Jamel – Antifaschistisches Archiv für Rostock und Umgebung https://indyhro.blackblogs.org Linke Veröffentlichungen aus unterschiedlichen Quellen Sat, 21 Nov 2020 19:09:01 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 Jamel: Rechtsradikale Feier in den Mai https://indyhro.blackblogs.org/2017/05/05/jamel-rechtsradikale-feier-in-den-mai/ Fri, 05 May 2017 11:45:25 +0000 http://indyhro.blackblogs.org/?p=1511 Continue reading Jamel: Rechtsradikale Feier in den Mai]]> Wie die Polizei dem NDR auf Nachfrage bestätigte, haben in Jamel (Landkreis Nordwestmecklenburg) am Wochenende rund 250 Teilnehmer aus dem rechtsradikalen Spektrum lautstark in den Mai gefeiert. Zu der als private Geburtstagsfeier angemeldeten Walpurgisnachts-Veranstaltung kamen Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet, darunter auch NPD-Politiker wie der ehemalige Landtagsabgeordnete David Petereit.

 

Polizei ermittelt wegen verschiedener Delikte


Die Polizei kontrollierte zahlreiche Anreisende und fand einen Elektroschocker. Sie ermittelt wegen eines Verstoßes gegen das Waffengesetz und des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, sagte eine Sprecherin der Polizei Wismar. Weitere Anzeigen seien wegen Verkehrsverstößen und der unerlaubten Nutzung einer öffentlichen Fläche als Parkplatz in der Dorfmitte gestellt worden. Bürgermeister Uwe Wandel wollte sich dazu auf Anfrage jedoch nicht äußern. 

 

Das „Nazidorf“ der Volksgemeinschaft


Jamel gilt als „Nazidorf“, weil viele der Einwohner der rechtsradikalen Szene angehören. Die „Dorfgemeinschaft Jamel“ um den Neonazi Sven Krüger bezeichnet sich selbst als „frei, sozial und national“. Zur diesjährigen Walpurgisfeier waren viele Gäste in völkischen Trachten angereist, um mit Kreistänzen und einem Maibaum traditionelles Brauchtum zu pflegen. Für die zahlreichen Kinder gab es Ausfahrten auf dem Traktoranhänger und eine Hüpfburg des Unternehmers und Ex-NPD-Kandidaten Steffen Meinecke – die Inszenierung einer ganz normalen Mai-Feier.

 

Doch unter den Gästen war auch der mehrfach vorbestrafte Neonazi Ragnar D., der wegen der Durchführung einer „rassepolitischen“ Schulung und zuletzt im Februar wegen eines Angriffs auf einen Fotoreporter zu einer Geldstrafe verurteilt wurde. Alf B. ehemaliger „Einheitsführer“ der verbotenen Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ) und frühere NPD-Aktivisten wie Tino Streif und Mathias Schuldt packten beim Aufstellen des Maibaums mit an. 

 

Preisgekrönte Panorama Reportage spielte in Jamel


Jamel ist nach Ansicht von Rechtsextremismus-Experten Teil einer völkischen Erlebniswelt und ein Beispiel für durchgesetzte räumliche Dominanzansprüche. Im Ort geben die rechten Bewohner den Ton an, Gegner werden angefeindet. Für die mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnete Panorama Reportage „Im Nazidorf“ hatte der Reporter Michel Abdollahi 2015 für einen Monat in einer Holzhütte mitten im Dorf gelebt.

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„Forstrock“ in Jamel bei Wismar: Campino singt im Neonazi-Dorf – gegen rechts https://indyhro.blackblogs.org/2015/09/01/forstrock-in-jamel-bei-wismar-campino-singt-im-neonazi-dorf-gegen-rechts/ Tue, 01 Sep 2015 21:11:09 +0000 http://indyhro.blackblogs.org/?p=1646 Continue reading „Forstrock“ in Jamel bei Wismar: Campino singt im Neonazi-Dorf – gegen rechts]]> In Jamel bei Wismar leben fast nur Rechtsextreme – und die Lohmeyers. Bei ihrem Musikfestival erhielten sie nun prominente Unterstützung.

 

Birgit und Horst Lohmeyer sind nicht allein. Durch ihr altes Forsthaus wuseln Helfer. Kaffee wird gekocht, zwei Frauen schmieren Brote, jemand fragt nach einem Kasten Bier. Security ist da. Ein DGB-Mann steht im Flur und will über die Spendenaktion reden. Aus dem Bad, das hier Sitzungssaal heißt, kommt der Schlagzeuger der Toten Hosen. Und Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) wartet im Garten, um ein paar Worte mit Sänger Campino zu wechseln.

 

Es ist Samstag, 22 Uhr. „Jamel rockt den Förster.“ Ein Musikfestival „nicht gegen irgendwas“, sagt Horst Lohmeyer, „sondern für Demokratie und Menschenrechte. Zum neunten Mal bereits veranstalten seine Frau und er den Forstrock in dem kleinen Dorf bei Wismar. In diesem Jahr jedoch ist vieles anders. Die Lohmeyers sind inzwischen über Mecklenburg-Vorpommern hinaus bekannt, sie sind ein Beispiel für das helle Deutschland.

 

Das Ehepaar lebt mitten unter Nazis – und lässt sich davon nicht einschüchtern. Trotz aller Bedrohungen. Vor zwei Wochen erst wurde ihre 150 Jahre alte, reetgedeckte Scheune abgefackelt, die Ermittler fanden Brandbeschleuniger, gehen von einem Anschlag aus, auch wenn der Täter noch nicht gefasst ist. Die Bilder von der Ruine wurden im Fernsehen gesendet, in den Zeitungen gezeigt, auf Facebook geteilt.

 

Ein Freilichtmuseum für Neonazis

 

Die Nachricht hat auch die Toten Hosen erreicht. Deshalb der Auftritt in Jamel. Die Band ist der Überraschungsgast beim Forstrock. Nachmittags haben sich die Musiker den Ort zeigen lassen. Er liegt am „A. d. W.“, wie die Lohmeyers sagen. Am Ende einer Sackgasse, kurz vor dem Nichts. In Jamel gibt es Wegweiser nach Braunau, der Geburtsstadt von Adolf Hitler. Auf einer Wand steht: „Dorfgemeinschaft Jamel? frei, sozial, national.“ Ein Freilichtmuseum für Neonazis. Die große Mehrheit der Anwohner ist rechts oder rechtsextrem.

 

Wer am Abend wegen der Toten Hosen ins Dorf kommt, muss sich links halten. Rechts wohnt ein vorbestrafter Abrissunternehmer. Er ist hier der führende Kopf der Neonaziszene und hat für diesen Samstag zu einer eigenen kleinen Feier eingeladen. Die Polizei sortiert die Besucher gleich am Ortseingang.

 

1200 Leute haben zu den Lohmeyers gefunden. Mehr als je zuvor. Ausverkauft. Ein paar Autos können auf dem eingeebneten Fundament der niedergebrannten Scheune parken. Der Rest auf einer Wiese. Die Bühne steht gleich nebenan. Das ganze Gelände ist abgeriegelt.

 

Zwischen den Liedern: „Nazis raus! Nazis raus!“

 

Die Toten Hosen singen „Sascha – ein aufrechter Deutscher“, ein Spott auf Neonazis, entstanden nach den fremdenfeindlichen Ausschreitungen von Lichtenhagen. Sie spielen „Hier kommt Alex“, „An Tagen wie diesen“ und „Europa“, einen Song über die Hoffnung und das Schicksal von Bootsflüchtlingen. Sie spielen für alle Lohmeyers in Deutschland, sagt Campino. Für alle, die die Stellung halten würden, „die sich nicht wegdrehen, wenn die Nazis Plätze für sich reklamieren.“ „Nazis raus! Nazis raus!“ wird zwischen den Liedern skandiert.

 

In den vergangenen beiden Wochen sind zahlreiche Spenden eingegangen für die Lohmeyers, darunter von Altkanzler Gerhard Schröder (SPD). Das Künstlerpaar erhielt den Georg-Leber-Preis für Zivilcourage der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt. DGB, Arbeitgeberverbände, Kirchen und die Amadeu-Antonio-Stiftung sagten ihre Unterstützung zu. Und vor Schwesig war am Freitag bereits Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) angereist, um das Festival zu eröffnen.

 

Seit 2004 leben die Lohmeyers in Jamel. Sie wurden schon bestohlen, beleidigt und genötigt. „Wir haben die ganze Palette durch, die man sich als Mobbing-Opfer nicht wünschen kann.“ Dazu die Brandstiftung. Aufgeben wollen sie trotzdem nicht. „Wir haben gesagt: Jetzt erst recht!“ Am Wochenende waren die Lohmeyers nicht allein. Das Problem ist: Am Montag wird sich das wieder ändern.

