Agustín Guillamon – Soligruppe für Gefangene https://panopticon.blackblogs.org Für die Anarchie! Knäste, Staat, Patriarchat und Kapital abschaffen! Tue, 25 Feb 2025 10:48:17 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 https://panopticon.blackblogs.org/wp-content/uploads/sites/1233/2020/02/cropped-discharge-degenerik-blog-1-32x32.jpg Agustín Guillamon – Soligruppe für Gefangene https://panopticon.blackblogs.org 32 32 (Agustín Guillamón) Was ist das Proletariat? https://panopticon.blackblogs.org/2025/02/17/agustin-guillamon-was-ist-das-proletariat/ Mon, 17 Feb 2025 18:58:27 +0000 https://panopticon.blackblogs.org/?p=6187 Continue reading ]]>

Erschienen auf a las barricadas, die Übersetzung ist von uns. Eine Antwort auf den Artikel von Miguel Amorós „Was ist Anarchismus?“. Eine ausführliche Kritik am Denken von Amorós und seinen Komparsen Jaime Semprún findet ihr im Artikel „Vom Situationismus zum Abgrund“.


Was ist das Proletariat?

Herr Amorós

Der gelehrte Artikel von Herrn Amorós, der am 2. September 2024 auf der Website alasbarricadas und am 28. Oktober auf Portal Libertario OACA veröffentlicht wurde, qualifiziert ihn für den Posten des Ausgebers von Ausweisen für Anarchisten.

Möge er sich daran erfreuen und genießen.

Das Urteil, dass Anarchismus das ist, was Anarchisten denken und tun, schreibt ihn außerdem in die Ehrenliste der Theoretiker und Politikwissenschaftler des dümmsten Konfusionismus ein, denn diese Tautologie erklärt nichts.

Man sollte ihm ein Diplom für Geschwätz und eine Medaille für Unwissenheit verleihen. Andererseits, und das ist das Schlimmste, stellt ihn das sakrosankte und eurozentrische Dogma vom Verschwinden des Proletariats auf die andere Seite der Barrikade.

Das Proletariat

Das Proletariat ist weder eine Sache noch eine Identität, noch eine Kultur, noch ein statistisches Kollektiv, das eigene Klasseninteressen zu verteidigen hat. Das Proletariat konstituiert sich als Klasse durch einen Entwicklungs- und Bildungsprozess, der nur im Klassenkampf stattfindet.

Das Proletariat, das im fortgeschrittenen Kapitalismus auf den Status eines Produzenten und Konsumenten reduziert wird, wird zu einer passiven, gesellschaftlichen Kategorie ohne eigenes Bewusstsein; es ist eine Klasse für das Kapital, die der kapitalistischen Ideologie unterworfen ist. Es ist nichts, es strebt nichts an und kann nichts.

Erst in der Intensivierung und Verschärfung des Klassenkampfes entsteht es als Klasse und wird sich der Ausbeutung und Unterdrückung bewusst, das es im Kapitalismus erleidet, und im Prozess dieses Klassenkampfes manifestiert es sich als autonome Klasse und konstituiert sich als antagonistisch und dem Kapitalismus entgegengesetztes Proletariat, als Gemeinschaft des Kampfes. Totale Konfrontation auf Leben und Tod, ohne reformistische Möglichkeiten oder Bestrebungen oder die Verwaltung eines Systems, das heute bereits veraltet, kriminell und abgelaufen ist.

Dieser Begriff der Klasse als „etwas, das geschieht“, das aus dem Boden der Ausgebeuteten und Unterdrückten sprießt und gedeiht, ist von zentraler Bedeutung. Die Klasse bezieht sich nicht auf etwas, das Menschen sind, sondern auf etwas, das sie tun. Und wenn wir erst einmal verstanden haben, dass die Klasse das Ergebnis von der Aktion ist, können wir begreifen, dass jeder Versuch, eine existenzialistische oder kulturelle und ideologische Vorstellung von Klasse zu konstruieren, falsch und zum Scheitern verurteilt ist.

Die Klasse ist kein statischer, fester oder dauerhafter Begriff, sondern dynamisch, fließend und dialektisch. Die Klasse manifestiert sich und erkennt sich nur in den kurzen Perioden, in denen der Klassenkampf seinen Höhepunkt erreicht.

Das Proletariat definiert sich als die soziale Klasse, die über keinerlei Eigentum verfügt und die zum Überleben ihre Arbeitskraft gegen Lohn verkaufen muss. Zum Proletariat gehören, ob sie sich dessen bewusst sind oder nicht, die Lohnempfänger, die Arbeitslosen, die in unsicheren Beschäftigungsverhältnissen stehenden Personen, die Migranten, die Sozialhilfeempfänger, die Rentner und die von ihnen abhängigen Familienangehörigen. In Frankreich gehören zum Proletariat die fast drei Millionen Arbeitslosen und die 26 Millionen Arbeiter oder Selbstständigen, die befürchten, in die Arbeitslosigkeit abzugleiten, sowie eine unbestimmte Zahl von Marginalisierten, die nicht in den Statistiken erscheinen, weil sie vom System ausgeschlossen wurden.

Die parlamentarische Demokratie Europas hat sich seit Beginn der Depression (2007) rasch in eine „nationale nutzlose“, autoritäre und mafiöse Parteidiktatur verwandelt, die von jener staatenlosen kapitalistischen Führungsschicht beherrscht wird, die im Dienste der internationalen Finanzwelt und der multinationalen Konzerne steht: der herrschenden Klasse. Es kommt zu einer tiefgreifenden und weitreichenden Proletarisierung der mittleren Klassen, zu einer Massifizierung des Proletariats und zum gewaltsamen und intermittierenden Ausbruch unwiederbringlicher Kollektive, Vorstädte und marginalisierter Gemeinschaften, die gegen das System gerichtet sind (nicht so sehr aus Überzeugung, sondern aufgrund von Ausgrenzung). Die Nationalstaaten werden zu überholten (aber noch notwendigen, da sie die öffentliche Ordnung gewährleisten und die Ausbeutung mit Waffengewalt verteidigen) Instrumenten dieser herrschenden Kapitalistenklasse, die weltweite Interessen verfolgt und deren Einflussbereich sich über die ganze Welt erstreckt. Ihre Regierungsform ist der demokratische Totalitarismus: eine Demokratie, die auf das Mindestmaß reduziert ist, alle paar Jahre zu wählen, um zwischen schlechten oder noch schlechteren Vertretern des Kapitals zu wählen, ohne jegliche Fähigkeit zur Intervention oder Entscheidung im sozialen oder politischen Leben.

Die Vorstädte werden zu Ghettos der vom System Ausgeschlossenen, die der Staat voneinander zu isolieren versucht, indem er ihre Herrschaft den Banden, der Drogenmafia, den Schulen, den Sozialarbeitern, den Nichtregierungsorganisationen, den Gefängnissen, der Armee und der Polizei überlässt, damit sie gemeinsam die Kontrolle und/oder das ökonomische, politische, soziale, moralische, willentliche und, falls nötig, auch physische Opfer „aller Überflüssigen“ mit dem präzisen und konkreten Ziel, ihr revolutionäres Potenzial zu neutralisieren, indem versucht wird, diese Vorstadtviertel in Nester von lebenden Toten zu verwandeln, denen die staatlichen Institutionen einen totalen Vernichtungskrieg erklärt haben.

Der Klassenkampf

Der Klassenkampf ist nicht nur die einzige Möglichkeit des Widerstands und des Überlebens angesichts der grausamen und sadistischen Angriffe des Kapitals, sondern auch der unverzichtbare Weg zur Suche nach einer endgültigen revolutionären Lösung für die Endphase des kapitalistischen Systems, das heute veraltet und kriminell ist und sich zudem für ungestraft und ewig hält. Klassenkampf oder Ausbeutung ohne Grenzen; Entscheidungsgewalt über das eigene Leben oder Lohnsklaverei und Marginalisierung.

Es sind nicht nur die Anarchisten, Herr Amorós, es ist der Klassenkampf des Proletariats, Herr Gelehrter. Es ist der alte Maulwurf, der auftaucht und verschwindet, unaufhörlich seinen Tunnel unter einer verfallenen, kriminellen und veralteten Welt gräbt. Es geht nicht mehr darum, die Welt aus dieser oder jener Doktrin oder Ideologie heraus zu verstehen, sondern sie zu verändern.

Nur die Anarchisten, die sich an diesem Kampf beteiligen, sind von Bedeutung. Die Philosophen, die, ob anarchistisch oder nicht, sich selbst vergöttern oder die Existenz des Proletariats leugnen, stehen auf der anderen Seite der Barrikade.

Agustín Guillamón

Barcelona, den 10. Februar 2025.

]]> MENSCHENRECHTE https://panopticon.blackblogs.org/2024/03/17/menschenrechte/ Sun, 17 Mar 2024 18:43:35 +0000 https://panopticon.blackblogs.org/?p=5604 Continue reading ]]>

Gefunden auf portal oaca, die Übersetzung ist von uns. Weitere Texte die die Demokratie als ein Herrschaftsinstrument der herrschenden Klasse (Bourgeoisie) angreifen.


MENSCHENRECHTE

An Emilio Madrid, in memoriam.

Was sind Menschenrechte?

In den bourgeoisen Revolutionen in Frankreich und den Vereinigten Staaten Ende des 18. Jahrhunderts tauchten die sogenannten Menschenrechte als politische Rechte auf. Die Menschenrechte unterscheiden sich von den Staatsbürgerrechten. Der Mensch hat allein durch die Tatsache, dass er geboren wurde, natürliche Rechte (obwohl Frauen und Sklaven zunächst ausgeschlossen waren); der Staatsbürger hat Rechte als ein in der Gesellschaft lebender Mensch.

Die Menschenrechte wurden als solche anerkannt, weil man davon ausging, dass sie schon vor der Französischen Revolution existierten; sie waren universelle und natürliche Rechte, die in der Erklärung der Menschenrechte als solche anerkannt wurden.

Es ist anzumerken, dass die so genannten Rechte des Menschen im Unterschied zu den Rechten des Staatsbürgers nichts anderes sind als die Rechte des bourgeoisen Individuums, des Mitglieds der Zivilgesellschaft, also des egoistischen Menschen, des von anderen Menschen und von der Gemeinschaft getrennten Menschen. In der radikalsten Verfassung, der Verfassung von 1793, heißt es in Artikel 2: „Diese Rechte (die natürlichen und unantastbaren Rechte) sind: Gleichheit, Freiheit, Sicherheit und Eigentum“.

Worin besteht die Freiheit? In Artikel 6 heißt es: „Die Freiheit ist die Macht, die dem Menschen erlaubt, das zu tun, was den Rechten eines anderen nicht schadet“; oder in der Erklärung der Menschenrechte von 1791: „Die Freiheit besteht darin, alles tun zu können, was einem anderen nicht schadet.“.

Freiheit ist also das Recht, das zu tun und auszuüben, was einem anderen nicht schadet. Die Grenze wird durch das Gesetz festgelegt, so wie zwei Felder abgegrenzt werden: durch einen Zaun. Es ist die Freiheit des Menschen als Individuum, isoliert und autark, in sich selbst zurückgezogen.

Aus diesem Grund basiert das Recht des Menschen auf Freiheit nicht auf der Beziehung des Menschen (Individuums) zu einem anderen Individuum, sondern auf der Isolierung des Individuums von einem anderen Individuum. Es ist das Recht auf Isolation, das Recht des begrenzten Individuums: begrenzt auf sich selbst und getrennt von der Gemeinschaft.

Die praktische Anwendung des Rechts des Menschen auf Freiheit ist das Recht des Einzelnen auf Privateigentum.

Worin besteht das Recht des Menschen auf Privateigentum? In Artikel 16 der französischen Verfassung von 1793 heißt es: „Das Recht auf Eigentum ist das, das jedem Bürger erlaubt, seine Güter, seine Einkünfte, den Ertrag seiner Arbeit und seines Fleißes zu genießen und über sie nach seinem Gutdünken zu verfügen.“.

Das Recht auf Privateigentum ist das Recht, nach Belieben über das eigene Vermögen zu verfügen. Diese individuelle Freiheit ist das Fundament der Zivilgesellschaft und lässt jeden Menschen in einem anderen Menschen nicht die Erfüllung, sondern die Grenze seiner Freiheit finden. Das Recht auf Eigentum ist das Grundrecht der bourgeoisen Gesellschaft und des Kapitalismus.

Es bleiben die anderen Rechte des Menschen: Gleichheit und Sicherheit.

Gleichheit ist nichts anderes als die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz. In Artikel 3 der Verfassung von 1795 wird sie folgendermaßen definiert: „Die Gleichheit besteht darin, daß das Gesetz für alle das nämliche ist, es sei, daß es beschütze, oder daß es strafe.“ Gleichheit ist immer rechtliche Gleichheit, niemals ökonomische, soziale oder politische Gleichheit.

Wie steht es mit der Sicherheit? In Artikel 8 der Verfassung von 1793 wird sie wie folgt definiert: „Die Sicherheit beruht in dem Schutz, den die Gesellschaft jedem ihrer Glieder für die Erhaltung seiner Person, seiner Rechte und seines Eigentums zusichert“.

Sicherheit ist das oberste soziale Konzept der bourgeoisen Zivilgesellschaft, das Konzept der Polizei als Garant und Aufrechterhalter der sozialen Ordnung: dass die gesamte Gesellschaft nur existiert, um jedem ihrer Mitglieder die Erhaltung seiner Person, seiner Rechte und seines Eigentums zu garantieren. Das bourgeoise Sicherheitskonzept bekräftigt ihren wesentlichen Egoismus. Sicherheit ist vielmehr die Versicherung seines Egoismus, des Rechts auf sein Eigentum.

Von der glorreichen Trilogie des Mottos der Französischen Revolution in ihren Anfängen: Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, war die Brüderlichkeit bereits durch das Eigentum ersetzt worden. Im Winter 1795-1796 war die Forderung der Sans-Culottes nach dem Recht auf Leben, d.h. dem Recht, nicht zu verhungern, in den Straßen von Paris durch Kanonenfeuer niedergeschlagen worden. Das Recht der Bourgeoisie auf Sicherheit setzte sich durch: Eigentum hatte Vorrang, war heilig und unveränderlich.

Dieselben Kanonen machten die repräsentative Demokratie zur einzig möglichen Demokratie und fegten die von den Sans-Culottes praktizierte direkte Demokratie hinweg.

Kein einziges der so genannten Rechte des Menschen geht über den egoistischen Menschen hinaus, das isolierte Individuum, das sich auf sich selbst, seine privaten Interessen und seinen privaten Willen konzentriert und immer von der Gemeinschaft getrennt ist. Die Gesellschaft erscheint als äußerer Rahmen für das Individuum, als eine Einschränkung seiner ursprünglichen Unabhängigkeit. Das einzige Band, das sie zusammenhält, ist das natürliche Erfordernis, die Notwendigkeit und das private Interesse, die Bewahrung ihres Eigentums und ihrer egoistischen Person.

Diese Sicht des Menschen als isoliertes, egoistisches Individuum, das stets bereit ist, seine individuellen Bedürfnisse auf egoistische Weise zu befriedigen, entspricht in keiner Weise den Daten, die uns die Anthropologie und die Geschichte offenbaren. Es ist unmöglich, sich den prähistorischen Menschen als ein von der Gemeinschaft isoliertes Individuum vorzustellen, das keinen Bezug zur Stammesgruppe hat und dem die Interessen der menschlichen Gattung fremd sind.

Die so genannten Menschenrechte, so mythologisiert und manipuliert sie auch sein mögen, die wir als etwas Gutes akzeptieren sollen, das wir verteidigen müssen, und als etwas, das dem Menschen zusteht, nur weil er ein Mensch ist; dass sie daher natürlich sind, weil sie mit dem Menschen geboren wurden und mit ihm sterben werden, sind einfach die Rechte des bourgeoisen Menschen und als solche weder proletarisch noch haben Proletarier irgendeinen Grund, sie zu verteidigen; dass die Rechte auf Gleichheit, Freiheit, Sicherheit und Eigentum spezifisch für die Bourgeoisie sind und als solche einen historischen Ursprung haben und enden werden; dass sie also weder dem Menschen im Allgemeinen innewohnen, noch unveränderlich und ewig sind.

Die Gleichheit darf nicht nur scheinbar sein, sie darf nicht nur in der Sphäre des Staates verwirklicht werden, sondern in der Realität, d.h. in der sozialen und ökonomischen Sphäre. Der wahre Inhalt der proletarischen Forderung nach Gleichheit ist die Abschaffung der sozialen Klassen. Die Idee der Gleichheit, sowohl in ihrer bourgeoisen als auch in ihrer proletarischen Form, ist ein Produkt der Geschichte und setzt notwendigerweise bestimmte historische Umstände voraus.

Der bourgeoise Charakter der Menschenrechte und ihr historischer, vorübergehender Charakter, der nicht Teil der menschlichen Natur ist, sind klar.

Die Verteidigung der Menschenrechte und der Demokratie wird unaufhörlich und unerbittlich von denselben Menschen propagiert, die in den am weitesten entwickelten Ländern die politische und ökonomische Macht innehaben und die ständig auf die rücksichtsloseste Art und Weise alle Kriege in der Welt provozieren, die Hunger, Durst, Elend, Krankheiten, Angst und endlose Unterdrückung verursachen. Sie verbreiten diese vermeintlich pazifistische Ideologie der Verteidigung der Menschenrechte und der Demokratie, um genau die Menschen zu entwaffnen, die sie ausbeuten und massakrieren wollen. Deshalb muss diese pazifistische Ideologie als das angeprangert werden, was sie ist: eine Waffe des Feindes, um uns zu besiegen. Die einzige Lösung, um allen Arten von Katastrophen und Elend ein Ende zu setzen, ist die Beseitigung dessen, der sie permanent hervorbringt, nämlich der Kapitalismus, ob in seiner demokratischen oder faschistischen Form, denn beide Formen sind nichts anderes als Erscheinungsformen der Diktatur des Kapitals. Und der einzige Weg, dem Kapital ein Ende zu setzen, ist der Kampf für eine klassenlose Gesellschaft, d.h. eine kommunistische und egalitäre Gesellschaft.

Es geht nicht darum, fiktive Menschenrechte zu verteidigen, sondern die aktuelle Situation zu untersuchen und zu erkennen, welche wahren Interessen all diese demokratischen Staaten und anderen Institutionen hinter der Maske der Menschenrechte, die sie zu verteidigen vorgeben, verteidigen.

Die Gesetze des Marktes schaffen die Voraussetzungen für die Entstehung diktatorischer Regime, die für die Unterwerfung und Ausbeutung der Bevölkerung in armen Ländern notwendig sind.

Es ist notwendig zu untersuchen, welche materiellen Ursachen, welche historischen Bedingungen die Entstehung von Diktaturen und Diktatoren ermöglichen und sogar begünstigen, denn nicht Diktatoren und Diktatoren prägen die Geschichte, sondern in erster Linie die Entwicklung der Produktivkräfte, die unter Berücksichtigung des allgemeinen historischen und geografischen Kontextes die eine oder andere Regierungsform hervorbringt.

Der abstrakte Charakter von Freiheit und Gleichheit im Kapital hindert diese Begriffe nicht daran, einen realen Inhalt zu haben. Der Kapitalismus ist das Regime, das Lohnsklaverei und die Ausgrenzung derjenigen Menschen erzwingt, die nicht damit einverstanden sind, ausgebeutet zu werden. Geld und Staat werden als die großen sozialen Vermittler eingesetzt: Geld als Maßstab für den Wert aller Waren (einschließlich der Kommodifizierung menschlicher Beziehungen); der Staat als Schiedsrichter, der die Verteidigung der demokratischen und bürgerlichen Ordnung sowie Sanktionen gegen ihre Widersacher durchsetzt.

Die Demokratie ist weder ein Dogma noch eine unveränderliche Realität, auf die man sich als etwas Dauerhaftes, sich selbst Gleiches, vom Rest Getrenntes, Metaphysisches berufen kann. Im Gegenteil, die Demokratie ist ein Produkt der Geschichte, das Ergebnis der gesellschaftlichen Entwicklung im Laufe der Zeit. In der Neuzeit wurden der Liberalismus und die Demokratie in Opposition zu ihrem Vorgänger, dem Feudalismus, geboren, einem System, das bereits historisch überholt war, was die Demokratie bei ihrer Geburt revolutionär machte, weil sie eine neue Gesellschaft hervorbrachte, die der vorherigen entgegengesetzt und überlegen war. Ökonomisch übertraf sie den Feudalismus, indem sie die Produktionsmittel außerordentlich entwickelte, und politisch, indem sie die Individuen von der feudalen Vasallität befreite und einen „neutralen“ Staat schuf, in dem alle Staatsbürger rechtlich gleichgestellt waren. Die volle Entfaltung der Demokratie entspricht der vollen Herrschaft der Bourgeoisie als Klasse, wenn die Bourgeoisie durch die volle Entfaltung des Kapitalismus alles ihrer Macht unterwirft und nicht zulässt, dass jemand sie anzweifelt. Um sie zu erhalten, wird sie konservativ, reaktionär und zögert dabei nicht, ihre eigentliche Daseinsberechtigung zu zerstören: die historische Entwicklung der Produktivkräfte zu gigantischen Ausmaßen. Der Kapitalismus zerstört und verschlechtert heute die natürlichen Ressourcen, die Wälder, die Ozeane, das Land, die Atmosphäre, die Nahrung, die Existenz von Millionen von Menschen und zögert nicht, die Quelle, die ihm Leben gibt, zu vernichten und zu massakrieren: die lebendige Arbeit, die Arbeitskraft, aus deren Ausbeutung er den Mehrwert gewinnt, der für das Kapital das ist, was der Sauerstoff für die Menschen ist. An diesem Punkt ist die Demokratie nicht mehr revolutionär, wie sie es bei ihrer Geburt war, sie ist nicht einmal mehr historisch gerechtfertigt, wie sie es in ihrer Blütezeit, der Entwicklung der Produktivkräfte, war. Sie ist reaktionär geworden, und um ihre Existenz etwas zu verlängern, greift sie zu Tricks wie dem Feigenblatt der so genannten „Menschenrechte“, um ihre Schande vor Millionen und Abermillionen von Ausgebeuteten und Unterdrückten zu vertuschen, eine Schande, die sich nicht vertuschen lässt, weil sie so sichtbar ist wie die Ausbeutung, Unterdrückung und alle Arten von Ungerechtigkeit und Leiden der Mehrheit der Weltbevölkerung, die genau von denen verursacht werden, die behaupten, die Verteidiger von Demokratie und Menschenrechten zu sein, wie zum Beispiel alle entwickelten kapitalistischen Staaten, deren Anführer hervorragende Verfechter solcher Slogans sind. Und das ist nur logisch, denn die Demokratie ist das politische Regime der Bourgeoisie, der Ausbeuterklasse schlechthin, und die Menschenrechte sind nichts anderes als die Rechte des bürgerlichen Menschen, des egoistischen Menschen, des isolierten und nicht unterstützten Individuums.

Was wir also verteidigen müssen, ist weder die Demokratie noch die Menschenrechte bourgeoiser Prägung, sondern das Recht der Ausgebeuteten und Unterdrückten, sich gegen die Herrschaft und Sklaverei des Kapitals aufzulehnen und eine neue Gesellschaft ohne Klassen, ohne Ausbeutung, ohne Geld, ohne Armeen, ohne Mehrwert, ohne Unterdrückung und ohne Staaten zu errichten.

Agustín Guillamón

Veröffentlicht in Catalunya núm. 173 (Juni 2015)

]]> Demokratie, Freiheit und menschliche Gemeinschaft https://panopticon.blackblogs.org/2024/03/17/demokratie-freiheit-und-menschliche-gemeinschaft/ Sun, 17 Mar 2024 18:41:36 +0000 https://panopticon.blackblogs.org/?p=5602 Continue reading ]]>

Gefunden auf portal oaca, die Übersetzung ist von uns. Weitere Texte die die Demokratie als ein Herrschaftsinstrument der herrschenden Klasse (Bourgeoisie) angreifen.


Demokratie, Freiheit und menschliche Gemeinschaft

Wir interessieren uns für die Kritik der Demokratie nur unter dem Gesichtspunkt ihrer Aufhebung in der Praxis neuer gesellschaftlicher Produktionsverhältnisse, die sie ihres derzeitigen Klassencharakters entkleiden. Kritik an der Demokratie und Kritik am Totalitarismus sind gleichzeitig Kritiken an zwei unterschiedlichen, aber komplementären Formen kapitalistischer Herrschaft.

Es geht darum, einen Blick auf die Formen und Inhalte der Selbstorganisation zu werfen, die einer Welt ohne Klassen, ohne Armee oder Polizei oder Grenzen, ohne Lohn oder Kapital und ohne Staat eigen sind. Die repräsentative Demokratie ist eine entfremdete Form der menschlichen Freiheit.

Wenn wir von Freiheit sprechen, sprechen wir von der Freiheit der Lohnsklaven, von der Freiheit derjenigen von uns, die kein Mitspracherecht bei den Gesetzen, Verordnungen oder Vereinbarungen haben, die unser tägliches Leben und die Zukunft unserer Kinder betreffen. Wenn wir von Freiheit sprechen, sprechen wir von der Aufhebung der Trennung zwischen Herrschenden und Beherrschten, zwischen Vertretern und Vertretenen. Wir sprechen von der Freiheit derjenigen, die vom System ausgeschlossen und marginalisiert sind. Wir sprechen von der Freiheit und der Entscheidungsgewalt der großen Mehrheit, die derzeit durch regelmäßige Wahlen von Vertretern, die uns nicht repräsentieren, ignoriert wird.

Freiheit und Demokratie sind gegensätzlich und widersprüchlich, denn Freiheit ist unvereinbar mit der Existenz des Staates. Im anderen Extrem ist der Faschismus gegen die Demokratie, weil er der Meinung ist, dass die Demokratie nicht in der Lage ist, den Staat wirksam zu verteidigen.

Die Fundamente der bourgeoisen Demokratie sind ökonomische Ungleichheit und die Ausbeutung der Lohnarbeit. Wenn die Emanzipation der Arbeiterinnen und Arbeiter von der kapitalistischen Ausbeutung das Werk der Arbeiterinnen und Arbeiter selbst sein soll, wenn die Arbeiterinnen und Arbeiter sich aus eigener Kraft emanzipieren sollen, wenn niemand uns vertritt oder vertreten kann, weil das System sie zu Verteidigern des kapitalistischen Systems und seiner Wahllogik macht, dann ist es an der Zeit, die direkte Demokratie von der Entscheidungsgewalt über alles, was unser Leben und die Zukunft unserer Kinder betrifft, auszuüben.

Bei der sozialen Revolution geht es darum, neue, nicht marktwirtschaftliche soziale Beziehungen zu schaffen, die kooperativ, unterstützend und brüderlich sind. Sie muss die Spaltung der Gesellschaft, das Geld als universellen Vermittler und die Arbeit als eine vom Alltag getrennte Tätigkeit abschaffen. Das ist eine gewaltige Aufgabe, aber es ist auch ein Programm, auf das nicht verzichtet werden kann, denn es ist der einzige Weg zu einer humanen und nachhaltigen Welt.

Parlamentarismus ist der ständige Pakt und die Verhandlung zwischen den verschiedenen Parteien des Kapitals, um die geeignetste und profitabelste Verwaltung des Kapitalismus zu finden, die manchmal demokratisch, manchmal faschistisch und manchmal eine kluge Kombination aus beidem sein kann. Eine revolutionäre Organisation der ausgebeuteten Klasse kann nicht parlamentarisch sein, und sobald sie parlamentarisch wird, hört sie auf, die Interessen der ausgebeuteten Klasse zu verteidigen.

Demokratische Wahlen verschleiern die brutale und permanente politische, soziale und ökonomische Gewalt der Bourgeoisie gegen das Proletariat mit einem Stimmzettel, dem magische Kräfte zugeschrieben werden und der die Illusion verbirgt, mit parlamentarischen Mitteln „etwas“ verändern zu können. Der Staat erscheint als neutraler Schiedsrichter, aber das ist nur eine fetischistische Verkleidung, die in Krisenzeiten nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass seine Rolle keine andere ist und sein kann als die des Garanten des kapitalistischen Systems gegen die Revolten und Aufstände des Proletariats.

Die demokratische Ideologie vermittelt die Illusion, dass die Demokratie die Gesamtheit der Methoden, der Repräsentativität und des Rechts ist, die das soziale Leben der freien Staatsbürgerinnen und Staatsbürger sicherstellen und regeln. Die parlamentarische Vertretung beruht auf der Fiktion, dass auf Gewalt verzichtet wird, dass der Staat ein fairer und unparteiischer Schiedsrichter ist und dass alle Staatsbürgerinnen und Staatsbürger vor dem Gesetz gleich sind.

Die Diskurse über Demokratie und Menschenrechte erscheinen unanfechtbar und verbannen theoretisch die Gewalt aus den sozialen Beziehungen, es sei denn, es geht um ökonomische Interessen, die der IWF oder die Weltbank wehrlosen Völkern und Staatsbürgern tyrannisch mit harten Maßnahmen aufzwingen, die ihr tägliches Leben und die Zukunft der nächsten Generationen betreffen.

Die bourgeoise Demokratie basiert auf der Existenz von isolierten, unselbstständigen und getrennten Individuen, in denen die Freiheit eines jeden Individuums durch die Freiheit eines anderen Individuums eingeschränkt wird.

Freiheit kann nur in der menschlichen Gemeinschaft zum Ausdruck kommen, im Herzen einer kommunistischen, solidarischen und egalitären Gesellschaft, die bis heute noch nicht das Licht der Welt erblickt hat.

Der Kommunismus setzt die Zerstörung des Staates, des Geldes und der Ökonomie voraus, d. h. die Trennung von Produzent und Produktion. Die menschliche Gemeinschaft ist weder demokratisch noch totalitär; sie ist jenseits der Politik. Sie basiert auf dem Verschwinden des egoistischen, isolierten und hilfsbedürftigen Individuums, das für die bourgeoise Gesellschaft und den Kapitalismus typisch ist. Es macht Platz für ein menschliches Exemplar der Solidarität, eingebettet in ein Kollektiv, das mit anderen Menschen zusammenarbeitet und künftige Generationen schützen will, mit keinem anderen Ziel und keiner anderen Perspektive, als die natürlichen Ressourcen zu erhalten und die Zukunft der heute vom Aussterben bedrohten Spezies zu verbessern.

Freiheit und Macht gehen Hand in Hand. Es gibt keine Freiheit ohne Macht. Freiheit ist immer die Macht, über all die Fragen zu entscheiden, die unser tägliches Leben und die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder betreffen. Freiheit ist immer die Macht, Dinge ohne Zwang durch Instanzen außerhalb der menschlichen Gemeinschaft zu tun, ohne Unterwerfung unter Fetische jeglicher Art, sei es der Staat, das Vaterland, der Anführer oder die Heilige Ökonomie.

Freiheit ist die kollektive Macht, sich auf Prioritäten und die Befriedigung von Bedürfnissen durch die menschliche Gemeinschaft zu einigen, die Frucht der Neigung der Menschen, sich zu verbinden und sich in dieser Verbindung zu verändern.

Dass die Beziehungen zwischen den Individuen in der kapitalistischen Gesellschaft bestimmten Führungspersönlichkeiten die Macht geben, uns alle zu vertreten und alles zu entscheiden, anstatt dass die Mehrheit entscheidet. Diese ewige Repräsentativität, diese Delegation der Entscheidungsgewalt, ist in permanenten Formen der Repräsentation verankert: den staatlichen Institutionen. Die Existenz dieser institutionalisierten Macht ist mit der Freiheit unvereinbar. Staat und Freiheit sind unvereinbar. Individuum und Freiheit stehen im Widerspruch zueinander, denn die egoistische Individualität ist charakteristisch für die kapitalistische Gesellschaft und ihre Trennung des Individuums von der menschlichen Gemeinschaft. Freiheit ist nur innerhalb der Gemeinschaft möglich, als Teil eines Kollektivs in einer kommunistischen Gesellschaft, als Mitglied der menschlichen Gattung.

Die Abschaffung des Staates bedeutet, sich einer Gesellschaft zu widersetzen, in der die verschiedenen Gewalten institutionalisiert, zentralisiert und hierarchisiert sind, um die Spaltung der Gesellschaft in Klassen aufrechtzuerhalten. Macht und Freiheit sind untrennbar miteinander verbunden. Freiheit ist die Macht, auf die Realität und die Bedingungen unserer Existenz einzuwirken, um sie zu verändern. Freiheit ist keine schöne abstrakte und leuchtende, aber unwirksame Idee, sondern ein ständiger Kampf, eine effiziente Organisation und eine historische Eroberung. Ein Sklave kann nur dann frei sein, wenn er für seine Freiheit kämpft, selbst wenn er in diesem Kampf untergeht.

Die Freiheit ist eine Idee, die mit der praktischen Emanzipation des Individuums in versklavten und autoritären Gesellschaften geboren wird und die ihr Ziel und ihre endgültige Verwirklichung erst in einer Gesellschaft ohne Klassen und ohne Staat erreichen wird, in der die Individuen nicht mehr getrennt und konfrontiert sind, weil sie Teil der menschlichen Gemeinschaft in einer kommunistischen und solidarischen Gesellschaft sind.

Die Demokratie ist das privilegierte Terrain der Konterrevolution, auf dem die unterschiedlichen Interessen der kapitalistischen Gesellschaft in ihrer Gegensätzlichkeit anerkannt werden, unter der Bedingung, dass sie sich stets dem so genannten „allgemeinen Interesse“ beugen, d.h. dem Respekt vor dem Staat als „neutralem“ Schiedsrichter. In ihren Anfängen war die Demokratie nur politisch, und der demokratische Staat trat als Verteidiger der durch das allgemeine Wahlrecht geschaffenen Gemeinschaft der Menschen auf. Seine Trennung vom sozialen Leben war offensichtlich. Der Arbeitgeber beschränkte sich darauf, Arbeitskraft zu den geringstmöglichen Kosten zu kaufen oder die Arbeitszeit zu verlängern, ohne die Löhne zu erhöhen. Die wichtigste Intervention des Staates war die Unterdrückung der Arbeiterinnen und der Arbeiter.

Später kam der Wohlfahrtsstaat auf, und schon zu Bismarcks Zeiten trat der Staat als Regulator und Vermittler auf, der für Löhne, soziale Sicherheit und Arbeitszeiten sorgte und eine starke sozialdemokratische Präsenz im Parlament hatte, was die Möglichkeit wichtiger Reformen und die Integration der Arbeiterbewegung in die deutsche Gesellschaft und den deutschen Staat sicherte. Der so genannte Wohlfahrtsstaat erreichte seinen Höhepunkt in den Vereinigten Staaten, Europa und Japan in den dreißig Jahren nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Kapitalismus und Demokratie erschienen als die beste aller möglichen Welten in der menschlichen Geschichte: eine unvollkommene, aber verbesserungsfähige Gesellschaft.

Nach der Krise von 2008 und der darauf folgenden Depression ist der Wohlfahrtsstaat überall zusammengebrochen und das Individuum ist heute unpersönlichen und entmenschlichenden Einflüssen ausgesetzt und gehorcht blindlings der abstrakten, unverständlichen und irrationalen Logik der Heiligen Ökonomie. Noch nie war das Individuum einer so unpersönlichen, allgegenwärtigen, fremdartigen und ungreifbaren Herrschaft ausgesetzt wie heute.

Früher konnte man davon träumen, den Tyrannen zu töten, und manchmal taten dies sogar die großen Revolutionen, wie im Fall von Ludwig XVI. Heute ist es töricht zu glauben, dass sich irgendetwas ändern würde, wenn man diesen oder jenen Tyrannen oder diesen oder jenen Anführer stürzt oder vor Gericht stellt. Das wäre genauso nutzlos wie für oder gegen ihn zu stimmen. Je machtloser der „Staatsbürger“ ist, sein tägliches Leben zu ändern, desto mehr muss die endlose Eroberung fiktiver Rechte auf der Theaterbühne demokratischer Wahlen inszeniert werden. Die Inszenierung des Rechts, unsere Vertreter in der Gemeinde, den autonomen Regionen oder dem Staat zu bestimmen, ist in den Medien und der Propaganda besonders prominent. Repräsentanten, die in Wirklichkeit nichts und niemanden vertreten, außer die Interessen der großen Lobbys oder das allgemeine Interesse des internationalen Finanzkapitals.

