England – Antifaschistisches Archiv für Rostock und Umgebung https://indyhro.blackblogs.org Linke Veröffentlichungen aus unterschiedlichen Quellen Sat, 21 Nov 2020 19:17:47 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 Ein Spitzel auf Europatour https://indyhro.blackblogs.org/2011/01/28/ein-spitzel-auf-europatour/ Fri, 28 Jan 2011 06:45:34 +0000 http://indyhro.blackblogs.org/?p=1619 Continue reading Ein Spitzel auf Europatour]]> Aktivisten hielten Mark Kennedy für einen Kumpel. Nun werden Tag für Tag neue Details über den verdeckten Ermittler bekannt. War er ein „Agent Provocateur“?

 

 

Der Mark, so dachte Jason Kirkpatrick, der ist ein echter Kumpel. Einer, mit dem man was auf die Beine stellen kann.

Seit sechs Jahren kannte der in Berlin lebende US-Amerikaner den Briten Mark Stone, sie hatten sich bei einer Aktion vor dem G-8-Gipfel im schottischen Gleneagles kennen gelernt. 2007 trafen sie sich in Deutschland bei Vorbereitungstreffs zu den Protesten gegen den G-8-Gipfel in Heiligendamm. Wann immer Mark in Berlin war, konnte er bei Jason Kirkpatrick übernachten.

 

Nun musste der Filmemacher, Anarchist und einstige grüne Vizebürgermeister einer kalifornischen Kleinstadt erfahren, dass Mark kein Kumpel war. Dass er in Wirklichkeit auch nicht Stone heißt, sondern Kennedy. Und dass er jahrelang als britischer Undercover-Polizist linke Gruppen in ganz Europa ausspähte.

 

Kirkpatrick hätte stutzig werden können. „Mark hatte schon einen Internet-Stick am Laptop, als noch niemand so ein Ding hatte“, sagt er. Er habe das Geld locker sitzen gehabt, ständig Getränke ausgegeben, Fahrten organisiert. Heute ergibt das alles einen Sinn. „Er hat mich betrogen und ausgenutzt“, sagt Kirkpatrick. „Das ist so zum Kotzen.“

 

Dutzenden linken Aktivisten in ganz Europa geht es wie ihm. Täglich werden neue Details bekannt, wie systematisch der Scotland-Yard-Mann Umweltaktivisten und Globalisierungskritiker ausspähte. Immer wenn es hoch herging: Kennedy war dabei.

 

So soll er sich etwa im Auftrag der dänischen Polizei an der Besetzung des Jugendzentrums „Jagtvej 69“ in Kopenhagen beteiligt haben. Dessen Räumung im März 2007 hatte wochenlang zu Protesten geführt. Die Polizei verweigert bislang eine Stellungnahme. Auch die isländische Polizei mauert, was Meldungen angeht, wonach Kennedy in ihrem Auftrag die Umweltbewegung „Saving Iceland“ infiltriert haben soll. Die organisierte 2005 Proteste gegen den Aluminiumkonzern Alcoa und einen umstrittenen Staudammbau.

 

In mehr als 20 Ländern soll der verdeckte Ermittler Kennedy unterwegs gewesen sein, darunter Irland, Spanien, Island, Italien – und eben Deutschland.

 

Hier kommt nun Schwung in die Debatte, nachdem am Mittwoch im Innenausschuss des Bundestags Jörg Ziercke, Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), den Einsatz des verdeckten Ermittlers in Deutschland einräumte, die Verantwortung aber auf die Bundesländer abschob, in denen Kennedy aktiv war. Demnach gab es über dessen Einsatz einen Vertrag zwischen den Briten und Mecklenburg-Vorpommern, wo im Juni 2007 der G-8-Gipfel stattfand. Eine ähnliche Vereinbarung soll es im Zusammenhang mit dem Nato-Gipfel in Baden-Baden und Straßburg im April 2009 auch mit Baden-Württemberg gegeben haben. Die Innenministerien der beiden Länder wollten sich dazu am Donnerstag nicht äußern. Dort ist man stinksauer, dass die Angelegenheit überhaupt öffentlich wurde.

 

Brisant ist, dass bei der vertraulichen Sitzung im Innenausschuss auch zwei mögliche Straftaten Kennedys eingeräumt wurden. So beteiligte er sich in Heiligendamm an einer Straßenblockade. In Berlin versuchte er, bei einer Demo eine Mülltonne abzufackeln. Die Aktion im Dezember 2007 ist besonders merkwürdig. Denn angeblich sollte Kennedy in Berlin nicht als verdeckter Ermittler eingesetzt werden, so BKA-Chef Ziercke, sondern sich nur zur Aufrechterhaltung seiner Legende herumtreiben. Unaufgeklärt ist auch, was der einstige Weggefährte Jason Kirkpatrick erzählt: dass Kennedy einmal angeboten habe, er könne mit ein paar Kumpels nach Deutschland kommen, um Neonazis aufzumischen.

 

War Kennedy mehr als ein Spitzel? Ein Agent Provocateur, der die linke Szene anstachelte?

