt Gottschalk die BILD-Zeitung? Es geht ihm natürlich nicht darum, seinen Ruf zu retten, denn sein gehobener Szene-Status basiert gerade darauf, dass er als Repräsentant von C18 anerkannt ist. Gottschalk tut das, wofür er seit beinahe 20 Jahren in und außerhalb der Szene wohlbekannt ist: Er macht sich rechtzeitig aus dem Staub, bevor die Repressionswelle anrollt. Und es sieht so aus, als würde er auch dieses Mal ohne Schaden davon kommen. Die Klage von Gottschalk zeigt, dass die C18-Neonazis auf ein Verbot ihrer Struktur vorbereitet sind. Sollte dieses eintreten, wird bei den Razzien wohl nichts Belastbares mehr zu finden sein. Und Gottschalk wird – wie auch Heise – weiter an der langen Leine laufen dürfen.

Die Ermittlungen gegen «Blood & Honour Deutschland»

Aktuelle Ermittlungen zeigen: Die Weiterführung des verbotenen «Blood & Honour Deutschland» und die Organisation B&H/C18 bzw. C18 Deutschland sind im Wesentlichen eins – es sind die selben Strukturen und Personen.

Auf Anweisung eines Münchner Amtsrichters führte die Polizei im Dezember 2018 Razzien gegen 12 Neonazis in Bayern, Baden-Württemberg, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Hessen durch. Mehrere Personen wurden festgenommen und kamen vorübergehend in Untersuchungshaft. Sie werden beschuldigt, «Blood & Honour Deutschland» weitergeführt zu haben. Nach Kenntnis der Ermittler*innen unterhielten sie dazu eine Verwaltungsstruktur der «Blood & Honour Division Deutschland» mit Untergliederungen in die Sektionen Bayern, Baden-Württemberg, Thüringen und Mitteldeutschland. Der Organisation zugehörig seien „Anwärter“ und Mitglieder gewesen, die sich unter anderem zu „Pflichtterminen“ getroffen hätten. Die Beschuldigten sollen dabei Funktionen als Divisions-Chef, Sektions-Chefs und Kassenwarte gehabt haben. Wie die Autonome Antifa Freiburg berichtet, werden Mitgliedsbeiträge in Höhe von monatlich 30€ entrichtet. Davon gehen 20€ direkt an die Bundesführung, die verbleibenden 10€ stehen der lokalen Struktur zur Verfügung.

Die Ermittlungen ergaben zudem, dass mehrere der Beschuldigten „die Vermarktung der Marke «Blood & Honour» betrieben“ hatten. Sie ließen unter anderem Musik-CDs produzieren, die nicht für den öffentlichen Verkauf bestimmt waren. In diesen wimmelte es von strafbaren Textinhalten und Symboldarstellungen, wie z.B. einem Hakenkreuz auf dem Cover. Die Mitglieder Ringo Wittig, Janosch Philipp sowie Stanley Röske, der als ein Drahtzieher ausgemacht wurde, sollen die Herstellung hunderter dieser CDs in Ungarn und deren Einfuhr nach Deutschland organisiert haben.

Die Ermittler*innen kamen nicht umhin, festzustellen, dass sich Röske „zu der derzeit in Deutschland nicht verbotenen Organisation «Combat 18» bekennt“ und dass die drei eine CD mit einem Drachen sowie den Aufschriften «Combat 18» und den Buchstaben B und H vertrieben hatten. Doch brachten die Ermittler*innen das Kunststück fertig, mit keiner Silbe zu erwähnen, dass die Struktur, gegen die sie ermitteln, als «Blood & Honour / Combat 18» und «Combat 18 Deutschland» auftritt und dass der erwähnte Drache das Abzeichen eben dieser Organisation ist.

Für die „Sektion Thüringen“ soll laut den Ermittlungen Sven Büschen in Suhl verantwortlich sein. Schon in den frühen 2000er Jahren galt er als ein Anführer einer ca. 12-köpfigen Gruppe in Thüringen, die von sich behauptete, eine (von wem auch immer) „autorisierte“ C18-Struktur zu sein. Im Februar 2002 griff er mit einer Gruppe zusammen Gäste einer Karnevalsveranstaltung in Mehlis (Thüringen) an. Dabei töteten sie beinahe eine Person. Als im August 2018 in Kirchheim (Thüringen) ein Abschiedskonzert für die zu langen Haftstrafen verurteilten Mitglieder von «TreueOrden» stattfand, war Sven Büschen ebenfalls zu Gast.

Die bayerischen Mitglieder kommen hauptsächlich aus Orten im oberbayerisch-österreichischen Grenzgebiet. Sektionsleiter soll Ringo Wittig sein. Er soll Ron Helemann als Sektionschef abgelöst haben, von dem es heißt, er habe die Organisation im Jahr 2018 im Streit verlassen. Noch im Oktober 2017 nahm Helemann zusammen mit Robin Schmiemann und anderen C18-Exponenten aus dem Kreis um «Oidoxie» an der Hochzeit eines polnischen C18-Mitglieds teil.

Ringo Wittig gehört dem Kreis von B&H/C18 schon seit vielen Jahren an. Am 6. März 2010 reiste er zu einem Konzert ins sächsische Rothenburg, das unter dem Motto „No Surrender 28“ angekündigt war. Mit ihm im Auto saß Alexander Gorges, der viele Jahre in der Band «Oidoxie» spielte und 2012 eine zentrale Rolle beim Aufbau von C18 Deutschland spielte. Auf dem „No surrender 28“-Konzert trat «Oidoxie» auf und Konzertberichten zufolge war «Combat 18» an diesem Abend für den Saalschutz zuständig. Neben Wittig wird gegen die bayrischen Neonazis Janosch Philipp, Sven Möller, Markus Weigant und Stefan Rockstroh ermittelt, sowie gegen Tanja Nürnberger, die Partnerin von Wittig, die der bayrischen Sektion geholfen haben soll, die Finanzen zu organisieren.

Im Nachbarland Baden-Württemberg ist laut den ermittelnden Behörden Alexander Scholl aus Fellbach als Sektionsleiter tätig. Bei Scholl gab es bereits im März 2016 eine Hausdurchsuchung, weil ihm neben 11 weiteren Mitgliedern die Verbotsverfügung für die Kameradschaft «Weisse Wölfe Terrorcrew» (WWT) überstellt wurde. Damals war Scholl der Leiter der „Sektion Württemberg“ der WWT. Zuletzt nutzte er in den sozialen Medien das Drachen-Emblem als Profilbild und bekannte sich damit öffentlich zu C18 Deutschland. Im Fokus der Ermittler*innen ist auch Fabian Flöss aus Bingen (bei Sigmaringen), der Kassenwart der Sektion in Baden-Württemberg sein soll und der seit Jahren aus dem Fankreis von «Oidoxie» bekannt ist.

Die aktuellen Ermittlungen gegen «Blood & Honour Deutschland» zielen tatsächlich nur auf einen Teil der deutschen Struktur von B&H/C18. Augenscheinlich ist, dass die bayerischen Behörden bei den Razzien im Dezember 2018 im Alleingang handelten. Man hat den Eindruck, dass die Behörden in den anderen Bundesländern nicht involviert waren, nicht kooperierten und über das Vorpreschen der Bayern verärgert waren. So droht der bisher einzige „Schlag“ gegen «Combat 18 Deutschland» zur Luftnummer zu verkommen.

Behördenlogik: Ermitteln statt zerschlagen

In der Vergangenheit wurden die polizeilichen Mittel der Überwachung beständig ausgeweitet: umfangreichere Telefonüberwachungen, Große Lauschangriffe, Staatstrojaner und manches mehr. Doch die Mittel und Möglichkeiten, die geschaffen wurden, um effizienter ermitteln zu können, führen paradoxerweise dazu, dass immer größere Ermittlungskomplexe eröffnet und nicht zum Abschluss gebracht werden. Das Antifaschistische Infoblatt erklärt 2016 in dem Artikel „Ermittlungen gegen ‚Blood & Honour‘ Nachfolger“ warum gerade Ermittlungen nach §85 StGB („Verstoß gegen ein Vereinigungsverbot“) vielfach versanden: „Der §85 StGB ermöglicht es der Polizei, über viele Jahre das volle Programm zu fahren: Strukturermittlungsverfahren und umfassende Kommunikationsüberwachung zur Beschaffung und Auswertung großer Datenmengen. […] Sicherheitsbehörden setzen ihre Priorität in der Regel darauf, tiefe Einblicke in die Strukturen zu bekommen, geleitet vom unbeirrbaren Glauben, diese dadurch unter Kontrolle zu haben. […] Ein zügiger Abschluss der Ermittlungen ist oft nicht von Interesse, denn mit diesem müssen die Überwachungsmaßnahmen eingestellt oder zumindest stark zurückgefahren werden.“ Hinzu kommt, dass mit einer Anklage in der Regel auch V-Personen kompromittiert werden (müssten), da sie in den Gruppenhierarchien oft oben stehen und sich massiv an Straftaten beteiligen. Die Geheimdienste und auch die Polizeibehörden, die diese Spitzel „führen“, wollen diese als Informationsquellen behalten und schützen sie deshalb.

Die Botschaft, die die Behörden in die Neonaziszene senden ist deutlich: Eine Kooperation mit staatlichen Stellen sichert den Fortbestand von Gruppen wie C18 und schützt vor Strafen. Die Neonazis selbst wissen den Schutz und die Finanzierung zu schätzen. Zum Beispiel Thorsten Heise. In einem Gespräch mit dem Thüringer Neonazi und langjährigen V-Mann Tino Brandt, das Heise im Jahr 2007 führte und aufzeichnete, erläuterte Brandt die Vorteile seiner Tätigkeit für das Amt. Heise zeigte sich ihm gegenüber überaus verständnisvoll: „Du hast Thüringen aufgebaut, ohne Dich würde in Thüringen nicht eine Struktur stehen. Ich bin ehrlich davon überzeugt, dass Du immer ein nationaler Kamerad gewesen bist bis heute. Ich glaube nicht, dass Du für den Verfassungsschutz gearbeitet hast und Informationen weitergegeben hast, die die nicht sowieso schon wussten. Sondern ich weiß ja selber augenzwinkernd, wir haben so viele Sachen zusammen gemacht, äh, äh … wenn dann es an dem wäre, dann äh würden wir jetzt beide nicht hier sitzen.“ (Vgl. „Heimatschutz“ Stefan Aust/Dirk Laabs S.122).

Neonazis, die als Spitzel bekannt wurden oder als solche vermutet werden, sind in der Regel keiner Stigmatisierung als „Verräter“ ausgesetzt, sondern bewegen sich munter weiter in ihren Szenen. Wie auch Marco Borrmann aus Niedersachsen, einer der engsten Vertrauten von Heise, über dessen Spitzeltätigkeit man in der Szene längst Bescheid zu wissen glaubt. Und schließlich Stanley Röske selbst, einer der Anführer von C18 Deutschland. Die bayerischen Behörden trugen letztlich erhebliches Belastungsmaterial zusammen und Röske kam in Untersuchungshaft. Er verlor seine Arbeit, seine Ehefrau trennte sich von ihm und warf ihn aus der gemeinsamen Wohnung. Sprich, er hatte keine feste Bleibe, keine geregelte Arbeit, jedoch internationale Kontakte in ein schwerkriminelles Milieu. Bei (fast) jedem anderen Verdächtigen dienen derartige Faktoren dazu, Untersuchungshaft zu verhängen und zu bestätigen. Der C18-Chef jedoch kam nach wenigen Wochen frei, gerade rechtzeitig, um am „Vereinigungstreffen“ von «Brigade 8» und «Combat 18 Deutschland» am 23. März 2019 in Mücka teilzunehmen.

Zerschlagen statt verbieten

Am 13. August 2019 schrieb die „Süddeutsche Zeitung“: „Es ist völlig lächerlich, dass die Neonazi-Truppe „Combat 18“ bislang in Deutschland nicht verboten ist“ und forderte „Verbietet sie!“. Die Argumente, die staatlicherseits gegen ein Verbot angeführt werden, sind altbekannt: Man könne nicht rechtssicher belegen, wer zur Organisation gehöre und es bestünde die Gefahr, dass «Combat 18»-Angehörige dann in den Untergrund gingen. Tatsächlich ist das Organisationsformat von B&H/C18 bzw. «Combat 18 Deutschland» sehr wohl zu greifen. Schwierig – im Sinne von schwer vermittelbar – würde es nur, B&H/C18 zu verbieten und die «Brothers of Honour» von dem Verbot auszunehmen. «Combat 18» forciert Terror und Untergrundkampf – man will sie nicht verbieten, weil dann ein Untergrund entstehen könnte? Das suggeriert, dass militante Neonazis freundlicherweise darauf verzichten würden, Mord und Totschlag zu begehen, wenn man ihnen eine Spielwiese zuweist, auf der sie sich unter staatlicher Aufsicht als Maulhelden austoben können. Dieser Unsinn ist nicht neu und lebensgefährlich. Alle bekannt gewordenen neonazistischen Mörder, Beinahe-Mörder und Brandstifter nach dem NSU handelten nicht aus dem Untergrund, wie zuletzt Stephan Ernst. Sondern sie lebten unter ihren richtigen Namen und waren jederzeit greifbar. Und selbst beim NSU ist die Rede vom Untergrund unangebracht, lebte das Kerntrio doch in Chemnitz und Zwickau mit guten Szenekontakten und umgeben von V-Leuten.

Ein Verbot würde B&H/C18 in Deutschland in dem Sinne beeinträchtigen, dass die Organisation gezwungen wäre, sich umzustrukturieren, was sie zugegebenermaßen für einen kurzen Zeitraum lähmen würde. Die Erfahrung lässt aber befürchten, dass schnell und unter Mitwirkung der Geheimdienste mittels der V-Leute Nachfolgegruppen entstehen, die dafür sorgen werden, dass der Kreis möglichst zusammen bleibt. Das Label wird ausgetauscht, was aber bleibt ist die menschenverachtende Propaganda der „Terrormachine“ , mit der die nächsten Neonazi-Generationen radikalisiert und in ihrem Handeln bestätigt werden. Ein Verbot kann allenfalls ein Hilfsmittel dazu sein, B&H/C18 zu zerschlagen und deren Exponent*innen handlungsunfähig zu machen.

Der Staat versucht derzeit das Thema C18 auszusitzen. Allenfalls werden Möglichkeiten sondiert, wie man – um dem öffentlichen Druck nachzugeben – C18 Deutschland verbieten könnte ohne es zu zerschlagen, was meint: ohne die Positionen der Spitzel zu schwächen und ohne die Fäden aus der Hand zu geben. In der Logik seiner Geheimdienste, die B&H/C18 mit Spitzeln durchsetzt haben, funktioniert alles nach Plan. Deswegen gilt: Never change a running system. Und hier zeigt sich das falsche Verständnis von rechtem Terror in Deutschland. Erst wenn der Staat, seine Organe und Repräsentant*innen in die Schusslinie kommen, erkennt der Staat Terrorismus.

An diesem Verständnis von Terrorismus und der davon abgeleiteten behördlichen Praxis zeigt sich der Rassismus als Staatsräson. Das hat sich im NSU-Komplex deutlich gezeigt. Die Personen, die durch rechten Terror in ihrem Leben massiv eingeschränkt und oft unmittelbar gefährdet sind, sind fast nie politische und wirtschaftliche Eliten. Es sind Menschen, die von der Mehrheitsgesellschaft als „anders“ und „fremd“ angesehen werden und/oder die sich für die Rechte und die Teilhabe derer einsetzen, die völkische Kräfte als „anders“ und „fremd“ ausgrenzen. Diese Menschen wirksam zu schützen, liegt nicht im staatlichen Interesse oder zumindest steht der Schutz der Quellen immer über dem Schutz der Bevölkerung. Diese Mentalität zeigt sich in den Debatten um Polizeigewalt, um rechte Netzwerke in der Armee und eben auch im Umgang der Politik mit den Geheimdiensten. Gerade zu absurd erscheint es, bei B&H/C18 über dieselben Praxen sprechen zu müssen, die den NSU erst ermöglicht haben. Nachdem offenbar wurde, welche Rolle die V-Leute im Komplex spielen und nachdem die Anklage seitens der Gesellschaft der Vielen beim Tribunal „NSU-Komplex auflösen“ erhoben wurde.

Rechter Terror braucht keine Bekenner*innenschreiben, er wirkt auf diejenigen, die sich von ihm gemeint fühlen. Das zeigen die Beispiele aus dem NSU-Komplex und insbesondere die Demonstration in Kassel im Jahr 2006 und es zeigt sich wieder nach der Hinrichtung von Walter Lübcke. In den Kreisen der CDU blieb die Panik aus. Sie fühlten sich von der Tat nicht angesprochen, denn Lübcke wurde nicht als CDU-Politiker ermordet, sondern er wurde von seinem mutmaßlichen Mörder Stephan Ernst als Repräsentant der „Willkommenskultur“ ausgemacht.

