Neukölln – Antifaschistischer Monitor https://monitorberlin.blackblogs.org Nachrichten zu Neonazis in Berlin und Umland Sun, 15 Dec 2024 23:27:02 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 https://monitorberlin.blackblogs.org/wp-content/uploads/sites/2405/2024/01/cropped-monitor-32x32.jpg Neukölln – Antifaschistischer Monitor https://monitorberlin.blackblogs.org 32 32 Neonazidemo am 14.12. in Berlin – Rechte Vernetzung mit Bundesmitteln? https://monitorberlin.blackblogs.org/2024/12/13/neonazidemo-am-14-12-in-berlin-rechte-vernetzung-mit-bundesmitteln/ Fri, 13 Dec 2024 18:40:33 +0000 https://monitorberlin.blackblogs.org/?p=1132 Am 14. Dezember 2024 soll in Berlin unter dem Motto „Für Recht und Ordnung: gegen Linksextremismus und politisch motivierte Gewalt“ eine extrem rechte Demonstration stattfinden. Der Aufruf dazu kommt von einem sogenannten „Aktionsbündnis Berlin-Brandenburg“. Wer dahinter steht, ist nicht offiziell bekannt, da sich bisher nur wenige Personen öffentlich zu dieser Struktur bekannt haben. Neben „Junge Alternative“ (JA) Mitgliedern aus unterschiedlichen Teilen der Bundesrepublik tauchen auch Neonazis aus Berlin und Brandenburg im Rahmen der Demonstration auf. Die Verbindung zwischen diesen regional sehr unterschiedlichen Akteuren könnte der Bundestagsabgeordnete Matthias Helferich sein. Recherchen legen nahe, dass sich die Struktur um den 14. Dezember auf einer von Helferich angebotenen Berlinfahrt vernetzt haben könnte. Hat der Abgeordnete aus Bundesmitteln ein extrem rechtes Treffen finanzieren lassen?

Die AfD lädt nach Berlin…

Matthias Helferich ist das „freundliche Gesicht des NS“. So zumindest bezeichnete sich der Dortmunder Bundestagsabgeordnete und AfD-Politiker in internen Chats. Dennoch konnte er 2021 über die Landesliste der Partei in Nordrhein-Westfalen in den Deutschen Bundestag einziehen. Allerdings löste er mit seiner extrem rechten Ausrichtung eine Kontroverse aus, in deren Verlauf er auf die Aufnahme in die AfD-Fraktion verzichtete. Trotzdem nominierte ihn sein Kreisverband der AfD erneut zum Direktkandidaten. Helferich zeigt sich gerne als Mitglied und Fürsprecher der extrem rechten Parteijugend. Somit ist Helferich ein bundesweit wichtiger Schnittpunkt zwischen offen völkischen Teilen der AfD, unterschiedlichen Verbänden der JA und Strukturen der außerparlamentarischen extremen Rechten. Allein 2024 organisierte er zwei Veranstaltungen mit dem völkischen Publizisten Götz Kubitschek (zuletzt am 4. Dezember 2024 im Bundestag). Zudem spendete er im November öffentlichkeitswirksam eine vierstellige Summe an das extrem rechte Kampagnen-Netzwerk „Ein Prozent“.

Obwohl Matthias Helferich fraktionslos ist, genießt er die regulären Privilegien eines Bundestagsabgeordneten. Dazu gehört unter anderem die Möglichkeit über das Bundespresseamt mehrmals im Jahr „politisch interessierte Bürger“ kostenlos für mehrere Tage nach Berlin einzuladen. Diese sogenannten BPA-Fahrten umfassen Besuche von Museen, Gedenkstätten und politischen Institutionen sowie ein kleines Rahmenprogramm mit Restaurant- und Kneipenabende. Matthias Helferich nutzte dieses Angebot in der Vergangenheit regelmäßig. Seine dritte BPA-Fahrt im Jahr 2024 fand vom 10. bis zum 12. Oktober statt. Nur wenige Tage zuvor wurde der Account „Aktives Berlin“ auf Telegram erstellt und eine erste Aktion angekündigt.