 

Dazu passt, was die Sozialanthropologin Stine Krøijer in der dänischen Tageszeitung Information berichtet. Sie sei im Vorfeld des Klimagipfels von Kopenhagen 2009 und bei Recherchen für eine Promotion über die Planung von Protestaktionen auf Kennedy aufmerksam geworden. Der habe dort „Aktivisten aufgehetzt und provoziert“ und womöglich dazu beigetragen, dass „die Entwicklung sich in eine radikalere Richtung bewegte als ohne sein Engagement“, sagt Krøijer.

 

Vorher habe sie Kennedy und einen mittlerweile ebenfalls enttarnten Polizeispitzel Anfang 2009 auf einem Vorbereitungstreffen zu Protesten im Umfeld des Nato-Gipfels in Baden-Baden und Straßburg getroffen. Auch hier hätten beide für militante Aktionen plädiert – und dafür, „dass es Frieden mit Cops nicht geben kann“.

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Englischer Polizeispitzel in Deutschland – Keiner will schuld sein https://indyhro.blackblogs.org/2011/01/27/englischer-polizeispitzel-in-deutschland-keiner-will-schuld-sein/ Thu, 27 Jan 2011 11:31:43 +0000 http://indyhro.blackblogs.org/?p=1617 Continue reading Englischer Polizeispitzel in Deutschland – Keiner will schuld sein]]> Das Bundeskriminalamt räumt ein, dass ein verdeckter Ermittler aus Großbritannien die linke Szene in Deutschland ausgespäht hat. Die Opposition fordert Aufklärung.

 

BERLIN taz | Jörg Ziercke, Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), hat nach taz-Informationen am Mittwoch in einer vertraulichen Unterrichtung des Bundestagsinnenausschusses den Einsatz eines verdeckten Ermittlers aus Großbritannien in Deutschland eingeräumt. Und er soll sich peinlich berührt gezeigt haben, wie dieser Einsatz aus dem Ruder gelaufen ist. Zugleich aber wies BKA-Chef Ziercke eine Verantwortung seiner Behörde weit von sich. Die hätten die Länder zu tragen, in denen der Brite eingesetzt worden sei.

Wie durch Enthüllungen des britischen Guardian vor zwei Wochen bekannt wurde, hatte der heute 41-jährige Mark Kennedy unter dem Decknamen Mark Stone von 2002 bis 2009 als verdeckter Ermittler radikale Umweltaktivisten und die globalisierungskritische Szene in ganz Europa ausgespäht.

In Deutschland soll er an Aktionen rund um den G-8-Gipfel im mecklenburg-vorpommerischen Heiligendamm im Juni 2007 beteiligt gewesen sein. Im Dezember desselben Jahres wurde Kennedy in Berlin gar auf einer Demonstration „Für autonome Freiräume“ festgenommen. Er hatte versucht, Papier aus einem umgestürzten Müllcontainer anzuzünden. Berlins Polizeipräsident Dieter Glietsch hat inzwischen bestätigt, dass bei der Demonstration damals ein Mark Stone vorübergehend in Gewahrsam genommen wurde. Die Ermittlungen seien wenig später aber von der Staatsanwaltschaft eingestellt worden. „Von einer verdeckten Arbeit war uns nichts bekannt“, sagt Glietsch.

BKA-Präsident Ziercke berichtete dem Innenausschuss am Mittwoch dem Vernehmen nach, wie es zum Einsatz des verdeckten Ermittlers im Umfeld des G-8-Gipfels in Mecklenburg-Vorpommern kam. In einer Vereinbarung zwischen dem Land und den Briten seien demnach Details des Einsatzes festgehalten worden. Dort soll auch darauf hingewiesen worden sein, dass keine Straftaten begangen werden dürften. Für die Führung des verdeckten Ermittlers seien die Polizeien der Länder verantwortlich gewesen, in denen er zum Einsatz kam, so Ziercke. Das BKA spiele in solchen Fällen nur eine Vermittlerrolle.

Empört soll Ziercke auf Berichte über angebliche sexuelle Kontakte des verdeckten Ermittlers in der Aktivistenszene reagiert haben: „Das geht gar nicht.“

Das Innenministerium Mecklenburg-Vorpommerns wollte am Mittwoch nichts zu der Affäre sagen. Es würden „zu verdeckten polizeilichen Maßnahmen aus einsatztaktischen Erwägungen grundsätzlich weder bejahende noch verneinende Auskünfte erteilt“, sagte eine Sprecherin.

Der Berliner Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hatte bereits am Montag eine Verantwortung seines Landes für den Einsatz Kennedys verneint. Dem Berliner Landeskriminalamt sei vom BKA 2007 lediglich mündlich mitgeteilt worden, dass ein verdeckter Ermittler aus England nach Deutschland reise. Genauere Informationen habe es nicht gegeben, so Körting.

Die Opposition im Bundestag forderte am Mittwoch weitere Aufklärung in dem Fall. Viele Fragen seien auch nach der Sitzung des Innenausschusses noch offen geblieben, hieß es bei SPD, Grünen und Linkspartei.

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