In diesem Staatsverständnis besteht keine Notwendigkeit «Blood & Honour / Combat 18» bzw. «Combat 18 Deutschland» zu verbieten – selbst wenn es sich als „Terrormachine“ und bewaffneter Arm einer in Deutschland verbotenen Neonaziorganisation labelt, wenn es in den vergangenen Jahren über Nazikonzerte hundertausende Euros einnahm, mit denen die Infrastruktur der militanten Neonaziszene weiter ausgebaut wird, wenn es via Rechtsrock rassistische, antisemitische und antilinke Mordfantasien verbreitet und wenn ihr Handeln darauf zielt, Teile der Bevölkerung zu terrorisieren und gesellschaftlichen Zusammenhalt zu zerstören. Der staatliche Umgang mit B&H/C18 ist auch ein Angriff auf die Gesellschaft der Vielen. Das Problem rechten Terrors ist nicht mit Verboten zu lösen, sondern nur mit einer kompletten Zerschlagung der Strukturen samt ihrer Helfer*innen innerhalb der Behörden. Aber das Gegenteil ist der Fall: Horst Seehofer kündigt in dieser Situation an, den Verfassungsschutz erneut zu stärken und auszubauen.

Robin Schmiemann verliest eine Stellungnahme als Sprecher für «Combat 18 Deutschland»
Robin Schmiemann verliest eine Stellungnahme als Sprecher für «Combat 18 Deutschland»
«Combat 18 Deutschland» Richtlinien – Internes Dokument
«Combat 18 Deutschland» Richtlinien – Internes Dokument
20. Juli 2019: Zuwachs bei B&H C18 auch in Hessen. Tobias Kammler aus Neukichen (Schwalm-Eder-Kreis) auf einem Aufmarsch der Partei Die Rechte in Kassel – Quelle: Tim Mönch
20. Juli 2019: Zuwachs bei B&H C18 auch in Hessen. Tobias Kammler aus Neukichen (Schwalm-Eder-Kreis) auf einem Aufmarsch der Partei Die Rechte in Kassel – Quelle: Tim Mönch
1. Juni 2019: «Brothers of Honour» / «Combat 18»-Mitglieder: Unbekannt, Alexander Michels, Marko Gottschalk, Duncan MCDonald (England), Christopher Jones (England) in Dortmund
1. Juni 2019: «Brothers of Honour» / «Combat 18»-Mitglieder: Unbekannt, Alexander Michels, Marko Gottschalk, Duncan MCDonald (England), Christopher Jones (England) in Dortmund
1. Christopher Jones mit «Brothers of Honour»-Kutte und C18-Tattoo, 2. Patric Kowalski in Themar mit «28-Brothers of Honour»-Jacke am 28. Oktober 2017, 3. Patric Kowalski mit C18-Drachen-Shirt 4. Robin Schmiemann mit «Brothers of Honour»-Shirt in Dortmund am 14. April 2018, 5. Robin Schmiemann mit «Combat 18»-Jacke in Bielefeld am 10. Mai 2018
1. Christopher Jones mit «Brothers of Honour»-Kutte und C18-Tattoo, 2. Patric Kowalski in Themar mit «28-Brothers of Honour»-Jacke am 28. Oktober 2017, 3. Patric Kowalski mit C18-Drachen-Shirt 4. Robin Schmiemann mit «Brothers of Honour»-Shirt in Dortmund am 14. April 2018, 5. Robin Schmiemann mit «Combat 18»-Jacke in Bielefeld am 10. Mai 2018
18. Mai 2019: Silvio Will mit «Brothers of Honour»-Shirt beim «Eichsfeldtag» in Leinefelde – Quelle: Pixelarchiv
18. Mai 2019: Silvio Will mit «Brothers of Honour»-Shirt beim «Eichsfeldtag» in Leinefelde – Quelle: Pixelarchiv
5. Juli 2019: Marko Gottschalk mit «Brothers of Honour»-Jacke in Themar – Quelle: Pixelarchiv
5. Juli 2019: Marko Gottschalk mit «Brothers of Honour»-Jacke in Themar – Quelle: Pixelarchiv
13. April 2019: «Oidoxie» beim 20-jährigem Jubiläum der B&H/C18-Division in Bulgarien
13. April 2019: «Oidoxie» beim 20-jährigem Jubiläum der B&H/C18-Division in Bulgarien
13. August 2016: Marko Gottschalk, Robin Schmiemann und weitere Mitglieder mit «Blood & Honour/Combat 18»-Shirts
13. August 2016: Marko Gottschalk, Robin Schmiemann und weitere Mitglieder mit «Blood & Honour/Combat 18»-Shirts
«Combat 18 Deutschland»-Sampler mit «Oidoxie», «Sturmbrüder», «Exempel», «TreueOrden», «Kommando S3» und «Amok»
«Combat 18 Deutschland»-Sampler mit «Oidoxie», «Sturmbrüder», «Exempel», «TreueOrden», «Kommando S3» und «Amok»
15. Oktober 2017: Hochzeit eines C18-Mitglieds in Polen Mit dabei: Michael Hein, Martin Krause, Patric Kowalski, Robin Schmiemann, Grzegorz Jastrzebski, Alexander Michels, Torge Nentwich und Mitglieder der bayerischen Sektion von «Combat 18 Deutschland» (Ron Helemann im weißen Hemd, dritter von rechts)
15. Oktober 2017: Hochzeit eines C18-Mitglieds in Polen Mit dabei: Michael Hein, Martin Krause, Patric Kowalski, Robin Schmiemann, Grzegorz Jastrzebski, Alexander Michels, Torge Nentwich und Mitglieder der bayerischen Sektion von «Combat 18 Deutschland» (Ron Helemann im weißen Hemd, dritter von rechts)
22. Juli 2019: Brigade 8 Kutte und Combat 18 Shirt in Ostritz – Quelle: Pixelarchiv
22. Juli 2019: Brigade 8 Kutte und Combat 18 Shirt in Ostritz – Quelle: Pixelarchiv

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Neues Mitglied der «Jungen Alternative» trainierte an Waffen in der Ukraine https://indyhro.blackblogs.org/2019/08/18/neues-mitglied-der-jungen-alternative-trainierte-an-waffen-in-der-ukraine/ Sun, 18 Aug 2019 00:00:00 +0000 http://indyhro.blackblogs.org/?p=3583 Continue reading Neues Mitglied der «Jungen Alternative» trainierte an Waffen in der Ukraine]]> [Original erschienen unter https://exif-recherche.org/?p=6331]

Vor der Gefahr sogenannter „Heimkehrer“ warnen Sicherheitsbehörden vor allem in Hinblick auf Dschihadisten permanent. Kampferfahrene und hoch-ideologisierte Männer und Frauen, die in Europa als „tickende Zeitbomben“ gelten würden, so der allgemeine Tenor auch in der Presselandschaft. Weniger präsent ist jedoch, dass sich auch Neonazis im Ausland an der Waffe ausbilden lassen. Die Informationen dazu bleiben schwammig. Man wisse nicht wie viele Personen aus der extremen Rechten an militärischen Auseinandersetzungen teilnehmen, wie etwa in der Ukraine. Im Folgenden wird skizziert, wie ein deutscher Neonazi regelmäßig den Austausch mit den para-militärischen Organisationen in der Ukraine sucht und dort nachweislich im Sommer 2018 an Schießtrainings teilnahm. Brisant dürfte sein, dass dieser nicht nur an die Neonazi-Szene Rostocks um Gruppen wie den «Aktionsblog» angebunden ist, sondern dass er seit kurzem auch Mitglied der «Jungen Alternative» der AfD in Mecklenburg-Vorpommern ist.

Rechter Sehnsuchtsort Ukraine

Als 2014 der Krieg in der Ostukraine ausbrach und faschistische Freiwilligenverbände wie das ASOW-Regiment das ukrainische Militär u.a. in Mariupol unterstützen, befanden sich auch zahlreiche Neonazis aus dem europäischen Ausland an vorderster Front. Die Strahlkraft des Regiments – dessen Abzeichen das Symbol der „Schwarzen Sonne“ sowie die „Wolfsangel“-Rune beinhaltet – währt bis heute. Nicht nur die Neonazi-Kleinstpartei «Der III. Weg» forciert den wechselseitigen Austausch mit der 2016 aus dem Regiment entstandenen Partei «National Korps», auch Neonazis aus freien Kameradschafts-Strukturen sind regelmäßig in der Ukraine zu Gast. Besonders in Kiew konnte die nicht-militärische Organisation «Civil Corps ASOW», die Partei «National Korps», sowie dessen militärischer Arm ASOW Strukturen aufbauen, die von Kampfsportschulen und Büros, über Konzert-und Veranstaltungsräume hin zu para-militärischen Trainingslagern reichen. Ein stetig sich verfestigendes Netzwerk, das im Zentrum von Kiew bestrebt ist eine extrem rechte Hegemonie durchzusetzen. Für deutsche Neonazis, die zu dutzenden aus dem gesamten Bundesgebiet etwa im Dezember 2018 zum Neonazi-Festival «Asgardsrei» nach Kiew reisten, dürfte diese Hegemonie Möglichkeiten bieten, von denen sie hierzulande nur träumen können. Denn ganz bewusst und ohne sich verstecken zu müssen, inszeniert sich das «National Korps» und ASOW als Vorzeigemodell im Kampf um ein „weißes Europa“. Die Ukraine wird dadurch zum Wallfahrtsort der Szene – auch hinsichtlich der Möglichkeit sich ohne große Umwege an der Waffe ausbilden zu lassen. Schließlich ist das ASOW-Regiment vom Staat autorisiert und das «National Korps» Teil der kürzlich entstanden Allianz um die Neonazi-Altpartei «Swoboda», die Teil des Parlaments ist.

Vom «National Korps» zum «Aktionsblog» und «Baltik Korps»

Eine solche Ausbildung an verschiedensten Waffen genoss im August 2018 auch der aus Kiew stammende und in Deutschland aufgewachsene Ivan Kormilitsyn. Stolz präsentiert er sich in den sozialen Netzwerken auf dutzenden Bildern etwa mit einem Sturmgewehr der Marke AK 47 – mal am Boden liegend, mal beim einhändigen Schießtraining. „Wo bist du?“, wird er in einem Kommentar unter den Bildern gefragt, „ATEK. Hast du nicht erkannt?“ antwortet Ivan Kormilitsyn.

ATEK ist der Name eines Industriekomplexes in Kiew, der vom ASOW-Regiment in Beschlag genommen wurde und seit dem als zentrales Mobilisierungs- und Ausbildungslager dient. „Dies wird in Deutschland nicht außerhalb der Armee gelehrt – das in diesem Beitrag dargestellte Ereignis war interessant und informativ!“, beschreibt Kormilitsyn die Fotoreihe und verlinkt dabei das «National Korps». Der mit seinen Eltern in Rostock lebende Kormilitsyn zeigt auf seinen Fotos außerdem, was neben Schießtraining sonst noch auf dem Programm stand. Gemeinsam mit rund 20 weiteren Neonazis wurde unter Anleitung eines Trainers des «National Korps» Sport getrieben. Das Konzept, Sport mit Waffenkunde zu vermischen ist in Deutschland allgemein als „Wehrsport“ bekannt.

Aufgrund seiner Partnerschaft zu der Ukrainerin Elena Belotserkovets ist Ivan Kormilitsyn regelmäßig in Kiew zu Besuch und nahm dort auch am 1. Januar 2019 an einem Aufmarsch der Neonazi-Organisationen «Rechter Sektor», «National Korps» und «Swoboda» zu Ehren des ukrainischen Nazi-Kollaborateurs Stephan Bandera teil. Nur ein paar Monate zuvor war Kormilitsyn vor allem auf Aufmärschen der AfD in Rostock anzutreffen, etwa im September 2018 als Björn Höcke als Redner auftrat, sowie im November 2018, wo Kormilitsyn durch das Zeigen der ukrainischen Flagge auffiel. Im März 2019 war er zudem Teilnehmer eines erneuten Aufmarsches der AfD, wo er sich u.a. mit dem Redner Michael Stürzenberger ablichten ließ.

In Mecklenburg-Vorpommern und besonders in Rostock nahmen an den Aufmärschen der AfD zahlreiche organisierte Neonazis aus dem Spektrum der «Identitären Bewegung», des «Aktionsblog» und der rechten Hooligangruppe «Nordische Wut» teil. Für Ivan Kormilitsyn fand sich im «Aktionsblog» um David Mallow spätestens ab März 2019 eine Organisation, an die er Anschluss fand. So „grüßte“ die militante Neonazi-Gruppe Ende März 2019 das ASOW-Regiment auf ihrem Social-Media-Account. Neben Mallow ist auf dem Solidaritätsfoto auch Ivan Kormilitsyn zu erkennen, wie er eine ukrainische Flagge hält.

Auch die darauf folgenden Monate war Kormilitsyn immer wieder auf Fotos des «Aktionsblog» zu erkennen. Gemeinsam mit dem ursprünglich aus Salzwedel stammenden Guido Howald wurde er etwa im Rahmen einer Müllsammel-Aktion des «Aktionsblog» abgebildet. „Deutsch-Ukrainische Freundschaft“ bezeichnete Kormilitsyn seine Verbindung zu Howald und dem «Aktionsblog».

Die Anbindung des Ukrainers an die kameradschaftsähnliche Struktur erscheint nur konsequent, denn ähnlich wie das ukrainische «National Korps» propagiert die Gruppe aus dem Rostocker Raum ein aktivistisches, teils bürgerliches Bild des „Kümmerers“. Mal wird für Tierschutzvereine Geld aquiriert, mal wird ehrenamtlich Müll gesammelt. Zum Programm gehören jedoch auch „Zeitzeugenvorträge“ von ehemaligen Mitgliedern militärischer Einheiten des Dritten Reichs, sowie die Pflege des sogenannten „Artglaubens“. Letztere wird etwa im Rahmen von Sonnenwendfeiern zelebriert. Sowohl Kormilitsyn, als auch Guido Howald und David Mallow nahmen an einer solchen Feier im Juni 2019 auf dem Hof des «Hammerskins» Sven Krüger in Jamel teil.

Sport, insbesondere Kampfsport, ist zudem zentraler Fixpunkt des «Aktionsblog». Unter dem Label «Baltik Korps» nehmen Protagonisten der Gruppe, wie David Mallow, relmäßig an extrem rechten Turnieren teil und bieten offene Trainings an. Für das für Oktober diesen Jahres angekündigte Kampfsport-Großevent «Kampf der Nibelungen», wird «Baltik Korps» sogar als offizieller Unterstützer benannt. „Wir sind die, die nicht auf den ‚Tag X‘ warten müssen, weil wir der ‚Tag X‘ sind!“, heißt es in einer Selbstdarstellung der «Baltik Korps». „Tag X“ – der viel beschworene Tag des politischen Kollaps, an dem Neonazis bereit stehen wollen, um den Umsturz zu forcieren. Ein Tag, auf den sich länderübergreifend – ideologisch und praktisch – vorbereitet wird. Eine Ausbildung an der Waffe, wie sie Ivan Kormilitsyn in Kiew erfahren hat, gehört dazu in gleichen Teilen wie etwa das Kampfsporttraining des «Baltik Korps» in Deutschland.

Urlaubsgrüße der «Jungen Alternative» aus Kiew

Von Mitte Juli bis Anfang August 2019 war Kormilitsyn erneut zu Besuch in Kiew. In den sozialen Netzwerken postete er fast täglich, welche Orte er besuchte. Darunter auch den Besuch des «Activ Centr Asovec», eine Art Freizeit-und Erlebnispark der «National Korps» in Kiew. In Rahmen seines Kiew-Besuchs entstanden ebenso Fotos, auf denen er in einem T-Shirt der «Baltik Korps» posierte. Pikant: Am 15. Juli 2019 postete auch die Jugendorganisation «Junge Alternative» (JA) der AfD in Mecklenburg-Vorpommern ein Bild von Ivan Kormilitsyn in einem T-Shirt ihres Gebietsverbandes. „Patriotische Urlaubsgrüße aus Osteuropa von einem frischen JA-Mitglied“ betitelte die JA das Bild. Kormilitsyn, der sich zu dem Zeitpunkt u.a. mit Neonazis aus dem ASOW-Regiment traf, verstand sich demnach sowohl als Aktivist des «Aktionsblog/Baltik Korps», als auch als frisch gebackenes Mitglied der JA.