Aber die Menschen wählen weiterhin ihre Repräsentanten, auch mit der Illusion von neuen Gesichtern, denn so haben wir wenigstens die Garantie, dass wir nicht in einer totalitären Diktatur leben, in der der Terror permanent ist und in den Kellern der Ministerien gefoltert wird. Besser Demokratie als unverhohlener Polizei- und Staatsterror. Und so dominiert der Terror auch in Gebieten, in denen nicht gefoltert wird, und in den Gedanken der nicht bedrohten Menschen. Deshalb entstehen in allen Ländern demokratische Knebelgesetze, die die Rechte und Freiheiten der Meinungsäußerung, der Versammlung, der Demonstration, der gewerkschaftlichen/syndikalistischen Organisierung und des Streiks auf ein Minimum reduzieren… die das Recht unserer Repräsentanten schützen, uns zu vertreten und uns politisch und gesellschaftlich zu annullieren.

Agustín Guillamón

Barcelona, November 2015

Veröffentlicht auf Katalanisch in Catalunya Ausgabe 183 (Juni 2016).

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(Finimondo) Oxymorone und Selbstverständlichkeiten https://panopticon.blackblogs.org/2023/11/01/finimondo-oxymorone-und-selbstverstaendlichkeiten/ Wed, 01 Nov 2023 11:12:45 +0000 https://panopticon.blackblogs.org/?p=5258 Continue reading ]]>

Gefunden auf der Seite von finimondo, die Übersetzung ist von uns. Die folgende Texte, von Finimondo und Agustín Guillamón, sowie ‚Diskurs über die Methode‘, auch von Agustín Guillamón, können wir als ein Art Auseinandersetzung zur Rolle der anarchistischen Bewegung und einigen Figuren darin, während der sozialen Revolution im Sommer von 1936 verstehen.

Kurzgefasst kritisiert Guillamón in dem Artikel ‚Diskurs über die Methode‘ die Zeitschrift Bilan, auch wenn er dieser seine scharfsinnige Kritik hoch anrechnet, was die Rolle der anarchistischen Bewegung im Verlauf der sozialen Revolution 1936 angeht. Bilan´s Kritik ist, dass da der anarchistischen Bewegung ein klarer Programm fehlte (inhaltlich wie praktisch), die soziale Revolution ihre Ziele nur noch verraten konnte und aus dieser schnell ein reiner imperialistischer und innerbourgeoiser Konflikt zwischen zwei bourgeoisen Fraktionen (Republik vs. Putschisten) wurde.

Guillamón teilt diese Kritik zwar, verteidigt trotzdem die revolutionäre Kraft des Proletariats, welches sich mehrheitlich in der anarchistischen Bewegung organisierte und kritisiert die Unfähigkeit den revolutionären Kurs zu halten, da dies nicht der Fall war, wurde der Anarchismus zu einer etatistischen Bewegung, da sie den republikanischen Staat verteidigte und schützte, anstatt diesen zu zerstören. Guillamón nennt dies ‚Staatsanarchismus‘.

Daraufhin schrieb Finimondo eine Kritik und kritisiert vor allem letzteres. Worauf sich Guillamón nochmals melden würde, bei ‚GEGEN FINIMONDO‘, um auf die Kritik einzugehen, ein wahrhaftiger Schlagabtausch zwischen beiden. Ohne darauf mehr einzugehen, viel Spaß mit der Auseinandersetzung die wir auch für richtig und wichtig halten.


Oxymorone und Selbstverständlichkeiten

Gegen den Staatsanarchismus
Agustín Guillamón

(mit Texten von Helmut Rüdigher und Michel Olivier)
All’Insegna del Gatto Rosso, Mailand, 2017

Ein Oxymoron ist eine rhetorische Figur, die aus der syntaktischen Verbindung zweier unvereinbarer oder gegensätzlicher Begriffe oder in Antithese zueinander stehender Ausdrücke besteht, die so formuliert sind, dass sie sich auf dieselbe Einheit beziehen. Der Effekt, der dadurch erzielt wird, ist ein paradoxes Erstaunen. Es regt die Fantasie an, sollte aber nicht zu ernst genommen werden; es ergibt keinen Sinn, eine Metapher mit einer faktischen Realität zu verwechseln.

Wie der Titel schon andeutet, wettert dieses Buch gegen ein wahres Oxymoron. Es versteht sich von selbst, dass die Beteiligung einiger Mitglieder der wichtigsten spanischen anarchistischen Organisation an der republikanischen Regierung während der Revolution von 1936 die Schaffung und Verwendung eines Oxymorons wie „Staatsanarchismus“ voll und ganz rechtfertigt, obwohl es genau genommen ein Widerspruch in sich ist. Da der Anarchismus die Negation des Staates ist, wurden Juan García Oliver, Federica Montseny, Juan López, Juan Peiró und Diego Abad De Santillán Ende 1936 Minister für Justiz, Gesundheit, Handel, Industrie und Ökonomie, nur weil sie keine Anarchisten mehr waren. Was auch immer sie selbst (oder ihre Gefährtinnen und Gefährten) zu ihren Motiven für die Annahme eines solchen institutionellen Postens gesagt haben mögen, ihre Entscheidung stellte sie außerhalb des Anarchismus. Über ihre guten Absichten kann man trefflich streiten, aber Tatsache ist, dass sie durch ihre Zustimmung zur Zusammenarbeit mit der republikanischen Regierung den Anarchismus verraten (und dazu beigetragen haben, die Revolution zu vereiteln). Es gibt keine ministeriellen Anarchistinnen und Anarchisten, genauso wenig wie es alkoholkranke Abstinenzler oder jungfräuliche Mütter gibt.

Die Kritik am so genannten Staatsanarchismus ist also mehr als berechtigt, ja sogar notwendig, wenn man eine Wiederholung solcher Verluste befürchtet, aber sie ist nur dann leicht verständlich, wenn sie von Anarchistinnen und Anarchisten geäußert wird. Sie ist in der Tat etwas verwirrend, wenn sie von Autoritären formuliert wird, wie in diesem Fall. Es hat eine seltsame, fast komische Wirkung, wenn ein breitschultiger revolutionärer Marxist – der bordigistischen Positionen sehr nahe steht – wie Augustin Guillamón gegen die abtrünnigen Anarchistinnen und Anarchisten der CNT wettert und lauthals verkündet, dass „eine der unwiderruflichen Lehren der Spanischen Revolution von 1936 die unbedingte Notwendigkeit ist, den Staat zu zerstören“, rief er „künftige Revolutionäre, wenn sie relevant und effektiv sein wollen“ dazu auf, „die schlimmsten historischen Verirrungen, in die marxistisches und anarchistisches Denken verfallen ist, wegzufegen“.

Um Himmels willen, wir mögen ja zustimmen, aber… es ist nicht klar, ob Guillamón einen auf blöd macht oder nicht. Glaubt er wirklich, dass die politizistische Vorstellung von Revolution keine Konstante für jeden ist, der daran denkt, Revolution durch Autorität zu machen? Wenn es für einige spanische Anarchistinnen und Anarchisten im Jahr 1936 die Ausnahme war, so ist es für alle autoritären Erfahrungen in der Geschichte die Regel gewesen. Wie kommt es, dass die „unabänderliche Lektion“ in Russland 1917, in Paris 1871 oder sogar in Frankreich 1793 nicht begriffen wurde? Wo auch immer eine Revolution ausbrach, wo auch immer die herrschende Macht gestürzt wurde, setzte die Inanspruchnahme einer neuen Autorität durch einige Revolutionäre dem Ganzen ein Ende. Es ist müßig, die Bärte von Marx und Bakunin zu durchsuchen, um herauszufinden, in welchem der beiden mehr theoretische Flöhe schlummern – die Geschichte hat sich eindeutig zu diesem Thema geäußert.

Aber welchen Sinn ergibt es dann, die spanische anarchistische Ministerialbürokratie von 1936 dem revolutionären Geist entgegenzustellen, der laut Guillamón von anarchistischen Gruppen wie den Freunden von Durruti (Amigos de Durruti) und autoritären Formationen wie der Leninistisch-Bolschewistischen Sektion Spaniens verkörpert wurde? Welchen Sinn hat es, zu bedauern, dass die ersteren nicht zusammen mit den letzteren eine echte revolutionäre Junta gegründet haben? Möge der gute Guillamón in Frieden ruhen: Es ist nicht nur die bourgeoise und kapitalistische Macht an der Macht, die durch die Revolution vernichtet werden muss, sondern auch die potenzielle Arbeitermacht. Es ist nicht nur die anarchistische gewerkschaftliche/syndikalistische Organisation, es ist auch die autoritäre politische Partei, die sich unweigerlich in eine konterrevolutionäre Bürokratie verwandelt, sobald sie an die Macht kommt. Aus dieser Sicht gibt es keinen wesentlichen Unterschied zwischen der Macht, die mit der Bourgeoisie geteilt wird (wie es mit den Anarchistinnen und Anarchisten in Spanien 1936 überprüfbar ist), und der Macht, die sie allein ausüben (wie die Bolschewiki in Russland nach 1917). In beiden Fällen erstickte der Staatsapparat die Revolution von Anfang an im Keim. Die bolschewistische Regierung wurde nicht erst ab 1921, nach der Niederschlagung des Kronstädter Aufstands (eine Repression, die auch von Bordiga gerechtfertigt wurde), reaktionär, sondern sie war es von Anfang an: Denk nur daran, was mit den Moskauer Anarchistinnen und Anarchisten oder den ukrainischen Anarchistinnen und Anarchisten sowie mit Minderheitsströmungen der extremen Linken geschah.

Nun ist nicht nur der Staatsanarchismus ein Oxymoron, sondern auch der antistaatliche Marxismus. Guillamón und alle revolutionären Marxisten wie er sollten sich entscheiden. Bombastische Erklärungen über gute Absichten verzaubern nur Narren. Wenn sie von der unmittelbaren Notwendigkeit sprechen, den Staat zu zerstören, meinen sie dann nur den amtierenden bourgeoisen kapitalistischen Staat oder auch den selbst ernannten Arbeiterstaat, der in jeder revolutionären Situation im Entstehen begriffen ist? Der Unterschied ist grundlegend. Der Fehler der spanischen Anarchistinnen und Anarchisten bestand nicht darin, NICHT die ganze Macht zu übernehmen, sondern sie NICHT völlig zu zerstören, indem sie die Generalidad Companys überleben ließen, schlimmer noch, indem sie mit ihr kollaborierten.

Die Feinde der Revolution müssen sicherlich vernichtet werden, aber dazu ist es überhaupt nicht notwendig, die Macht zu besitzen: Es ist notwendig, Stärke zu besitzen. Wie alle Autoritären wird Guillamón denken, dass Kraft und Macht in solchen Zusammenhängen gleichbedeutend sind. Das ist ein großer Irrtum. Militärs, die auf Revolutionäre schießen, gehorchen einem Befehl, der ihnen von einer Behörde erteilt wird, die ein Gesetz anwendet. Revolutionäre, die auf Militärs schießen, setzen ihre Ideen in die Tat um, ohne eine Behörde, ein Gesetz oder eine öffentliche Legitimation hinter sich zu haben. Sie tun es, weil sie es für die Verwirklichung ihrer Wünsche für notwendig halten und sie haben nicht nur den Willen, sondern auch die Entschlossenheit und die materiellen Möglichkeiten. Sie haben also die Kraft dazu.

Die Worte der Freunde von Durruti (Amigos de Durruti) aufgreifend, erinnert Guillamón daran, dass Revolutionen totalitär sind. In seinen witzigen Worten würde das bedeuten, dass sie sowohl totalitär als auch autoritär sind. Dieser Historiker liebt es, mit Worten zu spielen und sie zu missbrauchen. In der politischen Sprache bedeutet totalitär „ein Ganzes, das in allen seinen Elementen betrachtet wird, ohne irgendeinen Ausschluss“. Die Revolution kann also totalitär sein, aber nur, wenn sie so verstanden wird, dass sie die gesamte Gesellschaft radikal umgestaltet, ohne etwas von der alten Welt unversehrt zu lassen. Sie ist keine Ministerkrise, sie ist kein Regierungswechsel, sie ist keine institutionelle Umstrukturierung. Das bedeutet aber keineswegs, dass sie von einer Autorität durchgeführt werden muss, auch nicht von einer Autorität der Arbeiterinnen und Arbeiter.

Das Machtvakuum, das revolutionäre Situationen kennzeichnet, mag der Albtraum von Staatsmännern und Gegenstaatsmännern sein, aber es ist unser süßer Traum. Dieses Vakuum sollte überhaupt nicht gefüllt werden, ganz im Gegenteil: Es sollte vergrößert, ausgedehnt und unheilbar gemacht werden.


(Agustín Guillamón) GEGEN FINIMONDO

Antwort auf die idealistische und sektiererische Kritik an dem Buch
Contro l’anarchismo di Stato
von Agustín Guillamón
(mit Stellungnahmen von Helmut Rüdigher und Michel Olivier)
All’Insegna del Gatto Rosso, Mailand, 2017
Agustín Guillamón
17. April 2018.

Normalerweise antworte ich nicht auf so banale Kritiken wie die auf der Finimondo-Website, aber bei dieser Gelegenheit fand ich es eine gute Ausrede, um meine Methode der historischen Analyse und einige andere interessante Fragen darzulegen.

1. ein Oxymoron oder die Leugnung der historischen Realität?

Unser anonymer Kommentator der italienischen Version von Contro l’anarchismo di Stato stützt seine Kritik auf das, was er für ein Oxymoron hält: „Staatsanarchismus“. Er geht sogar so weit zu sagen, dass es nie anarchistische Minister gab, denn wenn ein Anarchist Minister wird, hört er auf, ein Anarchist zu sein. Damit leugnet unser Kritiker, ob er es versteht oder nicht, die historische Realität aus einem sektiererischen Idealismus heraus, denn es gab tatsächlich Anarchistinnen und Anarchisten, die als Minister in der Regierung der Republik (García Oliver, Federica Montseny, Juan Lòpez und Joan Peiró) und auch in der Regierung der Generalidad (García Birlán, Josep Joan Demènech, Joan Pau Fábregas und ab Dezember 1936 Abad de Santillán, Pedro Herrera, Francisco Isgleas. Und Aurelio Fernández im April 1937, und andere nach den Maiereignissen 1937). Und diese Anarchistinnen und Anarchisten hörten nicht auf, Mitglieder der CNT-FAI zu sein, als sie auf Anordnung der Organisation den Posten des Ministers annahmen. Sie waren und dienten als anarchistische Minister bis Juni 1937, als sie aus der Regierung ausgeschlossen wurden, obwohl Segundo Blanco später anarchistischer Minister in der Regierung Negrín wurde. Es gab anarchistische Minister, auch wenn dies zum Bedauern unseres anonymen Kritikers sein mag, und es gab eine Ideologie des Staatsanarchismus, die aufhörte, ein bloßes sprachliches Oxymoron zu sein, und zu einem Widerspruch zwischen Aktion und Prinzipien wurde, der auf einer Ideologie der antifaschistischen Einheit beruhte, die einflussreich, offensichtlich und so real war, dass sie viele aufrichtige Anarchisten dazu brachte, alle grundlegenden und charakteristischen Prinzipien des Anarchismus aufzugeben. Die Realität zu leugnen (unser Zensor sagt, dass es keine anarchistischen Minister gibt, genauso wenig wie es jungfräuliche Mütter oder alkoholkranke Abstinenzler gibt) bedeutet, sich in ein sicheres und schützendes ideologisches Sektierertum einzuschließen: Alles, was die eigene Ideologie leugnet, wird geleugnet: Es existiert nicht. Wenn das Sektierertum mit der Realität kollidiert, wird die Realität geleugnet und alles ist gut! Für Katholiken gab es eine jungfräuliche Mutter (Mutter Gottes), die Jesus (Sohn Gottes) zur Welt brachte, und für Gläubige und Ungläubige gab es im Spanien des Jahres 1936 zahlreiche anarchistische Geistliche. Der erste Fall ist eine Sache des Glaubens, der zweite ist selbst für Blinde offensichtlich. Der erste Fall wird nur von Menschen ohne Glauben geleugnet; der zweite Fall wird nur von Anarchistinnen und Anarchisten mit Glauben geleugnet.

2. Das Sein geht dem Bewusstsein voraus. Mit anderen Worten: Das Bewusstsein ist ein Attribut des Seins. Ohne eine Theoretisierung der historischen Erfahrungen des Proletariats gibt es keine revolutionäre Theorie, keinen theoretischen Fortschritt. Zwischen Theorie und Praxis kann eine mehr oder weniger lange Zeitspanne liegen, in der die Waffe der Kritik zur Kritik der Waffen wird. Wenn eine revolutionäre Bewegung in der Geschichte auftritt, bricht sie mit allen toten Theorien, und die ersehnte Stunde der revolutionären Aktion schlägt, die an sich schon mehr wert ist als jeder theoretische Text, weil sie dessen Fehler und Unzulänglichkeiten aufdeckt. Diese praktische, kollektiv gelebte Erfahrung zerschmettert die nutzlosen Barrieren und ungeschickten Grenzen, die während der langen konterrevolutionären Perioden gesetzt wurden. Revolutionäre Theorien testen ihre Gültigkeit im historischen Labor.

Das Wissen um die revolutionäre Geschichte zu kennen, zu verbreiten und zu vertiefen, die Irrtümer und Entstellungen zu widerlegen, die von der „heiligen“ bourgeoisen Geschichtsschreibung geformt oder ausgespuckt wurden, und die authentische Geschichte des Klassenkampfes zu enthüllen, die aus der Sicht des revolutionären Proletariats geschrieben wurde, ist bereits an sich ein Kampf für die Geschichte, für die revolutionäre Geschichte. Ein Kampf, der Teil des Klassenkampfes ist, wie jeder wilde Streik, die Besetzung von Fabriken, ein revolutionärer Aufstand, „Die Eroberung des Brotes“ oder „Das Kapital“. Die Arbeiterklasse muss, um sich ihre Vergangenheit anzueignen, gegen idealistische, sektiererische, sozialdemokratische, neostalinistische, nationalistische, liberale und neofranquistische Visionen kämpfen. Der Kampf des Proletariats um seine eigene Geschichte ist ein Kampf unter vielen anderen im laufenden Klassenkampf. Er ist weder rein theoretisch noch abstrakt oder banal, denn er ist Teil des Klassenbewusstseins selbst und definiert sich als Theoretisierung der historischen Erfahrungen des internationalen Proletariats, und in Spanien muss er unweigerlich die Erfahrungen der anarchosyndikalistischen Bewegung in den 1930er Jahren verstehen, assimilieren und sich aneignen.

Die Klassengrenzen vertiefen die Kluft zwischen Revolutionären und Reformisten, zwischen Anti-Kapitalisten und Verteidigern des Kapitalismus. Diejenigen, die das nationalistische Banner hochhalten, das Verschwinden des Proletariats verurteilen oder den ewigen Charakter von Kapital und Staat verteidigen, stehen auf der anderen Seite der Barrikade, egal ob sie sich selbst als die Anarchistinnen und Anarchisten oder Marxistinnen und Marxisten bezeichnen. Die Alternative liegt zwischen den Revolutionären, die alle Grenzen abschaffen, alle Flaggen einholen, alle Armeen und die Polizei auflösen und alle Staaten zerstören wollen; die mit jedem Totalitarismus oder Messianismus durch Vollversammlungen und selbstemanzipatorische Praktiken brechen wollen; die Lohnarbeit, den Mehrwert und die Ausbeutung des Menschen auf der ganzen Welt beenden wollen; die die drohende atomare Vernichtung stoppen und die natürlichen Ressourcen für zukünftige Generationen verteidigen wollen. …, und die Konservativen der etablierten Ordnung, die Wächter und Sprachrohr ihres Herrn, die den Kapitalismus und seine Geißeln verteidigen. Revolution oder Barbarei.

Das Proletariat wird durch seine eigene Natur als lohnabhängige und ausgebeutete Klasse in den Klassenkampf hineingeworfen, ohne dass es jemanden braucht, der ihm etwas beibringt; es kämpft, weil es überleben muss. Wenn sich das Proletariat als bewusste revolutionäre Klasse konstituiert und sich mit der Partei des Kapitals konfrontiert, muss es die Erfahrungen des Klassenkampfes verarbeiten, auf den historischen Errungenschaften aufbauen, sowohl theoretisch als auch praktisch, und die unvermeidlichen Fehler überwinden, die gemachten Fehler kritisch korrigieren, seine politischen Positionen stärken, indem es sich ihrer Unzulänglichkeiten oder Lücken bewusst wird, und sein Programm vervollständigen; kurz gesagt, die Probleme lösen, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht gelöst sind: die Lektionen lernen, die uns die Geschichte selbst gibt. Und dieses Lernen kann nur in der Praxis des Klassenkampfes der verschiedenen revolutionären Affinitätsgruppen und der verschiedenen Organisationen des Proletariats erfolgen.

Es gibt keinen getrennten ökonomischen Kampf und keinen getrennten politischen Kampf, in wasserdichten Abteilungen. Jeder ökonomische Kampf ist in der heutigen kapitalistischen Gesellschaft gleichzeitig auch ein politischer Kampf und ein Kampf um die Klassenidentität. Die Kritik der politischen Ökonomie, die Kritik der offiziellen Geschichte, die kritische Analyse der Gegenwart oder der Vergangenheit, Sabotage, die Organisation einer revolutionären Gruppe, der blinde Ausbruch eines Aufstands oder eines wilden Streiks – all das sind Kämpfe im selben Klassenkampf.

Das Leben eines Individuums ist zu kurz, um tief in das Wissen der Vergangenheit einzudringen oder sich in die revolutionäre Theorie zu vertiefen, ohne eine kollektive und internationale Aktivität, die es ihm ermöglicht, aus den Erfahrungen vergangener Generationen zu schöpfen, und die ihn wiederum in die Lage versetzt, als Brücke und Ansporn für zukünftige Generationen zu dienen.

3. anarchistische Minister: Wenn es sie gab, gab es sie.

Unser Kritiker bestreitet, dass die Existenz anarchistischer Minister möglich ist, denn ein Anarchist hört auf, ein Anarchist zu sein, sobald er Minister ist. Wenn die Theorie mit der Realität oder der Geschichte kollidiert, wird die Realität oder die Geschichte geändert und alle sind glücklich! Aber die Realität und die Geschichte sahen die Existenz anarchistischer Minister vor! Und diese Anarchistinnen und Anarchisten nahmen das Amt des Ministers an und blieben Anarchistinnen und Anarchisten und waren weiterhin Militante in der CNT. Und so war es, ganz gleich, wem es gefällt. Es ergibt keinen Sinn, sich in die semantische Falle zu flüchten, dass ein Anarchist aufhört, ein Anarchist zu sein, sobald er den Posten eines Ministers annimmt, denn das ist ein Angriff auf die Reinheit der Lehre. Das bedeutet, die historische Realität zu negieren, was wirklich passiert ist. Dies bedeutet die Realität und die Geschichte zu negieren, ist die Zuflucht aller Opportunisten und Sektierer. UND, was noch schlimmer ist, ES VERHINDERT ZU VERSTEHEN, WAS 1936-1937 GESCHIEHEN IST.

4. Bordigist oder Anarchist?

Wenn unser anonymer italienischer anarchistischer Kritiker von revolutionärem Marxismus spricht, denkt er dann an Anton Pannekoek, Gorter, Mattick und andere führende anti-leninistische marxistische Theoretiker, ganz zu schweigen vom MIL? Welcher Ignorant ist es, der nicht weiß, dass es einen staatsfeindlichen und anti-leninistischen Marxismus gibt, der die totale Zerstörung des Staates befürwortet?

Warum muss dieser Taxidermist Etiketten anbringen: Marxist, Bordigist,

Anarchist. Durrutist?

Die sektiererischen Bordigisten haben mir bereits die Beleidigung entgegengeschleudert, ich sei ein Anarchist. Die sektiererischen Anarchistinnen und Anarchisten beleidigen mich nun, dass ich ein Marxist und, noch schlimmer, ein Bordigist bin. Seltsamerweise habe ich mich in keinem der beiden Fälle beleidigt gefühlt, vielleicht weil sie das Beste des jeweils anderen verunglimpfen.
Die Taxidermisten, die versuchen, Etiketten zu vergeben (Marxist, Anarchist, Bordigist, Durrutist), wenden eine naturalistische Methode an, die nicht zu den Sozial- und Geschichtswissenschaften passt. Ich bin überzeugt, dass es zwischen einem etatistischen Anarchisten und einem revolutionären Anarchisten mehr Unterschiede gibt als zwischen zwei Revolutionären, sei es ein Anarchist oder ein Marxist.

Die Analysemethode der Marxschen Kritik der politischen Ökonomie ist unverzichtbar. Wer Marx in eine Bibel verwandelt, macht sich die taxidermistische Methode unseres Kritikers zu eigen. Ich empfehle die Lektüre von Corsino Velas „Capitalismo terminal“, einer Aktualisierung der Kritik der politischen Ökonomie auf die heutige Zeit, die die Analyse von Paul Mattick beerbt.

Ich bin nie ein Bordigist gewesen. Ich wurde in eine anarchistische Familie hineingeboren. Ich versuche, mich kritisch mit allen etatistischen und autoritären Ideologien auseinanderzusetzen, auch mit dem Sektierertum der Staatsanarchisten (Anarcho-Demokraten und Anarcho-Nationalisten) und der Staatsmarxisten (Stalinisten und Sozialdemokraten).

Ich habe eine Abschlussarbeit über Amadeo Bordiga geschrieben und schätze seine Analysen des Faschismus und seine Artikel in der Reihe Sul Filo del Tempo, aber ich lehne Bordigas grundlegenden Ultra-Leninismus ab.

Ich könnte als Beispiele einen marxistischen Libertären wie Daniel Guerin oder einen libertären Marxisten wie Maximilien Rubel oder die theoretische Suche des MIL anführen, aber das werde ich nicht tun. Ist der Antagonismus zwischen AnarchistInnen und revolutionären Marxistinnen und Marxisten des 19. Jahrhunderts heute noch gültig? Man denkt und reflektiert nicht mit einem Mitgliedsausweis im Mund: zumindest ich nicht.

5. Der heilige anarchistische Papst, der Mitgliedsausweise von guten Anarchistinnen und Anarchisten ausstellt.

Unser Taxidermist wird auch zum Spender von Ausweisen des Anarchismus. Nur er allein hat als geweihter anarchistischer Papst der heiligen anarchistischen Kirche genügend Verdienst, Fähigkeit und Autorität erlangt, um zu entscheiden, wer ein autoritärer Marxist ist oder wer es wert ist, als Libertärer bezeichnet zu werden. Versteht unser Taxidermist-Kritiker den obersten Autoritarismus seiner Position?

Unser anonymer Kritiker behauptet, dass die Kritik am Staatsanarchismus wohl begründet ist, aber nicht von „einem autoritären Marxisten wie Guillamón“ geäußert werden kann. Sie ist nur akzeptabel, wenn sie von Anarchistinnen und Anarchisten geäußert wird. Er fragt sich, ob Guillamón „ci sia o ci faccia“ und ich hoffe, dass er eines Tages eine Antwort auf ein Dilemma findet, das Guillamón dialektisch gelöst hat: „Das Sein geht dem Bewusstsein voraus“.

Unser Kritiker verwechselt das, was Guillamón sagt, mit dem, was Los Amigos de Durruti (Freunde von Durruti) sagt. Und das ist wichtig, denn darin liegt der abgrundtiefe Unterschied zwischen der idealistischen Methode unseres italienischen Kritikers und der materialistischen Methode von Guillamón. Denn es ist nicht wichtig, was Guillamón denkt oder nicht denkt; wichtig ist, dass Guillamón den Gedanken der Freunde von Durruti darlegt: Es sind die Anarchistinnen und Anarchisten der Agrupación de Los Amigos de Durruti, die nach ihren Erfahrungen im laufenden Klassenkampf sagen, dass „eine der unwiderruflichen Lehren der Spanischen Revolution von 1936 die unbedingte Notwendigkeit ist, den Staat zu zerstören“ (eine der unumstößlichen Lehren der spanischen Revolution von 1936 ist die zwingende Notwendigkeit, den Staat zu zerstören.), und fordert „künftige Revolutionäre, wenn sie relevant und effektiv sein wollen“, „die schlimmsten historischen Verirrungen, in die marxistisches und anarchistisches Denken verfallen ist, wegzufegen“.

Es sind Los Amigos de Durruti (1937) und nicht Guillamón (2016), die zu dem Schluss kommen, dass Revolutionen totalitär sind oder scheitern, wenn man bedenkt, dass im Spanisch des Jahres 1937 das Wort „totalitär“ total bedeutete, d.h. dass die Revolution nicht nur auf das ökonomische Terrain der Kollektivierungen beschränkt sein sollte (wie es 1936 in Spanien geschah), sondern sich auf das politische, soziale, kulturelle und bildungspolitische Terrain, also auf alle Bereiche menschlicher Aktivität, erstrecken sollte. Und totalitär bedeutete auch, dass die grausame bourgeoise Konterrevolution unterdrückt werden musste, und diese Unterdrückung war notwendigerweise autoritär, denn die Konterrevolutionäre waren keine unbefleckten und friedlichen Engel. Wenn das ein Widerspruch oder ein Oxymoron ist, wie unser Zensor zu sagen pflegt, müssen wir vielleicht zu dem Schluss kommen, dass eine libertäre Revolution immer zum Scheitern verurteilt ist.

6. Taxidermisten für was?

Ich finde die naturalistischen Etiketten der Taxidermisten lächerlich und veraltet. Ich versuche nur, eine materialistische und historische Analysemethode zu praktizieren. Wenn unser taxidermistischer Zensor das nicht versteht, ist das sein Problem.

Vielleicht ist unser Taxidermist nicht in der Lage, die comités superiores cenetistas abzulehnen, obwohl sie versuchten, die comités revolucionarios de barrio zu vernichten und zu unterwerfen, weil sie nominell anarchistisch waren, während er durchaus in der Lage ist, die SBLE (sección bolchevique-leninista de españa) abzulehnen, die diese comités revolucionarios de barrio unterstützte und förderte, weil die SBLE autoritär war.

7. Idem.

Mein Kritiker sagt: „Der Unterschied ist grundlegend. Der Fehler der spanischen Anarchistinnen und Anarchisten bestand nicht darin, NICHT die ganze Macht zu übernehmen, sondern sie NICHT völlig zu zerstören, indem sie die Generalidad Companys überleben ließen, schlimmer noch, indem sie mit ihr kollaborierten.

Die Feinde der Revolution müssen sicherlich vernichtet werden, aber dazu ist es überhaupt nicht notwendig, die Macht zu besitzen: Es ist notwendig, Stärke zu besitzen.“ Aber Guillamón sagt genau das Gleiche. Aber er sagt noch mehr und versucht zu beantworten, wie ein solcher Fehler gemacht wurde, wer ihn gefördert hat und wer ihn vermeiden wollte. Daher die Unterscheidung zwischen comités superiores und comités de barrio, zwischen anarchistischen Ministern und den revolutionären Anarchisten der Freunde von Durruti.

8. Die revolutionären Komitees (los comités revolucionarios)

Im Juli 1936 ging es nicht um die Machtergreifung (durch eine Minderheit von anarchistischen Anführern), sondern darum, die Zerstörung des Staates durch die Komitees zu koordinieren, voranzutreiben und zu vertiefen. Die revolutionären Nachbarschaftskomitees (und einige der lokalen Komitees) haben die Revolution nicht gemacht oder nicht gemacht: Sie waren die soziale Revolution. Die Rolle der CNT als Gewerkschaft/Syndikat hätte sich vielleicht vorübergehend auf die Verwaltung der Ökonomie beschränken sollen, sich aber in der neuen Organisation, die aus den Nachbarschafts-, Orts-, Fabrik-, Versorgungs-, Verteidigungs- und so weiterkomitees hervorging, unterordnen und auflösen müssen. Die massenhafte Eingliederung der Arbeiterinnen und Arbeiter, von denen viele bis dahin nicht in der organisierten Welt vertreten waren, schuf eine neue Realität. Und die Realität, die die Revolution geschaffen hatte, unterschied sich von der, die vor dem 19. Juli existierte. Die alten Organisationen und politischen Parteien standen in der Praxis außerhalb der neu geschaffenen sozialen Realität. Der revolutionäre Organismus der revolutionären Komitees, der auf allen Ebenen verallgemeinert wurde, hätte das gesamte revolutionäre Proletariat repräsentieren sollen, ohne die absurden Unterteilungen durch Akronyme, die vor dem Juli-Aufstand Sinn machten, aber nicht danach.

Die CNT-FAI hätte der Sauerteig des neuen revolutionären Organismus sein sollen, der Koordinator der Komitees, der im Prozess der revolutionären Gärung verschwand (zur gleichen Zeit, als die anderen Organisationen und Parteien aufgelöst wurden). Nach dem siegreichen Aufstand der Arbeiter und der Niederlage der Armee und mit der Einquartierung der Ordnungskräfte war die Zerstörung des Staates keine abstrakte futuristische Utopie mehr.

Die Zerstörung des Staates durch die revolutionären Komitees war eine sehr konkrete und reale Aufgabe, bei der diese Komitees alle Aufgaben übernahmen, die der Staat vor dem Juli 1936 erfüllte.

Aber eine solche Überlegung liegt (für unseren guten Taxidermist) vielleicht in einer anderen Galaxie.

9 Welche Lehren können aus dem Bürgerkrieg gezogen werden?

a.- Der kapitalistische Staat, sowohl in seiner faschistischen als auch in seiner demokratischen Form, muss zerstört werden. Das Proletariat kann keinen Pakt mit der republikanischen (oder demokratischen) Bourgeoisie schließen, um die faschistische Bourgeoisie zu besiegen, denn ein solcher Pakt bedeutet bereits die Niederlage der revolutionären Alternative und den Verzicht auf das revolutionäre Programm des Proletariats (und seine eigenen Kampfmethoden), um das Programm der antifaschistischen Einheit mit der demokratischen Bourgeoisie anzunehmen, um den Krieg gegen den Faschismus zu gewinnen.

b.- Das revolutionäre Programm des Proletariats ist die Internationalisierung der Revolution, die Vergesellschaftung der Ökonomie, die Schaffung solider Grundlagen für die Abschaffung des Werts und der Lohnarbeit im Weltmaßstab, die Führung des Krieges und der Arbeitermilizen durch das Proletariat, die räte- und vollversammlungsmäßige Organisation der Gesellschaft und die Unterdrückung der bourgeoisen und petit bourgeoisen Gesellschaftsschichten durch das Proletariat, um die sichere bewaffnete Antwort der Konterrevolution zu zerschlagen. Die wichtigste theoretische Errungenschaft der Freunde Durrutis war die Bekräftigung des totalitären Charakters der proletarischen Revolution. Totalitär deshalb, weil sie in allen Bereichen stattfinden muss: sozial, ökonomisch, politisch, kulturell …, und in allen Ländern, über alle nationalen Grenzen hinweg, und sie war auch repressiv, weil sie dem Klassenfeind militärisch entgegentrat.

c.- Das Fehlen einer Organisation, einer Avantgarde oder einer Plattform, die in der Lage war, das historische Programm des Proletariats zu verteidigen, war entscheidend, denn es erlaubte und ermutigte alle Arbeiterorganisationen, das bourgeoise Programm der antifaschistischen Einheit (heilige Einheit (Union sacrée) der Arbeiterklasse mit der demokratischen und republikanischen Bourgeoisie) zu übernehmen, mit dem einzigen Ziel, den Krieg gegen den Faschismus zu gewinnen. Die revolutionären Avantgarden, die auftauchten, kamen zu spät und wurden in ihrem kaum skizzierten Versuch, eine revolutionäre Alternative zu präsentieren, die mit der bourgeoisen Wahl zwischen Faschismus und Antifaschismus brechen könnte, zerschlagen.

d.- Der Stalinismus war eine konterrevolutionäre Option, die den Staatskapitalismus verteidigte und die Diktatur der stalinistischen Partei über das Proletariat befürwortete. Der Staatsanarchismus der höheren libertären Komitees war eine konterrevolutionäre Option, denn er verteidigte einen syndikalistischen/gewerkschaftlichen Kapitalismus und befürwortete die Stärkung des Staatsapparats, die antifaschistische Einheit und das alleinige Ziel, den Krieg zu gewinnen, unter Verzicht auf die Revolution.

e.- Die revolutionären Nachbarschaftskomitees in der Stadt Barcelona und verschiedene lokale Komitees im übrigen Katalonien waren die potenziellen Machtorgane der Arbeiterklasse. Sie traten für die Sozialisierung der Ökonomie ein und lehnten die Militarisierung der Milizen und die Kollaboration mit der Regierung und den antifaschistischen Parteien ab. Sie waren bewaffnet, sie waren die Armee der Revolution. Ihre größte Einschränkung war ihre Unfähigkeit, sich außerhalb des konföderalen Apparats zu organisieren und zu koordinieren (A.d.Ü., also außerhalb der CNT selbst). Die höheren Komitees erstickten die revolutionären Komitees politisch und organisch, was zu ihren schlimmsten Feinden und zum größten Hindernis für ihre gewünschte und notwendige Integration in den Apparat des bürgerlichen Staates wurde, als Endziel ihres Institutionalisierungsprozesses.

