Barth – Antifaschistisches Archiv für Rostock und Umgebung https://indyhro.blackblogs.org Linke Veröffentlichungen aus unterschiedlichen Quellen Sat, 21 Nov 2020 19:09:18 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 Absturz im Netz https://indyhro.blackblogs.org/2013/07/05/absturz-im-netz/ Fri, 05 Jul 2013 11:28:30 +0000 http://indyhro.blackblogs.org/?p=2113 Continue reading Absturz im Netz]]> Als Pfleger in einem Kinderhort führte Klaus R. ein ganz normales Leben – bis er als Chef des größten deutschen Neonazi-Forums Thiazi aufflog. Nun ist er als Volksverhetzer angeklagt. In der Szene gilt er als Verräter.

 

Von Thomas Schade

Keine Pizza, keinen Tee, kein Wasser. Seit kurz vor neun Uhr sitzt Klaus R. mit zwei Beamten des Bundeskriminalamtes in einem Zimmer des Rostocker Polizeipräsidiums, beantwortet eine Frage nach der anderen. Nachmittags um drei hat er immer noch keinen Hunger. Was da in den letzten Stunden passiert sei, sei ihm auf den Magen geschlagen, sagt der 31-Jährige den Beamten.

An diesem 14. Juni 2012 hatten Elitepolizisten in aller Frühe die Tür zu seiner kleinen Wohnung eingeschlagen, ihn zu Boden gerissen und gefesselt. Klaus R. lebt in einem Mehrfamilienhaus in Barth, nicht weit vom Markt und vom Wasser, wo man über den Bodden zur Halbinsel Zingst schaut. Zwar war das Sondereinsatzkommando schon morgens um fünf in die Wohnung gestürmt, geschlafen aber hat Klaus R. da schon nicht mehr. Er saß am Computer und war in dem Internetforum, das er aufgebaut und jahrelang betrieben hatte: das rechtsextremistische Thiazi-Netzwerk, die größte deutschsprachige Quasselbude für Neonazis im Internet.

An jenem Morgen waren Polizisten, Spezialeinheiten und Staatsanwälte in elf Bundesländern unterwegs, um die Aktivisten der „germanischen Weltnetzgemeinschaft“, wie sie sich selbst nennen, festzunehmen. Sie hatten weit über eine Million Foreneinträge gesammelt – darunter mehrere Tausend Liedtexte und Musiktitel, die wegen volksverhetzender Inhalte auf dem Index stehen. Fast vier Jahre lang hatten die Ermittler nach den Administratoren des Netzwerks gesucht.

Benannt war das Forum nach Thiazi, einem Riesen aus der germanischen Mythologie, der die Gestalt eines Adlers annahm, um nach Midgard zu fliegen, aus dem „Herr der Ringe“ auch bekannt als Mittelerde. Eine Reise, die er mit dem Leben bezahlte.

Im Juni vorigen Jahres stürzte auch das Thiazi-Forum jäh ab. Die Abschaltung war der zweite große Schlag gegen die wachsende Internetpräsenz von Rechtsextremisten. Zuvor war bereits das Neonazi-Infoportal Altermedia vom Netz genommen und der Betreiber, Axel Möller, zu 30 Monaten Haft verurteilt worden. Obwohl Möller, der in Stralsund lebt, seit November 2011 in Haft sitzt, war das Portal vier Wochen später im Netz wieder erreichbar.

Die folgenden Ermittlungen zeigten, dass nicht nur Altermedia, sondern auch Thiazi von der Ostseeküste aus betrieben worden war. Die beiden Administratoren der Plattformen leben nur etwa 20 Kilometer voneinander entfernt, kennen einander aber offensichtlich nicht. Während sich der 49 Jahre alte Altermedia-Betreiber Axel Möller nach einer kurzen NPD-Karriere heute selbst als „freier Nationalist“ bezeichnet, hat der fast 20 Jahre jüngere Klaus R. bis vor einem Jahr völlig unauffällig in dem Ostseeort gelebt, in den er als Kind gekommen war und wo er seit vielen Jahren den Beruf ausübte, den er auch erlernt hatte. Klaus R. ist Erzieher und betreute im städtischen Kinderhort „Villa Kunterbunt“ bis zu seiner Festnahme täglich 20 Drittklässler. Nie hatte sich jemand über ihn beschwert, keiner hatte bemerkt, dass der junge Mann ein Rechtsextremist sein könnte.

Ein Jahr nach dem turbulenten Tag, an dem das Bundeskriminalamt Klaus R. mehr als zehn Stunden vernommen hatte, erhob die Rostocker Staatsanwaltschaft Anklage gegen den 31-Jährigen und drei Komplizen. Als Rädelsführer einer kriminellen Vereinigung soll er für jahrelange Volksverhetzung im Internet verantwortlich sein.

Äußern möchte er sich nicht zu den Vorwürfen. Zu groß sei sein Misstrauen, dass ihm die Worte im Mund umgedreht werden könnten, sagt er am Telefon. Doch was er nach seiner Festnahme dem Bundeskriminalamt erzählt hat, das kursiert mittlerweile im Internet – ausgerechnet im wiedereröffneten Neonazi-Portal Altermedia. Veröffentlicht offenbar von Leuten, in deren Augen Klaus R. ein Verräter zu sein scheint.