Der Fahrt-Zeitraum war gezielt gewählt. Am 10. Oktober hielt Helferich als selbsternannter „Bundestags-Talahon“ eine rassistische Rede im Parlament. In Jogging-Anzug und mit Goldkettchen trat er ans Podium, um mit der Karnevalsnummer Klickzahlen auf Social Media zu generieren. Im Anschluss an seine Rede traf sich Helferich in voller Verkleidung mit den Teilnehmenden der Fahrt und ließ sich von ihnen für die rassistische Provokation feiern. Neben der schamlosen Selbstvermarktung von Matthias Helferich stand unter anderem noch ein Besuch beim Bundesnachrichtendienst auf dem Programm. Am 11. Oktober ging es für die Teilnehmenden der Fahrt in den Bundestag für eine Diskussionsrunde mit Helferich, Roger Beckamp und Eugen Schmidt (alle AfD). Anschließend erfolgte ein Besuch ins Berliner Abgeordnetenhaus, wohin die extrem rechte Reisegesellschaft aus NRW von Thorsten Weiß eingeladen wurde. Weiß, ein enger Freund von Björn Höcke, ist der ehemalige Obmann vom völkischen „Flügel“ in Berlin und eine profilierte Figur am völkischen Rand der AfD. In diesem Sinne scheint Helferich seine BPA-Fahrten gezielt für eine Vernetzung von extrem rechten Kräften in der AfD zu nutzen, um so deren Einfluss in der Partei auszubauen.

und die extreme Rechte kommt zusammen

Dementsprechend lohnt sich auch ein Blick auf die Teilnehmenden der BPA-Fahrt. Unter ihnen fällt besonders Ferhat Sentürk auf. Wenig Wochen nach dem Berlin-Besuch wird der extrem rechte Möchtegern-Influencer als erste Person öffentlich in einem Video für das „Aktionsbündnis Berlin-Brandenburg“ auftreten.

Diese Parteinahme verwundert, da der Aktionsschwerpunkt des politischen Selbstdarstellers zuvor vor allem im Raum Aachen lag. Dort engagierte sich Sentürk seit Anfang 2024 in der lokalen AfD und stieg schnell als Beisitzer in den Vorstand des Stadtverbandes auf. Parallel bemühte er sich um eine starke Anbindung an die Strukturen der JA in Nordrhein-Westfalen, ohne jedoch zu deren engerem Führungskreis zu gehören. In diesem Zusammenhang dürfte auch der persönliche Kontakt zu Matthias Helferich zustande gekommen sein. Im Rahmen der BPA-Fahrt im Oktober scheint Sentürk sogar der Ansprechpartner für die Teilnehmenden aus dem Raum Aachen gewesen zu sein.

Doch wie Helferich ist auch Sentürk in der AfD nicht unumstritten. Anfang Oktober organisierte er einen Stammtisch der JA in Aachen. Als rund 40 Antifaschist*innen versuchten die Veranstaltung zu blockieren, griff Sentürk diese körperlich an. Im Anschluss distanzierte sich der AfD-Kreisverband Aachen von ihm und brachte sogar ein Parteiausschlussverfahren ins Spiel. Am 1. Dezember eskalierte der parteiinterne Streit öffentlich. Als Sentürk von einer Sitzung des Kreisverbandes ausgeschlossen werden sollte, lieferte sich eine Rangelei mit dem anwesenden Sicherheitsdienst. Inzwischen gibt er an, selbst aus der AfD ausgetreten zu sein und eine neue rechte Partei gründen zu wollen. Dennoch bewirbt Sentürk weiterhin die Demonstration vom 14. Dezember. Vor diesem Hintergrund erscheint diese einerseits wie der Versuch eines politischen Egomanen, sich mit einem Schlag einen Namen innerhalb der extremen Rechten bundesweit machen zu wollen, und andererseits auch als beleidigte Rache an linken Strukturen nach der antifaschistischen Blockade von Sentürks JA-Stammtisch in Aachen.

Extrem rechtes Vernetzungstreffen in Berlin

Doch Ferhat Sentürk war nicht der einzige Akteur der extrem rechten Demonstration in Berlin, der im Rahmen von Helferichs BPA-Fahrt auffiel. So veröffentlichte der Eberswalder AfD-Lokalpolitiker Maximilian Fritsche ein Foto, das ihn mit Helferich in gemütlicher Bierrunde im „Valentin“ an der Hasenheide in Neukölln zeigt. Der Brandenburger Neonazi Luka Zechel teilte ebenfalls ein Foto von sich und Helferich, das ebenfalls in dem Neuköllner Restaurant aufgenommen wurde. Auf beiden Fotos trägt Helferich eine hellgraue Anzugjacke mit schwarzem Einstecktuch, ein weißes Hemd und eine blaue Krawatte mit hellem Muster.

