Solidarität – NoG20-Soli Göttingen https://nog20soligoe.blackblogs.org Unsere Solidarität gegen ihre Repression! Tue, 02 Jul 2019 21:23:38 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 Aktionistisches Sommerfest am 5.7. ab 16 Uhr ums Juzi https://nog20soligoe.blackblogs.org/2019/06/27/aktionistisches-sommerfest-am-5-7-ums-juzi/ Thu, 27 Jun 2019 17:26:13 +0000 http://nog20soligoe.blackblogs.org/?p=545 Continue reading ]]>

* Solidarität mit den Angeklagten in G20_Gerichtsprozessen! *

Am 6. und 7. Juli jährt sich der G20-Gipfel in Hamburg zum zweiten Mal. Noch immer sitzen Menschen deswegen im Knast. Noch immer laufen Verfahren. Und noch immer sind viele Anklagen gegen Menschen noch nicht fallengelassen worden – so auch bei einigen Göttinger*innen, die in Rondenbarg festgenommen worden sind. Es ist daher leider wahrscheinlich, dass nach dem Elbechaussee-Prozess weitere Prozesse zum Komplex Rondenbarg folgen werden, die u.a. die „Gö8“ betreffen.

Aus Anlass des Jahrestages rufen die bundesweiten Solistrukturen zu Aktionstagen auf. Den Aufruf könnt ihr auf unserer Homepage nachlesen.

In Göttingen wird es am Freitag, den 5. Juli ab 16 Uhr ein aktionistisches Sommerfest rund ums Juzi geben. Unterschiedliche Gruppen laden euch zu Sprayworkshop, Infoständen, Grillen und Waffeln, Wurf-Action und vermutlich noch einigem mehr ein.
Um 20:45 soll ein Solifoto für Loic – einem der Angeklagten im Elbchausseeprozess, der noch immer (seit mittlerweile 10 Monaten) in Untersuchungshaft sitzt – entstehen.
Ab 21 Uhr gibt es ein Soli-Konzert und Theke. Das Programm haben wir unten aufgelistet…

Bringt euch, gute Laune und Ideen mit!
Solidarität ist eine Waffe. Und wir wissen ganz genau, wie man sie benutzt!

Näheres zu den Prozessen und den Repressionen nach G20 findet ihr auch auf der Seite von united we stand Hamburg.

Programm:
ab 16h   – Infostände, den Gefangenen schreiben, Wurf-Action, Waffeln essen, Buttons machen,…
16h         – Spray-Workshop
17:15h   – Das Chorkollektiv singt
18h        – Die Soli-Küche schmeißt den Grill an
19h        – Workshop mit Rhythms of Resistance
20:45h – Solifoto für Loic
21h        – Konzert mit Schrottvogel (Modular Post Kraut aus Oldenburg) und Kalmen Rossbreiten (Geräauschmusik aus Bremen)

 

]]>
Interview mit den Betroffenen der Razzien 2017 und 2018 in Göttingen https://nog20soligoe.blackblogs.org/2019/03/18/interview-mit-den-betroffenen-der-razzien-2017-und-2018-in-goettingen/ Mon, 18 Mar 2019 01:33:31 +0000 http://nog20soligoe.blackblogs.org/?p=505 Continue reading ]]> „Es können sich einfach nicht alle wirklich vorstellen, was das heißt.“

Wir haben mit einigen Aktivist*innen gesprochen, die von den Razzien im Dezember 2017 und Juni 2018 in Göttingen betroffen waren. Unsere Gesprächspartner*innen waren entweder selbst Ziel der Durchsuchung oder haben die Durchsuchung als Mitbewohner*innen erlebt. Andere waren zwar Ziel der Durchsuchung, aber selbst nicht vor Ort und mussten das Geschehen aus der Ferne verfolgen. Wir wollten wissen, wie sie die Durchsuchungen erlebt haben, was aus den geklauten Sachen geworden ist und welche Folgen die Razzien hatten und vielleicht bis heute haben.

Die Durchsuchten sollen im Zusammenhang mit den Protesten gegen den G20-Gipfel in Hamburg diverse Straftaten begangen haben. Die Vorwürfe reichen dabei von „schwerem Landfriedensbruch“ über die „Teilnahme an einer gewalttätigen Demonstration“ bis hin zu „versuchter schwerer Körperverletzung“. Dazu kamen in einigen Fällen Vorwürfe im Zusammenhang mit einem vorgeblichen Angriff auf den Neonazi Lars Steinke im März 2018.

In dem Gespräch hat sich erneut gezeigt, wie wichtig und hilfreich ein solidarischer Umgang sowohl im Vorfeld als auch während und nach einer Hausdurchsuchung ist.

Überfall im Morgengrauen

Bei den Razzien in Göttingen gab es viele Gemeinsamkeiten, die noch einmal deutlich machen, worum es dabei tatsächlich ging: Einschüchterung und Kriminalisierung.

In allen Fällen ging die Polizei überfallartig vor. Morgens um sechs wurden direkt die Türen aufgebrochen, es wurde nicht geklingelt.

„Um sechs Uhr gab es einen riesen Krach, sie haben mehrmals „Polizei, Polizei“ gerufen. Auf einmal schlug meine Zimmertür auf und vier Bullen kamen rein, alle vermummt. Sie haben mich aus dem Bett geholt, mir dabei den Arm verdreht und mich dann gezwungen, mich an den Schreibtisch zu setzen.“

Auch andere berichteten vom brutalen Vorgehen der Polizei: „… dann sind die rein und wir wurden praktisch an die Wand geklatscht und durften uns nicht mehr bewegen.

