Die AfD lädt nach Berlin…
Matthias Helferich ist das „freundliche Gesicht des NS“. So zumindest bezeichnete sich der Dortmunder Bundestagsabgeordnete und AfD-Politiker in internen Chats. Dennoch konnte er 2021 über die Landesliste der Partei in Nordrhein-Westfalen in den Deutschen Bundestag einziehen. Allerdings löste er mit seiner extrem rechten Ausrichtung eine Kontroverse aus, in deren Verlauf er auf die Aufnahme in die AfD-Fraktion verzichtete. Trotzdem nominierte ihn sein Kreisverband der AfD erneut zum Direktkandidaten. Helferich zeigt sich gerne als Mitglied und Fürsprecher der extrem rechten Parteijugend. Somit ist Helferich ein bundesweit wichtiger Schnittpunkt zwischen offen völkischen Teilen der AfD, unterschiedlichen Verbänden der JA und Strukturen der außerparlamentarischen extremen Rechten. Allein 2024 organisierte er zwei Veranstaltungen mit dem völkischen Publizisten Götz Kubitschek (zuletzt am 4. Dezember 2024 im Bundestag). Zudem spendete er im November öffentlichkeitswirksam eine vierstellige Summe an das extrem rechte Kampagnen-Netzwerk „Ein Prozent“.
Obwohl Matthias Helferich fraktionslos ist, genießt er die regulären Privilegien eines Bundestagsabgeordneten. Dazu gehört unter anderem die Möglichkeit über das Bundespresseamt mehrmals im Jahr „politisch interessierte Bürger“ kostenlos für mehrere Tage nach Berlin einzuladen. Diese sogenannten BPA-Fahrten umfassen Besuche von Museen, Gedenkstätten und politischen Institutionen sowie ein kleines Rahmenprogramm mit Restaurant- und Kneipenabende. Matthias Helferich nutzte dieses Angebot in der Vergangenheit regelmäßig. Seine dritte BPA-Fahrt im Jahr 2024 fand vom 10. bis zum 12. Oktober statt. Nur wenige Tage zuvor wurde der Account „Aktives Berlin“ auf Telegram erstellt und eine erste Aktion angekündigt.
Der Fahrt-Zeitraum war gezielt gewählt. Am 10. Oktober hielt Helferich als selbsternannter „Bundestags-Talahon“ eine rassistische Rede im Parlament. In Jogging-Anzug und mit Goldkettchen trat er ans Podium, um mit der Karnevalsnummer Klickzahlen auf Social Media zu generieren. Im Anschluss an seine Rede traf sich Helferich in voller Verkleidung mit den Teilnehmenden der Fahrt und ließ sich von ihnen für die rassistische Provokation feiern. Neben der schamlosen Selbstvermarktung von Matthias Helferich stand unter anderem noch ein Besuch beim Bundesnachrichtendienst auf dem Programm. Am 11. Oktober ging es für die Teilnehmenden der Fahrt in den Bundestag für eine Diskussionsrunde mit Helferich, Roger Beckamp und Eugen Schmidt (alle AfD). Anschließend erfolgte ein Besuch ins Berliner Abgeordnetenhaus, wohin die extrem rechte Reisegesellschaft aus NRW von Thorsten Weiß eingeladen wurde. Weiß, ein enger Freund von Björn Höcke, ist der ehemalige Obmann vom völkischen „Flügel“ in Berlin und eine profilierte Figur am völkischen Rand der AfD. In diesem Sinne scheint Helferich seine BPA-Fahrten gezielt für eine Vernetzung von extrem rechten Kräften in der AfD zu nutzen, um so deren Einfluss in der Partei auszubauen.
… und die extreme Rechte kommt zusammen
Dementsprechend lohnt sich auch ein Blick auf die Teilnehmenden der BPA-Fahrt. Unter ihnen fällt besonders Ferhat Sentürk auf. Wenig Wochen nach dem Berlin-Besuch wird der extrem rechte Möchtegern-Influencer als erste Person öffentlich in einem Video für das „Aktionsbündnis Berlin-Brandenburg“ auftreten.
