Claudio Lavazza – Soligruppe für Gefangene https://panopticon.blackblogs.org Für die Anarchie! Knäste, Staat, Patriarchat und Kapital abschaffen! Tue, 07 May 2024 22:02:49 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 https://panopticon.blackblogs.org/wp-content/uploads/sites/1233/2020/02/cropped-discharge-degenerik-blog-1-32x32.jpg Claudio Lavazza – Soligruppe für Gefangene https://panopticon.blackblogs.org 32 32 Kritik und Analyse des Anarchismus heute https://panopticon.blackblogs.org/2022/02/21/kritik-und-analyse-des-anarchismus-heute/ Mon, 21 Feb 2022 08:01:33 +0000 http://panopticon.blackblogs.org/?p=2495 Continue reading ]]> Kritik und Analyse des Anarchismus heute

Von Claudio Lavazza und Giovanni Barcia, FIES Gefangene, 16.02.1998

Editorial

Claudio Lavazza und Giovanni Barcia sind die Verfasser dieser kurzen Broschüre. Beide sind unter dem so genannten FIES-Gefängnisregime (Fichero de Internos de Especial Seguimiento) inhaftiert; ein Knastregime, das aufgrund seiner besonderen Grausamkeit den Menschen, die es erleiden, schwere physische und psychische Schäden zufügt (22 Stunden in der Zelle, und wenn sie auf den Hof gehen dürfen, gehen sie allein oder in Begleitung eines anderen Gefangenen; Isolationshaft, ständige Schläge, tägliche Leibesvisitation, …).

Aber weder sie noch andere Gefangene in ihrer Situation haben sich in die Käfige des Staates gebeugt; deshalb haben sie einen unbefristeten Hungerstreik begonnen, der sich auf drei Punkte in ihren Forderungen stützt:

– Das Ende des FIES-Regimes.
– Das Ende der Zerstreuung der Gefangenen.
– Die Entlassung aus dem Knast von todkranken Gefangenen.

Ihr Kampf darf nicht nur in den Kerkern eingeschlossen bleiben, sondern muss auch auf der Straße ausgetragen werden. Deshalb haben die Juventudes Libertarias aus Burgos beschlossen, diesen Text neu zu veröffentlichen, dessen Erlös dem Kampf gegen die Knäste zugute kommt.

Sowohl Claudio als auch Giovanni sind zwei Anarchisten, die in ihrem Leben nie in ihrer Entschlossenheit gezögert haben, und weiterhin nicht zögern, das System zu beseitigen und dabei alle Gefahren auf sich zu nehmen und sogar ihre FREIHEIT zu verlieren.

Im Sinne dieser beiden Revolutionäre kritisieren wir die bequeme Position einiger Anarchisten, die in eine große „demokratisierende“ Strömung eingetaucht sind und es unter anderem vorziehen, nicht auf die Schreie dieser Gefangenen zu hören.

NIEDER MIT DEN GEFÄNGNISMAUERN!
Solidarität mit den FIES-Gefangenen im Hungerstreik.


Kritik und Analyse des Anarchismus heute

Unsere Überzeugungen ermutigen uns, uns ohne Gewissensbisse als Anarchisten zu bezeichnen. Alle AnarchistInnen, weil sie so sind, sind gegen jede Form von Macht, denn dort beginnt die Ausbeutung der Menschen. Diejenigen, die dieses unmenschliche Verhältnis ablehnen, sind also gegen den Staat, weil er die Organisation der Macht in der Gesellschaft darstellt; sie sind gegen die Kirchen, weil sie Institutionen sind, die materielle und geistige Herrschaft ausüben, indem sie die religiösen und moralischen Gefühle der Massen ausnutzen, die die Reichen rechtfertigen, sie verteidigen und mit ihnen Privilegien und Reichtum, Mitschuld und Verantwortung an der Unterdrückung der Bevölkerung teilen. Kurz gesagt, wir AnarchistInnen sind gegen die Institutionen, denn sie sind die ideologischen Ursachen für die Ausbeutung, den Hunger, des Diebstahls mittels des Eigentum, der Lügen, der Degenerationen, der Repressionen und der Massaker an Tausenden von Menschen auf der ganzen Welt. Wir sind davon überzeugt (im Gegensatz zu jeder anderen Ideologie), dass die Gesellschaft, die menschliche Gemeinschaft, so organisiert werden kann, dass das Individuum allein die Freiheit der Selbstbestimmung hat, sich selbst zu regieren, alle seine Möglichkeiten zu entwickeln und zu bereichern, seinen eigenen existenziellen Weg zu wählen, mit der Sensibilität, die es auszeichnet. Dies ist die reine Essenz der Ideen, die vom revolutionären Standpunkt aus nicht in Frage gestellt werden können.

Daher beschränken sich AnarchistInnen nicht auf die mystische Betrachtung der hypothetischen Gesellschaft von morgen. Deshalb fühlen wir uns berechtigt, diejenigen zu kritisieren, die angesichts konkreter Sabotageakte und Angriffe auf das System der Unterdrückung alle GefährtInnen anklagen und kriminalisieren, die mit der libertären Praxis übereinstimmen; GefährtInnen, die aus dem Mut der Freiheit heraus den Mut haben, unsere Ideen zu bekräftigen, mit der Kohärenz der Zeiten des sozialen Friedens, Zeiten des Kompromisses für die einen, und der Realität des sozialen Krieges für die anderen. Im heterogenen anarchistischen Universum gibt es leider eine Gruppe von Individuen, die gut im System etabliert sind, mit dem sie autoritäre Tendenzen und Privilegien teilen und diese nennen sich AnarchistInnen. Es gibt einige, die einen großen Verstand haben, und andere, die über ein beachtliches Bankkonto und sozialen Status verfügen; andere sind Professoren und unterstützen die Institutionen. Kurzum, sie alle manifestieren ihren besonderen Anarchismus mit perfekten und prächtigen Artikeln in Zeitungen oder in gut gepflegten und sehr teuren Büchern. Sie haben außerdem die Besonderheit, dass sie sehr darauf bedacht sind, sich klar gegen Staat und Kapital zu äußern. Sie haben Angst, ihre Privilegien zu verlieren, die Ehrlichkeit ihrer Bankkonten, den Seelenfrieden, den sie gewonnen haben. Sie teilen die Mentalität und die Verhaltensweisen der politischen Menschen der bestehenden Macht. In der Presse des „demokratischen Regimes“ werden sie als die guten AnarchistInnen dargestellt, die mit einem großen „A“, weil sie eine ideale Gesellschaft predigen, die die anderen erreichen müssen, und für die sie nicht bereit sind, sich mit den Herrschenden anzulegen: sie sind krank vor Angst vor ihren HerrInnen und schreien wie verrückt ihre Verurteilung gegen jeden Angriffs gegen die Unterdrückung aus. Sie verteidigen die Strukturen und die TrägerInnen der Macht, sie verkaufen diesen, der auferlegten sozialen Befriedung, „Gewehre und Koffer“.