Nur in einem Haus gelang es gerade noch, die Tür aufzumachen, bevor sie von den Beamt*innen zerstört werden konnte. In einer anderen Wohnung wurde dieser Versuch brutal verhindert: „Ein Mitbewohner hat dann gleich gerufen ‚Wir haben einen Schlüssel, nicht die Tür einrammen, wir haben einen Schlüssel und machen auf!‘ Also das war eine Glastür, man sieht, wenn jemand dahinter steht und die Tür aufmachen will. Den haben sie dann mit dem Rammbock trotzdem weggeknallt“.

Bei denjenigen, die aus dem Bett geholt wurden, setzte sich die Schikane damit fort, dass sie sich lange Zeit nicht anziehen durften. Ein Betroffener berichtet: „Ich musste eineinhalb Stunden nur in Unterhose abwechselnd in der Küche und in meinem Zimmer sitzen. Ich wurde auch nochmal durchsucht, obwohl ich nur eine Unterhose an hatte …“

Außerdem fiel bei allen Durchsuchungen auf, dass sich die Cops offenbar in den Wohnungen auskannten. Sie wussten genau, wohin sie wollten, also welches die Zimmer der Betroffenen waren bzw. wie sie unbemerkt zur Terrassentür gelangen.

„Bei mir wussten sie auf jeden Fall ganz genau, wer wo wohnt. Ich wohne nicht in einem Studi-Werk-Haus, das heißt, sie haben das auf jeden Fall schonmal beobachtet, anders kann ich mir das nicht erklären. Bei mir sind sie direkt mit vier Bullen vermummt ins Zimmer gestürmt, während bei den anderen Mitbewohnis erstmal geklopft wurde.“

Der Überfall der Polizei endet in vielen Fällen jedoch nicht mit der Durchsuchung der Personen, sondern auf der Polizeiwache. Die Personen werden gerne mal im Anschluss zur ED-Behandlung verschleppt. In der Hoffnung, dass die Durchsuchung gleich vorbei sei, beschreibt einer der Betroffenen, was sich abgespielt hat:

„Die wollten mich eigentlich direkt in der Wanne mitnehmen. Sie waren mit den Kellerräumen fertig und auf einmal zogen sie sich dann Handschuhe an. Ich denke nur noch: Scheiße, was geht da ab?! Der Anwalt ist dann dazwischen und hat gefragt, was das werden soll. Sie sagten: Der muss jetzt mit! Ich habe aufgehört zu denken und nur auf meinen Anwalt geguckt und gehofft, dass er da irgendwas macht. Eigentlich dachte ich, ich bin gleich frei und dann kam das. Er hat dann ausgehandelt, dass ich „freiwillig“ innerhalb von 20 Minuten bei denen auftauche. Ich war rechtzeitig da, auch mit vielen Leuten, die mich begleitet haben, was echt cool war, aber die Bullen waren zu spät und ich musste noch 15 Minuten warten.“

Tatort in Göttingen, oder was?!

Öffentlichkeitswirksam war bei allen Durchsuchungen ein enormes Polizeiaufgebot im Einsatz. Vor den Häusern bestimmten vermummte Cops mit den dazugehörigen Transportmitteln das Straßenbild. Damit soll ein Signal an Nachbarschaft, Presse und alle, die zufällig vorbeikommen, gesendet werden: Hier wird gegen schwerkriminelle, gefährliche linke Gewalttäter*innen vorgegangen. Die Reaktion, die damit hervorgerufen werden soll, zeigt sich auch in Äußerungen wie: ‚Da wird ja schon was gewesen sein, wenn da so viele Polizisten auflaufen!‘, die sich eine der Betroffenen anhören musste. Auch das ist als Teil der Einschüchterungsstrategie zu sehen. Und als Versuch, die Betroffenen in ihrer Nachbarschaft zu stigmatisieren.

„Es war immer so komisch, wenn ich durchs Fenster geguckt habe und überall waren Polizisten. Wenn du das Fenster aufmachst, glotzen die da gleich durch.“

Bei einer der Durchsuchungen gingen die Bullen sogar noch einen Schritt weiter:

„In der Straße ist auch eine Schule. Da sind also Gruppen von Fünft- und Sechstklässlern die Straße hochgelaufen, vorbei an den vermummten Polizist*innen und alles war voller Wannen. Später wurde uns erzählt, dass die Cops sogar vermummt und bewaffnet einfach in der Schule ein und aus gegangen sind, vermutlich um auf Toilette zu gehen …“

In ihrer Nachbarschaft haben die Interviewten ganz unterschiedliche Reaktionen erlebt, die meisten waren freundlich bis solidarisch:

„Eine Nachbarin kam direkt danach und wollte aufräumen helfen. Nachdem die ganzen Cops endlich weg waren, kamen plötzlich ganz viele Leute mit Brötchen vorbei.“

„Manche Leuten kamen ganz aufgeregt und dachten, es sei etwas ganz schlimmes passiert.“

„Bei uns haben manche gefragt, ob der Tatort da gerade gedreht wird. Es war halt an dem Tag, an dem auch der Tatort in Göttingen gedreht wurde.“

„Aber die Strategie der Polizei ist nicht aufgegangen: Unsere Nachbarn hassen uns jetzt nicht und niemand hat jetzt Angst vor uns. Unsere Straße wird nicht gemieden, unser Haus hat nicht an Wert verloren …“

Und auch die Vermieter*innen reagierten eher gegenüber der Polizei und deren aggressiven Vorgehen mit Unverständnis, als dass sie ihren Mieter*innen einen Vorwurf machten:

„Nach vier Monaten wurde die zerbrochene Haustürscheibe ersetzt. Dafür kam auch eine Gutachterin von der Polizei. Die Vermieterin war auch dabei und hat gefragt ‚Warum haben sie das gemacht? Sind sie blöd, oder was?!‘ Das war echt cool, ‘ne starke Reaktion!“