In seinen online-Auftritten ist er in diesem Outfit bei genau zwei Veranstaltungen zu sehen. Das ist einmal die Diskussionsveranstaltung im Bundestag am 11. Oktober und der Besuch im Abgeordnetenhaus am gleichen Tag (siehe Bild 3). Es ist somit davon auszugehen, dass die Kneipen-Fotos ebenfalls am 11. Oktober und damit im Zeitraum der BPA-Fahrt aufgenommen worden sind. Aufgrund der gut gefüllten Tische im Hintergrund könnte der Besuch im „Valentin“ sogar ein offizieller Punkt der vom Bundespresseamt organisierten Fahrt gewesen sein.

Einige Zeit später tauchten Maximilian Fritsche und Luka Zechel dann ebenfalls im Kontext der extrem rechten Demonstration am 14. Dezember auf. So wurde Fritsche in einer Veröffentlichung vom „Aktionsbündnis Berlin-Brandenburg“als Organisator angeführt.

Der Tischler Fritsche aus Eberswalde sitzt für die AfD in der Stadtverordnetenversammlung und ist Beisitzer im Barnimer Kreisvorstand. Zudem ist er in der JA Brandenburg aktiv, ohne dort im Vordergrund zu agieren. Bei öffentlichen Aktionen tauchte er zum Beispiel am 8. und 15. Januar 2024 mit einer JA-Delegation bei den „Bauernprotesten“ in Berlin auf. Am 22. April 2024 nahm er an einer AfD-Kleinstkundgebung gegen einen geplanten Solarpark in Falkenberg/Mark teil und am 16. Juli 2024 besuchte die Versammlung gegen das Verbot des extrem rechten Medienunternehmens „COMPACT“ in Falkensee. Insgesamt verfügt Fritsche wie auch Sentürk über ein ausgeprägtes Sendungsbewusstsein, ist in der AfD jedoch politisch eher unbedeutend. Nichtsdestotrotz ist er in die Strukturen der JA eingebunden und gut mit Akteuren der außerparlamentarischen Rechten vernetzt.

Wahrscheinlich kam über ihn auch der Kontakt zu Luka Zechel zustande. Dieser lebt unweit von Eberswalde in Bad Freienwalde. Bis zum Frühjahr 2024 war Zechel vorwiegend aus einer rechtsoffenen Szene bekannt, die sich rund um den örtlichen Bahnhof trifft. Im Juli tauchte er im Kontext des versuchten Neonazi-Angriffs auf den CSD in Berlin auf. Zuletzt nahm er am Neonaziaufmarsch der beiden Gruppen „Deutsche Jugend Voran“ und „Jung & Stark“ am 19. Oktober 2024 in Berlin-Marzahn teil. Zechel sucht sowohl Kontakt zur AfD, beispielsweise auf deren „Familienfest“ in Bad Freienwalde, als auch zu den neueren jugendlichen Neonazivernetzungen. Es ist somit möglich, dass während der BPA-Fahrt von Matthias Helferich nicht nur der völkische Rand der AfD zusammenkam, sondern ebenso die Vernetzung mit gewaltbereiten Neonazis betrieben wurde. Kurz nach dem Bekanntwerden der Demonstrationsanmeldung in Friedrichshain begann Zechel jedenfalls, die Veranstaltung massiv auf seinen Social-Media-Seiten zu bewerben und damit zielgerichtet in das Spektrum der neuen Neonazizusammenschlüsse zu pushen.

Julia Ender und Luka Zechel auf dem „Familienfest“ der AfD am 14.09.2024 in Bad Freienwalde, Foto: Pressefuchs

Hofiert ein Bundestagsabgeordneter Neonazis?

Diese ausgestellte Begeisterung könnte auch damit zusammenhängen, dass Jannik D. Giese, der mutmaßliche Leiter der Demonstration am 14. Dezember, ein enger Freund von Zechel ist. Darüber hinaus ist zu Giese relativ wenig bekannt. Zuletzt nahm er am Neonaziaufmarsch am 19. Oktober in Berlin teil. Auch Jannik D. Giese tauchte im Zusammenhang mit der BPA-Fahrt vom Abgeordneten Matthias Helferich auf. Es existieren gemeinsame Fotos von Giese, Fritsche und Zechel an einem unbekannten Ort, die aufgrund der Kleidung höchstwahrscheinlichaus dem Zeitraum der Berlinfahrt stammen. Zudem prahlte Giese im Anschluss an das Wochenende damit, am 10. Oktober im Bundestag gewesen zu sein.