Klaus R. war 1981 in Rostock zur Welt gekommen. Weil es zu Hause nicht gut lief, trieb er sich eine Weile in Abrisshäusern herum, lebte seit dem 14. Lebensjahr im Jugendheim in Barth, ging dort auf die Realschule, schaffte die zehnte Klasse und machte seine Lehre. Glaubt man dem, was er der Polizei sagte, so schloss er sich mit 13oder 14 Jahren den Skinheads an. Um zu provozieren, wie er sagt, ließ er sich das Wort „HASS“ auf den Körper tätowieren und fuhr zu Konzerten, wo Nazibands spielten wie „Sturm Mecklenburg“ oder „Oidoxie“. Irgendwie sei er dabeigeblieben, habe aber keinen richtigen Kontakt mehr zur Szene, abgesehen von den virtuellen Kontakten im Thiazi-Forum. Nach eigenen Worten war er dessen „Anführer“.

2004 oder 2005 begann Klaus R., unter dem Namen „Modi“ im Nationalen Forum zu schreiben. Vom Betreiber dieser Plattform übernahm er später dessen Tarnnamen „WPMP3“, was so viel heißen soll wie „White Power MP3“. Unter diesem Namen existierte schon Ende der 1990er-Jahre ein Neonazi-Musikforum.

Unklar ist, ob Klaus R. auch dort schon mitmischte. In jedem Fall sei das Thiazi-Forum auf seinem „Mist gewachsen“, sagte er der Polizei. Ein „Ort der Meinungsfreiheit“ sollte es sein. „Hardliner“ habe er nicht im Forum haben wollen. Dafür wurde er schon mal als Zensor beschimpft. Irgendwann sei es ein „Selbstläufer“ geworden.

Als das Bundeskriminalamt das Thiazi-Forum am 14. Juni 2012 vom Netz nimmt, findet es rund 2400 Liedtexte und 1400 Musik-Downloads, deren Inhalte fast alle auf dem Index stehen. Darin wird „zum Hass gegen Ausländer, Juden und Menschen anderer Hautfarbe aufgestachelt“, teilt die Behörde mit. In anderen Bereichen des Forums findet man Beiträge, in denen die NS-Herrschaft im Dritten Reich verherrlicht wird. Die Betreiber können lange unbehelligt agieren, ihre Server liegen in den USA. Anonymität hat höchste Priorität.

Außer Klaus R. haben mehrere von ihm ernannte „Betreuer“, „Moderatoren“, „Organisatoren“ und „Archivisten“ das Forum mitgestaltet. Auch von ihnen führten einige ein unauffälliges bürgerliches Leben.

So lebte „Fjörgyn“, die Technikerin des Forums, unscheinbar und zurückgezogen als Hausfrau in einem kleinen Ort bei Heilbronn. Bei „Enibas“ soll es sich um eine Mutter von zehn Kindern aus Mannheim handeln. Und „Krafft“, angeblich der Chefmoderator und die Nummer drei im Forum, soll Leiter einer Pflegestation in Nordrhein-Westfalen gewesen sein und als Deeskalationstrainer sogar Polizisten und Justizbeamte ausgebildet haben.

Für „Hardcoreleute“, wie Klaus R. sie nennt, gab es das „NSPF“, das „nationalsozialistische Privatforum“, ein abgeschotteter Bereich, in dem Neonazis Klartext schreiben konnten. Im offenen Forum soll ein Hakenkreuz ihr Zeichen gewesen sein. Erst im Frühjahr 2009 kommt der Staatsschutz – anscheinend durch Hinweise eines V-Mannes – dem Betreiber des Forums auf die Spur. Spätestens seit März 2009 kennen die Ermittler den Namen von Klaus R. und wissen, dass im Thiazi-Händlerbereich Tonträger mit strafrechtlich relevanten Inhalten gedealt werden. Reichlich Hilfe erhalten die Beamten von einer Antifa-Gruppe, die das Forum 2010 hackt und Mitglieder outet.

Dabei werden insbesondere rassistische und volksverhetzende Inhalte aus dem Forum der Hardcoreleute bekannt. Zu denen gehört mit rund 2000 Einträgen auch „Saxus“ – ein offenbar im Raum Freiberg lebender Mann. Er benutzte gern Begriffe wie „Nigger“, „Pack“ und „vom Baum gekletterte Affen“, wenn er über Vertragsarbeiter aus Afrika oder Kuba in der DDR schrieb. Offenbar war „Saxus“ Zeuge, wie Polizisten einen Mosambikaner misshandelt haben. Er schrieb: „Der Schmarotzer sah aus wie Jesus auf dem Kreuzgang.“ „Saxus“ gab zudem Ratschläge, wie man den Holocaust öffentlich widerlegen könne, ohne sich selbst zu kriminalisieren. Bei dem Mann soll es sich um einen NPD-Kreisrat im Erzgebirge handeln. Der leugnet jedoch, „Saxus“ zu sein.