Die Spinnen, die Bullen, die Schweine

„Unser Treppenhaus war zugeschissen mit Bullen, das war so voll, irgendwann standen sie sich gegenseitig auf den Füßen. Dann hieß es Rückzug, die Hälfte von denen musste wieder raus. Es war totales Chaos. […] Im Treppenhaus hatten sie die Helme irgendwann abgenommen, aber sie waren die ganze Zeit vermummt. Man hat total gemerkt, wie die einen hassen und nach irgendwas suchen, was ihnen einen Grund gibt. In den Augen sah man Verachtung und vor allem auch Hohn.“

Ähnliches zeigte sich auch bei einer anderen Durchsuchung:

„Manche Cops waren super aggressiv, weil sie einfach das Feindbild links haben. Das merkte man daran, wie sie einen angucken, wie sie einen anfassen. Ich wurde mehrmals noch gegen die Wand geschubst oder am Kragen gepackt, wenn ich irgendwo langgegangen bin. Es gab viele solcher kleinen Situationen, wo ich dann selber total aggressiv geworden bin.“

Dass die Durchsuchungen weniger dem Auffinden irgendwelcher Beweise dienen sollten, sondern mehr als Strafaktion gegen die Aktivist*innen gedacht waren, wurde nicht nur immer wieder im Verhalten der eingesetzten Bullen deutlich. Eine klare Anweisung, was denn nun gesucht bzw. beschlagnahmt werden sollte, hatte es offensichtlich nicht gegeben, so dass es während der Durchsuchungen immer wieder zu absurden Situationen kam.

„Manchmal hat man sich gefragt, was sie da eigentlich tun. Bei einer SD-Karte haben sie sich gefragt, was denn das für ein Stück Plastik ist. Dafür haben sie eine Plastikkamera mitgenommen, die offensichtlich ein Requisit, ein Kinderspielzeug, ist.“

„Ich hab schon den Eindruck, dass das ne Strategie ist. Die einen zögern alles raus und andere sind nur da, um dich unter Druck zu setzen oder zu provozieren.“

Von Kellogspackungen und anderen Dingen

Kein Wunder also, dass sich die Beamt*innen wenig für die Durchsuchungsbeschlüsse interessierten. Die Betroffenen mussten nicht nur lange auf die Beschlüsse warten, sondern es schien auch keine große Rolle zu spielen, was drin stand. Die Bullen haben so oder so die gesamte Wohnung durchwühlt und verwüstet.

„Im Durchsuchungsbefehl stand nur, sie suchen ein Samsung-Handy. Und ich bin so wütend, denn das Handy hatten sie nach fünf Minuten, dann hätten sie ja wieder gehen können! Stattdessen haben sie ja alles einfach mitgenommen, was sonst noch so da war. Nicht nur meine Sachen, auch die von meinem Mann.“

Nicht nur mit Durchsuchungsbefehlen nehmen die Cops es scheinbar nicht immer ganz genau:

„Auch die Beschreibung der Bullen ist einfach super schwammig: ‚männlich, phänotypisch europäisch, Haarfarbe von hellblond bis lilaviolett‘, steht genauso in der Akte. Das sind so die typischen Bullenschubladen. Damit ist das einfach polizeiliche Willkür. Die wollen Ergebnisse haben, die wollen einschüchtern und es ist einfach scheißegal, ob man was macht oder nicht.“

Durchsucht wurden neben den Zimmern der Betroffenen Gemeinschaftsräume, Küchen, Räume von Ehepartner*innen, Keller sowie Autos. Und das offenbar gründlich: „Bei uns haben sie in Kelloggspackungen reingeguckt. Wir hatten mehrere davon und sie haben die wirklich in die Hand genommen, haben da so reingeguckt und drin rumgewühlt. Was erwarten die denn, in ner Kelloggspackung zu finden?!“

Geklaut wurden neben den Handys vor allem Computer, Laptops und alle Arten von Speichermedien. In einzelnen Fällen auch Kleidungsstücke und Ähnliches.

„Sie haben alles an digitalen Datenträgern mitgenommen, was man sich so vorstellen kann. Die waren sich dabei auch für nichts zu schade. Also, sie haben einen komplett demolierten IPod Touch aus dem Jahr 2004 mitgenommen. Der ist auch total verbogen. Ich weiß nicht, was sie sich davon erhofft haben. Es ist klar erkenntlich, das Ding funktioniert nicht, haben sie trotzdem mitgenommen.“

Dass es bei den Durchsuchungen um Einschüchterung und Schikane ging, zeigt auch folgendes Beispiel deutlich: In einem Fall gilt ein Video als Beweismittel und Grundlage der Razzia. Die Person im Video trägt einen Rucksack. „Bei uns fehlt noch ein Rucksack, der nicht mir gehört und auch nicht in meinem Zimmer war, sondern auf dem Dachboden, und der eine andere Farbe hat als der auf dem Video.“ Aber Hauptsache Rucksack mitgenommen …

Auch nach über einem Jahr sind einige der beschlagnahmten Sachen noch immer bei den Bullen. Nur in einem Fall waren alle Sachen nach ca. drei Wochen wieder da. Die Regel waren eher einige Monate und manches ist bis heute weg. Selbst unverschlüsselte Laptops und Datenträger mit wichtigem Arbeitsmaterial wurden teilweise monatelang einbehalten. Vor der Rückgabe wurden alle Datenträger gespiegelt. Große Probleme haben die Cops nach wie vor mit verschlüsselten Laptops und Datenträgern. Diese sind nun „auf unbestimmte Zeit“ beim LKA in Hannover. Vorher haben die Cops versucht, die Genoss*innen damit unter Druck zu setzen, dass sie ihre Laptops etc. schneller zurückbekommen, wenn sie die entsprechenden Passwörter aushändigen – selbstverständlich ohne Erfolg.

Unangenehmes Detail am Rande: Die zur Auswertung nach Hamburg geschickten Sachen sollten von den Betroffenen auch dort wieder abgeholt werden. Erst nach Einschreiten eines Anwalts lagen die Sachen dann doch in Göttingen bereit.