Nur wenige Tage zurück aus Osteuropa, nahm Kormilitsyn dann gemeinsam mit Dario Seifert – Mitglied der AfD in Vorpommern-Rügen – am 10. August 2019 an einer Veranstaltung des rechten Magazins «Compact» in Berlin teil. Wenig später wurde Kormilitsyn erneut auf dem Social-Media-Kanal der JA Mecklenburg-Vorpommern präsentiert, wie er eine Plakataktion der AfD zum Schulanfang unterstützte – bekleidet in einem T-Shirt der russischen Neonazi-Marke «Bonmart Wear».

Mit Ivan Kormilitsyn bindet die AfD in Mecklenburg-Vorpommern nun erneut extrem rechte Strukturen an sich. Bereits im April 2019 machte Exif öffentlich, dass die AfD in Mecklenburg-Vorpommern 2018 mehrfach größere Beträge an Daniel Fiß überwiesen hatte. Der in Rostock wohnhafte Fiß ist Co-Chef der «Identitären Bewegung» in Deutschland. Einen der Beträge hatte der damalige Parteisprecher der AfD, Dennis Augustin, direkt an Fiß überwiesen. Erst kürzlich kam zudem ans Licht, dass Augustin in der Vergangenheit an einem Lehrgang der NPD teilnahm. Anfang Juli 2019 wurden ihm u.a. deswegen die Mitgliedsrechte innerhalb der AfD entzogen. In Kraft getreten sei dies noch nicht, weshalb auch nicht verwundert, dass Augustin für die Eröffnungsfeier des Fraktionsbüros der AfD in Torgelow am 16. August 2019 angekündigt wurde. Die JA ist dort Mitveranstalter – Ivan Kormilitsyn teilte die Ankündigung auch deshalb kräftig in den sozialen Netzwerken.

Dass Kormilitsyn selbst aufgrund seiner Umtriebe aus der JA ausgeschlossen wird, wäre verwunderlich. Rassistische Hetze und Überschneidungen ins Neonazi-Milieu scheinen vielmehr zum guten Ton der AfD und der JA in Mecklenburg-Vorpommern zu gehören. Auch der Umgang mit Waffen dürfte Kormilitsyn nicht diskreditieren, schließlich zeigt sich das Kreistags-Mitglied Dario Seifert selbst ganz gern in Pose mit Gewehr. Die Vorbereitung auf einen Umsturz, wenn nötig auch durch Waffengewalt, scheint hinsichtlich dieser Erkenntnisse nicht nur in der klassischen Neonazis-Szene Thema zu sein, sondern hält mittlerweile auch bei der AfD Einzug.

Korrektur: In einer früheren Version des Artikels wurde Ivan Kormilitsyn als Ivan Batkina benannt.

Ivan Kormilitsyn (3.v.l.) im Sommer 2018 auf dem Ausbildungsgelände ATEK in Kiew
Ivan Kormilitsyn (3.v.l.) im Sommer 2018 auf dem Ausbildungsgelände ATEK in Kiew
Kormilitsyn auf einem Aufmarsch der AfD am 16. November 2018 in Rostock – Quelle: Pixelarchiv
Kormilitsyn auf einem Aufmarsch der AfD am 16. November 2018 in Rostock – Quelle: Pixelarchiv
Solidaritätsfoto des «Aktionsblog» für das ASOW-Regiment. Links an der Flagge Ivan Kormilitsyn
Solidaritätsfoto des «Aktionsblog» für das ASOW-Regiment. Links an der Flagge Ivan Kormilitsyn
Juli 2019: Kormilitsyn mit einem ukrainischen Neonazi, posierend in einem T-Shirt der «Baltik Korps»
Juli 2019: Kormilitsyn mit einem ukrainischen Neonazi, posierend in einem T-Shirt der «Baltik Korps»
Juli 2019: Kormilitsyn zu Besuch in Kiew, hier als „frisches“ JA-Mitglied
Juli 2019: Kormilitsyn zu Besuch in Kiew, hier als „frisches“ JA-Mitglied
August 2019: Dario Seifert, vorne rechts, gemeinsam mit Kormilitsyn (hinten, Bildmitte) und anderen JA-Mitgliedern aus Mecklenburg-Vorpommern auf einer «Compact»-Veranstaltung in Berlin
August 2019: Dario Seifert, vorne rechts, gemeinsam mit Kormilitsyn (hinten, Bildmitte) und anderen JA-Mitgliedern aus Mecklenburg-Vorpommern auf einer «Compact»-Veranstaltung in Berlin
Dario Seifert in Pose auf dem Schießstand in Lüssow. Getaggt ist das Bild in den sozialen Netzwerken mit den Worten „Gemeinschaft“ und „Disziplin“
Dario Seifert in Pose auf dem Schießstand in Lüssow. Getaggt ist das Bild in den sozialen Netzwerken mit den Worten „Gemeinschaft“ und „Disziplin“

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«Tiwaz» 2019: Neonazis & Hooligans trainieren für Straßenkampf & „Tag X“ https://indyhro.blackblogs.org/2019/06/17/tiwaz-2019-neonazis-hooligans-trainieren-fuer-strassenkampf-tag-x/ Mon, 17 Jun 2019 00:00:00 +0000 http://indyhro.blackblogs.org/?p=3660 Continue reading «Tiwaz» 2019: Neonazis & Hooligans trainieren für Straßenkampf & „Tag X“]]> [Original erschienen unter https://exif-recherche.org/?p=6105]

Während am 8. Juni 2019 der brutale Angriff von zwei rechten Hooligans auf einen schwarzen Türsteher auf Mallorca bundesweit für Schlagzeilen sorgte, trafen sich am selben Wochenende bis zu 400 Neonazis zum extrem rechten Kampfsportevent «Tiwaz» im sächsischen Zwickau. Unter ihnen auch Hooligans aus Erfurt, die mit den Schlägern von Mallorca zusammen trainieren, NSU-Unterstützer, sowie Aktivisten der «Identitären Bewegung» und «Jungen Alternative», wie Bilder von Pixelarchiv zeigen.

Der Austragungsort

Seit Monaten lief die Werbetrommel für die zweite Auflage des «Tiwaz». Im letzten Jahr hatten sich dafür bis zu 450 Neonazis im erzgebirgischen Grünhain-Beierfeld eingefunden. Auch in diesem Jahr fand die Organisation des Events konspirativ statt. Karten konnten für 15 Euro online und im rechten Chemnitzer Ladengeschäft «PC Records» von Yves Rahmel erworben werden. Hauptorganisator war, wie bei der Premiere 2018, der umtriebige Neonazi Tim Kühn aus Chemnitz. Sitzplätze seien vergriffen, doch Stehplätze würde es noch genügend geben, hieß es in den sozialen Netzwerken bis kurz vor dem Event. Da die Resonanz in der Szene im letzten Jahr überwiegend positiv war, erwartete das «Tiwaz»-Team offensichtlich eine hohe Zahl an Teilnehmenden. Dass letztlich nur um die 300 Gäste kamen – den Rest der Teilnehmenden machten Orga, Kämpfer und Teams aus – dürfte die finanzielle Ausbeute verringert haben. Die geringere Teilnehmerzahl hat jedoch keinen Einfluss auf die Identitätsstiftung und den Ausbau dieser Strukturen.

Die eigentlich angedachte Location wurde den Neonazis einen Tag vor dem Turnier entzogen. Vermutlich hatten die Behörden dem Vermieter Druck gemacht, worauf dieser das Mietverhältnis zurück gezogen haben soll. Einen Ausweichort fand man jedoch kurzfristig in Zwickau, Stadtteil Crossen, auf einem ehemaligen Industriegelände. Dort, am Rand des Plattenbaugebiets Zwickau-Eckersbach, unterhält der «Shoot Club Zwickau e.V» in der Crossener Straße 32 eine Outdoor-Anlage für Paintball-Spiele.

„Wir wussten, dass Boxkämpfe stattfinden sollten, mehr aber nicht.“, berichtete der Vorsitzende des Vereins der Lokalzeitung «Freie Presse» wenige Tage nach dem Neonazi-Event. Ob es sich bei dem Befragten um Lucas Nestmann handelt, der im Impressum des Webauftritts des Painball-Clubs zu finden ist, verrät die Zeitung nicht. Dabei könnte Nestmann die Kontaktperson zur «Tiwaz»-Crew gewesen sein. Auf seinem privaten Profil in den sozialen Netzwerken wimmelt es nur so von rechten Verschwörungstheorien und rassistischen Postings. Auch ist er dort mit Sanny Kujath aus Zwickau bekannt. Kujath ist ein über die Stadtgrenzen hinaus bekannter Neonazi der extrem rechten Partei «Der III. Weg». Schon im November 2018 war er in die Organisation eines Balladenabends für die «GefangenenHilfe» in Zwickau-Planitz eingebunden.

Abgeschirmt von dichten Bäumen, bot das Gelände in Crossen Platz für einige hundert Neonazis. Unter freiem Himmel war zentral ein offenbar notdürftig zusammengebauter Boxring platziert. Statt wie üblich auf Matten, sollten die Neonazis auf einem Industrieteppich kämpfen. Tatsächlich wäre das Event an diesem Ort und diesen Umständen bei schlechten Wetter ausgefallen. So aber bekam die «Tiwaz-Mannschaft» zahlreiche Komplimente, da die Location „außergewöhnlich“ gewesen wäre.

Die unterstützende Struktur

Am Eingang der Zufahrtsstraße regelte u. a. Benjamin Leine aus dem nordsächsischen Delitzsch die Parksituation, der u. a. im Umfeld der Neonazi-Gruppe «Rechtes Plenum» in Chemnitz aktiv war. Auch Max Hetzner aus Chemnitz – Kämpfer des «Tiwaz»-Teams auf dem «Kampf der Nibelungen» (KdN) im Oktober 2018 in Ostritz – war in dieser Funktion am Eingang eingesetzt.

Das KdN-Team, um Philipp Liebetrau, Marina Liszczewski, Jim Koal und Alexander Deptolla reiste bereits am Vorabend des Events nach Sachsen. Franz Pauße, der mittlerweile wieder in Thüringen wohnt, kam erst am Samstag an. Deptolla und Koal waren erst zwei Tage zuvor von ihrem jährlichen „Sauf-Urlaub“ wieder in Deutschland angekommen. Gemeinsam mit dem rechten Karlsruher Hooligan Benjamin Schiffer und dem Initiator des KdN, «Hammerskin» Malte Redeker, waren sie für eine Woche in Bulgarien.

Jörg Henning und Heiko Drews, sowie Lukas und Philipp Oertel aus Südthüringen waren mit ihrer NS-Straight-Edge-Gruppe «Wardon 21» u. a. für die vegane Verpflegung in Zwickau zuständig. Der Hauptinitiator dieser Gruppe, Manuel Eder aus Österreich, war auf dem «Tiwaz» nicht zugegen. Auf anderen Events betreute Eder auch den Stand der rechten Kampfsportmarke «Greifvogel Wear». Diese war für das «Tiwaz» auch in diesem Jahr als Unterstützer aufgelistet, ähnlich wie «White Rex», dessen Merchandise vor Ort zu erwerben war. Sicher ist auch, dass es einen Stand vom KdN gab, den Marina Liszczewski aus Dortmund betreute. Am selben Tisch hatte auch «Black Legion Wear» aus Cottbus sein Sortiment ausgelegt. Verkauft wurden die Produkte der Marke von Rocco Wieczorek.

«Der III. Weg» unterhielt dagegen an recht prominenter Stelle im Sitzplatzbereich einen Verkaufs- und Informationsstand. Die neonazistische Kleinstpartei war generell, im Ring wie auch im Publikum, personell stark vertreten. Neben Sanny Kujath und Manuel Ganser vom lokalen „Stützpunkt“ der Partei in Zwickau nahmen auch VertreterInnen aus dem Vogtland, Mittelsachsen und dem Westerwald an der Veranstaltung teil.

Die «GefangenHilfe» wiederum hatte nicht öffentlich angekündigt, das «Tiwaz» zu unterstützen. Vertreten wurde sie dennoch von Enrico Marx aus Sotterhausen (Sachsen-Anhalt). Er betreibt in seinem Wohnort die Neonazi-Location «Am Thingplatz», die hauptsächlich für die Durchführung von RechtsRock-Konzerten genutzt wird. Dort fand auch der erste «Heureka Kongress» von «Wardon 21» im Mai 2018 statt. Der weit vernetzte Marx nahm bereits am «Kampf der Nibelungen» im Oktober 2018 teil. Zum «Tiwaz» kam er allein und brachte ein Banner der «GefangenenHilfe» mit. In Zwickau selbst wird die bundesweit agierende Organisation maßgeblich von dem NSU-Unterstützer André Eminger vertreten. Makaber ist in diesem Zusammenhang, dass der Austragungsort des «Tiwaz» nur 1,5 km Luftlinie von der Frühlingsstraße 26 in Zwickau-Weißenborn entfernt liegt – dem letzten Unterschlupf der untergetauchten rechtsterroristischen Gruppe.

Wie angekündigt war auch «PC Records» aus Chemnitz vor Ort, in Vertretung u. a. durch Steve Geburtig. Er führt offiziell die Geschäfte des einflussreichen RechtsRock-Labels, während Yves Rahmel als eigentlicher Kopf des Labels bekannt ist. Das Label unterstützte die Veranstaltung nicht nur durch den Kartenvorverkauf, sondern ist auch Sponsor der Kämpfenden des «Tiwaz»-Teams. Banner von «PC Records» hingen gut sichtbar am Boxring.

Auch das riesige Banner, welches am Einlass der Veranstaltung präsent war, lässt sich auf Rahmel zurückführen. Schließlich hängt dieses, auf der „Presse, TV und Polizei“ ein unangekündigter Zutritt des Geländes untersagt wird, normalerweise am Einlass der Neonazi-Location in Torgau-Staupitz. Rahmel ist dort regelmäßig Organisator von RechtsRock-Konzerten.

Das «Tiwaz» – Nachfolgestruktur der verbotenen «Nationalen Sozialisten Chemnitz»

In der Orga-Crew des Kampfsport-Events – die «Tiwaz Mannschaft» – fand man auch in diesem Jahr zahlreiche regionale Multiplikatoren der extrem rechten Szene. Die bekannteste Person aus dem Kreis der «Tiwaz»-Organisatoren ist der Chemnitzer Neonazi Tim Kühn. Spätestens seit 2009 bewegte er sich im Umfeld der «Nationalen Sozialisten Chemnitz» (NSC) und war Teil der neonazistischen Fangruppierung «New Society / NS-Boys» beim Chemnitzer FC. Seine führende Rolle in der rechten Fanszene wurde u. a. bei der Beerdigung des Neonazi-Hooligans Thomas Haller im März 2019 deutlich. Dort wirkte er als Mittelsperson zwischen Familie und den Teilnehmenden des Trauermarsches. Schon als Teil der Neonazi-Gruppe «Rechtes Plenum» unterhielt er gute Kontakte in die extrem rechte Szene Dortmunds, die er bis heute pflegt. Im Spätsommer 2018, als «Pro Chemnitz» zahlreiche rassistische Aufmärsche in Chemnitz initiierte, übernahm Kühn ebenfalls organisatorische Aufgaben. Auch während des Aufmarsches «Tag der deutschen Zukunft» 2019, der eine Woche vor dem «Tiwaz» in Chemnitz stattfand, fungierte Kühn als Ordner und lokale Ansprechperson. Kühn trat bereits auf dem ersten extrem rechten «Schild & Schwert-Festival» im April 2018 in Ostritz, in enger Kooperation mit dem KdN-Team um Alexander Deptolla und Jim Koal, als Standbetreuer für das «Tiwaz» auf. Ebenso war er in Vertretung des «Tiwaz» als Teil der deutschen Reisegruppe ausmachbar, die zum rechten Kampfsportevent «Pro Patria Fest» im April 2019 nach Griechenland reiste.

Eine weitere Person aus der Orga-Crew des «Tiwaz», die auf eine lange Vergangenheit in der Chemnitzer Neonazi-Szene zurückblicken kann, ist Robert Andres. Er ist aktuell Fraktionsgeschäftsführer der extrem rechten Wählervereinigung «Pro Chemnitz» und ließ sich damit zum zweiten Mal für diese zur Kommunalwahl im Mai 2019 aufstellen. Andres gehörte dem engsten Kreis der 2014 verbotenen Kameradschaft «Nationale Sozialisten Chemnitz» (NSC) an, versuchte sich jedoch in den letzten Jahren nach außen ein Biedermann-Image zuzulegen. Als es im Spätsommer 2018 zu zahlreichen gewalttätigen, rassistischen Aufmärschen in Chemnitz kam, fungierte er als Anmelder und Redner. Er gehörte bereits im letzten Jahr der «Tiwaz»-Orga an und fuhr die «Tiwaz-Mannschaft» beim letztjährigen «Kampf der Nibelungen» ins ostsächsische Ostritz. Pikant: Der blaue VW-Bus, mit dem die «Tiwaz-Mannschaft» dort anreiste, gehört dem Fraktionsvorsitzenden von «Pro Chemnitz» im Chemnitzer Stadtrat, Martin Kohlmann.