Die revolutionären Komitees haben die Revolution nicht gemacht oder nicht mehr gemacht: Sie waren die soziale Revolution, denn ihre bloße Existenz und die Erfüllung aller Aufgaben und Funktionen, die der Staat vor dem Juli 1936 ausgeübt hatte, machten sie zu effektiven Protagonisten der Zerstörung des Staates.

f.- Während des Bürgerkriegs scheiterte das politische Projekt des Staatsanarchismus, der sich als antifaschistische Partei konstituierte, Methoden der Klassenkollaboration und Regierungsbeteiligung anwandte, bürokratisch organisiert war und das Hauptziel verfolgte, den Krieg gegen den Faschismus zu gewinnen, kläglich auf allen Gebieten; aber die soziale Bewegung des revolutionären Anarchismus, die in revolutionären Komitees der Nachbarschaft, der Gemeinde, der Arbeiterkontrolle, der Verteidigung usw. organisiert war, bildete die Keimzelle einer Arbeitermacht, die Höhen der ökonomischen Verwaltung, der revolutionären populären Initiativen und der proletarischen Autonomie erreichte, die noch heute eine Zukunft erhellen und ankündigen, die sich radikal von der kapitalistischen Barbarei, dem faschistischen Horror oder der stalinistischen Sklaverei unterscheidet.

Und obwohl dieser revolutionäre Anarchismus schließlich der koordinierten und komplizenhaften Unterdrückung durch den Staat, die Stalinisten und der höheren Komitees (comités superiores, CNT) erlag, hinterließ er uns das Beispiel und den Kampf einiger Minderheiten, wie die Freunde von Durruti, die JJLL (Juventudes Libertarias) und bestimmte anarchistische Gruppen der lokalen Föderation von Barcelona, die es uns heute ermöglichen, ihre Erfahrungen zu theoretisieren, aus ihren Fehlern zu lernen und ihren Kampf und ihre Geschichte zu rechtfertigen.

g. – Das Bewusstsein geht aus dem Sein heraus. Ohne eine Theoretisierung der historischen Erfahrungen des Proletariats gäbe es keine revolutionäre Theorie, keinen theoretischen Fortschritt, und sie wäre auf jeden Fall viel ärmer, unvollständig und unwirksam. Kollektive, anonyme, Klassen-, Solidaritäts-, Straßen-, populäre, atheistische, lebendige, tiefe, plurale, internationale und internationalistische Theorie, die nur als reife Frucht eines historischen Prozesses der Vorbereitung auf das Eingreifen in die kommenden Schlachten des andauernden Klassenkampfes erreicht werden kann.

10. SCHLUSSFOLGERUNGEN

Ich könnte noch mehr und Besseres sagen, aber das ist genug. Ich hätte mich darauf beschränken können, unserem italienischen Kritiker die Anschuldigungen und Beleidigungen verschiedener exzentrischer Einzelpersonen oder verschiedener sektiererischer bordigistischer Gruppen zu übermitteln, die mich als Antwort auf ihre „Anschuldigungen“, ich sei ein Anarchist, „beschuldigten“ („Diskurs über die Methode“ von Guillamón kann hier gelesen werden: http://kaosenlared.net/discurso-del-metodo/).

Ich hätte mich über die Inkohärenz und den Fehlgriff des einen oder des anderen beschweren können. Sicher ist jedoch, dass sowohl diese Bordigisten als auch diese Anarchistinnen und Anarchisten etwas sehr Wichtiges gemeinsam haben: eine sektiererische und idealistische Analysemethode, die sie in den Abgrund der Sinnlosigkeit, Inkohärenz und Unbrauchbarkeit führt: Sie negiert die Realität und die Geschichte.

Wenn die Ideologie mit realen oder historischen Fakten kollidiert, negiert ihre idealistische Methode die Realität und die historischen Fakten. Sie fragen sich nie, ob ihre heilige Ideologie falsch oder veraltet ist. Wenn Prinzipien hingegen nur dazu dienen, sie bei den ersten Schwierigkeiten, die die Realität und die Geschichte aufwerfen, aufzugeben, ist es besser zu erkennen, dass man keine Prinzipien hat.

Agustín Guillamón. Barcelona, 17. April 2018

]]> (Agustín Guillamón) Diskurs über die Methode https://panopticon.blackblogs.org/2023/11/01/agustin-guillamom-diskurs-ueber-die-methode/ Wed, 01 Nov 2023 11:07:03 +0000 https://panopticon.blackblogs.org/?p=5254 Continue reading ]]>

Der folgenden Texte, von Agustín Guillamón, sowie ‚Gegen den Staatsanarchismus- Oxymorone und Selbstverständlichkeiten‘, von Finimondo und danach, ‚GEGEN FINIMONDO‘ von Guillamón können wir als ein Art Auseinandersetzung zur Rolle der anarchistischen Bewegung und einigen Figuren darin, während der sozialen Revolution im Sommer von 1936 verstehen.

Kurzgefasst kritisiert Guillamón in dem Artikel ‚Diskurs über die Methode‘ die Zeitschrift Bilan, auch wenn er dieser seine scharfsinnige Kritik hoch anrechnet, was die Rolle der anarchistischen Bewegung im Verlauf der sozialen Revolution 1936 angeht. Bilan´s Kritik ist, dass da der anarchistischen Bewegung ein klarer Programm fehlte (inhaltlich wie praktisch), die soziale Revolution ihre Ziele nur noch verraten konnte und aus dieser schnell ein reiner imperialistischer und innerbourgeoiser Konflikt zwischen zwei bourgeoisen Fraktionen (Republik vs. Putschisten) wurde.

Guillamón teilt diese Kritik zwar, verteidigt trotzdem die revolutionäre Kraft des Proletariats, welches sich mehrheitlich in der anarchistischen Bewegung organisierte und kritisiert die Unfähigkeit den revolutionären Kurs zu halten, da dies nicht der Fall war, wurde der Anarchismus zu einer etatistischen Bewegung, da sie den republikanischen Staat verteidigte und schützte, anstatt diesen zu zerstören. Guillamón nennt dies ‚Staatsanarchismus‘.

Daraufhin schrieb Finimondo eine Kritik und kritisiert vor allem letzteres. Worauf sich Guillamón nochmals melden würde, bei ‚GEGEN FINIMONDO‘, um auf die Kritik einzugehen, ein wahrhaftiger Schlagabtausch zwischen beiden. Ohne darauf mehr einzugehen, viel Spaß mit der Auseinandersetzung die wir auch für richtig und wichtig halten.


Diskurs über die Methode

Veröffentlicht am 23 Mär, 2017

Von Agustín Guillamón

Die Sekten der Willkür sind zahlreich und der vernünftige Mensch muss vor ihnen allen fliehen. Es gibt exotische Geschmäcker, die immer alles verbinden, was die Weisen ablehnen. Sie leben von jeder Extravaganz, und auch wenn sie dadurch bekannt werden, ist das mehr zum Lachen als zum Ansehen. Selbst als weiser Mann sollte der Kluge nicht auffallen, schon gar nicht in solchen Berufen, die diejenigen, die sie ausüben, lächerlich machen. Baltasar Gracián. Die Kunst der Weltklugheit.

Ich gebe zu, dass ich diesen intellektuellen Kannibalismus nicht verstehe, der darin besteht, sich wegen einer Kleinigkeit gegenseitig in Stücke zu reißen. Sicherlich ist es ein Ritual, bei dem die Menschen, die sich am nächsten stehen, gerade wegen dieser Nähe und aus Langeweile beleidigt werden. Das traurige Ergebnis ist die Unmöglichkeit eines Raums für gesunde Kontroversen, die junge Menschen interessieren könnten, und die Zerstörung der minimalen Möglichkeit der Existenz eines Netzwerks der internationalen und internationalistischen Solidarität: nur ein wütender Hahnenkampf, bei dem immer der Bestialischste und Blutrünstigste gewinnt. Und bei diesem Spiel verlieren wir alle.

Die Veröffentlichung eines kurzen Artikels mit dem Titel „Revolutionärer Defeatismus in Spanisch, Katalanisch und Französisch, der nicht mehr als zweitausend Wörter umfasst, hat den bordigistischen Hühnerstall und seine Umgebung aufgewühlt.

Die bordigistischen Kritiker dieses Artikels haben sich der unterschiedlichsten Methoden bedient, von der unwürdigen Methode der Bildverzerrung, die sich mit derjenigen deckt, die die Nazis in ihrem antizionistischen Kampf verwendet haben, bis hin zu der sich wiederholenden und langweiligen Verwendung der Beleidigung ad hominem als unwirksamen Ersatz für Argumente oder Gründe.

Man kann nicht mit X debattieren, einem gestörten Individuum, das sich für „die Internationale“ hält und sich als solche präsentiert, während es provokative und verunglimpfende Methoden nazistischer/stalinistischer Art neben einer Reihe pseudomarxistischer Formeln anwendet, und zwar aus keinem anderen Grund als dem des Rowdytums oder des Wutanfalls beim geringsten Missfallen. Eine unbändige Wut bekräftigt ihn in seinen Dogmen, wenn er sie bedroht sieht, und verwandelt ihn in einen eifrigen leninistischen Hüter des Unantastbaren und Geißel der Ketzer.

Es kann keinen Dialog mit einem funktionalen Analphabeten wie Y geben, der nicht in der Lage ist, einen verständlichen Satz zu schreiben, der keinen Affront enthält, und der sich selbst als „Die Partei“ vorstellt. Y hier zu zitieren, bedeutet bereits, ihm ein theoretisches Niveau zuzugestehen, das ihm fehlt, es bedeutet, ihn von seiner totalen intellektuellen Bedürftigkeit in eine Kategorie zu erheben, die er nicht hat, denn es wäre vor allem ratsam, dass er eine Abendschule für Erwachsenenalphabetisierung besucht.

Man kann und sollte sich nicht auf einen Dialog mit solch verstörten Charakteren, traurigen witzlosen Clowns wie X und Y einlassen, denn jede Antwort würde ihre moralische Unanständigkeit würdigen und ihre Paranoia fördern. Was aber ist mit den Internationalen der weiten Welt, die nur aus einer oder höchstens zwei oder drei Personen bestehen, wie X und Y, und wie steht es um ihre geistige Gesundheit?

Andere, würdigere und vernünftigere, die eine alteingesessene und etablierte kollegiale Gruppe wie Z bilden und mit denen wir versuchen könnten, eine Debatte zu beginnen, tun dies mit einem erbitterten und exklusiven Sektierertum, das sie in den Besitz der absoluten Wahrheit bringt. Mit weniger Sektierertum und mehr Akzeptanz von Kontroversen würde es ihnen viel besser gehen. In der Zwischenzeit stecken wir sie in denselben sektiererischen Sack wie X und Y. Alle in einen Sack, eingesperrt unter der gemeinsamen Schmach der Anonymität.

Das Kuriose daran ist, dass sich alle, von X und Y bis Z, als Marxisten bezeichnen: ob der neurotische Nazi, der anstößige Analphabet oder das gelehrte Priesterkollegium. Es war die Existenz von Marxisten eines solchen Charakters und eines solchen Stils, die Marx zu der Aussage veranlasste, er sei kein Marxist. Sie alle, alle Marxisten, aus dem gleichen Sack, alle stimmen in der Methode der Kritik überein: die idealistische Verteidigung um jeden Preis der heiligen Texte von Bilan.

Und merkwürdigerweise stimmen sie alle in demselben Irrtum überein, mich für einen Doktor und Universitätsprofessor zu halten, vielleicht weil sie es für unmöglich halten, dass ein autodidaktischer Lohnarbeiter proletarische Geschichtsforschung betreibt, die vor der Veröffentlichung des Artikels über den Defätismus gelobt und geschätzt, nach der Lektüre dieses Artikels aber bis zur Hysterie geschmäht und abgetan wurde, weil sie ihren Glauben lästerten. Was hat sich geändert: Meine historische Arbeit hat sich nicht geändert, unverändert; sie schreien nur vor Wut auf, weil ihre Dogmen in Frage gestellt wurden. Einige irren sich auch, weil sie mich unverdientermaßen als Nationalisten oder Katalanisten bezeichnen wollen. Es würde genügen, den Artikel „Klasse oder Nation?“ zu lesen, um sie von ihrem Irrtum zu überzeugen, aber ich bin mir sicher, dass sie es vorziehen, weiterhin ihr unverdientes Epitheton zu schwingen, anstatt ihren offensichtlichen Fehler zu korrigieren.

Sie alle stürzen sich in eine mehr oder weniger verständliche Aneinanderreihung von Vorwürfen und Fantasien und beschuldigen mich, dieses oder jenes nicht ausführlich genug zu behandeln, als ob sie statt eines kurzen Artikels eine Doktorarbeit lesen würden. Obwohl das noch das geringste Übel ihrer mystischen Analysemethode wäre. Aber ich lasse diese Inspektoren-Pfüfer beiseite, damit sie nicht denken, dass dies eine Antwort auf ihren Hohn, ihre Beleidigungen und Verleumdungen ist; denn das ist es nicht, noch sollte ich ihr Erbrochenes wertschätzen: „Nicht die, die wollen, beleidigen, sondern die, die können“.

Das Wort „Sektierer“ wird auf diejenigen angewandt, die fanatisch einer Doktrin folgen. Dem Sektierer fehlt es an kritischem Geist, er heiligt die Lehre, der er anhängt, und ist unfähig, mit Argumenten auf Kritik zu antworten, die als Verunglimpfung oder Häresie gegenüber der Heiligen Schrift gilt, deren Verwahrer, Ausleger und eifriger Hüter er ist. Der Sektierer ist immer ein religiöser Idealist, der den Autor oder die Autoren der heiligen Texte vergöttert, seien es Marx, Bakunin oder Bilan, und sich selbst zum obersten Richter macht, indem er sich die einzig richtige Auslegung der Bibel anmaßt.

Die kleinste äußere Kritik an dieser vergöttlichten Lehre wird als blasphemischer Angriff auf das gesamte Pensum betrachtet und deshalb anathematisiert und verteufelt. Und über Gott wird nicht diskutiert, er wird angebetet und geheiligt. Anathema und Verbrennung der Frevler: Das ist die Methode der Sektierer. Jeder Versuch, über Gott zu urteilen oder mit einem Sektierer zu debattieren, ist zum Scheitern verurteilt, denn die geringste Kritik wird immer als Blasphemie oder, noch schlimmer, als Verleumdung eines Ketzers angesehen, die nur auf dem Scheiterhaufen erlöst werden kann.

Meine Methode ist materialistisch und basiert auf einer profunden historischen Kenntnis der Ereignisse, um sie kritisch zu analysieren. Die Gültigkeit politischer Theorien wird im historischen Laboratorium beurteilt und analysiert. Wenn die Theorie mit der Realität oder der Geschichte kollidiert, muss die Theorie geändert werden, nicht die Realität oder die Geschichte, wie es Fanatiker immer tun.

Zunächst einmal ist anzumerken, dass keiner von ihnen mein Zitat von Marx widerlegt oder bestreitet, das sich auf These Nummer 11 über Ludwig Feuerbach bezieht: „Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, aber es geht darum, sie zu verändern“. Genauso wenig bestreitet oder bezweifelt jemand die historische Tatsache, dass 800 anarchistische Milizionäre Ende Februar 1937 bewaffnet nach Barcelona zogen, um eine Organisation, die Agrupación de los Amigos de Durruti, zu gründen, die nur zwei Monate später versuchte, dem revolutionären antistaatlichen und antistalinistischen Aufstand, der am 3. Mai 1937 begann, revolutionäre Ziele zu geben.

Beide Argumente – die 11. These über Feuerbach und der praktische und aktive revolutionäre Defätismus der Anarchisten der Vierten Gelsa-Gruppierung der Durruti-Kolonne – werden nicht nur nicht diskutiert, sondern eifersüchtig verschwiegen. Beleidigungen gibt es zuhauf, Argumente und Gründe fehlen: Es gibt keine historische Methode, keine materialistische und dialektische Analyse. Alles, was bleibt, ist ein Sack mit grobem, sektiererischem Hanf, der mit einem Seil verschnürt ist.

Der Methode des historischen Materialismus, die ich in meinem Artikel über den revolutionären Defätismus verwende, stelle ich die Methode des ideologischen Idealismus zur Verteidigung der heiligen Texte entgegen. Denn während Bilan in Paris philosophierte, verwandelte die Agrupación de los Amigos de Durruti den Krieg in eine Revolution.

Mehr muss nicht gesagt werden, denn alles, was gesagt werden muss, ist bereits gesagt worden. Um jedoch die leninistischen Anathema und ihre arrogante Blindheit richtig zu verstehen, müssen wir die Verachtung und intellektuelle Arroganz hinzufügen, die die sektiererischen Buhmänner, die im Besitz der einzig richtigen Interpretation des Marxismus-Leninismus, also der absoluten „wissenschaftlichen Wahrheit“ sind, gegenüber dem anarchistischen und revolutionären Gesindel hegen.

Die idealistische Methode interpretiert und verdreht die Fakten auf der Grundlage der Ideologie: Wenn die Realität nicht mit den Überzeugungen übereinstimmt, werden die Fakten und die Realität geändert, und alle sind glücklich! Die historisch-materialistische Methode basiert auf Fakten, nicht auf Ideologie. Es sind die Fakten, die interpretiert werden müssen, und wenn etwas geändert werden muss, ist es nicht die historische Realität, sondern eine falsche Ideologie, die nicht in der Lage ist, etwas zu verstehen oder zu erklären. Denn die Fakten sind sehr hartnäckig: 800 Milizionäre, ja, Anarchistinnen und Anarchisten, verließen die Militärfront und nahmen ihre Waffen mit nach Barcelona, um eine revolutionäre Organisation zu gründen, die zwei Monate später einen revolutionären Aufstand entfesselte und anführte. Das ist so, und außerdem können meine Gegner nicht leugnen, dass ihr Gott Bilan diesen Aufstand auf dem Papier und aus der Ferne gelobt, gepriesen und unterstützt hat. Vielleicht können sie auch fragen, warum.

Einige der Inquisitoren meines kurzen Artikels schimpfen über meine Kritik an den Freunden von Durruti. Sie verstehen nicht, dass ich die Freunde von Durruti nicht heilig spreche oder vergöttere, wie sie es mit Bilan tun. Ihr starker religiöser Geist hindert sie daran zu verstehen, dass es auch Atheisten gibt. Der Materialismus meiner Forschung, der natürlich historisch ist, erlaubt es mir nicht, die heilige Geschichte der Bourgeoisie zu akzeptieren, die diesen Bordigisten-Leninisten so lieb ist. Meine dialektische Geschichtsauffassung veranschaulicht und erklärt die Entstehung und das revolutionäre Wachstum der Freunde von Durruti vor und während der Mai-Ereignisse, aber sie betrachtet auch das Abdriften und die Degeneration derselben Gruppierung nach dem Mai, nach der politischen Niederlage des revolutionären Proletariats von Barcelona und Katalonien im Mai 1937, und versucht, diese zu verstehen. Der unerschütterliche bordigistische Glaube an Christus-Bilan ist eine schlechte Dialektik.

Die politische Niederlage, die stalinistische und staatliche Repression, die Verfolgung durch die übergeordneten Komitees der Cenetistas, die sehr starke Isolierung der Revolutionäre, der Hunger, die Entwaffnung usw., usw., all das führte dazu, dass die Positionen der Agrupación degenerierten und schwächer wurden, ohne zu verschwinden. Daher die theoretischen Schwächen in Bezug auf den Nationalismus und andere, die in dem im Februar 1938 veröffentlichten Pamphlet der Freunde von Durruti: Einer neuen Revolution entgegen zu finden sind.

Die Aufgabe des Historikers ist es, die materialistische Kritik auf diese Entartung anzuwenden, um zu versuchen, die wertvollen Lehren zu ziehen, die uns die Erfahrungen und der Kampf der Freunde von Durruti vor der Niederlage und der unvermeidlichen Verschleierung des Wesens und der Kämpfe dieser Gruppe durch die von den Siegern geschriebene Heilige Geschichte bewahren. Wie schwer ist die Dialektik für die leninistischen Sektierer! Was für ein Buhmann kommt da!

Um diesen Artikel zu beenden und ihm eine Konsistenz zu geben, die die Schmähungen und der Manichäismus unserer leninistischen Zensoren nicht zulassen, präsentiere ich nun These Nr. 29 meiner Thesen über den Spanischen Krieg und die am 19. Juli 1936 in Katalonien entstandene revolutionäre Situation1, in der eine materialistische und historische Kritik an der vergötterten Bilan vorgenommen wird.

These Nr. 29

KRITIK AN DEN POSITIONEN VON BILAN:

Bilan war das französischsprachige Organ der Italienischen Fraktion der Kommunistischen Linken (Bordigisten), die in den 1930er Jahren besser bekannt war als die Prometeo-Gruppe (das italienischsprachige Organ der Fraktion). Bilan wurde von verschiedenen linken Organisationen als das Nonplusultra der revolutionären Positionen in den 1930er Jahren gepriesen. Die Fraktion bestritt mit einer brillanten und tadellosen Analyse, dass in Spanien 1936 eine proletarische Revolution gesiegt hatte. Aber sie fügte hinzu, dass es aufgrund des Fehlens der Klassenpartei (Bordigisten) nicht einmal die Möglichkeit einer REVOLUTIONÄREN SITUATION geben könne (und das scheint uns ein schwerwiegender Irrtum zu sein, der erhebliche Konsequenzen hat). Nach Ansicht der Fraktion sah sich das Proletariat in einen antifaschistischen Krieg gestürzt, d.h. es sah sich in einen imperialistischen Krieg zwischen einer demokratischen Bourgeoisie und einer faschistischen Bourgeoisie verwickelt. Es gab keinen anderen Weg als Desertion, Boykott oder das Warten auf bessere Zeiten, in denen die (bordigistische) Partei aus ihrem Versteck ins Rampenlicht der Geschichte treten würde.

Bilans Analysen haben das Verdienst, eindringlich auf die Schwächen und Gefahren der revolutionären Situation nach dem Triumph des Arbeiteraufstands vom Juli 1936 hinzuweisen, aber sie sind nicht in der Lage, eine revolutionäre Alternative zu formulieren. Der revolutionäre Defätismus, das spanische Proletariat in den Händen seiner reformistischen oder konterrevolutionären Organisationen zu lassen, wie er von der Fraktion PRAKTISCH vertreten wurde, war jedenfalls auch keine revolutionäre Alternative. Bilans Inkohärenz zeigt sich in seiner Analyse der Maitage von 1937. Es stellt sich heraus, dass die „Revolution“ vom 19. Juli 1936, die eine Woche später keine „Revolution“ mehr war, weil die Klassenziele gegen Kriegsziele ausgetauscht worden waren, nun wie ein neuer Guadiana der Geschichte wieder auftaucht, wie ein Gespenst, von dem niemand wusste, wo es sich versteckt hatte. Und jetzt stellt sich heraus, dass die Arbeiter im Mai 1937 wieder „in der Revolution“ sind und sie mit Barrikaden verteidigen. Hatten wir uns nicht darauf geeinigt, dass es laut Bilan keine Revolution gab? Und die Fraktion bringt die Dinge durcheinander. Am 19. Juli (laut Bilan) gibt es eine Revolution, aber eine Woche später gibt es keine Revolution, weil es keine (bordigistische) Partei gibt; im Mai ’37 gibt es eine neue revolutionäre Woche. Aber was war vom 26. Juli ’36 bis zum 3. Mai ’37: Man sagt uns nichts. Die Revolution wird als Guadiana betrachtet, die auf der historischen Bühne erscheint, wenn es in Bilans Interesse liegt, Ereignisse zu erklären, die er weder versteht, noch erklärt, noch begreift. Die Revolution wird als eine Reihe von wöchentlichen Explosionen gesehen, die durch zehn Monate unerklärlicher und unerklärter Schwebezustände getrennt sind. Und diese revolutionären Explosionen, sowohl die vom Juli 1936 als auch die vom Mai 1937, sind so unbequem für die These der Fraktion von der Nichtexistenz einer revolutionären Situation, dass sie uns dazu bringen, ihr absolutes Unverständnis für die Merkmale und das Wesen eines proletarischen revolutionären Prozesses festzustellen.

Bilan erkennt einerseits den Klassencharakter der Kämpfe vom 36. Juli und 37. Mai an, aber andererseits leugnet er nicht nur ihren revolutionären Charakter, sondern auch die Existenz einer revolutionären Situation. Diese Sichtweise lässt sich nur durch die Abgehobenheit einer absolut isolierten Pariser Gruppe erklären, die die Abstraktion ihrer Analyse über die Untersuchung der spanischen Realität stellt. In Bilan findet sich weder ein Wort über die wirkliche Natur der Komitees, noch über den Kampf des Proletariats von Barcelona für die Sozialisierung und gegen die Kollektivierung, noch über die Debatten und Konfrontationen innerhalb der Kolonnen wegen der Militarisierung der Milizen, noch eine ernsthafte Kritik an den Positionen der Gruppe der Freunde von Durruti, aus dem einfachen Grund, dass sie sich der Existenz und der wirklichen Bedeutung all dessen praktisch nicht bewusst waren. Es war leicht, diese Unwissenheit zu rechtfertigen, indem man die Existenz einer revolutionären Situation leugnete. Die Analyse der Fraktion bricht zusammen, wenn sie davon ausgeht, dass das Fehlen einer revolutionären Partei (bordigistisch) zwangsläufig das Fehlen einer revolutionären Situation impliziert.

Am 19. Juli 1936 kam es in ganz Spanien, vor allem aber in Katalonien, zu einem siegreichen Arbeiteraufstand. Dieser hauptsächlich libertäre Aufstand wurde von anderen politischen Kräften wie der POUM und den Republikanern sowie von einigen Ordnungskräften wie den Sturmtruppen und der Guardia Civil unterstützt, die der Regierung der Generalidad und der Republik treu blieben. Sicher ist jedoch, dass das Ergebnis dieses Aufstands dank der Erstürmung der San-Andrés-Kaserne die Bewaffnung des Proletariats in Barcelona und damit in ganz Katalonien war. Die unbestrittene hegemoniale Kraft, die aus diesem revolutionären Aufstand hervorging, war anarchistisch. Der Rest der Arbeiterkräfte, die Generalidad und die überwältigten Kräfte der öffentlichen Ordnung waren in Katalonien absolut in der Minderheit.

Das Zentralkomitee der antifaschistischen Milizen (CCMA) war die Frucht dieses revolutionären Aufstands. Aber der CCMA war das Ergebnis dieses Sieges und auch des Widerwillens der Anarchisten, die Macht zu übernehmen. Der CCMA war kein Organ der Arbeitermacht, das sich der Macht der republikanischen Bourgeoisie, also der Generalidad, entgegenstellte, sondern ein Organ der Zusammenarbeit der Anarchisten mit den übrigen politischen Kräften, sowohl der Arbeiterklasse als auch der Bourgeoisie: Er war also ein Organ der Klassenkollaboration. In der Praxis nahm der CCMA die Aufgaben der öffentlichen Ordnung und der Bildung der antifaschistischen Milizen wahr, zu denen die Regierung der Generalidad nicht in der Lage war. Die CCMA fungierte als eine Art Innen- und Kriegsministerium der GENERALIDAD. Mit all der Autonomie und Unabhängigkeit, die du dir wünschst, aber als ein Ministerium der Generalidad.

Weder die CCMA, noch die CNT-FAI, noch die POUM gaben irgendeine Parole aus (außer der vom Ende des Generalstreiks), noch eine Orientierung, noch einen Befehl bis zum 28. Juli, als die CNT und die CCMA ein Kommuniqué und einen Erlass herausgaben, in denen sie „den Unkontrollierten“, die nicht nach den Vorgaben der CCMA handelten, mit harter Repression drohten. Der Aufstand vom 19. Juli dehnte die Enteignung der Bourgeoisie und den Kollektivierungsprozess auf den Großteil der katalanischen Unternehmen aus, OHNE dass die Arbeiterorganisationen konsultiert wurden, OHNE dass die CCMA einen Befehl oder ein Dekret erlassen hatte. Aber wir müssen die Merkmale dieser revolutionären Situation genau und deutlich herausstellen: Statt von einer Doppelmacht (die es nicht gab, da die CCMA der Generalidad nicht gegenüberstand, sondern sich in deren Dienst stellte) müssen wir von einem zentralisierten Machtvakuum sprechen. Die Macht der autonomen Regierung der Generalidad war in Hunderte von Komitees zersplittert, die die gesamte Macht auf lokaler und betrieblicher Ebene innehatten, die meist in den Händen der Arbeiterklasse lag. Aber diese unvollständigen und unzulänglichen Komitees waren untereinander nicht koordiniert, sie waren nicht als Organe der Arbeitermacht ermächtigt. Und die CNT-FAI wusste nicht, wie sie diese Komitees koordinieren konnte und wollte es auch nicht, was für den Triumph der Revolution aber unabdingbar war.

Schon die Organisation der CNT in Einzelgewerkschaften, die Schwäche der jüngsten klandestinen Phase und die Spaltung der Trentistas, aber vor allem ihre bemerkenswerten theoretischen Unzulänglichkeiten machten die CNT unfähig, diese Komitees zu koordinieren, die auf lokaler und betrieblicher Ebene die ganze Macht in ihren Händen hatten. Selbst die Organisation des ökonomischen Lebens in Katalonien und die unverzichtbare Koordination der verschiedenen ökonomischen Sektoren wurde in den Händen der Regierung der Generalidad belassen, für die am 11. August 1936 der ökonomische Rat gegründet wurde. Wir lebten in einer instabilen und vorübergehenden revolutionären Situation, die die faschistische Bourgeoisie besiegt hatte, die die republikanische Bourgeoisie überwältigt hatte, aber auch die Arbeiterorganisationen selbst, die unfähig waren, die „revolutionären Eroberungen“ vom Juli zu organisieren und zu verteidigen, überwältigt hatte, unfähig, den endgültigen Triumph der Revolution durch die Machtergreifung, die Errichtung einer Diktatur des Proletariats und die Zerstörung des republikanischen Staatsapparats herbeizuführen, einfach weil die anarchosyndikalistische Theorie und Organisation der Organisation dieses revolutionären Proletariats fremd und unbekannt war. Und die Spontaneität der Massen hat ihre Grenzen. Die Unfähigkeit der CNT-Gewerkschaften/Syndikate, die Revolution zu konsolidieren und voranzutreiben, wurde von den Protagonisten selbst erkannt. Die CNT als gewerkschaftliche/syndikalistische Organisation war unzureichend und nicht in der Lage, die Aufgaben zu erfüllen, die einer revolutionären Avantgarde oder Partei entsprochen hätten, und das Gleiche galt für die übrigen Organisationen der Arbeiterklasse. Aus diesem Grund verwandelte sich die revolutionäre Situation, anstatt auf eine vollständige Revolution zuzusteuern, schnell in eine konterrevolutionäre Situation, die eine schnelle Konsolidierung der Strukturen des bourgeoisen Staates begünstigte.

Die Macht im Juli 1936 nicht zu übernehmen, bedeutete, sie in den Händen der Bourgeoisie zu lassen, und sie mit der Bourgeoisie innerhalb der CCMA zu teilen, bedeutete, der Bourgeoisie zu „helfen“, sich wieder aufzubauen und das Machtvakuum zu füllen, das der Aufstand vom Juli 1936 erzeugt hatte. Andererseits hatte der Kollektivierungsprozess keine Lebensfähigkeit oder Bedeutung, wenn der kapitalistische Staat noch existierte. Dies gilt umso mehr, wenn man bedenkt, dass sich die Anarchistinnen und Anarchisten an die Regierung der Generalidad wandten, um die katalanische Ökonomie zu planen, die sie sich nicht in der Lage sahen zu koordinieren. Die Regierung der Generalidad hatte ab August 1936 nicht mehr und nicht weniger in der Hand als die ökonomische Planung, die Finanzierung der Unternehmen, die Möglichkeit, jedes einzelne Unternehmen durch einen von der Generalidad ernannten Rechnungsprüfer zu kontrollieren, und die Befugnis, Gesetze über Kollektivierungen zu erlassen. Dies war die Grundlage für den schnellen Wiederaufbau der politischen Macht der Generalidad. Wenn wir zu all dem noch die Tatsache hinzufügen, dass die Zivil- und Sturmgarde nicht aufgelöst, sondern nur in der Nachhut einquartiert wurde, weit weg von der Front, können wir kategorisch feststellen, dass die Konterrevolution in Katalonien eine sehr solide Grundlage hatte, was die schnelle Wiederherstellung des kapitalistischen Staates in all seinen Funktionen erklärt.

Es gibt jedoch einen wichtigen Unterschied zwischen der Behauptung, dass der Aufstand vom Juli 1936 keine Revolution war und nicht einmal eine revolutionäre Situation darstellte (wie Bilan es tut), und der Behauptung, dass die revolutionäre Situation im Juli aufgrund einer Reihe von Unzulänglichkeiten, Unfähigkeiten und Fehlern der bestehenden Arbeiterorganisationen scheiterte. Im Juli 1936 gab es eine revolutionäre Situation, die die Hegemonie der Arbeiterklasse und ihre revolutionäre Bedrohung über die republikanische Bourgeoisie zehn Monate lang aufrechterhielt, obwohl es keine ZENTRALISIERUNG DER MACHT der Arbeiter gab, weil diese Macht in Hunderte lokaler Komitees, Betriebskomitees, verschiedener Arbeiterorganisationen und in Milizen verschiedener Parteien, in Kontrollpatrouillen usw. aufgesplittert war.

Im Juli 1936 wussten die Arbeitermassen, wie sie ohne Anführer, ohne die Slogans ihrer gewerkschaftlichen/syndikalistischen und politischen Organisationen handeln konnten; aber im Mai 1937 waren diese Massen unfähig, gegen ihre Anführer, gegen die Slogans ihrer gewerkschaftlichen/syndikalistischen und politischen Organisationen zu handeln.

Der Mai 1937 fiel nicht aus den Wolken, sondern war das Ergebnis des Preisanstiegs und der Verknappung von Lebensmitteln und Grundprodukten, des Widerstands gegen die Auflösung der Kontrollpatrouillen und die Militarisierung der Milizen und vor allem der Arbeiteroffensive bzw. des Widerstands in den Betrieben, einer nach dem anderen, in völliger Isolation, um den Sozialisierungsprozess der katalanischen Ökonomie zu vertiefen und zu kontrollieren, angesichts der Liquidierung der „Juli-Eroberungen“. Denn die „Normalisierungsoffensive“ der Generalidad, die darauf abzielte, die von Tarradellas im Januar 1937 verabschiedeten S’Agaró-Dekrete anzuwenden, bedeutete das Ende der „revolutionären Eroberungen“ und die absolute Kontrolle der katalanischen Ökonomie durch die Regierung der Generalidad.

Die Lehren, die daraus zu ziehen waren, bestanden offensichtlich in der Notwendigkeit der totalen Zerstörung des kapitalistischen Staates und der Auflösung seiner Repressionsorgane sowie der Errichtung der sozialen Diktatur des Proletariats, die die in der Agrupación de Los Amigos de Durruti organisierten Anarchistinnen und Anarchisten mit der Bildung einer Revolutionären Junta identifizierten, die sich aus all jenen Organisationen zusammensetzte, die sich an den revolutionären Kämpfen vom Juli 1936 beteiligt hatten. Der Mai 1937 war eine Folge der Fehler, die im Juli 1936 gemacht worden waren.