Get disconnected!

Viele technische Geräte spielen in unserem (politischen) Alltag eine wichtige Rolle. Daher sind die Daten auf unseren Laptops, Computern, Telefonen und anderen Datenträgern ein Spiegel unseres Lebens, an dem auch die Polizei ein dementsprechend großes Interesse hat. Es ist also wenig verwunderlich, dass die Bullen alles mitnehmen, was sie in die Finger kriegen – mit entsprechenden Folgen für die Betroffenen.

„Du hast ja alles nicht mehr. Handy und Laptop sind weg. Ich bin noch nicht wieder auf dem Stand von vorher. Teilweise fehlt mir auch gerade verschlüsselte Technik. Und natürlich ist eine Angst da, dass meine Mails und so noch überwacht werden. Das ist für mich persönlich wahrscheinlich so das Schlimmste, dass ich Gefühl habe, ob ich da für andere Leute eine Gefährdung bin.“

Beim Umgang mit Daten und Gerätschaften stellen sich vor allem zwei grundsätzliche Fragen: Zum einen, wie wir die Daten vor dem Zugriff der Repressionsbehörden schützen können und zum anderen, wie wir die Daten für uns selbst sicher erhalten können.

Damit die Cops nicht an die Daten rankommen, ist es wichtig, möglichst alle Computer, Handys und Datenträger zu verschlüsseln. Die Erfahrungen in diesen und anderen Fällen zeigen, dass sie an korrekt verschlüsselte Geräte, wenn überhaupt, nur mit erheblichem Arbeitsaufwand rankommen, der ggf. im Einzelfall gerechtfertigt werden muss.

„Verschlüsselung macht Sinn, da kommen die Bullen meistens nicht so schnell ran. Dafür sind die Daten dann aber meistens komplett weg.“ Aber letztlich sind die Daten auch weg, wenn ihr die Datenträger wiederbekommt. Es besteht immer das Risiko, dass die Cops etwas auf den Geräten hinterlassen.

Insofern scheinen sich auch alle Interviewten grundsätzlich einig: „Die technischen Sachen, die ich wiederbekommen habe, die benutze ich nicht.“

Dennoch ist es nicht ganz so leicht, wie sich das manchmal sagen lässt, denn mit den zurückgegebenen Speichermedien kommt meistens kein Inhaltsverzeichnis anhand dessen sich nachvollziehen lässt, was wo drauf ist und dann möglicherweise verloren geht. Und manches ist vielleicht nicht so einfach wieder herzustellen …

Das führt auch direkt zum nächsten Punkt: Das Sichern der Daten, damit dann eben nicht alles weg ist.

„Es macht also Sinn verschlüsselte Backups zu machen und die auch nicht im Haus zu lassen.“

„Das Gute war, dass ich mir mal digital aufgeschrieben hatte, was wo drin ist und ich hatte auch Backups von bestimmten Dateien. Bei der zurückbekommenen Hardware, wie USB-Sticks habe ich schon angefangen sie zu zerstören. Mit dem Hammer, das hat echt gut getan!“

Vor allem bezüglich eurer Bachelor-/Master-/Doktorarbeit oder anderer Arbeitsunterlagen solltet ihr euch vorher überlegen, wie ihr die Daten sichert, sodass ihr trotz einer Hausdurchsuchung und Datendieben nicht von vorne anfangen müsst. In Einzelfällen kann dafür ggf. eine Cloud oder eine andere externe Speicherung sinnvoll sein. Denkt dabei aber daran, dass auch das Internet nicht sicher ist. Befasst euch mit der Thematik bevor ihr wahllos Daten online speichert! Gute Infos und Diskussionsbeiträge zu Datensicherheit u. ä. gibt es unter anderem bei Capulcu.blackblogs.org von einer Gruppe technologie-kritischer Aktivist*innen und Hacktivist*innen.

Out of Action? – Bewältigung braucht Zeit

Während der Razzien kamen bei den Durchsuchten ganz unterschiedliche Gefühle hoch. Aber auch danach ist nicht nur das Zimmer bzw. die Wohnung verwüstet, sondern auch die Menschen brauchen Zeit, um mit dem Erlebten umzugehen.
Während der Razzien berichteten die Betroffenen vor allem von Wut, die sich unterschiedlich äußerte, teilweise in Aggressivität, teilweise mehr in einem Gefühl der Lähmung.

„Ich fand es krass, zu merken, wie aggressiv ich geworden bin. Das war eine Facette von mir, die ich noch nicht kannte. Ich war so aufgeregt, dass ich am liebsten allen eine auf die Fresse gegeben hätte.“

„Ich hatte ja schon gesagt, dass ich damals so gelähmt wütend war. Als die dann endlich weg waren, dachte ich, ich müsste ja vielleicht auch mal essen. Ich hatte aber noch gar keinen Geschmack für irgendwas, es schmeckte alles irgendwie nach Pappe.“

Das Gefühl der Verletzung bleibt oft auch nach den Razzien bestehen: „Es ist eine Verletzung, das spürt man auch danach noch. Ich habe mich gefragt, wieso ich, wieso an diesem Tag? Ich wollte in den Urlaub fahren und hatte meinen Rucksack gepackt.“

Auch die Wut entwickelte sich teilweise erst in der Zeit nach der Durchsuchung:

„Im Laufe der Zeit, als alles ein bisschen gesackt ist und erstmal rein persönlich kein so großes Nachspiel hatte, bin ich richtig wütend geworden. Richtig doll wütend auf diesen Staat, auf das, was er macht mit Leuten: Menschen auf diese subtile Art zu unterdrücken. Wenn ich Polizisten sehe, bin ich richtig sauer. Man sieht es an jeder Ecke, immer wieder hat man diese Repression und das bewegt mich sehr. Wie viel dieser Repression soll man eigentlich akzeptieren? Ich habe da so einen richtigen Hass.“

Auch nach den Razzien bleiben Ängste bei den Betroffenen, zum Beispiel, dass die Wohnung verwanzt wurde oder dass die Cops nochmal wiederkommen.