Wer außer Ferhat Sentürk von den Organisatoren des Neonaziaufmarsches in Berlin regulärer Teilnehmer der Fahrt von Helferich war, kann momentan nicht abschließend geklärt werden. Zumindest kamen auch andere Berlin-Gäste von Helferich nicht aus seinem Wahlkreis. Letztendlich ist es auch wenig relevant, wo sich Fritsche, Zechel und Giese getroffen haben und ob sie dies bereits während des offiziellen Programms taten. Sicher ist, dass sie sich später mit Matthias Helferich (und wahrscheinlich auch Ferhat Sentürk) trafen, um ihre Pläne bei einem Bier im „Valentin“ zu konkretisieren. Somit konnten erst durch die von Helferich organisierte Fahrt alle zentralen Akteure der extrem rechten Demonstration vom 14. Dezember in Berlin zusammenkommen. Der Bundestagsabgeordnete hat damit aller Wahrscheinlichkeit seine aus Bundesmitteln finanzierten Privilegien genutzt, um im Kontext einer vom Bundespresseamt finanzierten Fahrt extrem rechte Strukturen außerhalb der AfD miteinander zu vernetzen. Höchstwahrscheinlich hat er dabei sogar bekannten Neonazis einen kostenlosen Berlinaufenthalt bei Essen und Getränken ermöglicht. Hier zeigt sich exemplarisch, wie von der AfD aufgestellte Abgeordnete die Spielräume ihrer Mandate ausnutzen, um auch außerparlamentarisch politische Wirkungen zu entfalten.

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Sebastian Thom beim III. Weg und die Krise der Berliner NPD https://monitorberlin.blackblogs.org/2020/12/25/sebastian-thom-beim-iii-weg-und-die-krise-der-berliner-npd/ Fri, 25 Dec 2020 18:56:00 +0000 https://monitorberlin.blackblogs.org/?p=128 Autor:innen: Antifa

Erstveröffentlichung unter Indymedia


Nachdem er sich erst bei der AfD anbiederte, scheint der Berliner Neonazi Sebastian Thom nun beim „III. Weg“ eine neue politische „Heimat“ gefunden zu haben. Was sich lange andeutete, zeigte sich an diesem Wochenende offen. Mit Partei-Mütze auf dem Kopf verteilte er mit anderen III. Weg-Angehörigen Flyer in Berlin.

Das offene Bekenntnis von Thom zur faschistischen Bewegungspartei „III. Weg“ zeigt deutlich die politische Krise der NPD. Die Partei ist unattraktiv geworden – und das nicht nur in Berlin. Sie kann das Aktionspotential der Neonazi-Szene nicht mehr für sich nutzen. Das war bereits am Scheitern der zuletzt ausgetragenen NPD-„Schutzzonen“-Kampagne zu sehen. Jahrelange persönliche Streitigkeiten und Ausrichtungsfragen tragen ihr Übriges bei. Immer mehr ehemalige NPD-Aktivisten und Sympathisanten kehren der Partei den Rücken.

Sebastian Thom – Der Neonazi im Hintergrund

Nachdem der „Nationale Widerstand Berlin“ (NW Berlin) Anfang der 2010er Jahre mit Repression überzogen wurde, sind einige vorher äußerst aktive Neonazis nicht mehr bei öffentlichen Veranstaltungen, wie z.B. Demonstrationen, aufgetreten. Das heißt allerdings nicht, dass sie mit der Szene gebrochen haben.

Einer der bekanntesten Akteure des ehemaligen NW Berlin ist Sebastian Thom. Er hat sich schon lange von der Teilnahme an Neonazi-Demonstrationen zurückgezogen. Bis zum Mai 2016 saß er im Knast. Davor trat er noch offen als Kreisvorsitzender der Neuköllner NPD auf. 2018 verließt er die Partei. Der Neuköllner Kreisverband löste sich kurz darauf auf.

Seit Thom aus dem Knast gekommen ist, mehren sich die Angriffe gegen Linke in Neukölln wieder. Obwohl er angeblich von Sicherheitsbehörden überwacht wird, kann er weiter politische Gegner ausrecherchieren, Autos anzünden oder mit Rudolf-Heß-Schmierereien die Wände verunstalten. Einen öffentlichen Skandal löste es erst aus, als er zusammen mit seinem Komplizen und langjährigen Freund Tilo Paulenz beim Tresen der Neuköllner AfD gesichtet wurde. Aufgrund von steigendem öffentlichen Interesse trennten sich Paulenz und die Neuköllner AfD, auch sein Amt im Bezirksvorstand gab er ab. Die AfD schien für Neonazis wie Tilo Paulenz und Sebastian Thom eine Alternative zur NPD zu sein. Als der Traum der Nationalen Revolution mit der AfD scheiterte, weil die Partei ihre bürgerliche Fassade behalten wollte, suchten Thom und Co. nach einer wirklichen „nationalen“ Alternative.

