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Alfredo M. Bonanno, Anarchistischer Wahlabstentionismus

Bemerkungen: Übersetzt aus dem Italienischen. Original: Alfredo M. Bonanno, Astensionismo elettorale anarchico. Arma del proletariato per la rivoluzione sociale, als Broschüre bei La Fiaccola, Ragusa 1974. Meccanismo elettorale e repressione. Per un astensionismo sovversivo, publiziert in „Crocenera” Nr. 26, Juni 1983, S. 1-2. Costruzione delle strutture astensioniste, publiziert in „Crocenera”, Ebd., S. 1-2. Le possibilitä di una struttura organizzativa astensionista, in „Crocenera“, Ebd., S. 5-6. Documento organizzativo delle strutture astensioniste zonalit publiziert in „Provocazione“ Nr. 5, Mai 1987, S. 5. Auch publiziert in: Anfügung zur zweiten Edition von Alfredo M. Bonanno, Movimento e progetto rivoluzionario, bei Edizioni Anarchismo, Triest 2013. Zitate wo möglich abgeglichen und aktualisiert. Zürich, Oktober 2015


Vorwort

Der anarchistische Abstentionismus kann nicht bloss die Bekräftigung von einer Verweigerung, sich am demokratischen Betrug der Wahlen zu beteiligen, sein. Die Verweigerung, nicht nur anlässlich der periodischen Wahlen, sondern als Haltung gegenüber allen partizipativen Mechanismen, die sich über die verschiedenen gesellschaftlichen Verwaltungsbereiche erstrecken, ist sicherlich ein unerlässlicher Ausgangspunkt der Bewusstwerdung und Verantwortlichmachung des Einzelnen, aber nicht ausreichend. Der anarchistische Wahlabstentionismus muss ein konkreter Angriff auf diese Mechanismen zur Konsensbeschaffung sein, worauf der demokratische Staat seine Legitimität aufbaut, und die nicht von den repressiven Mechanismen zu trennen sind. Denn erstere sind, letztlich, schlicht die Sondierungen, um letztere in geregelte Bahnen zu lenken.

In diesem Sinne bietet uns die Frage des Abstentionismus Anlass, um die anarchistische Analyse und Kritik des demokratischen Regierungsmechanismus zu vertiefen, und um über konkrete Interventionsperspektiven zu reflektieren, die über eine regelmässige Wiederpräsentation unserer Thesen und einen generischen Verweis auf die Möglichkeit der Selbstorganisation und der Revolte hinausgehen. Dies ist der Grund, weshalb wir diese Broschüre publizieren. In ihr wird, neben einer ausführlichen und organischen Analyse des Autoritäts- und Delegationsbegriffe, der Verteidigungsthesen der Demokraten, dem Problem der Mehrheit und der Minderheit, sowie der Position der autoritären Revolutionäre gegenüber dem Abstentionismus, im ersten Teil, in einem zweiten Teil der Vorschlag des Aufbaus von zonalen abstentionistischen Strukturen entwickelt, welche zum Ziel haben, ihre Entscheidungen, durch die direkte Aktion, an Stelle jener der politischen Führungen zu setzen.

Sicher, die Umstände haben sich seit der Verfassung von diesem Pamphlet, im Jahr 1974 in Italien, verändert. In der Tat kann man sagen, dass der Abstentionsimus heute, global gesehen, ein generalisiertes Phänomen ist. Auch die Schweiz, mit ihrer Heuchelei von demokratischer Tugend, bildet dabei keine Ausnahme. Die zahlreichen Initiativen, um, insbesondere die Jugend, zum Wählen zu animieren, sind ein verzweifeltes Zeugnis davon. Im Grunde steht es schlecht um die repräsentative Politik, darin sind sich alle Parteien einig. Aber bedeutet dieses Phänomen, für uns, die wir die Verweigerung des demokratischen Wahlmechanismus verbreiten wollen, eine wachsende Bewusstwerdung und eine entschiedene Ablehnung? Wohl kaum.