Nach dem Hack sollten mehr als drei Jahre vergehen, ehe der Staatsschutz die „germanische Weltnetzgemeinschaft“ zumindest virtuell auflöst. Rund 20000 Personen, viele davon Neonazis, hatten zu diesem Zeitpunkt bei Thiazi geschrieben.

Klaus R. wird nach drei Monaten aus der U-Haft entlassen. Nach Angaben des Landgerichts Rostock gibt es noch keinen Termin für den Prozess. Dem 31-Jährigen ist mittlerweile nicht mehr ganz wohl bei dem Gedanken, dass er Neonazis jahrelang die größte Plattform im deutschen Sprachraum zur Verfügung gestellt hat. Selbst sehe er sich als Freigeist und nicht als Neonazi. In seinen E-Mails kann man so etwas wie Reue zwischen den Zeilen lesen, wohl auch, weil sich viel in seinem Leben verändert hat. Beispielsweise verlor er seinen Job. Seine Schuld hingegen will er nicht abwälzen. Zumindest schreibt er das.

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Anklage gegen „Thiazi“-Forum-Betreiber https://indyhro.blackblogs.org/2013/05/22/anklage-gegen-thiazi-forum-betreiber/ Wed, 22 May 2013 15:24:51 +0000 http://indyhro.blackblogs.org/?p=2374 Continue reading Anklage gegen „Thiazi“-Forum-Betreiber]]> Pädagoge soll mit drei weiteren Angeschuldigten kriminelle Gruppe im Internet gegründet haben.

 

Die Staatsanwaltschaft in Rostock hat gegen vier mutmaßliche Betreiber des neonazistischen „Thiazi“-Internetforums Anklage wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung in Tateinheit mit gemeinschaftlich begangener Volksverhetzung in mehreren hundert Fällen erhoben.

Unter anderem steht als Hauptinitiator der 30-jährige Erzieher Klaus R. aus dem mecklenburgischen Barth im Verdacht, das „bedeutendste rechtsextremistische Internetforum“ mit mehr als 30 000 registrierten Benutzern organisiert zu haben. Gemeinsam mit einem weiblichen und männlichen „Betreuerteam“ habe er nicht nur dafür gesorgt, dass zum Teil indizierte Lieder und Musikalben zum Download bereit standen, sondern das Ziel verfolgt, so die Staatsanwaltschaft, „eine Plattform zu schaffen, über die vor allem ausländerfeindliche, antisemitische und gegen politisch Andersdenkende gerichtete Schmähungen mit volksverhetzenden Inhalten verbreitet werden sollten“.

Die Auswertungen der Ermittler dauern noch an, eine Vielzahl weiterer Tatverdächtiger konnte bereits identifiziert werden, gegen sie wurden gesonderte Ermittlungsverfahren eingeleitet. (ar)

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Thiazi über den Mauern Asgards https://indyhro.blackblogs.org/2012/06/24/thiazi-uber-den-mauern-asgards/ Sun, 24 Jun 2012 19:33:00 +0000 http://indyhro.blackblogs.org/?p=2111 Continue reading Thiazi über den Mauern Asgards]]> Chefmoderator des neonazistischen Thiazi-Forums war Deeskalationstrainer und Pflegestationsleiter

Das größte und wichtigste deutschsprachige Neonaziforum “thiazi.net” wurde am 14. Juni nach BKA-Razzien abgeschaltet. Gegen 26 mutmaßlich Verantwortliche ermittelt die Polizei wegen „Bildung einer kriminellen Vereinigung“. Hiervon betroffen ist auch der “Thiazi”-Chefmoderator Marian Rohde aus dem nordrhein-westfälischen Kreis Heinsberg.
Rund 25.000 Personen waren bei “Thiazi” registriert, doch auch unangemeldet waren die meisten Inhalte lesbar. Das Forum diente dem Austausch von Informationen, der Vernetzung und Mobilisierung. Auf “Thiazi” wurden Veranstaltungen beworben, Naziaufmärsche nachbereitet und mit indizierter Nazimusik im großen Stil gehandelt. Teilweise diente das Forum als Einstieg in die organisierte Szene. Benannt wurde es nach dem Sturmriesen Thiazi aus der germanischen Mythologie. Er ist der Vater von Skadi, der Göttin der Jagd und des Winters.