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Fanal in Jamel https://indyhro.blackblogs.org/2015/08/16/fanal-in-jamel/ Sun, 16 Aug 2015 15:59:36 +0000 http://indyhro.blackblogs.org/?p=1644 Continue reading Fanal in Jamel]]> Von Andrea Röpke 13.08.2015 -In Jamel brennt die Scheune der einzigen engagierten Nazigegner der Region. Die Ermittlungen laufen gegen Rechts. Dass die dortige Neonazi-Szene gefährlich ist, ist lange bekannt.

 

Ein Feriengast saß entspannt im idyllischen Garten des Forsthauses in Jamel. Er schaute kurz nach Mitternacht in den Sternenhimmel, es sollte Sternschnuppen regnen. Stattdessen sah er eine dunkle Gestalt eilig die Einfahrt in Richtung Dorfstraße hinunter rennen. Zeitgleich prasselten die ersten Flammen aus der alten Scheune seiner Vermieter. Das reetgedeckte Gebäude stand schnell in Flammen. Der anrückenden Feuerwehr gelang es, ein Übergreifen auf das Wohnhaus zu verhindern.

 

Kein normaler Brand, auch keine „normale“ Brandstiftung. Denn im kleinen mecklenburgisches Dorf Jamel lernen bereits die Kinder wer ihr Feind ist: Forsthaus-Besitzer Birgit und Horst Lohmeyer, Zugezogene aus St. Pauli.  Das Ehepaar stellt sich seit Jahren mutig den Neonazis entgegen und bezahlt einen hohen Preis dafür. Einen normalen Alltag gibt es nicht. Jede Fahrt von Gressow kommend ins Sackgassendorf ist alles andere als alltäglich. Auch ein Spaziergang zur nur wenige Kilometer entfernten Ostsee ist nicht einfach. Denn von den rund zehn Häusern des kleinen Ortes sind etwa zwei Drittel mit Anhängern des berüchtigten Neonazis Sven Krüger besetzt. Krüger wurde 2014 aus der Haft entlassen, er hatte unter anderem eine Maschinenpistole gehortet. Seine Kinder und deren Freunde spielen seit Jahren bei Festen auch schon mal mit Plastikwaffen. Jeder kann sehen, wohin schon die Kleinen zielen. Ein Wegweiser im Dorf weist auf die Entfernung in Hitlers Geburtsort Braunau hin und am Wendehammer ist ein selbstgemaltes Bildnis einer Familie zu sehen, Idealvorstellung deutscher Neonazis.

 

Jamel als Vorbild für national befreite Zonen

Lohmeyers müssen damit leben, dass ihre Nachbarn zur „Kameradschaft Wismar“, zur militanten „Hammerskin Nation“ oder zum „Ring Nationaler Frauen“ gehören. Sie erlebten Brauchtumsfeiern und nationale Hochzeitsfeiern, wenn sie einen Blick aus ihrer Scheune oder über den Gartenzaun warfen. Sie kennen die uralten Geschichten, die um Familie Krüger wabern, sie handeln von aufgespießten Hühnern und unzähligen Drohungen gegen andere unliebsame Bewohner – Menschen aus Jamel, die inzwischen fortgezogen sind.

 

Sven Krüger und seine männliche und weibliche Anhängerschaft breiten sich seither ungehindert aus. In Grevesmühlen betreibt der bullige Glatzkopf mit Spitzbart gemeinsam mit der NPD das „Thinghaus“ als Treffpunkt. Er leitet ein Abbruchunternehmen in dem Kameraden arbeiten. Strategen der Szene propagieren Jamel als Vorbild für national befreite Zonen, nach dem Motto: „Wir brauchen viele kleine Jamel“.

 

Ein Leben zwischen Neonazis führen

Im Juni feierten fast 200 Neonazis mit ihren Familien ein „Nationales Kinderfest“ und die Sonnenwende in Jamel. Die Polizei blieb außerhalb kontrollierte etwa drei Kilometer weit entfernt die Zufahrtswege. Im Ort selbst wurden Einsatzfahrzeuge nicht gesehen. Der „blick nach rechts“ (bnr.de) wollte berichten und bekam einzig Hilfe von den Lohmeyers. Fotos belegen: die  Nazis zelebrierten mit dem Nachwuchs ihre Brauchtumsrituale, Fanfaren erklangen, Kinder steckten den Feuerscheid an und alle gemeinsam sangen ein Lied von der Hitlerjugend. Alltag in Jamel.

 

Dass die Neonazi-Szene der Region gefährlich ist, ist lange bekannt. Waffen werden gehortet, um irgendwann benutzt zu werden. Es gab Einschüchterungsversuche und Angriffe. Meistens stand das Ehepaar Lohmeyer dem alleine entgegen. Niemand kann sich vorstellen, wie es ist, zwischen all den Neonazis ein annähernd normales Leben zu führen. Trotz allem trauten sich Feriengäste ins Dorf. In zwei Wochen findet erneut ein Festival gegen Rechts auf ihrem Gelände statt. Die couragierte Zivilgesellschaft darf nicht ganz aus Jamel verschwinden.

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Polizei spricht von Brandstiftung Feuer bei Nazi-Gegnern wurde gelegt https://indyhro.blackblogs.org/2015/08/14/polizei-spricht-von-brandstiftung-feuer-bei-nazi-gegnern-wurde-gelegt/ Fri, 14 Aug 2015 15:02:11 +0000 http://indyhro.blackblogs.org/?p=1642 Continue reading Polizei spricht von Brandstiftung Feuer bei Nazi-Gegnern wurde gelegt]]> Seit Jahren macht das Ehepaar Lohmeyer im mecklenburgischen Jamel Front gegen Neonazis. Jetzt ist die Scheune der beiden Zugezogenen abgebrannt. Die Ermittlungen ergeben: Es war Brandstiftung.

 

Der Brand der Scheune eines als Nazi-Gegner bekannten Künstlerpaars in Jamel in Mecklenburg-Vorpommern wurde vorsätzlich gelegt. Das sagte ein Sprecher der Schweriner Staatsanwaltschaft. In der Ruine seien Spuren von Brandbeschleuniger gefunden worden.

Wer für die Tat verantwortlich ist, sei noch unklar. „Wir ermitteln noch immer gegen Unbekannt“, sagte der Sprecher. Die beiden Betroffenen, Birgit und Horst Lohmeyer, engagieren sich in dem von Rechtsextremisten dominierten Dorf bei Wismar seit Jahren gegen Fremdenhass und für Toleranz. Sie vermuten, dass das Feuer von Neonazis gelegt wurde.

In der Nacht zum Donnerstag war die Scheune in Flammen aufgegangen. Das Ehepaar berichtete, kurz vor Brandausbruch sei eine fremde Person auf dem Grundstück beobachtet worden. „Wir gehen davon aus, dass es sich um eine direkte Reaktion auf die kürzlich bekanntgegebene Verleihung des Georg-Leber-Preises für Zivilcourage an uns handelt“, sagte Horst Lohmeyer.

 

Das aus Hamburg stammende Paar wird nach eigenen Angaben seit seinem Zuzug 2004 in dem von Rechtsextremisten dominierten Dorf gemobbt. Es hat dort 2007 das Festival für Toleranz und Demokratie „Jamel rockt den Förster“ ins Leben gerufen und wurde für sein Engagement vielfach ausgezeichnet.

Bei der diesjährigen Festival-Auflage am 28. und 29. August soll den Lohmeyers der mit 10.000 Euro dotierte Georg-Leber-Preis für Zivilcourage der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt überreicht werden.

Horst und Birgit Lohmeyer
Horst und Birgit Lohmeyer
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[JAMEL] Nach Brand: Ehepaar bekommt Polizeischutz – Bundesweite Unterstützung 28.29.08. Konzert https://indyhro.blackblogs.org/2015/08/13/jamel-nach-brand-ehepaar-bekommt-polizeischutz-bundesweite-unterstuetzung-28-29-08-konzert/ Thu, 13 Aug 2015 19:25:00 +0000 http://indyhro.blackblogs.org/?p=3241 Continue reading [JAMEL] Nach Brand: Ehepaar bekommt Polizeischutz – Bundesweite Unterstützung 28.29.08. Konzert]]> [Original erschienen unter https://de.indymedia.org/node/5456] Die Scheune der Lohmeyers brannte komplett ab.

Bei dem Brand auf dem Forsthof der Familie Lohmeyer in Jamel (Landkreis Nordwestmecklenburg) verdichten sich offenbar die Hinweise auf einen rechtsextremistisch motivierten Anschlag. Die Polizei geht von vorsätzlicher Brandstiftung aus, Staatsanwaltschaft und Staatsschutz haben sich ebenfalls in die Ermittlungen eingeschaltet. Am Donnerstagnachmittag untersuchten Kriminaltechniker und ein externer Brandgutachter den Forsthof in Jamel.