„Auch jetzt habe ich manchmal noch Angst, dass die da irgendwas hineinbeweisen in irgendwelche Sachen. Wenn die einen schon so ausspitzeln und so wild darauf sind, einem irgendwas anzuhängen oder was zu finden. Ich habe Angst, dass die sich irgendwas zurechtlegen, was nie passiert ist. Es gibt ja viel Manipulation.“

Dass diese Befürchtung keinesfalls an den Haaren herbeigezogen ist, zeigt ein Beispiel aus den Ermittlungsakten. Darin ist ein beschlagnahmtes Foto aufgeführt, das die Betroffene beim Lesen im Urlaub zeigt. Sie liest „Ihr Partisanen, nehmt mich mit euch“ von Giacomo Notari. Eine ausführlich dokumentierte google-Recherche zum Wort „Partisanen“ zeigt, welches Bild die Bullen dabei konstruieren wollen: eine Partisanin bereitet sich auf den nächsten Anschlag vor. Ihr solltet also aufpassen, mit welchen Geschichtsbüchern ihr euch fotografieren lasst …

„Wir hatten auch total Angst, dass die was dagelassen haben, weil die halt so total skurril in den Gemeinschaftsräumen gesucht haben, wie mit den Kelloggspackungen …“

„Eher im Privaten haben wir uns überlegt, ob wir überprüfen lassen, ob da so Überwachungssachen sind. Und wir fragen uns, wo wir uns eigentlich noch unterhalten können? Es macht mich so zornig, dass man aus seiner eigenen Wohnung raus gehen muss, um zu reden.“

„Bei mir ist eher die Angst da, dass mir das nochmal passiert. So ein bis zwei Mal pro Monat kommt es vor, dass ich schlafen gehe und denke ‚ja scheiße, morgen kommen die‘. Das ist völlig irrational und kommt aus dem Nichts. Ich wache auch morgens schneller auf bei Geräuschen. Das ist nicht täglich, aber ist schon eine Veränderung.“

Eine entscheidende Frage für die Betroffenen ist, wie mit dieser Verletzung der Privatsphäre umgegangen werden kann:

„Ich war ja bei der Durchsuchung nicht dabei. Wenn man sieht, was wird angefasst und wie wird das angefasst, dann ist das vielleicht etwas anderes. Bei mir ist das Komische, dass ich in mein Zimmer gekommen bin und auf den ersten Blick alles so aussah wie immer, aber irgendwie auch total anders, weil alles so minimal verschoben war. Eine Mitbewohnerin hat wieder alles zurück in die Schränke getan, so dass auf den ersten Blick wieder alles super sauber war. Aber sobald ich was gesucht habe, war es halt nicht mehr an dem Ort. Und um mich in meinem Zimmer wieder zurechtzufinden, musste ich alles aus allen Schränken wieder raus holen. Damit war sozusagen der Zustand direkt nach der Hausdurchsuchung wieder da und ich musste wieder alles neu aufräumen. Die haben ja alle Boxen ausgekippt und wenn ich zum Beispiel alte Fotos suche, dann frag ich mich: ja wo ist das denn jetzt? Bestimmte Teile in meinem Zimmer fühlen sich immer noch ein bisschen fremd an. Das ist schon komisch.“

„Ich habe da auch irgendwie gute Sachen mit rausgenommen. Wir haben jetzt vor den Gemeinschaftsräumen Vorhänge angebracht. Wir hatten vorher die Idee, dass es ja auch nett ist, keine Vorhänge zu haben, aber das machen wir jetzt nicht mehr und die Vorhänge werden auch zugezogen.“

Ganz Göttingen hasst die Polizei!

Wir haben die Betroffenen auch gefragt, ob und welche Auswirkungen die Razzien auf persönliche Beziehungen hatten, sei es zu den Menschen, mit denen sie direkt zusammenwohnen als auch zu Freunden und Familienmitgliedern, denen nur davon erzählt wurde. Dabei wurde vor allem von unterstützenden Reaktionen berichtet:

„Ich habe das, was passiert ist, schon einzelnen Familienmitgliedern erzählt. Dabei habe ich nie rausgehört, dass sie schlimm finden, was ich mache, sondern eher dieses ‚Pass auf dich auf!‘ Das finde ich auch total wichtig, dass man merkt, dass Leute sich nicht abwenden von einem, dass nicht so in Frage gestellt wird, was man eigentlich an Ideen teilt und gut findet.“

„Komischerweise habe ich von den Leuten, die nicht in der linksradikalen Szene sind, sondern die vielleicht eher so ‚Bauchlinke‘ sind, eher Unterstützung bekommen. Die haben sich richtig aufgeregt, wie ‚Scheiß Cops! Das wusste ich gar nicht, dass die so drauf sind… Das geht ja gar nicht!‘ Ich habe denen dann Zeitungsartikel gezeigt und sie haben langsam mehr Zusammenhänge verstanden. Jetzt sehe ich sie auch häufiger auf Demos und auf Veranstaltungen im Autonomen Zentrum, im Jugendzentrum und so. Bestimmt war die Hausdurchsuchungserfahrung nicht der einzige Auslöser, es hat aber sicher dazu beigetragen, dass manche Leute sich mehr mit politischen Themen, insbesondere Repression, auseinandersetzen. Und das ist schon ziemlich cool: auf einmal gibt es Menschen, die vorher nicht tief in der Szene waren, die sich jetzt dafür interessieren!“

Menschen, die die Razzien als Mitbewohner*innen erlebt haben, sind in dem Moment ja auch selbst von der Gewalt betroffen. Ihre Reaktionen waren unterschiedlich, aber es überwog die Wut auf die Polizei.