Im Kern der NSC war auch Jörg Endesfelder aktiv. Er war ebenso Teil der Orga-Crew des «Tiwaz» am 8. Juni 2019 und ist lokalen Antifaschist*innen bereits als Gründungsmitglied des NSC-Vorgängers «Heimatschutz Chemnitz e.V.» bekannt. Tina Turra, Mitbegründerin dieses Vereins, nahm beim diesjährigen «Tiwaz» ebenfalls als Besucherin teil.

Mit Eric Fröhlich, der als Teil des «Tiwaz»-Teams bereits letztes Jahr beim «Kampf der Nibelungen» in Ostritz war, führen die Verbindungen nicht nur zu den NSC – wo er als Sprachrohr und Organisator fungierte – sondern auch zum NSU-UnterstützerInnenkreis. Fröhlich pflegte nachweislich Kontakte zu André Eminger und Ralf Wohlleben, mit dem er bis zum Auffliegen des NSU-Kerntrios über die Organisation von neonazistischen Veranstaltungen sprach.

Gemeinsam mit dem bereits genannten Robert Andres organisiert Fröhlich zudem regelmäßig Zeitzeugenvorträge in Chemnitz und Umgebung u. a. mit der Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck.

Für den Job, die blauen, roten und grünen Bändchen an Kämpfer, Teams und Teilnehmende auszuhändigen, waren auch Frauen in die Organisation eingebunden. Etwa Stephanie Sajovitz aus Mittelsachsen, die bei der Partei «Der III. Weg» aktiv ist. Dort ist sie u. a. Teil der Volkstanz-Gruppe und pflegt in dieser Funktion enge Kontakte zur Plauener Struktur der Partei. Zudem trat sie 2018 als Inhaberin eines Spendenkontos für die im August verstorbene Freibergerin Mary-Ann Radke in Erscheinung. Radke wurde auf dem diesjährigen «Tiwaz» ebenfalls mit einem eigenen Banner gedacht. Sie gehörte der 2016 selbstaufgelösten Chemnitzer Neonazi-Gruppe «Rechtes Plenum» an, war später führende Aktivistin der Partei «Der III. Weg» in Mittelsachsen und im letzten Jahr Teil der Orga-Crew des «Tiwaz».

Auch außerhalb der Struktur um die NSC waren prominente Neonazis in die Organisation eingebunden. So auch Philipp Hoffmann. Er nahm 2018 beim «Tag der deutschen Zukunft» (TddZ) in Goslar stellvertretend für die Chemnitzer Strukturen das Front-Transparent der jährlich in einer anderen Stadt stattfindenden Aufmärsche entgegen. Beim diesjährigen TddZ im Juni in Chemnitz war Hoffmann letztendlich nicht anwesend, übernahm beim «Tiwaz» jedoch Security-Aufgaben.

Für die visuelle Aufarbeitung des Events war Benjamin Moses mit seinem extrem rechten Medienprojekt «Balaclava Graphics» zuständig. In seinem Wohnort Bautzen gehört er den „Freien Kräften“ an und fiel dort durch zahlreiche Gewalttaten auf. Auch in die Organisation des «Ostsächsischen Sport-und Familienfestes» ist er involviert und ist somit Teil der bundesweiten Vernetzung rechter Kampf- und Kraftsportler.

Eine eigene Security

Anders als im letzten Jahr ersichtlich, gab es bei dem jüngsten Event in Crossen eine eigene Security, die sich «Tiwaz Schutz Mannschaft» nannte. Am Einlass stand in dieser Funktion u. a. Toni Neukamm aus Glauchau bei Zwickau. Er gehört seit Jahren der lokalen, gewalttätigen Neonazi-Szene an. Schon sein Bruder gehörte zur Kameradschaft «Glauchauer Jungs», die beste Kontakte zur rechten Hooligangruppe «HooNaRa» pflegte. Ähnlich wie Tim Kühn ist Toni Neukamm im Sicherheitsgewerbe tätig, wo beide im rechten Security-Verband «Vereinigte Türsteher Ostdeutschland» organisiert sind. Neukamm gibt zudem Kraftsport-Kurse im Glauchauer «DC Gym», welches offensichtlich von dem Neonazi und Türsteher Christopher Brodhun betrieben wird.

Regional ist dieser Zusammenhang relevant, da er eine Schnittmenge zwischen Sicherheitsgewerbe, Kraft-und Kampfsport, Hooliganmilieu und organisierter Neonazi-Szene darstellt. So zählten nicht nur Kühn, Neukamm und Brodhun zu der Runde einer Weihnachtsfeier 2018 in einem griechischen Restaurant in Lichtenstein bei Zwickau, sondern auch der RechtsRock-Musiker und NSU-Bekannte Paul Morgenstern.

Stephan Heinl und einer seiner Begleiter zum «Tiwaz» 2018 und 2019 waren ebenfalls Teil dieser Feier. Zum diesjährigen «Tiwaz» fand man Heinl in fast der selben Konstellation an Personen wieder, wie 2018 in Grünhain-Beierfeld. Denn auch in diesem Jahr waren Max Woidtke, Jessica Haustein, Mandy Wild und Nico Groß Teil dieser Reisegruppe.

«Identitäre Bewegung» und Tarnverein aus dem Erzgebirge

Seit 2016 unterhält die «Identitäre Bewegung» (IB) mit «Haamitleit e.V.» ( „Heimatleute“) einen Tarnverein, mit dem die Neonazis an regionalen Festen teilnehmen und „Heimatabende“ organisieren. Einer, der den Verein in der Öffentlichkeit repräsentiert, ist der Neonazi Jan Riemann. Er trat schon als Stadtrat für die NPD in Lößnitz an und war beim «Tiwaz»-Turnier in Crossen als Security tätig.

Die Verbindung der IB, bzw. des «Haamitleit e.V.» zum Kampfsport lässt sich auch über das «Fightgym Gablenz» herleiten. Dort gehören etwa Max Eska von der IB, sowie Clemens Liebscher, Gründungsmitglied von «Haamitleit e.V.», dem Kern der Trainingsgruppe an. Auch der in der Satzung des «Haamitleit e.V.» verankerte Zusatz, dass das Vermögen des Vereins bei Auflösung an das «Fightgym Gablenz e.V.» übertragen werden soll, macht diesen Bund deutlich. Eska nahm schon 2018 am «Tiwaz» teil und kämpfte in diesem Jahr auch selbst. Michel Günther, der ebenfalls der IB Erzgebirge zugerechnet wird, nahm unterdessen als Besucher teil.

«Identitäre Bewegung» und AfD-Jugend aus Dresden

Die genannten Personen aus dem Erzgebirge waren jedoch nicht die einzigen Teilnehmer des jüngsten «Tiwaz»-Turniers, die in den Strukturen der «Identitären Bewegung» aktiv sind. Auch eine Reisegruppe aus Dresden ist Teil dieser Organisation. Darunter etwa Ricardo Knöfel, der auch beim Eishockeyverein «ESC Dresden» in der Gruppe «Blue White Crew» mitwirkt, Yannick Pochert, der selbst Kampfsportler ist, und Fabian Rösner.

Die beiden Letzteren bewegen sich außerdem in dem Kreisen der «Junge Alternative» (JA) in Dresden – die Jugendorganisation der «Alternative für Deutschland». So nahm Fabian Rösner zuletzt im Mai 2019 an einem Stammtisch der JA in Dresden teil.

Kämpfer, Teams und Reisegruppen

Gesamt betrachtet wurde das Kampfsport-Event von sächsischen Neonazis dominiert, die aus allen Teilen des Bundeslandes anreisten. Weitere größere Reisegruppen kamen aus Thüringen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg.

Nur wenige kamen von weiter weg, etwa eine Gruppe aus Bayern, eine aus Baden-Württemberg, wie auch Personen aus Berlin. Zu erwähnen sei hier auch die Anreise von Steffi Grahlmann aus Wismar.

Sie gehörte beim «Kampf der Nibelungen» im Oktober 2018 zum Orga-Team. Das Logo des KdN trägt sie sogar als Tattoo auf ihrem Hals. Ihre Reisebegleitung bestand aus Personen der Rostocker Neonazi-Gruppe «Aktionsblog», darunter Robert Neidhardt.

Auch der Kopf der gewaltorientierten Gruppierung, David Mallow, war vor Ort. Gemeinsam mit drei weiteren Personen vertrat er in Crossen die dem «Aktionsblog» angehörende Trainingsgruppe «Baltik Korps». Neidhardt und Mallow betreuten schon auf dem KdN-Turnier im November 2018 in Ostritz den Informationsstand des «Aktionsblog».

«Imperium Fight Team» und «Jungsturm»

Den größte Personenzusammenhang stellte eine 25-köpfige Gruppe aus dem Raum Erfurt in Thüringen. Der Großteil der Personen kann der extrem rechten Hooligan-Gruppe «Jungsturm» des Fußballclubs «Rot Weiß Erfurt» zugerechnet werden. Darunter führende Köpfe dieser Schlägertruppe wie Philipp Mittelstedt, Dennis Dragewski, Dominic Brückner, Marco Klingner und Benjamin Stoye, sowie Felix Reck und Thomas Zimmermann.

Brückner, Klingner und Stoye waren schon an dem koordinierten Überfall auf den alternativen Stadtteil Leipzig-Connewitz im Januar 2016 beteiligt. Auch Benjamin Leine, der die Zufahrtsstraße zum «Tiwaz» kontrollierte, war Teil dieses Mobs aus 215 Neonazis und rechter Hooligans in Connewitz. Die Verbindung der Initiatoren dieses Überfalls – die in der Hooligan-Szene des «1. FC Lokomotive Leipzig» und um das «Imperium Fight Team» von Benjamin Brinsa verortet werden – nach Erfurt, lässt sich auch deutlich über die Kampfsportszene hinaus nachvollziehen. Schließlich gehört der aus Saalfeld stammende Theo Weiland zum K1-Trainerstab des «Imperium Fight Teams» und ist beim «Jungsturm» aktiv. Gemeinsam mit Marco Klingner, Philipp Mittelstedt und Dennis Dragewski nahm Weiland im November 2018 an einer Reise der Erfurter Hooligangruppe nach Bulgarien teil. Dort besuchten sie befreundete Hooligans von «CSKA Sofia», die unter dem Namen «Animals» auftreten und enge Kontakte zur dortigen Neonazi-Szene um «Blood & Honour / Combat 18» pflegen.

Die Gruppe um den «Jungsturm» war beim «Tiwaz» jedoch nicht nur zu Besuch, sondern stellte als Kämpfer Robin Brandt in den Ring. Pikant dürfte sein, dass dieser im «Imperium Fight Team» von Brinsa in Leipzig trainiert. Die Verbindung der rechten Hooligan-Szene Erfurts zu der des «1. FC Lokomotive Leipzig» wird so abermals deutlich.

Verurteilte Gewalttäter der Gruppe «Nationaler Aufbau Eisenach»

Neonazis und Hooligans, die sich durch Trainings im Bereich Kampf- und Kraftsport für physische Auseinandersetzungen mit ihrem politischen Gegner vorbereiten, findet man auch in Thüringen. Seit Jahren ist die Stadt Eisenach für ihre gewalttätige Neonazi-Szene bekannt, die dort versucht eine sogenannte „No-Go-Area“ zu schaffen, in dem Linke und Geflüchtete permanent bedroht werden. Maßgeblich ist dafür der 20-Jährige extrem rechte Kampfsportler Kevin Noeske verantwortlich, der gemeinsam mit Maximilian Andreas in der Gruppe um den «Jungsturm» ebenfalls zum «Tiwaz» anreiste.

Beide sind in der lokalen, militanten Gruppe «Nationaler Aufbau Eisenach» organisiert. Noeske wurde erst im Februar 2019 zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und drei Monaten auf Bewährung verurteilt. Ihm wurde gefährliche Körperverletzung, Hehlerei, Sachbeschädigung und Verstöße gegen das Waffen- und Versammlungsgesetz zu Last gelegt. Verantwortlich ist er auch für die massiv im Stadtbild gesprühte neonazistische Propaganda – ein vielerorts gewähltes Mittel von Neonazis, um den öffentlichen Raum zu dominieren und Macht auszustrahlen.

Der «Fightclub 062» und ehemalige «Blood & Honour»-Kader aus Sachsen-Anhalt

Eine weitere größere Besucher-Gruppe reiste aus dem Raum Köthen in Sachsen-Anhalt an. Mehrheitlich in T-Shirts der rechten Trainingsgruppe «Fightclub 062» gekleidet, befanden sich darunter bekannte Köthener Neonazis aus der Kampf-und Kraftsport-Szene: Ron Krieg, Nico Gollnick, Maik Schubert und Attila Kincel. Auch der für zahlreiche Angriffe in Dessau-Roßlau verantwortliche Neonazi Oliver Fischer gehörte diesem Pulk an.

Die genannten Personen reisen seit Jahren zu rechten Kampfsport-Events in ganz Europa. Attila Kincel, der ursprünglich aus Ungarn stammt, ist darüber hinaus in der Organisation des ungarischen Neonazi-Turniers «Akarat Diadala/Triumph of Will» eingebunden. Beim «Tiwaz» war die Gruppe aus Sachsen-Anhalt aber auch als unterstützende Struktur für einen der Kämpfer – den in Halle wohnhaften Dominic Exel – anwesend. Gecoacht wurde dieser von Felix Stiller und Danny Bunge, die ebenfalls dem «Fightclub 062» angehören. Stiller und Exel pflegen zudem eine enge Freundschaft mit dem Schweizer KdN-Kämpfer Roman Portner. Dessen Partnerin, die in Fulda lebt, war beim «Tiwaz» ebenfalls Teil der Gruppe um Exel.

Aus Sachsen-Anhalt trat neben Dominic Exel auch der Köthener Neonazi Steffen Bösener beim «Tiwaz» in den Ring. Der über 40-jährige war schon in den 1990er Jahren Organisator diverser RechtsRock-Konzerte um «Blood & Honour», trat in Köthen für die NPD zur Wahl an und betrieb dort einen rechten Szeneladen samt Versand. Bereits im letzten Jahr war Bösener einer der Kämpfer des «Tiwaz».

Team «Preußens Gloria» und andere Kämpfer aus Brandenburg

Einen ebenfalls großen Teil machten Neonazis und Kämpfer aus dem Süden Brandenburgs aus. Seit mehreren Jahren ist dort eine wachsende rechte Kampfsportszene zu beobachten, die vor allem im Großraum Cottbus aktiv ist. Dort, in der Kleinstadt Lübben, unterhält die Szene eigene Trainingsräume und tritt unter dem Namen «Nothsidecrew» auf. Diese stellte in den letzten Jahren auf allen größeren Kampfsport-Events der internationalen Neonazi-Szene Kämpfer, wie nun auch in Crossen beim «Tiwaz». So traten Stefan Baer, Lucien Schönbach, Patrick Orbanz und Marcel Ruckert in den Ring, wobei sie einheitliche T-Shirts mit dem Schriftzug «Preußens Gloria» (PG) trugen.

Diese Bezeichnung wählten die rechten Kämpfer auch auf Events des KdN, mit dem Zusatz, dass es sich dabei um ein Team der rechten Kampfsportmarke «Greifvogel Wear» handelt. Die von Sebastian Raack betriebene Marke unterhält schließlich seit Ende 2016 ihren Firmensitz in Lindenau im Süden Brandenburgs, unweit von Lübben, und fördert seit ihrem Bestehen die rechte Kampfsport-Szene.

Im Anhang der Kämpfer aus dem Spreewald befand sich auch Marcel Abraham. Er hatte die Tickets für die angereiste Gruppe aus Brandenburg organisiert und gehört zum engsten Freundeskreis um die Kämpfer Marcel Ruckert und Patrick Orbanz. Ein Großteil dieser Szene ist außerdem in der rechten Fan-Kurve von Energie Cottbus aktiv. Ruckert etwa ist Teil der Ultra-Gruppe «Finsterwalder Jungs», während Abraham in der Gruppe «Sektion Spreewald» mitwirkt. In lokalen Diskotheken tritt Marcel Abraham zudem als DJ unter dem Namen «Sparkz» auf.