Diese scheint Thom nun beim „III. Weg“ gefunden zu haben. Seit Monaten mehrten sich die Hinweise seines Partei-Engagements. Schon im Februar 2018 wurde bei einer Hausdurchschung Propagandamaterial des „III. Weg“ in Thoms Wohnung gefunden. Erst am 21. November 2020, am Tag der „Fight Back – Rechten Terror bekämpfen“-Demonstration in Rudow, wurde Thom beim Flyern für den III. Weg in Nord-Neukölln beobachtet. Dem bundesweiten Aufmarsch der Neonazipartei am 3. Oktober 2020 in Hohenschönhausen blieb er allerdings fern, auch wenn er im Vorfeld im Lichtenberger Weitlingkiez antifaschistische Plakate abriss und Aufkleber des „III. Weg“ verklebte. Nun gibt es aber Fotos, wie Thom zusammen mit der Neonazi-Rentnerin Lilith Evler vom „III. Weg“ am 20. Dezember 2020 Flyer in Berlin verteilte.

Der III. Weg als Sammelbecken für Berliner Neonazis

Mit diesem Wechsel reiht er sich in eine lange Reihe Berliner Neonazis ein, wie z.B. Larsen Aslan, Oliver Oeltze oder Patrick Krüger. Sie sind schon seit Jahren Teil der Neonazipartei. Der „III. Weg“ bietet die faschistische Ästhetik und inhaltliche Ausrichtung, die die NPD in den letzten Jahren verloren hat und freut sich über den Zuwachs.

Als die Neonazipartei am 3. Oktober 2020 zum Aufmarsch nach Hohenschönhausen aufrief, sammelten sich auch weitere (ehemalige) Berliner NPD-Aktivisten und Sympathisanten auf der Demonstration: neben René Uttke, Kai Milde, Lars Niendorf, Andi Körner und Katrin Arnold aus Marzahn-Hellersdorf waren auch Andrew Stelter und Neonazi-Anwalt Wolfram Nahrath vor Ort. Stelter sprach noch kurz zuvor bei einer Kundgebung der Jungen Nationalisten in Hennigsdorf.

Das Auftauchen von so vielen NPD-nahen Kräften beim „III. Weg“ zeigt, dass er inzwischen zumindest auf der Straße eine deutliche Konkurrenz für die NPD darstellt. Der Umzug von Sebastian Schmidtke nach Thüringen verdeutlicht zudem insbesondere die Krise der Berliner NPD. Es bleibt abzuwarten, ob mit diesem neuen Zusammenschluss verschiedener Akteure in der Berliner Szene auch ein Anstieg von Neonazi-Aktivitäten einher gehen wird.

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Die Köpfe der Berliner „Schutzzone“ https://monitorberlin.blackblogs.org/2019/11/27/die-koepfe-der-berliner-schutzzone/ Wed, 27 Nov 2019 19:13:00 +0000 https://monitorberlin.blackblogs.org/?p=136 Autor:innen: Recherche030

Erstveröffentlichung unter Recherche030

Ein Jahr ist seit den versuchten Naziangriffen im Neuköllner Schillerkiez vergangen.¹ Viel spricht für eine Beteiligung der Neuköllner Neonazis Robin-Oliver Band und Maurice Pollei. Beide sind Aktivisten der NPD-Kampagne „Schutzzone“. Was ist die „Schutzzonen“-Kampagne, wer sind zentrale Akteure und was sind ihre Aktivitäten?

Die „Schutzzone“ ist eine bundesweite NPD-Kampagne. Erklärtes Ziel sei es, Deutsche mittels einer „Bürgerwehr“ zu „schützen“, da der Staat diese Aufgabe nicht „richtig“ übernehme. Um auch andere Spektren anzusprechen, treten die Nazis bewusst nicht als Partei auf. In Berlin handelt es sich dabei um eine kleinere Gruppe – überwiegend männlicher – NPD-Aktivisten. Inwieweit es tatsächlich zu längeren Patrouillen durch die „Schutzzone“ kommt, ist zweifelhaft, da sie bisher hauptsächlich durch Fotos im Internet in Erscheinung getreten sind. Es ist davon auszugehen, dass es sich bei der „Schutzzone” vor allem um eine Inszenierung von Straßenpräsenz handelt. Weitere Aktivitäten der „Schutzzone“ sind u.a. das Bereitstellen von Hilfs-Securitys auf Veranstaltungen,² wie beim monatlichen „Dienstagsgespräch“ in Berlin.³ Außerdem posieren sie hin und wieder beim Aufsammeln von Müll.