Ursprünge des “Thiazi”-Forums

Die Ursprünge von “thiazi.net” gehen auf das Ende der 1990er Jahre gegründete Nazi-Musik-Forum WPMP3 (“White Power MP3″) zurück. Einer der wichtigsten Köpfe hinter “Thiazi”, Klaus Ruthenberg (Username „WPMP3“), war bereits an der Gründung dieses Vorläufers beteiligt. Das WPMP3-Forum fusionierte später mit der Sturmseite zum “Nationalen Forum” und ging 2004 als deutschsprachige Sektion innerhalb des englischsprachigen “Skadi”-Forums auf. Von “skadi.net” gab es mehrere Abspaltungen, darunter das deutschsprachige Forum “grossdeutsches-vaterland.net”. Dieses wurde vom “Skadi”-User „Gestapo Müller“ 2005 mitgegründet, der sich später in „Thule“ und dann in „Patria“ umbenannte. Die Domain “grossdeutsches-vaterland.net” lag zusammen mit über 50 weiteren Websites, darunter auch die österreichische Seite “alpen-donau.info”, auf einem Server des Anbieters “Dreamhost” in den USA. Dieser Server wurde bis zur Abschaltung von “alpen-donau.info” am 22. März 2011 vom Hamburger Neonazi Robert Marquardt verwaltet. Gegen Marquardts Geschäftspartner Wilhelm Christian Anderle wurde am 21. Mai 2012 in Wien ein Prozess wegen „nationalsozialistischer Wiederbetätigung“ eröffnet. Marquardt und Anderle betreiben gemeinsam mit Anderles Lebensgefährtin die auf Anonymisierung im Internet spezialisierte Firma “Perfect Privacy”. Anderle soll zusammen mit Gottfried Küssel und Felix Budin “alpen-donau.info” samt angeschlossenem Forum betrieben haben. Alle drei sitzen seit über einem Jahr in Österreich in U-Haft. Marquardt erwartet ein Prozess in Deutschland, doch die Hamburger Staatsanwaltschaft schweigt bisher auf Presseanfragen zum Ermittlungsverfahren.

Marquardt ist zudem Vorstandsmitglied im Betreiberverein des “Attraktor”, einer Örtlichkeit für Computerbegeisterte und TechnikbastlerInnen in Hamburg, in dem sich auch dem “Chaos Computer Club” (CCC) verbundene Menschen treffen. Nachdem der CCC von AntifaschistInnen informiert wurde, teilte dieser mit, dass Marquardt nicht länger Mitglied des Clubs sei. Dennoch wurde der Neonazi am 13. Juni 2012 als “Attraktor”-Vorstand bestätigt. Eine öffentliche Stellungnahme des CCC gibt es bis dato nicht.

Das Rückgrat von Thiazi

Auch “thiazi.net” war eine Abspaltung von “skadi.net”. Aufgebaut wurde das Forum Anfang 2007 von Ruthenberg und Daniela Wagner, die sich auf “skadi.net” noch „Renee88“ nannte und später zu „Fjörgyn“ wurde. Unterstützung bekamen sie dabei von „Patria“. Nach eigenen Angaben ermittelt das BKA seit 2009 gegen” Thiazi”. Im Juni ließ es 24 Wohnungen in elf Bundesländern und in England durchsuchen. Es gab vier Festnahmen. In NRW wurde die Wohnung des “Thiazi”-Moderators Marian Rohde alias „Krafft“ durchsucht. Zusammen mit Ruthenberg und Wagner gehörte Rohde zu den drei “Thiazi”-Moderatoren, die als „Betreuer für alle Foren“ als einzige über Änderungsrechte in sämtlichen Forenbereichen verfügten. Sie bildeten mit dem Kassenwart „Weddigen“ das Rückgrat von “thiazi.net”. „Weddigen“ aus Chichester in der Grafschaft West Sussex in England ist nach eigenen Angaben im bürgerlichen Leben als Finanzdienstleister tätig. Auch die anderen Köpfe hinter “Thiazi” haben eine bürgerliche Existenz. Ruthenberg aus Barth in Mecklenburg-Vorpommern arbeitet als Erzieher in einer Kita. Hausfrau Wagner aus Untereisesheim in Baden-Württemberg ist in der Nachbarschaft höchstens durch ihre Vorliebe für Katzen aufgefallen. Marian Rohde, der Forums-Moderator aus Selfkant (Kreis Heinsberg/NRW) hat ohne Frage die dreisteste bürgerliche Fassade aller bisher identifizierten “Thiazi”-Verantwortlichen.

Pflegestationsleiter, Antirassismusbeauftragter und Polizeiausbilder

Marian Rohde war bis zum 20. Juni 2012 Pflegeleiter der “Michael-Station”, einer psychiatrischen Akutstation des Fachkrankenhauses für Psychiatrie und Psychotherapie der “Gangelter Einrichtungen Maria Hilf”. Rohde hat Fachbücher zu den Themen „Deeskalation in der Pflege“ und „Kommunikative Deeskalation“ geschrieben und lehrt „Deeskalation von Gewalt und Rassismus“. Noch am 8. Mai 2012 wurde er vom Berufskolleg Ernährung-Sozialwesen-Technik des Kreises Heinsberg in Geilenkirchen eingeladen, um die interkulturelle Kompetenz von Lehrkräften zu fördern. Doch der „Fachgesundheits- und Krankenpfleger für Psychiatrie, Zusatzqualifikation Maßregelvollzug/Forensik, Deeskalationstrainer und Schutztechnikentrainer“ hat auch beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe und der Polizei in Münster ausgebildet. Zudem war Rohde Geschäftspartner mehrerer DeeskalationstrainerInnen und fungierte als Ansprechpartner im Falle von Verstößen gegen die „humanistischen Werte“ des Deutschen Vereins für Gewaltprävention, der mit “SOS Rassismus NRW” kooperiert. Seine VereinskollegInnen reagierten nach antifaschistischen Warnungen prompt und beendeten die Zusammenarbeit mit ihrem „Antirassismusbeauftragten“. Auch die “Gangelter Einrichtungen” haben ihren Angestellten entlassen, was Rohde im Falle eines Outings bereits befürchtete: „Naja, um meinen Arbeitsplatz zu verlieren reichts locker aus, was ich so schreibe. Auch ohne ‚Heil Hitler‘ oder Hakenkreuze. Und nebenberuflich würde ich auch keinen Fuß mehr auf den Boden bekommen“, schrieb er 2010 auf “thiazi.net”.