Scheune brennt komplett nieder

Laut der Staatsanwaltschaft spricht der Tatort für sich. Auch Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) ging in einer ersten Reaktion von einem Brandanschlag mit rechtsextremem Hintergrund aus. Dafür spräche das Engagement des Ehepaares Lohmeyer, so Caffier. Dennoch werde weiterhin in mehrere Richtungen ermittelt. Bei dem Brand in der Nacht zum Donnerstag wurde die 150 Jahre alte, reetgedeckte Scheune auf dem Forsthof zerstört. Es wurde niemand verletzt. Das 240 Quadratmeter große Gebäude war zur Brandzeit leer.

Feriengäste bemerken die Flammen

Dass nichts Schlimmeres passierte und die schnell herbeigerufene Feuerwehr ein Übergreifen der Flammen auf das nur etwa sechs Meter entfernte Wohnhaus verhindern konnte, ist wohl nur einem Zufall geschuldet. Ein Gast, der noch spät draußen saß, um nach Sternschnuppen Ausschau zu halten, bemerkte die Flammen und schlug Alarm. Außerdem habe der Mann einen Unbekannten bemerkt, der zügig das Grundstück verließ.

Polizei: Neue Eskalationsstufe

Angriffe auf das Ehepaar Lohmeyer gab es schon häufiger. Das Ehepaar wurde mehrfach für sein Engagement gegen Rechtsextremismus ausgezeichnet. Mal lag eine tote Ratte im Briefkasten, es gab Schmähungen, Anzeigen sowie Nötigungen durch abrupt bremsende Autos auf der Dorfstraße. Der lediglich einige Dutzende Einwohner zählende Ort gilt als von Neonazis dominiert. Dass trotz der Flammen und der Sirenen in den benachbarten Häusern der Rechtsextremen kein Licht anging, wertete Birgit Lohmeyer als Indiz dafür, dass man dort von dem Feuer offenbar nicht überrascht wurde. Die Lohmeyers bekommen nun Polizeischutz. Denn: Dieser Brandanschlag sei eine neue Eskalationsstufe, so die Polizei. Bis auf Weiteres sollen Streifenwagen für mehr Sicherheit sorgen. Auch das bevorstehende Festival gegen Rechtsextremismus in Jamel wird strenger als sonst bewacht sein.

Birgit Lohmeyer: Es geht um Leib und Leben

Dieses Mal gehe es um Leib und Leben, sagte Birgit Lohmeyer NDR 1 Radio MV. Sie sprach von einer beängstigenden Nacht. Die Lohmeyers sollen Ende des Monats den Georg-Leber-Preis für Zivilcourage bekommen – für ihr Auftreten gegen die in Jamel dominierenden Neonazis. Schon früher habe es nach Auszeichnungen verstärkt Drohungen gegeben, so Lohmeyer. Einschüchtern lasse werde sie sich nicht, sagte die Künstlerin. Sie denke gar nicht daran, wegzuziehen. Durch diese Aktion fühle sie sich nur noch bestätigt in ihrem Engagement gegen Nazis. Die Polizei rief Zeugen auf, Beobachtungen zu melden. Auch über die Internetwache könnten Hinweise unter www.polizei.mvnet.de gegeben werden.

Knobloch: Bessere Maßnahmen gegen Rechtsextreme

Die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch, reagierte entsetzt: „Sollte sich diese Tat als eine politisch motivierte Aktion von Rechtsextremisten herausstellen, so wäre das ein erneuter fürchterlicher Beweis dafür, wie brandgefährlich im wahrsten Sinn des Wortes alte und neue Nazis sind.“ Knobloch forderte eine umfassende Strategie und konzertierte Maßnahmen gegen Rechtsextremisten. „Wenn sie es waren, die Birgit und Horst Lohmeyer angegriffen haben, dann haben sie uns alle angegriffen.“

„Jamel rockt den Förster“ am 28./29. August

Als Reaktion auf fortwährende Anfeindungen hatten Birgit und Horst Lohmeyer 2007 in dem von Neonazis dominierten Dorf das Festival für Toleranz und Demokratie „Jamel rockt den Förster“ ins Leben gerufen. Die neunte Auflage der nichtkommerziellen Musikveranstaltung ist für den 28. und 29. August auf dem alten Forsthof geplant. Dann soll auch der mit 10.000 Euro dotierte Georg-Leber-Preis für Zivilcourage der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt überreicht werden.

Quelle: https://www.ndr.de/nachrichten/mecklenburg-vorpommern/Scheune-vom-Ehepaa…

Webadresse: http://www

[JAMEL] Nach Brand: Ehepaar bekommt Polizeischutz - Bundesweite Unterstützung 28.29.08. Konzert
[JAMEL] Nach Brand: Ehepaar bekommt Polizeischutz – Bundesweite Unterstützung 28.29.08. Konzert
[JAMEL] Nach Brand: Ehepaar bekommt Polizeischutz - Bundesweite Unterstützung 28.29.08. Konzert
[JAMEL] Nach Brand: Ehepaar bekommt Polizeischutz – Bundesweite Unterstützung 28.29.08. Konzert

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Verdacht auf Brandstiftung: Scheune von Neonazi-Gegnern in Jamel brennt ab https://indyhro.blackblogs.org/2015/08/13/verdacht-auf-brandstiftung-scheune-von-neonazi-gegnern-in-jamel-brennt-ab/ Thu, 13 Aug 2015 13:36:48 +0000 http://indyhro.blackblogs.org/?p=2294 Continue reading Verdacht auf Brandstiftung: Scheune von Neonazi-Gegnern in Jamel brennt ab]]> Das mecklenburgische Jamel gilt als Hochburg von Neonazis. Seit vielen Jahren lehnt sich ein Ehepaar gegen rechtsextreme Umtriebe auf, wird immer wieder bedroht. Nun ist ein Teil ihres Forsthofes in Flammen aufgegangen.

 

Seit Jahren stellen sich Birgit und Horst Lohmeyer in ihrem Wohnort, dem als Neonazi-Hochburg geltenden Jamel, Rechtsextremisten entgegen. Das Paar wurde deshalb immer wieder bedroht. Nun haben unbekannte Täter offenbar einen Teil des Forsthofes der Familie in Brand gesetzt. Berichten des Norddeutschen Rundfunks zufolge geht die Polizei von Brandstiftung aus.

 

Die Täter sollen den Brand in der Nacht zum Donnerstag gelegt haben. Die Freiwilligen Feuerwehren aus dem Umkreis rückten dem NDR zufolge zu Löscharbeiten an, konnten jedoch nicht verhindern, dass die Scheune bis auf die Grundmauern niederbrannte. Verletzt wurde niemand, das rund 240 Quadratmeter große Gebäude ist zur Brandzeit leer gewesen. Die Höhe des Sachschadens ist noch unbekannt.

 

Im Interview mit dem NDR sagte Birgit Lohmeyer, dass sie bereits früher Drohungen erhalten habe. Dieser Brand sei jedoch beängstigend. Es sei Glück gewesen, dass die Flammen nicht auf das nur wenige Meter entfernte Wohnhaus übergegriffen hätten.

 

Die Lohmeyers vermuten Rechtsextremisten hinter dem Anschlag. Von Seiten der Polizei kann das noch nicht bestätigt werden – es gebe bisher keine Hinweise auf einen politischen Hintergrund der Tat, teilte ein Sprecher mit. Rechtsextremismus könne jedoch nicht ausgeschlossen werden.

 

Das Ehepaar wurde bereits mehrfach für ihr Engagement gegen Rechtsextremismus ausgezeichnet. Ende des Monats sollen sie den Georg-Leber-Preis für Zivilcourage bekommen.

 

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Scheune der Lohmeyers in Jamel: Abgebrannt bis auf die Grundmauern
Scheune der Lohmeyers in Jamel: Abgebrannt bis auf die Grundmauern
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Brandanschlag auf Lohmeyer-Hof in Jamel? https://indyhro.blackblogs.org/2015/08/13/brandanschlag-auf-lohmeyer-hof-in-jamel/ Thu, 13 Aug 2015 13:24:05 +0000 http://indyhro.blackblogs.org/?p=2291 Continue reading Brandanschlag auf Lohmeyer-Hof in Jamel?]]> In Jamel in Nordwestmecklenburg ist in der Nacht zu Donnerstag ein Teil des alten Forsthofes der Familie Lohmeyer abgebrannt. Die Polizei geht von vorsätzlicher Brandstiftung aus. Das Ehepaar wurde mehrfach für sein Engagement gegen Rechtsextremismus ausgezeichnet. Die Polizei kündigte nach Informationen des NDR am Donnerstag an, das Ehepaar künftig unter Polizei-Schutz zu stellen.

 

Birgit Lohmeyer sprach im Interview mit NDR 1 Radio MV von einer beängstigenden Nacht. Die Lohmeyers sollen Ende des Monats den Georg-Leber-Preis für Zivilcourage bekommen – für ihr Auftreten gegen die in Jamel dominierenden Neonazis. Schon früher habe es nach Auszeichnungen verstärkt Drohungen gegeben, so Lohmeyer. Dieser Brand sei jedoch neu; dieses Mal gehe es um Leib und Leben.