In Spanien gab es zwar keine revolutionäre Partei, aber eine tiefgreifende und mächtige REVOLUTIONÄRE AKTIVITÄT der Arbeiterklasse, die das faschistische pronunciamiento scheitern ließ, die alle im Juli 1936 existierenden Arbeiterorganisationen übertraf und die sich im Mai 1937 dem Stalinismus entgegenstellte, obwohl sie schließlich scheiterte, weil sie nicht wusste, wie sie ihren eigenen gewerkschaftlichen/syndikalistische und politischen Organisationen (CNT und POUM) entgegentreten sollte, als diese ebenfalls den bourgeoisne Staat und das Programm der Konterrevolution verteidigten. Die Tatsache, dass die revolutionäre Bewegung in Spanien zwischen Juli 1936 und Mai 1937 scheiterte und von ihren Klassenzielen auf antifaschistische Ziele umgelenkt wurde, ändert nichts an der Existenz dieser revolutionären Situation. Noch hat keine proletarische Revolution gesiegt, und das Scheitern der Kommune oder der Stalinismus negieren nicht den revolutionären Charakter der Kommune oder des Oktobers.

Es ist offensichtlich, dass der spanische Kollektivierungsprozess ohne die Machtergreifung des Proletariats nur scheitern konnte und dass alle Kollektivierungen durch das Fehlen der Machtergreifung bedingt und denaturiert würden; aber es ist nicht weniger offensichtlich, dass die Enteignung der Bourgeoisie, mit all ihren Einschränkungen, die Frucht der proletarischen revolutionären Bewegung des Juli war. Die grundlegende Lehre aus der „Spanischen Revolution“ (oder genauer gesagt aus der revolutionären Situation in Spanien) ist die unausweichliche Notwendigkeit einer Avantgarde, die das revolutionäre Programm des Proletariats verteidigt, dessen erste beiden Schritte die totale Zerstörung des kapitalistischen Staates und die Errichtung einer revolutionären Junta sind, wie es die Freunde von Durruti formulierten (oder eine Diktatur des Proletariats, in der Terminologie von Marx), die in Arbeiterräten organisiert ist und die Macht vereinigt und zentralisiert. Aber zu sagen, dass es ohne Partei keine Revolution, keine revolutionäre Situation gibt (wie Bilan behauptete), bedeutet, nicht zu verstehen, dass die Revolution nicht von der Partei, sondern vom Proletariat gemacht wird, obwohl eine proletarische Revolution unweigerlich scheitern wird, wenn es keine Organisation gibt, die in der Lage ist, das revolutionäre Programm des Proletariats zu verteidigen (wie es die Freunde von Durruti oder die bolschewistisch-leninistische Sektion Spaniens erfolglos versuchten).

Bilan hat das Pferd von hinten aufgezäumt. Die Analyse derjenigen, die vorgeben, „die Partei zu sein“, aber nicht sehen können, wie sich die revolutionäre Situation vor ihrer Nase entfaltet, ist tragikomisch. Bilans Analyse ist sehr wertvoll, weil sie die Schwächen und Fehler des spanischen revolutionären Prozesses anprangert; bedauerlich und schmerzhaft ist jedoch, dass sie ihn zu der Absurdität führt, den revolutionären und proletarischen Charakter des historischen Prozesses zu negieren, den die spanische Arbeiterklasse zwischen Juli 1936 und Mai 1937 erlebte. Bilans Leugnung der Existenz einer revolutionären Situation ist die Frucht seiner leninistischen und totalitären Auffassung, die die Ersetzung der Klasse durch die Partei als notwendig und unvermeidlich ansieht: Wenn es keine Partei gibt, gibt es keine Möglichkeit und keine revolutionäre Situation, wie auch immer die revolutionäre Aktivität des Proletariats aussehen mag. Die Folgen dieser Leugnung der Existenz einer revolutionären Situation in Katalonien in den Jahren 1936-1937 führten dazu, dass Bilan (nur auf theoretischer Ebene) reaktionäre politische Positionen verteidigte, wie z. B. den Abbruch der militärischen Fronten, die Verbrüderung mit Francos Truppen, den Boykott der Bewaffnung der republikanischen Truppen usw… Nicht umsonst traf Bilan, bzw. die Italienische Fraktion der Kommunistischen Linken, die Spaltung anlässlich der offenen Debatte über das Wesen und die Merkmale der spanischen Revolution.

Kurz gesagt: Es stimmt, dass eine proletarische Revolution ohne eine Partei oder eine revolutionäre Avantgarde scheitern wird; und dafür gibt es das spanische Beispiel und Bilans großartige Analyse. Aber es stimmt nicht, dass es keine proletarisch-revolutionäre Situation geben kann, wenn es keine revolutionäre Partei gibt. Und genau diese Behauptung führte Bilan zu einer falschen Analyse der Situation, die am 19. Juli 1936 in Katalonien entstand, sowie zu einem Missverständnis der Ereignisse, die das Proletariat im Mai 1937 zu einem zweiten revolutionären Aufstand führten.

Agustín Guillamón
Barcelona, Dezember 2016


1Veröffentlicht im Anhang zu Correspondencia entre Juan García Oliver y Abel Paz, Descontrol, 2016.

]]> Das „Nebelige“ als Organisationsformel für den Anarchismus https://panopticon.blackblogs.org/2023/06/27/das-nebelige-als-organisationsformel-fuer-den-anarchismus/ Tue, 27 Jun 2023 08:24:24 +0000 http://panopticon.blackblogs.org/?p=5035 Continue reading ]]>

Auf a las barricadas gefunden, die Übersetzung ist von uns. Hier ein weiterer historischer Text von Agustín Guillamon zum Thema Verteidigungsgruppen (grupos de defensa), Affinitätsgruppen und Aktionsgruppen innerhalb der anarchistischen Bewegung im spanischen Staat in den 1920er und 1930er.

Nicht nur dass es wichtig ist, die historische Komponente verschiedener Arten des sich organisierens innerhalb der anarchistischen Bewegung und Geschichte zu zeigen und ihre Richtigkeit zu verteidigen, sondern auch das Engagement eines Guillamons zu würdigen der zu der Geschichte der Arbeiterinnen-, Arbeiterbewegung (vor allem der anarchistischen) so viele Bücher und Texte schon gewidmet hat.


Das „Nebelige“ als Organisationsformel für den Anarchismus

Am 15.05.2023 veröffentlicht.
von Agustín Guillamón

1

UNTERSCHIEDE ZWISCHEN GRUPOS DE DEFENSA, GRUPOS DE AFINIDAD UND GRUPOS DE ACCIÓN (A.d.Ü., VERTEIDIGUNGSGRUPPEN, AFFINITÄTSGRUPPEN UND AKTIONSGRUPPEN)

Ángel Carballeira und im Hintergrund Salvador Sarrau

Es muss zwischen cuadros de defensa, grupos de afinidad und grupos de acción1 unterschieden werden.

Die cuadros de defensa waren ab Oktober 1934 die geheime und anonyme Miliz des Syndikats der CNT Cenetista, die zuvor Aufgaben syndikalistischer Verteidigung oder dem Streikpostendienst bis hin zu aufständischen Versuchen übernommen hatte. Man könnte sie als die klandestine Armee der Revolution bezeichnen, die voll und ganz in die Aufgaben der Information, Bewaffnung, Ausbildung, Strategie und Vorbereitung des Aufstandes der Arbeiter eingebunden war. Sie waren ein Organismus, der von der CNT abhängig war, denn es waren die Syndikate, die sie finanzierten und mit ihren Militanten versorgten. Diese Struktur primärer cuadros de defensa, die aus sechs Mitgliedern bestand, war bereit, sich mit der massiven Aufnahme von Tausenden von Syndikalisten zu erweitern und auch andere sekundäre Gruppen aufzunehmen, wie z. B. die Affinitätsgruppen der FAI, Juventudes Libertarias und der Ateneos (A.d.Ü., es handelt sich hier um libertäre Kulturzentren). Aber die Verteidigungskomitees waren nie eine Organisation der FAI und hatten auch nie einen unabhängigen und autonomen Charakter; sie waren die bewaffnete Organisation der CNT und unterlagen immer den Entscheidungen und Initiativen des regionalen (oder nationalen) Komitees der CNT.

Die CNT war nicht nur das Syndikat. In fast jedem Viertel Barcelonas gab es das Nachbarschaftskomitee, das das gesamte soziale, kulturelle und familiäre Leben der Arbeiterinnen und Arbeiter umfasste und einen sehr gut definierten und bekannten Raum des Kampfes und der Solidarität schuf2, der eine natürliche Beziehung zu Nachbarn, Freunden und Gefährten ermöglichte und ideologische Schulungen, Informationen und Plattformen für Forderungen ermöglichte.

Juan García Oliver definierte seine Vorstellung von der revolutionären Armee folgendermaßen: „Wir befürworteten [in García Olivers Papier über den libertären Kommunismus, das er auf dem Kongress in Saragossa im Mai 1936 vorstellte] die Schaffung einer revolutionären Armee, die meines Erachtens von da an als solche betrachtet werden sollte. Das, was wir in Barcelona mit den cuadros de Defensa Confederal gemacht hatten, sollte in eine Taktik umgewandelt werden, die in ganz Spanien anwendbar war. Das war alles, nicht mehr und nicht weniger“3.

García Olivers Position zur revolutionären Armee stieß auf heftigen Widerstand innerhalb der FAI, die ihm vorwarf, anarchistische Prinzipien aufzugeben und ein Militarist zu sein: „Cipriano Mera (ein sehr guter Gefährte aus dem Madrider Bausyndikat) rief, während ich [auf dem Kongress in Saragossa] neben anderen Glossen auch die über die Armee machte: „Der Gefährte García Oliver soll uns sagen, welche Farbe er den seidener Faden geben will! „Und es ist ein paradoxer Umstand, dass gerade Cipriano Mera der erste war, der die Militarisierung und die seidenen Faden der Armee akzeptierte“4. (A.d.Ü., mit seidenen Faden wird Bezug auf die Dienstgradgruppe, bzw. den Dienstgrad von Offizieren in Armeen genommen.)

Die Affinitätsgruppen bildeten die Organisationsstruktur der Anarchisten in der FAI. Sie waren im Grunde eine Gruppe von Freunden und/oder Militanten, die durch eine ideologische Affinität verbunden waren und die sich gemeinsame Aufgaben, Postulate und Taktiken gaben, die sie anderen Affinitätsgruppen entgegensetzen konnten. Die Opposition zwischen der Gruppe Nosotros und der Anti-Nosotros-Front, die sich aus verschiedenen Gruppen zusammensetzte, die die Gruppe Nervio unterstützten, war von großer Bedeutung. Die Iberische Anarchistische Föderation (FAI) war nicht mehr als eine gemeinsame Plattform oder Koordination von Gruppen, die oft nicht mit dem Halbinsel- oder Regionalkomitee übereinstimmten. Im Juli 1937 wurde die FAI in eine weitere antifaschistische Partei umgewandelt, als die organische Umstrukturierung die Affinitätsgruppen als organisatorische Zelle der FAI ersetzte (oder verdrängte), zugunsten einer neuen territorialen Organisation, die in der Stadt Barcelona auf nur 23 Militante reduziert wurde. In der FAI wurde so gut wie nie abgestimmt, und die Beschlüsse der Plenarsitzungen wurden immer einstimmig gefasst, wobei ein Konsens der verschiedenen Positionen in einem Text angestrebt wurde, der von allen akzeptiert werden konnte, andernfalls blieben sie in der Schwebe5.

Die Affinitätsgruppen zeichneten sich durch ihre Vergänglichkeit, Selbstfinanzierung, Dezentralisierung, Autonomie und Föderalismus aus. Die klandestinen Bedingungen, aber auch ihre eigene Berufung führten dazu, dass diese Gruppen entstanden, um eine bestimmte Aktion oder eine bestimmte Aufgabe durchzuführen, und nach kurzer Zeit wieder aufgelöst wurden. Einige Personen trafen sich in anderen Gruppen wieder, um eine andere Aufgabe zu erfüllen. Diese permanente Volatilität und Klandestinität waren das Ergebnis der notwendigen Anpassung an die ständigen polizeilichen Repressionen und auch des anarchistischen Vorurteils gegen jede Organisationsstruktur, was eine historische Untersuchung sehr schwierig macht. Obwohl es ausnahmsweise auch langlebige Affinitätsgruppen gab, waren sie die wenigsten. Sie bestanden in der Regel aus mindestens vier und höchstens etwa zwanzig Gefährtinnen und Gefährten, und wenn sie diese Zahl überschritten, wurden sie in zwei getrennte Gruppen aufgeteilt. Das war zum Beispiel bei der Faros-Gruppe in den 1920er Jahren der Fall. Die extreme Autonomie der Affinitätsgruppen machte sie sehr unabhängig von der FAI. So trat zum Beispiel die Gruppe Nosotros, die auf Kundgebungen im Namen der FAI sprach, erst sehr spät offiziell der FAI bei, nach einigen Angaben Ende 1933, nach anderen Quellen Anfang 1934. Ein weiteres Merkmal der Affinitätsgruppen war ihr ständiger Mangel an finanziellen oder materiellen Mitteln. Ihre Ziele waren sehr vielfältig und heterogen und umfassten ein breites Spektrum an kulturellen, assoziativen, Freizeit- und gegenseitigen Unterstützungsaktivitäten, die von der Verbreitung und Diffusion von Wissenschaft und Literatur über Theater, Chöre, Publikationen, Debatten, Konferenzen, Ausflüge, Genossenschaften usw. bis hin zur Unterstützung eines Ateneos oder einer rationalistischen Schule reichten. Andere Affinitätsgruppen hatten syndikalistische (von anarchistischer Ausrichtung) oder solidarische Aktionen mit Gefangenen oder die Finanzierung von Presse und Ateneos zum Ziel. Die Affinitätsgruppen konnten in den Syndikaten, in der Libertären Jugend (A.d.Ü., Juventudes Libertarias) oder in den Ateneos entstehen, und ihr Hauptanliegen war es, alternative ethische und soziale Werte bereits in der Praxis zu leben.

Während des Bürgerkriegs erreichten die Affinitätsgruppen ihre größte Präsenz und Wirksamkeit in den Versammlungen der lokalen Föderationen (vor allem in der Stadt Barcelona), wo sie ihre Kritik und ihre Meinungsverschiedenheiten mit den höheren Komitees nachdrücklich zum Ausdruck brachten; letztere dominierten jedoch vollständig die regionale und nationale Ebene. Die organisatorische Umstrukturierung der FAI im Juli 1937 führte zu einer bürokratischen Marginalisierung der Splittergruppen, die zwar nominell weiter bestanden, aber nicht mehr in der Lage waren, ihre Positionen in den lokalen Plena zu halten. Das bedeutete ihre Isolation und ihre Handlungsunfähigkeit. Die FAI war nun nur noch eine weitere antifaschistische Partei, die territorial von Einzelpersonen organisiert wurde. Das Wichtigste bei dieser organischen Umstrukturierung der FAI war die Stärkung des Propagandaapparats, die Ausbildung von Personen, die in der Lage waren, Verwaltungs- und Regierungsposten zu bekleiden, und natürlich, auch wenn dies nie zugegeben wurde, die Kontrolle und Vernachlässigung der revolutionären Affinitätsgruppen, die unfolgsam sich mit den höheren Komitees anlegten und diese kritisierten.

Die Aktionsgruppen wurden in den Jahren des Pistolerismo (1917-1923) als Selbstverteidigungsgruppen für die Syndikalisten und die Organisation gegründet, denn angesichts des brutalen Staatsterrorismus, der Militarisierung der Bürgerwehr und der Finanzierung der Killer des Sindicato Libre durch die katalanischen Arbeitgeber bestand die einzige Aufgabe darin, das Überleben des Militanten der CNT zu sichern, um das Verschwinden der CNT durch die Ermordung ihrer Mitglieder und die damit einhergehende massenhafte Austritte zu verhindern. Die Bezeichnung als Terroristen, die Marxisten diesen Aktionsgruppen in der Zeit des Pistolerismo in Barcelona üblicherweise geben, ist nicht nur ungerecht, sondern zeugt auch von mangelndem Verständnis für die sehr harte reale Situation, in der sich die Arbeiterbewegung befand.

Nach der Ermordung von Salvador Seguí y Peronas (10. März 1923) beschloss eine Exekutive, bestehend aus Juan Peiró, Ángel Pestaña, Camilo Piñón und Narciso Marcó6, die Bildung von Aktionsgruppen, um auf den Terrorismus des Staates und der Arbeitgeber mit persönlichen Anschlägen7 auf Martínez Anido und den karlistischen Prätendenten Don Jaime zu reagieren. Diese Ziele wurden nicht erreicht, aber es wurden Anschläge auf Kardinal Soldevila (4. Juni 1923) und den ehemaligen Gouverneur von Bilbao, Regueral, verübt, und es kam zu Zusammenstößen mit Schützen der Libre und Requetés.

Das geheime Nationale Plenum der Regionalräte, das im Sommer 1923 in Valencia stattfand, warnte vor dem bevorstehenden Militärputsch und billigte die Vorbereitungen zur Konfrontation mit den Putschisten durch Raubüberfälle, um Mittel für den Kauf von Waffen und das Gießen von Handgranaten bereitzustellen. Aber es war zu spät, um Primo de Riveras Staatsstreich entgegenzutreten, und die CNT trat in eine weitere lange Periode der organisatorischen Klandestinität und der Verfolgung, Inhaftierung und/oder Verbannung ihrer Militanten ein.

Diese Aktionsgruppen wurden in den 1930er Jahren von bestimmten Sektoren (den Treintistas) vehement abgelehnt, weil sie die CNT diskreditierten und revolutionäre Aktion mit bewaffneter Kriminalität verwechselten; vor allem aber, weil die Bilanz der Jahre des Pistolerismo mit der Niederlage der Arbeiterinnen und Arbeiter geendet hatte. Der Staat und die Bosse kriminalisierten irrationalerweise diese Aktionsgruppen, aber auch die Einzelsyndikate (A.d.Ü., in syndikalistischen Organisationen wie die der CNT, organisieren sich Arbeiterinnen und Arbeiter aus verschidenen Branchen und Berufen innerhalb einer selben Gewerkschaft/Syndikat. Dies nennet man in der CNT sindicato unico) , Ateneos und Affinitätsgruppen. Jedes Einzelsyndikate brachte ihre eigenen Aktionsgruppen hervor, die als unverzichtbare Organe für direkte syndikalistische Aktionen angesichts von Missbräuchen auf der Arbeit8 durch Vorarbeiter und Bosse, der Nichteinhaltung von Vereinbarungen, Streikposten, Selbstverteidigung und sogar als Faktor für die Ersetzung oder Verkürzung von Streiks, denen oft die Widerstandsboxen fehlten, dienten.

Die radikalsten Syndikalisten oder Arbeiterinnen und Arbeiter, die sich bei einem Streik hervorgetan hatten, wurden dem Hungerpakt der Bosse unterworfen, und wenn sie einmal entlassen waren, wurden sie in keinem Unternehmen wieder eingestellt, wodurch die Reihen der Aktionsgruppen, die sich der Durchführung von Raubüberfällen widmeten, immer größer wurden9.

In den 1930er Jahren war der Staat viel schwächer als heute; es gab keinen sozialen Schutz, keine Arbeitslosen-, Kranken- oder Altersversorgung. Auch die Sicherheitsmaßnahmen in den Banken waren weniger effektiv. Die Ressourcen und die Ausbildung der Polizei waren denen von heute weit unterlegen. Große Teile der Bevölkerung lebten in extremer Armut, am Rande aller ökonomischen Aktivitäten. Der Straßenhandel war in dieser Elendsökonomie sehr wichtig, nicht nur, weil er einer großen Gruppe von Verkäufern dank der Solidarität der Bevölkerung das Überleben ermöglichte, sondern auch, weil er die Kosten für einige Grundbedürfnisse in den Arbeitervierteln senkte. Und vor allem sollte die massive und dauerhafte Arbeitslosigkeit während der gesamten republikanischen Zeit, einschließlich der Kriegszeit, hervorgehoben werden. Sowohl die Forderungen der Streikenden als auch die notwendigerweise radikalen und illegalen Proteste oder Lebensmittelenteignungen der Arbeitslosen im Namen des „Rechts auf Leben“ sowie die Aktionen der Aktionsgruppen wurden von der Polizei und der bourgeoisen Presse stets kriminalisiert; doch für die populäre Ethik war der Unterschied zwischen Legalität und Illegalität bedeutungslos in einer elenden und erbärmlichen Welt, die einer ungezügelten Ausbeutung unterworfen war und in der die Menschen um ein karges Auskommen kämpften.

Es waren der Staat und die Bosse, die mit unterdrückerischer Grausamkeit gegen Syndikalisten, Arbeitslose, Bedürftige und Bewaffnete vorgingen; es waren die Justiz und die Polizei, die den einen oder die andere ächten und verfolgten. Der Unterschied zwischen einer Gruppe, die Enteignungen durchführte, um Gefangenen zu helfen oder die Presse zu finanzieren, und einer Aktionsgruppe, die sich von der Beute ernährte (im wahrsten Sinne des Wortes) oder davon profitierte, lag nur in der Endbestimmung dessen, was enteignet wurde. Auf der anderen Seite passt das Leben normalerweise nicht in das Schwarz-Weiß einer abstrakten theoretischen Definition, und die Skala der realen Grautöne kann unendlich sein. Einige Aktionsgruppen lebten auf Messers Schneide zwischen dem Klassenkampf gegen den Staat, die Bosse und die bourgeoise Gesellschaft auf der einen Seite und der millenarischen oder antisozialen Rebellion der Marginalen, Bohemiens und Elenden auf der anderen.

Wir dürfen niemals die vorrangige kulturelle Perspektive und die effiziente pädagogische Tätigkeit der libertären Bewegung vergessen, die permanent ein umfangreiches Netzwerk von Ateneos, Genossenschaften10, rationalistischen Schulen und Kulturzentren für all diese Gruppen bildete, die ausnahmsweise und vorübergehend auch Aktionsgruppen sein konnten. Andererseits war die CNT in der Zeit des Pistolerismus damit einverstanden, dass jeder Militante der CNT eine Pistole besaß (oder wusste, wie und wo er sie leicht bekommen konnte), denn sie war für die Selbstverteidigung unverzichtbar und ein wirksames Mittel, um die Zahl der ermordeten Syndikalisten zu verringern. Später, in den 1930er Jahren, verlieh die Pistole ihrem Träger einen Halo der Autorität, des Engagements und des Ansehens unter der Arbeiterklasse, die eine alternative Ethik und Gesellschaft zur bourgeoisen Gesellschaft der damaligen Zeit lebte und aufbaute.
Die politische Gewalt der Arbeiterbewegung war das Ergebnis eines Staatsterrorismus, der in den Institutionen verwurzelt und neben der Polizei im Sindicato Libre organisiert war, einer Organisation von Bewaffneten, die im Sold der Bosse standen und von den Zivilgouverneuren geduldet und geschützt wurden.

Unter diesen sozialen und politischen Bedingungen konnten reformistische oder sozialdemokratische Organisationen in Katalonien nicht Fuß fassen. Der Radikalismus der Militanten der CNT war nur eine weitere Folge des Terrors von Staat und Bossen. Die Ermordung von Evelio Boal im Jahr 1921 und von Salvador Seguí im Jahr 1923 bedeutete, dass eine rein syndikalistische und kompromissbereite Entwicklung der CNT völlig ausgeschlossen war. In den 1930er Jahren scheiterte der Republikanismus am troglodytischen Widerstand der Rechten und der Kirche gegen jede bedeutende Reform und an der Unfähigkeit, das schreckliche Problem der Massenarbeitslosigkeit zu lösen oder zu lindern, das die Menschen in die Ausgrenzung, die Illegalität und den Insurrektionalismus trieb, die nichts anderes wollten, als etwas Brot zu essen, und die keine anderen Waffen hatten als ihre Verzweiflung.

Als zwischen Ende 1933 und Januar 1934 die Befugnisse der öffentlichen Ordnung auf die Regierung der Generalitat übertragen wurden, verdrängte das Binom Dencás-Badía die gemäßigteren Nationalisten aus den Bereichen der Regierung. Dencás vom Innenministerium und Badía von der Polizei verfolgten eine repressive Politik gegen die CNT, die faschistisch und rassistisch geprägt war. Sie griffen systematisch und entschlossen in die Streiks ein, um sie zu brechen und niederzuschlagen, sie misshandelten und folterten die verhafteten Militanten der CNT methodisch in der Polizeiwache, sie verstärkten die Verfolgung gegen die zahlreichen Raubüberfälle der Aktionsgruppen und sie wandten das geltende Gesetz „de vagos y maleantes“ missbräuchlich gegen die Organisation und Aktionen der Arbeitslosen an. Gleichzeitig belebten sie die Bürgerwehr wieder und förderten die Organisation und Bewaffnung der „Escamots“, der katalanistischen Milizen, als eine paramilitärische Organisationen gegen die CNT. Die Ereignisse vom 6. Oktober und die anschließende Auflösung der Generalitat-Regierung durch die Zentralregierung brachen eine Dynamik, die wahrscheinlich zu einer ähnlichen Konfrontation wie in den Jahren des Pistolerisme führte.

Im Mai 1935 verurteilte ein Plenum der anarchistischen Gruppen die Aktionsgruppen, die sich auf Raubüberfälle stützten, sei es, um die Organisation zu finanzieren oder damit ihre Täter, ob arbeitslos oder nicht, überleben konnten. Durruti argumentierte, dass die Zeit der individuellen Enteignung vorbei sei, weil die Zeit der kollektiven Enteignung bevorstehe: die Revolution11.

Der bourgeoise „investigative“ Journalismus12 hatte sich auf die bourgeoise, nationalistische und rassistische Denunziation dieser Aktionsgruppen die aus „Murcianos“ und „Kriminelle“ konzentriert, die er selbstherrlich und verächtlich auf die anarchosyndikalistische Bewegung insgesamt verallgemeinerte, ohne auf ihren marginalen und außergewöhnlichen Charakter hinzuweisen, mit dem Ziel, die CNT zu diskreditieren. Die Gefahr der Einmischung dieser Welle von „besonderen“ Überfällen in die populäre revolutionäre Vorbereitung war sehr real und beunruhigend.

Die obige Unterscheidung und theoretische Kodifizierung zwischen cuadros de defensa, Affinitätsgruppen und Aktionsgruppen ist als Momentaufnahme angemessen. Aber die Realität ist immer komplexer und variabler, wie ein Film; daher müssen wir bedenken, dass die Schemata eines starren Fotos nicht berücksichtigen, wie man von einem Etikett zum anderen oder zu einer anderen Klassifizierung übergehen konnte, um sich der Entwicklung der Organisationen und dem historischen Wandel anzupassen, je nachdem, ob man eine Zeit der Klandestinität durchlebte, die Zeiten der rechtlichen Anerkennung der CNT nutzte oder dank der „revolutionären Eroberungen“ vom Juli 1936 neue Perspektiven eröffnete.

Das geschah zum Beispiel mit dem revolutionären Komitee von San Martín zwischen 1936 und 1937. Es war an sich schon ein besonderes Nachbarschaftskomitee, denn es war radikaler als die anderen und diente in der Rambla Volart 7, dem Sitz des Komitees, als spezielles Verhaftungs- und Verhörzentrum für die Verteidigungskomitees. Nach dem schweren Zwischenfall, den Antonio Conesa in einem Bezirkskrankenhaus provoziert hatte und für den er verhaftet und vor Gericht gestellt wurde, beschloss die Kerngruppe, die das Verteidigungskomitee des Revolutionären Komitees von San Martín anführte, die der FAI angeschlossene Gruppe „El Nuevo Porvenir“ zu gründen. Dies wäre ein außergewöhnliches historisches Beispiel für eine Aktionsgruppe, die vor dem Juli 1936 die Seele eines Verteidigungskomitees und nach dem 19. Juli die treibende Kraft eines revolutionären Nachbarschaftskomitees wurde und dann ihre Aktivitäten als Affinitätsgruppe fortsetzte13.

A.d.Ü., ab hier ist der Text von Agustín Guillamon derselbe den wir am 28. Januar schon veröffentlichten, nämlich Die Affinitätsgruppe, die die anarchistische klandestine Zeitung Alerta! veröffentlichte…!


1Ich habe einen amüsanten Artikel, der auf Englisch verfasst war, gelesen, etwas absurd und prahlerisch, der zwischen (Gruppe) und agrupación (Gruppierung) differenziert, als ob diese keine Synonyme wären, sondern zwei entgegensetze Formen der sich organisierens.

2SANZ, Carles: La CNT en pie. Anomia, Barcelona-Sabadell, 2010, p. 91.

3GÓMEZ, Freddy: “Entrevista con Juan García Oliver, registrada el 29-6-1977 en París (Francia)”. Broschüre. Fundación Salvador Seguí, Madrid, 1990, S. 20.

4Ebenda.

5PEIRATS, Josep: De mi paso por la vida. Memorias. Flor del Viento, Barcelona, 2009, S. 257.

6GARCÍA OLIVER, Juan: El eco de los pasos. Ruedo Ibérico, París, 1978, Seiten. 629-633.

GÓMEZ, Freddy: “Entrevista con Juan García Oliver, registrada el 29-6-1977 en París (Francia)”. Broschüre. Fundación Salvador Seguí, Madrid, 1990, p. 9.

Die vier Mitglieder dieser Kommission unterschrieben im August des Jahres 1931 den Manifiesto de los Treinta.

7Die CNT Mitglieder waren immer gegen Attentate auf Personen, weil die historische Erfahrung ihre Nutzlosigkeit bewiesen hatte, aber 1923 entschieden sie sich auf diese angesichts der Ernsthaftigkeit der Situation zurückzugreifen, und sie taten dies auf einer einmaligen, kontrollierten und eingegrenzten Art.

8Manchmal sogar auch sexuell, vor allem in der Textilindustrie, wo die Mehrheit der Arbeitskräfte weiblich war.

9BENGOECHEA, Soledad: Reacció en temps de canvi, La patronal catalana davant la República (1931-1936). D´ahir per vui (3), Barcelona, 2005, Seiten. 114-116.

10Es gibt eine wunderschöne und rigorose Untersuchung über diesen Arbeitergenossenschaften in DALMAU, Marc y MIRÓ, Iván: Les cooperatives obreres de Sants. Autogestió proletària en un barri de Barcelona (1870-1939). La Ciutat Invisible, Barcelona, 2010.

11PAZ, Abel: Durruti, el proletariado en armas. Bruguera, Barcelona, 1978, S. 310-315.

12Hervorstechen taten die Namen von Carlos Sentís (2011 mit 99 Jahren gestorben), Josep Maria Planes und “Tisner”.

13Sumario de la Causa criminal contra Antonio Conesa Martínez, José Conesa Martínez y Antonio Ordaz Lázaro.



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Die Russische Revolution
Eine kritische und libertäre Interpretation

Agustín Guillamón, 15. Februar 2017

FEBRUAR

Einleitung

Die russische Revolution war die Frucht einer breiten und tiefgreifenden Massenbewegung. Sie wurde nicht von einer Einzelperson oder einer Partei gemacht oder angeführt, sondern war ein populärer Sturm, der alles in seinem Weg mit sich riss und alle bestehenden Organisationen und Institutionen überwand. Es war eine Revolution, die von unten nach oben vorangetrieben wurde und Organe der Arbeitermacht und der direkten Demokratie wie die Sowjets oder Räte der Arbeiterdelegierten hervorbrachte.

Die Sowjets entstanden 1905 als Zusammenschluss sehr unterschiedlicher Organisationen des revolutionären Proletariats: Streikkomitees, Widerstands- und gegenseitige Hilfsfonds, Nachbarschaftskomitees, Vertretungskommissionen und Abgeordnete der Arbeiter (und später auch der Bauern und Soldaten), die als Vertreter in den Rat/Sowjet einer Stadt oder eines Bezirks gewählt wurden. Sowohl die linken SR (SR, Partei der Sozialrevolutionäre) als auch die Anarchistinnen und Anarchisten beteiligten sich an den Sowjets und propagierten sie als revolutionäre Organisation des Proletariats und als einziges Instrument, das in der Lage war, den zaristischen Staat zu stürzen und eine umfassende soziale Revolution durchzuführen. Der Unterschied zwischen den linken SR und den Anarchistinnen und Anarchisten bestand darin, dass erstere die Staatsmacht an sich reißen wollten, während letztere sie zerstören wollten.

Der Anarchist Volin gründete 1905 den ersten Sowjet; aber Lenin gelang es 1917, eine Mehrheit in diesen Organen zu gewinnen und auf der revolutionären Welle zu reiten, um die bolschewistische Partei zur (entbehrlichen und manipulativen) Führung einer populären Bewegung mit libertären Zügen und Atem zu machen. Die anarchistischen Militanten waren zwar sehr aktiv und unbequem in bestimmten Kämpfen, aber sie waren nur eine kleine, unorganisierte und einflusslose Gruppe, die mit wenigen Ausnahmen keine Vertretung in den Sowjets fand.

Dem Historiker Pierre Broué zufolge gab es in der russischen Sozialdemokratie, die bereits seit 1903 aus organisatorischen Gründen in Bolschewiki und Menschewiki gespalten war, drei verschiedene Analysen über das Wesen des 1905 eingeleiteten revolutionären Prozesses: die von Plechanow (Menschewiki), Lenin (Bolschewiki) und Trotzki (Unabhängiger).

Für Plechanow konnte die Revolution nur bourgeois sein. Der Staat würde nicht mehr vom Feudaladel, sondern von der Bourgeoisie geführt werden. Die Arbeiterklasse spielte nur die Rolle eines Verbündeten der Bourgeoisie. Sobald die Bourgeoisie gefestigt war, würden die Arbeiterinnen und Arbeiter den demokratischen und parlamentarischen Weg einschlagen und nach und nach größere Anteile an der Macht erlangen, bis in einer ungewissen und fernen Zukunft schließlich der nationale Sozialismus errichtet würde.

Lenin räumte den bourgeoisen Charakter der Revolution ein, bestritt aber, dass sie von der Bourgeoisie angeführt werden sollte, die zu schwach war, um es mit dem Adel aufzunehmen. Er schlug das Bündnis von Arbeitern und Bauern als Weg zur Durchsetzung einer revolutionären Macht vor, die eine tiefgreifende Agrarreform durchführen würde, ohne jedoch die kapitalistischen Strukturen zu überwinden. Mit der Entwicklung und Konsolidierung des Kapitalismus im rückständigen Russland würde das Proletariat zahlenmäßig zunehmen und stärker werden, bis die Zeit gekommen sei, die Macht zu ergreifen und mit dem Aufbau des Sozialismus zu beginnen.

Trotzkis Position, die sich von der der Bolschewiki und Menschewiki unterschied, ging davon aus, dass die Arbeiterinnen und Arbeiter bereits in der Lage waren, die Macht zu ergreifen, und unterschied sich von der Lenins insofern, als er der Meinung war, dass das Fehlen objektiver Bedingungen für die Einleitung des Sozialismus durch den permanenten Charakter der Revolution ausgeglichen würde, der es ermöglichen würde, die Zwischenstufen zu überspringen, die von den Marxisten als unabdingbar für den Übergang von der bourgeoisen Revolution zur sozialistischen Revolution angesehen wurden.

Lenin hielt mit den sogenannten Aprilthesen an Trotzkis Position fest und stellte sich damit gegen die große Mehrheit der Bolschewiki, die am ausschließlich bourgeoisen Charakter der Februarrevolution (von 1917) festhielten.

Von 1905 bis zum Ersten Weltkrieg

Der Russisch-Japanische Krieg war eine gewaltige kriegerische und ökonomische Katastrophe und löste einen populären Protest aus, der zur ersten Etappe des russischen revolutionären Prozesses wurde.

Am 3. Januar 1905 begann ein Streik in der Putilow-Fabrik in St. Petersburg. Am Sonntag, dem 9. Januar („Blutsonntag“), schossen zaristische Truppen auf eine friedliche und wehrlose Menschenmenge, die vom Popen Gapon angeführt wurde, der dem Zaren ein Memorandum über Beschwerden überbringen wollte, was zu Hunderten von Toten und Tausenden von Verwundeten führte. Der Streik breitete sich zwei Monate lang über das ganze Land aus.