Auf der anderen Seite gibt es anarchistische GefährtInnen, die ein Konzept des Anarchismus haben, das weder die Notwendigkeit eines verallgemeinerten Aufstandes noch die Notwendigkeit einer unmittelbaren individuellen Revolte leugnet; sie sind es, die die wahre libertäre Kultur, die authentische Anarchie, verteidigen, ohne Angst vor den Konsequenzen ihrer Ideen; deshalb verstehen sie nicht nur das Bedürfnis der Massen nach einem Aufstand, sondern auch das Bedürfnis jedes Einzelnen, der sich in der heutigen Gesellschaft unterdrückt, verstümmelt, in seiner eigenen Würde beleidigt fühlt, frei zu sein, und dass angesichts dieser Situation eine Rebellion stattfindet. Es ist sicherlich nicht möglich, das riesige anarchische Universum auf einen einzigen Standpunkt zu reduzieren, da es aus vielen Standpunkten besteht, so vielen wie die Individuen, die es bilden. Wir werden daher versuchen, einige Charakterisierungen vorzunehmen, mit der klaren Absicht, eine lebendige und konstruktive Debatte zu erreichen: die Notwendigkeit, aus der derzeitigen Apathie und dem Mangel an Initiative auszubrechen.

Wir sind der festen Überzeugung, dass jeder von nun an seine Selbstbestimmung nicht wegen eines falschen Versprechens eines nicht existierenden sozialen Friedens aufgeben muss; oder wegen der Angst vor dem Knast; oder wegen der historischen Illusion, dass nur die Kräfte der Massen der Ausgebeuteten, der Unterdrückten, der Ausgeschlossenen eines Tages den Traum von einer Welt frei von der Präsenz des Kapital-Staates, der unser Leben und unsere Zukunft kontrolliert, verwirklichen können.

Aber was verstehen wir unter individueller Selbstbestimmung? Nun, wenn du kein Haus hast, dann besetze eines; und wenn die Polizei kommt und dich vertreibt, dann besetze ein anderes; wenn du keine ökonomischen Ressourcen hast, dann gehe zur Verteilung des in den kapitalistischen Zentralen akkumulierten Reichtums über, in dem Bewusstsein, dass der Reichtum allen gehört und uns entrissen wurde, was sich in Angriffen auf Banken und Zentralen äußert, wo sich der Reichtum, das Produkt der Ausbeutung der Bevölkerung, weiter anhäuft. Wir denken, dass es notwendig ist, sich eine ausreichende Würde anzueignen, die uns dazu bringt, die Haltung des Mitleids aufzugeben und das Kapital anzugreifen, ohne Angst zu haben, das Elend zu verlieren, das es uns gewährt. Hausbesetzungen und Enteignungen sind Reaktionen und Haltungen, die nicht von AnarchistInnen erfunden wurden, sondern Tatsachen, die heute so weit verbreitet sind, dass das System sie inmitten vieler Schwierigkeiten kaum eindämmen kann.

Wir sind der festen Überzeugung, dass der so genannte „soziale Rebell“, der seine Würde gegen eine Macht verteidigt, die ihn in die Sklaverei und die Erniedrigung der Lohnarbeit zwingen will, stark ist. In diesem Zusammenhang haben wir AnarchistInnen die Pflicht und die Kohärenz, an ihrer Seite zu stehen und ihnen eine Rechtfertigung und einen Grund für ihre Aktionen zu geben, um morgen vereint im entscheidenden Kampf für die revolutionäre soziale Emanzipation anzukommen.

Wir sind der festen Überzeugung, dass die anarchischen RebellInnen mehr tun müssen, als die Rebellion der Ausgeschlossenen für eine angenehmere Lebensweise zu fordern. Der Angriff auf den Staat-Kapital ist von unschätzbarem Wert, weil er die Gesellschaft in ständigen Konflikten hält, die die Projekte des sozialen Friedens der demokratischen Doktrinen und derjenigen herausfordern, die die Bewegung immer zurückgehalten haben, in der Überzeugung, dass der Staat und das Kapital unbesiegbar sind. Deshalb ist es notwendig, die Methoden zu verstehen und anzuwenden, die weder dem Gesetz der Reichen und Mächtigen noch ihren Kodizes oder dem elenden Diskurs gehorchen, der im demokratischen Rahmen umschrieben wird…

Daher haben wir eine breite Palette von Methoden: von Flugblättern über das Anpöbeln von Politikern, die Besetzung verlassener Räume, Sabotage, militärische oder soziale Totalverweigerung, die Enteignung des in Banken oder Supermärkten akkumulierten Reichtums, die Ablehnung von Steuern, mit denen Dinge finanziert werden, die wir nicht wollen, bis hin zu den Kämpfen von Gefangenen. Für anarchistische RebellInnen gibt es keinen Dialog mit der Macht und ihren Institutionen: Es kann keinen Dialog geben, es gibt nur Konflikt und Konfrontation. Es gibt einen gemeinsamen Horizont für alle, nämlich die ideale Spannung, die Ethik eines Verhaltens, das die Existenz jedes Einzelnen erfüllt, der sich in diesem Anarchismus wiederfindet, der sich nicht auf die „Staatsräson“ reduzieren lässt, ein Konzept der Revolte in verstreuter Ordnung, weit entfernt von einer Vision, die sich den Zahlen und dem zahlenmäßigen Wachstum einer politischen und opportunistischen Vernunft unterordnet. Ein Konzept des qualitativen Wachstums in völlig neuen Formen der Assoziation, der Beziehung zu anderen Individuen mit einem Prinzip der Selbstbestimmung von Wesen, die in sich selbst die Gründe für ihre Existenz finden, und von Angriffen auf den Staat und das Kapital. Wir sind uns bewusst, dass wir in einem Kriegszustand leben, einem sozialen Krieg, in dem es keinen Raum und keine Zeit mehr für eine Vermittlung gibt, denn die Macht hat seit unserer Geburt keine Sekunde damit verschwendet, sich zu unserem natürlichen Feind zu erklären.