 

Staatsanwaltschaft, Caffier sprechen von vorsätzlicher Brandstiftung

 

Wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft im Gespräch mit NDR 1 Radio MV am Donnerstag sagte, gehen die Ermittler inzwischen davon aus, dass der Brand absichtlich gelegt wurde – politisch motiviert von Rechtsextremisten. Staatsschutz, Kriminaltechniker und Brandgutachter untersuchten den Tatort. Auch Innenminister Lorenz Caffier (CDU) ging in einer ersten Reaktion von einem Brandanschlag mit rechtsextremem Hintergrund aus. Dafür spräche das Engagement des Ehepaares Lohmeyer, so Caffier. Dennoch werde weiterhin in mehrere Richtungen ermittelt. Bei dem Brand wurde niemand verletzt. Das 240 Quadratmeter große Gebäude war zur Brandzeit leer. Die Höhe des Sachschadens war am Donnerstag noch unbekannt.

 

Lohmeyer: Glück, dass niemand verletzt wurde

 

Die Scheune wurde bis auf die Grundmauern zerstört. Auch die Lohmeyers vermuteten in einer ersten Reaktion einen Anschlag von Rechtsextremen. Es sei Glück gewesen, dass die Flammen nicht auf das nur wenige Meter entfernte Wohnhaus übergegriffen hätten, sagte Birgit Lohmeyer gegenüber NDR 1 Radio MV. Ein Feriengast habe kurz vor dem Feuer eine unbekannte Person auf dem Forsthof bemerkt.

 

Polizei ruft Zeugen auf, sich zu melden

 

Die Freiwilligen Feuerwehren Hohenkirchen, Plüschow und Gägelow rückten zu Löscharbeiten an. Sie konnten jedoch nicht verhindern, dass die Scheune komplett zerstört wurde. Der Kriminaldauerdienst aus Wismar sicherte Spuren. Die Polizei rief Zeugen auf, Beobachtungen zu melden. Auch über die Internetwache könnten Hinweise unter  www.polizei.mvnet.de gegeben werden.

 

„Jamel rockt den Förster“ am 28./29. August

 

Als Reaktion auf fortwährende Anfeindungen hatten Birgit und Horst Lohmeyer 2007 in dem von Neonazis dominierten Dorf das Festival für Toleranz und Demokratie „ Jamel rockt den Förster“ ins Leben gerufen. Die 9. Auflage der nichtkommerziellen Musikveranstaltung ist für den 28. und 29. August auf dem alten Forsthof geplant. Dann soll auch der mit 10.000 Euro dotierte Georg-Leber-Preis für Zivilcourage der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt überreicht werden.

Die Scheune der Lohmeyers brannte komplett ab.
Die Scheune der Lohmeyers brannte komplett ab.
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Neonazi Tino Streif geoutet https://indyhro.blackblogs.org/2013/03/20/neonazi-tino-streif-geoutet/ Wed, 20 Mar 2013 13:42:06 +0000 http://indyhro.blackblogs.org/?p=1639 Continue reading Neonazi Tino Streif geoutet]]> Im Vorfeld des geplanten Naziaufmarsches in Güstrow am 23.03.2013 gingen Antifaschist_Innen in die Offensive. So wurde am 20.03.2013 der Neonazi Tino Streif an der Rostocker Universität sowie am Fraunhofer Institut geoutet. „Der 31 jährige Tino Streif, momentan Maschinenbaustudent an der Universität Rostock, ist nicht nur ihr Arbeitskollege im Fraunhofer Institut, sondern auch aktiver und bekennender Neonazi. So war er Mitglied in der HDJ (Heimattreue Deutsche Jugend), einer völkisch neonazistischen Vereinigung die seit 2010, wegen der „wesensverwandtschaft zur nationalsozialistischen Hitler Jugend“ verboten ist.

 

Streif ist nicht nur Vorsitzender des NPD Kreisverbandes Nordwestmecklenburg, sondern auch bekennender Aktivist bei den Hammerskins, einer gewaltbereiten, neonazistischen Vereinigung. Diese hat einen ihrer Treffpunkte im Thinghaus Grevesmühlen, einem bundesweit relevanten Neonazizentrum. Hier kann man Streif, unter anderem, als Orgnaisator von NPD Propagandaschulungen und Rechtsrockkonzerten beobachten. Nicht nur menschenverachtende Konzerte sind sein Steckenpferd, er trat und tritt auch als Anmelder, sowie Teilnehmer von Demonstrationen der NPD und auch Freien Kameradschaften auf (siehe Bild unten).

 

Der in Jamel, das international als Neonazi-Dorf bekannt ist, wohnhafte Neonazi war maßgeblich an einem Übergriff auf den Lalendorfer Bürgermeister (die Linke) beteiligt. Dafür musste er sich auch vor Gericht verantworten. 

 

 Diese Fakten zeigen, dass Tino Streif ein fester Bestandteil der neonazistischen Szene in Norddeutschland und darüber hinaus ist. Nun ist es an Ihnen sich gegen einen der führenden neonazistischen Kader Mecklenburg-Vorpommerns zur Wehr zu setzen! “

 

Wir wollen und werden auch weiterhin Neonazis aus Deckung holen und ihnen offensiv entgegentreten.

 

Antifa MV

Tino Streif
Tino Streif
Streif bei einer Neonazidemonstration in Stralsund Mecklenburg-Vorpommern
Streif bei einer Neonazidemonstration in Stralsund Mecklenburg-Vorpommern

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Die Naziszene in Nordwestmecklenburg https://indyhro.blackblogs.org/2012/10/18/die-naziszene-in-nordwestmecklenburg/ Thu, 18 Oct 2012 07:59:09 +0000 http://indyhro.blackblogs.org/?p=1995 Continue reading Die Naziszene in Nordwestmecklenburg]]> Jetzt sind es nur noch 2 Tage bis zur Nazidemo am 20. Oktober in Wismar und ein weiteres mal wirft das Bündnis “Kein Leben ohne Freiheit – NPD und JN bekämpfen” einen Blick auf die Region und ihre Nazis. Dass die Nachwuchsnazis der “Jungen Nationaldemokraten” (JN) am 20. Oktober ausgerechnet in Wismar aufmarschieren wollen, überrascht bei näherer Betrachtung der Verhältnisse in der Hansestadt wenig. Sie gilt schon lange als rechte Hochburg im Westen des Bundeslandes. Anders sah es lange im angrenzenden Altkreis Nordwestmecklenburg aus – dieser war für hiesige Verhältnisse eher “Entwicklungsgebiet – doch auch das hat sich in den letzten zwei Jahren geändert.

 

Hansestadt Wismar – Rechte Hochburg im Wandel

 

Dass die Hafenstadt ein eklatantes Neonaziproblem hat, war für örtliche AntifaschistInnen schon in den 1990er Jahren offensichtlich. Auch den zahlreichen Betroffenen rechter Gewalt muss es wie Hohn erschienen sein, wenn die Stadtverwaltung die Präsenz von Neonazis immer wieder leugnete. Schon im September 1992 kam es im Neubaugebiet Friedenshof zu einem fünftägigen Pogrom gegen ein Flüchtlingsheim. Im Juli 2000 wurde in der Stadt ein 52-jähriger Obdachloser totgeschlagen und im April 2006 wurde ein 39-jähriger Mann aus Togo so schwer misshandelt, dass er längere Zeit stationär behandelt werden musste. Überregional bekannt wurde die Gewaltbereitschaft der örtlichen rechten Szene jedoch erst, als im August 2006 mit Baseballschlägern bewaffnete Neonazis aus dem damaligen Szenetreff “Werwolfshop” stürmten und versuchten, eine antifaschistische Demonstration anzugreifen.

 

In kürzester Zeit verbreitete sich ein Video, dass eine Gruppe aufgeputschter Schläger zeigt, die durch die anwesende Polizei erst mit entsicherten Dienstwaffen gebremst werden können. Nun konnte auch die Stadtverwaltung die offensichtlichen Probleme nicht mehr leugnen und versuchte ab 2007, mit der Imagekampagne “Wismar – Neugierig. Tolerant. Weltoffen.” den angeschlagenen Ruf der Touristenstadt Wismar aufzupolieren. Gewalt und Geschäfte – auf diese Formel ließ sich das Agieren der rechten Szene in Wismars lange Zeit reduzieren. Als Kopf dieser eher subkulturell geprägten Kreise galt der aus Lübeck zugezogene Philipp Schlaffer. Er hatte schon vorher eine längere Karriere in der rechten Musikszene hinter sich und galt als umstrittener Geschäftemacher, gegen den zwischenzeitlich sogar Boykottaufrufe kursierten. Diese Vergangenheit holte ihn im Oktober 2006 ein, als er von Berliner Neonazis in seiner Wohnung wegen „alter Rechnungen“ überfallen wurde. In der Hansestadt sorgte er jedoch für einen enormen Aufschwung der örtlichen Szene, die sich mit der „Wolfshöhle“ auf dem Gelände eines ehemaligen Holzhandels ihren ersten eigenen Konzert- und Veranstaltungsraum schuf.