Im Juni kam es zur Meuterei der Matrosen des Panzerkreuzers Potemkin im Hafen von Odessa, im Oktober zur Revolte der Kronstädter Besatzungen und im November zum Aufstand von elf Schiffen auf dem Marinestützpunkt Sewastopol.

In St. Petersburg bildeten sich die ersten Sowjets, aber sie waren nur von kurzer Dauer. Die zaristische Regierung reagierte mit brutaler Repression. Angesichts des drohenden Generalstreiks versprach Nikolaus II. die Einberufung der Duma.

Im Juni 1906 wurde die 1. Duma (russisches Parlament) mit Kadettenmehrheit (KD oder Konstitutionell-Demokratische Partei) einberufen, um ein echtes parlamentarisches Regime zu errichten, das auf einer Landreform basierte und eine bäuerliche Mittelschicht (die Kulaken) hervorbringen sollte.

Der neue Ministerpräsident Pjotr Stolypin warb für einen Reformplan, der auf die Entstehung eines Agrarproletariats abzielte, was wiederum den Einfluss der sozialistischen Parteien in der zweiten Duma (Februar-Juni 1907) stärken sollte.

Die revolutionäre Bewegung, die 1905 begonnen hatte, verlagerte sich von den Städten auf die Bauerndörfer. Die ständigen sozialen Umwälzungen führten zu einer rückschrittlichen Änderung des Wahlsystems, die zur Wahl der Dritten Duma (1907-1912) führte, deren Zusammensetzung und Berufung autokratisch war und die als das Parlament der „Herren, Popen und Lakaien“ bekannt wurde. Der ungehobelte sibirische Bauer Rasputin übte einen unheilvollen Einfluss auf die Zarin aus und brachte den Zarismus selbst bei ihren treuesten Anhängern in Misskredit.

Stolypin wurde 1911 ermordet, und auf ihn folgten unfähige Ministerpräsidenten, die die Vierte Duma als gefügige Vollversammlung empfanden, die nicht bereit war, Reformen durchzuführen, und die nicht in der Lage war, Zugeständnisse an die Arbeiterunruhen von 1912 zu machen. Der zaristische Reformismus war zu zaghaft und endete mit einem durchschlagenden Misserfolg.

Der Erste Weltkrieg

Russland war auf einen Zermürbungskrieg, wie er 1914 geführt werden sollte, nicht vorbereitet. Der zaristischen Armee fehlten moderne Waffen, angemessene Transportmittel, effiziente Führungsstäbe, eine geeignete Taktik, ein logistisches Netzwerk usw. Sie verfügte lediglich über eine riesige Masse von Soldaten, die von einem unfähigen Offizierskorps aus dem korrupten Adel angeführt wurden.

Fast fünfzehn Millionen Männer wurden mobilisiert, die sich ihres geringen militärischen Wertes bewusst waren und von einem brutalen Offizierskorps nur als Kanonenfutter betrachtet wurden. Die Zahl der russischen Toten, Verwundeten und Gefangenen belief sich auf etwa fünfeinhalb Millionen Männer. Die Zahl der Deserteure stieg stetig an und verbreitete Unzufriedenheit und revolutionäre Ideen.

Nach dem anfänglichen Erfolg der russischen Offensive in Galizien (1914), die die Österreicher in die Karpaten zurückdrängte, brach die Front aufgrund der technischen Mängel der russischen Armee, der Unfähigkeit des Kommandos und des bürokratischen Chaos zusammen, so dass die Deutschen die kaiserlichen Provinzen Polen und Litauen besetzen konnten (1915).

Brusilows anschließende russische Offensive in der Bukowina und Galizien endete mit schrecklichen Verlusten an Toten und Verwundeten und führte zu ersten Anzeichen einer weit verbreiteten Unzufriedenheit in der zaristischen Armee (1916).

Den Soldaten fehlte es an Waffen und Stiefeln, die in dem rauen russischen Klima unerlässlich sind. Die Vorräte waren knapp und der Hunger machte sich breit. In dieser Situation brach die militärische Disziplin zusammen. Die Zahl der Deserteure ging in die Tausende. Die Divisionen existierten nur auf dem Papier, denn in Wirklichkeit waren sie nichts weiter als ein unorganisierter, schlecht ernährter, schlecht ausgerüsteter, ungesunder, undisziplinierter und schlecht geführter Haufen.

Die Willkür der Offiziere über die Truppen war in ihrer Grausamkeit und Korruption unerträglich. Einige Kommandeure gingen sogar so weit, das Holz und den Stacheldraht zu verkaufen, die für den Bau der Schützengräben benötigt wurden.

Im Oktober 1916 zählte man 1,8 Millionen Tote, zwei Millionen Kriegsgefangene und eine Million Vermisste. Der Krieg führte zu einem ökonomischen Chaos. Die Bevölkerung wurde von Hungersnöten heimgesucht und Streiks waren weit verbreitet. Die Regierung reagierte darauf, indem sie Streikende an die Front schickte. Die Unzufriedenheit der Bevölkerung breitete sich aus. Revolutionäre Arbeiterinnen und Arbeiter in den Städten trugen ihren Protest zu den Soldaten, von denen die große Mehrheit aus den unterwürfigen Bauern rekrutiert worden war. Unter diesen Soldaten-Bauern machte sich schnell Rebellion breit. Arbeiter-, Soldaten- und Bauernsowjets wurden organisiert, und in der Armee war bereits nur noch von Frieden und Landverteilung die Rede. Meutereien waren an der Tagesordnung.

Die Februarrevolution von 1917

Der Mangel an Brot und Versorgungsgütern aller Art, lange Warteschlangen und die Kälte waren der Grund für die populären Proteste in Petrograd. Der Mangel an Rohstoffen in den Industrien führte zur Entlassung tausender von Proletariern. Da die meisten jungen Männer eingezogen worden waren, machten Frauen vierzig Prozent der Industriearbeiter aus.

Am Internationalen Frauentag, dem 23. Februar (8. März nach dem gregorianischen Kalender im Westen), begannen die Proteste. Die Frauen des Arbeiterbezirks Viborg, die sich zu einer Vollversammlung trafen, traten in den Streik. Am Nachmittag wurden die spielerischen Demonstrationen vom Vormittag massiv und laut, und die Metallarbeiter schlossen sich an. „Brot, Frieden und Freiheit!“ und „Nieder mit dem Zaren!“ wurde gerufen. Die Zusammenstöße mit der Polizei zeigten ein gewisses Zögern Seitens der Kosaken, die an die Repression städtischer Unruhen nicht gewöhnt waren. Die Linke, einschließlich der Bolschewiki (die in Viborg die Mehrheit stellten), hatte vom Streik abgeraten und zum Abwarten geraten.

Alle Parteien waren von der Stärke der Bewegung überrascht. Am nächsten Tag demonstrierten 150.000 Arbeiterinnen und Arbeiter auf den Straßen, und die Kosaken, die loyalsten Truppen des zaristischen Regimes, begannen, überwältigt zu werden. An einigen Orten weigerten sie sich zu schießen oder schossen über die Köpfe der Arbeiterinnen und Arbeiter hinweg. Die zaristische Autorität bröckelte. Die Stadt war gelähmt. Auf dem Znamenskaja-Platz kam es zu einem Zusammenstoß zwischen Kosaken und der verhassten zaristischen Polizei, um eine bedrohte Menge zu verteidigen.

Das baltische Flottengeschwader revoltierte und die Kronstädter Matrosen erschossen Hunderte von Offizieren. Der Streik, der am 23. von den Arbeiterinnen begonnen worden war, hatte sich am 24. zu einem Generalstreik und am 25. zu einem Aufstand ausgeweitet. Der Zar verschärfte die Repression. Die Stadt wurde militärisch eingenommen. Am Sonntag, dem 26., fand um die Mittagszeit ein Massaker auf dem Znamenskaja-Platz statt, bei dem mehr als fünfzig Menschen von einer Abteilung junger Rekruten des Wolynski-Regiments erschossen wurden. Nach dem Massaker stürmte ein wütender Haufen Gerichtsgebäude, Polizeistationen und Gefängnisse und befreite Gefangene.

Die populären Massen holten sich die Unterstützung mehrerer Armeekasernen, die mit der Polizei zusammenstießen. Die linken Parteien, Menschewiki, Sozialrevolutionäre und Bolschewiki, übernahmen die Führung in der Bewegung und nahmen zusammen mit den aufständischen Regimentern die ganze Stadt ein. Die allgemeine Meuterei der Militärgarnison am 27. verwandelte die Meutereien und Aufstände der vorangegangenen Tage in eine Revolution. Am 28. wehte die rote Flagge über der Gefängnis-Festung von St. Peter und St. Paul. Die Polizisten wurden gejagt und auf der Straße gelyncht. Am selben Tag (28.) wurde im linken Flügel des Taurisches Palais der Petrograder Sowjet gebildet, während im rechten Flügel die Duma zusammentrat, so dass die beiden rivalisierenden Machtzentren bereits physisch in demselben Gebäude entstanden.

Der Zar traf sich mit seinen Beratern und versuchte, der Revolution mit einem Regierungswechsel zu begegnen. Aber die Langsamkeit des Zaren erwies sich für die etablierte Autorität als tödlich. Die Bourgeoisie, die Generäle und ein Großteil des Adels rieten dem Zaren, zugunsten seines Sohnes oder Bruders abzudanken. Doch als der Zar zustimmte, war es bereits zu spät. Das russische Volk forderte eine Republik.

Im Februar 1917 kam es zu einer Situation der „Doppelherrschaft“. Im Gegensatz zum bourgeoisen Staat traten die Sowjets als alternative Regierung der Arbeiterklasse auf. Am 1. März wurde der Befehl Nr. 1 des Petrograder Sowjets erlassen, der die Wahl von Truppenvertretern in den Sowjet förderte, die Misshandlung von Offizieren unter Strafe stellte, den Amtsmissbrauch einschränkte und gleichzeitig die aufständischen Soldaten aufforderte, die Autorität des Sowjets gegenüber der Duma vorrangig anzuerkennen.

Nikolaus II. dankte am nächsten Tag ab. In Verhandlungen zwischen dem Sowjet und der Duma wurde die Bildung einer provisorischen Regierung mit Fürst Lwow als Premierminister vereinbart. Als Lvovs Name der Menge verkündet wurde, äußerte ein Soldat seine Überraschung: „Wir haben doch nur einen Zaren gegen einen Prinzen ausgetauscht?“ (Figes, S. 385).

VON FEBRUAR BIS OKTOBER 1917

Die provisorische Regierung

Die Macht auf der Straße, die eigentliche Macht, lag bei den Sowjets, aber sie hatten nicht die Absicht, die Regierung zu übernehmen und die gesamte Macht zu übernehmen. So entstand das, was Trotzki das „Februar-Paradoxon“ nannte, nämlich dass eine Revolution, die auf der Straße gewonnen hatte, einer Regierung wich, die in den Salons gebildet wurde. Aus dem Pakt des Petrograder Sowjets mit der Duma ging eine republikanische provisorische Regierung hervor, die hauptsächlich aus Kadetten (KD, Konstitutionell-Demokratische Partei) und einigen Vertretern der rechten SR (Sozialistische Revolutionäre Partei), wie Kerenski, bestand. Die soziale Zusammensetzung der neuen Regierung hatte sich vom Adel zur liberalen Bourgeoisie verschoben.

Die Sowjets hatten politische Gefangene freigelassen und die Versorgung organisiert. Sie hatten auch die zaristische politische Polizei aufgelöst, die Gewerkschaften/Syndikate legalisiert, die den Sowjets unterstellten Regimenter organisiert usw., ohne auf ein Dekret zu warten. Die Regierung beschränkte sich darauf, die Beschlüsse der Sowjets zu ratifizieren, die nicht direkt die Macht ergriffen hatten, weil die Mehrheit der Menschewiki und der SR „überhaupt nicht die Möglichkeit in Betracht zog, eine Macht zu fordern, die die Arbeiterklasse noch nicht ausüben kann“ (Broué, El partido bolchevique, S. 114), in Übereinstimmung mit den früheren Analysen dieser Parteien über das Wesen des russischen revolutionären Prozesses.

Die Bolschewiki, angeführt von Kamenjew und Stalin, unterstützten diese Dogmen. Im bolschewistischen Organ Prawda kam es zu einer radikalen Wende, als Stalin Mitte März die Leitung der Zeitung übernahm und zahlreiche Artikel veröffentlichte, die die Idee der Fortsetzung des Krieges befürworteten: „Die Bolschewiki übernehmen fortan die These der Menschewiki, dass die russischen Revolutionäre den Krieg fortsetzen müssen, um ihre jüngsten demokratischen Errungenschaften gegen den deutschen Imperialismus zu verteidigen“ (Broué, S. 115). Auf der Konferenz vom 1. April billigten die Bolschewiki Stalins Vorschlag, „die Provisorische Regierung zu unterstützen“, sowie die Möglichkeit eines Zusammenschlusses von Bolschewiki und Menschewiki (Carr, Bd. 1, S. 92-93).

Diese politischen Positionen standen im Widerspruch zum Willen der Bevölkerung, die ein sofortiges Ende des Krieges und seiner Härten forderte. Die Erklärungen von Außenminister Miljukow, dass er seine Kriegsverpflichtungen gegenüber den Alliierten einhalten und den Krieg bis zum endgültigen Sieg fortsetzen würde, lösten am 20. und 21. April Unruhen und Demonstrationen aus, die zu einer Regierungskrise führten, in deren Folge Miljukow zurücktrat und eine Koalitionsregierung aus Kadetten, SR und Menschewiki gebildet wurde, wobei die beiden letzteren eine große Mehrheit hatten. Kerenski wurde das Kriegsministerium übertragen. Die neue Regierung wurde von den Alliierten begrüßt, die das Kräfteverhältnis in Russland verstanden und eine starke Regierung wollten, die Russland im Krieg halten konnte.

Die Aprilthesen

Lenin, der über die seiner Meinung nach selbstmörderische und katastrophale Politik der bolschewistischen Partei verärgert war, schrieb im März aus Zürich die sogenannten „Briefe aus der Ferne“, in denen er das bolschewistische Programm für den Übergang in die zweite Phase der Revolution darlegte: Umwandlung des imperialistischen Krieges in einen Bürgerkrieg, keine Unterstützung der Provisorischen Regierung, klare Abgrenzung zu den Menschewiki, Enteignung des Grundbesitzes, Bewaffnung der Arbeiter zur Bildung einer Arbeitermiliz und sofortige Vorbereitung der proletarischen Revolution: Die gesamte Staatsmacht sollte auf die Sowjets übergehen.

Die Bolschewiki im Landesinneren, die die neuen Positionen des fernen Lenin nicht akzeptierten, veröffentlichten nur den ersten der vier Briefe. Lenin und der Rest der russischen revolutionären die in der Schweiz im Exil lebten prüften alle bestehenden Möglichkeiten für eine schnelle Rückkehr in ihr Land. Da die Alliierten ihnen Visa verweigerten, stimmten sie zu, über deutsches Gebiet nach Russland zurückzukehren. Die deutschen Behörden glaubten, dass es den russischen Revolutionären gelingen würde, eine chaotische Situation zu schaffen, die die russische Niederlage beschleunigen würde. Lenin und seine Weggefährten durchquerten Deutschland in einem „versiegelten“ Zug. Später nutzten die Feinde von Lenin und den Bolschewiki diese Episode, um sie als deutsche Spione zu beschuldigen.

Lenin kam am 3. April 1917 auf dem Finnischen Bahnhof in Petrograd an. Seine Positionen, die als Aprilthesen bekannt sind, wurden von der Mehrheit der bolschewistischen Führung missverstanden und abgelehnt. Am 7. April veröffentlichte er sie in einem kurzen Artikel („Die Aufgaben des Proletariats in unserer Revolution“), in dem er sich stillschweigend Trotzkis Theorie der permanenten Revolution zu eigen machte. Er behauptete, dass es unmöglich sei, den Krieg zu beenden, ohne zuerst den Kapitalismus zu besiegen, und dass es daher notwendig sei, „im Übergang von der ersten Etappe der Revolution, die infolge des ungenügend entwickelten Klassenbewußtseins und der ungenügenden Organisiertheit des Proletariats der Bourgeoisie die Macht gab, zur zweiten Etappe der Revolution, die die Macht in die Hände des Proletariats und der ärmsten Schichten der Bauernschaft legen muß“. Er erklärte weiter, dass die Bolschewiki die Massen nur durch „geduldiger (….) Aufklärung“ ihrer Politik für sich gewinnen würden: „Wir wollen nicht, dass die Massen uns glauben, ohne eine andere Garantie als unser Wort zu haben. Wir sind keine Scharlatane, wir wollen, dass die Erfahrung die Massen aus ihrem Irrtum herausführt“. Die Aufgabe der Bolschewiki sei es, die Initiative der Massen zu fördern. Aus diesen Initiativen sollte die Erfahrung erwachsen, die den Bolschewiki eine Mehrheit in den Sowjets verschaffen würde: dann würde die Zeit kommen, in der die Sowjets die Macht ergreifen und den Aufbau des Sozialismus beginnen könnten. Lenins Thesen lösten unerwartet und brutal eine heftige Debatte innerhalb der bolschewistischen Partei aus. Die Prawda sah sich gezwungen, eine Notiz zu veröffentlichen, in der Kamenjew warnte, dass „solche Thesen nichts anderes als Lenins Privatmeinung darstellen“. Lenin stützte sich auf die Arbeiterkader, um die Parteiführung zu konfrontieren. Allmählich gewann er einige Unterstützer, wie Sinonjew und Bucharin, und frontalen Widerstand von anderen, wie Kamenjew.

Am 24. April wurde eine Außerordentliche Konferenz unter dem Vorsitz von Kamenew einberufen, der zusammen mit Rikow und anderen Führern die Positionen verteidigte, die Lenin selbst 1906 vertreten hatte. Kamenew ging sogar so weit zu behaupten, dass „es verfrüht ist zu sagen, dass die bourgeoise Demokratie alle ihre Möglichkeiten ausgeschöpft hat“. Lenin entgegnete, dass diese Ideen alte Formeln seien, die die alten Bolschewiki „ungeschickt gelernt haben, anstatt die Originalität der neuen und aufregenden Realität zu analysieren“, und schloss, indem er Kamenew an Goethes berühmten Satz erinnerte: „Grau, teurer Freund ist alle Theorie, und grün des Lebens goldner Baum“. Obwohl er bei den grundlegenden politischen Thesen gesiegt hatte, war sein Sieg nicht vollständig, denn von den neun Mitgliedern der Parteiführung waren vier gegen seine Thesen.

Trotzki war am 5. Mai in Russland eingetroffen und wurde sofort in die Parteiführung eingeladen. Der Sechste Parteitag der Bolschewiki wurde am 26. Juli eröffnet, allerdings ohne Lenin, der in den Untergrund gegangen war, und Trotzki, der während der „Julitage“ verhaftet worden war. Es war ein Kongress des Zusammenschlusses verschiedener kleiner Organisationen mit der bolschewistischen Partei, die jetzt 170.000 Militante zählte, von denen 40.000 aus Petrograd stammten. Die gewählte Führung war ein getreues Abbild des Kräftegleichgewichts: Von den einundzwanzig Mitgliedern gehörten sechzehn der alten bolschewistischen Fraktion an. Lenin, Sinowjew und Trotzki erhielten die meisten Stimmen. Der Triumph der Aprilthesen war nun komplett. Der Weg zum Aufstand war nun frei von internen Hindernissen (Broué, S.116-126).

Die Bolschewiki hatten sich das Programm der linken SR und der Anarchisten zu eigen gemacht: „Alle Macht den Sowjets“, mit dem alleinigen Ziel, es anzuführen.

Von Juli bis Oktober

Die Dualität der Macht schlitterte schnell in eine soziale Konfrontation, bei der es keine andere Alternative gab als die Fortsetzung des Krieges, wie sie von Adel und Bourgeoisie befürwortet wurde, oder den sofortigen Frieden, den die populären Klassen forderten. Lenin hatte im Mai darauf hingewiesen, dass „das Land tausendmal mehr links stand als die Menschewiki und hundertmal mehr als die Bolschewiki“. Die Soldaten, Arbeiterinnen und Arbeiter und die Bauern radikalisierten sich immer mehr, weil sie direkt unter den Folgen des Krieges litten.

Doch die Provisorische Regierung setzte ihr Kriegsabenteuer fort, gab dem Druck der Alliierten und dem russischen Patriotismus nach und ordnete eine Offensive unter der Führung von Brusilow an, die in einer militärischen Katastrophe und Massendesertationen endete. Der Befehl, Truppen aus Petrograd an die Front zu verlegen, löste einen Aufstand der Soldaten aus, dem sich auch die Arbeiterinnen und Arbeiter anschlossen. Die populären Demonstrationen am 3. und 4. Juli gipfelten in der Besetzung Petrograds durch die Massen, die die Absetzung der Regierung, die volle Macht der Sowjets, die Verstaatlichung von Land und Industrie, Arbeiterkontrolle, Brot und Frieden forderten.

Die Kadetten nutzten die Krise, um zurückzutreten, und Kerenski übernahm den Vorsitz einer Regierung, die nur noch aus SRs und Menschewiki bestand. Nach einer Propagandakampagne gegen die Regierung, in der sie die volle Macht für die Sowjets forderten, hielten die Bolschewiki den Aufstand für verfrüht, obwohl er in den großen Städten, insbesondere in der Hauptstadt Petrograd, stattfand.

Die Bolschewiki wurden überwältigt und erwiesen sich als unfähig, die Aufstandsbewegung zu stoppen. Sie wurden sogar ausgebuht. Nach zehn Tagen der Mobilisierung wurde der Aufstand niedergeschlagen, ohne dass es einen klaren Sieger gab. Nun wurde der Aufruf der Bolschewiki zur Rückkehr an die Arbeit angenommen.

Die Provisorische Regierung beschuldigte die Bolschewiki der Vorfälle und Lenin, ein deutscher Spion zu sein, und brachte die Geschichte mit dem versiegelten Zug ans Licht. Einige neutrale Regimenter wechselten auf die Seite der Regierung, und viele Arbeiterinnen und Arbeiter, Menschewiki und SR, waren durch die Verleumdungen verwirrt. Zu diesem Zeitpunkt, der für die Regierung günstig war, begannen die Repressionen gegen die Bolschewiki. Ihre Presse wurde verboten und ihre Räumlichkeiten wurden durchsucht. Trotzki und Kamenew wurden verhaftet. Lenin ging ins Exil nach Finnland. Die bolschewistischen Kader gingen in den Untergrund.

Doch das wichtigste Phänomen spielte sich auf dem Land ab. Die Bauern hatten nicht nur aufgehört, an die Reformversprechen der Sozialisten in den verschiedenen provisorischen Regierungen zu glauben, sondern sie hatten sich unter dem Einfluss des Aufrufs der Bolschewiki zum direkten Handeln und zur Landbesetzung im ganzen Land ausgebreitet und Höfe besetzt. Die Kadetten kehrten zur Regierung zurück und forderten harte Maßnahmen zur Wiederherstellung der Ordnung. Kerenski war jedoch nicht in der Lage, soziale Ordnung und militärische Disziplin herzustellen. Die Unterdrückung der Kosaken auf dem Lande brachte die Bauern und die Bolschewiki unwiderruflich näher zusammen, denn letztere vertraten die Parole „Frieden, Brot und Land“.

Im August berief Kerenski eine Nationale Konferenz ein, auf der politische, soziale, ökonomische und kulturelle Kräfte aus dem ganzen Land zusammenkamen, um „einen Waffenstillstand zwischen Kapital und Arbeit“ zu erreichen (Broué, S. 128). Die Bolschewiki boykottierten die Konferenz, die hoffnungslos scheiterte: es blieb nur der Militärputsch.

Die Bourgeoisie, der Adel, die Alliierten und der Generalstab befürworteten einen Staatsstreich, der von General Kornilow, Kerenskis bisher engstem Vertrauten, angeführt werden sollte. Kornilow marschierte am 25. August in Petrograd ein und befehligte Kosakentruppen. Kerenski entließ Kornilow, führte aber weiterhin konfuse Verhandlungen mit ihm, während Kadetten und Menschewiki die Regierung verließen.

Kerenski, die Karikatur eines neuen Zaren, ging an die Front, um Ärger aus dem Weg zu gehen. In Petrograd, das von der Provisorischen Regierung im Stich gelassen wurde, organisierten die Sowjets unterdessen die Verteidigung gegen die Bedrohung durch Kornilow. Die Kronstädter Matrosen befreiten die verhafteten Bolschewiki, darunter Trotzki, und die Partei ging in den Untergrund. Ihre Kader und Militanten gewannen sofort eine überwältigende Mehrheit in der Militärgarnison und in den Fabriken.

Trotzki übernahm wieder den Vorsitz des Petrograder Sowjets und gründete das Militärrevolutionäre Komitee, ein Organ des Sowjets, das die Truppen mit der neu geschaffenen Roten Garde, die sich aus Gruppen bewaffneter Arbeiterinnen und Arbeiter zusammensetzte, zusammenführte. Kornilow und seine Kosaken konnten Petrograd nicht einmal erreichen. Die Eisenbahner weigerten sich, die Züge mit den Putschisten zu fahren, oder brachten sie zu anderen Zielen. Die Soldaten selbst meuterten, sobald sie von ihrem Auftrag erfuhren.

Am 3. September gab Kornilow den Putschversuch auf und ergab sich der Regierung. Der Putschversuch hatte das Blatt zu Gunsten der Bolschewiki gewendet. Soldatenvollversammlungen verhafteten Offiziere, die verdächtigt wurden, mit Kornilow zu sympathisieren, und richteten sie manchmal sogar hin, und sie verabschiedeten Resolutionen zugunsten der Sowjetmacht und des Friedens.

OKTOBER

Am 31. August forderte der Petrograder Sowjet die volle Macht für die Sowjets, und am 9. September verurteilte er jede Politik der Koalition mit der Bourgeoisie. Am 13. September schickte Lenin zwei Briefe an das Zentralkomitee (ZK) der bolschewistischen Partei, in denen er feststellte, dass die Bedingungen für die Machtergreifung reif genug seien. Doch die Mehrheit des ZK, angeführt von Sinowjew und Kamenew, war immer noch gegen den endgültigen proletarischen Aufstand. Sie waren der Meinung, dass die Bedingungen noch genauso unreif waren wie im Juli.

Trotzki unterstützte den Aufstand, wenn er zeitlich mit dem Sowjetkongress zusammenfiel, der für Ende Oktober angesetzt war. Lenin erhielt nur die Unterstützung des jungen Smilga, dem Vorsitzenden des finnischen Sowjets.

Am 10. Oktober kam Lenin mit Perücke und Mütze verkleidet und mit abrasiertem Spitzbart aus seinem finnischen Exil in Petrograd an, um dem ZK mit zehn zu zwei Stimmen (Sinowjew und Kamenew) eine Resolution zugunsten des Aufstands abzuringen, für den sofort mit den Vorbereitungen begonnen wurde (Broué, S. 126-134; Figes, S. 456-507).

Die Februarrevolution von 1917 hatte den Zaren gestürzt und demokratische Freiheiten und eine bourgeoise Republik eingeführt. Aber der russische revolutionäre Prozess blieb nicht dabei stehen, sondern wollte den ganzen Weg gehen, der Bourgeoisie die Macht entreißen und die Arbeitermacht der Sowjets etablieren. Die Vorbereitungen für den Aufstand waren für niemanden ein Geheimnis. Kamenew und Sinowjew gingen sogar so weit, dass sie ihn in der Presse anprangerten. Das Militärische Revolutionskomitee (MRK), das für den Aufstand in Petrograd zuständig war, organisierte die gesamte Operation. Andererseits war der Oktoberaufstand nicht wirklich eine Entscheidung des ZK der bolschewistischen Partei, sondern eine Ablehnung des Befehls der Kerenski-Regierung, zwei Drittel der Petrograder Garnison an die Front zu schicken, durch den Sowjet.

Die bourgeoise Regierung beabsichtigte erneut, die revolutionären Truppen aus Petrograd zu vertreiben und sie durch konterrevolutionäre Bataillone zu ersetzen. Nur wenige Wochen nach der Kornilowada begannen die Oktobertage gegen den neuen Versuch, die Revolution zu zerschlagen, und zwangen das Proletariat zu aufständischen Maßnahmen, um sie zu verteidigen. Die Kräfte, die der MRK zur Verfügung standen, waren nicht zahlreich, aber sie waren absolut entscheidend: die Rote Garde, die Matrosen der Ostseeflotte, die Stadtgarnison und die Arbeiterviertel. Etwa 30.000 Männer beteiligten sich aktiv an dem Aufstand. Ein Aufstand in den Arbeitervierteln, die ruhig blieben, war nicht nötig. Auch die Kasernen mussten nicht gestürmt werden, weil sie schon vor dem Aufstand für die Revolution gewonnen worden waren.

Der Termin für den Aufstand wurde auf die Nacht des 24. Oktobers festgelegt, da am 25. Oktober der Sowjetkongress zusammentreten sollte. In dieser Nacht wurden alle Offiziere, die die Autorität der MRK nicht anerkannten, verhaftet, Polizeistationen, Druckereien, Brücken und offizielle Gebäude besetzt, Kontrollpunkte in den wichtigsten Straßen eingerichtet, die Staatsbank, Bahnhöfe, Telegrafen, Telefone und Elektrizitätswerke beschlagnahmt. In nur dreizehn Stunden war Petrograd in der Hand der revolutionären Soldaten, Arbeiterinnen und Arbeiter unter dem Befehl des Sowjets.

Am Morgen des 25. um 10 Uhr war nur noch das Hauptquartier der Regierung, der Winterpalast, der seit Tagen belagert worden war, in der Hand der Regierung. Am Abend des 25. feuerte der Kreuzer Aurora eine Salve ab und gab den Befehl, den Winterpalast zu stürmen. Lenin wollte der Vollversammlung des Sowjetkongresses verkünden, dass die Regierung Kerenski gestürzt war. Die Truppen, die den Palast verteidigten, hielten stand, bis sie die Möglichkeit hatten zu fliehen. Schließlich ergab sich der Winterpalast in den frühen Morgenstunden des 26. Oktober nach einem gemeinsamen Angriff von Matrosen, Soldaten, Arbeiterinnen und Arbeitern. Die Provisorische Regierung, die sich versammelt hatte, um den Widerstand in der Hauptstadt zu organisieren, wurde verhaftet, aber Kerenski floh in einem von der amerikanischen Botschaft beschlagnahmten Auto.

Zwischen dem 28. Oktober und dem 2. November siegte der Aufstand der Arbeiterinnen und Arbeiter auch in Moskau, und nach zwei oder drei Wochen hatte er sich praktisch auf ganz Russland ausgebreitet. In den frühen Morgenstunden des 26. Oktober wählte der Zweite Sowjetkongress mit einer großen bolschewistischen Mehrheit eine revolutionäre Regierung, die sich hauptsächlich aus Bolschewiki und linken SR zusammensetzte, und verabschiedete die ersten Dekrete der neuen Regierung. Lenin wurde zum Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare gewählt. Es wurde Frieden verkündet und ein sofortiger Waffenstillstand an allen Fronten vereinbart. Trotzki, der zum Kommissar für Auswärtige Angelegenheiten ernannt worden war, trug die Hauptlast der Verhandlungen mit Deutschland.

Am 2. Dezember wurde der Waffenstillstand unterzeichnet und am 4. März 1918 der so genannte Frieden von Brest-Litowsk, der eine erbitterte Kontroverse zwischen denjenigen, die den Frieden um jeden Preis unterzeichnen wollten, um den neuen Sowjetstaat zu verteidigen, und denjenigen, die eine Ausweitung des revolutionären Krieges auf Europa vorschlugen, auslöste, was beinahe zu einer Spaltung der bolschewistischen Partei geführt hätte. Die Ukraine war der Plünderung durch die Österreicher und Deutschen ausgesetzt.

Die Konfiszierung des Großgrundbesitzes und die Übergabe des Landes an die Bauernsowjets, die Kontrolle der Industrie durch die Arbeiterinnen und Arbeiter und die Verstaatlichung des Bankwesens wurden angeordnet. Die Rechte der Nationalitäten wurden anerkannt, darunter das Recht auf Selbstbestimmung und die Freiheit, sich abzuspalten. Der neuen Sowjetregierung, die von den Alliierten nicht anerkannt wurde, stand auch die radikale Opposition des gesamten verbliebenen politischen Spektrums entgegen, von der zaristischen extremen Rechten bis zu den Menschewiki. Der Ausbruch des Bürgerkriegs mit dem Eingreifen ausländischer Mächte war nur wenige Monate später unvermeidlich.

Das bolschewistische Regime

Die Bolschewiki fanden sich politisch isoliert. Die Menschewiki hielten die Machtergreifung durch eine Arbeiterpartei immer noch für Wahnsinn, da die „objektiven Bedingungen“ es ausschlossen, über die Aufgaben einer bourgeoisen Revolution hinauszugehen: es ging um die Entwicklung demokratischer Freiheiten. Die rechten SR schwankten zwischen der Aufforderung an die Bolschewiki, politischen Selbstmord zu begehen, d.h. den Ausschluss von Lenin und Trotzki, und der bewaffneten Konfrontation. Die linken SR gerieten mit den Bolschewiki wegen Meinungsverschiedenheiten über die Frage, ob die konstituierende Versammlung aufgelöst werden sollte oder nicht, aneinander. In diesem Parlament, das in allgemeinen Wahlen gewählt wurde, waren die Bolschewiki in der Minderheit. Die linken SR waren nur schwach vertreten, weil die Sozialrevolutionäre Partei die Kandidaten vor der angekündigten Spaltung des linken Flügels nominiert hatte, der in der Basis und auf dem Land die Mehrheit hatte. Als die konstituierende Versammlung sich weigerte, die Erklärung der Rechte des arbeitenden und ausgebeuteten Volkes (die von den Sowjets verabschiedet worden war) anzunehmen, verließen die Bolschewiki den Saal, woraufhin ein Trupp Rotgardisten in den Saal eindrang und die Sitzungen beendete. Das war das Ende der parlamentarischen Demokratie in Russland. Es begann eine gefährliche Verwirrung und Verstrickung zwischen der Bürokratie des Staatsapparats und den bolschewistischen Parteikadern.

Bürgerkrieg und Kriegskommunismus (1918-1921)

Der Bürgerkrieg begann mit dem Aufstand der tschechoslowakischen Legion von etwa 50.000 Soldaten unter französischem Kommando im Mai 1918. Sie marschierten nach Westen und erreichten bald die Wolga. Der Erfolg der Operation veranlasste die Alliierten zum Eingreifen mit dem Ziel, die Revolution zu zerschlagen und die zaristische Herrschaft wiederherzustellen. Im Juni landeten anglo-französische Truppen in Murmansk und Arkangel. Im August landeten die Alliierten unter dem Vorwand, der tschechoslowakischen Legion zu helfen, 100.000 Mann in Wladiwostok. Im Süden organisierte der zaristische General Denikin mit britischem Material und Nachschub eine Freiwilligenarmee: die Weiße Garde war geboren.

Im September errang Trotzki, der Schöpfer der Roten Armee, mit der Niederlage der Tschechen und der Rückeroberung von Kasan den ersten sowjetischen Erfolg. 1919 eroberten die Franzosen Odessa und die Krim; die Briten nahmen die Ölquellen im Kaukasus und am Don in Besitz. Russischer Boden wurde auch von amerikanischen, polnischen, deutschen, österreichischen und serbischen Truppen besetzt. Die Lage war verzweifelt. Clemenceaus Plan, die Bolschewiki einzukesseln, war vollendet worden. Aber die Uneinigkeit unter den Alliierten und die politische Unfähigkeit der Generäle der Weißen Garde, die nicht in der Lage waren, Zugeständnisse in Bezug auf die Autonomie der Nationalitäten (eine Angelegenheit, die für die Kosaken von Interesse war) und in Bezug auf Land an die Bauern zu machen, um deren Unterstützung zu gewinnen, ermöglichten es der Roten Armee, während der dreißig Monate des Bürgerkriegs durchzuhalten. Schließlich führten die revolutionäre Welle, die Europa überrollte, und die militärischen Erfolge der Roten dazu, dass ein neuer Waffenstillstand unterzeichnet wurde.