„Zwei Mitbewohnis sind jetzt wütender auf die Cops geworden. Die waren nicht so wirklich politisch aktiv, aber denken jetzt anders und das finde ich gut.“

„Ich habe auch eine tiefe, tiefe Dankbarkeit gegenüber den Mitwohnis, die in der Situation den klaren Kopf behalten haben. Die hatten dieses Plakat zu Hausdurchsuchungen irgendwie auswendig gelernt und haben mit einer Standhaftigkeit so Sachen eingefordert. Weil es ist ja früh morgens, die ganze Straße ist voller Bullen, das ganze Treppenhaus ist voller Bullen … Und meine Mitbewohnerin steht da und brüllt mit entsprechender Lautstärke ‚Wo ist der Durchsuchungsbeschluss‘, ganz ohne Beleidigung, aber ganz straight und immer wieder. Sie fordert ein, was ihr zusteht: ‚Wer sind sie? Wie ist ihr Name? Was ist hier der Vorwurf? Gegen wen richtet sich das?‘. Wir haben das Plakat natürlich auch genau neben der Tür hängen. Ich lauf da jeden Tag dran vorbei, aber es war alles weg in dem Augenblick.“

„Das ist auch eine Erfahrung, die zusammenschweißt. Auf der einen Seite gab es voll den Hass, auf der anderen Seite hat es Menschen aber auch voll nahegebracht, auch so mir persönlich.“

Solidarität ist eine Waffe!

Nicht nur im direkten Wohn- und Lebensumfeld gab es Unterstützung in unterschiedlichen Weisen. Als eine große emotionale Unterstützung während der Razzien wurden auch die solidarischen Menschen wahrgenommen, die sich frühmorgens vor betroffenen Häusern versammelten:

„Toll war auch, dass gleich Leute draußen waren. Keine Ahnung, wo die herkamen, aber plötzlich hörte ich Sprechchöre von draußen. Da standen Leute mit FCK BFE-Tassen und tranken ihren Kaffee. Es wurden sogar noch Transpis irgendwo aufgetrieben.“

„Für mich war es auch total wichtig, zu sehen, dass es Leute gibt, die dazu arbeiten … kritische Journalisten, die dazu schreiben … dass es Fotos gibt … dass man nicht so auf die Bullen und den Staat zurückgeworfen ist und nur die die Deutungsmacht über das haben, was da passiert ist!“

Gute Vorbereitung ist alles: Was tun, bevor die Bullen vor deiner Tür stehen

Zu guter Letzt wollen wir natürlich Erfahrungen nutzen, um uns für mögliche weitere Hausdurchsuchungen zu wappnen. Deswegen haben wir zum einen nochmal zusammengetragen, was wir aus den Berichten der Betroffenen ziehen und sie zum anderen auch selbst nach praktischen Tipps gefragt.

Wichtig ist vor allem, den möglichen Fall einer Razzia und wie  damit umzugehen ist, mit den Mitbewohner*innen zu besprechen: „Besprecht das auch in der WG: ‚Was passiert, wenn … die Polizei die Wohnung durchsuchen will …‘ Ich habe bemerkt, dass sich einfach nicht alle wirklich vorstellen können, was das heißt“. Dabei ist es auch wichtig, zu besprechen, was ist, wenn du Ziel der Durchsuchung, aber selbst gar nicht anwesend bist.

Bedenkt dabei auch, dass es rechtlich keine Trennung des Eigentums bei Ehepartner*innen gibt, also deren Räume und Sachen ebenfalls durchsucht und beschlagnahmt werden. Ähnliches gilt für eure Kinder, auf die die Schweine im Zweifel mal so gar keine Rücksicht nehmen.

Um sich selbst sicherer zu fühlen in einer solchen Situation, kann zum Beispiel dieser Hinweis helfen:

„Sprecht dieses Plakat zu Hausdurchsuchung mal laut! Übt es mal, eure Rechte einzufordern, so vorm Spiegel. Es kam mir echt nicht über die Lippen.“

Habt die Nummer einer Anwält*in eures Vertrauens griffbereit in der Wohnung, da es wichtig ist, dass möglichst schnell eine vor Ort ist. Die Erfahrungen in Göttingen haben gezeigt, dass mit Ankunft der Anwält*innen in der Regel auch die Situation mit den Cops etwas entschärft wurde.

Betroffen sind einige – gemeint sind wir alle: United we stand!

Auch 20 Monate nach dem Gipfel in Hamburg sind die Nachwirkungen noch nicht ausgestanden. Das gilt für Göttingen sowie für alle anderen Städte, in denen Menschen von Repression betroffen sind. Auch wenn wir hier im Interview ganz individuelle Erfahrungen in den Vordergrund stellen, muss die fortlaufende Repression der letzten Jahre als umfassender Angriff auf emanzipatorische und widerständische Strukturen verstanden werden.

Jede Fahndung, Razzia oder Festnahme soll verunsichern und Ressourcen binden. Prozesse, wie zum Beispiel das aktuell laufende Verfahren um die G20-Proteste in der Elbchaussee, werden für einen breiten Angriff auf das Demonstrationsrecht genutzt. Parallel werden die repressiven Befugnisse der Cops durch die neuen Polizeigesetze massiv ausgebaut.

Die Solidarität untereinander während und nach dem Gipfel hat aber gezeigt, dass wir uns nicht einschüchtern und spalten lassen. Es ist auch diese Solidarität, die den von den Razzien Betroffenen die Kraft gibt, weiter für eine emanzipatorische Welt einzustehen. Und es ist diese Solidarität, die einen großen Unterschied darin macht, wie das Erlebte zu verarbeiten ist.

Wir möchten uns bei allen am Interview beteiligten Personen für die Zeit, das Vertrauen und die ehrlichen Antworten bedanken!

Ob friedlich oder militant, wichtig ist der Widerstand.

Alle Bilder stammen von Links Unten Göttingen. Vielen Dank!