 

Innerhalb kurzer Zeit folgten der Szeneladen „Werwolfshop“ mit angeschlossenem Onlinehandel und das Tattoostudio „Needle of Pain“. Schließlich etablierte sich in der Innenstadt ein „nationales Wohnprojekt“ mit Kneipe und Proberäumen – genannt „Wolfshöhle II“. Als AntifaschistInnen im April 2007 erneut in Wismar demonstrierten und die Schließung der zahlreichen Nazitreffpunkte forderten,wurden sie aus diesem Haus mit sogenannten “Zwillen” beschossen. Politik spielte in dieser Szene eher eine Nebenrolle. Versuche der wenigen örtlichen NPD- AktivistInnen, größeren Einfluss zu erlangen, blieben erfolglos. Zwar wurde auch schon mal ein „nationaler Stammtisch“ abgehalten, doch außer im Landtagswahlkampf 2006 ließen sich die „Werwölfe Wismar“ kaum für politische Aktivitäten begeistern. Für Gewalt waren sie dagegen immer zu haben. Dass diese sich mitunter auch in den eigenen Reihen entladen kann, zeigte sich am 1. Januar 2007. Während eines Saufgelages in einer Wohnung im Stadtteil Wendorf kam es zwischen den betrunkenen Neonazis zum Streit, den einer von ihnen nicht überlebte. Über Stunden wurde er von seinen „Kameraden“ geschlagen, getreten und schließlich mit einem Messer erstochen. Sechs Personen, die meisten aus dem Umfeld des „Werwolfshops“, mussten sich dafür vor Gericht verantworten und wurden im Mai 2008 zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Damit ging die Zeit der Wismarer „Werwölfe“ zu Ende. Schlaffer erklärte mehrfach seinen Rückzug und verlegte sich immer stärker auf Aktivitäten im kriminellen Milieu.

 

Im Dezember 2008 gründete er zusammen mit anderen Neonazis den Motorradclub„Schwarze Schar“, der seit 2010 ein eigenes „Klubhaus“ in Gägelow vor den Toren Wismars besitzt. Die „Schwarze Schar“ gibt sich nach außen bewusst unpolitisch, kann und will aber die Herkunft vieler ihrer Mitglieder nicht verleugnen. Sie ist bis heute ein Paradebeispiel für eine Mischszene aus Rockern und Nazischlägern. Seit 2010 versucht sich nun die “Freie Kameradschaft Wismar” an neonazistischer Politik in der Stadt. Im Januar 2011 etwa verteilte sie Flugblätter, in denen gegen das örtliche Flüchtlingsheim gehetzt wurde. Im Gegensatz zu vielen anderen Kameradschaften schlossen sich in Wismar jedoch keine “Szeneneulinge” zusammen, sondern wesentlich Personen mit einer bereits längeren Laufbahn in den einschlägigen lokalen Kreisen. So sind Überschneidungen zur Neonaziband “Vidar” auffällig, die schon in den Jahren 2006 und 2007 öffentlich in Erscheinung trat. Einzelne Mitglieder der etwa zwanzigköpfigen Kameradschaft zeigten sich bereits 2001 bei Aufmärschen und ähnlichen Anlässen. Viele von ihnen orientierten sich in früheren Jahren am Jamelner Naziführer Sven Krüger, andere suchten den Kontakt zu Schlaffers “Werwölfen”. Dass Krüger und Schlaffer nicht unbedingt enge Freunde sind, galt in Wismar als offenes Geheimnis. Heute sind die Kameradschaftler ganz offensichtlich am Schulterschluss zur Regionalgruppe der NPD- Jugendorganisation “Junge Nationaldemokraten” interessiert, mit der sie im Februar diesen Jahres Propagandaaktionen anlässlich des Jahrestages der Bombardierung von Dresden durchführten.

 

Mittlerweile wird die “Freie Kameradschaft Wismar” mit verantwortungsvollen Aufgaben betraut: So übernahm sie bei einem einer rechten Demonstration im September 2010 in Schwerin ebenso den Schutz des Lautsprecherwagens wie beim diesjährigen Aufmarsch zum 1. Mai in Neubrandenburg. Zu solchen Anlässen treten die Neonazis gerne in Kapuzenpullovern auf, die ihre Zugehörigkeit zur Kameradschaft deutlich machen. Bei deren Herstellung stand ihnen ganz offensichtlich Astrid Bansemir zur Seite, die enge Kontakte zur Kameradschaft pflegt und längere Zeit als Kontaktperson der “ersten nationalen ‘Wunsch’-T-Shirt-Druckerei im Weltnetz” – “Druckmeister” benannt war. Diese Internetseite ist wiederum dem umtriebigen Neonazi Ingo Knauf zu zurechnen. Auch die “Freie Kameradschaft Wismar” tritt immer wieder aggressiv auf. Mitglieder der Gruppe störten im Mai 2011 ein städtisches Demokratiefest, bevor ein Stand der LINKEN attackiert wurde. Als sicher gilt außerdem eine Beteiligung von Nazis aus der Kameradschaft an einem Angriff im Dezember 2010, als eine größere Gruppe Rechter Gäste einer Party im alternativen Kultur- und Wohnprojekt „Tikozigalpa“ anging und Scheiben des Hauses einwarf. Naheliegend ist auch eine Beteiligung der Kameradschaft an einem illegalen Aufmarsch im Mai diesen Jahres.

 

Damals zogen etwa 40 mit weißen Masken vermummte und mit Fackeln bestückte Neonazis durch die Stadt und ahmten die Aktionen der sogenannten „Unsterblichen“ nach. Ideengeber für die Kampagne „Werde unsterblich“ war die Neonazi-Gruppierung „Spreelichter“, die wiederum dem mittlerweile verbotenen Netzwerk „Widerstandsbewegung Südbrandenburg“ zuzuordnen ist. Inhalt ihrer Kampagne war der von Neonazis herbei halluzinierte „Volkstod“, der auch im Mittelpunkt des bevorstehenden Aufmarsches am 20. Oktober stehen soll. Für Aufregung und Empörung sorgte in der Hansestadt vor wenigen Wochen auch eine weitere rechte Aktion: Über Nacht hatten Neonazis einen Großteil der in der Stadt verlegten „Stolpersteine“, die an das Schicksal von Opfern des Nationalsozialismus erinnern, mit Metallplatten überklebt. Auf diesen fanden sich Lebensdaten von SS-Männern und anderen Kriegsverbrechern.

 

Nordwestmecklenburg – vom rechten Entwicklungsland zur Schwerpunktregion

 

Wie überall im Bundesland gab es auch im Altkreis Nordwestmecklenburg seit Anfang der 1990er Jahre zahlreiche rechte Cliquen und kameradschaftsähnliche Gruppierungen, etwa in der ehemaligen Kreisstadt Grevesmühlen. Die örtliche rechte Szene fiel allerdings eher durch Gewalt als durch organisiertes, politisches Agieren auf. Im Jahr 1996 stand sie kurzzeitig überregional im Fokus, als in Lübeck ein verheerender rassistischer Brandanschlag verübt wurde, dem 10 Menschen zum Opfer fielen; dringend tatverdächtig waren damals vier junge Neonazis aus Grevesmühlen. Dass es trotz zahlreicher Beweise nie zu ernsthaften Ermittlungen gegen die vier kam, gilt bis heute als handfester Justizskandal. Ansonsten zeigte die regionale rechte Szene jahrelang ein auch aus anderen Landstrichen bekanntes Bild: Es gab ein großes Potential an jungen Rechten, die ungestört auf der Straße Angst und Schrecken verbreiten konnten. So wurde das Gebäude des alternativen Vereins “Kultur und Toleranz” (KUT) in Gadebusch immer wieder angegriffen und schließlich völlig verwüstet. Um aber ernsthaft Politik betreiben zu können, fehlte es den Neonazis an festen Treffpunkten und Kadern, die zur Bereitstellung von Angeboten und Impulsen für eine arbeitsfähige Organisierung fähig waren. Dieser Einschätzung widerspricht auch nicht, dass im Oktober 2008 in der Nähe von Grevesmühlen eines der größten Rechtsrockkonzerte in der Geschichte Mecklenburgs-Vorpommerns stattfand. Zu einem Konzert der “Lunikoff Verschwörung” fanden sich damals mehr als 1.000 BesucherInnen ein. Allerdings sollte dieses Konzert ursprünglich in einem anderen Bundesland stattfinden, örtliche Strukturen spielten in Vorbereitung und Durchführung daher keine entscheidende Rolle. Eine Sonderstellung in Nordwestmecklenburg nahm schon immer das winzige, zwischen Wismar und Grevesmühlen gelegene Dorf Jamel ein. Bereits Anfang der 1990er Jahre scharrte dort der damalige Nazi-Skinhead Sven Krüger “Kameraden” um sich und ging gegen all jene vor, die seiner Vorstellung einer “national befreiten Zone” im Wege waren. DorfbewohnerInnen wurden systematisch eingeschüchtert und Zugezogenen mehrfach die Wohnhäuser angezündet, bis sie das Dorf finanziell ruiniert wieder verlassen mussten. Jahrelang lebten die Neonazis um Krüger in Jamel in einem nahezu rechtsfreien Raum, den sie zu nutzen wussten: Schon 1992 feierten mehr als 100 von ihnen im Dorf den Geburtstag von Adolf Hitler. Im nahe gelegenen Wald fanden regelmäßig sogenannte “Wehrsportübungen” statt, bei denen mit scharfen Waffen geschossen wurde. Der damalige Bürgermeister der zuständigen Gemeinde Gägelow war einer der wenigen, der sich dem rechten Treiben entgegenstellte. Doch statt breiter Unterstützung durch politische VerantwortungsträgerInnen brachte ihm sein Engagement polizeiliche Ermittlungen ein. Weil er von staatlicher Seite nicht mit wirkungsvoller Unterstützung rechnen konnte, hatte er sich mit einem Jagdgewehr zur Selbstverteidigung bewaffnet.