„Überwachungsinspekteur für Volksgesundheit und Euthanasie“

Seine beruflichen Fähigkeiten versuchte Rohde auch zur Verbesserung der internen Organisation von “thiazi.net” einzusetzen: „Habe mich heute im Rahmen einer beruflichen Fortbildung (mal wieder) mit dem Thema Kommunikation/Deeskalation beschäftigen dürfen. Die typischen Inhalte: Defizitorientierung (wir bemerken eher negatives als positives), Rückmelderegeln (positives zuerst, Verbesserungsvorschläge usw), positives Verstärken und so weiter und so fort“, schrieb er in einem Beitrag. Er habe sich die Frage gestellt: „’wie kann man solche Inhalte für Thiazi nutzen?’ Ich finde, auch wir sind stark defizitorientiert. Bei Verfehlungen oder Verstößen werden wir schnell tätig. Regelkonformes oder vorbildliches Verhalten nehmen wir oft als selbstverständlich hin. Ich finde, das könnte man ändern, um positives Verhalten der Mitglieder zu verstärken.“

Niemand von Rohdes KollegInnen will etwas von seinen extrem rechten Aktivitäten mitbekommen haben. Umgekehrt war einigen auf “Thiazi” schreibenden Neonazis Rohdes beruflicher Hintergrund gut bekannt. So fragt etwa Arnulf Priem alias „Stabschef“ in dem von ihm mit „Heil Hitler Kameradinnen und Kameraden“ eröffneten Thread nach „Berufswünschen oder Berufung – wenn morgen das Reich neu ersteht“ und schlägt „Krafft“ als „Überwachungsinspekteur für Volksgesundheit und Euthanasie“ vor. Dieser „bedankt“ sich für diesen Beitrag und antwortet: „Lustiges Thema! Ich nehme die Wahl gerne an!“

Nachdem AntifaschistInnen 2010 erstmals Informationen über einige BetreiberInnen von “Thiazi” veröffentlichten, gab „Krafft“ zwar seinen Rückzug aus dem Forum bekannt, durch die zeitgleiche Abschaffung personalisierter Moderations-Accounts kann er jedoch weiterhin anonym als Moderator für “Thiazi” tätig gewesen sein. Und so richtig vorstellen konnte er sich ein §129-Verfahren gegen die ModeratorInnen mit den blauen Usernamen noch nie. Im geschlossenen „Mitarbeiterbereich“ adaptierte Marian Rohde den Hitlerstellvertreter Rudolf Heß: „Nee, ich denke, auch, daß kaum jemand Interesse daran haben könnte, so eine lustige blaue Runde zu stören. Warum auch? Soll uns dann in Nürnberg der Hauptinternetkriegsverbrecherprozess gemacht werden? Stünde ich wieder am Anfang, würde ich wieder tippen, wie ich tippte.“

 


 

Nicola Pantera ist Mitglied der Autonomen Antifa Freiburg.

 


 

Vorschau LOTTA #48: “Thiazi”-Chefmoderator war Deeskalationstrainer und Pflegestationsleiter

 

Oberhausen – Am 2. Juli wird die nunmehr 48. Ausgabe von “LOTTA – antifaschistische Zeitung aus NRW, Rheinland-Pfalz und Hessen” erscheinen. Aus aktuellem Anlass veröffentlicht NRW rechtsaußen schon heute einen der Artikel aus dieser Ausgabe.

Screenshot aus dem Thiazi-Forum
Screenshot aus dem Thiazi-Forum
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Mutmaßlicher Nazi-Erzieher weiter in U-Haft https://indyhro.blackblogs.org/2012/06/22/mutmaslicher-nazi-erzieher-weiter-in-u-haft/ Fri, 22 Jun 2012 22:46:44 +0000 http://indyhro.blackblogs.org/?p=2108 Continue reading Mutmaßlicher Nazi-Erzieher weiter in U-Haft]]> Barth (OZ) – Der verhaftete Erzieher Klaus R. sitzt immer noch in Untersuchungshaft. Das teilte Bürgermeister Stefan Kerth mit. R. ist vom Dienst suspendiert, arbeitsrechtliche Konsequenzen werden nach dem Vorliegen der Vorwürfe geprüft. Kerth berichtete von einer Versammlung im betroffenen Hort „Villa Kunterbunt“.

Dort bestätigten die Eltern, dass es keine Einflüsse des R. auf die Kinder gegeben habe. „Herr R. führte wohl privat ein völlig anderes Leben“, sagte Kerth. Das Hort-Team brauche sich nichts vorzuwerfen, betonte der Bürgermeister. Die „Villa Kunterbunt“ funktioniere weiterhin sehr gut.