Vielmehr haben die generalisierten Bedingungen von Ungewissheit und flexibler Anpassung, in denen sich die neuen Generationen wiederfinden, das starre Modell der Parteien allmählich zum erodieren gebracht. Sich zwischen den Falten der tausend Opportunitäten arrangierend, um sich in der kapitalistischen Wirtschaft über Wasser zu halten, bilden die politischen Programme der Parteien, ob links oder rechts ist im Grunde beliebig austauschbar, für die meisten keinen Orientierungspunkt mehr.

Eines der Mittel, um dieser Tendenz abzuhelfen, und das wir heute allmählich aufkommen sehen, sind die Systeme zur elektronischen Stimmabgabe. In der Tat scheint es, dass sich Systeme wie jenes der sogenannten „Liquid Democracy“ sehr gut in die heutigen Ansprüche der kapitalistischen Verwaltung einfügen liessen, die immer mehr auf einem allumfassenden Sammeln, Vernetzen und Verwalten von Daten basiert, um permanent eine möglichst schnelle und flexible Anpassung des Systems zu ermöglichen.

Aber was würde eine Entwicklung in diese Richtung bedeuten? Die Tatsache, dass nahezu jedes Mitglied einer Gesellschaft mit einem Endgerät ausgestattet ist, das über ein Netz mit allen anderen verbunden ist, beseitigt, im Grunde, einige Hürden, die von den Verfechtern der repräsentativen Demokratie gegen das Modell der direkten Demokratie vorgehalten wurden. So beispielsweise das Problem, simultan eine derart grosse Anzahl von Menschen über jeweilige Entscheidungen und Gesetzestexte zu befragen, ein Problem, das schon Rousseau anführte, der selber ein heftiger Kritiker des repräsentativen Systems war. Die Möglichkeit, zu jedem Zeitpunkt die aktuelle Meinungslage in der Bevölkerung zu erfassen, kombiniert mit den immer grösseren Möglichkeiten, diese Meinungen durch die Masseninformationsmittel zu beeinflussen und zu steuern, wäre, tatsächlich, die perfekte Grundlage für eine totalitäre Demokratie. Schliesslich, auch wenn sich alle Einzelnen permanent über Beschlüsse und Gesetzestexte äussern könnten, so bleibt es noch immer der Staat, der den Rahmen der möglichen Alternativen festlegt, welche, selbstverständlich, seine Grundlagen von Eigentum und Autorität niemals in Frage stellen können. Das, was wir allenfalls werden selbstverwalten können, wird nichts anderes als unser eigenes Elend sein.

Der anarchistische Abstentionismus bleibt, gerade in diesem Kontext, fundamentaler Ausgangspunkt für den Kampf gegen die Herrschaft in ihrer demokratischen Form.

Aber die Möglichkeit, sich unabhängig von den politischen Strukturen zusammenzuschliessen, und Entscheidungen, die autonom getroffen werden, durch die direkte Aktion an Stelle von jenen zu setzen, die uns von oben auferlegt werden, muss konkret werden, muss sich in konkreten Kämpfen realisieren, muss auf einer präzisen Kenntnis des, auch politischen, Kontexts basieren, in dem wir agieren. Eine vertieftere Analyse der demokratischen Mechanismen ist Grundlage, um ein solches Projekt zu entwickeln.

Ein Ansatz dazu wird uns in dieser Broschüre gegeben.

Zürich, 14. Oktober 2015


Einleitende Notiz zur ersten italienischen Ausgabe

Die Anarchisten kämpfen gegen das sogenannte demokratische Wahlsystem und in periodischen Abständen schlagen sie erneut ihre abstentionistischen Thesen vor. Oft werden diese Thesen bei präzisen Anlässen wie den politischen oder administrativen Wahlkampagnen entwickelt, manchmal, seltener, als Zweck für sich, das heisst als Klärung dessen, was eines der prinzipiellen Fundamente der anarchistischen Lehre ist: der Abstentionismus.