Kämpfer für das Team des «Kampf der Nibelungen»

Für das Team des KdN trat der bekannte Neoanzi-Kampfsportler Kevin Görke aus Thüringen beim diesjährigen «Tiwaz» an. Er gehörte bis mindestens Dezember 2018 zum Stammteam der «Invictus Kick- und Thaiboxschule», für das er zuletzt im August 2018 auf der nicht-rechten «3. Invictus Fightnight» antrat. Görke kämpfte 2018 im April beim Turnier des KdN in Ostritz, sowie beim ersten «Tiwaz» in Grünhain-Beierfeld.

Er trägt den Schriftzug „Leben ist Kampf“ als Tattoo auf dem Rücken, angelehnt an den NS-Propagandafilm «Alles Leben ist Kampf», in dem auf die menschenverachtende Theorie der Euthanasie eingegangen wird. Gecoacht wurde Görke beim diesjährigen «Tiwaz» u. a. von Franz Pauße. Eine Verbindung von Görke zum KdN stellen die rechts-offenen Fightnights in Thüringen und in Sachsen-Anhalt dar. So waren Alexander Deptolla und Franz Pauße mehrmals zu Gast auf der «La Familia Fightnight» in Halle an der Saale, während der KdN-Unterstützer Lukas Oertel von «Wardon 21» jüngst innerhalb der Organisation eines Events des «La Familia Fightclub Erfurt» eingebunden war. Auf den Fightnights letzterer kämpfte nicht nur Kevin Görke schon, sondern auch ein Kämpfer des KdN 2017: Fabian Nebe aus Chemnitz, der beim KdN als Abgesandter der Partei «Der III. Weg» in den Ring trat.

RechtsRock-Musiker und französische Neonazis

Aus Brandenburg, mit Wohnsitz in Strausberg, reiste auch Tobias Vogt zum diesjährigen «Tiwaz» und trat dort als Kämpfer an. Schon im letzten Jahr stieg er in Grünhain-Beierfeld in den Ring, wie auch bei mindestens zwei Turnieren des KdN in Ostritz. Vogt, Sänger der RechtsRock-Band «Exzess», kämpfte jüngst in Crossen gegen den Franzosen Tomasz Szkatulski. Der im Norden Frankreichs wohnhafte Neonazi war mit zwei weiteren französischen Neonazis zum «Tiwaz» angereist. Auch sie bestritten Kämpfe für Szkatulskis Team «Pride France», einen u. a. gegen einen tschechischen Neonazi. «Pride France» wirkte nicht nur beim «Tiwaz» als unterstützende Struktur, sondern hatte zuletzt auch das Neonazi-Turnier «Pro Patria Fest» im April 2019 in Griechenland mitorganisiert, an dem auch um die 50 Neonazis aus Deutschland teilnahmen. Die französische Kampfsportmarke und -promotion ist – neben dem KdN und «White Rex» – federführend an der Entwicklung rechter Turniere in ganz Europa beteiligt.

«Nordic Fightclub Bremen»

Wie angekündigt, fand sich auch André Bostelmann aus Tostedt in Niedersachsen in Crossen als Kämpfer ein. Er gehört der regionalen Kameradschaftsszene Norddeutschlands an und kämpfte u. a. beim KdN 2017 in Kirchhundem. Gecoacht wurde er beim «Tiwaz» von Dennis „Dolly“ Dollberg, der in Bremen der rechten Hooligangruppe «Nordsturm Brema» (NSHB) angehörte und heute für den Verbund «Hooligans Bremen / Essen» an sogenannten „Ackerkämpfen“ der Szene teilnimmt. Verbunden ist der Zusammenhang auch mit Danny Gierden. Er betreibt das «Chang Tong Gym» in Prinzenhöfte im Landkreis Oldenburg, wo auch der Begleiter von Dennis Dollberg zum «Tiwaz» sowie André Bostelmann trainieren. Alle drei trugen in Crossen T-Shirts eines «Nordic Fightclub Bremen».

Verbindungen der Bremer um Dollberg zur extrem rechten, ostdeutschen Kampfsportszene sind auch über Martin Langner zu finden. Er ist das Aushängeschild der Neonazi-Trainingsgruppe «Barbaria Schmölln», die im Osten Thüringens eigene Trainingsräume unterhält. Langner, der mehrfach beim KdN kämpfte, hatte 2017 u. a. den Bremer Neonazi Christoph Mohrmann vom «Chang Tong Gym» zu Gast in Schmölln, der dort ein Seminar zum Thema Messerabwehr leitete. „Die Zeiten werden hart und sowie es zur Zeit aussieht nicht besser. Jeder Deutsche sollte an seiner Wehrhaftigkeit arbeiten (…)“, schrieb Langner im Nachgang des Seminars. Auch Langner war beim diesjährigen «Tiwaz» in Crossen vor Ort.

«Wardon 21» mit Kämpfer im Ring

Zum ersten Mal schickte die NS-Straight-Edge-Gruppierung «Wardon 21» auch einen Kämpfer in den Ring. Dies stellt eine Expansion ihres Wirkungskreises dar, da diese bislang zwar alle Kampfsport-Events der Szene seit ihrer Gründung 2017 unterstützt hatte, vorrangig jedoch in der Logistik der Turniere und als ideologischer Überbau eingebunden war. Verwundern dürfte die jüngste aktive Beteiligung im Ring allerdings nicht. Ihr Kämpfer, Julian Menzel aus dem Raum Bautzen in Ostsachsen, bewegt sich schon seit einiger Zeit im Kreis der sich elitär gebenden Gruppe. So organisierte er mit «Wardon 21» am 20. April 2019 eine Wanderung in der sächsischen Schweiz – den «Führermarsch», zu Ehren Adolf Hitlers. Beim «Tiwaz» bestritt Menzel gleich zwei Kämpfe, einen gegen Marcel Ruckert vom Team «Preußens Gloria» aus Brandenburg. Als Coach für Menzel wirkte in Crossen der aus Südthüringen stammende Philipp Liebetrau. Er war schon 2017 auf einem rechten Turnier in Frankreich Coach von Kai-Andreas Zimmermann – „Stützpunktleiter“ der Neonazi-Partei «Der III. Weg» in Bayern. Dort vertrat Zimmermann das Team des KdN, zu dem auch Liebetrau zählt.

«AG Körper & Geist»

«Der III. Weg» war auf dem «Tiwaz» wie beschrieben nicht nur in der Organisation und im Publikum zu finden, sondern stellte mindestens zwei Kämpfer. Für die parteieigene «AG Körper & Geist» trat sowohl ein Vertreter des «Stützpunktes Mittelsachsen», als auch ein Mitglied des «Stützpunktes Westerwald/Taunus» an. Letzterer kämpfte für die „Arbeitsgruppe“ der Partei bereits 2018 auf dem «Tiwaz», wo er mit Laura Weber und Axel Ziemann anreiste. Weber ist vor allem in der rechten Subkultur Hessens unterwegs, während Ziemann an die «Identitäre Bewegung» in Wiesbaden angebunden war. Um 2014 war Ziemann zudem, nach seinem Umzug von Wiesbaden nach Marburg, Mitglied der rechten «Burschenschaft Rheinfranken».

Gegen den Vertreter der «AG Körper & Geist» aus dem Westerwald, trat beim diesjährigen «Tiwaz» der im Erzgebirge wohnhafte Benjamin Grund an. Zu seinem engsten Umfeld zählt u. a. Michél Sajovitz und Marco Münzer aus Oederan, die im «Stützpunkt Mittelsachsen» der Partei «Der III. Weg» organisiert sind. Mit Münzer und Marcel Seyffert reiste Benjamin Grund im März 2019 nach Thailand, um sich offensichtlich für ihren Kampf auf dem «Tiwaz» vorzubereiten. „Drei Wochen Thailand“ betitelte später «Der III. Weg» ein auf ihrer Webseite veröffentlichtes Interview mit den Beteiligten dieser Reise. Beigefügte Bilder in dem Artikel zeigen auch Marcel Seyffert in einem T-Shirt der Partei. Auch er trat beim diesjährigen «Tiwaz» in den Ring.

Die Bedeutung des «Tiwaz»

Sicherlich hat das Orga-Team des «Tiwaz» mehr Teilnehmende erwartet, nachdem das Event im letzten Jahr ohne relevante Störungen stattfinden konnte und einen hohen Zuspruch aus der Szene erfuhr. Sei es aufgrund der kurzfristigen Verlegung nach Zwickau-Crossen oder aufgrund interner Streitigkeiten: das diesjährige Turnier zog wesentlich weniger Neonazis an, vor allem weniger aus entfernteren Teilen Deutschlands. Auch aus dem Ausland waren kaum Interessierte angereist. Bekannt ist lediglich die Teilnahme von Neonazis aus Tschechien und Frankreich. Westdeutsche Strukturen waren vor allem in die Organisation eingebunden, während sich das Publikum aus der Neonazi-Szene der neuen Bundesländer speiste.

Tatsächlich bemerkenswert ist die Zusammensetzung des Publikums hinsichtlich rechter Hooligan-Gruppen. So wurde die Veranstaltung im Publikum von der Erfurter Hooligan-Szene dominiert, während das Event selbst durch Personen der rechten Hooligan- und Ultraszene des Chemnitzer FC gestemmt wurde. Beihilfe bekam die Orga-Crew zusätzlich durch den KdN, deren Protagonisten in der Dortmunder Fußballszene beheimatet sind. Im Ring bzw. im Trainerstab selbst waren ebenfalls nicht nur Erfurter Hooligans zu finden, sondern auch zahlreiche Personen aus der Cottbusser Szene, sowie Vertreter der „Wald & Wiese“-Fraktion aus Bremen. Zudem war Steffen Reitberger als Besucher anwesend, der einer der führenden Köpfe des rechten Zusammenschlusses «A-Block» des «FSV Zwickau» ist.

Letztlich vereint alle beim «Tiwaz» vertretenen Hooligan-Szenen die gleiche Ideologie: Die Vorbereitung auf den sogenannten „Tag X“ und den Straßenkampf. Kampfsport dient ihnen u. a. als Mittel, um ihre Fähigkeiten in der physischen Auseinandersetzung ausbauen und verstärken zu können. Turniere wie das «Tiwaz» oder der «Kampf der Nibelungen» sind dabei auch Bewährungsproben für Angriffe und Überfälle wie jüngst auf Mallorca oder 2016 in Leipzig-Connewitz.

Events wie das «Tiwaz» werden zwar konspirativ durchgeführt, senken jedoch durch den sportlichen Aspekt die Hemmschwelle in Bezug auf eine Teilnahme an rechten Events. Ideologisch nicht gefestigte Personen und junge, rechte Mitläufer erleben so einen Zugang zur neonazistischen Szene und können dadurch rekrutiert werden. Gerade unter den Personen aus der rechten Hooligan- und Ultraszene befanden sich teils recht junge Neonazis, die aufgrund des erlebnisorientierten Charakters einmal mehr an organisierte Strukturen herangeführt werden. Das Potential aus den Kurven erkennen auch Neonazi-Kader wie Thorsten Heise, der beim «Schild und Schwert»- Festival durch das Angebot von „Team Fights“ versucht, die rechte Hooligan-Szene stärker in die extreme Rechte einzubinden. Dem «Tiwaz»-Team scheint dieser Schritt zunächst gelungen. Szene-intern konnte sich zudem durch die viel gelobte reibungslose Organisation ein gutes Standing erarbeitet werden. Auch beschwerte sich keiner über die provisorische Ausstattung oder polizeiliche Maßnahmen am Samstag – man bedankte sich im Nachgang sogar noch bei der Polizei für den Ausweichort.

Tatsächlich ist fraglich, wie genau der Polizeieinsatz ausgelegt war. Kontrolliert wurde anscheinend weder die Anreise, noch das Gelände oder die Organisatoren, was für ein Event mit ein paar hundert gewalt- und waffenaffinen rechten Schlägern aus diversen verbotenen Organisationen verwundert. Auf den Bildern ist zudem mindestens ein Kind zu erkennen, welches anwesend ist, während Kämpfer wie Tomasz Szkatulski, in den Ring steigen. Dieser ist am ganzen Körper mit strafbaren, tätowierten NS-Symbolen bedeckt.

Im Vordergrund: Der Zwickauer Neonazi Sanny Kujath bei der Anreise – Quelle: Pixelarchiv
Im Vordergrund: Der Zwickauer Neonazi Sanny Kujath bei der Anreise – Quelle: Pixelarchiv
Mittig mit Bart: Franz Pauße vom KdN-Team bei der Anreise. Hinter ihm läuft Jim Koal, der ebenfalls zum KdN-Team gehört. – Quelle: Pixelarchiv
Mittig mit Bart: Franz Pauße vom KdN-Team bei der Anreise. Hinter ihm läuft Jim Koal, der ebenfalls zum KdN-Team gehört. – Quelle: Pixelarchiv
Rocco Wieczorek hinter dem Verkaufsstand von «Black Legion Wear» – Quelle: Pixelarchiv
Rocco Wieczorek hinter dem Verkaufsstand von «Black Legion Wear» – Quelle: Pixelarchiv
Manuel Ganser (mittig mit grüner Jacke über dem Arm) vom «Stützpunkt Westsachsen» der Partei «Der III. Weg» – Quelle: Pixelarchiv
Manuel Ganser (mittig mit grüner Jacke über dem Arm) vom «Stützpunkt Westsachsen» der Partei «Der III. Weg» – Quelle: Pixelarchiv
Enrico Marx aus Sotterhausen, der beim «Tiwaz» die «GefangenenHilfe» repräsentierte – Quelle: Pixelarchiv
Enrico Marx aus Sotterhausen, der beim «Tiwaz» die «GefangenenHilfe» repräsentierte – Quelle: Pixelarchiv
Steve Geburtig, Geschäftsführer von «PC Records», bei der Anreise – Quelle: Pixelarchiv
Steve Geburtig, Geschäftsführer von «PC Records», bei der Anreise – Quelle: Pixelarchiv
Links im Bild mit Brille und Bart: Jörg Endesfelder am Einlass. Links von ihm ist auch Robert Andres zu sehen – Quelle: Pixelarchiv
Links im Bild mit Brille und Bart: Jörg Endesfelder am Einlass. Links von ihm ist auch Robert Andres zu sehen – Quelle: Pixelarchiv
Zwei der Hauptverantwortlichen des «Tiwaz» in weißen T-Shirts: Tim Kühn und rechts neben ihm Eric Fröhlich – Quelle: Pixelarchiv
Zwei der Hauptverantwortlichen des «Tiwaz» in weißen T-Shirts: Tim Kühn und rechts neben ihm Eric Fröhlich – Quelle: Pixelarchiv
Stephanie Sajovitz (1.v.r.) – Quelle: Pixelarchiv
Stephanie Sajovitz (1.v.r.) – Quelle: Pixelarchiv
Rechts im Bild: Philipp Hoffmann – Quelle: Pixelarchiv
Rechts im Bild: Philipp Hoffmann – Quelle: Pixelarchiv
Toni Neukamm (1.v.r.) – Quelle: Pixelarchiv
Toni Neukamm (1.v.r.) – Quelle: Pixelarchiv
Weihnachtsfeier extrem rechter Sicherheitsmitarbeiter in Lichtenstein 2018. Darunter Tim Kühn, Toni Neukamm, Christopher Brodhun und Stephan Heinl. Auch Paul Morgenstern nahm teil. – Screenshot: Facebook
Weihnachtsfeier extrem rechter Sicherheitsmitarbeiter in Lichtenstein 2018. Darunter Tim Kühn, Toni Neukamm, Christopher Brodhun und Stephan Heinl. Auch Paul Morgenstern nahm teil. – Screenshot: Facebook
Jan Riemann, im Bild mittig mit Sonnenbrille auf dem Kopf – Quelle: Pixelarchiv
Jan Riemann, im Bild mittig mit Sonnenbrille auf dem Kopf – Quelle: Pixelarchiv
Mit blauer Jacke: Michel Günther – Quelle: Pixelarchiv
Mit blauer Jacke: Michel Günther – Quelle: Pixelarchiv
Ricardo Knöfel (1.v.r.), Fabian Rösner (2.v.r.), Yannick Pochert (2.v.l.) – Quelle: Pixelarchiv
Ricardo Knöfel (1.v.r.), Fabian Rösner (2.v.r.), Yannick Pochert (2.v.l.) – Quelle: Pixelarchiv
Vorletzter auf der rechten Seite des Tisches ist Fabian Rösner – Screenshot: Instagram
Vorletzter auf der rechten Seite des Tisches ist Fabian Rösner – Screenshot: Instagram
Robert Neidhardt und Steffi Grahlmann – Quelle: Pixelarchiv
Robert Neidhardt und Steffi Grahlmann – Quelle: Pixelarchiv
«Jungsturm», darunter Till Maschke (1.v.l., blaues Cap und Sonnenbrille), Richard Burkhardt (5. v.l.), Philipp Mittelstedt (mittig mit rotem T-Shirt), Benjamin Stoye (2.v.r.) – Quelle: Pixelarchiv
«Jungsturm», darunter Till Maschke (1.v.l., blaues Cap und Sonnenbrille), Richard Burkhardt (5. v.l.), Philipp Mittelstedt (mittig mit rotem T-Shirt), Benjamin Stoye (2.v.r.) – Quelle: Pixelarchiv
Dominic Brückner, Marco Klingner, Benjamin Stoye und der Kämpfer Robin Brandt (v.l.n.r.) – Quelle: Pixelarchiv
Dominic Brückner, Marco Klingner, Benjamin Stoye und der Kämpfer Robin Brandt (v.l.n.r.) – Quelle: Pixelarchiv
Der «Jungsturm» im November 2018 zu Besuch in Bulgarien. Mit dabei Theo Weiland, Philipp Pritzschke, Philipp Mittelstedt, Thomas Zimmermann und Marco Klingner – Screenshot: Facebook
Der «Jungsturm» im November 2018 zu Besuch in Bulgarien. Mit dabei Theo Weiland, Philipp Pritzschke, Philipp Mittelstedt, Thomas Zimmermann und Marco Klingner – Screenshot: Facebook
Kevin Noeske (links) und Maximilian Andreas bei der Anreise – Quelle: Pixelarchiv
Kevin Noeske (links) und Maximilian Andreas bei der Anreise – Quelle: Pixelarchiv
Nico Gollnick (1.v.r.), Maik Schubert (2.v.r.), Oliver Fischer (4.v.r.) – Quelle: Pixelarchiv
Nico Gollnick (1.v.r.), Maik Schubert (2.v.r.), Oliver Fischer (4.v.r.) – Quelle: Pixelarchiv
Dominic Exel, Felix Stiller und Danny Bunge (v.l.n.r.) – Quelle: Pixelarchiv
Dominic Exel, Felix Stiller und Danny Bunge (v.l.n.r.) – Quelle: Pixelarchiv
Das Team «Preußens Gloria» aus dem Süden Brandenburg auf dem «Tiwaz» 2019. Zu sehen ist Stefan Baer im T-Shirt der Gruppe. – Screenshot: YouTube
Das Team «Preußens Gloria» aus dem Süden Brandenburg auf dem «Tiwaz» 2019. Zu sehen ist Stefan Baer im T-Shirt der Gruppe. – Screenshot: YouTube
Marcel Abraham alias DJ „Sparkz“ (1.v.l.) – Quelle: Pixelarchiv
Marcel Abraham alias DJ „Sparkz“ (1.v.l.) – Quelle: Pixelarchiv
Das KdN-Team. Rechts Franz Pauße, mittig der Neonazi und Kämpfer Kevin Görke – Screenshot: Facebook
Das KdN-Team. Rechts Franz Pauße, mittig der Neonazi und Kämpfer Kevin Görke – Screenshot: Facebook
Die Kämpfer Tomasz Szkatulski, Lucien Schönbach und Tobias Vogt (v.l.n.r.) auf dem «Tiwaz» 2019
Die Kämpfer Tomasz Szkatulski, Lucien Schönbach und Tobias Vogt (v.l.n.r.) auf dem «Tiwaz» 2019
Der Kämpfer André Bostelmann (Mitte) und seine Begleiter, darunter Dennis Dollberg aus Bremen (1.v.l.) – Screenshot: Facebook
Der Kämpfer André Bostelmann (Mitte) und seine Begleiter, darunter Dennis Dollberg aus Bremen (1.v.l.) – Screenshot: Facebook
Julian Menzel (links) mit Marcel Ruckert vom Team «Preußens Gloria» – Screenshot: Facebook
Julian Menzel (links) mit Marcel Ruckert vom Team «Preußens Gloria» – Screenshot: Facebook
Der Kämpfer Benjamin Grund beim «Tiwaz» 2019 – Screenshot: Facebook
Der Kämpfer Benjamin Grund beim «Tiwaz» 2019 – Screenshot: Facebook
Steffen Reitberger aus Zwickau (1.v.r.) – Quelle: Pixelarchiv
Steffen Reitberger aus Zwickau (1.v.r.) – Quelle: Pixelarchiv