Der Bürgerkrieg hatte das Land in Trümmern hinterlassen. Der private Handel war verschwunden (Broué, S. 163-170). Die Maßnahmen des so genannten „Kriegskommunismus“ wurden also aus den Notwendigkeiten des Krieges heraus geboren. Um die belagerten Städte und die Armee zu ernähren, wurden die Ernten beschlagnahmt. Die armen Bauern und Bäuerinnen wurden gegen die Kulaken organisiert. Es gab keine Steuereinnahmen, da die Verwaltung (A.d.Ü., die der Steuern) verschwunden waren. Die unkontrollierte Ausgabe von Papiergeld löste eine Inflation aus. Hungersnöte und Epidemien wüteten in den Städten, dem Zentrum der Revolution. Die Löhne wurden in Naturalien ausgezahlt. Die Industriearbeiter wurden an die Fronten geschickt. Der Terror der (Tscheka) politischen Polizei trat mit der Gründung der Tscheka im April 1918 unweigerlich in Erscheinung, die es vor allem auf Menschewiki, SR und Anarchistinnen und Anarchisten abgesehen hatte: nichts sollte mehr so sein wie zuvor. Die Industrieproduktion brach ein. Die Stahl- und Eisenproduktion war minimal. Fast drei Viertel der Eisenbahnen waren unbrauchbar geworden. Die Anbaufläche war um ein Viertel reduziert worden. Die Kulaken schlachteten ihr Vieh und versteckten ihre Ernten, um einer Beschlagnahmung zu entgehen.

Vor diesem Hintergrund fand der Aufstand in Kronstadt, einem Marinestützpunkt in der Nähe von Petrograd mit einer starken sowjetischen und bolschewistischen Tradition, statt. Im März 1921 übernahm Trotzki die Repression des Kronstädter Marineaufstandes, der während der Revolution von 1917 nach Trotzkis eigenen Worten „der Stolz und der Ruhm der Revolution“ gewesen war. In diesem Monat schlug Lenin auf dem 10. Parteitag, der die Existenz von Strömungen und Tendenzen innerhalb der bolschewistischen Partei verbot, auch die „Neue Ökonomische Politik“ (NEP) vor. Es kam zu zahlreichen Bauernaufständen.

Die Partei beschloss, ihre ökonomische Politik zu ändern, aber die bewaffnete Repression großer Teile der Bevölkerung, die zweifelsohne revolutionär war, stellte einen unumkehrbaren konterrevolutionären Wendepunkt in der sowjetischen Revolution dar. Nicht umsonst hatte sich das niedergeschlagene Kronstadt zur Verteidigung der Losung „Sowjets ohne Bolschewiki“ erhoben (Brinton, S. 137-144; Mett S. 39-116).

Der ukrainische Anarchist Makhno und die Erfahrungen der ukrainischen Kommunen von 1918 bis 1921, in denen libertäre sozioökonomische Maßnahmen und die pädagogischen Prinzipien von Ferrer Guardia erfolgreich umgesetzt wurden, verdienen ein eigenes Kapitel. Die ukrainische Schwarze Armee bekämpfte die zaristische Weiße Armee im Bündnis mit der bolschewistischen Roten Armee und bildete das Freie Territorium der Ukraine. Nach neunmonatigen Kämpfen gegen die Rote Armee wurden die Anarchistinnen und Anarchisten Ende 1921 besiegt und Makhno musste ins Exil gehen, während die Bolschewiki in die ukrainischen Dörfer eindrangen und unter den Bauern und Bäuerinnen Massaker anrichteten, mit dem Ziel, auch die kleinste Erinnerung und Sympathie für die jüngsten libertären Erfahrungen auszulöschen.

STALINISMUS UND STAATSKAPITALISMUS

Die Neue Ökonomische Politik (1921-1927)

Die sogenannte NÖP setzte eine Reihe außerordentlicher ökonomischer Maßnahmen durch, die durch die katastrophalen Folgen des Krieges motiviert waren, und legte den Grundstein für den russischen Staatskapitalismus. Um die Produktivität zu steigern, wurde beschlossen, die Privatinitiative zu fördern, die 1917 verboten worden war, und kleinen landwirtschaftlichen und gewerblichen Betrieben die Möglichkeit zu geben, rentabel zu werden. Die Zwangsenteignung wurde abgeschafft und ein Großteil des Landes wurde an die Kulaken zurückgegeben, wodurch ein interner freier Markt entstand. Gleichzeitig schuf der Staat große Staatsbetriebe, die Sowchosen, und landwirtschaftliche Genossenschaften, die Kolchosen. Unternehmen mit weniger als 20 Beschäftigten wurden entstaatlicht und die Liberalisierung der Löhne und Produktionsprämien in privaten Unternehmen wurde genehmigt. Der Einsatz ausländischer Techniker wurde genehmigt. Es wurde eine „Naturalsteuer“ eingeführt, und ausländische Investitionen wurden unter staatlicher Kontrolle zugelassen. Das staatliche System wurde vom Obersten Sowjet der Wirtschaft geleitet.

Die NÖP brachte eine gewisse Stabilität und ermöglichte eine Rückkehr zum Produktionsniveau der Vorkriegszeit. Doch auf dem Weg dorthin wurden die Sowjets inhaltlich entleert und die Revolution ging unter. Die NÖP endete 1927 mit dem ersten Fünfjahreswirtschaftsplan, der der Schwerindustrie Vorrang vor der Produktion von Konsumgütern gab.

Der Triumph der Bürokratie

Aufgrund der Katastrophen, Entbehrungen und Zerstörungen des Bürgerkriegs, der Isolation der russischen Revolution nach dem Scheitern der internationalen Revolution, des Todes zahlreicher bolschewistischer Militanter, des ökonomischen Chaos, des Hungers, der Millionen Tote gefordert hatte, und des weit verbreiteten Elends, vor allem aber dank der Identifizierung von Partei und Staat, entstand eine Bürokratie, die sich auf den Triumph der politischen Konterrevolution und die kostspielige und grausame Industrialisierung durch den triumphierenden Staatskapitalismus stützte.

Bereits 1922 hatte Lenin vor den Gefahren der Verstaatlichung gewarnt. Die Bürokratie hatte die Sowjets, Gewerkschaften/Syndikate, Parteizellen und Komitees ihres Sinns und ihrer Inhalte beraubt und dem Staatsapparat und den konterrevolutionären Direktiven unterworfen. Ab 1923 verkörperte Stalin diese neue Parteistaatsbürokratie, die eine brutale politische Konterrevolution anführte.

Die elementare Prognose der Bolschewiki im Jahr 1917 hatte gelautet, dass eine siegreiche Arbeiterrevolution angesichts der ökonomischen Rückständigkeit Russlands nur durch die internationale Ausdehnung einer weltweiten Revolution überleben könne, die ihren ersten konkreten Schritt in Deutschland machte. Andernfalls würde die russische Revolution scheitern. 1924 übernahm die Bürokratie die Theorie des „Sozialismus in einem Land“ und den Personenkult um den mumifizierten Lenin als die beiden Achsen, auf denen die neue stalinistische Ideologie aufbauen sollte. Nachdem die russische Bürokratie jede Tarnung aufgegeben hatte, schien sie bereit, jede Opposition ein für alle Mal zu zerschlagen. Der Stalinismus deformierte auf groteske Weise das Konzept des Sozialismus, entleerte die Sowjets ihres Inhalts, unterdrückte den kleinsten Hauch von Arbeiterdemokratie, führte eine persönliche Diktatur über die Partei und die Partei über das Land ein und errichtete ein totalitäres Regime.

Die Bürokratie musste alle Kader der bolschewistischen Führung, die die Oktoberrevolution gemacht hatten, vernichten, denn die Mystifizierung ihres eigenen konterrevolutionären Charakters war eines der Merkmale des Stalinismus. So kam es in den 1930er Jahren zu zahlreichen Säuberungsaktionen, bei denen Hunderttausende von fiktiven oder realen Gegnern jeglicher Ideologie, darunter auch die Bolschewiki selbst und vor allem ihre wichtigsten Führer, zur Vernichtung und Schande verurteilt wurden.

Trotzki wurde im August 1940 in Mexiko von Ramon Mercader ermordet, einem spanischen stalinistischen Agenten, der Stalins Befehle ausführte. Im Spanischen Bürgerkrieg führten die Stalinisten die Konterrevolution innerhalb des republikanischen Lagers an, indem sie Anarchistinnen und Anarchisten, Mitglieder der POUM, sowie Dissidentinnen und Dissidenten physisch und politisch ausschalteten.

Im August 1939 wurde zwischen Hitler und Stalin ein Pakt über den Einmarsch in Polen geschlossen. Am Ende des Zweiten Weltkriegs besetzte die Rote Armee halb Europa und errichtete totalitäre Regime, Satelliten der Sowjetunion, die nach dem Fall der Berliner Mauer im Oktober 1989 schnell zusammenbrachen.

Diese stalinistischen Regime erlebten verschiedene Arbeiter- und Volksaufstände, wie z. B. 1947 in Berlin, 1956 in Ungarn und 1968 in der Tschechoslowakei. Der Fall der Berliner Mauer im Oktober 1989 war der Anfang vom Ende der Sowjetunion und aller stalinistischen Staaten.

Internationale Merkmale des Stalinismus

Die Merkmale der stalinistischen Konterrevolution waren:

(a) Unaufhörlicher, allgegenwärtiger und fast allmächtiger Polizeiterrorismus.
b) Unabdingbare Verfälschung ihres eigenen Wesens und des Wesens ihrer Feinde, insbesondere der Revolutionäre.
c) Ausbeutung der Arbeiter durch den Staatskapitalismus, angeführt vom Partei-Staat, der die Arbeit militarisiert.

Die Stalinisten waren nie ein reformistischer Teil der Arbeiterbewegung, sondern immer die Partei der Konterrevolution und der erbitterten Unterdrückung der revolutionären Bewegung. Mit dem Stalinismus war nie eine Zusammenarbeit möglich, sondern nur der absolute Kampf. Der Stalinismus hat immer und überall die konterrevolutionären Kräfte angeführt und gelenkt, indem er seine Stärke in der Idee der nationalen Einheit, in der Praxis einer Politik der Ordnung, im Kampf um eine starke Regierung, in einer auf Verstaatlichungen basierenden ökonomischen Politik, im Eindringen Militanter stalinistischer Parteimitglieder in den Staatsapparat und vor allem in der Verschleierung seines reaktionären Charakters innerhalb der Arbeiterbewegung (Munis, S. 158-290).

SCHLUSSFOLGERUNGEN

Die Größe des Roten Oktobers liegt in der Tatsache, dass es die erste proletarische Revolution der Geschichte war, das erste Mal, dass das Proletariat die Macht ergriff und die Herrschaft der Bourgeoisie stürzte. Eine kommunistische Revolution konnte nur weltweit sein, und sie scheiterte in Russland, als das revolutionäre Proletariat in Deutschland besiegt und die sowjetische Revolution isoliert wurde. Diese Isolation, gepaart mit den Katastrophen des Bürgerkriegs, des ökonomischen Chaos, des Elends und der Hungersnot, vergrößerte die schrecklichen Fehler der Bolschewiki, nicht zuletzt die Identifizierung von Partei und Staat, die zum unvermeidlichen Triumph der stalinistischen Konterrevolution führte, und zwar ausgerechnet in der bolschewistischen Partei, die die sowjetische Revolution vom Oktober 1917 vorangetrieben hatte.

In Russland hatte der 1905 begonnene revolutionäre Prozess seinen ersten Erfolg mit der demokratischen Revolution vom Februar 1917, die den Zaren stürzte und eine demokratische Republik errichtete, aber er blieb nicht auf halbem Weg stehen, sondern ging mit dem Aufstand in Petrograd im Oktober 1917 weiter, bei dem die Sowjets die Macht ergriffen und die Bourgeoisie aus dem Staatsapparat verdrängten.

Die stalinistische Konterrevolution war politischer Natur und äußerte sich im Machtmonopol der bolschewistischen Partei selbst, in den Maßnahmen der Verstaatlichung und der staatlichen ökonomischen Konzentration (Staatskapitalismus) und in der Umwandlung der bolschewistischen Partei in eine Partei-Staat, der jede politische und ideologische Opposition vernichtete, unzweifelhaft revolutionäre proletarische Bewegungen und Gruppen hart niederschlug und diejenigen bis zur physischen Vernichtung verfolgte, die auch nur den geringsten Dissens äußerten, sei es innerhalb oder außerhalb der einzigen Partei.

Die Oktoberrevolution war keineswegs ein banaler Staatsstreich, wie die Sprachrohre der herrschenden Klasse lügen, sondern einer der Höhepunkte in der Geschichte der Menschheit. Zum ersten Mal hatte die Arbeiterklasse den Mut und die Fähigkeit, den Ausbeutern die Macht zu entreißen und die proletarische Weltrevolution einzuleiten. Obwohl die Revolution in Berlin, München, Budapest und Turin bald besiegt werden sollte, obwohl das russische und das Weltproletariat einen schrecklichen Preis für ihre Niederlage zahlen mussten: den Schrecken der Konterrevolution, einen weiteren Weltkrieg und all die Barbarei, die sie unter den stalinistischen Staaten erleiden mussten; die Bourgeoisie hat es bis heute nicht geschafft, die Erinnerung und die Lehren aus diesem gewaltigen Ereignis auszulöschen.


Bibliografie zur russischen Revolution:

Anweiler, Oskar: Los soviets en Rusia 1905-1921. Zero, 1975

Archinof, Pedro: Historia del movimiento macknovista. Tusquets, 1975

Aunoble, Eric : “Le communisme tout de suite!”. Le mouvement des Communes en Ukraine soviétique (1919-1920). Les nuits rouges, 2008.

Barrot, Jean : Communisme et question russe. Tête des Feuilles, 1972. [Traducción al castellano en Dauvé y Martin: Declive y surgimiento de la perspectiva comunista. Espartaco Internacional, 2003]

Brinton, Maurice: Los bolcheviques y el control obrero (l917-1921). Ruedo Ibérico, 1972

Broué, Pierre: El partido bolchevique. Ayuso, 1973

Carr, E.H.: La Revolución Bolchevique (1917-1923). (Tres tomos) Alianza Univ., 1985

Ciliga, Ante: En el país de la mentira desconcertante. Descontrol, 2016.

Figes, Orlando: La revolución rusa (1891-1924). Edhasa, 1996

Fitzpatrick, Sheila: La revolución rusa. Siglo XXI, 2005.

Gorter; Korsh; Pannekoek: La izquierda comunista germano-holandesa contra Lenin. Espartaco Internacional, 2004. [Contiene la “Carta abierta al camarada Lenin”, de Gorter y “Lenin filósofo” de Pannekoek].

Guérin, Daniel: L ́anarchisme. Gallimard, 1965

Luxemburg, Rosa: La revolución rusa. Anagrama, 1975

Mett, Ida: La Comuna de Kronstadt. Crepúsculo sangriento de los Soviets. Espartaco Internacional, 2006

Munis, G.: Revolución y contrarrevolución en Rusia. Muñoz Moya, 1999

Trotsky, León: Historia de la revolución rusa. (Tres tomos) Ruedo Ibérico, 1972 Volin: La revolución desconocida. 2 vol. Campo Abierto, 1977

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Sozialdemokratie (eine Kritik), von Agustín Guillamón https://panopticon.blackblogs.org/2023/03/16/sozialdemokratie-eine-kritik-von-agustin-guillamon/ Thu, 16 Mar 2023 12:44:26 +0000 http://panopticon.blackblogs.org/?p=4849 Continue reading ]]> Hier eine Kritik und historische Einordnung, mit Schwerpunkt auf den spanischen Staat, von Agustín Guillamón, der Sozialdemokratie. Wir fanden aus historischer Sicht vieles, wenn auch nur kurz und sehr knackig, interessant, alles was auf den spanischen Staat hinweist ist etwas aus der Zeit, vor allem weil es sich sehr spezifisch auf den Moment, 2016, auf die Partei PSOE und Podemos bezieht und seit dem sich einiges entwickelt hat und man die Kritik komplett neu formulieren müsste. Dennoch, wenn auch nicht der beste Beitrag, hier ein weiterer.


Sozialdemokratie

Agustín Guillamón

Oktober 2016


Gestern

Die Sozialdemokratie ist eine politische Strömung, die Ende des 19. Jahrhunderts aus der deutschen Arbeiterbewegung hervorgegangen ist. Die 1869 gegründete Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) war nicht nur die älteste und wichtigste sozialistische Partei, sondern auch das Vorbild für die übrigen Parteien der Zweiten Internationale: Dänemark 1878, Spanien 1879, Belgien 1885, Österreich und Schweden 1889, Ungarn 1890, Italien und Polen 1892, Rumänien 1893, Bulgarien und Holland 1894, Argentinien 1896, Russland 1898, Frankreich 1902/1905. In England und einigen anderen Ländern nannten sie sich Labours.

Nachdem die Anarchisten 1896 (A.d.Ü., auf dem Kongress in London) aus der Zweiten Internationale ausgeschlossen worden waren, übernahmen alle sozialistischen Parteien marxistisch inspirierte ideologische Grundsätze. Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs gab es in allen nationalen Parteien eine radikalisierte und minderheitliche, aber theoretisch mächtige und sehr aktive revolutionäre Tendenz (Luxemburg, Lenin), der eine auf syndikalistische/gewerkschaftsbasierende und populären Charakter, der gemäßigt und reformistisch war, gegenüberstand (Bernstein, der letzte Kaustky, Lassalle).

Die grundlegenden Ziele der sozialistischen Parteien waren das allgemeine Wahlrecht und die Eroberung des Staates als Mittel zur schrittweisen Umwandlung vom Kapitalismus zum Sozialismus. Bernstein verteidigte diesen Gradualismus als einen Prozess von politischen und ökonomischen Reformen. Diese Reformen waren das vorrangige Ziel der Arbeiterbewegung, und folglich wurden Wahlen und Parlamentarismus zur wichtigsten, wenn nicht sogar zur einzigen Methode des langsamen, schrittweisen und stetigen Voranschreitens zum Sozialismus.

Für Bernstein waren die von ihm befürworteten Reformen nicht nur ein System zur Erlangung unmittelbarer gewerkschaftlicher/syndikalistischer oder sozialer Vorteile, sondern Demokratie war ein verbesserungsfähiges Konzept und auch ein politisches Ziel, das durch den Kampf für das Recht der Gewerkschaften/Syndikate auf Beteiligung nicht nur an der Verwaltung der Unternehmen, sondern auch an der politischen Leitung des Staates erreicht werden sollte.

Die Arbeiterparteien ihrerseits waren der Meinung, dass der Übergang zum Sozialismus besser durch eine Weiterentwicklung der repräsentativen Demokratie als durch eine gewaltsame Revolution oder ein anderes Mittel als demokratische Wahlen erreicht werden kann.

Bernstein wurde in der Theorie von allen sozialistischen Parteien verurteilt und abgelehnt.

In der Praxis jedoch hatten seine gradualistischen Positionen großen Einfluss auf den internationalen Sozialismus und die Mentalität der sozialdemokratischen Militanten.

Der Erste Weltkrieg führte zum Zusammenbruch der Zweiten Internationale, als die verschiedenen sozialistischen Parteien, insbesondere die deutsche und die französische, in ihren jeweiligen nationalen Parlamenten positiv und fast einstimmig für die Kriegskredite stimmten. Die internationalen Konferenzen von Zimmerwald und Kienthal stellten fest, dass alle Revolutionäre, die sich dem großen Gemetzel an den Arbeitern entgegenstellten, in nur zwei Wagen passen würden.

Der Triumph der Bolschewiki in Russland führte dazu, dass sich der internationale Sozialismus endgültig in zwei große ideologische Richtungen spaltete; die radikaleren Fraktionen der sozialistischen Parteien spalteten sich ab und bildeten schließlich kommunistische Parteien, die in die Dritte Internationale (auch Kommunistische Internationale oder Komintern genannt) integriert waren und eine der Moskauer Regierung nahe stehende Linie verfolgten.

So entstanden die kommunistischen Parteien in Italien, Spanien, Frankreich und so weiter. Die sozialistischen Parteien, von denen sich der radikale Flügel abgespalten hatte, übernahmen stärker das Konzept und die Bezeichnung der Sozialdemokraten.

Einige dieser Parteien übernahmen in der Zwischenkriegszeit in den so genannten Volksfronten allein oder in Koalitionen Regierungsaufgaben, sogar mit kommunistischen Parteien. Diese sozialdemokratischen Parteien traten für die antifaschistische Einheit und Reformen als Weg zum Sozialismus ohne Privateigentum ein und lehnten die Existenz der UdSSR nicht ab. Die Arbeiterparteien, die vom Keynesianismus beeinflusst waren, sahen das Wesentliche in der staatlichen Kontrolle der Finanzmechanismen, aus der sich ein langsamer Entwicklungsprozess zum Sozialismus ergeben sollte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wandte sich die europäische Sozialdemokratie vom Marxismus ab und entwickelte eine neue Vision des Verhältnisses zwischen Kapitalismus und Sozialismus: Sie schlug eine stärkere staatliche Intervention in die Prozesse der Wohlstandsverteilung, eine progressive Steuerpolitik und ein subventioniertes Wohlfahrtsnetz vor, das den Sozialstaat bildete. 1959, auf dem Kongress in Bad Godesberg, gab die SPD den Marxismus auf und identifizierte Sozialismus und Demokratie vollständig. Die PSOE folgte diesem Beispiel 1979.

Die prominentesten Denker und Politiker waren Leon Blum, Ramsay McDonald, Pierre Mendès-France, Tony Crosland, John Maynard Keynes, John Kennet Galbraith, Olof Palme (schwedischer Ministerpräsident von 1969 bis 1976), Bruno Kreisky (Bundeskanzler von Österreich, 1970-1983), Willy Brandt (deutscher Bundeskanzler, 1969-1974), Nehru und so weiter. Ohne sie parodieren zu wollen, sind ihre spanischen Vertreter Pablo Iglesias Posse (1850-1925), Francisco Largo Caballero (1869-1946) und Felipe González. Zapatero wäre bereits ein Progre1 von Kopf bis Fuß, ohne jede Spur eines sozialdemokratischen oder sonstigen Gedankens.

Heute

Bis ins 21. Jahrhundert hinein wurden die Sozialisten als die besten Verwalter des Kapitalismus dargestellt. Sie waren eine politische Bewegung, die sich für die Reform der kapitalistischen sozialen und politischen Strukturen einsetzte. Sie legten den höchsten Wert auf den parlamentarischen Kampf als Instrument zur Erreichung ihrer Ziele; Gewalt und illegale Aktionen lehnten sie ab. Sie verbündeten sich am ungernsten mit den Kommunisten und standen transnationalen Konzernen und Finanzspekulationen am wohlwollendsten und zurückhaltendsten gegenüber.

Viele Sozialdemokraten sind der Meinung, dass es keinen Konflikt zwischen der kapitalistischen Marktwirtschaft und ihrer Definition einer Wohlfahrtsgesellschaft gibt, solange der Staat über ausreichende Befugnisse verfügt, um den Staatsbürgern einen angemessenen sozialen Schutz zu garantieren.

Sie unterscheiden sich vom Liberalismus und Neoliberalismus durch ihr Beharren auf der Regulierung der Produktionstätigkeit und auf der Progressivität und Höhe der Besteuerung. Dies führt zu einem Anstieg der staatlichen Maßnahmen und der öffentlichen Medien sowie der Renten, Beihilfen und Subventionen für kulturelle und soziale Vereinigungen. Einige europäische Regierungen haben unter dem Druck des Neoliberalismus eine Variante gewählt: den so genannten Dritten Weg mit weniger Interventionismus und der Präsenz öffentlicher Unternehmen, aber unter Beibehaltung der für die Sozialdemokratie typischen Beihilfen und Subventionen. Dies war der von Tony Blair (Premierminister des Vereinigten Königreichs, 1997-2007) vorgeschlagene Weg, der sich bald als überholt erwies.

Wir können sagen, dass die Sozialdemokratie derzeit die Ideologie der politischen Linken des Kapitals und die Progre-Mentalität nährt, aber sie wurde durch die neoliberale Kritik und die Ruinen des Wohlfahrtsstaates schwer beschädigt.

Zu den Denkern, die den größten Einfluss auf die heutige Sozialdemokratie hatten, gehören Gerhard Schoeder, Paul Krugman, Robert Solow, Joseph Stiglitz, Norberto Bobbio und Zygmunt Bauman. Die Ideen, die zu Tony Blairs Positionen führten, stammen aus der Arbeit von Anthony Giddens und Jeffey Sachs.

Sozialdemokratische Parteien gehören in den meisten europäischen Ländern zu den wichtigsten Parteien. In den Vereinigten Staaten sind Sozialdemokraten eine Seltenheit und werden immer noch ohne guten Grund als gefährliche Extremisten und Revolutionäre angesehen.

Die meisten sozialdemokratischen Parteien sind Mitglieder der aseptischen, funktionalen und bürokratisierten Sozialistischen Internationale, die 1951 gegründet wurde.

Die Begriffe „Sozialismus“ oder „sozialistisch“ werden oft in Bezug auf die Sozialdemokratie und die Sozialdemokraten verwendet, obwohl der Begriff „Sozialismus“ weiter gefasst ist, da er in verschiedenen Ländern auch Sozialisten, Kommunisten und Anarchisten einschließen kann, wenn auch zunehmend nur als historischer Verweis auf ihren gemeinsamen ideologischen Ursprung in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts.

Progres

Unter Progre-Denken versteht man eine Reihe von mehr oder weniger unzusammenhängenden und unverbundenen Ideen aus der linken Mitte des parlamentarischen Spektrums. Die wiedergegründete PSOE führte den politischen Progressivismus während der Regierung von Felipe González (1982-1996) an. Mit Zapatero (2004-2011) ging die gesamte sozialdemokratische Ideologie verloren und die Progres zeigten all ihre Widersprüche und Ineffizienz, die typisch für den leeren politischen Opportunismus sind, der sie nährt.

Nachdem der Marxismus von Felipe González (1979) aufgegeben und die PSOE unter Zapatero in die Einheitspartei PP-PSOE umgewandelt wurde, schlagen die Progres verbal immer weniger und unmöglichere Sozialpläne vor und verteidigen in der Praxis den brutalen Kapitalismus der transnationalen Konzerne und des Finanzkapitals, der nur zu einer größeren Konzentration des Reichtums und sozialer Ungleichheit führt.

Mit der Krise 2008 brach das einzige sozialistische Programmjuwel, der Wohlfahrtsstaat, ins Nichts zusammen und machte die Progres zu lausigen Verwaltern des Kapitals. Sie unterschieden sich in ihrer Gutmütigkeit, Toleranz und kulturellen Veranlagung kaum von der extremen Rechten, die sich für Abtreibung, die Anerkennung der Rechte von Homosexuellen, die Gleichstellung der Frau und Resignation angesichts der massiven Einwanderung aussprach.

Im August 2011 reformierten Zapatero und die Einheitspartei kurzerhand die Verfassung ohne Volksabstimmung, um den Haushalt der von Merkel geforderten Haushaltsdisziplin zu unterwerfen. Ihr Versagen in der Sozialpolitik, das Versäumnis, die Budgets für Bildung und Gesundheit, die sozialen Subventionen, die Aufrechterhaltung der Renten usw. zu erhalten, zusammen mit dem unverhältnismäßigen Anstieg der Arbeitslosigkeit und den Fällen von weit verbreiteter Korruption in ihren Reihen, wie in jeder anderen Partei, machten die Progres unfähig und ohne jede Glaubwürdigkeit. Im Privaten tun sie genau das Gegenteil von dem, was sie in der Öffentlichkeit predigen. Sie glauben nicht mehr an die Utopie und vielleicht an gar nichts. Sie ignorieren die alte sozialistische Tradition, die noch vorgab, für Prinzipien wie Solidarität oder Gleichheit zu stehen. Ihre offensichtliche Entpolitisierung macht sie zu amoralischen Opportunisten, unglaubwürdig, verachtenswert und verächtlich.

Die sozialistischen Abgeordneten, die Rajoys Amtseinführung zugestimmt haben, sind keine Verräter, ganz im Gegenteil: sie waren kohärent. Diejenigen, die mit Nein zu Rajoy gestimmt haben, schätzen ihr eigenes Image mehr als den Dienst, den sie ihren Herren schulden: es ist eine Frage der Ästhetik.

Die Progre-Ideologie ist keine Philosophie, keine Ideologie und kein Glaube mehr, sondern nur noch ein Alibi, um ihre eigenen elitären Privilegien in einer Gesellschaft zu verteidigen, die wie die spanische europaweit führend ist bei Arbeitslosigkeit, Prostitution, Alkoholismus, Drogenhandel und -konsum, null Qualität in der Bildung, Schulversagen, zunehmender Armut, Diskreditierung der repräsentativen Demokratie, Eden der politischen Kasten und Verlust ethischer Werte.

Sie sind nutzlose Narren und ihr einstiges Ansehen ist unwiederbringlich. Ihre ideologischen und programmatischen Trümmer sind unter den folgenden Postulaten zu finden, an die sie weder glauben noch geglaubt werden, weil sie ihrer grundsätzlichen Loyalität und Verteidigung des kapitalistischen Systems und dem Gehorsam gegenüber den Herren der Welt widersprechen:

1. Gemischte Ökonomie, in der Privateigentum und Staatseigentum nebeneinander bestehen. Der Staat subventioniert eine universelle, hochwertige Gesundheitsversorgung und Bildung.

2. Der Staat koordiniert und plant ein effizientes, fast flächendeckendes Sozialversicherungssystem, das für angemessene Renten sorgt, vor Armut und Krankheit schützt und die Arbeitslosigkeit subventioniert.

3. Der Staat muss die gewerkschaftliche/syndikalistische Organisierung der Arbeiterinnen und Arbeiter und Verbraucherschutzgesetze gegen den Missbrauch durch transnationale Unternehmen und das Finanzkapital fördern.

4. Der Staat muss die Umwelt schützen, Gesetze zum Schutz der Natur und alternativer Energien erlassen und den Klimawandel bekämpfen, ohne die Gewinne der transnationalen Konzerne anzutasten.

5. Der Staat muss ein progressives Steuersystem durchsetzen, verfolgt aber nicht die großen Betrüger.

6. Der Staat sollte säkular sein, aber die katholische Kirche zahlt keine Steuern und genießt unerhörte Privilegien im Bildungswesen und bei der Aneignung von Gemeineigentum oder fremdem Eigentum.

7. Der Staat sollte Gesetze zugunsten von Einwanderern, fairem internationalen Handel und kulturellem Pluralismus erlassen, aber er finanziert salafistische Moscheen und errichtet Stacheldrahtzäune.

8. Der Staat sollte die Menschenrechte und die Demokratie international schützen, aber es gibt keine Untersuchung der Morde und des Verschwindenlassens im Bürgerkrieg.

9. Im Moment des Überschwangs schlagen sie sogar ein universelles Grundeinkommen für alle Staatsbürgerinnen und Staatsbürger vor, nur weil sie im Staatsgebiet geboren wurden oder dort leben.

10. Sie wollen die besten Verwalter des Kapitalismus sein, die besten Verteidiger der Interessen der transnationalen Konzerne und der Finanzwelt: IWF, Weltbank und WTO. Und dieser grundlegende Punkt hat in Zeiten der Krise des Systems absoluten Vorrang vor den vorherigen 9 Punkten, die ein „Wollen, aber nicht können“ bleiben.

*

Diese zehn Punkte verdeutlichen die brutal unüberwindbaren Widersprüche der Progres, machen sie zur Linken des Kapitals, zu natürlichen Verbündeten der Rechten des Kapitals, mit der sie ein einziges Denken und eine einzige Partei (PP-PSOE) bilden, und ermutigen sie, sich als theatralische Konkurrenten der extremen Linken des Kapitals (En común – Podemos) zu betrachten, denen sie die Fackel zu übergeben versuchen, um die Farce fortzusetzen. Denn es geht nicht darum, den Staat zu erobern, sondern ihn zu zerstören.

Agustín Guillamón

Barcelona, Oktober 2016


1A.d.Ü., siehe weiter unten den Abschnitt dazu.

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(Agustín Guillamón) Was war der Stalinismus? https://panopticon.blackblogs.org/2023/02/27/agustin-guillamon-was-war-der-stalinismus/ Mon, 27 Feb 2023 16:34:59 +0000 http://panopticon.blackblogs.org/?p=4832 Continue reading ]]> Was war der Stalinismus?

Agustín Guillamón

Der Stalinismus war eine totalitäre Ideologie, die auf dem Stalinkult basierte, sich der marxistischen Sprache bediente und für sich in Anspruch nahm (und legitimierte), eine Fortsetzung der Thesen von Marx, Engels und Lenin zu sein.

Nach Stalins Tod kritisierten die Anführer des Sowjetstaates und der KPdSU die durch Stalins Personenkult verursachten „Abweichungen“. Die Rückkehr zu einer kollektiven Führung der KPdSU und der UdSSR reichte (1956) aus, um die schwerwiegendsten Fehler von Stalins Despotismus zu beseitigen, die Chruschtschow auf dem zwanzigsten Kongress der KPdSU angeprangert hatte.

Es genügte, dass Stalins Erben 1956 demokratische Prinzipien in die kollektive Führung der KPdSU einführten, um zu erklären, dass alles erledigt sei. Für sie war Stalin ein monströses, aber ZUFÄLLIGES Phänomen, und die perversen Erscheinungen des stalinistischen Systems, die auf den Personenkult zurückzuführen waren, wurden durch die „glorreichen Errungenschaften“ des Sowjetsystems verwischt und in den Schatten gestellt. (Für eine ausführliche Darstellung all dessen ist es sehr nützlich, Kolakowskis Band III, S. 15-55, zu konsultieren.)

Stalins Fehler und Schrecken beschränkten sich laut den stalinistischen Erben und Nachfolgern auf die Zeit, in der Stalins Erben und Nachfolger, auf den Zeitraum von den frühen 1930er Jahren bis zu seinem Tod 1953. Das war die Erklärung der Stalinisten ohne Stalin, die niemanden überzeugte, aber allen dazu diente, die Schuld auf eine einzelne Person zu schieben und die gesamte stalinistische Periode unter dem Riegel des Vergessens, der Amnesie und des Palimpsest zu begraben.

Für eine marxistische Analyse des Stalinismus haben wir zwei hervorragende marxistische Militante und Theoretiker: Munis und Bordiga.

Bordiga (beraten von Trotzki) konfrontierte Stalin (beraten von Togliatti) auf dem Vierten KI-Kongress und hat mehrere Schriften verfasst, die den Stalinismus kritisieren: „Dialog mit Stalin“ und „Dialog mit den Toten“. Die beste Kritik am Stalinismus findet sich jedoch bei Munis (in seinem Buch Partei-Staat-Revolution, das von der Muñoz Moya Edition neu aufgelegt wurde).

Die beste und präziseste Definition des Stalinismus ist die von Munis, die ich hier kurz zusammenfassen möchte. Nach Munis waren die Merkmale der stalinistischen Konterrevolution:

1. unaufhörlicher, allgegenwärtiger, fast allmächtiger politischer Terrorismus.

2. die unabdingbare Fälschung der eigenen konterrevolutionären Natur und der Natur ihrer Feinde, insbesondere der Revolutionäre.

3. die Ausbeutung der Arbeiter durch den Staatskapitalismus, der vom Partei-Staat gelenkt wird und die Arbeit militarisiert.

Unter den bourgeoisen Intellektuellen lässt sich bei der Anprangerung des Stalinismus eine Art chronologische Skala aufstellen, die sich vor allem auf bestimmte konfliktträchtige Daten konzentriert (der ungarische Aufstand von 1956 oder der tschechische Aufstand von 1968) ….. Sartre, Camus, Merleau-Ponty und ein langes etcetera, angesichts dessen es sich lohnt zu fragen, warum einige von ihnen 1968 „aufgewacht“ sind und nicht früher, 1956, oder warum nicht mit Orwell 1937. Die Antwort ist immer dieselbe: Opportunismus und die Vorteile der Toleranz gegenüber dem Stalinismus, mit massiver Militanz (A.d.Ü., in dem Falle weißt es auf viele Militante, ergo Mitglieder) in den französischen und italienischen KPs, und seinen offensichtlichen Schrecken.