Diese Parteinahme verwundert, da der Aktionsschwerpunkt des politischen Selbstdarstellers zuvor vor allem im Raum Aachen lag. Dort engagierte sich Sentürk seit Anfang 2024 in der lokalen AfD und stieg schnell als Beisitzer in den Vorstand des Stadtverbandes auf. Parallel bemühte er sich um eine starke Anbindung an die Strukturen der JA in Nordrhein-Westfalen, ohne jedoch zu deren engerem Führungskreis zu gehören. In diesem Zusammenhang dürfte auch der persönliche Kontakt zu Matthias Helferich zustande gekommen sein. Im Rahmen der BPA-Fahrt im Oktober scheint Sentürk sogar der Ansprechpartner für die Teilnehmenden aus dem Raum Aachen gewesen zu sein.
Doch wie Helferich ist auch Sentürk in der AfD nicht unumstritten. Anfang Oktober organisierte er einen Stammtisch der JA in Aachen. Als rund 40 Antifaschist*innen versuchten die Veranstaltung zu blockieren, griff Sentürk diese körperlich an. Im Anschluss distanzierte sich der AfD-Kreisverband Aachen von ihm und brachte sogar ein Parteiausschlussverfahren ins Spiel. Am 1. Dezember eskalierte der parteiinterne Streit öffentlich. Als Sentürk von einer Sitzung des Kreisverbandes ausgeschlossen werden sollte, lieferte sich eine Rangelei mit dem anwesenden Sicherheitsdienst. Inzwischen gibt er an, selbst aus der AfD ausgetreten zu sein und eine neue rechte Partei gründen zu wollen. Dennoch bewirbt Sentürk weiterhin die Demonstration vom 14. Dezember. Vor diesem Hintergrund erscheint diese einerseits wie der Versuch eines politischen Egomanen, sich mit einem Schlag einen Namen innerhalb der extremen Rechten bundesweit machen zu wollen, und andererseits auch als beleidigte Rache an linken Strukturen nach der antifaschistischen Blockade von Sentürks JA-Stammtisch in Aachen.
Extrem rechtes Vernetzungstreffen in Berlin
Doch Ferhat Sentürk war nicht der einzige Akteur der extrem rechten Demonstration in Berlin, der im Rahmen von Helferichs BPA-Fahrt auffiel. So veröffentlichte der Eberswalder AfD-Lokalpolitiker Maximilian Fritsche ein Foto, das ihn mit Helferich in gemütlicher Bierrunde im „Valentin“ an der Hasenheide in Neukölln zeigt. Der Brandenburger Neonazi Luka Zechel teilte ebenfalls ein Foto von sich und Helferich, das ebenfalls in dem Neuköllner Restaurant aufgenommen wurde. Auf beiden Fotos trägt Helferich eine hellgraue Anzugjacke mit schwarzem Einstecktuch, ein weißes Hemd und eine blaue Krawatte mit hellem Muster.
In seinen online-Auftritten ist er in diesem Outfit bei genau zwei Veranstaltungen zu sehen. Das ist einmal die Diskussionsveranstaltung im Bundestag am 11. Oktober und der Besuch im Abgeordnetenhaus am gleichen Tag (siehe Bild 3). Es ist somit davon auszugehen, dass die Kneipen-Fotos ebenfalls am 11. Oktober und damit im Zeitraum der BPA-Fahrt aufgenommen worden sind. Aufgrund der gut gefüllten Tische im Hintergrund könnte der Besuch im „Valentin“ sogar ein offizieller Punkt der vom Bundespresseamt organisierten Fahrt gewesen sein.
Einige Zeit später tauchten Maximilian Fritsche und Luka Zechel dann ebenfalls im Kontext der extrem rechten Demonstration am 14. Dezember auf. So wurde Fritsche in einer Veröffentlichung vom „Aktionsbündnis Berlin-Brandenburg“als Organisator angeführt.
Der Tischler Fritsche aus Eberswalde sitzt für die AfD in der Stadtverordnetenversammlung und ist Beisitzer im Barnimer Kreisvorstand. Zudem ist er in der JA Brandenburg aktiv, ohne dort im Vordergrund zu agieren. Bei öffentlichen Aktionen tauchte er zum Beispiel am 8. und 15. Januar 2024 mit einer JA-Delegation bei den „Bauernprotesten“ in Berlin auf. Am 22. April 2024 nahm er an einer AfD-Kleinstkundgebung gegen einen geplanten Solarpark in Falkenberg/Mark teil und am 16. Juli 2024 besuchte die Versammlung gegen das Verbot des extrem rechten Medienunternehmens „COMPACT“ in Falkensee. Insgesamt verfügt Fritsche wie auch Sentürk über ein ausgeprägtes Sendungsbewusstsein, ist in der AfD jedoch politisch eher unbedeutend. Nichtsdestotrotz ist er in die Strukturen der JA eingebunden und gut mit Akteuren der außerparlamentarischen Rechten vernetzt.
