Hass im Netz – Nachrichten vom Riot Dog https://loukanikos161.blackblogs.org One more Blackblog Sat, 17 Nov 2018 03:17:35 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 Ricarda Lang: When they go low, we go high https://loukanikos161.blackblogs.org/2018/08/06/ricarda-lang-we-go-high/ Mon, 06 Aug 2018 10:06:20 +0000 http://loukanikos161.blackblogs.org/?p=158 Ricarda Lang von der Grünen Jugend hat einen sehr starken Text geschrieben, in dem sie dazu ermuntert, dass wir uns nicht von den Hatern einschüchtern lassen und es uns nicht nehmen lassen sollen, für eine bessere Welt zu kämpfen. Ich habe mir die Freiheit genommen, den Beitrag von Ricarda Lang ins Englische zu übersetzen, um ihn einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen, weil ich die Botschaft sehr wichtig finde:

 

When they go low, we go high.

I was insulted, discriminated with sexism and threatened in the last 24 hours. I was called bitch, fatso and bastard. Our co-workers at the Green Youth were yelled at by unknown people on the phone. They sent me death wishes a hundred times, often describing into detail how I should die (Spoiler Alert: bursting was at the very front on the list). And they told me that whole Africa could be fed from what I eat in a month. They said that people like me should be drowned in the Mediterrean together with the refugees. They said that I certainly support human rights just because I want many rapists to come as nobody else would fuck me anyway.

And all of that because I want people whose fcking houses are floating away from under their feet to get the chance for a life in dignity.

This morning I was scared when I opened Facebook on my phone for the first time. And that‘s exactly what they want. These are simply not just a few comments, not just some confused people who let out their frustration. This is the deliberate attempt to destroy people, especially women. The attempt to silence them. And therefore to cut them out from public debate.

But it‘s about more than that: the moral preparation for eliminating democratic achievements. The strategy of the far-right is to create hegemony in society for their inhuman positions later becoming the basis for their inhuman policies by aiming at breaking taboos and shifting the political discourse. This totally unleashed hatred, the bulk of contempt and the total brutalization of the public debate aim at fear. They want us to be scared of campaigning for something as basic as human rights. They want us having to explain ourselves for thinking that human lives are not at issue. They want us to not have the courage anymore to talk about issues not fitting into their racist and authoritarian world view. And they want us to therefore leave the playing field to them alone.

Yesterday I shortly regretted having publicly demanded a climate passport for residents of island states being threatened by climate change. My weekend would certainly have been much more relaxed and easier if I wouldn‘t have done that. But our times are much too serious to make it comfortable for ourselves. Because once we don‘t object, but especially once we don‘t have the courage to think beyond the status-quo, the ones who just want to make it worse will win. I will certainly not stop to talk about the consequences of climate change just because there are people out there who prefer to close their eyes from reality or who don‘t care when people in the Global South loose their livelihood. We must not refrain from discussing about important questions of the future as the far-right is poisoning our minds because otherwise we would surrender from shaping the future. And so we would actually contribute to the feeling of political powerlessness and lack of alternatives which they use as their breeding ground. Their hatred exists anyway, the only question is if we manage to counter it. One cornerstone of democracy is that people can choose between different options and political concepts. Especially in times when hatred is rising it‘s our job to make clear that there is a progressive, humanist and universalistic option. We can demonstrate that another future is possible. And we can show that nobody looses something through a universalistic policy but at the end we all will win more freedom, emancipation and participation.

Let‘s not be scared from fear. Let‘s not be scared from hatred.

 

Hier der Text im deutschsprachigen Original, den Ricarda Lang am 4.8.2018 auf ihrer Facebook-Seite veröffentlicht hat:

 

In den letzten 24 Stunden wurde ich beschimpft, sexistisch beleidigt und bedroht. Ich wurde als Fotze, Hure, Miststück, Fettwanst und Bastard bezeichnet. Unsere Mitarbeiter*innen bei der Grünen Jugend wurden von wildfremden Menschen am Telefon angeschrien. Mir wurde hunderte Male der Tod gewünscht, oft mit einer genauen Beschreibung, wie er aussehen soll (Spoiler Alert: Platzen war ganz oben mit dabei). Und gesagt, dass von dem, was ich in einem Monat esse ja ganz Afrika ernährt werden könne. Dass man Menschen wie mich mit den Flüchtlingen zusammen im Mittelmeer ertränken sollte. Dass ich mich bestimmt nur für Menschenrechte einsetze, weil ich will, dass ganz viele Vergewaltiger kommen, da mich ja sonst eh nie jemand ficken würde.
Und das alles, weil ich möchte, dass Menschen, denen das verdammte zu Hause unter den Füßen wegschwimmt, ein würdevolles Leben ermöglicht wird.