Auf der anderen Seite hört die Anprangerung des Stalinismus meist bei Lenin auf. Siehe z. B. Bordiga selbst in seinem Artikel „Lenin auf dem Weg zur Revolution“, den er zu Lenins Tod 1924 geschrieben hat, oder den Artikel aus den 1960er Jahren über die Antwort auf Lenins Vorwurf des Linksradikalismus durch die deutsche und italienische kommunistische Linke (zu der Bordiga selbst gehörte).

Es war die deutsch-niederländische Linke (Herman Gorter, Anton Pannekoek, Karl Korsh, Otto Rühle, Jan Appel usw.), die in mehreren Büchern von Ediciones Espartaco Internacional hervorragend ins Englische übersetzt wurde, die die früheste und radikalste marxistische Kritik am Stalinismus und Leninismus übte.

Die Wurzeln des Stalinismus liegen zweifelsohne in der leninistischen Parteikonzeption sowie im Wilson’schen „Selbstbestimmungsrecht der Nationen“, das ebenfalls von Lenin vertreten wurde, und natürlich im Scheitern der internationalen Revolution in Deutschland im Jahr 1919.

Zur Kritik an der Parteikonzeption und dem Anspruch, die russische Taktik auf Westeuropa auszuweiten, siehe Gorters Brief an Lenin und vor allem Pannekoeks rigorose und grundlegende Kritik in Lenin Philosoph.

Für eine Kritik der leninistischen und stalinistischen Auffassung von Nationalismus siehe Pannekoeks „Klassenkampf und Nation“ und Gorters „Imperialismus, Krieg und Sozialdemokratie“ (beide in Contra el nacionalismo von Espartaco).

Die Konfrontation der deutsch-holländischen Linken mit Lenin innerhalb der Dritten Internationale war der Zusammenstoß der internationalistischen Marxisten mit einem Lenin, einem russischen Nationalisten, der zwar von der marxistischen Tradition und Terminologie durchdrungen war, sich aber in wesentlichen Kernelementen des Marxschen Denkens verabschiedet hatte:

1. Die Befreiung der Arbeiter wird das Werk der Arbeiter selbst sein, die sich ihr Bewusstsein in ihrer eigenen historischen Erfahrung aneignen, ohne dass bourgeoise Intellektuelle, die von außerhalb der Arbeiterklasse kommen und ihr fremd sind, sie die marxistische Theorie lehren müssen.

2. Das Proletariat ist international und internationalistisch und muss kein „Recht“ der Bourgeoisie auf Selbstbestimmung anerkennen. Der Klassenkampf und die proletarische Revolution werden weltweit sein, oder sie werden nicht sein.

3. Die russische Revolution von 1917 musste sich den Interessen des internationalen Proletariats unterordnen und nicht, wie es geschah, unter dem Druck von Lenin und den Bolschewiki, denen es gelang, die Internationale den Plänen und Interessen der russischen nationalen Revolution und ihres Staatskapitalismus zu unterwerfen. Bordiga prangerte dies als „Umkehrung der Pyramide“ an (d.h. die Internationale wird den nationalen Interessen der KP Russlands unterworfen).

4. 1917 wurden Parlamentarismus und Syndikalismus/Gewerkschaften in Westeuropa absolut überflüssig, da sie nur Instrumente zur Unterwerfung des Proletariats sein konnten. Die Taktik, die Russland der Kommunistischen Internationale auferlegt hat, nämlich Parlament und Gewerkschaften/Syndikate einzusetzen, war in Westeuropa absolut schädlich. Diese Aufzwingung verdankte Lenin viel und war eines der Merkmale des Leninismus.

Die Größe des Roten Oktobers liegt in der Tatsache, dass es die erste proletarische Revolution der Geschichte war, das erste Mal, dass das Proletariat die Macht ergriff und die Herrschaft der Bourgeoisie stürzte. Die kommunistische Revolution konnte nur weltweit sein, und sie scheiterte in Russland, als das revolutionäre Proletariat in Deutschland besiegt und die sowjetische Revolution isoliert wurde.

Diese Isolation, gepaart mit den Katastrophen des Bürgerkriegs, des ökonomischen Chaos, des Elends und der Hungersnot, vergrößerte die schrecklichen Fehler der Bolschewiki, nicht zuletzt die Verwechslung von Partei und Staat, die zum unausweichlichen Triumph der stalinistischen Konterrevolution führte, und zwar ausgerechnet in der bolschewistischen Partei, die die sowjetische Revolution vom Oktober 1917 vorangetrieben hatte. Die stalinistische Konterrevolution hatte also einen politischen Charakter: Sie zerstörte jede politische und ideologische Opposition, unterdrückte die zweifellos revolutionären proletarischen Bewegungen und Gruppen mit aller Härte und verfolgte diejenigen bis zur physischen Vernichtung, die auch nur die geringste abweichende Meinung äußerten, sei es innerhalb oder außerhalb der einzigen bolschewistischen Partei. In Russland erreichte der 1905 begonnene revolutionäre Prozess mit der demokratischen Revolution vom Februar 1917, die den Zaren stürzte und eine demokratische Republik errichtete, seinen ersten Erfolg, aber er blieb nicht auf halbem Weg stehen und ging mit dem Aufstand vom Oktober 1917 in Petrograd, bei dem die Sowjets die Macht ergriffen und die Bourgeoisie aus dem Staatsapparat verdrängten, in die Vollen.

Die stalinistische Konterrevolution hatte also einen politischen Charakter und äußerte sich im Machtmonopol der bolschewistischen Partei selbst, in den Maßnahmen der Verstaatlichung und der staatlichen ökonomischen Konzentration (Staatskapitalismus) sowie in der Umwandlung der bolschewistischen Partei in einen Partei-Staat.

Weit davon entfernt, ein banaler Staatsstreich zu sein, wie die herrschende Klasse lügt, ist die Oktoberrevolution der höchste Punkt, den die Menschheit in ihrer gesamten Geschichte bisher erreicht hat. Zum ersten Mal hatte die Arbeiterklasse den Mut und die Fähigkeit, den Ausbeutern die Macht zu entreißen und die proletarische Weltrevolution einzuleiten.

Obwohl die Revolution bald darauf in Berlin, München, Budapest und Turin besiegt werden sollte, obwohl das russische und das Weltproletariat einen schrecklichen Preis für ihre Niederlage zahlen mussten: den Schrecken der Konterrevolution, einen weiteren Weltkrieg und all die Barbarei, die unter den stalinistischen totalitären Staaten erlitten wurde; die Bourgeoisie hat es bis heute nicht geschafft, die Erinnerung und die Lehren aus diesem außerordentlichen Ereignis auszulöschen.

Das schlimmste Erbe des Stalinismus war seine perverse Verwendung der marxistisch-leninistischen Ideologie als orthodoxe Weiterentwicklung des „Marxismus“, der damit als Theorie der proletarischen Revolution entwertet und diskreditiert wurde. Der Leninismus verwendete die marxistische Sprache, um totalitäre Regime zu rechtfertigen, die nichts mit Marx‘ Analyse des Kapitalismus und der Ausbeutung des Proletariats zwischen 1844 und 1883 zu tun hatten. Lenin selbst stellte sich mit seinen Konzepten und Analysen der Partei, des Nationalismus, der russischen Revolution usw. frontal gegen andere marxistische Theoretiker wie Luxemburg, Bordiga, Gorter und Pannekoek, die schon sehr früh die schlimmsten Verirrungen des Leninismus anprangerten.

Die leninistische Auffassung von der Partei geht davon aus, dass die Arbeiterklasse nicht in der Lage ist, ein Bewusstsein zu erlangen, das über die platten syndikalistischen/gewerkschaftlichten (A.d.Ü., oder wie es Lenin selber sagte, ‚Trade-Unionismus‘) und reformistischen Konzeptionen hinausgeht. Die Partei muss der Arbeiterklasse das sozialistische und revolutionäre Bewusstsein von außen einimpfen. Eine solche Auffassung ist, wie Pannekoek in Lenin Philosoph (erschienen bei Ediciones Espartaco) zeigt, Marx fremd, der klar feststellte, dass „die Emanzipation der Arbeiter das Werk der Arbeiter selbst sein wird“.

Das (bourgeoise) Selbstbestimmungsrecht der Nationen, das von Lenin befürwortet wird, führt die nationalistische Ideologie als grundlegendes Ziel des Proletariats im Kampf um seine Emanzipation ein. Wie Rosa Luxemburg mit Lenin debattierte, ist die Ideologie der nationalen Befreiung unterdrückter Völker eine bourgeoise Ideologie, die dem Klassenkampf und der Emanzipation des Proletariats völlig fremd ist (siehe María José Aubets Bücher über Luxemburg, veröffentlicht von Anagrama und El Viejo Topo).

Die Taktik der Bolschewiki in Russland war nicht auf die Situation in Westeuropa übertragbar, wo die kommunistischen Parteien eine antiparlamentarische und gewerkschafts-, syndikalistischfeindliche Taktik vertraten, die von Lenin dogmatisch verurteilt wurde. Siehe (in Ediciones Espartaco) den Offenen Brief an Genosse Lenin, den Gorter als Antwort auf das leninistische Pamphlet Der „Linke Radikalismus“, die Kinderkrankheit im Kommunismus schrieb.

Es gibt also ein ganzes marxistisches Korpus, das nicht nur die totalitäre Barbarei der stalinistischen und faschistischen Regime anprangerte, sondern auch einige der schlimmsten theoretischen Entgleisungen des Leninismus: das ist das unverzichtbare Erbe, das uns die verschiedenen Fraktionen der kommunistischen Linken hinterlassen haben.

Weder die leninistische Ideologie noch der stalinistische Totalitarismus sind marxistisch. Unter Marxismus müssen wir die Kritik der politischen Ökonomie des Kapitals verstehen, die Marx in der Mitte des 19. Jahrhunderts geübt hat, seine Untersuchungsmethode und die Theoretisierung der historischen Erfahrungen des Proletariats (Kommunistisches Manifest, Das Kapital, 18. Brumaire usw.), die von Engels, Luxemburg und der kommunistischen Linken (russisch, italienisch und deutsch-holländisch) fortgeführt wurde. Diese kommunistische Linke bestand aus kleinen Fraktionen, die unter den harten Bedingungen der Isolation und der physischen und politischen Verfolgung mit der marxistischen Methode und in der Praxis des Klassenkampfes die Falschdarstellungen der Dritten Internationale und des stalinistischen und faschistischen Totalitarismus kritisierten.

Die marxistische Kritik an den stalinistischen Regimen, das Ergebnis der theoretischen Analyse und des Kampfes dieser Fraktionen der Kommunistischen Linken innerhalb der Kommunistischen Internationale selbst, die diese Regime mehr oder weniger deutlich als Staatskapitalismus definierten, findet sich in der folgenden Bibliografie.


Bibliographie (A.d.Ü., alle auf Spanisch, die meisten Werke sind auch auf Deutsch erhältlich)

Appel; Gorter; Laufenberg; Meyer; Pannekoek; Pfemfert; Rühle; Reichenbach; Schwab; Wolfheim y otros: Ni parlamento, ni sindicatos: ¡Los Consejos obreros! Los comunistas de izquierda en la Revolución alemana. Ediciones Espartaco Internacional, Barcelona, 2004.

Aubet, María José: Rosa Luxemburg y la cuestión nacional. Anagrama, Barcelona. 1977.

[Bordiga, Amadeo]: Las grandes cuestiones históricas de la revolución en Rusia. Partido comunista internacional, Madrid, 1997.

Gorter; Pannekoek: Contra el nacionalismo, contra el imperialismo y la guerra: ¡Revolución proletaria mundial! Ediciones Espartaco Internacional, Barcelona, 2005.

Gorter; Korsh; Pannekoek: La izquierda comunista germano-holandesa contra Lenin. Ediciones Espartaco Internacional, Barcelona, 2004. [Contiene la “Carta abierta alcamarada Lenin”, de Gorter y “Lenin filósofo” de Pannekoek].

Luxemburg, Rosa: La revolución rusa. Anagrama, Barcelona, 1975.

Luxemburg, Rosa: La cuestión nacional. Traducción y prólogo de María José Aubet. El Viejo Topo, Barcelona, 1998.

Mett, Ida: La Comuna de Cronstadt. Crepúsculo sangriento de los Soviets. Ediciones Espartaco Internacional, Barcelona, 2006.

Munis, G.: Revolución y contrarrevolución en Rusia. Muñoz Moya, Llerena, 1999.

2010

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Die Affinitätsgruppe, die die anarchistische klandestine Zeitung Alerta! veröffentlichte…! https://panopticon.blackblogs.org/2023/01/28/die-affinitaetsgruppe-die-die-anarchistische-klandestine-zeitung-alerta-veroeffentlichte/ Sat, 28 Jan 2023 15:23:26 +0000 http://panopticon.blackblogs.org/?p=4749 Continue reading ]]> Gefunden auf portaloaca, die Übersetzung ist von uns. Die Geschichte des Anarchismus, ist im spanischen Staat noch sehr lückenhaft und um ihr jeden Dienst zu erweisen, welches sie verdient, müsste man jetzt, wo es fast niemanden gibt der sie noch erzählen kann, Berge bewegen um dies zu ermöglichen und um ihr auch gerecht zu werden. Millionen von Menschen kämpften für eine Welt ohne Klassen und ohne Staat, sehr lange Zeit und riskierten dabei alles. Es wäre falsch zu behaupten dass die Zeit sich von 1936 auf 1939 reduzieren lassen könnte. Es gab eine lange Zeit davor und eine lange Zeit danach. Wenn auch noch so vieles zu schreiben ist, so vieles ausgegraben werden muss, neu entdeckt, aus der Vergessenheit gerettet, wird dieser Bärenaufgabe dort mehr, wenn auch von wenigen, geleistet wie es hier der Fall ist. Nicht nur bezüglich der anarchistischen Geschichte im spanischen Staat, wo doch die Anarchistinnen und Anarchisten dort so gerne von der iberischen Halbinsel reden, sondern auch hier. So wenig weiß man im allgemeinen über die Geschichte des Anarchismus im deutschsprachigem Raum, genauso wie in allen angrenzenden Ländern. Jeder x-beliebige radikaler Linke des Kapitals weiß mehr über Rojava und Chiapas als über dass was hier jemals passiert ist, außer höchstens die von der BRD und/oder DDR die nie die Geschichte der ausgebeuteten Massen ist, sondern die der jeweiligen herrschenden Klasse, Marx selbst sagte dazu dass, „Die Menschen machen ihre eigene Geschichte, aber sie machen sie nicht aus freien Stücken, nicht unter selbstgewählten, sondern unter unmittelbar vorgefundenen, gegebenen und überlieferten Umständen.“

Mehr als Traurig gleicht dieser Zustand eher einer Bilanz, nämlich die der Ignoranz und aus dieser kann niemals die Kraft und die Weitsichtigkeit im hier und jetzt ausgeschöpft werden.

Was die Geschichte des Anarchismus im spanischen Staat angeht, oder auf der iberischen Halbinsel, der Haltung geltend, haben alleine, auf Anhieb Miguel Amorós, José Peirats, Burnett Bolotten, Chris Ealham, Carlos Semprún, Camilo Berneri, Grandizo Munis, Agustín Guillamon, Franz Borkenau, Andre Prudhommeaux, Paul Avrich, Manuel Azarreto und viele mehr, einige viele, andere wenige, einige dickere, andere dünnere, am im Schlussstrich Unmengen an Büchern veröffentlicht die noch übersetzt gehören, die neu veröffentlicht gehören. Bücher die selbstkritisch sind, um alle späteren Generationen an Anarchistinnen und Anarchisten über die Fehler der Vergangenheit zu warnen, Bücher die aufklärend sind, denn wir wissen am Ende dass wir nichts wissen, Bücher die auch Waffen der Kritik sind, nicht nur um sie zu lesen, oder sie einem Schwachkopf in die Fresse zu werfen, sondern vor allem um unsere Herzen in Flammen aufgehen zu lassen, dafür das den Worten immer Taten folgen.

Das gilt im Allgemein der weltweiten anarchistischen und revolutionären Geschichte, egal aus welcher Epoche, egal aus welchen noch so entlegenen Fleck auf der Erde. Muss man diese ganzen Bücher gelesen haben um im Sinne der Anarchie ihr alle Ehre zu machen? Natürlich nicht, aber eins ist es Zugang zu was haben und was anderes ist nicht mal die Entscheidung treffen zu können, ob ich, oder sonst wer was lesen kann, sich informieren kann, sich bilden kann, sich mit Wissen bewaffnet. Denn es wird auch viel zu viel Blödsinn innerhalb der Reihen der anarchistischen Bewegung geschwaffelt, zu viele Unwissenheiten, zu viel vom Hören sagen, zu Ignoranz, zu viel Manipulation, zu viele Lügen.

Nun wir werden, wie davor auch, unseren bescheidenen Beitrag leisten, doch Reihen wir uns nicht in die hießige Armee von Blinden die von Blinden geführt werden, was danach geschieht kann man im Quijote lesen.

Soligruppe für Gefangene


Die Affinitätsgruppe, die die anarchistische klandestine Zeitung Alerta! veröffentlichte…!

14. Juli 2022

Alles Interessante passiert im Verborgenen, kein Zweifel. Über die wahre Geschichte der Menschen ist nichts bekannt.

Louis-Ferdinand Céline. Voyage au bout de la nuit

1. Der Prozess der historischen Forschung

Hintergrund

Im Jahr 2004 las ich den ausgezeichneten Artikel von François Godicheau mit dem Titel „Anarchistische klandestine Zeitungen in den Jahren 1937-1938: die Stimmen der militanten Basis?“, der in der Zeitschrift Ayer Ausgabe 55 (2004) veröffentlicht wurde. Es war ein bahnbrechender und sehr gut geschriebener Artikel, der mich sehr beeindruckt hat.

Im Laufe des Jahres 2019 entdeckte ich bei der Recherche und dem Schreiben meines Buches CNT versus AIT, das noch unveröffentlicht ist, aber bald bei Ediciones Descontrol erscheinen wird1, die enge Beziehung zwischen der Redaktionsgruppe von Alerta und den französischen kritischen anarchistischen Zeitungen Terre Libre und L’Espagne Nouvelle sowie das Wissen, die Zitate und manchmal die Glosse, die die Redakteure aus den in Alerta veröffentlichten Artikeln machten: von Prudhommeaux und Volin bis zu Attruia, Shapiro und anderen. Beide französischen anarchistischen Publikationen kündigten ihre engen Beziehungen zur spanischen revolutionären Presse an, aus der sie ihre interessantesten Artikel übersetzen wollten: Anarquía-FAI, Esfuerzo, Ideas, Ruta, Libertad, Alerta und El Amigo del Pueblo.

Im Dezember 2019 traf ich Ángel Carballeira Mombrió und seine Schwester Gladis im Caixa-Fórum-Café in Barcelona. Sie sprachen mit mir unter anderem über die Erfahrungen und die Militanz ihres Vaters: Ángel Carballeira Rego. Im März 2020 schickte mir Ángel einen Scan des Briefes, den Amador González anlässlich des Todes von Ángel Carballeira Rego an die Familie Carballeira geschickt hatte. Der Brief vom 13. August 1963 berichtet von der Gründung einer Gruppe, die sich aus Amador González, Ángel Carballeira Rego, Daniel Sánchez García, José Rasal Castro und Alfonso Nieves Núñez zusammensetzte, um eine bestimmte Mission zu erfüllen: „An einem schönen Tag im November 1937 beschlossen fünf Freunde, etwas zu tun, um die Konterrevolution zu stoppen, die sich bereits abzeichnete.“

In dem Fragebogen, den ich anschließend an Ángel Carballeira Mombrió schickte, antwortete dieser ausführlich und teilte mir mit, dass er bei einem Treffen mit Amador in Paris die Gelegenheit hatte, einige Fragen zu erweitern und zu klären, und erklärte, dass die Aufgabe der Affinitätsgruppe darin bestand, die Veröffentlichung der geheimen Zeitung Alerta (die zwischen Oktober und Dezember 1937 in Barcelona erschien) sicherzustellen.

Hier die Umfrage und Ángel Carballeira Mombriós ausführliche Antworten, in denen Ángels hervorragende Beschreibung und Analyse des Schweigens dieser bescheidenen, effizienten und anonymen Militanten der comités de defensa2 hervorsticht3. Diese Anonymität der cenetistischen Militanz (A.d.Ü., die der CNT) ist eine der größten Errungenschaften und Größen des spanischen Proletariats in den 1930er Jahren. Der anarchosyndikalistische Militante war ein anonymer Revolutionär, ohne den geringsten Egoismus oder persönlichen Eifer, der keine Ämter zu bekleiden und keine Karriere zu machen hatte.

Aus historischer Sicht hat dieses Schweigen jedoch letztendlich zu einer fast vollständigen Unkenntnis über die Funktionsweise und die Geschichte der Mitglieder dieses Nebels4 geführt, in dem sie kämpften und sich zu einer Gruppe zusammenschlossen, um Bomben zu bauen und zu werfen, eine Zeitung herausgeben, ein Ateneo5 oder eine rationalistische Schule gründen, eine Genossenschaft oder eine Gewerkschaft/Syndikat gründen, eine Straßenbahn anzünden und mit voller Geschwindigkeit von der Travesera de Gracia zur Telefónica fahren, zum Streik aufrufen, die cuadros de defensa6 aufstellen oder eine Centuria7 gründen… mit keinem anderen Ziel als dem, für ihre unmittelbaren Arbeitsforderungen oder für eine bessere zukünftige Welt für alle zu kämpfen.

Daher ist die Untersuchung von Ángel Carballeira Mombrió8, der es gelungen ist, die Bedeutung und die organisatorische und historische Originalität dieses assoziativen Nebels der anarchosyndikalistischen Militanz aufzudecken und herauszustellen, eine absolute Ausnahme.

Die Antworten von Ángel Carballeira Mombrió auf den Fragebogen von Agustín Guillamón (E-Mails vom März 2020):

Präambel (von Ángel)

Obwohl es zu Hause nichts dagegen gab, über anarchistische Philosophie, Geschichte, Streiks usw. zu diskutieren, war das auch nicht das Einzige, worüber wir sprachen, denn sowohl mein Vater als auch meine Mutter versuchten, uns für die Kultur im Allgemeinen zu interessieren: Wissenschaft, Literatur, Kunst usw. So gingen wir an vielen Sonntagen zu Theateraufführungen (die libertäre Bewegung hatte zu dieser Zeit drei Gruppen, die in Toulouse auftraten) oder besuchten Museen und Ausstellungen. Wann immer es möglich war, machten wir im Sommer Radtouren rund um Toulouse, die von der JJLL9 organisiert wurden.

Aus meiner Sicht kommen drei Punkte in Frage: die Teilnahme am öffentlichen Leben, das Bezeugen der organischen Grundlagen und das fast völlige Fehlen von Verschwörung. Außerdem, wie ich dir schon gesagt habe, waren die Gefährten dieser Zeit sehr still, wenn es um rein organische Probleme von einer gewissen Wichtigkeit ging und noch mehr, wenn sie an den konspirativen Aspekt grenzten. Was ich dir also erzählen kann, sind Dinge, die ich direkt oder indirekt aufgeschnappt habe, in Gesprächen zwischen den Gefährten, mit denen wir zu tun hatten (ich denke, ich war ziemlich aufmerksam und hatte perfekt verinnerlicht, dass ich bestimmte Dinge für mich behalten und nichts fragen sollte) oder mit den wenigen Zeugen, die von bestimmten „Vorgängen“ wussten, aber keineswegs glaubten, dass sie berechtigt waren, öffentlich über diese Dinge zu sprechen.

Was ich in Erfahrung bringen konnte, ist sicherlich lückenhaft und es wäre notwendig (wenn möglich, was nicht immer der Fall ist), es mit anderen Quellen zu ergänzen. Nachdem ich jedoch einige Berichte zu Themen gelesen habe, die einige dieser Fragen berühren, denke ich, dass sie oft eher wie Romane als wie Geschichte wirken.

Auf deine Fragen antworten

I – Nieves Núñez (vielleicht Alfonso Nieves Núñez). Wirkte in den 1930er Jahren für Tierra y Libertad mit. März 1938 war er Verwalter der Solidaridad Obrera. Oder ist es wirklich eine Frau: Nieves Núñez, über die ich keine Informationen finden kann?

Als mein Vater starb und wir den Brief von Amador González erhielten, dachte ich, als er von Nieves Núñez sprach, dass es um eine Gefährtin ging. Als ich Amador in Paris traf, bat ich ihn um eine Klarstellung zu seinem Brief. Ich weiß nicht mehr genau, was er gesagt hat, aber zwei Punkte sind mir in Erinnerung geblieben:

Nieves Núñez war ein Gefährte. Mit ziemlicher Sicherheit war es Alfonso Nieves Núñez, da dieser Gefährte im der Casa CNT-FAI (A.d.Ü., Haus der CNT-FAI) aktiv war. Aus anderen Quellen (Vicente Llansola, Antonio Alorda) habe ich erfahren, dass Alerta! im Haus der CNT-FAI gedruckt wurde. Das bedeutet, dass sie trotz des starken Gegenwinds, im „Haus“ selbst eine große Komplizenschaft gab, bzw. genossen haben. Nach dem, was ich gehört habe, hat die CNT-Führung nie etwas davon erfahren (obwohl sie wie verrückt danach gesucht hat).

(La Casa CNT-FAI, damals und heute)

Die fünf Nachnamen, die Amador angibt, sind die der Gefährten, die sich klandestin entschlossen haben, diese Zeitung herauszugeben (das hat er in seinem Kondolenzbrief nicht gesagt). Das ist der Grund, warum ich oben auf Amadors Brief, den ich dir vorhin geschickt habe, „Alerta!“ geschrieben habe. Damals wusste ich noch gar nichts darüber. Erst Ende der siebziger Jahre, als wir mit anderen Gefährten an den von Renée Lamberet archivierten Zeitungen arbeiteten, stießen wir auf Alerta!, erst dann konnte ich den Zusammenhang mit Alerta! stellen.

II – Ángel Carballeira Rego. Er war militant in den grupos de defensa von Gracia. Einer der Mitbegründer von Alerta!

In den ersten Ausgaben der Enzyklopädie des iberischen Anarchismus10 waren die Rezensionen meines Vaters kurz und enthielten auch viele Fehler. Viel später wies ich einige Gefährten wie Eliseo Fernandez und Rolph Dupuy auf diese Fehler hin, die einige Punkte korrigierten.

III – Amador González (1907-1975). Er war militant des Sindicato Transporte Marítimo. Von der FAI. Nahm an der Erstürmung von Atarazanas11 teil. Er war Mitglied der coordinadora de los comités de defensa. Einer der Gründer von Alerta! Kennst du den zweiten Nachnamen?

Ich weiß nicht, wie Amadors zweiter Nachname lautet. Ich weiß nur, dass die alteingesessenen Gefährten großen Respekt vor ihm hatten. Der Gefährte Juan Ferrer (Direktor unserer Zeitung in Paris) schrieb einen sehr lobenden Nachruf auf ihn, als er starb, aber… wie er es zu tun pflegte, konnten ihn nur diejenigen verstehen, die mittendrin waren. Wenn ich sie finde, schicke ich sie dir.

IV – Rasal (wahrscheinlich José Rasal Castro): Metallarbeiter. Militanter des comité revolucionario von Gracia.

Rasal, ein enger Freund von meinem Vater und meiner Mutter. Wahrscheinlich sehr wichtig im Stadtteil Gracia. Als Flüchtling in Frankreich brachten ihn die Umstände nach Marseille oder in die Nähe. Er starb 1947 an den Folgen eines Arbeitsunfalls: Ein Balken fiel auf sein Bein und verursachte eine starke Blutung, so dass er fast tot im Krankenhaus ankam.

Höchstwahrscheinlich hat er auf einem US-Stützpunkt gearbeitet. Er hatte uns verschiedene Dinge geschickt, die uns damals das Leben erleichterten: Seile von sehr guter Qualität, andere Dinge, an die ich mich nicht mehr erinnere… auch für mich einen Lederfußball (ich erinnere mich, dass dieser Ball eine geflochtene Seitenschnur hatte, wie sie damals üblich waren) und wahrscheinlich noch etwas anderes für meine Schwester, aber daran erinnere ich mich nicht.

Seine Weggefährtin ließ sich in Perpignan nieder, wo sie einen Blumenladen eröffnete. Ihre Tochter Violeta ist noch am Leben. Vor einigen Jahren habe ich mich mit ihr in Verbindung gesetzt, aber sie war krank und konnte sich an nichts mehr erinnern.

V – Sánchez (wahrscheinlich Daniel Sánchez García): ein Militanter der FAI Gruppe Viñas in Barcelona.

Marcos Alcón weist in einer in Tierra y Libertad de Méjico12 veröffentlichten Rezension darauf hin, dass Daniel Sánchez auf einer organischen Mission13 starb. Ich weiß nichts Genaues darüber, aber ich glaube, dass er laut der Familie unter der Folter im Gefängnis in Barcelona gestorben ist. Sein Bruder Eugenio Sánchez, den wir sehr gut kannten, lebte im Exil in Toulouse und wir sahen ihn sehr oft bei allen Veranstaltungen der libertären Bewegung. Da er als Müllmann arbeitete, versorgte er uns mit Füllern, die die Leute weggeworfen hatten; wir benutzten sie und wechselten nur den Stift.

Daniels Weggefährtin Pilar war nach dem Krieg in Barcelona, ging aber nach Madrid, wo sie als Dienstmädchen im Haus eines Bankiers arbeitete, der, obwohl er wusste, was sie durchmachte, sich ihr gegenüber anscheinend recht gut verhielt. Pilar kam in den 1960er Jahren ab und zu durch Toulouse.

VI – Waren diese fünf Freunde die Redaktion von Alerta!

Mir scheint, dass Alerta! nicht nur eine „Redaktion“, sondern eine „klandestine“ Zeitung war, und für diese Arbeit brauchte man viel mehr als „Schreiber“, um sie zu bearbeiten. Von den fünf hatten meiner Meinung nach nur Nieves Núñez und Amador González die Fähigkeiten von Journalisten.

Natürlich könnte jeder von ihnen einen externen (und vertrauenswürdigen) Gefährten bitten, ein paar Seiten zu schreiben. Das Wichtigste war es, die Klandestinität zu bewahren… Die „Geschichte“ zeigt, dass ihnen das hervorragend gelungen ist!

VII – Was war die Viñas-Gruppe, wer gehörte ihr an und war Viñas der Sekretär dieser Affinitätsgruppe?

Die Viñas-Gruppe, wie sie jetzt genannt wird (weil es schwierig ist, etwas zu benennen, das bewusst keinen Namen hatte), kann als äußerst wichtig vor und nach der Revolution sowohl im Stadtteil Gracia als auch in Barcelona angesehen werden. Tatsächlich war der Gefährte Viñas, ein Militanter der CNT in diesem Viertel, bei allen Militanten für seine Verpflichtung, seine Ernsthaftigkeit und seine Diskretion bekannt. Es herrschte Einstimmigkeit und große Sympathie, als die Gefährten von ihm sprachen. Ich glaube nicht, dass es in der Gruppe einen Sekretär oder ähnliches gab… In dieser Hinsicht erinnere ich mich, dass sie vor vier oder fünf Jahren auf einer von der trotzkistischen Gruppe Smolny in Toulouse organisierten Konferenz die Comités de defensa confederal in den leninistischen Organisationsrahmen einbinden wollten, … das ist auch eine Art, Geschichte zu schreiben!

Wenn es stimmt, dass es im Bezirk Gracia laut Antonio Zapata, einem aktiven Militanten im Baugewerbe und im libertären Ateneo, etwa zehn Gruppen gab, die jeweils aus etwa zehn Gefährten bestanden, die bereit waren, sich an klandestinen und oft riskanten Aktionen zu beteiligen, waren sie keineswegs so strukturiert, wie es die trotzkistische Doxa befürwortet.

Ich habe den Eindruck, dass die damalige libertäre Sensibilität sich nicht mit dieser Form der „konspirativen“ Militanz arrangiert hätte.

Viñas war sicherlich die erfahrenste Figur, die am fähigsten und sichtbarsten war, um zu koordinieren, auch wenn es ein anderer Gefährte war, der dafür verantwortlich war, diejenigen zusammenzubringen, die an dieser und jener Aktion teilnehmen konnten. Während des (fast aufständischen/insurrektionellen) Straßenbahnstreiks Ende 1933 und Anfang 1934 zum Beispiel blieb Viñas wahrscheinlich hinter den Kulissen. Nach Aussage mehrerer Zeugen (Antonio Zapata, Antonio Alorda) waren mein Vater und andere sehr junge Gefährten – Antonio Alorda selbst, Luis Montblanc, Adell, Deu usw. – diejenigen, die den Streik bei dieser Gelegenheit gewonnen haben.

Die „Viñas-Gruppe“ hat einige Initiativen ergriffen, zum Beispiel die Herstellung von Handbomben. So haben sie eine Produktionswerkstatt im Erdgeschoss eingerichtet. Mit ziemlicher Sicherheit auf Initiative von Viñas, der von Beruf Mechaniker war. Neben Viñas und Rasal arbeitete auch mein Vater eine Zeit lang in dieser Werkstatt. Um dir eine Vorstellung davon zu geben, wie diskret die Gefährten waren: Als mein Vater an dieser Tätigkeit teilnahm, merkte meine Mutter sofort, dass er den Arbeitsplatz gewechselt hatte. Tatsächlich roch die Kleidung meines Vaters, der Bügler und Färber war, nach Eisen, aber meine Mutter fragte nie nach dem Grund für diese Veränderung, so dass mein Vater ihr keine Lüge erzählen musste (was ihn viel gekostet hätte), welche Aufmerksamkeit! Die Familie Subirats (Pepito, Pepita und ihre Tochter Anita) wohnte im selben Haus (oder ganz in der Nähe) und sie wussten genau, wer in die Werkstatt kam, aber sie stellten nie irgendwelche Fragen und für sie waren sie einfach Nachbarn. Nach dem Straßenbahnstreik musste mein Vater für 10 Monate nach Frankreich (nach Béziers) gehen, wo er andere Gefährten traf, die „auf der Durchreise“ waren – Riera zum Beispiel – oder sesshaftere wie Juan Llabrés – bekannt als el Mallorca, aus der Glasindustrie – der damals als Grenzdelegierter tätig war; dieser Gefährte hatte an der Versammlung teilgenommen, auf der die Gründung der FAI 1927 beschlossen wurde. Mein Vater ging nach Frankreich ins Exil, weil ein Polizist, der in der Straßenbahn in der Carrer Muntaner anwesend war, zu denen gehörte, die ihn bei einer anderen Gelegenheit verhört hatten – natürlich kannten sie sich! Ein Gefährte X (ich kenne seinen Nachnamen nicht) hat meinen Vater in der Werkstatt ersetzt. Aus unbekannten Gründen gab es eine Explosion, bei der Viñas und wahrscheinlich auch X starben. Das Datum des Unfalls ist mir nicht bekannt (vielleicht hat die Presse zu der Zeit darüber berichtet).

Mein Vater hat uns nie davon erzählt, und wenn ich es jetzt weiß, dann nur, weil ein paar Gefährten es mir erzählt haben und weil ich mir ein chronologisches Schema vorstellen konnte.

Um diese Aktivitäten herum gab es einen Nebel, in den mehrere Gefährten mehr oder weniger involviert waren, die für eine bestimmte Aufgabe und nicht für alle zusammengebracht wurden. Ich werde mich an einige von ihnen erinnern, die oft vorbeikamen: Salvador Sarrau, der dabei war, als die Straßenbahn in der Carrer Muntaner in Brand gesteckt wurde (aber er hat uns nie gesagt, wer daran beteiligt war, und er hat uns auch nichts erzählt, wenn man bedenkt, dass meine Schwester Gladis sich als enge Freundin der Familie bis zu seinem Lebensende um ihn gekümmert hat); der Gefährte, der „el feo – der Hässliche“ genannt wurde (ich habe vor, seinen Nachnamen später herauszufinden und werde es dir mitteilen), der, glaube ich, Schlosser war – er lebte in Castres -, war derjenige, der dafür zuständig war, die Gussteile anzufertigen, die das Gehäuse der Handbomben bildeten.