 

Erst im Jahr 2007 versuchte die Landespolitik eher hilflos, auf die Situation im Ort zu reagieren. Der Innenausschuss des Landtages traf sich pressewirksam zur Sitzung in Jamel, doch geändert hat das wenig an der Situation im Dorf, in dem mittlerweile fast nur noch Neonazis lebten. Aus dem Skinhead Krüger war zwischenzeitlich ein Unternehmer geworden, der bei seinem Abrissunternehmen vor allem Neonazis einstellte – “Jungs für`s Grobe” eben. Doch auch politisch blieb der mehrfach vorbestrafte und inhaftierte Krüger aktiv, seit 2006 immer stärker für die NPD. Er organisierte federführend deren Landtagswahlkampf in Nordwestmecklenburg und Wismar und trat 2009 für die Partei erfolgreich zur Kommunalwahl an. Gemeinsam mit dem damals ebenfalls in der Region lebenden David Böttcher vertrat er die NPD fortan im Kreistag Nordwestmecklenburg. Dieses Engagement wurde schließlich belohnt und Krüger in den Landesvorstand der Partei gewählt. Ebenfalls im Jahr 2009 erwarb er ein ehemaliges Betonwerk im Grevesmühlener Industriegebiet. Nach umfangreichen Umbaumaßnahmen wurde dieses Gebäude im April 2010 als “Thinghaus” eröffnet. Ein zwei Meter hoher, mit Stacheldraht versehener Bretterzaun umgibt seitdem das knapp 2000 Quadratmeter große Gelände der wenig einladenden “NPD-Festung”. Das “Thinghaus” entwickelte sich schnell zu einem der zentralen Objekte der mecklenburg-vorpommerschen Neonazi-Szene. Mehrmals im Monat finden seitdem in dem Haus einschlägige Veranstaltungen statt. Nicht nur NPD und JN nutzen die Räumlichkeiten regelmäßig für interne Sitzungen und Schulungsveranstaltungen, sondern auch der sogenannte “Bundesordnerdienst” der Partei.

 

Konzerte, Liederabende und Faschingsfeiern werden nicht nur von Neonazis aus der Region besucht, sondern ziehen häufig auch Gäste aus anderen Bundesländern an. Mit Informationsveranstaltungen, Mobilisierungen zu überregionalen Aufmärschen und Vorträgen von “Zeitzeugen” – gemeint sind frühere Mitglieder der SS und andere Vorbilder der Neonazis – versucht man sich an ideologischer Schulung. Darüber hinaus bietet das “Thinghaus”, in dem sich offiziell auch ein Bürgerbüro der NPD Landtagsabgeordneten Pastörs und Köster befindet, auch wichtige Infrastruktur. Nicht nur das Internetportal “MUP Info” ist hier dem Papier nach ansässig, sondern auch die bundesweite NPD-Frauenorganisation “Ring nationaler Frauen” und die “Gemeinschaft Deutscher Frauen”, die das „Thinghaus“ bereits für ihr alljährliches Sommerlager nutzte. Sven Krüger konnte sich am Erfolg “seines” Szenetreffs jedoch nicht all zu lange erfreuen. Im Januar 2011 durchsuchte die Polizei sein Wohnhaus und weitere Immobilien und fand nicht nur eine Maschinenpistole samt Munition, sondern auch zahlreiche gestohlene Baumaschinen, mit denen der Bauunternehmer offensichtlich auch handelte. Dies brachte Krüger schließlich eine vierjährige Haftstrafe ein. Um das „Thinghaus“ hatte sich zu diesem Zeitpunkt längst eine eigene Struktur gebildet, die sich selbst “Freundeskreis Thinghaus” nennt und eng mit anderen rechten Zusammenhängen verflochten ist. Exemplarisch für diese Konstellation steht der ebenfalls in Jamel ansässige Jungnazi Tino Streif. Er ist nicht nur im “Thinghaus” in zentraler Position aktiv, sondern auch bei den „Jungen Nationaldemokraten“. Gleichzeitig ist er Vorsitzender des im März 2012 gegründeten NPD-Kreisverbandes Nordwestmecklenburg und vertritt die Partei im Kreistag.

 

Neben Angeboten für die eigene Szene bemühen sich die Neonazis vom “Thinghaus” auch um Akzeptanz unter der Grevesmühlener Bevölkerung. So übernahmen sie das Konzept der “Kinderfeste”, das die NPD in anderen Regionen des Bundeslandes seit Jahren mehr oder weniger erfolgreich praktiziert. Außerdem beteiligte sich ein knappes Dutzend von ihnen im Juni diesen Jahres am örtlichen Stadtlauf. Ungestört konnten sie sich mit Transparenten und einheitlichen “Thinghaus”-T-Shirts präsentieren, auf denen auch für „MUP Info“, die NPD, den „Pommerschen Buchdienst“ und „Abriss Krüger“ geworbenwurde. Neben Streif liefen u.a. die JN’lerin Julia Thomä und der Vater ihres Kindes, der ehemalige “Einheitsführer” der verbotenen “Heimattreuen Deutschen Jugend” (HDJ) Ragnar Dam, mit. Das langjährige HDJ-Mitglied Silke Tinz stand jubelnd am Rand. Im Kreistag sitzt für die NPD neben Streif und seinem JN-Mitstreiter Alf Börm auch Janette Krüger. Sie engagiert sich nicht nur beim “Ring nationaler Frauen” und bei der “Gemeinschaft Deutscher Frauen”, sondern führt nun auch das Abrissunternehmen ihres inhaftierten Ehemanns. Als die beiden im August 2010 in Jamel heirateten, erschienen neben zahlreichen NPD-Funktionären aus MV auch etliche Mitglieder der „Division Deutschland“ der internationalen „Hammerskin Nation“, um ihrem „Bruder“ zu gratulieren. Das konspirative Netzwerk der „Hammerskins“ war es auch, das nach der Inhaftierung Krügers bundesweit um finanzielle Unterstützung für ihn und seine Familie warb und im Juli 2011 gar eine Solidaritätsparty unter dem Motto “Freiheit für Sven Krüger” in dessen Wohnort organisierte. Dass im nahe gelegenen „Thinghaus“ immer wieder Bands auftreten, die den „Hammerskins“ zugeordnet werden, lässt allerdings vermuten, dass es ihnen nicht nur um Krüger, sondern auch ums Geschäft geht. Denn nicht erst seit dem Verbot der bundesdeutschen Sektion des ebenfalls international agierenden „Blood & Honour“- Netzwerkes gehören die „Hammerskins“ zu den ganz Großen im millionenschweren Rechtsrockbusiness. Ebenfalls seit Jahren „im Geschäft“ ist Ingo Knauf. Der in Plüschow bei Grevesmühlen lebende Neonazi betreibt seit 2000 rechte Internetversände mit Namen wie „V7“ oder „TTV Versand“. Mittlerweile hat er ein nur schwer zu durchschauendes Geflecht aus Läden, Versänden und Musiklabels aufgebaut und setzt mit dem Verkauf von rechtem Lifestyle nach Einschätzung von SzenekennerInnen jährlich mehr als 500.000 Euro um. In solchen Größenordnungen dürften sich die Aktivitäten der Nazirocker der „Schwarzen Schar“ noch nicht bewegen. Doch auch sie setzen auf Expansion in der Region. Im Jahr 2011 gründeten sie die Supportergruppe „Schwarze Jäger“, die sich ebenfalls hauptsächlich aus dem rechten Schlägermilieu rekrutiert. So sind unter diesem Label mittlerweile zahlreiche Mitglieder der rechten Clique „Division Krembs“ aktiv. Im neuen Großkreis Nordwestmecklenburg hat sich in den vergangenen Jahre nahezu ungestört eine neonazistische Szene etabliert, die sich äußerst differenziert darstellt. Das „Thinghaus“ als einer der wichtigsten Treffpunkte in der Region und im Bundesland verbindet viele dieser expandierenden und zunehmend organisierten und ideologisierten Strukturen, während andere eigenständiger existieren und in ihren Geschäften von der Nähe zu Schleswig-Holstein und Hamburg profitieren. Wenn breiter gesellschaftlicher Widerstand weiterhin ausbleibt, ist ein Ende der Aufwärtsentwicklung der Neonazi-Szene in der Region nicht abzusehen.