Unserer Ansicht nach gibt es zwei Wege, das Argument auf erschöpfende Weise anzugehen, von diesen zwei Wegen werden wir den zweiteren verfolgen. Der eine geht von Betrachtungen von subjektivistischer Art aus, sich über die unheilvollen Einflüsse auslassend, die die Institutionen auf alle Menschen haben, über die Degeneration, die die Institution Parlament, im spezifischen Fall, beim gewählten Abgeordneten bewirkt, und sei dieser letztere auch ein Arbeiter oder ein Bauer. Der andere geht von einer umfangreicheren Klassenbetrachtung aus, einen breiten Diskurs führend und die Gründe untersuchend, weshalb die Institution nicht akzeptiert werden kann, da sie Produkt eines präzisen Ausbeutungssystems ist, das in Widerspruch steht mit den Charakteristiken von Verantwortlichmachung, die jeder einzelne Mensch bestrebt sein muss, zu erlangen, wenn er nicht aufhören will, sich als Mensch zu definieren.

Diese zweite Art und Weise, die Analyse vom Problem des anarchistischen Abstentionismus zu entwickeln, ist diejenige, die von Malatesta in diversen Schriften von grosser Wichtigkeit angewendet wurde, darunter all jene, welche er anlässlich der Polemik mit Merlino verfasste und welche wir dieses Jahr ebenfalls bei ”La Fiaccola” von Ragusa, im Band Anarchismo e Democrazia herausgegeben haben.

Die erste Art und Weise ist die klassische der zahlreichen Galleanis, Molinaris, Faures, usw., welche, unserer Beurteilung nach, auch wenn vom unmittelbar propagandistischen Standpunkt aus gültig, die zwei wesentlichen Punkte des Problems nicht anrührt: die Klassenanalyse und die Grenzen der Verantwortlichmachung des Einzelnen.

Noch ein anderer Zweck hat uns dazu angetrieben, diese kleine Broschüre zu verfassen: jener, die allzu häufige Verwirrung zu klären, die zwischen dem anarchistischen Abstentionismus und dem revolutionären kommunistischen Abstentionismus verläuft, welcher manchmal präsent ist in der Propaganda der kommunistischen Gefährten und manchmal abwesend. Das Problem sollte nicht unterschätzt werden, besonders in Hinblick auf die häufigen Beziehungen, die wir dennoch gezwungen sind, mit solchen Gruppierungen zu bewahren.

Wir müssen schliesslich hinzufügen, dass wir uns bemüht haben, der schwierigen Materie eine möglichst einfache Gliederung zu geben. Wir wissen nicht, ob uns das gelungen ist.

Catania, 27. Juli 1974 Alfredo M. Bonanno


Anarchistischer Wahlabstentionismus

Autonomie und Verantwortung

Der Mensch hat die fundamentale Pflicht, vor sich selber, seine Verantwortungen zu übernehmen. Nicht nur weil er im Stande ist, vernünftig zu denken, und somit Entscheidungen zu treffen, sondern weil er erst durch seine Verantwortlichmachung wirklich frei sein kann.

Diese grundlegende philosophische Formulierung hat natürlich keinen präzisen Sinn, wenn sie eingetaucht in die dunkle Nacht der Metaphysik gelassen wird. Es stimmt nämlich nicht ganz, dass der Mensch sich ständig in einem Reflexions- und Entscheidungsprozess befindet: meistens, was den grössten Teil der Handlungen betrifft, die er in seinem Leben begeht und die die allgemeine Regel des alltäglichen Lebens bilden, handelt er aus Gewohnheit, überlässt er sich dem „Sichlebenlassen”, in einer Form, die ihn nicht authentisch als Mensch verwirklicht.

Dem muss hinzugefügt werden, dass die Tatsache, auf verantwortlich gemachte Weise zu leben, an und für sich, keine Gewähr dafür darstellt, in der Wahrheit zu sein, sie stellt lediglich eine Lebensmethodologie dar, die den Menschen hin zu einer freiheitlichen Dimension führt, worin ihm seine Erfahrungen und seine Fehler jene konkrete Konstruktion gewährleisten können, die wir „Freiheit” nennen und die sich der Wahrheit als mehr oder weniger nahe erweisen mag.