Wahrscheinlich kam über ihn auch der Kontakt zu Luka Zechel zustande. Dieser lebt unweit von Eberswalde in Bad Freienwalde. Bis zum Frühjahr 2024 war Zechel vorwiegend aus einer rechtsoffenen Szene bekannt, die sich rund um den örtlichen Bahnhof trifft. Im Juli tauchte er im Kontext des versuchten Neonazi-Angriffs auf den CSD in Berlin auf. Zuletzt nahm er am Neonaziaufmarsch der beiden Gruppen „Deutsche Jugend Voran“ und „Jung & Stark“ am 19. Oktober 2024 in Berlin-Marzahn teil. Zechel sucht sowohl Kontakt zur AfD, beispielsweise auf deren „Familienfest“ in Bad Freienwalde, als auch zu den neueren jugendlichen Neonazivernetzungen. Es ist somit möglich, dass während der BPA-Fahrt von Matthias Helferich nicht nur der völkische Rand der AfD zusammenkam, sondern ebenso die Vernetzung mit gewaltbereiten Neonazis betrieben wurde. Kurz nach dem Bekanntwerden der Demonstrationsanmeldung in Friedrichshain begann Zechel jedenfalls, die Veranstaltung massiv auf seinen Social-Media-Seiten zu bewerben und damit zielgerichtet in das Spektrum der neuen Neonazizusammenschlüsse zu pushen.
Hofiert ein Bundestagsabgeordneter Neonazis?
Diese ausgestellte Begeisterung könnte auch damit zusammenhängen, dass Jannik D. Giese, der mutmaßliche Leiter der Demonstration am 14. Dezember, ein enger Freund von Zechel ist. Darüber hinaus ist zu Giese relativ wenig bekannt. Zuletzt nahm er am Neonaziaufmarsch am 19. Oktober in Berlin teil. Auch Jannik D. Giese tauchte im Zusammenhang mit der BPA-Fahrt vom Abgeordneten Matthias Helferich auf. Es existieren gemeinsame Fotos von Giese, Fritsche und Zechel an einem unbekannten Ort, die aufgrund der Kleidung höchstwahrscheinlichaus dem Zeitraum der Berlinfahrt stammen. Zudem prahlte Giese im Anschluss an das Wochenende damit, am 10. Oktober im Bundestag gewesen zu sein.
Wer außer Ferhat Sentürk von den Organisatoren des Neonaziaufmarsches in Berlin regulärer Teilnehmer der Fahrt von Helferich war, kann momentan nicht abschließend geklärt werden. Zumindest kamen auch andere Berlin-Gäste von Helferich nicht aus seinem Wahlkreis. Letztendlich ist es auch wenig relevant, wo sich Fritsche, Zechel und Giese getroffen haben und ob sie dies bereits während des offiziellen Programms taten. Sicher ist, dass sie sich später mit Matthias Helferich (und wahrscheinlich auch Ferhat Sentürk) trafen, um ihre Pläne bei einem Bier im „Valentin“ zu konkretisieren. Somit konnten erst durch die von Helferich organisierte Fahrt alle zentralen Akteure der extrem rechten Demonstration vom 14. Dezember in Berlin zusammenkommen. Der Bundestagsabgeordnete hat damit aller Wahrscheinlichkeit seine aus Bundesmitteln finanzierten Privilegien genutzt, um im Kontext einer vom Bundespresseamt finanzierten Fahrt extrem rechte Strukturen außerhalb der AfD miteinander zu vernetzen. Höchstwahrscheinlich hat er dabei sogar bekannten Neonazis einen kostenlosen Berlinaufenthalt bei Essen und Getränken ermöglicht. Hier zeigt sich exemplarisch, wie von der AfD aufgestellte Abgeordnete die Spielräume ihrer Mandate ausnutzen, um auch außerparlamentarisch politische Wirkungen zu entfalten.
]]>Informationen zu Neonaziaktivitäten können jederzeit an [email protected] gemeldet werden. Inzwischen versuchen die Neonazis vom „III. Weg“ ihre Sportangebote abzusichern. Wie aktuelle Beobachtungen zeigen, traten sie im Rahmen von öffentlichen Trainings bewaffnet (z.B. mit Messern und Pfefferspray) in Erscheinung.