Wir sind fest davon überzeugt, dass es unsere GefährtInnen sind, die jeden Tag an Drogen oder vergleichbaren Krankheiten sterben, Opfer eines schmutzigen Geschäfts, das kriminelle Gruppen (Mafia-Knäste) ernährt, die überall auf dem Planeten etabliert sind und eindeutige Beziehungen zu Regierungen und Bankensystemen unterhalten. Es sind unsere GefährtInnen, die jeden Tag in den Gefängnissen die für die Armen reserviert sind, als Opfer der sozialen Verhältnisse und der Schläge und Folterungen der HenkerInnen, die von den MachthaberInnen bezahlt werden, sterben. Unsere GefährtInnen sind diejenigen, die bei Arbeitsunfällen ums Leben kommen, die Opfer auf den Schlachtfeldern der Arbeit, die Opfer der Lohnarbeit. Wir sind mit dem Herzen und mit dem Materialismus der Existenz von Tausenden von Menschen, die leiden und kämpfen, um die Fahne der Würde der freien Individuen hochzuhalten, überzeugt, dass mit unseren Feinden nicht über die Freiheit verhandelt wird: sie wird genommen. Wer heute nicht frei ist, kann morgen frei sein?

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(Spanischer Staat) Beitrag zur Anti-Knastdebatte von Claudio Lavazza https://panopticon.blackblogs.org/2022/01/20/spanischer-staat-beitrag-zur-anti-knastdebatte-von-claudio-lavazza/ Thu, 20 Jan 2022 20:27:15 +0000 http://panopticon.blackblogs.org/?p=2471 Continue reading ]]> Gefunden auf portaloaca, die Übersetzung ist von uns, dieser Artikel wurde am Donnerstag, den 07. Januar 2016, veröffentlicht, ist also nicht gerade aktuell. Wobei wir denken, dass er noch älter sein muss.

(Spanischer Staat) Beitrag zur Anti-Knastdebatte von Claudio Lavazza

Viele von uns leben diese Realität der kapitalistischen Herrschaft, ohne ihr die gebührende Bedeutung beizumessen. Sie glauben, es reiche aus, ein paar Flugblätter zu verfassen, ein paar Artikel in Zeitschriften der Bewegung zu schreiben, sie zu verteilen und so mit sich selbst und den anderen Frieden zu schließen. Ich weiß nicht, wie viele Menschen sich wirklich bewusst sind, was in der Realität in Bezug auf die soziale Unterdrückung im Allgemeinen geschieht. Noch gravierender ist die Situation in den Gefängnissen und deren Realität.

Wie ist es möglich, dass das System es immer wieder schafft, diese Welt vor den Augen derjenigen zu isolieren, die außerhalb (A.d.Ü., der Knäste) leben? In den letzten 20 Jahren haben wir beeindruckende Veränderungen erlebt, vor allem im Überwachungsapparat und seinen Systemen mit seinen schrecklichen erichteten Knaststrukturen, die außerhalb der städtischen Zentren gebaut wurden, um die Isolation und das Vergessen der Gäste (A.d.Ü., der Knackis) noch mehr zu verstärken. Teure Bauten von 7 bis 8000 Millionen Peseten (A.d.Ü., um die 48 Millionen €, damals ein Vermögen) und für 1200/1500 Plätze, mit mehr als 4 Millionen Peseten für jeden Gefangenen, schießen überall wie Pilze aus dem Boden, wie viele anständige Zimmer könnte man mit diesem Geld für diejenigen bauen, die keine haben? Doch die Sorge des Systems gilt nicht den Obdachlosen. Sein Problem ist, wie er die Wut der immer zahlreicher werdenden ausgegrenzten Menschen eindämmen und gleichzeitig Geschäfte auf seiner Haut machen kann. Ein doppeltes Geschäft, das in perfekter und linearer Weise auf die Anforderungen der Marktgesetze reagiert; es geht nur darum, die Bedingungen in der Gesellschaft zu schaffen: Ausbeutung, Marginalisierung, Drogen sind einige der vielen Waffen, die mit Intelligenz eingesetzt werden und die drei mögliche Wege hervorrufen. Diejenigen, die sie akzeptieren und sich voll und ganz auf ihre Funktionsweise einlassen, diejenigen, die sie nicht akzeptieren und zur Seite stehen und versuchen, die Dinge zu ändern, und die Opfer. Drei sehr unterschiedliche Realitäten.

Diejenigen, die den Kopf einziehen und sich für ihr ganzes erbärmliches Dasein entscheiden, dem System zu dienen, werden alles haben, was sie wollen (oder fast), solange sie wissen, wie sie sich selbst genug erniedrigen können, in der Welt der Lohnarbeit werden sie eines Tages (vielleicht) in der Lage sein, die Ränge zu erklimmen und von Ausgebeuteten zum Ausbeuter zu werden, sie werden Teil der gut denkenden, von Sicherheitshysterie geplagten Menschen sein, Früher oder später werden sie Güter zu schützen haben und in das Kollektiv derjenigen eintreten, die „den universellen Wert der Gerechtigkeit gegen den Wert der Sicherheit eintauschen“, für sie wird die Sicherheit wichtiger sein als die Gerechtigkeit und ihre Denk- und Gefühlsart wird zur einzig möglichen werden, sie werden, isoliert durch ein effizientes Desinformationssystem, denken, dass, wenn es Verbrechen gibt, es daran liegt, dass es einen Teil der Bevölkerung gibt, der eingesperrt und, wenn die Umstände es erlauben, ausgerottet werden muss. Für ihn/sie ist das Gefängnis notwendig, gerecht und unbestreitbar.