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AfD organisiert «Michel, wach endlich auf!» in Hamburg https://indyhro.blackblogs.org/2019/04/15/afd-organisiert-michel-wach-endlich-auf-in-hamburg/ Mon, 15 Apr 2019 00:00:00 +0000 http://indyhro.blackblogs.org/?p=3671 Continue reading AfD organisiert «Michel, wach endlich auf!» in Hamburg]]> [Original erschienen unter https://exif-recherche.org/?p=5680]

Am Sonntag, dem 14. April 2019, versammelten sich am Hamburger Bahnhof Dammtor etwa 100 Rechte zu einer Kundgebung unter dem Motto: «Michel, wach endlich auf!». Dies war ein erneuter Versuch, mit rechten Inhalten den Hamburger Raum zu erobern. Bereits im letzten Jahr hatte der gleiche Kreis mehrfach Aufmärsche im Zentrum durchgeführt, die unter dem Motto «Merkel muss weg» (MMW) angekündigt wurden. Neben dem bekannten und mehrfach verurteilten rechten Hetzer Michael Stürzenberger aus Bayern, standen am vergangenen Sonntag die AfD-Politiker Steffen Reinicke und Johannes Salomon aus Mecklenburg-Vorpommern am Mikrofon. Salomon nutze die Bühne für Wahlkampfzwecke und rief mit den Worten „Ich bitte um eure Stimme für die Partei der Vernunft“ dazu auf, am 26. Mai bei der Europawahl die AfD zu wählen.

Neben Holocaustleugner Wolfram Schiedewitz, dem NPD-Landesvorsitzenden Lennart Schwarzbach und der NPDlerin Nelia Kiss, nahm auch der Chef des deutschen Ablegers der «Identitären Bewegung» (IB), Daniel Fiß aus Rostock, am Sonntag an dem Aufmarsch teil. Erst kürzlich wurde bekannt, dass die AfD in Mecklenburg-Vorpommern mehrfach hohe Geldbeträge an Fiß überwiesen hat, was die Farce des Unvereinbarkeitsbeschluss der Partei erneut verdeutlicht.

Der harte Kern

Richtungsweisend für die Aufmärsche ist weiterhin der Neonazi Thomas Gardlo. Neben ihm sind nicht nur rechte Schläger, wie etwa der ehemalige Fremdenlegionär Slaven Hirsch, in die Organisation eingebunden, sondern auch einige AfD-Mitglieder. Nennenswert ist dabei Reiner Bruhn, Kandidat der AfD zur Kommunalwahl im Landkreis Ludwigslust-Parchim (Mecklenburg-Vorpommern), sowie Ralph Eitelbach, AfD-Kandidat im Kreis Stormarn (Schleswig-Holstein), die beide von Anfang an die MMW-Kundgebungen organisatorisch unterstützen.

So ist Eitelbach regelmäßig als Ordner bei den Versammlungen eingesetzt. Die Koordination der Ordnerstruktur übernimmt dabei in Hamburg der Neonazi Thorsten Kempf. Schon Anfang der 2000er Jahre fiel Kempf als Kunde eines Neonazi-Versandhandels auf. Dass die aufgebaute Ordner-Struktur von MMW eng an die AfD angebunden ist, zeigte sich schon beim AfD-Wahlkampfauftakt zur Europawahl am 30. März 2019 im Lübecker Rathaus. Dort waren sowohl Kempf als auch Eitelbach abermals als Ordner tätig. Reiner Bruhn fungierte am Sonntag am Bahnhof Dammtor als Anmelder und steht auch im Impressum der neuen Facebookseite «Heimat-Patriotismus-Zukunft», über die für die extrem rechte Kundgebung mobilisiert wurde. Bruhn begleitete nahezu jede MMW-Kundgebung im letzten Jahr und zählte schon früh zum harten Kern des Orga-Kreises.

 

Verbindung zur Hamburger AfD

Der Hamburger Landesverband ist darauf bedacht, sich öffentlich von der Veranstaltungssreihe abzugrenzen. Trotz zahlreicher Aussagen der Hamburger AfD, dass es keine Verbindungen zu den Hamburger «Merkel muss weg»-Aufmärschen gebe, lassen sich zahlreiche Verstrickungen nachweisen. So waren am Sonntag zwei Mitglieder vom Vorstand der AfD-Eimsbüttel anwesend: Sven Freitag (Beisitzer) und Martin Lemke (Schriftführer und Kandidat der AfD zur Bezirkswahl in Hamburg). Die Beiden, die seit der ersten Stunde an den MMW-Aufmärschen teilnahmen, waren auch organisatorisch an der Kundgebung am Sonntag beteiligt. Sie kümmerten sich um den Abtransport der Technik. Bei seiner Ankunft begrüßte Sven Freitag zudem den Neonazi Thomas Gardlo freundschaftlich per Handschlag. Ebenfalls in die Organisation der Kundgebung eingebunden war das AfD-Mitglied Diana Hinz. Sie erstellt regelmäßig einen Live-Stream der Veranstaltungen und war am Sonntag für die Betreuung von Henryk Stoeckl zuständig. Auch die Schriftführerin der AfD in Wandsbek, Marion Meiners, war am Sonntag Nachmittag vor Ort.

Die Nähe der Hamburger AfD zu den MMW-Aufmärschen war schon im letzten Jahr deutlich geworden. Einer der Teilnehmenden aus den Reihen der Partei, Ulrich Lenz, sorgte im Oktober 2018 als „AfD-Messermann“ für Schlagzeilen. Er hatte einen Mann mit einem Messer attackiert, als dieser rassistische Hetzflyer von einem AfD-Infostand wischte.

Weitere AfD-Mitglieder, die bereits bei den extrem rechten «Merkel muss weg»-Aufmärschen teilgenommen haben, kandidieren aktuell für die Bezirksversammlungswahl am 26. Mai 2019 in Hamburg. Etwa der AfD-Kandidat für den Bezirk Altona, Tobias Steinhaus. Mit seinem Bruder Christoph Steinhaus, der bei der extrem rechten Gruppe «Identitäre Bewegung» aktiv ist, nahm er auch an einer Veranstaltung von Alexander Gauland in Hamburg teil. Auch der aktuell für die Bezirksliste Hamburg-Nord aufgestellte Kandidat der AfD, Martin Rudolf Rohweder, war Teilnehmer der MMW-Verstaltungen. Ebenso wenig Berührungsängste zur extremen Rechten hat das für die AfD in Bergedorf kandidierende Paar Karl-Peter und Marianne Winkelbach. Im letzten Jahr teilten beide mehrmals den MMW-Kundgebungsplatz u.a. mit Mitgliedern der Neonazi-Partei NPD.

Moritz Lahn, ehemaliges Bezirksvorstandsmitglied der AfD Hamburg-Nord und Gründungsmitglied des AfD-Landesverband Hamburg, übernimmt mit seinem Projekt «Nobel & Frei» die Medienarbeit der Partei. Neben Videoberichten von Landesparteitagen, Diskussionsveranstaltungen und parteinahen Aufmärschen werden in dem Format auch Videos der Hamburger «Merkel muss weg»-Aufmärsche veröffentlicht. So sorgt Lahn mit «Nobel & Frei», neben den vielen anderen rechten Bloggern, für die Verbreitung und Mobilisierung in rechten Kreisen. Christian Minaty, der u.a. für das Bundesministerium der Verteidigung und für die Hamburger Bürgerschaft arbeitete, ist Mitverantwortlicher des Video-Projekts.

Eines der AfD-Mitglieder, der oft verkleidet an den MMW-Aufmärschen teilnahm, ist der Rechtsanwalt Peter Wolfslast. Seine Teilnahme an den vom Verfassungsschutz beobachteten Veranstaltungen ist nicht wenig brisant, denn Wolfslast ist als Mitglied in die Deputation der Justitzbehörde der Hansestadt Hamburg gewählt worden und hat so Einfluss auf bedeutende Entscheidungen.

Beim MMW-Aufmarsch am 5. März 2018 nahm auch das Bezirksvorstandsmitglied der AfD, Miguel Venegas aus Hamburg-Harburg, teil. Er reiste dort mit Petra Federau und weiteren AfDlern aus Mecklenburg-Vorpommern zur Kundgebung an. Venegas fiel schon als Besucher einer Veranstaltung des Vereins «Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft e.V.» am 16. Juni 2016 auf. Dort teilte er sich u.a. den Saal mit dem Hamburger NPD-Kader Thomas Wulff, während der Geschichtsrevisionist Stefan Scheil einen Vortrag hielt.

AfD-Support aus anderen Bundesländern

Im Gegensatz zum Hamburger Landesverband bringt sich die AfD aus Mecklenburg-Vorpommern offen in die extrem rechte MMW-Veranstaltungsreihe ein. Wiederholt wurden Fahrgemeinschaften gebildet um die Aufmärsche personell zu unterstützen. Auch Redner wurden entsandt, wie etwa Dennis Augustin (Sprecher des AfD Landesverbandes in Mecklenburg-Vorpommern), Johannes Salomon (Beisitzer im Kreisvorstand Rostock) und Steffen Reinicke (Beisitzer im Kreisvorstand Rostock). Begleitet wurden diese unter anderem von Holger Arppe, Petra Federau, Dirk Lerche (Mitglied der AfD Fraktion in Mecklenburg-Vorpommern) und dem stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Christoph Grimm.

Unterstützung bekommt die Hamburger Veranstaltungsreihe aber auch von der AfD aus Schleswig-Holstein. Annette Walther, derzeit als Fraktionslose Mitglied im Stormaner Kreistag, ist treue und regelmäßige Besucherin der rassistischen Aufmärsche. Am 7. November letzten Jahres stieg Walther auf die berühmt gewordenen Getränke-Kisten der Kundgebung und hielt eine Rede. Wie scheinheilig ihre Forderung nach einem Rücktritt von Arnulf Fröhlich (Fraktionsvorsitzender AfD-Stormarn) ist, weil dieser 1990 an einer Neonaziveranstaltung teilnahm, wird hier offensichtlich. Dass sie in Hamburg regelmäßig mit Neonazis an den Veranstaltungen teilnimmt, lässt ihren Vorstoß gegen Fröhlich nur als konkurrierendes Geschacher um Spitzen-Posten wirken.

Ebenso regelmäßiger Unterstützer aus Schleswig Holstein ist der AfDler Daniel Buhl aus Elmshorn. Einige Male begleitete er die Kundgebung bereits mit einem Live-Stream. Diese Online-Veröffentlichungen dienen den Rechten, die geringe Zahl der Teilnehmenden zu kompensieren. Hohe Klickzahlen sorgen außerdem für eine virtuelle Bestätigung imaginierter Relevanz der vermittelten Inhalte.

Ohne AfD kein Michel

Dass der AfDler Reiner Bruhn aus Mecklenburg-Vorpommern aktuell maßgeblich die Organisation der «Michel, wach endlich auf!»-Kundgebungen übernimmt, lässt einige Rückschlüsse zu. Offensichtlich ist es nicht möglich ein Orga-Team allein aus Hamburg aufzustellen. Die Arbeit müssen Externe übernehmen – Mitglieder der AfD aus Norddeutschland. Aus taktischen Gründen hält sich die Führungsspitze der AfD in Hamburg offiziell zurück, doch zeigt die hier aufgeführte Recherche, dass zahlreiche AfD-Mitglieder aus Hamburg hinter den rassistischen Kundgebungen stehen und diese unterstützen. Eine Analyse der gesamten rassistischen Kundgebungsreihe 2018 zeigt zudem, dass AfD-Mitglieder nicht nur regelmäßig teilnehmen, sondern stets auch tragende Funktionen inne haben. Dadurch drängt sich die Frage auf, ob die MMW- bzw. Michel-Reihe überhaupt ohne die strukturgebenden Kräfte der AfD funktionieren würde.

Auch dem Hamburger Verfassungsschutz sind die Entwicklungen der Gruppe aufgefallen. Laut Behörde stehen hinter den «Michel, wach endlich auf!»-Kundgebungen dieselben Organisatoren, wie schon bei «Merkel muss weg». Sie seien „eindeutig der rechtsextremistischen Szene“ zuzuordnen. Wie hier dargelegt besteht der Organisations-Kreis überwiegend aus AfD-Mitgliedern. Was die Einordnung des Geheimdienstes für die Hamburger AfD bedeutet, wird sich zeigen.