Sport als politisches Kampffeld vom „III. Weg“
Der „III. Weg“ steht offensiv für eine völkische und selbsternannte „nationalrevolutionäre“ Politik. Neben der politischen Organisierungsarbeit gehört für sie dazu eine harte Arbeit der AktivistInnen an sich selbst. Im nationalsozialistischen Weltbild ist der individuelle Körper immer schon mit dem kollektiven „Volkskörper“ verbunden. Um in diesem Sinne eingesetzt werden zu können, soll der Körper entsprechend „rein“ gehalten werden und leistungsbereit sein. Pathetisch spricht die Partei in diesem Zusammenhang vom „inneren Befehl der Leibeszucht“. Neben dem geforderten Verzicht auf Alkohol und Drogen beinhaltet das auch körperliche Leistungsfähigkeit. Sie wird ebenfalls als Voraussetzung geistiger Stärke betrachtet. In diesem Sinne gibt es innerhalb der Partei seit mindestens 2017 eine eigene Arbeitsgruppe mit dem Namen „Körper & Geist“. Sie tritt offensiv mit einem eigenen Logo in Erscheinung und ihre Mitglieder richten vor allem lokale Kampf- und Kraftsporttrainings für die Parteimitglieder bundesweit aus. [1] Zudem organisierte die Gruppe bereits eigene Kampfsportturniere, wie das Event „Jugend im Sturm“ 2018 im thüringischen Kirchheim. [2]. Mitglieder vom „III. Weg“ nahmen darüber hinaus als Kämpfende oder zur Unterstützung an Neonazi-Veranstaltungen in ganz Europa teil. [3]
Sportangebote vom „III. Weg“ in Berlin
In Berlin besitzt der „III. Weg“ keine geeigneten eigenen Räumlichkeiten für größere Kampfsporttrainings. Deshalb greift die Partei verstärkt auf öffentliche Sportanlagen in unterschiedlichen Bezirken zurück (eine Übersicht aller bekannten Orte befindet sich am Ende des Artikels). Ziel ist es, vor allem jugendliche SympathisantInnen auf den Straßenkampf, das heißt die Auseinandersetzung mit vermeintlichen „politischen Gegner*innen“ vorzubereiten. Die Auswirkungen dieser Trainings zeigten sich zuletzt am 6. Juli 2024 bei einem organisierten Angriff von Neonazis auf Anreisende einer antifaschistischen Demonstration [4]. In der Regel sind die Neonazitrainings klandestin organisiert und finden an wechselnden Orten und Tagen statt. Auf diese Weise können sie kaum im Vorhinein verhindert werden. Dennoch verstecken sich die Neonazis nicht und trainieren am helllichten Tag im öffentlichen Raum. Doch das Sportangebot der Partei beschränkt sich nicht nur auf Kampfsporttrainings. In Berlin (und Brandenburg) veranstaltet die Neonazipartei in der Regel einmal im Jahr sogenannte „Gemeinschaftstage“ als Angebote an die Mitglieder der Jugendorganisation NRJ („Nationalrevolutionäre Jugend“). Sport und insbesondere Kampfsport ist immer Teil dieser Aktivitäten. Gleiches gilt für die „Neujahrswanderungen“ im Januar. Anfang 2021 wanderten rund 25 Neonazis durch den Grunewald. Ein Jahr später fand ein „Neujahrserwachen“ im Spandauer Forst mit rund 15 Personen statt. Neben dem gemeinsamen Laufen standen bei den Veranstaltungen auch Schattenboxen, Krafttrainings, zum Beispiel mit Liegestützen, sowie Eisbaden auf dem Programm.
Zudem gibt über das Jahr verteilt immer wieder Fotos von gemeinsamen Wanderungen in unterschiedlichen Teilen der Bundesrepublik. Generell spielen Ausdauertrainings in Form von Leistungsmärschen eine Rolle in der neonazistischen Ideologie. Diese Verbindung zeigt sich besonders beim neonazistischen „Ausbruch“-Marsch in Budapest, an dem in der Vergangenheit regelmäßig Mitglieder vom „III. Weg“ aus Berlin teilnahmen [5]. In Mecklenburg-Vorpommern ist der sogenannte „Tollense-Marsch“ in Neubrandenburg ebenfalls ein regelmäßiges Ereignis der Neonaziszene mit Beteiligung vom „III. Weg“ [6].
