Großbritannien – Antifaschistisches Archiv für Rostock und Umgebung https://indyhro.blackblogs.org Linke Veröffentlichungen aus unterschiedlichen Quellen Sat, 21 Nov 2020 19:17:48 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 Enttarnter Spitzel Mark Kennedy: Das große Mauern https://indyhro.blackblogs.org/2011/02/18/enttarnter-spitzel-mark-kennedy-das-grose-mauern/ Fri, 18 Feb 2011 20:08:21 +0000 http://indyhro.blackblogs.org/?p=1623 Continue reading Enttarnter Spitzel Mark Kennedy: Das große Mauern]]> Dass er Straftaten beging, ist aktenkundig – doch noch immer verweigern Landesregierungen die Aufklärung im Fall des Verdeckten Ermittlers Mark Kennedy.

 

Von Martin Kaul

 

Immerhin: In Baden-Württemberg hat der Innenminister überhaupt mal etwas gesagt. Als dort am Mittwochabend der Innenausschuss gleich sechs Anträge zu Verdeckten Ermittlern im Ländle zu beraten hatte, konnte auch Innenminister Heribert Rech (CDU) nicht mehr vollends mauern. Was der Hardliner allerdings zu Protokoll gab, wird die Öffentlichkeit auch weiterhin nicht erfahren dürfen. „VS – nur für den Dienstgebrauch“ steht auf den Akten.

 

Doch damit sind die Innenpolitiker in Baden-Württemberg bereits in einer komfortablen Situation: Sie dürfen überhaupt etwas über jenen umstrittenen Spitzeleinsatz des britischen Verdeckten Ermittlers Mark Kennedy in Deutschland erfahren, den der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Jörg Ziercke, im Deutschen Bundestag als „aus dem Ruder gelaufen“ bezeichnet hatte.

 

Doch: Wochen nachdem Ziercke vor Parlamentariern des Bundestages diese deutlichen Worte fand, mauern die meisten Landesregierungen noch immer – und verwehren selbst den zuständigen Parlamentariern Auskünfte über den dubiosen Einsatz. Dabei steht fest: Dass der vom britischen Scotland Yard bezahlte Ermittler in Deutschland auch an Straftaten beteiligt gewesen sein könnte, ist offenkundig.

 

In Berlin bestätigte gar der dortige Polizeichef, dass Kennedy festgehalten worden war, als er versucht hatte, einen Brand zu entzünden. Wo es zu Verfahren gegen Kennedy kam, wurden diese aber stets eingestellt – so wie in Großbritanien, wo die Geschichte des Spitzels erst durch ein geplatztes Gerichtsverfahren öffentlich wurde.

 

Was der heute flüchtige, aber geständige Spitzel, der über Jahre hinweg in ganz Europa die linke Szene ausspioniert hat, tatsächlich in Deutschland getrieben hat – und ob er damit gegen geltendes Recht verstoßen hat, bleibt damit weiterhin unaufgeklärt. Das empört nicht nur jene Aktivisten, die direkt mit Kennedy zu tun hatten, sondern mittlerweile auch die zuständigen Parlamantarier im Bundestag und in den Landesparlamenten. So ist derzeit neben Baden-Württemberg auch in Mecklenburg-Vorpommern, Berlin und Hamburg die Frage offen, was genau Kennedy in den Ländern unternommen hat – und in welchem Auftrag sowie mit welcher deutschen Beteiligung der britische Aktivist dort im Einsatz war.

 

Was die Länder gemeinsam haben: Sie alle halten es nicht für nötig, Licht ins Dunkel zu bringen.