In seiner Freizeit soll der Erzieher einer der Hauptdrahtzieher des Neonazi-Internetforums „Thiazi“gewesen sein – eine Seite, auf der der Nationalsozialismus gefeiert und zur Gewalt gegenüber Juden, Ausländern und Andersdenkenden aufgerufen wurde (OZ berichtete).

 


 

Dem suspendierten Erzieher aus Barth wird vorgeworfen, einer der Drahtzieher des Neonazi-Internetforums „Thiazi“gewesen zu sein.

Dem suspendierten Erzieher aus Barth wird vorgeworfen, einer der Drahtzieher des Neonazi-Internetforums „Thiazi“gewesen zu sein. (WPMP3, Klaus Ruthenberg)
Dem suspendierten Erzieher aus Barth wird vorgeworfen, einer der Drahtzieher des Neonazi-Internetforums „Thiazi“gewesen zu sein. (WPMP3, Klaus Ruthenberg)
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Fast perfektes Doppelleben https://indyhro.blackblogs.org/2012/06/15/fast-perfektes-doppelleben/ Fri, 15 Jun 2012 12:39:36 +0000 http://indyhro.blackblogs.org/?p=2105 Continue reading Fast perfektes Doppelleben]]> Von Andrea Röpke

Erzieher und Nazi: Das funktioniert, wenn Rechte ihren politischen Fanatismus auf das Internet beschränken. Gestern nahm das Bundeskriminalamt die Verantwortlichen des größten Neonazi-Portals „Thiazi-Forum“ hoch.

Als  2010 seine Moderatorin „Enibas“ als 10-fache Mutter aus Mannheim von der Autonomen Antifa Freiburg geoutet wurde, schimpfte „Thiazi“-Chef „WPMP3“, dass Schlimme an der Sache sei: „Es war absehbar und ich habe mich schon lange gewundert, dass es nicht passiert ist“.  Er rief seine tausendfache Anhängerschar und vor allem die Moderatoren zu mehr Vorsicht und Anonymität auf, denn die Mannheimerin sei nicht die einzige, „die es treffen“ könnte.

Im internen Nationalsozialistischen Privatforum von „Thiazi-Netz“ hieß es drohend: „Sollten sich Mitglieder dazu bemüßigt fühlen, wenn sie ‚geoutet’, sprich bekannt gemacht werden, außerhalb des NSPF, des Forums, irgendwelche Daten welcher Art auch immer ‚preiszugeben’, werden sie in Hinkunft ‚sonderbehandelt’, da der F. Leitung bekannt“ und am Schluss: „Heil Euch! Alles für Deutschland“.

Knapp 25.000 Neonazis waren über „Thiazi.net“ vernetzt. Die virtuelle Plattform verstand sich als „germanische Weltnetzgemeinschaft“. Gestern durchsuchten Beamte des Bundeskriminalamtes bei einer bundesweiten Razzia gegen das extrem rechte Forum mehrere Wohnungen und nahmen vier Personen fest:  Darunter auch den Anführer „WPMP3“, Klaus Ruthenberg aus dem mecklenburg-vorpommerschen Barth. Dem 30-jährigen Erzieher, der sich stets darum bemüht hatte, nicht aufzufliegen, wird die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen, unter anderem soll unter seiner Obhut zu gewalttätigen Übergriffen aufgerufen worden sein. Ruthenberg selbst pflegte sein Faible für das Dritte Reich.

Seit sieben Jahren als Erzieher im Hort

In elf Bundesländern durchsuchten Polizisten 24 Wohnungen und Geschäftsräume. Schwerpunkte lagen in Mecklenburg-Vorpommern und Baden-Württemberg.  Weitere Razzien an der Ostseeküste gab es in Wismar, auf Usedom, in Greifswald und Nadrensee bei Löcknitz. Auch ein NPD-Kader soll unter den Verdächtigen sein.

Erneut betroffen war nach einer Meldung von  „Spiegel-online“ auch die Mannheimerin Sabine R. Getroffen haben könnte es auch eine weitere Moderatorin mit dem Nickname „Prometheusfunke“ aus Rheinland-Pfalz. Nach Recherchen der Autonomen Antifa Freiburg von 2009 verbirgt sich hinter „Prometheusfunke“ eine Erzieherin, die sogar eine Kindertagesstätte leiten soll.  Als Technikerin von „Thiazi“ wurde gestern eine 30-jährige Hausfrau und Mutter in Untereisesheim bei Heilbronn verhaftet. Im virtuellen Leben nannte sie sich „Fjörgyn“. In der Realität scheint sie in der Nachbarschaft der Kleinstadt wenig beliebt, lebte eher zurückgezogen. „Sie war unfreundlich, grüßte nie“, heißt es. Als Neonazistin war sie nicht bekannt.