Die Freie Kameradschaft Wismar im März 2012 in Lübeck
Die Freie Kameradschaft Wismar im März 2012 in Lübeck
Philipp Schlaffer erklärt seinen Ausstieg aus dem Rechtsrockgeschäft auf der Seite seines Onlinehandels
Philipp Schlaffer erklärt seinen Ausstieg aus dem Rechtsrockgeschäft auf der Seite seines Onlinehandels
Bei Partys der Naziband „Vidar“ waren auch immer Mitglieder der Freien Kameradschaft Wismar
Astrid Bansemir (links) ist ebenfalls Domaininhaberin der Homepage ttv88.de
Astrid Bansemir (links) ist ebenfalls Domaininhaberin der Homepage ttv88.de
Silke Tinz (links) am 01. Mai 2011 verkleidete sich als Ministerpräsident Erwin Sellering (rechts)
Silke Tinz (links) am 01. Mai 2011 verkleidete sich als Ministerpräsident Erwin Sellering (rechts)
Trotz „gelungener Infoveranstaltung“ im Thinghaus marschierten nur wenige Nazis aus MV am 02. Juni im Hamburg
Das Logo von Abriß Krüger zeigt einen zerschlagenen Davidstern
Das Logo von Abriß Krüger zeigt einen zerschlagenen Davidstern
Sven Krüger und David Böttcher bei der konstitierenden Sitzung des Landkreises Nordwestmecklenburg
Sven Krüger und David Böttcher bei der konstitierenden Sitzung des Landkreises Nordwestmecklenburg
Rechter Angriff aus dem „Werwolfshop“, der inzwischen geschlossen ist
Teile der Freien Kameradschaft Wismar am 01. Mai 2012 in Neubrandenburg
Teile der Freien Kameradschaft Wismar am 01. Mai 2012 in Neubrandenburg
2007: Während ein Teil der BesucherInnen aus der Wolfshöhle II unten gegen die Antifa-Demo pöbeln, wird von oben mit „Zwillen“ geschossen

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Ambitioniert, doch überschaubar – Der Landesverband der „Jungen Nationaldemokraten“ in MV https://indyhro.blackblogs.org/2012/10/12/ambitioniert-doch-uberschaubar-der-landesverband-der-jungen-nationaldemokraten-in-mv/ Fri, 12 Oct 2012 10:36:19 +0000 http://indyhro.blackblogs.org/?p=1778 Continue reading Ambitioniert, doch überschaubar – Der Landesverband der „Jungen Nationaldemokraten“ in MV]]> Ein Beitrag des Bündnis „Kein Leben ohne Freiheit – NPD und JN bekämpfen“ welches zu Protesten gegen die geplante JN-Demo in Wismar (Mecklenburg) aufruft.

Seit Ende 2009 tritt der hiesige Landesverband der „Jungen Nationaldemokraten“ (JN) zunehmend öffentlich in Erscheinung. Wer sind die führenden Köpfe, welche Aktionen führen die „Kameraden“ durch und welche Bedeutung hat die Parteijugend im Bundesland?
 

Von der Gründung bis zum Neustart

Der Landesverband der „Jungen Nationaldemokraten“ in Mecklenburg-Vorpommern war nach Sachsen der zweite Ableger der NPD-Jugendorganisation in den neuen Bundesländern. Er wurde bereits 2005 mit dem beginnenden Wiederaufschwung der NPD unter Leitung der damaligen Kreisvorsitzenden von Rostock und Stralsund, dem aus Sachsen zugezogenen Roland Horn und Dirk Ahrendt, gegründet. Im Gegensatz zu Sachsen entfaltete die hiesige Parteijugendorganisation abgesehen von einigen Lagern und Wanderungen aber nur wenig Aktivität und wurde scheinbar innerhalb der rechten Szene kaum angenommen. Dies änderte sich erst im späteren Verlauf des Jahres 2009 mit der Teilnahme an Aufmärschen, Bildungsveranstaltungen und eigenen Aktivitäten. Firmierten die Aktionen dabei zuerst unter ständig wechselnden Namen, so wurde ab 2011 kontinuierlich die Eigenbezeichnung „Junge Nationaldemokraten Mecklenburg und Pommern“ gewählt.

Alte Bekannte unter sich

Betrachtet man die personelle Zusammensetzung der hiesigen JN, dann fällt auf, dass sie nur in Mecklenburg im Westen des Bundesland vertreten ist. Die aktiven Mitglieder der JN MV lassen sich dort zwei Schwerpunktregionen zuordnen: zum einen dem Nordwestmecklenburger Raum und zum anderen der Region um Rostock. Einer der führenden Köpfe in der Region Nordwestmecklenburg ist Alf Börm. Er stammt ursprünglich aus Niedersachsen und war dort bereits als Einheitsführer der „Heimattreuen Deutschen Jugend“ (HDJ) aktiv. Das völkische Ziehkind ist Sohn von Manfred Börm, der für die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung eine mehrjährige Haftstrafe verbüßte. Alf Börm kam zum Studieren nach Wismar und wohnt in Naschendorf bei Grevesmühlen. Der Jungnazi hat seit 2011 den JN-Landesvorsitz inne und inzwischen auch ein Mandat für die NPD im Kreistag von Nordwestmecklenburg. Ebenfalls in dieser Kommunalvertretung sitzt Tino Streif. Der gelernte Schlosser hat mit Alf Börm zusammen Maschinenbau studiert und besitzt ein Haus in Jamel. Er ist Kreisvorsitzender des neu gegründeten NPD-Kreisverbandes in Nordwestmecklenburg.

Weitere Aktivposten der JN in dieser Region sind Julia Thomä und Jennifer Wiese. Die seit langem aktive Thomä, die sich entgegen den Rollenvorstellungen der rechten Szene auch durch ihre Mutterschaft nicht von der politischen Arbeit abhalten lässt, stammt ursprünglich aus Sternberg und der dortigen Frauenkameradschaft „Sternberger Nazissen“. Inzwischen wohnt sie in Schwerin. Wiese stammt aus Boizenburg, wo in den letzten Jahren wiederholt JN-Aktivitäten stattgefunden haben. Seitdem der Landesverband zunehmend wieder in Erscheinung tritt, ist sie regelmäßige Teilnehmerin an dessen Veranstaltungen.

In und um Rostock rekrutiert sich die JN hauptsächlich aus dem Umfeld der Rostocker Kameradschaft „Nationale Sozialisten Rostock“. Der sogenannte „Schulungsbeauftrage“ Daniel Fiß hat nach seinem Abitur an der Rostocker Borwin-Schule ein Studium in „Good Governance“ aufgenommen. Er ist das neue Gesicht der JN in Rostock und präsentiert sich auch bereitwillig im Mobilisierungs-Video zum Aufmarsch in Wismar.

Der vorher führende Michael Fischer hält sich nach der Affäre um Nadja Drygalla auffällig bedeckt. Seine angebliche Lösung von der Szene erscheint aber wenig glaubwürdig. Auch Danny Brandt ist vorerst zu Inaktivität verdammt: Er wurde unter anderem wegen eines Angriffs auf Polizeibeamte während eines Nazi-Konzerts zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt, die er momentan absitzt.

In diesem Umfeld bewegen sich auch Marcel Prätorius und der ehemalige HDJler Friedrich Tinz. Der wegen seiner rechten Umtriebe unehrenhaft aus der Bundeswehr entlassene Prätorius war bereits bei der lange entschlafenen Kameradschaft „Aktionsgruppe Festungsstadt Rostock“ aktiv. Momentan läuft gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen gewalttätiger Ausschreitungen am Rande des Pölchow-Prozesses. Eines der wenigen JN-Mitglieder im Raum Rostock, das nicht der NSR zugeordnet werden kann, ist Friedrich Tinz aus Satow, der auch während seines Studiums der Agrar-, Garten- und Forstwissenschaft in Neubrandenburg weiter in der HDJ aktiv war. Er musste sich vor Gericht für einen Angriff auf eine Journalistin verantworten und war bereits 2004 an der Durchführung eines JN-Infostandes in Bad Doberan beteiligt.