Zu der „Gruppe“ gehörte auch der Gefährte Constancio Durban, der als Maurer arbeitete und Durruti und Ascaso eine Zeit lang versteckte. Später ging er nach Puigcerdà, weil sein Sohn, der krank war, die Bergluft brauchte. Dort spielte er, wahrscheinlich als Grenzdelegierter, eine sehr wichtige Rolle.

Ein anderes Mitglied der Gruppe, Urbano Odena (bekannt als Urbano), den ich nie kennengelernt habe, weil er nach New York ins Exil ging, arbeitete als Bäcker in Barcelona. Er war wahrscheinlich sehr engagiert, weil er mit meinem Vater korrespondierte. Er und Durban waren auch unterwegs, um eine Waffenlieferung in Marseille zu bergen.

Andere Militante, die in diesem Nebel auftauchen, sind zum Beispiel Miguel Alba, der die Maurerarbeiten für ein Waffenversteck in einer Wäscherei in Gracia erledigte. Die Gefährtin Teresa Margalef (die unserer Familie sehr nahe steht, ebenso wie ihr Weggefährte Juan Ronchera) war eine von denen, die die „Kleidung“14 hin und her trugen und herausnahmen. Ein anderer Begleiter mit dem Spitznamen El Cubano (ich glaube, er hieß González) war ebenfalls Teil dieses Nebels. Natürlich gab es noch viele, viele mehr.

Einige Beobachtungen (von Ángel)

Nach dem, was ich angedeutet habe, müssen wir zumindest ein paar Beobachtungen machen:

– Die Rolle, die diese Gefährten gespielt haben, ist nicht in die Geschichte eingegangen. Sie wollten und taten alles, was sie konnten, um im der Klandestinität zu bleiben … und angesichts dessen, was im Sieb der Geschichte geblieben ist, ist ihnen das gelungen! Das kann man in der Enzyklopädie des iberischen Anarchismus nachlesen: Die Verweise, wo es sie gibt, sind sehr spärlich.

– Abgesehen von ein paar Gefährten, die mit den eher klandestinen Aktivitäten verbunden waren, gab es einen ziemlich großen Nebel, der in diese oder jene Aktivität verwickelt war. Letztendlich war es der Militante der Gewerkschaft/Syndikat, der mit seinem Beitrag direkt das Comité de defensa fütterte (ein Prozentsatz der Briefmarke wurde ihm gewidmet, damit die Gewerkschaft/Syndikat eine Art „ferner Kontrolle“ ausüben konnte).

– Jeder Militante hatte, je nach seinem Geschmack, seinen Möglichkeiten und auch seinem Engagement, verschiedene Möglichkeiten, sich an dem zu beteiligen, was er für die menschliche Emanzipation für notwendig hielt, das war das Ziel, das sie sich setzten. Der Gefährte griff zunächst über die Gewerkschaft/Syndikat in den Rahmen der Arbeit ein, dann in die heiteren und brüderlichen Beziehungen zwischen Individuen (die Ateneos, Schulen, Ausflüge, Konferenzen, die populäre Kultur usw. sind ein gutes Beispiel dafür), und schließlich beteiligte er sich, wenn nötig, an spezifischen Gruppen: Propaganda, Herausgabe von Zeitungen, Veröffentlichung von Büchern und… auch an Aktionsgruppen (A.d.Ü., die sogenannten Grupos de Acción), deren Aufgabe es war, eine Selbstverteidigungskraft der Arbeiter zu bilden. Aber es scheint mir falsch zu sein zu glauben, dass diese Gruppen wie ein militärisches Kommando organisiert waren. Das hätte bedeutet, dass die Gegner den Kampf gewonnen hätten, denn dann würden die Proletarier eindeutig wie sie denken und handeln.

– Sie waren perfekt in das Leben der Armenviertel integriert: sie lebten dort wie Fische im Wasser. Manchmal wurden sie von der Polizei verfolgt und konnten sich leicht im Armenviertel selbst verstecken, oft in Familien, die nicht einmal der CNT angehörten.

– Ich vermute, dass die Repressionsorgane der staatlichen und Arbeitgeberinstitutionen diese Art des Handelns viel schwieriger zu kontrollieren und zu unterwandern fanden. Der harte Beweis ist, dass es nur sehr wenige Daten zu diesem Thema gibt.

– In der Enzyklopädie des iberischen Anarchismus wird über Alerta! folgendes geschrieben: „Barcelona, 1937, klandestine anarchistische Zeitung mit Verbindung zu Los amigos de Durruti“. Obwohl mein Vater enge Beziehungen zu einigen Mitgliedern von Los Amigos …. unterhielt, wie z.B. zu Ponciano Alonso (Mingo) aus Bordeaux und gelegentlich zu Pablo Ruiz (aus Paris), glaube ich nicht, dass es eine organische Beziehung zwischen der Gruppe „Alerta!“ und Los Amigos de Durruti gab. Ich erinnere mich, dass ich in einigen Gesprächen zwischen älteren Gefährten (Salvador Sarrau, Julio Patán, José Peirats, Manolín usw.) hören konnte, dass der Schritt der Los Amigos de Durruti ein unglücklicher Fehler war. Sie waren der Meinung, dass der Kampf innerhalb der Bewegung geführt werden muss. So stellt es zumindest Marcos Alcón in seinem Artikel im Espoir (20.07.1975) mit dem Titel „Recordando el 19 de julio de 1936 ¿Tenían razón o no?“ (A.d.Ü., Den 19. Juli 1936 erinnern, hatten sie recht oder nicht?). Ich ergreife keine Partei, aber zu glauben, dass man, weil man „gegen“ die Vertretungsorgane der CNT und der FAI ist, ipso-facto unter einer anderen Flagge eingeschrieben ist, kann eine Abkürzung sein, in die viele Historiker leicht verfallen.

– Die Kriegszeit bedeutete auch eine Institutionalisierung des Revolutionären (die FAI mit Ausweis) und einige Comités de defensa verloren das Wesentliche ihres klandestinen und „nebulösen“ Charakters.

Guillamóns Kommentare zu Carballeiras Antworten

Die Antworten von Ángel (Sohn) sind schlagkräftig, präzise, klärend, beispielhaft und unersetzlich. Sie sprechen von seinen persönlichen und familiären Erfahrungen in diesem Umfeld von anonymen Militanten, die an das Schweigen gewöhnt sind, daran gewöhnt, keine Fragen zu stellen, die nur mit bedauerlichen Lügen, Schweigen oder Rücksichtslosigkeit beantwortet werden können.

Das Konzept des „Nebels“ als assoziative Formel für diese Affinitäts- oder Verteidigungsgruppen ist eine Entdeckung von Ángel (Sohn), die es verdient, aufgegriffen und verbreitet zu werden, denn es handelt sich um eine sehr originelle, oft missverstandene Form einer akratischen Organisation (A.d.Ü., einer anarchistischen Organisation), die sich von der syndikalistischen/gewerkschaftlichen völlig unterscheidet und der leninistischen und/oder militaristischen absolut entgegengesetzt ist.

Man muss bedenken, dass dieser Nebel/dieses Universum/diese Welt/diese Galaxie von außen betrachtet in einen dichten Nebel gehüllt war, der es unmöglich machte, zu sehen, was in ihm vor sich ging, geschweige denn, wer sich in ihm befand und was er tat. Derselbe Nebel war aus interner Sicht eine geschlossene Welt von sicheren und erprobten Militanten, ein Meer von Möglichkeiten und ein Netzwerk von sozialen und persönlichen Beziehungen, das die Entstehung von Affinitätsgruppen förderte, die sich zusammenschlossen, um bestimmte Ziele zu erreichen (vom Bombenbau, der Planung von Aktionen oder Streiks, der Gründung einer Genossenschaft, der Unterstützung einer rationalistischen Schule oder eines Ateneos bis hin zum Erstellen, Redigieren, Drucken und Verteilen einer Zeitung oder eines Flugblatts und den unterschiedlichsten Aktivitäten, die, sobald sie erreicht waren, die Auflösung dieser Affinitätsgruppe bedeuteten). Vielleicht ist es nicht nötig, hinzuzufügen, dass dieser Nebel den verschiedenen Gruppen, die in ihm entstanden, die blinde und bedingungslose Komplizenschaft und Unterstützung dieser akratischen Galaxie bot, was die Funktionsfähigkeit dieser kleinen Gruppen vervielfachte. Jeder kannte jeden und war aus der strengsten militanten Anonymität bekannt, undurchlässig für Spitzel und die Polizei, aber absolut transparent und effizient in ihrem Netzwerk von internen Beziehungen.

Alerta…! Ausgabe 2 vom 30. Oktober 1937

Alerta…!

Klandestine Zeitung der comités de defensa in Katalonien. Die Affinitätsgruppe, die die Veröffentlichung, Bearbeitung und Verbreitung sicherstellte, wurde von Amador González, Ángel Carballeira Rego, Daniel Sánchez García, José Rasal Castro und Alfonso Nieves Núñez gebildet. Sieben Ausgaben wurden zwischen Oktober und Dezember 1937 veröffentlicht. Die Zeitung wurde im Haus der CNT-FAI selbst gedruckt und verteilt, sehr zum Missfallen und zur Besorgnis der comités superiores15, die nicht in der Lage waren, den Druckort ausfindig zu machen oder ihre Verteilung zu verhindern.

Es wurde sogar an der andalusischen Front verbreitet, wahrscheinlich dank der Kontakte und Beziehungen von Alfonso Nieves Núñez zur dieser Front.

Alerta hatte keine Verbindung zu Los Amigos de Durruti. Während letztere für einen Wechsel in der cenetistischen Führung eintraten und ein neues revolutionäres Programm vorschlugen, was (in den Augen der nebulösen Militanten) auf einen organisatorischen Bruch hindeutete, als ob sie der Meinung waren, dass ihre kritischen Positionen sie außerhalb der Organisation stellten; die Affinitätsgruppe, die die klandestine anarchistische Zeitung Alerta! veröffentlichte, zielte darauf ab, die stalinistische Repression anzuprangern, revolutionäre Gefangene zu verteidigen und den Kollaborationismus zu kritisieren, aber immer innerhalb der CNT-FAI Organisation selbst, ohne abspalterische Bestrebungen (A.d.Ü., im Sinne eines Bruchs), ganz getreu dem Motto: Kritik ja, Bruch nein.

Los Amigos de Durruti betrieben spalterische und zersetzende Arbeit (A.d.Ü., auch hier im Sinne eines Bruchs) und gingen sogar so weit, ein neues revolutionäres Programm vorzuschlagen; die Gruppe, die Alerta! herausgab, übte eine unverzichtbare interne Kritik an der CNT-FAI Führung aus, die sich jedoch immer innerhalb der organischen und organisatorischen Grenzen bewegte.

Während Los Amigos de Durruti von außerhalb der Organisation agierten, tat die Gruppe, die Alerta! veröffentlichte, dies aus den comités de defensa heraus, sehr radikal und kritisch, aber ohne jeglichen Horizont des Bruchs. Daher die unterschiedliche Behandlung durch die comités superiores, die den Rauswurf von Los Amigos de Durruti verfolgten, während sie die Umwandlung der (bewaffneten) comités de defensa in (unbewaffnete) Koordinations- und Informationsgruppen vorschlugen.

Noch deutlicher beleidigten die comités superiores Los Amigos de Durruti als Marxisten und sprachen sich für ihren Rauswurf aus der Organisation aus, weil sie mit ihrer Kritik und ihrem Programm bereits außerhalb und am Rande der CNT-FAI standen, während der unzufriedene Teil der comités de defensa, die Alerta herausbrachte, sich mit einer Tätigkeit begnügen konnte, die sie beschäftigte und sie sich nützlich fühlen ließ.

Aber in beiden Fällen war die integrative und repressive Kraft der höheren Komitees überwältigend. Ostrazismus, Isolation und der Versuch, Los Amigos de Durruti hinauszuwerfen; Lokalisierung, Identifizierung, Auflösungsanträge in den Vollversammlungen der Stadtvierteln und vor allem neue operative Aufgaben, um die Militanten der comités de defensa mit anderen Aufgaben zu beschäftigen…

Die Ausgabe Nr. 1 wurde am 23. Oktober 1937 veröffentlicht. Die ständigen Themen dieser Zeitung waren die Solidarität mit den „revolutionären Gefangenen“, die Forderung nach ihrer Freilassung und die Anprangerung der Verwaltung und der Misshandlungen durch Stalinisten und Republikaner im Knast La Modelo; die Kritik am Kollaborationismus und der Politisierung der FAI; die Anprangerung der katastrophalen Kriegspolitik der Regierung Negrín-Prieto und der stalinistischen Vorherrschaft in Armee und Staat. Sie lancierte Grüße der Verbrüderung mit den Juventudes Libertarias und der Agrupación de Los Amigos de Durruti.

Ein unauslöschliches Merkmal der Publikation war ihr ständiger Aufruf, „die Revolution zu machen“ und das Aufgeben/Verzicht aller Posten/Ämter seitens der höheren Komitees: „Dass die Revolution nicht VON DEM STAAT, sondern GEGEN DEN STAAT gemacht werden kann“ [in „Decimos hoy“. Alerta…! Ausgabe Nr. 2 (30. Oktober 1937)].

Die Ausgabe Nr. 4 wurde auf Samstag, den 13. November 1937 datiert. Auf der Titelseite stand ein aufrührerischer Leitartikel, der davor warnte, dass der Krieg und die Revolution in Gefahr seien: „Die Ministerien müssen gestürmt und die Minister aus den Balkons geworfen werden. Die Ministerien sind die Höhlen/Verstecke der Verräter“.

Neben diesem Leitartikel stand eine kurze Notiz in Großbuchstaben, die den Namen des Mörders der zwölf jungen Libertären enthüllte, die in der Carlos Marx Kaserne gefoltert, verstümmelt und entstellt worden waren16 und deren Leichen Tage später in einer Kurve der Cerdanyola Straße abgeworfen wurden:

„Der Mörder der Kameraden von Sardañola.

Erinnert ihr euch an Sergeant Zapatero? Er war für die „Carlos Marx“-Kaserne verantwortlich, als bei den tragischen Ereignissen im Mai, die von der PSUC provoziert wurden, die zwölf Kameraden von Sardañola ermordet und grausam verstümmelt aufgefunden wurden.

Jetzt ist Sergeant Zapatero kein Sergeant mehr, sondern Oberstleutnant und befehligt das Disziplinarbataillon, das mit den Verhafteten in Montjuich gebildet wurde“.

Wir kennen die Grundlage der Nachricht nicht, aber es war klar, dass nur Alerta es wagen konnte, den Namen der Person zu veröffentlichen, die für den Mord an den 12 gefolterten und erschossenen Libertären in der Carlos Marx Kaserne verantwortlich ist.

In der letzten Ausgabe vom 4. Dezember 1937 prangerte sie die stalinistischen Tschekas und die brutale Verfolgung der Cenetistas (A.d.Ü., Mitglieder der CNT) in Cerdanya an. Sie wurde eingestellt, nachdem die Delegierten der comités de barrio17 von Barcelona auf Druck und mit Argumenten der Federación Local de Grupos Anarquistas (A.d.Ü., Lokalen Föderation der Anarchistischen Gruppen) beschlossen hatten, die Presse zu vereinheitlichen, aber mit der Drohung, die Veröffentlichung wieder aufzunehmen, wenn die neue konföderale Presse (A.d.Ü., gemeint ist die der CNT) ihren Forderungen nach absoluter Wahrhaftigkeit nicht nachkäme und unaussprechliche politische Kompromisse einginge. Nicht selten verbargen sich hinter familiären, freundschaftlichen oder beruflichen Beziehungen revolutionäre Beziehungen der Militanz und Affinität.

Die Gruppe, die die Veröffentlichung von Alerta! sicherte

Um zu verstehen, was die Zeitung Alerta! war, genügt es, die biografischen Skizzen des Teams zu lesen, das die Existenz, die Redaktion, den Druck und die Verteilung dieses klandestinen Organs der comités de defensa aufrechterhielt.

Amador González. Geboren 1907 in León. Schon in jungen Jahren wanderte er nach Katalonien aus, wo er der Gewerkschaft/Syndikat des Seeverkehrs, der FAI und den comités de defensa beitrat. Im Juli 1936 nahm er an der Erstürmung der Atarazanas-Kaserne teil. Er kämpfte in der columna Durruti (A.d.Ü., Kolonne Durruti ). Er übernahm den Posten des lokalen Koordinators der comités de defensa in der Stadt Barcelona. Er spielte eine wichtige Rolle bei den Straßenkämpfen im Mai 1937. Von Oktober bis Dezember 1937 trug er zum Erscheinen des klandestinen Organs der comités de defensa, Alerta! bei. Im Januar 1938 legte er sein Posten als Koordinator der comités de defensa nieder. Im März 1938 war er Delegierter der nationalen Transportgewerkschaft/syndikat.

Im Februar 1939 wurde er im Lager Argelés interniert. Er nahm am Kampf gegen die Nazis teil, die ihn vier Jahre lang gefangen hielten, bis er von der Résistance befreit wurde.

Im September 1946 wurde er zusammen mit Antonio López in Irún verhaftet und beide erlitten die franquistische Folter und wurden eingesperrt18. Im französischen Exil war er in Saint-Denis und Paris aktiv.

Nach dem Tod von Ángel Carballeira Rego schrieb er an seine Familie19 und enthüllte die Namen der Gruppe, die die Veröffentlichung des klandestinen anarchistischen Organ Alerta! ermöglicht hatte, ohne jedoch zu verraten, dass ihre spezifische Aktivität die Herausgabe dieser klandestinen Zeitung war. Der Brief kommentiert auch das Schweigen, das unter den Exilanten in der Regel über ihre vergangenen und gegenwärtigen Aktionen herrschte, nicht nur als grundlegende Vorsichtsmaßnahme gegen Repressionen, sondern auch als eine von Bescheidenheit und Anonymität durchdrungene zweite Natur aller dieser revolutionären Kämpfer. Er starb am 3. April 1975 in Aubervilliers an einem Herzinfarkt, den er während einer Fahrt mit der U-Bahn erlitt.

Ángel Carballeira Rego. Geboren in Villalba (Lugo) am 19. März 1907. Sohn von Bauern. Er wanderte sehr jung nach Kuba aus, wo er von 1916 bis 1929 seine ganze Jugend verbrachte. Er lernte den Beruf des Färbers. Als seine Gesundheit versagte, kehrte er im Alter von 21 Jahren nach Spanien zurück. Er wurde für ein Jahr in die Armee aufgenommen, in einem Disziplinarbataillon in Tetuan. In Barcelona im Jahr 1930. Mitglied in der CNT Gewerkschaft/Syndikat der Färber. Er war Mitglied und Militanter der comités de defensa in Gracia und der FAI. Er engagierte sich in einer Affinitätsgruppe, die informell von Viñas geleitet wurde und sich dem Bau von Bomben für die Straßenbahnstreiks 1933 widmete, die auch beim Aufstand/Insurrektion von 1934 eingesetzt wurden.

Er wurde mehrmals von der Polizei verhaftet und verprügelt. Er war der Delegierte der comités de defensa des Viertels Gracia. Gefangener 1933 im Knast La Modelo für seine Teilnahme an der Rebellion vom 8. Januar. La Vanguardia vom 12. April 1933 berichtete über die Freilassung von Severino Campos und Ángel Carballeira aus dem Gefängnis. Er war sehr aktiv im Straßenbahnstreik Ende 1933 und Anfang 1934. Er ging für zehn Monate ins Exil nach Béziers, um einer weiteren Verhaftung zu entgehen. Er arbeitete als Tellerwäscher und Traubenpflücker.

Während des Bürgerkriegs war er im Comité Revolucionario von Gracia und hatte verantwortliche Positionen bei der Kollektivierung des Färbersektors inne.

Er war in der Colmuna Durruti – Durruti Kolonne. Zwischen Oktober und Dezember 1937 gehörte er zu der Gruppe, die dafür sorgte, dass die klandestine anarchistische Zeitung Alerta!, das Organ der unzufriedenen comités de defensa, in Solidarität mit den zahlreichen anarchistischen Gefangenen herausgegeben wurde, mit dem Ziel, sich der laufenden Konterrevolution entgegenzustellen, die stalinistische Repression und die politische Kollaboration der höheren Komitees anzuprangern.

Im französischen Exil wurde er in die Konzentrationslager Vernet und Maseras eingesperrt. 1944 übergab ihn die Gendarmerie an die Organisation Todt, die ihn zum Bau des Atlantikwalls schickte. In Begleitung von Mariano Sorinas floh er aus dem Lager Mont Marsan.

Einige Quellen bringen Carballeira mit den Aktionsgruppen in Verbindung, insbesondere mit der von Josep Lluís Facerías im Jahr 1947 und der von Ramón Vila Capdevila im Jahr 1949, was zu seiner zweimaligen Inhaftierung in Frankreich führte.

Im Jahr 1948 war er FAI-Delegierter bei der Vollversammlung in Toulouse, wo er José Borrás unterstützte und die Thesen von Laureano Cerrada ablehnte.

1951 wurde er in das CNT-Sekretariat gewählt, wo er für den antifranquistischen Kampf zuständig war. Damals war er einer der wenigen, die vermuteten, dass Jacinto Guerrero ein Spitzel war. Viele Jahre lang arbeitete er als Maurer in der Haute-Garonne.

Zwischen dem 23. August und dem 3. September 1961 nahm er am Kongress zur Wiedervereinigung in Limoges teil, wo er erneut zum Koordinationssekretär des Interkontinentalen Sekretariats gewählt wurde. Er wird allgemein als Esgleseist (A.d.Ü., auf der Originalversion ist die Rede von esgleseista, wir haben keine Ahnung was es bedeutet) eingestuft.

Am 23. Juli 1962 war Ramón Vila Capdevila (Caraquemada) für drei Explosionen zwischen Suria und Sallent verantwortlich, die drei Strommasten zum Einsturz brachten und die Region Manresa-Sabadell für zwei Tage ohne Strom ließen. Es war eine Aktion, die von Defensa Interior20 aus von Llansola und Carballeira koordiniert wurde.

Seine Weggefährtin war die in Barcelona geborene Eulalia Mombrió Prats, eine Seidenarbeiterin, eine Militante der CNT in der Textilindustrie und sehr aktiv im Ateneo de Gracia. Sie hatten drei Kinder.

Sie starb im Alter von 56 Jahren im Juli 1963 in Toulouse an Krebs, der möglicherweise mit ihrem Beruf zusammenhing.

Ángel Carballeira und Salvador Sarrau im Hintergrund.

Daniel Sánchez García. Militanter in der Baugewerkschaft. Er hatte eine führende Rolle bei den Ereignissen in Tarrasa am 15. Februar 1932 gespielt. Er wurde zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Im Dezember 1933 nahm er erfolglos an der Flucht aus dem Knast La Modelo teil. Im Jahr 1937 war er Mitglied und Militanter der anarchistischen Gruppe unter der Führung von Viñas.

José Rasal Castro war Mitglied und Militanter der comités de defensa von Gracia und gehörte der Gewerkschaft/Syndikat der Metallarbeiter an. Er war Mitglied des comité revolucionario von Gracia. Enger Freund von Ángel Carballeira. Verfolgt und inhaftiert von den Stalinisten. Im französischen Exil arbeitete er in der CNT von Maugnane mit. Er starb 1947 an den Folgen eines Arbeitsunfalls, als ein Balken auf sein Bein fiel und tödliche Verletzungen verursachte.

Alfonso Nieves Núñez. Er wurde 1908 in Buenos Aires als Sohn spanischer Eltern (einer galicischen Mutter und eines andalusischen Vaters) geboren. Im Alter von acht Jahren kehrte er nach Cordoba zurück. Er schlug seine Wurzeln in den bäuerlichen Kämpfen von Bujalance. Er arbeitete als Buchhalter, bis er 24 Jahre alt war. Er war Mitglied und Militanter der CNT und zeichnete sich als Redner und Journalist aus. Er spezialisierte sich auf die rechtliche und politische Verteidigung inhaftierter Cenetistas (A.d.Ü., CNT Mitglieder) und auf die Bildung eines breiten Netzwerks der Comités Pro-presos21.

1931 beteiligte er sich an dem gescheiterten Projekt, die Zeitung Trabajo y Libertad in Cordoba herauszugeben, in einem Team, zu dem auch Aquilino Medina und Pedro Algaba gehörten.

Von den Landbesitzern und den andalusischen Arbeitgebern gehasst, versuchten sie, ihn zu vertreiben und aus Andalusien zu verbannen. Im Mai 1931 hielt er zusammen mit José Castejón eine Kundgebung in Almodóvar del Río ab.

Im November 1931 war er Gefangener auf dem Gefängnisschiff Antonio López, das im Hafen von Barcelona anlegte. Am 19. März 1932 unterzeichnete er im Gefängnis Modelo in Barcelona ein Manifest gegen Ángel Pestaña.

Die republikanischen Behörden, nahmen seine argentinischen Staatsangehörigkeit als Ausrede und schoben ihn nach Frankreich ab. Nach einiger Zeit in Frankreich, wo er für die anarchistische Presse in Bordeaux und Lyon schrieb, kehrte er unter dem Pseudonym Miguel Jiménez nach Katalonien zurück. Im Frühjahr und Sommer 1932 hielt er erfolgreiche Kundgebungen in verschiedenen katalanischen Städten ab, und mit weniger Glück in Cordoba. Er beteiligte sich in der Zeitung Tierra y Libertad.

Im Jahr 1933 wurde er für seine journalistische Tätigkeit in verschiedenen Zeitungen häufig zu Geldstrafen oder wegen Druckvergehen zu Gefängnisstrafen verurteilt. Er wurde mehrmals in Sevilla und Barcelona inhaftiert.

Im Modelo Knast in Barcelona, wo er bereits anderthalb Jahre im Gefängnis verbracht hatte, hatte er rund vierzig Verfahren am Hals, bei denen ihm mit einem Jahr pro Druckvergehen eine sehr lange Haftstrafe drohte.

Im November 1933 trat er in den Hungerstreik. Im Dezember nahm er an einem Ausbruch aus dem Gefängnis in Barcelona teil.

In den ersten Monaten des Jahres 1935 befand er sich im Campo de Gibraltar und am Ende des Jahres lebte er heimlich in Palma de Mallorca. Er schloss eine enge Freundschaft mit dem mallorquinischen Anarchisten Cristóbal Pons, in dessen Haus er eine Zeit lang Zuflucht fand. Ab Januar 1936 gab er unter dem Pseudonym Julio Quintero Cultura Obrera, das Organ der balearischen CNT, heraus. Er hielt Treffen auf den Balearen, in Katalonien und Andalusien ab.

Im Juli und August 1936 trat er als Koordinator der columnas milicianas (A.d.Ü., die Kolonnen der Milizionäre) Bujalance und Castro auf. Er führte eine Kolonne an, die Baena angriff. Zu Beginn des Jahres 1937 war er in Linares.

Zurück in Katalonien, spielte er im Mai 1937 eine wichtige Rolle bei den Straßenkämpfen in der Gran Vía/Paseo de Gracia und im Hauptquartier der Patrullas de Control. Er war Zeuge des Todes von Domingo Ascaso.

Von Oktober bis Dezember 1937 gehörte er zu der Affinitätsgruppe, die für die Veröffentlichung von Alerta! sorgte, dem klandestinen Organ der comités de defensa.

Er hatte sich durch die Verteidigung von Rafael Peña García bei seinen Auseinandersetzungen mit dem comité nacional (A.d.Ü., nationalen Komitee) der CNT einen gewissen Namen gemacht. Ab Januar 1938 war er Mitglied der Comisión Jurídica (A.d.Ü., Rechtskommission).

Aufgrund seiner umfangreichen Erfahrung als Zeitungsredakteur wurde er im April 1938 vom Comité Ejecutivo del Movimiento Libertario de Cataluña (A.d.Ü., Exekutivkomitee der Libertären Bewegung Kataloniens) zum Verwalter von Solidaridad Obrera ernannt und ergriff verschiedene Sofortmaßnahmen, um die katastrophale ökonomische Verwaltung, die bis dahin von Toryho betrieben wurde, zu beheben.

Er ging ins Exil nach Paris und konnte sich nicht nach Amerika einschiffen.

3. Schlussfolgerungen

1. Es gab eine enorme Integrationsfähigkeit in der Organisation seitens der comités superiores. Im Januar 1938 erhielten die comités de defensa die Möglichkeit, sich zu tarnen und als Koordinations-, Informations- und Spionagegruppen weiter zu existieren, obwohl sie ihren Charakter als bewaffnete Kraft der Revolution verloren.

2. Die revolutionären Minderheiten waren extrem schwach und übten eine schwache interne revolutionäre Opposition zu den verantwortlichen CNT-FAI-Komitees aus. Die Alerta-Gruppe hat nie einen Bruch mit der Organisation vorgeschlagen.

3. Nur Los Amigos de Durruti präsentierten sich als eine revolutionäre Alternative zu den comités superiores, mit einem eigenen, originellen Programm, das den CCMA (comité central de las milicias antifascistas – Zentralkomitte der antifaschistischen Milizen) vom Juli 1936, der als Organismus der Klassenzusammenarbeit konzipiert war, durch eine revolutionäre Junta ersetzte, die die Regierung der Generalitat ablöste. Obwohl Los Amigos de Durruti den Bruch mit der CNT-FAI-Organisation nicht aufgegeben haben (was für die Alerta-Gruppe unvorstellbar war). Los Amigos de Durruti haben die Spaltung jedoch nie als Instrument des Kampfes und der Klärung betrachtet.

4. Der libertäre organisatorische Nebel schuf Affinitätsgruppen, die in der Regel kurzlebig waren und eine bestimmte Aktion vorschlugen (sei es die Herstellung von Bomben und deren Lagerung oder die Herausgabe einer Zeitung oder die Gründung eines Ateneos oder einer Genossenschaft oder einer rationalistischen Schule) und sich dann, ohne sich um Anerkennung zu bemühen oder eine politische oder gewerkschaftliche/syndikalistische Karriere zu machen, in äußerster Anonymität und Stille wieder im Nebel auflösten, ohne sich um ihren Erfolg oder Misserfolg zu kümmern. Für Scharlatane, Opportunisten oder eingebildete Menschen war es unmöglich, in diesem Nebel zu existieren, denn sie wurden sofort zurückgewiesen und ausgeschlossen. Und das nicht nur aus Sicherheitsgründen, sondern auch.

5. Die comités superiores wussten, wie sie diesen Nebel zu ihren Gunsten kanalisieren und lenken konnten. Wenn es notwendig war, eine kritische klandestine Zeitung wie Libertad zu gründen, die den antikollaborationistischen Anarchisten als Ventil diente und gleichzeitig mit El Amigo del Pueblo konkurrierte oder als Vorwand für die Schließung von Alerta diente, zögerten sie nicht, diese zu fördern und zu tolerieren. Wenn es notwendig war, den comités de defensa in einer geheimen Spionageorganisation eine gewisse organisatorische Kontinuität zu geben, wurden die notwendigen Koordinierungs- und Informationsstellen eingerichtet.

6. Die programmatischen und taktischen Veränderungen in der Organisation während des Krieges wirkten sich auf die Organisationsstruktur der CNT-FAI aus.

Der außergewöhnliche Charakter der historischen Situation sowie die Dringlichkeit der zu treffenden Entscheidungen verhinderten eine horizontale und vollversammlungsbasierte Arbeitsweise in der katalanischen CNT. Der Comité de comités (A.d.Ü., Komitee der Komitees) leitete die Organisation vom 23. Juli 1936 bis Juni 1937. Die Comisión Asesora Política (CAP) (A.d.Ü., Politische Beratungskommission) von Juni 1937 bis März 1938. In der Zwischenzeit wurde die FAI im Juli 1937 in eine weitere antifaschistische Partei umgewandelt, die in der Lage war, die Bürokraten zu liefern und auszubilden, die für die Übernahme von Verantwortungs- und Führungspositionen benötigt wurden. Vor dem Hintergrund der Auflösung und des Zusammenbruchs der Fronten lenkte das elitäre und selbstgewählte Comité Ejecutivo del Movimiento Libertario de Cataluña (A.d.Ü., Exekutivkomitee der Libertären Bewegung Kataloniens) die Organisation von April bis Oktober 1938 diktatorisch und hierarchisch, mit keinem anderen Ziel als der Militarisierung von Arbeit und Gesellschaft sowie der Organisation selbst.

Agustín Guillamón

Veröffentlicht in Libre Pensamiento 110 (Frühjahr 2022)


1A.d.Ü., was der Fall ist, das Buch wurde vom Verlag Descontrol aus Barcelona veröffentlicht.

2A.d.Ü., die comités de defensa (Verteidigungskomitees) waren von der CNT klandestine bewaffnete Organisation, der Vorläufer der anarchistischen Milizen.

3Siehe Guillamón, Agustín: Los Comités de Defensa de la CNT en Barcelona (Fünfte Auflage in Descontrol 2020).

4A.d.Ü., im Verlauf des Textes wird des öfteren der Begriff nebuloso, nebulosa und neblina verwendet, abgeleitet von niebla (Nebel), beschreibt einen nebeligen Zustand, was in diesem Kontext für eine verschleierte, geheimnisvolle, klandestine, nicht offene Praxis steht.

5A.d.Ü., Ateneos sind Kulturzentren die von Arbeiterinnen und Arbeitern Anfang des 20. Jahrhunderts gegründet wurden. Fernab ihrer politischen Einstellung, gibt es daher anarchistische, kommunistische und auch auf Herkunft bezogene Ateneos im ganzen spanischen Staat. Die Gründung der Bewegung der Ateneos ging von der anarchistischen Bewegung aus.

6A.d.Ü., die cuadros de defensa waren kleine anarchistische Kampfgruppen.

7A.d.Ü., eine Centuria ist ebenfalls eine anarchistische Kampfgruppe, ist diese jedoch größer.

8Siehe das Buch von CARBALLEIRA MOMBRIÑO, Ángel: Apunte sobre „De mi paso por la vida. Memoiren von José Peirats Valls“ Kommentare zum Prolog von Enric Ucelay-Da Cal. Recherche et documentation d’Histoire Soc1ale, 2010.

9A.d.Ü., JJLL ist die Abkürzung für die FIJL – Federación Ibérica de las Juventudes Libertarias. Einer anarchistischen Jugendorganisation 1932 gegründet.

10A.d.Ü., gemeint ist die Enciclopedia del anarquismo ibérico, ein vierbändiges Sammelband der 3424 Seiten, 100.000 Einträge und 6000 Bilder ausmacht. Wurde im Jahr 2018 vom Verlag Navio Anarquico veröffentlicht.

11A.d.Ü., ehemalige königliche Werft aus dem 13. Jahrhundert, gegenüber der Militärverwaltung in Barcelona, wurde beim Aufstand vom Militär besetzt, wo es zu blutigen Gefechten kam, wo auch unter anderem Ascaso sein Leben verlor.

12A.d.Ü., die Zeitung der FAI Tierra y Libertad, wurde aus dem Exil auch in Mexiko veröffentlicht, die Distinktion äußerte sich durch den Zusatz de Méjico.

13A.d.Ü., typische CNT-Sprache, in diesem Fall starb Daniel Sánchez im Verlauf einer Mission die von der CNT angeordnet wurde.

14Kleidung als Synonym für den Transport von Waffen, oft versteckt in einem Korb voller Kleidung.

15A.d.Ü., übersetzt höhere Komitees, die CNT hatte damals, wie heutzutage unendlich viele Komitees, Gremien usw. die nach ihrer ‚verwaltenden Funktion‘ verschiedene Namen trugen, wie z.B., comité regional, comité local, comité internacional, comité pro-presos, … das Übel jeder bürokratischen Organisation.

16Siehe Guillamón, Agustín: La matanza del cuartel Carlos Marx. Calumnia, Mallorca, 2020

17A.d.Ü., Stadtteilkomitee.

18Cultura Proletaria número 958 (September 1946).

19Brief von Amador Franco an die Familie Carballeira (Aubervilliers, 15-8-1963).

20A.d.Ü., eine bewaffnete Organisation die aus den drei spezifischen Organisationen der spanischen libertären Bewegung (MLE), also der CNT, der FAI und der FIJL, 1960 ausging um den bewaffneten Kampf in Spanien gegen den Faschismus zu koordinieren. Dazu mehr in kommender Zeit.

21A.d.Ü., die Comités Pro-Presos sind die Gefangenenkomitees die sich, wie der Name suggeriert, sich um die Gefangene kümmert.

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