Oliver Niedrich

Leiter der Berliner Kampagnengruppe ist der NPD-Kader und Energie Cottbus-Fan Oliver Niedrich.

Er ist Anfang 30 und lebte lange Zeit in Sachsen. Vor einigen Jahren zog er nach Berlin und trat in die NPD ein. Niedrich ist u.a. verantwortlich für den NPD-Materialdienst, die Mediengestaltung und die Aufgabe der sogenannte „Medienüberwachung“. Das heißt er „überwacht“ die Landes-Website der Partei sowie zahlreiche Facebookseiten der Kreisverbände. 2014 wurde er Mitglied des Landesvorstands der NPD Berlin, aktuell ist er dort als Beisitzer vertreten. Ferner ist er seit vier Jahren Vorsitzender der NPD Charlottenburg-Wilmersdorf. Niedrich betreut Infostände, wie beim “Eichsfeldtag“ am 18.05.2019 in Leinefelde. Desweiteren fuhr er mit anderen Mitgliedern der Berliner „Schutzzone“ am 17.08.2019 nach Dresden.⁴ In der Berliner „Schutzzone“ besteht seine Aufgabe hauptsächlich darin, die vermeintlichen Patrouillen zu fotografieren und ins Internet zu stellen. Auf vielen Bildern ist er aber auch allein bei der „Schutzzonen“-Patrouille zu sehen, insbesondere im Bereich Berlin-Mitte.

Robin-Oliver Band und Maurice Pollei

Seit Mitte 2018 sind zwei Neonazis bei fast jeder NPD-Aktion dabei:

Robin-Oliver Band, geb. 19.04.1993, Lieselotte-Berger-Straße 59 (2. OG links), 12355 Berlin-Rudow

und

Maurice Pollei, geb. 15.02.1993, Britzer Damm 44 (UG links), 12347 Berlin-Britz

Robin-Oliver Band arbeitet im Familienbetrieb seines Vaters Uwe Band. Der Betrieb „Band Bauelemente“ (Hohenzollerndamm 77a, 14199 Berlin-Wilmersdorf) verkauft und montiert Rollläden, Jalousien und ähnliches. Auch Robin-Olivers Bruder Steven Band arbeitet in der Firma und nimmt an neonazistischen Veranstaltungen teil.

Am 03.11.2018 war neben Maurice Pollei und Robin-Oliver Band auch Steven Band auf einer AfD-Demo mit hohem Neonazi-Anteil in Eberswalde. Dabei trug er eine Jacke der Neonazimarke Thor Steinar. Im Januar 2019 beteiligte er sich am Schutz für das “Dienstagsgespräch“ im Löwenbräu (Leipziger Str. 65, 10117 Berlin).

Robin-Oliver Band ist nach der Arbeit oft mit den Firmenwägen von „Band Bauelemente“ unterwegs, auch um damit zu seinen Neonazi-Aktivitäten zu fahren. Erkennbar sind diese Autos durch die pinken „Band Bauelemente“-Aufkleber an der Rückseite der Fahrzeuge.

Als Team-Mitglied von „Band Bauelemente“ ist ebenfalls der Hund von Robin-Oliver Band aufgeführt. Dieser ist oftmals bei den Aktionen der „Schutzzone“ dabei. Die Freundin von Robin-Oliver bringt häufiger einen weißen Hund bei Aktivitäten der „Schutzzone“ mit. In seiner Nachbarschaft verklebt R. Band gerne Neonaziaufkleber, auch mal mit einer versteckten Klingen.

Erstmals fielen Robin-Oliver Band und Maurice Pollei durch ihre Teilnahme beim Gedenkmarsch für den Hitler-Stellverteter Rudolf Heß am 18.08.2018 auf. Seitdem waren sie – meist zu zweit – auf Demonstrationen sowie bei Infoständen und Partei-Abenden in der NPD-Zentrale zu sehen. Am 01.05.2019 fuhren sie mit anderen Neonazis der „Schutzzone“ zum Aufmarsch der JN in Dresden.