Eine nennenswerte Entwicklung wird durch den Zuzug von Sebastian Richter nach Groß Krams bei Ludwigslust angezeigt. Der stellvertretende JN-Bundesvorsitzende kommt ursprünglich aus Hoyerswerda und war dort führend im „Lausitzer Aktionsbündnis“ aktiv. In Brandenburg war er Mitglied der inzwischen verbotenen „Spreelichter“, die sich auch die Thematik des angeblich drohenden „Volkstods“ auf die Fahnen geschrieben hatten. Die Gruppierung gilt als Ideengeber für eine Kampagne unter dem Motto „Werde unsterblich“. Neonazis, in einheitlicher schwarzer Kleidung und mit weißen Masken vermummt, zogen in den vergangenen Monaten illegal durch zahlreiche Kleinstädte und traten auch in Wismar auf. Als ehemaliges HDJ-Mitglied steht er für den eher völkisch geprägten Flügel innerhalb der JN und agiert als Bundesführer ihrer Unterorganisation „IG Fahrt und Lager“, in der sich diese Gruppe organisiert. Er ist im Bundesland kein Unbekannter und beteiligte sich bereits vor seinem Zuzug an zahlreichen Veranstaltungen und hielt Vorträge – auch zum Thema „Volkstod“.

„Bildung, Aktivismus und Gemeinschaft“

Mit dem Motto „Bildung, Aktivismus und Gemeinschaft“ versucht die JN, die auch bei Kameradschaften üblichen Aktivitäten ideologisch zu überhöhen, und präsentiert sich als Elite der rechten Szene. Dabei wird mit Freizeitunternehmungen die eigene Gemeinschaft gestärkt, mit Vorträgen ideologische Schulung betrieben und mit öffentlichen Aktionen nach außen getreten.

In Mecklenburg-Vorpommern setzt die NPD-Jugendorganisation vorrangig auf Outdoor-Aktivitäten, um den Zusammenhalt zu stärken. Eine vom Bundesverband organisierte Segeltour im August 2011 führte pünktlich zum Wahlkampf nach Rostock. Mit dem Halt bei der Hanse Sail endete die einwöchige Fahrt mit einer Einladung dazu, die NPD vor der Landtagswahl zu unterstützen. Regionale Veranstaltungen sind seit mehreren Jahren im Landkreis Rostock zum Jahresende stattfindende Wanderungen und eine jährliche Kanu-Tour auf der Warnow bei Sternberg. Ein zentrale Rolle übernimmt dabei Julia Thomä, deren Eltern in Sternberg einen Zeltplatz mit angeschlossenem Kanu-Verleih besitzen.

Regelmäßig veranstaltet die JN Informationsveranstaltungen in Räumen der rechten Szene wie dem „Thinghaus“ in Grevesmühlen und dem „Kulturraum“ in Lübtheen. Als Redner traten meistens Sebastian Richter und Daniel Fiß auf, die manchmal auch durch ein prominentes NPD-Mitglied unterstützt wurden. Inhaltlich beschäftigen sich die Nachwuchsnazis dabei schon länger mit dem angeblich drohenden „Volkstod“. So hielt Richter einige Vorträge zur Thematik und Ende August 2011 gab es ein „Aktivistentreffen“ mit Gästen aus anderen Bundesländern.

Die hiesige JN beteiligt sich aber auch an öffentlichen Veranstaltungen, besucht zahlreiche Aufmärsche in MV oder im restlichen Bundesgebiet und präsentiert dort oft auch eigene Transparente. Exemplarisch seien für 2012 die Demonstrationen in Lübeck, Dresden, Magdeburg und Neubrandenburg erwähnt. Bei dem NPD-Aufmarsch am 1. Mai 2011 in Greifswald kam ihnen mit dem Tragen von Pappmasken von PolitikerInnen sogar eine zentralere Rolle zu. Sie führen aber auch für Kameradschaften typische eigene Aktionen wie das Verteilen von Flyern und – für solche Strukturen eher ungewöhnlich – eigene Infostände durch. So meldete Fabian Bendig, der inzwischen Mitglied der neu gegründeten „Kameradschaft Schwerin“ ist, im Mai 2011 im Schweriner Stadtteil Lankow einen JN-Infotisch zum Thema „Kinderarmut“ an, der mit Unterstützung der NPD durchgeführt wurde. Neben Julia Thomä, Daniel Fiß und Michael Fischer beteiligte sich auch der JN’ler Torsten Görke aus Sachsen-Anhalt. Neonazis von außerhalb nehmen oft an hiesigen Aktivitäten teil, im Gegenzug reisen die MecklenburgerInnen häufig zur Unterstützung der dortigen Strukturen in andere Bundesländer.

JN in Mecklenburg – Kaderschmiede oder Restekiste?

Es stellt sich die Frage, ob die JN in Mecklenburg-Vorpommern ihrem eigenen elitären Anspruch gerecht wird oder sie eher ein Sammelbecken derer ist, die sich in keiner eigenen Struktur zusammen finden können. Schon der eigens gewählte Name „Junge Nationaldemokraten Mecklenburg und Pommern“ wird den Realitäten nicht gerecht, da der Verband in Vorpommern nicht in Erscheinung tritt. Dort existieren seit Jahren gewachsene und lokal verankerte Kameradschaftsstrukturen sowie rechte Nachwuchsorganisationen wie der „Jungsturm Pommern“ und der „Jugendbund Pommern“, die sich an ein ähnliches Klientel richten und somit JN-Strukturen in dieser Region überflüssig machen. Auch in Mecklenburg ist die JN nicht flächendeckend vertreten, sondern beschränkt sich auf Nordwestmecklenburg und den Rostocker Raum.

Die Ausgestaltung ihres Mottos „Bildung, Aktivismus und Gemeinschaft“ unterscheidet die Jungnazis kaum von anderen Kameradschaften. Allerdings weist die JN einen für die rechte Szene vergleichsweise hohen Bildungsgrad auf, der mit persönlichen Ambitionen der Mitglieder einhergeht. An der Übernahme wichtiger Posten in der NPD und der häufigen Unterstützung durch Parteifunktionäre zeigt sich die enge Verknüpfung mit der Mutterpartei. Anders als etwa in Sachsen-Anhalt oder Sachsen kann die hiesige JN mangels Dissonanzen mit der NPD klar als Parteinachwuchs eingeschätzt werden. Angesichts der Symbiose von „freien“ Kameradschaftsstrukturen und NPD im Bundesland und ihrer radikal nationalsozialistischen Einstellung ist dies jedoch nicht überraschend.

Somit ist die zukünftige Bedeutung der JN noch nicht abzuschätzen: Einige seit Jahren in der Szene aktive Neonazis bereiten sich erkennbar auf eine Karriere innerhalb der NPD vor. Landesweit nimmt die JN die Funktion einer Parteijugend jedoch nicht wahr und fungiert eher als ein Auffangbecken für engagierte rechte AktivistInnen, die sich in örtlichen Strukturen nicht wiederfinden. Auffallend ist auch der für die Szene recht hohe Frauenanteil.

Der Aufmarsch am 20. Oktober 2012 in Wismar wird die Position der JN innerhalb der rechten Gemengelage im Bundesland aufzeigen. Dort kann sich zeigen, ob sie sich mit innovativen Aktionen und eigenem Personal von der rechten Szene abgrenzen und zukünftige Relevanz reklamieren kann, oder ob sie trotz ihres elitären Dünkels auf deren Mobilisierungspotential und Demonstrationserfahrung angewiesen ist – also nicht mehr als ein Anhängsel der Mutterpartei und Auffangbecken für heimatlose AktivistInnen darstellt.

JN MV im März 2010 in Lübeck: links am Transparent Jennifer Wiese
JN MV im März 2010 in Lübeck: links am Transparent Jennifer Wiese
Mai 2003 Rostock: Roland Horn (2.v.l.) und spätere JN-Aktivist Friedrich Tinz (1.v.r.)
Mai 2003 Rostock: Roland Horn (2.v.l.) und spätere JN-Aktivist Friedrich Tinz (1.v.r.)
JN-Teilnahme bei NPD Demo 2010 Schwerin. Am Transpi Tino Streif (links), Julia Thomä (2.v.r.) Alf Börm (rechts)
JN-Teilnahme bei NPD Demo 2010 Schwerin. Am Transpi Tino Streif (links), Julia Thomä (2.v.r.) Alf Börm (rechts)
Julia Thomä zu Sternberger Zeiten (Brustaufdruck: halb Stadtwappen Sternberg, halb schwarze Sonne)
Julia Thomä zu Sternberger Zeiten (Brustaufdruck: halb Stadtwappen Sternberg, halb schwarze Sonne)
Daniel Fiß (2.v.l.) 01. Mai 2012 Neubrandenburg hinter Transparent der „Nationalen Sozialisten Rostock“
Sebastian Richter (rechts) 01.Mai 2012 als Ordner
Sebastian Richter (rechts) 01.Mai 2012 als Ordner
“Kein Leben ohne Freiheit – NPD und JN bekämpfen”
“Kein Leben ohne Freiheit – NPD und JN bekämpfen”

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