Auf der anderen Seite gibt es diejenigen, die Opfer der vom System geschaffenen Situation sind, diejenigen, die, geblendet von dieser Konsumgesellschaft, nicht rechtzeitig die Diktatur verstanden haben, die durch den kleinen und großen Bildschirm ausgeübt wird, der seine Befehle, seine Ethik aufzwingt, wenn von Kindheit an vermittelt wird, dass man ein schlechter Mensch ist oder es nicht verdient zu existieren, wenn man kein Auto oder eine bestimmte Kleidungsmarke hat, dann sind diese Wahrheiten/Befehle, die zur Kriminalität einladen, früher oder später ein Grund für die Ausgeschlossenen, sich über die Gesetze der Reichen hinwegzusetzen, um sich selbst eine Chance zu geben. Wenn er/sie bei diesem Versuch scheitert, wird er/sie ins Gefängnis gehen und die Härte der Gesetze zu spüren bekommen. Diese Art von ausgegrenzten Menschen dürfen die Welt der künstlichen Schönheiten nicht betreten, ohne den Kopf zu senken. Das ganze Gewicht der Ungerechtigkeit wird auf sie fallen und sie zu sehr langen Haftstrafen für geringfügige Dinge verurteilen und dabei das Geschäft des Strafvollzugssystems und des gesamten Netzwerks, das es stützt, füttern; Banken, Geschäfts- und Börsenkonzerne… usw. und diese finanzieren wiederum die politischen Parteien, die Hauptförderer dieser besonderen Form der Investition öffentlicher Gelder.

Schließlich gibt es diejenigen, die ein Klassenbewusstsein entwickelt haben und im Laufe ihres Lebens genügend Zeit hatten, es zu verwirklichen, diejenigen, die die Notwendigkeit und Dringlichkeit verstanden haben, auf einen bestimmten Zustand zu reagieren, die so genannten Sozialrebellen, diejenigen, die mit einem Klassenbewusstsein dieselbe Realität mit einem von den Mächtigen im Voraus festgelegten Ziel leben, sind beide Feinde ihrer Interessen und Ideologien, weil sie sich nicht an die Erfordernisse der Umstände angepasst haben, also verdienen beide die gleiche Behandlung… Gefängnis. Für diejenigen, die in das Netz fallen, bietet sich dieselbe Gelegenheit (diesmal in kleinerem Umfang) wie in der „freien“ Gesellschaft. Das heißt, sich anzupassen und den Kopf zu beugen oder das Ganze abzulehnen und zu bekämpfen. Es wird wieder das gleiche Spiel mit den gleichen Alternativen gespielt, die draußen vorgestellt wurden. In diesem Zusammenhang ist es notwendig, eine Sache zu verstehen, die von grundlegender Bedeutung ist, um eine klare Vision eines gemeinsamen Ziels zu haben, das dem Funktionieren des Systems wirksam entgegenwirken kann: Das Gefängnis ist der ideale Ort, an dem der Klassenkampf der Ausgeschlossenen die größte Chance hat, sich zu entwickeln, da es ein Ort ist, an dem es viele Ungerechtigkeiten gibt, die diesen unerlässlichen Zusammenschluss zwischen den Gefangenen erleichtern. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir natürlich die Voraussetzungen dafür schaffen, dass unsere Vereinigung konkret wird, z. B. ist der Beitrag der Solidarität und die Anwesenheit von Externen (A.d.Ü., Leute außerhalb der Knäste) unerlässlich, um im Gefängnis etwas zu erreichen. Wir müssen uns die Möglichkeit geben, nicht wie Stammesgruppen zu leben, die sich den Problemen stellen, die auftauchen, Hand in Hand, ohne jegliche Koordination, jeder auf seine Weise, jeder mit seinen eigenen Feindschaften, eher zu Uneinigkeit als zu Einigkeit neigend.

Wir brauchen diese Vereinigung. Wir müssen in diesem Kampf triumphieren, um uns zu beweisen, dass es möglich ist, die Partie gegen das System zu gewinnen und gemeinsam für eine Gesellschaft ohne Gefängnisse zu arbeiten.

Gesundheit und Freiheit.

Claudio Lavazza

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Wer sind Giovanni Barcia und Claudio Lavazza? https://panopticon.blackblogs.org/2022/01/11/wer-sind-giovanni-barcia-und-claudio-lavazza/ Tue, 11 Jan 2022 13:16:55 +0000 http://panopticon.blackblogs.org/?p=2461 Continue reading ]]> Dieser Artikel erschien am 03.07.2005 auf der Seite lahaine.org, die Übersetzung ist von uns. Dieser Text wurde veröffentlicht als beide noch in Spanien im Knast waren.

Wer sind Giovanni Barcia1 und Claudio Lavazza?

Unsere Überzeugungen ermutigen uns, uns ohne Reue als Anarchisten zu bekennen.

Alle Anarchist*innen, weil wir Anarchist*innen sind, sind gegen jede Form von Macht, denn dort beginnt die Ausbeutung der Menschen. Daher sind diejenigen, die dieses unmenschliche Verhältnis ablehnen, gegen den Staat, weil er die Organisation der Macht in der Gesellschaft darstellt; sie sind gegen die Kirchen, weil sie Institutionen sind, die materielle und geistige Macht ausüben, indem sie die moralischen und religiösen Gefühle der Massen ausnutzen, die Reichen rechtfertigen, sie verteidigen und mit ihnen Privilegien und Reichtum, die Komplizenschaft und Verantwortung bei der Unterdrückung des Pöbels teilen. Kurz gesagt, wir Anarchist*innen sind gegen die Institutionen, weil die ideologischen Ursachen für die Ausbeutung, den Hunger, den Diebstahl von Eigentum, die Lügen, die Degenerationen der Repression und die Massaker an Tausenden von Menschen auf der ganzen Welt in diesen Institutionen konzentriert sind. Wir sind davon überzeugt (im Gegensatz zu jeder anderen Ideologie), dass die Gesellschaft, die menschliche Gemeinschaft, so organisiert werden kann, dass das Individuum allein die Freiheit der Selbstbestimmung hat, alle seine Möglichkeiten zu entwickeln und zu bereichern, seinen eigenen existenziellen Weg zu wählen, mit der ihm eigenen Sensibilität. Dies ist die reine Essenz der Ideen, die vom revolutionären Standpunkt aus nicht in Frage gestellt werden können.