Der „III. Weg“ aus Berlin im Breitensport
Neben der Teilnahme an explizit neonazistischen Events zieht es die Mitglieder vom „III. Weg“ allerdings auch in den Breitensport, um neue sportliche Herausforderungen zu bewältigen. Im Jahr 2023 konnten Gruppen der Neonazipartei bei mindestens zwei öffentlichen Laufveranstaltungen in Berlin und Brandenburg antreten. Beim „Berlin Marsch“ am 3. Oktober 2023 liefen die Neonazis Oliver Oeltze, Sebastian Glaser, Christian Schmidt, Leander Schultze sowie eine unbekannte Person 50km durch Berlin. Währenddessen nahmen sie Propaganda-Fotos mit der Fahne vom „III. Weg“ auf und versuchten den Lauf so mit extrem rechten Inhalten zu besetzen. Den Veranstaltenden des Laufes, dem Verein „Ausdauerfreunde e.V.“, schienen die neonazistischen Teilnehmenden nicht negativ aufgefallen zu sein. Stattdessen erschien sogar ein Bild des militanten Neonazis Sebastian Glaser nach dem Zieleinlauf auf der offiziellen Facebook-Seite des Marsches.
Wenn Neonazis sich privat für Sportveranstaltungen anmelden, ist es für Veranstaltende ohne das entsprechende Szenewissen sehr schwer, diese zu erkennen. Es braucht hier mehr Sensibilität für die Möglichkeit, dass bekannte Neonazis auch bei „normalen“ Sportveranstaltungen außerhalb der Kampfsportszene antreten. Zusammen mit diesem Bewusstsein müssen Veranstaltende eine Haltung zu diesem Problem entwickeln und sich einen konkreten Umgang mit extrem rechten Teilnehmenden überlegen. Das beinhaltet auch die Schaffung von Kriterien in Sportorganisationen und -vereinen, um eine Teilnahme mit allen Mitteln zu unterbinden.
Für den „Berlin Marsch“ ist nicht bekannt, wie sich die Gruppe des „III. Wegs“ angemeldet hat. Beim „Schlossinsellauf“ am 18. Juni 2023 in Lübben haben sie mit ihrer politischen Haltung allerdings nicht sonderlich hinter dem Berg gehalten. Dort traten die Neonazis Leander Schultze, Christian Schmidt und Oliver Oeltze mit dem Teamnamen „Körper und Geist“ beim Halbmarathon an. Im 10km-Lauf startete außerdem Lilith Evler vom „III. Weg“ unter der gleichen Bezeichnung. Sebastian Glaser nahm hingegen unter einem anderen Namen am Halbmarathon teil. Mit der Bezeichnung „Wardon“ stellte er seine Zugehörigkeit zu der gleichnamigen Neonazi-Kampfsportgruppierung „Wardon 21“ aus. [8] Dementsprechend hätte den Veranstaltenden schon bei der Anmeldung die Teilnahme der Neonazis auffallen können. Hier braucht es mehr Informationen und den Willen der Veranstaltenden, sich mit dem Problem rechter Raumnahme auseinanderzusetzen.
Altbekannte Trainingsgruppe
Während des Zieleinlaufs von Oliver Oeltze beim „Schlossinsellauf“ taucht jedoch noch ein weiterer bekannter Neonazi auf. Philipp Zech ist einer der ersten, die Oeltze gratulieren, nachdem dieser sich beim Halbmarathon ins Ziel schleppte. Zech selbst nahm am 10km-Lauf teil und verzichtete ganz auf einen Teamnamen. Das ganze ist sicherlich Kalkül. Zech ist Sportwissenschaftler und war bis mindestens 2022 an der Universität Potsdam im Bereich „Sozial- und Präventivmedizin“ angestellt. Zu seinem jetzigen Arbeitsverhältnis gibt es keine Informationen. Sicher möchte er jedoch nicht, dass seine wissenschaftliche Karriere durch einen allzu offensichtlichen Verhältnis zu Neonazis gefährdet wird. Dennoch war seine Nähe zu der Gruppe vom „III. Weg“ in Lübben unübersehbar – schließlich kennen sich alle Beteiligten schon seit einigen Jahren.