Abschließend kann festgehalten werden, dass sich erneut der bundesweite Trend der Rechten auch in Hamburg bestätigt: Der rechte Konsens gegen „Islamisierung“, „Klimawandelreligion“ und angebliche Massenzuwanderung von „Asylforderern“ funktioniert organisations-und spektrenübergreifend. So stehen auf der rechten Kleinstkundgebung AfDler Seite an Seite mit Holocaustleugnern, IB-Kadern und NPD-Mitgliedern.

14.04.2019, «Michel, wach endlich auf!»-Kundgebung: Wolfram Schiedewitz (Bild 1), Nelia Kiss (Bild 2), Lennart Schwarzbach (Bild 3) – Quelle: Pixelarchiv
14.04.2019, «Michel, wach endlich auf!»-Kundgebung: Wolfram Schiedewitz (Bild 1), Nelia Kiss (Bild 2), Lennart Schwarzbach (Bild 3) – Quelle: Pixelarchiv
05.03.2018, Thomas Gardlo (links), Reiner Bruhn (rechts) und Thorsten Kempf (mit Rücken im Bild) im Gespräch mit der Polizei
05.03.2018, Thomas Gardlo (links), Reiner Bruhn (rechts) und Thorsten Kempf (mit Rücken im Bild) im Gespräch mit der Polizei
05.09.2018, Ralph Eitelbach (mit Ordnerbinde) im Gespräch mit Thorsten Kempf (Chefordner) und Reiner Bruhn – Quelle: Pixelarchiv
05.09.2018, Ralph Eitelbach (mit Ordnerbinde) im Gespräch mit Thorsten Kempf (Chefordner) und Reiner Bruhn – Quelle: Pixelarchiv
14.04.2019, «Michel, wach endlich auf!»-Kundgebung: Sven Freitag (links) und Martin Lemke (rechts) beim Abbau der Technik – Quelle: Pixelarchiv
14.04.2019, «Michel, wach endlich auf!»-Kundgebung: Sven Freitag (links) und Martin Lemke (rechts) beim Abbau der Technik – Quelle: Pixelarchiv
26.03.2018, Ulrich Lenz (Bildmitte) bei «Merkel muss weg»-Kundgebung
26.03.2018, Ulrich Lenz (Bildmitte) bei «Merkel muss weg»-Kundgebung
26.03.2018, «Merkel muss weg»-Kundgebung: Karl-Peter und Marianne Winkelbach (Bild 1) und Martin Rudolf Rohweder (Bild 2) – 19.02.2018, «Merkel muss weg»-Kundgebung: Tobias Steinhaus (Bild 3)
26.03.2018, «Merkel muss weg»-Kundgebung: Karl-Peter und Marianne Winkelbach (Bild 1) und Martin Rudolf Rohweder (Bild 2) – 19.02.2018, «Merkel muss weg»-Kundgebung: Tobias Steinhaus (Bild 3)
05.09.2018, Moritz Lahn mit Videokamera bei der «Merkel muss weg»-Kundgebung – Quelle: Pixelarchiv
05.09.2018, Moritz Lahn mit Videokamera bei der «Merkel muss weg»-Kundgebung – Quelle: Pixelarchiv
Peter Wolfslast bei «Merkel muss weg»-Kundgebungen am 19.02.2018 (Bild 1), am 05.09.2018 (Bild 2) und bei «Michel, wach endlich auf!»-Kundgebung am 14.04.2019 (Bild 3)
Peter Wolfslast bei «Merkel muss weg»-Kundgebungen am 19.02.2018 (Bild 1), am 05.09.2018 (Bild 2) und bei «Michel, wach endlich auf!»-Kundgebung am 14.04.2019 (Bild 3)

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Rechtsterroristische Allianzen https://indyhro.blackblogs.org/2019/04/03/rechtsterroristische-allianzen/ Wed, 03 Apr 2019 00:00:00 +0000 http://indyhro.blackblogs.org/?p=3766 Continue reading Rechtsterroristische Allianzen]]> [Original erschienen unter https://exif-recherche.org/?p=5546]

Während Thorsten Heise am Abend des 23. März 2019 in Ostritz die Früchte seiner Hass-Kampagne gegen die Presse erntete, fand in Mücka, 50 km von Ostritz entfernt, eine konspirativ organisierte Veranstaltung mit Beteiligung der rechtsterroristischen Gruppe «Combat 18» (C18) statt. Die jüngst auf der Webseite von «Pixelarchiv» veröffentlichte Fotostrecke zeigt auf, welches Netzwerk hinter dem Konzert in Mücka steckt.

Etwa 200 Neonazis hatten sich dort zu einer „Geburtstagssause in Ostsachsen“ versammelt. Angekündigt waren die RechtsRock-Bands «Oidoxie», «Nordglanz», «TreueOrden», «Oldschool Rockerz» und eine Überraschungsband. Der in Neonazi-Kreisen unter der Hand kursierende Einladungsflyer zeigt ein Bild mit Soldaten, die eine Torte präsentieren. Statt dem Hakenkreuz, welches im Originalbild abgebildet ist, verwendeten die Veranstalter einen Drachen als Tortendekoration. Dieser wird weltweit als Emblem von allen „autorisierten“ Ablegern benutzt, um sich zu dem rechtsterroristischen Netzwerk «Combat 18» zu bekennen. Am unteren Rand des Flyers ist zudem in großen Lettern der Schriftzug «Brigade 8» abgebildet.

Vereinigung von «Brigade 8» & «Combat 18»

Schon häufig konnte die Neonazi-Bruderschaft «Brigade 8» ungestört Konzerte in Ostsachsen ausrichten. Zuerst in ihrem Clubhaus in Weißwasser, nun seit geraumer Zeit in Mücka. Die Durchführung eines Konzerts mit C18-Bezug ist aktuell – neben dem Spiel mit den Symbolen beider Gruppen auf dem Flyer – ein deutlicher Hinweis auf eine Allianz der beiden extrem rechten Gruppierungen. Schon auf dem RechtsRock-Konzert «Rock gegen Links» im Oktober 2017 in Themar, wie auch auf dem «Schild & Schwert-Festival» im April 2018 war ein reger Austausch zwischen beiden Gruppen erkennbar.

Während sich am 23. März die Mitglieder der neonazistischen Bruderschaft «Brigade 8» mit ihren rocker-ähnlichen Kutten als Gang in Szene setzten, waren einige Anhänger von «Combat 18» an ihren Kameradschafts-T-Shirts zu erkennen. Diese sind im Stil des alten «Blood & Honour» (B&H) -Designs gestaltet, nur der frühere B&H-Schriftzug wurde durch «Combat 18» ersetzt. Ein auf den Fotos erkennbares T-Shirt zeigt außerdem die Aufschrift „Bruderschaft“, sowie die Logos der Gruppen «Brigade 8» und «Combat 18» und stellt damit den Bezug zur Vereinigung dar. Andere Teilnehmer des Konzertes hielten es „klassisch“ und präsentierten etwa ein T-Shirt, auf dem groß ein Hakenkreuz prangte.

Ein besonderer Gast des Abends war der frisch aus der Untersuchungshaft entlassene Stanley Röske. Seine Zugehörigkeit zu C18 musste dieser in Mücka nicht zur Schau tragen, er ist bundesweit dafür bekannt. Bis vor Kurzem betreute er das Vereinskonto von «Combat 18», auf dem regelmäßig Mitgliedsbeiträge aus ganz Deutschland eingezahlt wurden.

Röske und elf weiteren Mitgliedern wird aktuell unter anderem der internationale Handel mit verbotenen RechtsRock-CDs und verfassungsfeindlichen, rechten Merchandise-Artikeln vorgeworfen. Gegen ihn wurde deshalb auch im Dezember im hessischen Helsa eine Hausdurchsuchung angeordnet, Röske selbst kam in Untersuchungshaft. Während dieser Zeit erfuhr er von C18 Solidarität, die auf Transparenten seine Freilassung forderten. Schon im September 2017 geriet Röske bundesweit in die Schlagzeilen, als er und zwölf weitere «Combat 18»-Mitglieder von der Polizei-Sondereinheit GSG9 in Bayern auf ihrem Rückweg von Schießübungen in Tschechien kontrolliert wurden. Er führte damals Munition mit sich.

Umgeben war Röske in Mücka unter anderem von seinem C18-Mitstreiter Alexander Michels aus Malchin (Mecklenburg-Vorpommern), wie auf den Bildern zu erkennen ist. Auch er blickt auf eine längere Haftzeit zurück. Mit seiner damaligen Kameradschaft prügelte er 2011 einen anderen Neonazi fast zu Tode, wofür er mehrere Jahre ins Gefängnis musste.

Eine Reisebegleitung zum Konzert in Ostsachsen fand Michels vermutlich in Silvio Will aus Boizenburg (Mecklenburg-Vorpommern). Will steht nicht nur dem C18-Netzwerk nah, sondern gehört auch der «Arischen Bruderschaft» an, einer Kameradschaftsstruktur aufgebaut von Thorsten Heise. Silvio Will, wie viele andere Mitglieder dieser Neonazi-Gemeinschaft, übernimmt seit Jahren Aufgaben für den „Sicherheitsdienst“ auf Heises Konzerten – etwa im Rahmen des «Schild & Schwert-Festival» oder auf dem «Eichsfeldtag» in Thüringen.

Seit geraumer Zeit sind Anbiederungen verschiedener Kameradschaftsstrukturen an C18 zu beobachten. Nicht immer gehen die Strukturen vollständig in C18 auf, manche bleiben autonom, kooperieren aber auf verschieden Ebenen. Dieser Prozess ist nun bei «Brigade 8» erkennbar, die sich seit ihrer Gründung 2012 einzig im Raum Sachsen stetig entwickelte. In vielen anderen Regionen fiel die Bruderschaft in Verruf, bestand sie doch hauptsächlich aus Neonazis, die sich durch diese Gruppenzugehörigkeit wichtiger machen wollten, als sie sind. An eine Struktur wie C18 angebunden zu sein, heißt für die «Brigade 8» schließlich auch eine Aufwertung innerhalb der Neonazi-Szene.

Verschiedene Konzepte

In den parallel stattfindenden Veranstaltungen am 23. März 2019 in Ostsachsen Konkurrenz erkennen zu wollen, wäre schlicht zu einfach und verkennt die unterschiedlichen Charaktere der Events sowie deren Wirkungsgrad. So zielte das Konzert in Ostritz mit seinem öffentlichen, niedrigschwelligen Zugang auf eine hohe Zahl von Teilnehmenden, um möglichst viel Geld zu generieren. Mit den RechtsRock-Veteranen von «Endstufe» sowie Neonazi-Bands aus dem Ausland auf der Bühne und dem bewusst gewählten, subkulturellen Konzert-Motto „Skinheads Back To The Roots“, brachte es Thorsten Heise dort schließlich auf rund 500 Gäste. Teilweise reisten diese aus Ländern wie Polen und Spanien an. Das Konzert wirkte zudem als Machtdemonstration nach außen.

Als in den frühen Abendstunden eine Gruppe Journalist*innen versuchte, in Polizeibegleitung das Veranstaltungszelt zu betreten, wurden sie nach wenigen Minuten von Teilnehmern mit vollen Bierbechern beworfen, geschlagen und bedrängt. Auch ein Feuerlöscher wurde gegen die Presse und die anwesende Polizei eingesetzt. Die in dem Zusammenhang vor laufenden Kameras inszenierten Schlichtungsversuche von Heise – dem Spiritus Rector von «Combat 18» – sollten ihn als Beschützer der Presse darstellen. Eine Farce, denn das Propagieren derartiger Angriffe auf die Presse war 2018 Kernthema seiner Reden auf Versammlungen. „So weiß ich doch aber heute, glaube ich, ganz genau, dass eins unserer Hauptfeindbilder diese Journaille sein muss“, waren etwa die Worte am 17. Februar 2018 in Niedersachsen vor etwa hundert Neonazis. Seit dem Angriff auf zwei Journalisten im April 2018, ausgeführt durch seinen Ziehsohn Gianluca Bruno und seinen Sohn Nordulf Heise, forcierte er stetig das Bild der „Lügenpresse“ als Hauptfeind der „nationalen Bewegung“. Fanatisch versucht er seine Anhängerschaft aufzustacheln, in dem er u.a. existentielle Bedrohungen herbei fantasierte, die die Presse entfachen würde. Eine vermeintliche Gegenwehr und Präventivschläge gegen die Presse sollen so ihre Legitimation finden.

Konspirative Veranstaltungen wie in Mücka sprechen dagegen eine eher geschlossene Gemeinschaft an, die meint, damit etwa ihre Anonymität wahren zu können. Interne Vernetzung, geheime Geschäfte und Absprachen sind ebenfalls in solch einem Rahmen sicherer und effektiver, als auf den großen, öffentlich beworbenen Events. Zudem findet eine Elitenbildung bzw. das Empfinden dessen statt. Schließlich war der Kreis der „Mitwissenden“ in Mücka kleiner und auserlesener. Dies soll jedoch nicht heißen, dass Vernetzungen und Absprachen nicht auch auf Konzerten wie in Ostritz stattfinden. Auch dort waren am besagten Samstag Personen aus einflussreichen Neonazi-Organisationen, wie etwa den «Hammerskins» anwesend.

Die Durchführung zweier Konzerte am selben Tag und in unmittelbarer Nähe legt die Vermutung nahe, dass dahinter ein Konzept steht. Bereits am 20. April 2018 fand parallel zum ersten, von Thorsten Heise in Ostritz organisierten «Schild & Schwert- Festival» ein weiteres, konspirativ durchgeführtes Konzert in Polen statt. Auch zu diesem reisten deutsche Neonazis aus dem Kreis von Thorsten Heise.

Überschneidungen ließen sich am 23. März auch an den Reisebewegungen exponierter, polnischer Neonazis um Grzegorz Jastrzebski ausmachen. Der Sänger der polnischen C18-Band «Legion Twierdzy Wroclaw» (LTW) schlug mit seinen Mitstreitern zuerst auf dem Konzert in Ostritz auf, um offensichtlich Gespräche mit Thorsten Heise zu führen, wie auf den Bildern von «Pixelarchiv» zu erkennen ist. Danach fuhr die Gruppe zum Konzert nach Mücka, wo sie u.a. die Beziehungen zu ihrem Ansprechpartner von C18 in Deutschland, Michael Hein aus Frankfurt/Oder, pflegten.

Während sich also die mediale Aufmerksamkeit auf die Großkonzerte konzentriert, können sich andernorts Neonazis ungestört versammeln, vernetzen und austauschen. Darüber hinaus fließen die Einnahmen in die selbe Struktur. Im Gesamten entsteht so eine Win-Win-Situation, sowohl für die Veranstalter, als auch für das Publikum.

Whatever it takes…

Von der Generalstaatsanwaltschaft München hieß es zu der Razzia im Dezember 2018, dass eine Reaktivierung von «Blood & Honour Division Deutschland» angenommen wird. Bezüge zu der wenige Monate zuvor aufgedeckten B&H/C18-Struktur wurden in offiziellen Verlautbarungen zunächst nicht gezogen. Dies hätte eventuell unangenehme Fragen nach sich gezogen. Wie etwa, warum nur zwölf Neonazis von den Durchsuchungen behelligt werden, wenn weit über 50 Mitglieder einer internationalen Struktur in Deutschland angehören. Heute ist offensichtlich: Das Verfahren aus Bayern betrifft einen kleinen Teil der C18-Struktur. Dass das gesamte Verfahren zu einer bundesweit agierenden, rechtsterroristischen Struktur in bayrischer Hand liegt, weist wohl möglich auch auf Zerwürfnisse über Kompetenzgerangel und nicht funktionierende Zusammenarbeit der deutschen Sicherheitsbehörden hin. Offensichtlich ist es nicht möglich, einen bundesweiten Vorstoß gegen die Struktur zu initiieren und so wird wohl auch das aus Bayern angesetzte Verfahren keine gravierenden Auswirkungen auf die Gesamtstruktur von C18 haben. Naheliegend, dass es problematisch ist, wenn jede Landesbehörde der unterschiedlichsten Geheimdienste um jeden Preis ihre V-Leute schützen will. So scheint es, dass man weiter handlungsunfähig bleibt oder wie in Bayern nur Einzelne heraus gepickt werden. Um wenigstens irgendetwas getan zu haben.