Daher beschränken sich Anarchist*innen nicht auf die mystische Betrachtung der hypothetischen Gesellschaft von morgen. Deshalb fühlen wir uns berechtigt, diejenigen zu kritisieren, die angesichts konkreter Sabotageakte und Angriffe auf das System der Unterdrückung beschlossen haben, alle Gefährt*innen anzuklagen und zu kriminalisieren, die mit der libertären Praxis übereinstimmen; Gefährt*innen, die mit dem Mut der Freiheit die Würde haben, unsere Ideen mit der Kohärenz der Zeiten des sozialen Friedens zu bekräftigen, Zeiten des Kompromisses für die einen und die Realität des sozialen Krieges für die anderen. Im heterogenen anarchistischen Universum gibt es leider eine Gruppe von Individuen, die gut im System etabliert sind, mit denen sie autoritäre Tendenzen und Privilegien teilen und die sich Anarchist*innen nennen. Es gibt einige, die einen großen Verstand haben, und andere, die über ein beachtliches Bankkonto und sozialen Status verfügen; andere sind Professor*innen, die die Institutionen unterstützen. Kurz gesagt, sie alle manifestieren ihren besonderen Anarchismus mit perfekten und prächtigen Artikeln in Zeitungen oder in gut gepflegten und sehr teuren Büchern. Sie haben außerdem die Besonderheit, viel Aufmerksamkeit darauf zu verwenden, sich klar gegen den Staat und das Kapital zu äußern. Sie haben Angst, ihre Privilegien zu verlieren, die Ehrlichkeit ihrer Bankkonten, den Seelenfrieden, den sie gewonnen haben. Sie teilen die Mentalität und das Verhalten der politischen Menschen der konstituierten Macht. In der Presse des demokratischen Regimes werden sie als die guten Anarchist*innen dargestellt, die mit dem großen „A“, weil sie eine ideale Gesellschaft predigen, die die anderen erreichen müssen und für die sie nicht bereit sind, sich mit den Herrschenden anzulegen; sie sind angewidert von dem Terror, den sie für ihre Herren haben und schreien wie verrückt ihre Verurteilung jedes Angriffs gegen die Unterdrückung.

Sie verteidigen die Strukturen und die Menschen, die an der Macht sind; sie verkaufen „Gewehre und Koffer“ an die auferlegte soziale Befriedung. Auf der anderen Seite gibt es anarchistische Gefährt*innen, die ein Konzept des Anarchismus haben, das weder die Notwendigkeit eines allgemeinen Aufstands noch die Notwendigkeit einer unmittelbaren individuellen Revolte leugnet; sie sind es, die die wahre libertäre Kultur, die authentische Anarchie, verteidigen, ohne Angst vor den Konsequenzen ihrer Ideen zu haben; Deshalb verstehen sie nicht nur die Notwendigkeit des Aufstandes der populären Massen, sondern auch jedes Individuums, das sich in der heutigen Gesellschaft unterdrückt, verstümmelt, in seiner Würde, frei zu sein, verletzt fühlt, angesichts einer solchen Situation rebelliert. Es ist sicherlich nicht möglich, das riesige anarchische Universum auf einen einzigen Standpunkt zu reduzieren, da es aus so vielen Standpunkten besteht, wie es Individuen darin gibt. Daher werden wir versuchen, einige Charakterisierungen zu skizzieren, mit der klaren Absicht, eine lebendige und konstruktive Debatte anzustoßen: die Notwendigkeit, aus der derzeitigen Apathie und dem Mangel an Initiative herauszukommen.

Wir sind der festen Überzeugung, dass jeder Mensch von nun an seine Selbstbestimmung nicht wegen eines falschen Versprechens eines nicht existierenden sozialen Friedens aufgeben muss; oder wegen der Angst vor dem Gefängnis; oder wegen der historischen Illusion, dass nur die Kräfte der Massen der Ausgebeuteten, der Unterdrückten, der Ausgeschlossenen eines Tages vielleicht den Traum von einer freien Welt verwirklichen können und nicht die Gegenwart eines Staatskapitals, das unser Leben und unsere Zukunft kontrolliert.

Aber was verstehen wir unter individueller Selbstbestimmung? Nun, wenn ihr kein Haus habt, besetzt eines; und wenn die Polizei kommt und euch vertreibt, besetzt ein anderes; wenn ihr ohne wirtschaftliche Ressourcen seid, geht zur Verteilung des in den kapitalistischen Zentralen angehäuften Reichtums über, in dem Bewusstsein, dass er uns allen gehört und uns entrissen wurde; was sich in einem Angriff auf die Banken und Zentralen äußert, wo das Produkt der Ausbeutung des Menschen im Übermaß angehäuft wird. Wir glauben, dass die Aneignung einer ausreichenden Würde uns dazu bringen wird, die Haltung des Mitleids aufzugeben und das Kapital anzugreifen, ohne Angst zu haben, das Elend zu verlieren, das es uns gewährt. Besetzungen und Enteignungen sind Reaktionen und Haltungen, die nicht von Anarchist*innen erfunden wurden; sie sind heute so weit verbreitet, dass das System sie kaum eindämmen kann, neben nicht wenigen Schwierigkeiten.

Wir glauben fest an die Stärke des so genannten „sozialen Rebellen“ , der angesichts einer Macht, die ihn in die Sklaverei und die Erniedrigung der Lohnarbeit zwingen will, um seine Würde kämpft. In diesem Zusammenhang haben wir Anarchist*innen die Pflicht und den Zusammenhalt, ihnen zur Seite zu stehen, ihnen eine Rechtfertigung und einen Grund für ihre Aktionen zu geben, um morgen, vereint im entscheidenden Kampf, zum Ziel der revolutionären sozialen Emanzipation zu gelangen.

Wir sind der festen Überzeugung, dass die anarchischen Rebell*innen mehr tun müssen, als die Rebellion der Ausgeschlossenen zu fordern, um eine angenehmere Lebensweise zu erreichen. Der Angriff auf den Kapital-Staat ist von unschätzbarem Wert, weil er die Gesellschaft in ständigen Konflikten hält, die die sozialen Friedensprojekte der Doktrinen derjenigen in Frage stellen, die die Bewegung immer zurückgehalten haben, in der Überzeugung, dass der Staat und das Kapital unbesiegbar sind. Deshalb ist es notwendig, Methoden zu verstehen und anzuwenden, die weder dem Gesetz der Reichen und Mächtigen noch ihren Gesetzbüchern oder dem erbärmlichen Dissens gehorchen, der im demokratischen Rahmen eingeschlossen ist…

Daher haben wir eine breite Palette von Methoden: von Flugblättern über die Besetzung verlassener Räume, Sabotage, militärischen oder sozialen Ungehorsam, Enteignung des in Banken und Supermärkten angehäuften Reichtums, Ablehnung von Steuern, die Dinge finanzieren, die wir nicht wollen, bis hin zum Kampf von Gefangenen.