 

Am gravierendsten ist die Situation in Berlin: Obwohl Kennedy in der Hauptstadt polizeilich auffällig wurde und Berlins Behörden nach Aussagen des Innensenators Ehrhart Körting (SPD) niemals konkret über den Einsatz von Kennedy, sondern nur allgemein, ohne Namensnennung und telefonisch vom BKA darüber in Kenntnis gesetzt worden sein wollen, dass ein Beamte aus Großbritannien in Berlin sei, sieht der rot-rote Senat dennoch keinen Bedarf, zu prüfen, was Kennedy so alles getrieben hat – und auf welcher Rechtsgrundlage. Gegenüber der taz sagte eine Sprecherin, für den Innensenator stelle „sich die Frage nach weiterreichenden Informationspflichten nicht“.

 

Der Berliner Innenpolitiker Benedikt Lux (Grüne) sagt dagegen: „So wie sich Mark Kennedy in Berlin aufgeführt hat, muss die Landesregierung beim BKA und den anderen Polizeibehörden protestieren – und vor allem auch lückenlos aufklären.“ Der Berliner Innensenator versuche sich selbst durch Nichtwissen zu schützen, sagte Lux der taz und ruft deshalb Betroffene, die Hinweise zum Einsatz Mark Kennedys in Berlin und Deutschland geben können, dazu auf, sich bei ihm zu melden.

 

Ähnlich ergeht es seiner Kollegin in Hamburg. In der Hansestadt, wo Kennedy Kontakt zu einem linken Kaffeekollektiv gehabt haben soll, beantwortete der Senat die Kleine Anfrage der Innenpolitikerin Antje Möller (GAL) mit exakt 27 Worten. Inhalt: Wir sagen gar nichts. Weil sich Möller in der Ausübung ihres Mandats eingeschränkt sieht, hat die Parlamentarierin nun sogar Beschwerde beim Präsidium der Hamburger Bürgerschaft eingereicht – was das bringt, ist noch offen. Am Sonntag wird in Hamburg neu gewählt.

 

Auch in Mecklenburg-Vorpommern, wo der Einsatz Kennedys im Rahmen des G8-Gipfels von Heiligendamm verbrieft ist und Kennedy nach eigener Aussage direkt in polizeiliche Lageanalysen eingebunden war, mauert das CDU-geführte Innenministerium. Dort sieht der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Peter Ritter, „weiterhin Klärungsbedarf“, weil im Fall Kennedy „weiter beschönigt und verheimlicht“ werde.

 

Diese Gesamtschau erregt im Deutschen Bundestag wiederum den Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele, der gegenüber der taz eine weitere Initiative der Grünen im Parlament ankündigt: „Im Moment wird nur auf Verwirrung und auf Ausschweigen gesetzt. Dabei sind in der Sache noch zahlreiche Fragen offen. Es gibt noch immer widersprüchliche Angaben darüber, in welchem Umfang sich Kennedy an Straftaten beteiligt haben könnte“, sagte Ströbele der taz. Vor allem müsse nun auch geklärt werden, wer denn die zuverlässige Kontrolle und Federführung im Fall habe.

 

Ströbele fordert nun die Bundesregierung auf, auch die rechtliche Situation ausländischer Verdeckter Ermittler im Einsatz in Deutschland zu prüfen. Hintergrund ist, dass deutsche Sicherheitsbehörden Mark Kennedy als private „Vertrauensperson“ einstufen dürfen und nicht als „Verdeckten Ermittler“, obwohl er zweifelsfrei als von britischen Behörden bezahlter Polizist im Einsatz war.

 

Auf diese Weise würden für ausländische Polizisten in Deutschland nicht die deutschen Gesetze für Polizisten hierzulande gelten – ein rechtsfreier Raum, der den Einsatz ausländischer Spitzel besonders attraktiv machen könnte. „Es kann nicht sein, das Polizisten wie Privatpersonen behandelt werden und dass im Namen der Europäischen Polizeizusammenarbeit einfach Grundrechte der Bürger ausgehebelt werden“, sagt Ströbele. „Für alle Verdeckten Ermittler aus dem Ausland müssen mindestens die selben Regeln gelten wie für deutsche Ermittler.“

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Spionage: Liebesgrüße aus London https://indyhro.blackblogs.org/2011/01/20/spionage-liebesgruse-aus-london/ Thu, 20 Jan 2011 10:14:29 +0000 http://indyhro.blackblogs.org/?p=1615 Continue reading Spionage: Liebesgrüße aus London]]> Ein britischer Polizeispitzel wird auf peinlichste Weise enttarnt – Klarname, Telefonnummern und E-Mail-Adressen sind im Internet frei zugänglich. Damit bringt er auch die deutschen Behörden in Erklärungsnot.