]]>
Demo nach Hausdurchsuchungen in Göttingen am 7.7.2018 https://nog20soligoe.blackblogs.org/2018/07/08/hamburg-japan-hauptsache-italien/ Sun, 08 Jul 2018 20:46:48 +0000 http://nog20soligoe.blackblogs.org/?p=276 Continue reading ]]> 9

Am Samstagmittag haben wir mit über 250 Menschen kraftvoll gegen Repression und Polizeiwillkür in Göttingen demonstriert. Bilder von der Demonstration gibt es von den Genoss*innen bei linksunten.

Leider erst nach Beginn der Demo erreichte uns ein Gruß aus dem italienischen Feltre, den wir hier aber gerne weitergeben:

Ciao to you all, our friends and comrades,

In this day, a year ago, hell was unleashing from the bowels of Hamburg.
That was a blast.
Hundreds of thousands of people spoiled the big party.
The brutality and arrogance of German military was ridiculed.

Today, many people are still paying the repressive revenge of the german state. That sucks. But what’s going on these days in Europe is not shocking news. Not anymore. And that’s because it has long become a war report. To accept the strife towards State and capitalism also means to
give up any legitimacy to their eyes.

You know what’s a blast either?
That we’re together even when far away.
The relations we built.
The hands we’ve hold during demos and charges.

They’re all things repression will never take away from us. And there are many more.

Freedom to all the prosecuted! Free Peike! Free all g20 prisoners!

United we stand!
Brothers and sisters from Feltre (IT)

Außerdem gab es mehrere spannende Redebeiträge, einzelne (von uns und der A.L.I.) wollen wir gerne mit euch teilen:

Antifaschistische Linke International (A.L.I.) Göttingen:

Vor gut einem Jahr wurde bekannt, dass das 4. Fachkommissariat der Polizeiinspektion Göttingen, verantwortlich für Staatschutz, eine umfangreiche Datensammlung über linke Aktivistinnen und Aktivisten angelegt hatte – illegal und über Jahre hinweg füllten die Staatschutzbeamten fünf pralle Aktenordner, die sie „LiMo“, für „linksmotiviert“ gelabelt hatten. Auch bei den Hausdurchsuchungen am 28. Juni 2018 hatte das FK4 seine Finger mit im Spiel.

Die Staatschutzschnüffler vom 4. Fachkommissariat stehen in einer Tradition politischer Polizeien in Göttingen, die mit dem AUFKDO – dem Aufklärungs- und Festnahmekommando – 1981 begann und vom Zivilen Streifenkommando ZSK fortgesetzt wurde und heute von den Staatschützern ausgeführt wird. Egal ob AUFKDO, ZSK oder FK4 – alle haben das Ziel linke Aktivistinnen und Aktivisten und Strukturen auszuspähen, zu überwachen und zu kriminalisieren. Das Trennungsgebot von Geheimdiensten und Polizei – als einer der wenigen Konsequenzen, die dieser bürgerliche Staat aus dem deutschen Faschismus gezogen hat – wird absichtlich gebrochen.
Die politischen Bullen können sich dabei gewiss sein, dass ihre Jagd auf Linke keine Konsequenzen für sie und ihre Arbeit haben wird – weder strukturell noch personell. Wenn einmal ihre Machenschaften ans Tageslicht kommen, werden die Einheiten offiziell aufgelöst und in andere Strukturen überführt, in denen dann wieder die gleichen Beamten ihrer Schnüffelei nachgehen. Im letzten Fall – der „LiMo“-Affäre wurden die Staatschützer vom FK4 von der Göttinger Staatsanwaltschaft gedeckt, keinen Straftatbestand erfüllt sehen wollte. Die Akten wurden angeblich ohnehin schon im Jahr 2015 gelöscht. Wie gründlich solche Daten vernichtet werden, kann im Falle der SpuDok-Sammlung anschaulich beobachtet werden. 1997 tauchten die angeblich schon im Jahr 1983 gelöschten Daten wieder auf, als darin erfasste Personen für eine vermeintliche Serie von Brandanschlägen verantwortlich gemacht werden sollten. Die offensichtliche Konstruktion dieser Ermittlungen war daran zu erkennen, dass eine der beschuldigten Personen zu Beginn dieser angeblichen Anschlagsserie erst zehn Jahre alt war.

Die jüngsten Hausdurchsuchungen erinnern an diese Art der Bezichtigungen durch die politische Polizei. Eine der Personen wurde von einer Beamtin des FK4 angeblich auf einem der Fahndungsfotos der Soko Schwarzer Block erkannt und soll an den Riots beim G20-Gipfel in Hamburg 2017 beteiligt gewesen sein. Dumm nur, dass sich die Person zu dem Zeitpunkt nachweislich nicht einmal auf den europäischen Kontinent aufhielt. Angesichts dessen würden wir gerne an bloße Inkompetenz der Staatschutzschnüffler glauben, aber wir wissen es besser! Aufgabe und Ziel des FK4 ist die politische Verfolgung und Kriminalisierung von Linken und in der aktuellen Situation, in der gegen Linke gehetzt wird, war es für die Schnüffler opportun bei ihren erklärten Feinden auch einmal die Türen einzutreten.

Für uns ist ebenso klar, wo der Feind steht und wir werden den Trennungsstrich zwischen uns und ihm immer wieder ziehen!
Wir lassen uns weder von den Knüppeln der Büttel des bürgerlichen Staates, noch von seinen Spitzeln einschüchtern!
Wenn wir solidarisch Schulter an Schulter zusammenstehen, läuft die Repression ins Leere!
Feuer und Flamme der Repression!

NoG20-Soligruppe Göttingen:

Wir sind heute hier um gemeinsam gegen die Polizeigewalt und erneuten Razzien am Donnerstag, den 28.06 in Göttingen zu protestieren. Aber nicht nur hier, sondern auch in zahlreichen anderen Städten fanden in den letzten Tagen Durchsuchungen statt, für die der G20-Gipfel letztes Jahr in Hamburg als Anlass herhalten musste.