Heute Morgen hatte ich Angst, als ich das erste Mal Facebook auf meinem Handy geöffnet habe. Und genau das wollen sie. Das sind nicht einfach nur ein paar einzelne Kommentare, nicht einfach nur ein paar verwirrte Menschen, die ihren Frust raus lassen. Das ist der gezielte Versuch, Menschen, und insbesondere Frauen, zu zerstören. Sie mundtot zu machen. Und damit aus der öffentlichen Debatte zu verdrängen.

Doch es geht noch um mehr: die moralische Vorbereitung auf die Abschaffung demokratischer Errungenschaften. Die Strategie der Rechten ist es durch gezielte Tabubrüche und die Verschiebung des politischen Diskurses eine gesellschaftliche Hegemonie für ihre menschenverachtenden Positionen zu schaffen, die dann zur Grundlage für menschenverachtende Politik wird. Dieser vollkommen entfesselte Hass, die Masse an Verachtung und die totale Verrohung der öffentlichen Debatte zielen auf Angst. Sie wollen, dass wir Angst davor haben, für so etwas Grundsätzliches wie Menschenrechte einzustehen. Dass wir uns dafür rechtfertigen müssen, wenn wir finden, dass Menschenleben eben nicht zur Diskussion stehen. Dass wir uns nicht mehr trauen, Themen anzusprechen, die nicht in ihr rassistisches und autoritäres Weltbild passen. Und dass wir ihnen dadurch das Spielfeld alleine überlassen.

Gestern habe ich es kurz bereut, die Forderung nach einem Klimapass für Bewohner*innen von bedrohten Inselstaaten öffentlich aufgestellt zu haben. Mein Wochenende wäre bestimmt entspannter und einfacher gewesen, hätte ich das nicht getan. Aber die Zeiten sind zu ernst, um es sich einfach zu machen. Denn sobald wir nicht widersprechen, aber vor allem sobald wir uns nicht mehr trauen, über den Status Quo hinaus zu denken, werden diejenigen gewinnen, die ihn nur noch weiter verschlechtern wollen. Ich werde sicher nicht aufhören, über die Folgen des Klimawandels zu sprechen, bloß weil es da draußen Menschen gibt, die lieber die Augen vor der Realität verschließen oder denen es egal ist, wenn Menschen im globalen Süden ihre Lebensgrundlage verlieren. Wir dürfen nicht darauf verzichten, über wichtige Zukunftsfragen zu diskutieren, weil sie für die Rechten verhetzbar sind, denn dann geben wir die Gestaltung der Zukunft auf. Und tragen damit genau zu dem Gefühl der politischen Ohnmacht und Alternativlosigkeit bei, den sie als Nährboden nutzen. Ihr Hass ist sowieso da, die Frage ist nur, ob wir es schaffen, ihm etwas entgegen zu setzen. Grundpfeiler der Demokratie ist es, dass Menschen zwischen verschiedenen Optionen und Politikentwürfen wählen können. Gerade in Zeiten, in denen der Hass zunimmt, ist es unsere Aufgabe, klar zu machen, dass es eine progressive, humanistische und universalistische Option gibt. Wir können zeigen, dass eine andere Zukunft möglich ist. Und dass durch eine universalistische Politik niemand etwas verliert, sondern am Ende alle an Freiheit, Emanzipation und Teilhabe gewinnen.

Keine Angst vor der Angst. Keine Angst vor dem Hass.