Auch Ruthenberg ist in Mecklenburg-Vorpommern nicht politisch aufgefallen. Seit sieben Jahren arbeitet er als Erzieher im Hort.  Ausgelassen post der dunkelhaarige Mann als Indianer verkleidet auf der Homepage des Kindergartens oder ist auf vielen Fotos mit den Kolleginnen, Kindern, dem Bürgermeister und einem Landtags-abgeordneten zu sehen. Auch bei Facebook ist der heimliche „Thiazi“-Chef mit seinem Klarnamen vertreten, dort  schwärmt er für ein Tattoo- Studio seiner Heimatstadt Rostock oder für Piercings und eine Kampfsportschule. Jetzt ist sein Doppelleben aufgeflogen. Als Erzieher wurde er supendiert.

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Der »Dicke Blaue« sitzt https://indyhro.blackblogs.org/2012/06/14/der-dicke-blaue-sitzt/ Thu, 14 Jun 2012 17:53:57 +0000 http://indyhro.blackblogs.org/?p=2103 Continue reading Der »Dicke Blaue« sitzt]]> Razzia gegen Naziforum »Thiazi«

Berlin/Wiesbaden/Rostock (nd). Gestern war kein guter Tag für die deutschsprachige Naziszene. 270 Polizeibeamte in elf Bundesländern durchsuchten die mutmaßlichen Betreiber und ein paar der über 25 000 angemeldeten Nutzer des Forums »Thiazi«, dem größten Tummelplatz von Neonazis im Internet. Schwerpunkte der Durchsuchungen von 24 Wohnungen und Geschäftsräumen lagen in Mecklenburg-Vorpommern und Baden-Württemberg, teilte das BKA mit. Eine Durchsuchung fand in Großbritannien statt. Computer, Datenträger und Unterlagen wurden beschlagnahmt. Ermittelt wird wegen »Bildung einer kriminellen Vereinigung«. Den 26 Beschuldigten von 22 bis 64 Jahren wird vorgeworfen, über 2400 Liedtexte und mehr als 1400 Tonträger ins Internet gestellt zu haben. Darin werde Volksverhetzung betrieben, zu Gewalt und Rassenhass aufgerufen und der Holocaust geleugnet. Vier Personen wurden festgenommen; zwei, weil sie einen Großteil der Daten hochgeladen haben sollen, und zwei – ein 30-Jähriger aus Mecklenburg-Vorpommern und eine 30-Jährige aus Baden-Württemberg – sind die die mutmaßlichen »Thiazi«-Betreiber.

Lange war nicht bekannt, wer der Kopf des Forums war, weil die Moderatoren äußerst konspirativ arbeiteten. Im Forum waren sie durch blaue Namen gekennzeichnet – der Name des Chefmoderators »WPMP3« in fetter Schrift: Er hat den Spitznamen »der Dicke Blaue«. Die beiden mutmaßlichen Betreiber waren nach nd-Informationen den Behörden bislang nicht bekannt. Ebenso ist der Großteil der 26 Beschuldigten nicht in braunem Zusammenhang in Erscheinung getreten – werden sie vielleicht auch nicht mehr: »Thiazi« ist seit gestern Mittag abgeschaltet.

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2.000 Leben für den Profit: Barth in der NS-Zeit https://indyhro.blackblogs.org/2012/04/10/2-000-leben-fur-den-profit-barth-in-der-ns-zeit/ Tue, 10 Apr 2012 03:27:39 +0000 http://indyhro.blackblogs.org/?p=2101 Continue reading 2.000 Leben für den Profit: Barth in der NS-Zeit]]> Die Stadt Barth selbst ist re­la­tiv un­schein­bar. Auch im NS-​Reich hatte sie an­fangs keine Be­deu­tung, erst mit dem Bau eines Flie­ger­hors­tes süd­lich der Stadt, der am 10. Juli 1936 in Dienst ge­stellt wurde, wurde die Stadt auch für In­dus­trie­un­ter­neh­men in­ter­es­sant.

 

Im No­vem­ber 1943 wurde das Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger in Barth als Au­ßen­la­ger des Frau­en­kon­zen­tra­ti­ons­la­ger Ra­vens­brück ge­baut und soll­te die drin­gend be­nö­tig­ten bil­li­gen Ar­beits­kräf­te für die Hein­kel-​Wer­ke, die unter an­de­rem den deut­schen Bom­ber He110 bau­ten, lie­fern. Die Le­bens-​ und Ar­beits­be­din­gun­gen waren für die Häft­lin­ge, wie in allen Kon­zen­tra­ti­ons­la­gern, er­nied­ri­gend und le­bens­feind­lich. Die ers­ten 200 Ge­fan­ge­nen aus Bu­chen­wald wur­den ähn­lich wie spä­ter an­kom­men­de Häft­lin­ge in Ba­ra­cken aus 15 Qua­drat­me­tern je zu 20 Per­so­nen ge­pfercht. Als Zu­de­cke be­ka­men sie je­weils eine dünne Woll­de­cke, eine harte Stroh­ma­trat­ze sowie ein klei­nes Kopf­kis­sen. Ver­lor ein Häft­ling etwas davon, wurde es ihm nicht er­setzt. Ins­ge­samt wur­den im Laufe des Krie­ges über 7.​000 Häft­lin­ge aus 20 Na­tio­nen in Barth fest­ge­hal­ten.