Neben der völlig eskalierten Polizeigewalt vor, während und nach dem G20-Gipfel in Hamburg, haben viele von uns die gelebte Solidarität in Erinnerung behalten. Eine Solidarität, ohne die wir die Proteste nicht auf die Straße hätten bringen können, eine Solidarität, ohne die wir nach dem Gipfel nicht hätten weiter machen können, eine Solidarität, die uns erinnert, wofür wir kämpfen.

Wir erinnern uns:
Trotz der bereits vor dem Gipfel angedrohten Gewalt durch die Polizei und entsprechenden Gesetzesverschärfungen hat sich ein großes, spektrenübergreifendes Bündnis gefunden, das die Proteste zum G20-Gipfel in Hamburg vorbereitet hat. Wir haben uns nicht spalten lassen und unzählige Menschen sind nach Hamburg gekommen!

Trotz der Zerschlagung von Camps und Demonstrationen und trotz der zahllosen Verletzungen durch die Polizei haben sich die Menschen immer wieder neu zusammen gefunden, lautstark protestiert und immer wieder neue Camps, Demos und Aktionen auf die Straße gebracht. Ein gutes Beispiel dafür ist die Welcome to hell – Demo am Donnerstag vor G20, die brutalst von Polizist*innen zusammengeschlagen wurde: Dass es bei dieser, von der Polizei bewusst ausgelösten Massenpanik keine Toten gab, ist allein dem solidarischen Handeln der Demonstrant*innen zu verdanken. Die angegriffenen Menschen haben sich gegenseitig geholfen, Verletze versorgt und im Trubel einen kühlen Kopf bewahrt. Und trotz dieser Erfahrung massiver Gewalt durch den Staat haben sich kurze Zeit nach der Zerschlagung die Menschen erneut zusammengefunden, eine Demo formiert und sind einen Großteil der vorher geplanten Route gelaufen.

Diese Form der Solidarität haben wir auch in den darauffolgenden Tagen immer wieder auf der Straße erlebt: sei es bei dem alternativen Solidaritätskongress, den Blockadeaktionen, den zahlreichen Demonstrationen und Aktionen, bei der alternativen Berichterstattung und und und … Es war immer wieder eine Hand da, die einer bzw. einem aufgeholfen hat!

Dazu gehört auch eine enorm gut vorbereitete Infrastruktur aus Demo-Sanis, Ermittlungsausschuss und Anwält*innen, einer Out of Action-Struktur, gefühlt an jeder Ecke stehenden Soli-Küchen und sich solidarisch erklärenden Kneipen. Zusätzlich haben sogar Nachbar*innen ihre Türen für Aktivist*innen geöffnet und Wasser, Ruhe und Unterschlupf angeboten. Ohne diese weitreichende Solidaritätsstruktur hätten wir nicht die Kraft aufbringen können, immer wieder auf die Straße zu gehen!

Um das Erlebte während der G20-Gipfelproteste zu verarbeiten, politische Konzepte und Ideen aus den Erfahrungen zu entwickeln und nicht zuletzt, um gemeinsam einen Umgang mit den anhaltenden Repressionen und noch zu erwartenden Prozessen zu finden, haben sich in vielen Städten, wie auch in Göttingen, Soli-Gruppen zusammengefunden. Viele dieser Gruppen haben sich unter dem Label United we stand zusammengetan um die vielen inhaftierten Genoss*innen zu unterstützen und in ihren Prozessen zu begleiten. Gerade die im Knast isolierten Genoss*innen brauchen jedes bisschen Kraft, um die erdrückenden Haftbedingungen zu überstehen und ihrer Aussageverweigerung und politischen Positionierung treu zu bleiben. Denn wie auch Fabio, einer der am Rondenbarg inhaftierten Aktivist*innen uns schrieb: „Die Logik der Macht ist immer die gleiche, sie isoliert, teilt und bricht Bindungen. Sie wissen, dass ein Mensch leicht zu bekämpfen ist. Deshalb ist die Begleitung der Prozesse so wichtig, um deutlich zu machen, dass wenn sie gegen einen vorgehen, alle angreifen!“

Aber nach dem Gipfel sahen wir uns nicht nur mit Knast und Gerichtsverfahren konfrontiert, sondern es erfolgte auch eine Welle von Hausdurchsuchungen, Öffentlichkeitsfahndungen und Denunziationsaufrufen von Seiten des Staatsapparates. Wie auch gerade Donnerstag letzte Woche zeigt: hier wurde auf Grundlage von offensichtlich erfundenen Anschuldigungen gegenüber einem Genossen seine Wohnung durchsucht, seine Computer mitsamt der Masterarbeit geklaut und er als Gewalttäter denunziert. Auch bei diesen Durchsuchungen unterstützen die solidarischen Strukturen die Betroffenen. Denn nur so können wir gemeinsam der gewaltvollen Machtdemonstrationen des Staates etwas entgegensetzen und weiter für unsere politischen Ziele kämpfen. Dabei gibt uns jedes bisschen erlebte Solidarität einen Eindruck davon, wie ein ein selbstbestimmtes Leben abseits des unterdrückenden Verwertungslogik aussehen könnte.

Betroffen sind einzelne, gemeint sind wir alle. Unsere Waffe ist Solidarität – gemeinsam werden wir widerständig sein und bleiben!

Aktuelle Entwicklungen nach G20, insbesondere zu der massiven Repression findet ihr bei United we stand und auch auf unserer Webseite, der NoG20-Soligruppe Göttingen. Wir möchten euch auch gerne auf unsere nächste Veranstaltung hinweisen am Freitag, den 27. Juli, bei der es explizit um Soli-Arbeit und Knasterfahrungen gehen wird.

]]>