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Anita Sarkeesian: Was ich nicht sagen konnte https://loukanikos161.blackblogs.org/2018/06/13/sarkeesian-couldnt-say/ Wed, 13 Jun 2018 12:27:46 +0000 http://loukanikos161.blackblogs.org/?p=135  

Anita Sarkeesian

Anita Sarkeesian ist Feministin und bastelt Videos, in denen sie Kritik an der mangelnden Repräsentation und sexistischen Darstellung von Frauen* in Medien übt, anfangs mit einem Schwerpunkt auf Videospiele. Ihre Inputs werden für die Bildung an Universitäten verwendet und auch in der Industrie aufgegriffen, um Spiele mit mehr Inklusivität herzustellen. Heute führt Anita Sarkeesian mit ihrer Organisation Feminist Frequency ihre Arbeit fort und produziert Videoserien, in denen rassistische und sexistische Stereotype und Narrative hinterfragt werden. Von Beginn an war Anita Sarkeesian einer koordinierten Kampagne von zumeist männlichen Antifeministen und Hatern ausgesetzt, die sie belästigt und mit Vergewaltigungs- und Morddrohungen bedroht haben. In einem Redebeitrag bei All About Women am 8.März 2015 macht sich Anita Sarkeesian darüber Gedanken, was diese Erfahrung mit ihr als Mensch macht, warum sich der Hass gerade gegen Frauen* richtet, die ihre Meinung öffentlich aussprechen und warum es keine Schwäche ist, die eigenen Gefühle zum Ausdruck zu bringen.

 

 

Anita Sarkeesian: Was ich nicht sagen konnte

 

Was ich nicht sagen konnte, ist „Fickt euch“ zu den Tausenden von Männern*, die ihre Frauenfeindlichkeit in ein Spiel verwandelt haben. Ein Spiel, bei dem geschlechtsspezifische Beleidigungen, Todes- und Vergewaltigungsdrohungen als Waffen eingesetzt werden, um zu versuchen, den großen, gemeinen Bösewicht zu Fall zu bringen, der in diesem Fall ich bin. Mein Leben ist kein Spiel. Ich werde seit drei Jahren jeden Tag belästigt und bedroht, ohne dass ein Ende absehbar wäre. Und alles nur, weil ich es gewagt habe, den offensichtlichen Sexismus zu hinterfragen, dem in der Spieleindustrie freier Lauf gelassen wird. Nichts an meiner Erfahrung ist ein Spiel.

 

Was ich nicht sagen konnte, ist dass ich wütend bin. Wenn mich Menschen, die wissen, was ich jeden Tag durchmache, persönlich treffen, sind sie oft überrascht und sagen Dinge wie „Ich verstehe nicht, warum du nicht viel wütender bist“. Weil ich einfach ich selbst bin. Üblicherweise bin ich lieb und freundlich zu anderen Menschen. Doch ich antworte, dass ich wütend bin. In Wirklichkeit macht es mich rasend. Ich bin wütend, weil wir in einer Gesellschaft leben, wo online Belästigung geduldet, akzeptiert und entschuldigt wird und wo Internet-Dienste und staatliche Behörden keine Verantwortung übernehmen, um der Misshandlung entgegenzuwirken, die Frauen* jeden Tag im Netz zu spüren bekommen. Ich bin wütend, weil von mir erwartet wird, online Belästigung als Preis hinzunehmen, den Frauen* für eine eigene Meinung zu bezahlen hätten.

 

Was ich nicht sagen konnte, ist irgendetwas Lustiges. Die meisten von meinen Freund*innen würden mich als ein wenig bissig und ziemlich sarkastisch beschreiben. Und in manchen von meinen früheren Videokritiken kannst du dir einen kleinen Eindruck von dieser Facette meiner Persönlichkeit machen. Aber heute mache ich beinahe keine Witze mehr auf Youtube. Obwohl Humor uns zu Menschen machen kann und ich ihn gerne verwende, mache ich es nicht, denn viele Zuschauer*innen interpretieren Humor und Sarkasmus als Ignoranz, ganz besonders wenn die Zuseher*innen männlich sind und es sich bei denjenigen, die Witze reißen, um Frauen* handelt. Du würdest es nicht glauben, wie oft Witze als Beweis dafür genommen werden, dass ich nicht weiß, wovon ich spreche oder dass ich keine echte Gamerin bin, selbst wenn diese Witze auf einem tiefgreifenden Wissen über die Materie aufbauen. Also ist das Ergebnis, dass ich diese mehr humorvolle Seite meiner Persönlichkeit bei meinen aktuellen Videopräsentationen absichtlich weglasse.