Für rebellische Anarchist*innen gibt es keinen Dialog mit der Macht und ihren Institutionen, es kann keinen Dialog geben, es gibt nur Konflikt und Konfrontation. Es gibt einen gemeinsamen Horizont für alle, der die ideale Spannung ist, die Ethik eines Verhaltens, das die Existenz eines jeden Individuums erfüllt, das sich in jenem Anarchismus identifiziert, der sich nicht auf die „Staatsräson“ reduzieren lässt; ein Konzept der Revolte, um sich weit von einer Vision zu entfernen, die dem numerischen Wachstum einer politischen und opportunistischen Vernunft untergeordnet ist. Ein Konzept der Qualität in völlig neuen Formen der Assoziation, der Beziehung zu anderen Individuen mit einem Prinzip der Selbstbestimmung von Wesen, die in sich selbst die Gründe für ihre Existenz und den Angriff auf den Staat und das Kapital finden.

Wir sind uns bewusst, dass wir in einem Zustand des sozialen Krieges leben, in dem es keinen Raum und keine Zeit mehr gibt, um zu vermitteln, denn die Macht hat seit unserer Geburt keine Sekunde damit verschwendet, sich zu unserem natürlichen Feind zu erklären.

Wir sind fest davon überzeugt, dass es unsere Gefährt*innen sind, die jeden Tag an Drogen und parallelen Krankheiten sterben; Opfer eines schmutzigen Geschäfts, das die kriminellen Gruppen (Mafia-Gefängnisse) ernährt, die überall auf dem Planeten etabliert sind und eindeutige Beziehungen zu Regierungen und Bankensystemen haben. Es sind unsere Gefährt*innen, die jeden Tag in den Gefängnissen die für die Armen bestimmt sind, sterben; Opfer der sozialen Bedingungen und der Schläge und Folterungen der Henker, die von den Machthaber*innen bezahlt werden. Unsere Gefährt*innen sind diejenigen, die bei Arbeitsunfällen sterben, Opfer auf den Schlachtfeldern der Arbeit, der Lohnarbeit. Wir stehen mit dem Herzen und mit dem Materialismus des Daseins zusammen mit all den Tausenden von Menschen, die leiden und kämpfen, um die Fahne der Würde freier Individuen hochzuhalten, in der Überzeugung, dass mit unseren Feinden nicht über die Freiheit verhandelt wird: Sie wird genommen. Wer heute nicht frei ist, kann morgen frei sein?

Giovanni Barcia und Claudio Lavazza (FIES-Gefangene)

1A.d.Ü., Giovanni Barcia wurde 1996 mit Claudio Lavazza, Michelle Pontolillo und Giorgio Eduardo Rodríguez nach dem Banüberfall einer Filiale der Banco Santander 1996 verhaftet.

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(Spanischer Staat) Interview mit dem gefangenen Anarchisten Claudio Lavazza. https://panopticon.blackblogs.org/2022/01/10/spanischer-staat-interview-mit-dem-gefangenen-anarchisten-claudio-lavazza/ Mon, 10 Jan 2022 20:55:13 +0000 http://panopticon.blackblogs.org/?p=2458 Continue reading ]]> Gefunden auf der Seite von cruz negra anarquista, es handelt sich um einen Interview aus dem Jahr 2014 mit Claudio Lavazza der damals noch im spanischen Staat im Knast saß, die Übersetzung ist von uns, wir werden in den nächsten Tagen und Wochen mehrere Texte von Claudio Lavazza, sowie über seinen Fall und seinen Leben veröffentlichen.

Interview mit dem gefangenen Anarchisten Claudio Lavazza.

Wir haben dieses Interview von Contra Info mit dem Gefährten Claudio Lavazza erhalten, der seit 1996 in den Zellen der spanischen Demokratie eingesperrt ist. Das Interview wurde auf der Solidaritätsveranstaltung für langjährig verurteilte/gefangene Anarchist*innen vorgestellt, die am 11. Januar 2014 im CSO La Gatonera, Madrid, stattfand.

In deinem Streben nach vollständiger Freiheit hast du dich dafür entschieden, die Welt der Macht mit allen Mitteln anzugreifen. Was waren die Hauptgründe, die dich dazu gebracht haben, diesen Weg der bewaffneten Rebellion zu gehen?

Die Gründe, warum ich den Weg der Rebellion einschlug, waren eine Reihe von Umständen, die von dem versuchten Staatsstreich in Italien, bei dem die extreme Rechte mit Hilfe der Geheimdienste die Strategie der Spannung (terroristische Anschläge mit Sprengstoff an öffentlichen Orten) anwandte, über die Angriffe der politischen Parteien des Verfassungsbogens, wobei die Christdemokratie besonders aktiv war, indem sie mit dem Finger auf die revolutionäre Linke und die Anarchisten zeigte, die für die schweren Angriffe verantwortlich waren, bis hin zu der Ungerechtigkeit und Misshandlung der Arbeiterklasse durch die Behörden/Autoritäten reichten: dieselben Behörden/Autoritäten, die die faschistische Regierung von Benito Mussolini und den Eintritt Italiens in den Zweiten Weltkrieg an der Seite der deutschen Nazis begrüßten.

In deinem Buch „Autobiografía de un irreducible“ erzählst du, wie du 1981 an der Erstürmung des Gefängnisses von Frosinone (Region Latium, Italien) teilgenommen hast, um einen dort gefangenen Gefährten zu befreien. Heute, mehr als 30 Jahre später, gibt es nur noch wenige Gelegenheiten, bei denen die faktische Solidarität mit den Gefangenen des sozialen Krieges diesen Punkt erreicht. Wie kann die Perspektive der unmittelbaren Befreiung unserer Brüder und Schwestern wiederhergestellt werden?

Die Perspektive der sofortigen Befreiung unserer inhaftierten Brüder und Schwestern zu schaffen, ist heute wie gestern ein grundlegendes Ziel in diesem sozialen Krieg… aber während das System in Bezug auf Infrastrukturen und Repressionsmittel Fortschritte gemacht hat, sind wir in der Prähistorie geblieben, ohne in der militärischen und technologischen Vorbereitung auf die imposanten riesige Knäste1 voranzukommen. Diese abgelegenen Bauten die weit von Städten und Dörfer entfernt sind, können kaum angegriffen werden, so wie wir es 1981 in Italien getan haben, als wir zwei Gefangene befreiten. Es stimmt, dass sich die Zeiten geändert haben. Wenn wir über Angriffe auf das System sprechen, auch wenn wir Worte wie militärische und technologische Vorbereitung nicht gerne verwenden, ist es klar, dass wir über Krieg und Konfrontation sprechen, und um erfolgreich zu sein, ist es notwendig, mit der Zeit Schritt zu halten, die der technologische Fortschritt des repressiven Systems vorgibt. Ich sage nicht, dass es unmöglich ist, Strukturen wie die riesigen Knaste anzugreifen, aber es ist ein unrealistischer Traum, sowie die jetzige Lage ist, die Gefangenen die dort drinnen stecken zu befreien.