 

Die Ver­pfle­gung der In­sas­sen war mehr als un­zu­rei­chend. In der Regel be­ka­men die Häft­lin­ge nicht mehr als einen Liter dün­ner Kar­tof­fel-​,Kohl- oder Steck­rü­ben­sup­pe. Ab und an gab es dazu Er­satz­kaf­fee sowie etwa 100 Gramm Er­satz­brot und we­ni­ge an­de­re Dinge. Hun­ger war auf Grund der schwe­ren kör­per­li­chen Ar­beit und der schlech­ten Er­näh­rung des­halb der stän­di­ge Be­glei­ter der Zwangs­ar­bei­ter_In­nen. Viele er­la­gen den Stra­pa­zen des Ar­beits­all­ta­ges, er­krank­ten an Tu­ber­ku­lo­se oder wur­den ein­fach von den SS-​Wa­chen er­schos­sen. Die Ver­sor­gung der La­ger­in­sas­sen war für den Bart­her KZ-​Kom­man­dan­ten nicht von In­ter­es­se, da kran­ke Häft­lin­ge ein­fach nach Ra­vens­brück zu­rück­ge­schickt und durch neue er­setzt wur­den. Nach­dem so­wje­ti­sche Trup­pen auf Barth vor­rück­ten, wurde das Lager am 30. April 1945 ge­räumt. Ins­ge­samt fünf To­des­marsch­ko­lon­nen wur­den in Rich­tung Ros­tock los­ge­schickt – drei Ko­lon­nen mit Män­nern und zwei mit Frau­en. Nach­dem auch die letz­ten SS-​Wa­chen ge­flo­hen waren, waren noch etwa 800 Frau­en im Lager zu­rück­ge­blie­ben. Diese mach­ten sich auf in die be­nach­bar­te Stadt, wo sie von be­waff­ne­ten Hit­ler-​Jun­gen, die wohl als ein­zi­ge noch ernst­haft an den „End­sieg“ glaub­ten, auf­ge­grif­fen. Eine Er­schie­ßung der Frau­en konn­te nur durch das Ein­grei­fen der Rib­nit­zer Be­völ­ke­rung ver­hin­dert wer­den. Auch die zwei­te Frau­en­ko­lon­ne kam wäh­rend des Mar­sches frei.

 

An­ge­schlos­sen an den Flie­ger­horst war auch das Kriegs­ge­fan­ge­nen­la­ger Sta­lag Luft I, in dem meh­re­re tau­sen­de al­li­ier­te Flie­ger in­ter­niert waren. Nach der Flucht der SS-​Mann­schaf­ten be­tra­ten ei­ni­ge von ihnen als erste das ehe­ma­li­ge Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger. In man­chen Räu­men fan­den sie Men­schen, die schon seit Tagen tot waren. Neben den Lei­chen stan­den Fol­ter­in­stru­men­te, mit denen Kno­chen ge­bro­chen wer­den soll­ten. Für etwa zwei Wo­chen ver­wal­te­ten die Flie­ger das Lager selbst, ver­such­ten die Ver­pfle­gung zu or­ga­ni­sie­ren und den Ver­letz­ten zu hel­fen.

Als die so­wje­ti­schen Trup­pen ein­tra­fen, hal­fen die Pi­lo­ten wei­ter bei der Ver­sor­gung. Noch Wo­chen nach der Be­frei­ung des La­gers star­ben Men­schen an den Fol­gen der Be­hand­lung durch die SS. Und trotz­dem waren die so­wje­ti­schen Sol­da­ten längst nicht mehr so er­schro­cken, wie Pi­lo­ten der west­li­chen Al­li­ier­ten. Sie hat­ten be­reits die KZs in Polen und den Ge­bie­ten der So­wjet­uni­on ge­se­hen, wo Mil­lio­nen Men­schen er­mor­det wur­den. Der Fas­sungs­lo­sig­keit war in­zwi­schen Trau­er und auch Wut ge­wi­chen.

 

Die meis­ten Bart­her wol­len bis zum Kriegs­en­de nichts von den Zwangs­ar­bei­ter_In­nen und ihrem Leid auf dem Flie­ger­horst Barth ge­wusst haben. Mehr als ein Ver­such des Selbst­be­tru­ges dürf­ten die meis­ten die­ser Äu­ße­run­gen nicht sein. Der Horst und das KZ waren nicht weit von der Stadt Barth ent­fernt. Der wirt­schaft­li­che Auf­schwung, der durch die An­sied­lung ver­schie­de­ner Rüs­tungs­un­ter­neh­men zu Stan­de kam, hatte die über­gro­ße Mehr­heit der Men­schen blind für das Elend an­de­rer ge­macht. An der Bart­her Ge­denk­stät­te steht des­halb noch heute mah­nend in meh­re­ren Spra­chen auf schwe­ren Stein­plat­ten ge­schrie­ben:

 

In Barth wur­den über 2.​000 Men­schen für die Pro­fit­in­ter­es­sen des Hein­kel­kon­zerns zu Tode ge­quält.

 

Bild: Die KZ-​Ge­denk­stät­te in Barth.

 

Mehr Infos gibt´s unter: http://ino.blogsport.de/befreiung/ 

Gedenkstätte Barth
Gedenkstätte Barth
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