 

Für einen Spion ist das die Katastrophe, eine unumkehrbare Niederlage. Über den britischen Polizisten mit dem Decknamen „Mark Stone“ gibt es inzwischen seitenlange Dokumentationen im Internet – inklusive Klarnamen, Telefonnummern, E-Mail-Adressen. Ähnlich wie über den verdeckten Ermittler des baden-württembergischen Landeskriminalamts, der bei seiner Infiltration Heidelberger Studentenkreise aufgeflogen war. Anders als „Simon Brenner“ hat „Mark Stone“ sogar einen Wikipedia-Eintrag. British police spy, steht da.

 

Mindestens sieben Jahre lang hat der Polizist britische Klimaaktivisten ausgehorcht, bis er jüngst aufflog. Seither vergeht in England kein Tag ohne neue Enthüllungen. Denn ähnlich wie „Brenner“ soll „Stone“ nicht nur zugehört, sondern auch angestiftet und mitgemacht haben bei Protestaktionen. Und ähnlich wie „Brenner“ bringt nun auch er deutsche Behörden in Erklärungsnot: „Mark Stone“ beschränkte seine Tätigkeit bei weitem nicht auf England.

 

Undercover in Heiligendamm


Recherchen der Tageszeitung Guardian zufolge infiltrierte der verdeckte Ermittler zahlreiche antirassistische, klimapolitische und globalisierungskritische Organisationen in 22 Ländern – darunter Deutschland. So soll er beim G8-Gipfel in Heiligendamm im Sommer 2007 die Behörden informiert haben. Erkenntnisse aus England allerdings legen nahe, dass er es dabei nicht beließ: Der 41-Jährige soll eine Protestaktion gegen das vom Energiekonzern Eon geführte Kraftwerk Ratcliffe-on-Soar nicht nur begleitet, sondern initiiert und angeführt haben. Neben der Polizei versorgte er mutmaßlich auch Kraftwerksbetreiber Eon mit Informationen.

 

Und bei dieser Aktion flog er auf. Aufmerksame Beobachter stellten fest, dass von 114 Verfahren gegen beteiligte Aktivisten ausschließlich das gegen „Mark Stone“ fallen gelassen wurde. Eon weicht Fragen danach aus und erklärt lediglich, den Briten „nie beschäftigt“ zu haben.

 

Und auch die deutschen Behörden halten sich bedeckt, obwohl die Kreise des Ermittlers bis weit in ihr Einflussgebiet reichten. Eine Anfrage des Linken-Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko beantwortete das Bundesinnenministerium mit einer viele Seiten langen Stellungnahme, in der es ausführlich um Europäische Rechtshilfeübereinkommen und deren Zusatzprotokolle geht. Über die Rolle des britischen Undercover-Polizisten beim Gipfel in Heiligendamm verliert das Ministerium aus „einsatztaktischen Erwägungen“ kein Wort.

 

Dabei wäre es gerade vor dem Hintergrund des Prozesses um den Sternmarsch in Heiligendamm von Bedeutung, der am Mittwoch in Schwerin begann. Die Demonstration am letzten Gipfeltag war von der Polizei verboten worden, wogegen die Anmelder klagten und zunächst teilweise recht bekamen. Einen Tag vor der Demonstration bestätigte dann das Verfassungsgericht das Verbot. Es berief sich auf Meldungen der Polizei, wonach nicht näher benannte Quellen aus den Protestcamps von mysteriösen Waffen wie etwa mit Nägeln gespickten Kartoffeln berichteten. Gesehen oder gar eingesetzt wurden diese Waffen nie. Da sich auch die von der Polizei behaupteten 500 teils schwer verletzten Polizisten bei der Auftakt-Demo und die vermeintlichen Steinwerfer am Zaun von Heiligendamm als Falschmeldungen entpuppten, stellt sich die Frage, welche Rolle „Mark Stone“ in den Protestcamps spielte.