Wir gehen davon aus, dass du in deinem langen Weg des polymorphen Kampfes an verschiedenen Formen der Organisierung des Gegenangriffs gegen das Etablierte beteiligt warst. Welche Erfahrungen hast du in der Frage der realen Selbstorganisation des Kampfes, ohne Anführer und ohne Angeführte, gemacht?

Meine Erfahrungen in der Selbstorganisation des Kampfes, ohne Anführer und ohne Angeführte, sind in 16 Jahren der Klandestinität nach und nach gereift. Niemand wird als Meister geboren, und wir alle müssen von anderen lernen, von denen, die besser vorbereitet sind und mehr Erfahrung haben; unter Anarchistinnen und Anarchisten haben wir einige einfache Prinzipien, die es uns ermöglichen, bei der Selbstorganisation des Kampfes schnell voranzukommen: Wenn die Gruppe einmal gebildet ist, gibt es Aufgaben, die jeder zu respektieren hat… wenn ich zum Beispiel ein Experte für Angriffstaktik bin, müssen die anderen auf mich hören, ohne dass sie in mir einen Anführer sehen und ohne dass sie sich geführt fühlen, natürlich hat jeder etwas zu dem Thema zu sagen, aber wenn diese Worte das Ergebnis von Unfähigkeit und mangelnder Erfahrung sind, müssen sie auf mich hören, damit die Operation erfolgreich verläuft. Ich werde auch bei jeder anderen Aufgabe auf den Experten hören müssen, wenn er oder sie fähiger ist als ich. Mit anderen Worten: Ich bin Lehrer, je nach den Umständen, die gerade herrschen, und ich bin Schüler, wenn jemand, der besser qualifiziert ist als ich, die Verantwortung für die Gruppe übernimmt. Meiner Erfahrung nach entsteht auf diese Weise Selbstorganisation.

Ist Anarchie per se ein illegalistischer Weg, und wenn ja, wie können aufständische Individualitäten in Flüssen zusammenfließen, die die Gesetze und Regeln ertränken, die uns an das Elend binden?

Die Anarchie ist von Natur aus illegalistisch, weil sie versucht, außerhalb der vom System auferlegten Legalität zu existieren. Wir Anarchistinnen und Anarchisten haben unsere Gesetze und unsere Art zu leben, die immer von den Gesetzen und der Art zu leben der Staaten verurteilt werden. Die einfache Tatsache, dass wir die von der Lohnarbeit auferlegten Regeln nicht akzeptieren und unseren Lebensunterhalt damit bestreiten, dass wir den Reichen Geld stehlen, wird vom System als illegal angesehen, aber für uns ist es gerecht und obligatorisch und daher aus unserer Sicht legal. Ebenso kann jede Haltung, die sich nicht an der Aufrechterhaltung der kapitalistischen Macht beteiligt, als jener Strom der Rebellion betrachtet werden, von dem du sprichst und der die Gesetze und Regeln ertränken wird, die uns an das Elend binden.

Wenn der revolutionäre Augenblick jeden Tag stattfindet, ergibt sich die Notwendigkeit direkter Aktionen sowohl für die Zerstörung all dessen, was uns unterdrückt, als auch für die Schaffung einer neuen Welt. Wie lassen sich diese beiden subversiven Aufgaben miteinander vereinbaren, ohne entweder in trockene und entfremdende Militanz oder defätistischen Reformismus zu verfallen?

Die Schaffung einer neuen Welt und die Notwendigkeit der alltäglichen revolutionären Arbeit bei der Erfüllung der subversiven Aufgaben darf weder in eine trockene und entfremdende Militarisierung noch in einen defätistischen Reformismus verfallen. Wir müssen in dieser Angelegenheit vorsichtig sein, um nicht Gefahr zu laufen, in eine Ermüdung zu verfallen, die zum Aufgeben der Gefährten und Gefährtinnen führen könnte. Hier manifestiert sich unsere Kreativität, indem wir neue Impulse und Ideen einbringen, die Revolution und der Weg dorthin dürfen nicht in Entfremdung verfallen… wir müssen uns von Zeit zu Zeit eine Pause gönnen, wenn wir nicht in Routine verfallen wollen. Die Zeiten und Muster unseres Handelns gehören uns, weder Macht noch soziale Traurigkeit stehen über unseren Bedürfnissen als freie Menschen.

1996 wurdest du nach der gescheiterten Flucht nach der Enteignung der Zentrale der Banco Santander in Córdoba in dem Dorf Siete Puertas inhaftiert. Wie waren die Reaktionen der anarchistischen Kreise (mit und ohne Anführungszeichen) damals, sowohl in Spanien als auch im Ausland?

Das Dorf, in dem ich inhaftiert war, heißt Bujalance, Sietepuertas ist der Name der Cafeteria, in der ich von den Guardia Civiles gefangen wurde, diese Cafeteria gibt es nicht mehr, an ihrer Stelle steht eine Bank. Die Reaktionen aus anarchistischen Kreisen des spanischen Staates waren zum Teil harsche Kritik, zum Teil Befürwortung der Enteignung der Santander-Bank in Córdoba (eine der reichsten Banken der Stadt). Von außerhalb des spanischen Staates erhielten wir bewegende solidarische Unterstützung aus Italien. Ich erinnere mich, dass ich, als ich verwundet und geschlagen in Einzelhaft im Gefängnis von Córdoba saß, ein Telegramm aus meinem Land erhielt, das mich wegen der Herzlichkeit und der Gefährtenschaft, die es ausstrahlte, zum Weinen brachte. Mit der Zeit trafen dann auch Briefe und Postkarten aus Spanien und anderen Ländern der europäischen und internationalen Gemeinschaft ein, viele davon mit der gleichen Intensität und Zuneigung.

Du hast die offensive Praxis über die Grenzen der Staaten ausgeübt und hast jahrelang die Behörden verspottet. Wie siehst du den unpatriotischen und internationalistischen Kampf der Anarchisten und Anarchistinnen auf der ganzen Welt heute?