Das “Dienstagsgespräch“

R. Band und Pollei sind für den „Schutz“ beim „Dienstagsgespräch“ verantwortlich, dieses findet monatlich statt. Es handelt sich dabei um einen seit Jahrzehnten bestehenden, internen Stammtisch für Nazis mit Referenten wie dem NPDler Udo Voigt oder dem Holocaust-Leugner Bernhard Schaub. Weil der Organisator Hans-Ullrich Pieper regelmäßig durch antifaschistische Interventionen Probleme bekam, wurde die „Schutzzone“ zur Absicherung vor der Tür abgestellt. Dabei schleusen Robin-Oliver Band und Maurice Pollei an einem Vortreffpunkt die Teilnehmenden zum nahe gelegenen Veranstaltungsort, der regelmäßig wechseln muss.

Die Aufgabe des „Schutzes“ erfüllen R. Band und Pollei nicht gerade zuverlässig. Abgesehen davon, dass sie in der Regel noch vor Veranstaltungsende gehen, verlassen sie meist zwischenzeitlich ihren Posten, um ein sogenanntes „Koks-Taxi“ zu bestellen. Teilweise konsumieren sie bereits nach Abfahrt des „Taxis“ die jeweiligen Drogen direkt am Straßenrand. Die Heimfahrt im Firmenwagen erfolgt selten nüchtern.

Am Inhalt des “Dienstagsgesprächs“ zeigen sich R. Band und Pollei nicht interessiert.

Ruggiero Gleisinger

Ruggiero Gleisinger ist seit Jahren fester Bestandteil der NPD und kandidierte zur Abgeordnetenhauswahl 2016 in Lichtenberg. Bei Veranstaltungen und Demonstrationen übernimmt er Ordner-Dienste, so auch beim Heß-Marsch 2018 oder dem JN-Europakongress in Riesa 2018.

Ruggiero Gleisinger, geb. 07.10.1985, Seehausener Straße 16 (3. OG mitte), 13057 Berlin-Hohenschönhausen

Ein weiterer „Schutzzonen“-Aktivist ist Enrico. Sowohl Gleisinger als auch Enrico wohnen in Hohenschönhausen, sind aber stets mit den Neuköllner Neonazis unterwegs. Generell bilden Robin-Oliver Band, Maurice Pollei, Ruggiero Gleisinger und Enrico den Kern der Berliner „Schutzzone“. Andere beteiligen sich unregelmäßig an den Aktivitäten.

Ruggiero Gleisinger, Enrico und der Neonazi Patrick Bewer „schützten“ in den vergangenen Monaten ebenfalls das „Dienstagsgespräch“. Auch sie verließen ihren Posten vorzeitig, um Drogen zu nehmen, die Gleisinger in Pankow bei seinem Dealer kaufte.

Anschließend zogen sie weiter zum „Zapfhahn88“ (Konrad-Wolf-Straße 88, 13055 Berlin-Hohenschönhausen). Dabei handelt es sich um eine BFC-Fankneipe, in der sich in der Vergangenheit die NPD Lichtenberg getroffen hat.5 Die Kneipe ist nicht regelmäßig geöffnet, Gleisinger hat allerdings einen Schlüssel, um den Treffpunkt nutzen zu können.

Neonazi-Übergriffe in Neukölln

Robin-Oliver Band und Maurice Pollei stehen im Verdacht, im vergangenen Jahr bei zwei Neonazi-Angriffen nahe des U-Bahnhofs Boddinstraße in Neukölln beteiligt gewesen zu sein. Diese Angriffe fanden am 28.09.2018 und am 05.10.2018 statt. Beide Male traten die jeweils 15 bis 20 Neonazis aggressiv auf und verletzten Menschen. Die Angriffe fanden freitags statt.

An den zwei Freitagen vor dem ersten Angriff, dem 14.09.2018 sowie dem 21.09.2018, führten R. Band und Pollei „Schutzzonen“-Streifen in Berlin-Neukölln durch. Daher liegt es nahe, dass sie am 28.09.2018, beim ersten Angriff, ebenfalls versuchten, durch Neukölln zu patrouillieren. Augenzeug*innen berichteten, dass sich einer der Neonazis an der Nase verletzte. Entsprechende Verletzungen trug Pollei fünf Tage später, auf der Neonazidemonstration in Berlin-Mitte.

Beim zweiten Angriff am 05.10.2018 trugen die Neonazis MMA-Handschuhe. Das Mitführen dieser Kampfsport-Utensilien ist ein Zeichen dafür, dass sich die Gruppe auf den Angriff vorbereitet hat. Bei diesem Angriff wurden die Neonazis verjagt. Robin-Oliver Band war zwar im Bereich des sogenannten „Anti Terror Kampf“ (ATK) aktiv, diese sportlichen Vorerfahrungen halfen ihm aber lediglich beim Wegrennen.