Von 2019 bis 2020 war Philipp Zech im Vorstand der AfD in Charlottenburg-Wilmersdorf. Ab 2021 nahm er nachweislich an klandestinen Neonazi-Kampfsporttrainings in Weißensee teil. Neben weiteren Mitgliedern der AfD, der „Jungen Alternative“ sowie Aktivisten der „Identitären Bewegung“ (z.B. Mario Müller) waren unter den Trainingspartnern von Zech auch Christian Schmidt (damals noch NPD/JN) und Leander Schultze (im damaligen Artikel „Unbekannt 12“) bei den Trainings in Weißensee anwesend.[9] Vieles spricht dafür, dass die Trainings ein Versuch zum Aufbau einer extrem rechten Kampfsportvernetzung in Berlin waren. So war Zech bis zur Auflösung 2023 im Vorstand vom „Verein für Leibesübungen und Bildung e.V.“. Gegründet wurde dieser 2019 laut Vereinsakten unter anderem von Mario Müller (Identitäre Bewegung, s.o.) und Peter Kurth. Letzterer ist ehemaliger Berliner Finanzsenator der CDU und inzwischen als Finanzier der neofaschistischen Szene bekannt.
Nachdem die geheimen Trainings öffentlich wurden, zog sich die neonazistische Sportgruppe zurück. Die Verbindungen zueinander sind aber noch geblieben. Unter Umständen wurde das gesamte Angebot über die Jahre einfach verlegt. So war der „Schlossinsellauf“ nicht das einzige Event, an dem Teile der Sportgruppe vom damaligen Training in Weißensee erneut zusammentrafen. Am 27. September 2023 fand ein Training vom „III. Weg“ im Calisthenics Park auf dem Kastanienboulevard in Hellersdorf statt. Neben Oliver Oeltze und Leander Schulze nahm auch Philipp Zech daran teil. Es deutet somit vieles auf ein Fortbestehen von einem Kern der alten Neonazi-Trainingsgruppe aus Weißensee unter dem Label vom „III. Weg“ hin. Hier profitiert die Neonazipartei von der Aufbauarbeit der neofaschistischen Bewegung um AfD und Identitäre Bewegung.
Fazit
In Berlin gibt es somit jahrelang gewachsene Strukturen der extremen Rechten, auf die der „III. Weg“ in seiner Parteiarbeit zurückgreifen kann. Auch wenn bestimmte Personen, wie Philipp Zech, aus der Öffentlichkeit verschwinden, bestehen persönliche Netzwerke weiter. Zudem zeigen die beiden Beispiele vom „Berlin Marsch“ und dem „Schlossinsellauf“ in Lübben, dass Neonazis vom „III. Weg“ gezielt öffentliche Sportangebote nutzen, um ihren extrem rechten Körperkult voranzutreiben und Räume zu besetzen. Dieses Phänomen war bisher vor allem aus dem Kampfsportbereich bekannt, betrifft aber auch viele andere Sportfelder, wie eben den Lauf- und Ausdauersport. Hier muss auf Seiten der Veranstaltenden ein Bewusstsein entstehen, dass Neonazis an ihren Events teilnehmen können und sich dort präsentieren. Daran anschließend braucht es eine Haltung, um gegen diese Vereinnahmung Position zu beziehen. Es ist schwer vorauszusagen, wann und wo Neonazis auf Sportveranstaltungen anzutreffen sein werden. Im Jahr 2024 war der „III. Weg“ in Lübben nicht anwesend. Aber sicherlich werden sie sich andere Veranstaltungen suchen. Insgesamt versucht der „III. Weg“ sein Sportangebot breit aufzustellen, verschiedene Bereiche zu besetzen und so über Sport Politik zu machen. Diese Strategie erinnert an das Vorgehen der neonazistischen „Active Clubs“, die sich aus den USA inzwischen auch in Europa ausbreiten.
Weiterführende Informationen
1) Kissingen-Stadion (Pankow)
2) Calisthenics Park auf dem Kastanienboulevard (Hellersdorf)
3) Butzer See (Kaulsdorf)
4) Basketballplatz an der Landsberger Allee (gegenüber Hausnummer 214; Lichtenberg)
5) Schlosspark Pankow
6) Bolzplatz Erich-Kästner-Straße (Hellersdorf)
7) Parkaue (Lichtenberg)
Erstveröffentlichung unter Indymedia
Im Sportkomplex Rennbahn (Rennbahnstr. 62, 13086 Weißensee) trafen sich 2021 Aktivist_innen von AfD, Identitärer Bewegung und NPD regelmäßig zum gemeinsamen Kampfsporttraining.