Ich sehe die unpatriotischen und internationalistischen Kämpfe der Anarchistinnen und Anarchisten auf der ganzen Welt, die ständig präsent sind und im Gegenzug sehr harte Reaktionen von der Polizei und den Gerichten erhalten, die sich vor ihnen zu Tode fürchten. Ihr, die ihr draußen seid, habt mehr Daten, die von der Intensität dieser Kämpfe zeugen. Bevor ich von der Bildfläche verschwinde, würde ich gerne noch den einen oder anderen Triumph sehen. Das wäre für mich und für euch alle das schönste Geschenk, das wir bekommen können… Hoffentlich ist es bald soweit.

Während du in den Kerkern der spanischen Demokratie saßt, hast du hart dafür gekämpft, die Isolation und die Abschaffung des Sonderregimes der FIES zu durchbrechen. Wie bewertest du diese Momente heute?

Ich habe in den Kerkern der spanischen Demokratie hart gekämpft, für die Abschaffung des FIES-Regimes und der Isolation, für die Abschaffung der langen Haftstrafen und der heimlichen lebenslangen Haftstrafen. Jetzt bin ich im Kampf für die Abschaffung von Folter und Misshandlung in den Gefängnissen, der im Oktober 2011 mit gemeinsamen Aktionen begann, indem ich an jedem ersten Tag des Monats einen symbolischen Hungerstreik durchführte und so ein Netzwerk von Solidaritätsanwälten erhielt, um den kämpfenden Gefährten angesichts der Repressalien des Gefängnissystems rechtlichen Beistand zu leisten. Ich bewerte diese Momente des Kampfes nicht als Vergangenheit… sondern als etwas Gegenwärtiges, vielleicht mit weniger Intensität und Beteiligung der Gefangenengemeinschaft als zuvor. Im Gefängnis zu sein bedeutet für mich, sich in einem ständigen Kampf zu befinden. Das Gefängnis ist kein Ort, an dem man sich entspannen und die Realität um sich herum vergessen kann.

Du bist einer der Anarchisten, die weltweit zu langen Haftstrafen verurteilt wurden. Gibt es nach so vielen Jahren der Inhaftierung irgendwelche Veränderungen in der Gefängnisgesellschaft und ihrer Bevölkerung?

Seit meinem Eintritt in den Strafvollzug im Jahr 1980 haben sich viele Veränderungen in der Gesellschaft und bei den Insassen ergeben. Die Bevölkerung (A.d.Ü., im Knast) hat sich mit dem Einzug legaler Drogen wie Methadon und Psychopharmaka verändert, die täglich von der Verwaltung abgegeben werden. Sie haben es geschafft, einen großen Teil der Gefängnisinsassen zu isolieren und sie zu Individualisten zu machen. Es gibt nicht mehr die kämpferische Solidarität wie früher, wo sie einen berührten und alle rebellierten. Heute und seit vielen Jahren werden die Gefangenen nicht nur physisch, sondern auch psychisch kontrolliert, was sie daran hindert, einen Weg zu finden, der ihrer Persönlichkeit entspricht. Die täglich eingenommenen Drogen nehmen ihnen das Beste von sich selbst und lassen nur die Sorge zurück, sie weiter einzunehmen… der Rest ist zweitrangig und von geringer Bedeutung… das ist ihr elender Kampf und der Versuch, sie vom Gegenteil zu überzeugen, ist in den meisten Fällen eine Verschwendung von Zeit und Energie. Ein Drogenkonsument ist zweimal Sklave des Systems, einmal als Gefangener und einmal als Süchtiger. Glücklicherweise gibt es in den Gefängnissen auch einen kleinen Teil der Insassen, der nicht zu diesem Kollektiv gehört, und mit ihnen können wir hier für Veränderungen kämpfen.

Apropos lange Haft: Wie hat sich dein langer Aufenthalt in Gefangenschaft auf die Solidarität mit dir, aber auch auf deine Freundschaften und persönlichen Beziehungen ausgewirkt?

Die von außen zum Ausdruck gebrachte Solidarität war und ist für mich immer eine Quelle des Stolzes, vor allem jetzt, da meine Autobiographie veröffentlicht wurde.

Wie ist der aktuelle Stand des Verfahrens gegen dich und wie sind die Aussichten für die nahe und fernere Zukunft?

Im Moment ist meine rechtliche Situation noch kompliziert, ich bin seit 17 Jahren im Gefängnis und meine Strafe in Spanien beträgt 25 Jahre. Nach meiner Verurteilung habe ich in Italien eine Strafe von 27 Jahren und 6 Monaten zu verbüßen und in Frankreich eine Strafe von 30 Jahren (mit einem noch ausstehenden Prozess, der mit etwas Glück auf 15 Jahre reduziert werden könnte). Mein Ziel ist es, eine Neufassung der ausstehenden Strafen auf insgesamt 30 Jahre zu erreichen, aber es wird für jedes Gericht sehr schwierig sein, dies anzuerkennen. Es gibt derzeit keinen Artikel in der Strafvollzugsgesetzgebung, der besagt, dass ich nach 30 Jahren ununterbrochener Haft entlassen werden muss. Wir müssen alles bis zum Gerichtshof für Menschenrechte durchkämpfen, damit er eine Einschränkung anerkennt, sonst werde ich zu lebenslanger Haft verurteilt.

Welche Botschaft möchtest du denjenigen übermitteln, die Tag und Nacht, innerhalb und außerhalb der Mauern kämpfen?

Denjenigen, die Tag und Nacht, innerhalb und außerhalb der Mauern kämpfen, möchte ich diese Botschaft übermitteln: Bleibt stark und frei, denn der beste Weg, gegen das System und die Gefängnisse zu kämpfen, ist, sie niemals zu betreten.

Eine herzliche Umarmung für euch alle.

Claudio

 

1A.d.Ü., im spanischen ist die Rede von macrocárceles, was wortwörtlich Macroknäste, riesige Knäste und ähnlicheres ist. Dieser Begriff beschreibt den Trend der spanischen Regierung ab den 1990er, vereinzelt auch davor riesige Knäste außerhalb von Städten und Ortschaften zu bauen, also in der Regel mitten im Nirgendwo, damit unter anderem der Besuch, die Unterstützung und die Solidarität mit den Gefangenen erschwert werden würde. Für Angehörige ohne Auto würde es eine Tortur sein jedes Mal dort hin zu fahren und alle Knastkundebungen und Demos würden im Nirgends, weit von der Aufmerksamkeit, stattfinden.

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