Währenddessen geht der Verkauf von strafrechtlich relevanten Musikproduktionen durch das B&H/C18-Netzwerk munter weiter. So wurde etwa die 2005 veröffentlichte «Oidoxie»-CD „Weiß + Rein“ 2018 bei dem konspirativ agierenden Plattenlabel «FAP-Records» neu aufgelegt. Auch zahlreiche indizierte „Klassiker“ werden aktuell wieder auf den Markt gebracht und CD-Cover in der Neuauflage mit dem «Combat 18»-Emblem, dem Drachen, versehen. Auf einem jüngst aufgetauchten «Combat 18 Deutschland»- Sampler ist darüber hinaus ein Hakenkreuz abgebildet. «Oidoxie» ist dort u.a. mit einem Coversong von «No Remorse» vertreten. In dem Song „The Jews can‘t do a thing if we stick together“ ruft die Band zum Mord an Jüdinnen und Juden auf.

Dass solche Veröffentlichungen ohne die Einwilligung der jeweiligen Band produziert werden, ist abwegig. Wahrscheinlicher ist, dass die Produktionen direkt aus diesen Strukturen angeschoben werden. Schließlich lässt sich damit viel Geld generieren.

Zudem verdichtet sich auch international die enge Bande des Netzwerks. Denn während die deutschen Strukturen in Mücka und Ostritz Konzerte abhielten, fand auch in Chile ein Konzert mit klarem C18-Bezug statt. Aufgespielt hatte u.a. die Bremer Neonazi-Band «Kategorie C».

Ein folgendes Konzert in Brasilien, für das abermals «Kategorie C» angekündigt wurde, fand ebenso im Netzwerk von «Blood & Honour» statt. Der auf dem Flyer genannte «Club 28» ist eine gängige Codierung innerhalb der Szene (28 = BH), um auf diese Struktur zu verweisen. Einer der mitgereisten Besucher beider Konzerte war darüber hinaus kein Geringerer als Yves Rahmel aus Chemnitz. Gegen ihn und andere lief bereits in den frühen 2000ern ein Ermittlungsverfahren wegen dem Verdacht der Weiterführung der 2000 in Deutschland verbotenen «Blood & Honour»-Sektion. Als Hintermann des Labels «PC Records» ist Rahmel bis heute eine Schlüsselfigur in der Produktion und im Vertrieb von RechtsRock weltweit.

Auch einzelne Mitglieder des deutschen «Combat 18»-Netzwerks scheinen sich in keiner Weise einzuschränken, was den Bezug zu Rechtsterrorismus betrifft. In sozialen Netzwerken zeigen sich Mitglieder der Nordrhein-westfälischen C18-Sektion – Robin Schmiemann und Patric Kowalski – provokant in T-Shirts, deren Aufdruck Solidarität mit Mitgliedern des rechtsterroristischen Netzwerks «Nationalsozialistischer Untergrund» (NSU) ausdrücken. Marko Gottschalk, führendes Mitglied von C18 und Sänger von «Oidoxie», präsentierte sich zudem jüngst in Kleidung, die ebenfalls solch eine Selbstsicherheit gegenüber den Ermittlungsbehörden vermittelte. Gemeint ist eine Lederweste, die im Stile der Motorradclubs mit Abzeichen bestückt ist, auf denen der C18-Leitspruch „Whatever it takes“ und der Code „28 FF 28“ („Blood & Honour Forever, Forever Blood & Honour“) zu sehen ist. Mit der gleichen Kutte war im Übrigen auch Silvio Will am 23. März in Mücka bekleidet.

Insgesamt scheinen die Maßnahmen der Behörden auf die Struktur um B&H/C18 sehr wenig Eindruck gemacht zu haben. Im Gegenteil: Wenige Monate nach Aufdeckung der C18 Struktur, den vereinzelten Razzien gegen Mitglieder und der Inhaftierung des C18-Kassenwarts Stanley Röske, gewinnt die Verbreitung von strafbaren CDs mit Bezug zum verbotenen B&H-Netzwerk an Aufschwung. Die Geschäfte im Bereich RechtsRock florieren und neue Allianzen wie zur «Brigade 8» werden geschmiedet. «Combat 18» expandiert und kann sein rechtsterroristisches Netzwerk stetig ausbauen. Ob wegen «Blood & Honour»-Wiederbetätigung oder einem Verbot der Struktur «Combat 18» als deren bewaffneten Arm, es gäbe seit Jahren Möglichkeiten für die Behörden gegen diese Struktur vorzugehen. Dass sie es nicht tun, zeugt davon, dass sich seit der Selbstentarnung des NSU keine Veränderung in der behördlichen Logik eingestellt hat. Die Behörden glauben, durch das V-Leute-System die Struktur kontrollieren zu können, zu Lasten derer, die die Auswirkungen des Naziterrors zu spüren bekommen – durch Propaganda und die darauf folgende Gewalt. Der Quellenschutz verhindert hierbei die Strafverfolgung. Die Frage ist also nicht, ob Geheimdienstbehörden ihre schützende Hand über «Combat 18» halten, sondern wie viele.

 

Konzertflyer von «Combat 18» und «Brigade 8»
Konzertflyer von «Combat 18» und «Brigade 8»
23.03.2019 – «Brigade 8»-Mitglied (Bildmitte) in Mücka mit T-Shirt Aufdruck: «Brigade 8» und «Combat 18» Bruderschaft – Quelle: Pixelarchiv
23.03.2019 – «Brigade 8»-Mitglied (Bildmitte) in Mücka mit T-Shirt Aufdruck: «Brigade 8» und «Combat 18» Bruderschaft – Quelle: Pixelarchiv
T-Shirt-Logo: «Brigade 8» und «Combat 18»
T-Shirt-Logo: «Brigade 8» und «Combat 18»
23.03.2019 – Neonazi im Hakenkreuz T-Shirt in Mücka – Quelle: Pixelarchiv
23.03.2019 – Neonazi im Hakenkreuz T-Shirt in Mücka – Quelle: Pixelarchiv
23.03.2019 – Stanley Röske (hellblaues T-Shirt) mit Alexander Michels und weiteren «Combat 18»-Mitgliedern in Mücka – Quelle: Pixelarchiv
23.03.2019 – Stanley Röske (hellblaues T-Shirt) mit Alexander Michels und weiteren «Combat 18»-Mitgliedern in Mücka – Quelle: Pixelarchiv
Solidaritätsaktion für die inhaftierten «Combat 18»-Mitglieder
Solidaritätsaktion für die inhaftierten «Combat 18»-Mitglieder
23.03.2019 – Silvio Will (Bildmitte) mit «Blood & Honour» / «Combat 18»-Kutte in Mücka – Quelle: Pixelarchiv
23.03.2019 – Silvio Will (Bildmitte) mit «Blood & Honour» / «Combat 18»-Kutte in Mücka – Quelle: Pixelarchiv
23.03.2019 – «Combat 18 Polen»-Mitglieder in Ostritz (links) später mit Michael Hein zusammen in Mücka (rechts) – Quelle: Pixelarchiv
23.03.2019 – «Combat 18 Polen»-Mitglieder in Ostritz (links) später mit Michael Hein zusammen in Mücka (rechts) – Quelle: Pixelarchiv
«Oidoxie» CD-Cover „Weiß + Rein“ Neuauflage von «FAP-Records» (2018)
«Oidoxie» CD-Cover „Weiß + Rein“ Neuauflage von «FAP-Records» (2018)
«Combat 18 Deutschland» Sampler mit «Oidoxie», «Sturmbrüder», «Exempel», «TreueOrden», «Kommando S3» und «Amok» (Schweiz) (2019)
«Combat 18 Deutschland» Sampler mit «Oidoxie», «Sturmbrüder», «Exempel», «TreueOrden», «Kommando S3» und «Amok» (Schweiz) (2019)
März 2019 – «Kategorie C» auf «Blood & Honour» / «Combat 18»-Konzert in Chile
März 2019 – «Kategorie C» auf «Blood & Honour» / «Combat 18»-Konzert in Chile
März 2019 – «Kategorie C» auf «Blood & Honour»-Konzert in Brasilien
März 2019 – «Kategorie C» auf «Blood & Honour»-Konzert in Brasilien
Robin Schmiemann und Patric Kowalski in NSU Solidariäts-T-Shirts (Bild: links) Marko Gottschalk in «Blood & Honour» / «Combat 18»-Kutte (Bild: rechts)
Robin Schmiemann und Patric Kowalski in NSU Solidariäts-T-Shirts (Bild: links) Marko Gottschalk in «Blood & Honour» / «Combat 18»-Kutte (Bild: rechts)

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Neonazi-Veranstaltungen in Neumünster, Celle & Grevesmühlen https://indyhro.blackblogs.org/2019/03/11/neonazi-veranstaltungen-in-neumuenster-celle-grevesmuehlen/ Mon, 11 Mar 2019 00:00:00 +0000 http://indyhro.blackblogs.org/?p=3772 Continue reading Neonazi-Veranstaltungen in Neumünster, Celle & Grevesmühlen]]> [Original erschienen unter https://exif-recherche.org/?p=5511]

Am Samstagabend fanden in Norddeutschland gleich drei konspirativ organisierte Events statt, davon zwei RechtsRock-Konzerte: Joachim Saecker aus Rellingen organisierte in der von Horst Micheel betriebenen Kneipe «Titanic» in Neumünster (Schleswig-Holstein) ein „Solidaritätskonzert“ für den Erhalt dieser Neonazi-Location. Micheel sitzt für die NPD in der Neumünsteraner Ratsversammlung und bildet zusammen mit dem Vorsitzenden des NPD-Kreisverbandes Mittelholstein, Mark Michael Proch, eine Fraktion.

Angekündigt war u.a. «Stonehammer» und die Liedermacherin «Karin». Ersteres ist das Projekt des in Berlin lebenden Kanadiers David Allen Surette alias «Griffin». Hinter «Karin» steht die vormals in Brandenburg aktive Neonazi-Aktivistin Karin Mundt. Sie wurde vor allem durch ihre Band „Wut aus Liebe“ bekannt.

Konzertveranstalter Saecker ist seit über 20 Jahren in der Neonazi-Szene aktiv und ist in Norddeutschland und darüber hinaus bestens vernetzt. Schon in den 2000er Jahren organisierte er Konzerte für den «Club88» in Neumünster. Neben besten Kontakten in das Netzwerk von «Blood & Honour» unterhält Saecker auch enge Verbindungen nach Berlin zur rocker-ähnlichen Gruppierung «Vandalen», der u.a. Michael «Lunikoff» Regener und David Allan Surette angehören. Deutlich wurden diese auch innerhalb der Produktion von RechtsRock-CDs. Hinweisen zufolge war Saecker etwa für den «Amalek»-Sampler verantwortlich, der als Zeichen der Solidarität für den damals inhaftierten Thorsten Heise und zur Unterstützung dessen Familie produziert wurde. Joachim Saecker soll dabei seine Kontakte nach Berlin genutzt haben, um die kurze Zeit später als kriminelle Vereinigung verurteilte RechtsRock-Band «Landser» für den Sampler gewinnen zu können – deren Sänger damals Michael Regener war.

Auch zu Mitgliedern des «Dirty Pack MC» in seiner Region unterhielt Saecker schon damals Freundschaften, um gemeinsame Veranstaltungen zu koordinieren. In den letzten Jahren fiel er zudem mehrfach im Kreise bekannter Neonazis aus dem organisierten RechtsRock-Business auf: Ob als Gast auf dem Geburstags-Konzerts des Totschlägers Stefan Silar 2013 in Koberg, mit dem Moderator des «Thiazi»-Forums Marco Schmidt und der niedersächsischen Neonaziszene 2015 im Planschbecken, oder mit Uwe Menzel, dem Frontmann der Neonazi-Band «Uwocaust» aus Potsdam, auf der Couch.

Des Weiteren konnte im Clubhaus des «Dirty Pack MC» in Celle (Niedersachsen) ein Auftritt von Ken McLellan und David Braddon aus England ausgerichtet werden. Beide gehören der ältesten, noch bestehenden RechtsRock-Band «Brutal Attack» an und sind Gründungsmitglieder von «Blood & Honour» (B&H) in England. Organisiert wurde das Konzert in Celle von den «Skinheads Uelzen», einer Neonazikameradschaft, die seit Jahren rechte Konzerte im norddeutschen Raum veranstaltet. Ihre Mitglieder, darunter Stefan Schmidt und Marcel Schindler, sind zudem eng an die rechten Skinhead-Bands «Abtrimo» und «Alte Schule» angebunden. In den Lokalitäten der Rocker konnten die «Skinheads Uelzen» bereits zuvor Konzerte ausrichten.

Diese Kontakte lassen sich durch die zahlreiche Verbindungen des Motorradclubs in die organisierte Neonaziszene Norddeutschlands erklären. So gehörte einer der Member, Bernd Wilhelm Lebus, nicht nur der «Kameradschaft Celle» an, sondern besuchte schon 1996 den «Rudolf Hess-Gedenkmarsch» in Worms, an dem auch die Mitglieder des rechtsterroristischen NSU-Netzwerks Uwe Mundlos, Beate Zschäpe und Ralf Wohlleben teilnahmen. Heute ist Lebus neben seiner Rockergang auch bei den «Skinheads Uelzen» organisiert.

Stefan Schmidt von den «Skinheads Uelzen» reiste wiederum mit Mitgliedern des «Dirty Pack MC» zur Gründungsfeier des Hells Angels-Chapter «Altmark» im November 2016 nach Salzwedel. Dem Chapter gehört auch der Neonazi Tino Worch an, der zuvor im 2000 in Deutschland verbotenen «Blood & Honour»-Netzwerk mitmischte und der auch zu Marcel Schindlers Freundeskreis zählt. Mittlerweile hat Worch die Funktion „Sergeant-at-Arms“ für das «Altmark»-Chapter inne. Damit ist er für die Sicherheit und die „Bewaffnung“ seiner Gruppe zuständig.

Unter den Besuchern des Auftritts der englischen RechtsRock-Legende am Samstag in Celle befand sich auch Stefan Lahmer, der unter dem Spitznamen „Klatscher“ nicht nur bei der rechten Oi-Band «Schusterjungs» am Bass steht, sondern auch bei der B&H-Band «Kraftschlag» mitwirkt. Lahmer, der in Sachsen-Anhalt wohnt, nahm mit den «Skinheads Uelzen» schon 2014 an einer «HoGeSa»-Kundgebung in Hannover teil. Seine Nähe zur norddeutschen Szene verdeutlicht auch ein Tattoo auf Lahmers Brust: „F.D.G.K.“. Dies ist der Titel des wohl bekanntesten Songs von Marcel Schindlers Band «Alte Schule» und bedeutet „Für Deutschland Gegen Kanaken“. Weiterer Gastgeber des Abends war «Skinheads Uelzen»-Mitglied Timm Kreidner aus Rotenburg an der Wümme. Dieser spielte vor Jahren noch in der Oi-Band «Guts ’n‘ Glory» und tummelte sich eher in alternativen Subkulturkreisen. Heute reist er mit den «Hammerskins» zum Gedenken an die Waffen-SS nach Budapest.

Eine weitere Veranstaltung fand am Samstag im «Thinghaus» in Grevesmühlen (Mecklenburg-Vorpommern) statt. Dort versammelten sich etwa 50 Neonazis zur alljährlichen Faschingsfeier. Unter den Gästen befanden sich auch Neonazis aus dem «Hammerskin»-Umfeld wie Tanja Steinhagen-Wolff aus Mölln und der Liedermacher Philipp Neumann alias «Flak» aus Nordrhein-Westfalen.

Bild 1: Joachim Saecker (links: mit erhobenem Becher) und Marco Schmidt (rechts: mit Uhr an der linken Hand); Bild 2: Matthias Szelinksi, Uwe Menzel, Joachim Saecker
Bild 1: Joachim Saecker (links: mit erhobenem Becher) und Marco Schmidt (rechts: mit Uhr an der linken Hand); Bild 2: Matthias Szelinksi, Uwe Menzel, Joachim Saecker
9. März 2019, Celle: Marcel Schindler, Unbekannt, Bernd Wilhelm Lebus, Stefan Lahmer, Timm Kreidner, David Braddon, Ken McLellan, Stefan Schmidt und vorne Marcel Koschnik (v.l.n.r.)
9. März 2019, Celle: Marcel Schindler, Unbekannt, Bernd Wilhelm Lebus, Stefan Lahmer, Timm Kreidner, David Braddon, Ken McLellan, Stefan Schmidt und vorne Marcel Koschnik (v.l.n.r.)
5. November 2016: Stefan Schmidt (2.v.l.) mit einem Mitglied vom «Dirty Pack MC» in Salzwedel zur Gründung des «Hells Angels Altmark»-Chapter
5. November 2016: Stefan Schmidt (2.v.l.) mit einem Mitglied vom «Dirty Pack MC» in Salzwedel zur Gründung des «Hells Angels Altmark»-Chapter

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