 

In Schwerin klagen nun Gipfelgegner, die das Verbot für rechtswidrig halten. Würde sich herausstellen, dass neben anderen der britische Spitzel zu falschen Polizeiangaben beitrug, wie die Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke (Linke) vermutet, müssten sie recht bekommen. Hunko fordert, dass die Bundesregierung die Rolle des Briten ebenso „lückenlos offenlegt“ wie die Informationen, die er über Aktivisten sammelte.

 

„Mark Stone“ ist derweil – wie auch „Simon Brenner“ – verschwunden. Britische Medien mutmaßen, er habe sich in die USA abgesetzt. Seine Geschichte samt Liebesaffären hat er vorher noch der Daily Mail verkauft. Angeblich aus Geldnot.

 



Im Netz der Sicherheitsbehörden

Wer in Deutschland als vermeintlicher politischer Extremist ins Visier von Ermittlern gerät, landet in Personendateien des Bundeskriminalamtes (BKA). Die Beamten erfassen in den Dateien wie „Gewalttäter links“ oder „International agierende gewaltbereite Störer“ (Igast) ausdrücklich nicht verurteilte Täter, sondern Personen, die vermutlich eine Gewalttat verüben könnten. In die Dateien können auch Informationen ausländischer Polizeien einfließen.


Klare Kriterien, die die Erfassung rechtfertigten, gibt es nicht − das räumte die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage vor Monaten ein. Grundlage für die Gefahreneinschätzung einer Person sei die polizeiliche Ausbildung und „bestimmte Tatsachen“, die den Betroffenen Gewaltakte in Zukunft unterstellten.
Der konkrete Grund für die Speicherung einer Person bleibt unklar. Ebenso räumt die Bundesregierung ein, dass es keine Analyse darüber gibt, wie oft ein Verdacht, jemand könne gewalttätig werden, sich tatsächlich auch bestätigt.

Die Informationen aus den Personendateien stehen deutschen Polizeien zur Verfügung und werden vom BKA an ausländische Kollegen weitergeleitet, wenn diese anfragen. So übergab das BKA vor dem UN-Klimagipfel im Dezember 2009 240 Personendaten aus der Igast-Datei der dänischen Polizei. Im August 2010 waren 1349 Personen in der Igast-Datei gespeichert, in der Datei „Gewalttäter links“ waren es 2173. Die Bundesregierung führt keine Statistiken darüber, wie oft und an welche ausländischen Polizeien Daten übermittelt werden. Nach eigener Aussage sei der Erkenntniswert daraus zu gering.

Die Datensammlung zu Igast kann ausführlich sein: Von Namen,
Geschlecht, Größe und Gewicht über Autokennzeichen und -typ bis hin zu Arbeitsstätte und Dokumenten wird gesichert, was in die Finger kommt. Wer beispielsweise als Globalisierungskritiker in die Igast-Datei gerät, muss damit rechnen, dass sich die Ermittler auch für seinen Bekanntenkreis interessieren.

Brisant ist der Datenhunger der Polizeien, weil die nationalen Datensammlungen auf EU-Ebene weiter zusammengeführt werden sollen. Ungeklärt ist, welche Dateien das BKA künftig an Europol überstellt. So besteht die Gefahr, dass in die von der EU geplante Datensammlung „Reisende Gewalttäter“ Informationen aus der Igast-Datei einfließen, die keine verurteilten, sondern nur potenzielle Gewalttäter betreffen. Bereits jetzt existieren bei Europol 21 „Arbeitsdateien für Analysezwecke“. Die Datenbank ist bei Europol in Den Haag angesiedelt.
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