Zeug*innen erkannten bei dem Angriff ebenfalls David Linke. Der Lichtenberger BFC-Fan konnte bisher nicht im Umfeld der NPD/“Schutzzone“ festgestellt werden.

 Fazit

 1) Die „Schutzzone“ versucht sich als neonazistische „Bürgerwehr“ zu inszenieren, allerdings ohne nachhaltig präsent zu sein oder Kontrolle im öffentlichen Raum ausüben zu können. Es handelt sich vor allem um ein virtuelles Phänomen, wobei es eine Dunkelziffer möglicher Übergriffe geben kann.

2) Dennoch besitzt die “Schutzzone“ das Potential, Menschen einzuschüchtern, die nicht in ihr menschenfeindliches Weltbild passen. Außerdem gab es mit den beiden Übergriffen in Neukölln bereits gewalttätige Angriffe, die jedoch erfolgreich zurückgeschlagen werden konnten.

 3) Aufgrund der in den “Sozialen Medien“ veröffentlichten Fotos, die sich stark an der Darstellung männlicher Stärke und (soldatischer) Wehrhaftigkeit orientieren, gelingt es der NPD “Schutzzone“ insbesondere bei jungen rechten Männern Anklang zu finden.

 4) Mit dem aktionistischen „Mitmachcharakter“ schafft die Kampagne eine scheinbare Offenheit und Ansprechbarkeit. Damit bietet die NPD auch Anknüpfungspunkte für solche Kräfte, die die aktuelle politische Arbeit der Partei als zu wenig radikal und unansprechend empfunden haben. So sind in der Berliner „Schutzzone“ im letzten Jahr neue AktivistInnen aufgefallen, die ihre Nazi-Tattoos, wie z.B. eine Schwarze Sonne, offen zur Schau stellten, sich vorher allerdings nicht im Umfeld der Berliner NPD bewegt haben. Dementsprechend ist die Partei mit der Kampagne in der Lage in kleinem Rahmen neue Leute zu rekrutieren.

5) Trotz des Fokus auf die mediale Inszenierung der “Streifzüge“ wird mit der „Schutzzone“ das Konzept des „Kampfes um die Straße“ wieder aufgegriffen und aktualisiert. Demonstrationen mit einem hohen Organisationsaufwand stellten sich als immer erfolgloser heraus. Neben der parlamentarischen Bedeutungslosigkeit der NPD wird deshalb eine stärkere (außerparlamentarische) Gewaltorientierung propagiert.

6) Über die öffentliche Zurschaustellung gewalttätiger neonazistischer Männlichkeit ergeben sich zahlreiche Schnittpunkte zum Bereich des terroristisch agierenden Neonazismus. Dies zeigt sich u.a. an Maurice Pollei, der am 03.10.2019 mit einem Shirt der „Combat 18“-Band “Terrormachine“ an einer Neonazidemonstration teilnahm.

7) Mit der „Schutzzonen“-Kampagne hat sich eine gewisse Parallelstruktur zum NPD-Jugendverband Junge Nationalisten (JN) herausgebildet. So beteiligen sich JN-AktivistInnen kaum an der „Schutzzonen“-Kampagne. Während die JN Kaderausbildungen und einen aktionsorientierten Ansatz zusammenbringen will, kann bei der „Schutzzone“ auch ohne ideologische Schulungen mitgemacht werden. Das zieht vor allem zuvor ungebundene, ideologisch wenig gefestigte Neonazis an. Dabei steht der Berliner “Schutzzonen“-Lifestyle aus chemischen Drogen, Alkohol und Gewalt teilweise in direkter Konkurrenz zur Selbstdarstellung der JN.

 In diesem Sinne ist die “Schutzzonen“-Kampagne ein Versuch, mit wenigen Neonazis – in Berlin ist nur eine Handvoll regelmäßig an den Aktionen beteiligt – einen “Kampf um die Straße“ zu führen, eine gewisse eigene Stärke zu simulieren und militante Neonazis einzubinden. Gleichzeitig ist der Aufwand für einige Fotos vergleichsweise gering, sodass ohne große Anstrengung zumindest eine digitale Aufmerksamkeit erzeugt werden kann. Diese reine Ausstellung neonazistischer Tatkraft könnte zu einer dauerhaften Festigung faschistischer Identität führen, während in Wirklichkeit ein Lifestyle aus Drogen gelebt wird.

Quellen

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