Ohne behelligt zu werden dürfen Nazis öffentliche Sportanlagen nutzen und sich dort auch unbeschwert vernetzen.
Es nahmen diverse Nazis von der NPD am Training teil. Fabian Knop, früher Freie Nationalisten Buch, heute NPD und JN Pankow, gilt als politischer „Ziehsohn“ von Christian Paul Schmidt, Vorsitzender der Berliner JN. Schmidt ist eine zentrale Figur der Naziszene in Berlin Buch und tritt vor allem durch seine “Anti-Antifa”-Aktivitäten in Erscheinung. Er trainierte mehrfach offen im T-Shirt des Nazi-Kampfsportturniers “Kampf der Nibelungen”. Es ist damit mehr als ersichtlich gewesen, dass hier Neonazis trainieren, die das offen zur Schau stellen.
Zudem nahmen die NPD-Anhänger aus Marzahn-Hellersdorf Lars Niendorf und Kai Milde an den Trainings teil. Beide wurden am 3.10.2020 auf dem Naziaufmarsch vom 3. Weg in Hohenschönhausen gesehen.
Von der “Identitären Bewegung” nahmen mindestens vier Aktivisten regelmäßig am Kampfsporttraining teil: Mario Alexander Müller gehörte ehemals zur Parteijugend der NPD in Niedersachsen. Danach war er Kopf der Identitären-Gruppe “Kontrakultur” Halle. Nach deren Auflösung zog es ihn nach Berlin, wo er nun für das Compact Magazin arbeitet. Neben ihm nimmt “Linus” (Rufname) am Training teil, der schon 2016 und 2017 die IB-Demos in Berlin mitorganisierte und sich auch jetzt noch an IB-Aktionen beteiligt. Der Dritte ist Roy Grassmann aus Bernau. Früher auf NPD-Veranstaltungen anzutreffen, verteilt er inzwischen das Compact-Magazin auf Querdenken Demos (z.B. in Frankfurt Oder https://inforiot.de/kein-platz-fuer-neonazis/). Unter seinem “Greifvogel-Wear”-Shirt trägt er ein großes Kolovrat-Tattoo auf der Brust, eine Art abgewandeltes Hakenkreuz.
Von der AfD nehmen regelmäßig teil: Jörg Sobolewski, der ebenfalls IB-Aktivist ist und zur Burschenschaft Gothia gehört. Sobolewski ist früherer Leiter der Geschäftsstelle der AfD Berlin, danach war er Mitarbeiter im Bundestag und bei der AfD Fraktion in der BVV Friedrichshain-Kreuzberg. Neben ihm nimmt Philipp Zech am Training teil. Er war 2019 und 2020 Vorstand der AfD Charlottenburg-Wilmersdorf, ist Exmitglied der Piratenpartei und Sportwissenschaftler an der Uni Potsdam, der auch Vorträge für die Aidshilfe hält. Beim Training trat auch er mit einem T-Shirt der Neonazimarke “Greifvogel Wear” auf. Ebenfalls dabei ist Alexander Göller von der Jungen Alternative Berlin und AfD Kreisverband Reinickendorf, der auf Facebook mit NS-Sprache auffällt.
An den Trainings nahmen in wechselnder Zusammensetzung regelmäßig zehn bis zwanzig Leute teil, von denen außer den namentlich genannten Nazis, viele auch Shirts von “Greifvogel Wear” oder “Kampf der Nibelungen” trugen.
Solche Trainings zu akzeptieren bedeutet Nazis in ihrem gewaltverherrlichendem Treiben zu unterstützen. Nazis üben mit diesen Trainings die körperliche Auseinandersetzung auf der Straße und machen sich fit für Fascho-Kampfsportveranstaltungen wie den Kampf der Nibelungen.
Wer dabei untätig zuschaut, wie organisierte Neonazis gemeinsam Kampfsport trainieren, nimmt in Kauf, dass sie ihre Kenntnisse auch gegen andere Menschen anwenden.
Zusammentreffen wie dieses Training zeigen auf, dass die Trennung in vermeintlich gemäßigte und extreme Rechte kaum mehr ist als eine Fassade. Trotz der sich wiederholenden Scheindistanzierungen kommen Rechte aller Schattierungen von AfD, über IB bis NPD immer wieder bei Diskussionsrunden, Trainings und Demos zusammen und verstehen sich offensichtlich bestens.