 

Ich fühle mich selten wohl, wenn ich spontan in der Öffentlichkeit spreche. Ich gehe bewusst und vorsichtig mit Interviews um, die ich den Medien gebe. Ich sage die meisten Einladungen für Podcasts und Web-Shows ab. Ich achte genau auf den Sprachgebrauch bei jedem von meinen Tweets, damit ich sicher gehe, dass alles klar ist und nichts falsch ausgelegt werden kann. Im Lauf der letzten paar Jahre bin ich überwachsam geworden. Mein Leben, meine Worte und Handlungen werden unter ein Vergrößerungsglas gestellt. Jeden Tag sehe ich, wie das, was ich sage, von Tausenden Männern*, die darauf versessen sind, mich zu zerstören und zum Schweigen zu bringen, genau untersucht, verdreht und verzerrt wird.

 

Was ich nicht sagen konnte, ist dass ich ein Mensch bin. Ich komme nicht dazu, in der Öffentlichkeit meine Traurigkeit, Wut, Erschöpfung, Angst oder Depression zum Ausdruck zu bringen. Ich kann nicht aussprechen, dass die Belästigung mir manchmal wirklich nahe geht oder umgekehrt dass sie so normal geworden ist, dass ich manchmal überhaupt nichts spüre. Die Todesdrohungen dringen auf meinen sozialen Kanälen durch und es ist zu einer Routine geworden. Screenshot, an den FBI weiterleiten, blockieren und weitermachen. Ich komme nicht dazu, Gefühle und Ängste auszudrücken, oder wie ermüdend es ist, in meiner physischen und digitalen Umgebung ständig wachsam sein zu müssen, wie ich bestimmte Veranstaltungen meide, weil ich mich nicht sicher fühle oder wie ich im Coffee shop und Restaurant in abgeschiedeneren Räumen sitze, wo mich möglichst wenige Leute bemerken und sehen. Ich zeige nicht, wie es mich peinlich berührt, wenn ich eine Person, die mich im örtlichen Lebensmittelladen erkennt, darum ersuchen muss, bitte nicht weiterzusagen, an welchem Ort wir uns getroffen haben.

 

Irgendwie haben wir uns austricksen lassen und glauben, dass die Belästiger irgendwie gewonnen hätten, wenn wir menschliche Gefühle zum Ausdruck bringen. Dieser falsche Glaube kommt hauptsächlich daher, dass es Frauen* in unserer Gesellschaft nicht erlaubt wird, Gefühle auszudrücken, ohne dass ihnen zugeschrieben wird, hysterisch, wechselhaft, zickig, höchst emotional oder viel zu empfindlich zu sein. Wenn wir Unsicherheit, Zweifel, Wut oder Traurigkeit zum Ausdruck bringen, so wird dies kontrolliert und oft gegen uns verwendet. Aber indem wir uns den Raum für Gefühle und für das Teilen von Emotionen vorenthalten, schreiben wir nur die Vorstellung fort, dass wir alle allein leiden sollen, dass wir uns alle nur abhärten und uns eine dickere Haut zulegen sollen – was nicht von uns verlangt werden sollte.

 

Was ich nicht sagen konnte, ist dass ich nicht einmal etwas von alldem sagen möchte, hauptsächlich weil ich immer noch die Angst spüre, dass das Ausdrücken von menschlichen Gefühlen in der Öffentlichkeit mich unsicher erscheinen lässt. Die Wahrheit ist, dass Frauen*, die ein gewisses Maß ihrer Menschlichkeit bewahren, keine Schwäche zeigen. Sie beweisen Mut. Mit all den verschiedenen, schwierigen, ehrlichen Formen, in denen wir auf die Belästigung reagieren, zeigen wir tatsächlich, wie viel Menschlichkeit im Angesicht dieser Grausamkeit und Ungerechtigkeit noch in uns allen steckt. Danke für die Aufmerksamkeit.

 

unveröffentlicht, 25.05.2018

 

Anita Sarkeesian: What I couldn’t say

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