Ein Mensch, der seine Verantwortungen übernehmend lebt, ist kein aussergewöhnlicher Mensch, noch kann er an sich als Anarchist definiert werden, er ist bloss ein Mensch, der die moralische Pflicht des Frei-Lebens anerkennt und die fundamentalen Regeln davon akzeptiert.

Auf diese Weise konstruiert er Tag für Tag seine „Autonomie”, sie auf Gesetze stützend, die er durch seine „Erfahrungen” und jene von anderen experimentiert, aber ohne dass diese obligatorische Referenzpunkte, zwingende Annahmen oder Gesetzesnormen bilden. Meistens, folglich, realisiert sich sein verantwortlich gemachtes Handeln darin, zu tun, was die anderen tun, aber dies ist dennoch stets ein Entscheiden, zu tun, was die eigene moralische Verantwortung für richtig hält, da nicht unbedingt ein Qualitätssprung stattfindet, wenn die eigene moralische Verantwortung für etwas anderes entscheidet als das, was alle tun.

Es ist wichtig, klarzustellen, dass ein Mensch, der blindlings die Befehle eines anderen Menschen akzeptiert, und sie ausführt, ohne sie einer verantwortlich machenden Kritik zu unterziehen, nicht autonom ist, aber deswegen nicht aufhört, für die Handlungen, die er infolge des erhaltenen Befehls begeht, verantwortlich zu sein. Dieses Alibi, das von so vielen Kriegsverbrechern verteidigt wird, entbehrt offensichtlich jeglicher Grundlage. Wer einen Befehl ausführt, ohne ihn einer Kritik zu unterziehen, ist ein Mensch, der seine Autonomie verloren hat, da er aufgehört hat, sich selber verantwortlich zu machen, aber er ist trotzdem vollumfänglich für seine Handlungen verantwortlich.

Es ist logisch, dass es viele Handlungen des menschlichen Lebens gibt, die auf eine andere Ebene übertragen werden als die der persönlichen Verantwortlichmachung, und es ist auch sehr vernünftig, dass dem so ist. Wenn wir zum Doktor gehen und seine Verschreibungen befolgen, wenn wir uns einem Architekten anvertrauen für das Projekt einer Brücke oder eines Hauses, und in vielen anderen Situationen delegieren wir unsere Autonomie in die Hände einer ganz anderen Person, weil wir sie technisch für befähigter halten als uns, gewisse Entscheidungen zu treffen: aber diese Delegation muss infolge des Verlaufs der vollbrachten Taten und der von unserem Delegierten ergriffenen Massnahmen jederzeit widerrufbar sein.

Für einen autonomen Menschen gibt es keine Entscheidungen von anderen, die die Form von „Befehlen” annehmen können. Jedenfalls, wenn ein Polizist, der mit einem blossen Handzeichen meinen Wagen auf der Strasse anhält, gedenkt, mir damit einen Befehl zu erteilen, so lässt mich das völlig gleichgültig, denn ich bin es, der entscheidet, ob ich anhalte oder nicht, da ich mir darüber bewusst bin, dass es um vieles vorteilhafter ist für mich, dies zu tun, anstatt aus keinem triftigen Grund die Konsequenzen einer Verfolgungsjagd, einer Verhaftung oder was sonst noch allem einzugehen. Wenn ich aber triftige Gründe habe, um nicht anzuhalten, dann wird es gewiss nicht jene erhobene Hand sein, die mich davon abhält, und ich werde mich all den Risiken stellen. Letztendlich auferlegt mir diese erhobene Hand nichts, was nicht der gründlichen Prüfung meiner selektiven Kritik unterzogen wurde, nichts, was nicht unmittelbar, im einen oder anderen Sinne, von meinem Bewusstsein beschlossen und vor das Gericht meiner Verantwortlichmachung gebracht wurde. In einem gewissen Sinne ist diese erhobene Hand ein Strassensignal wie ein anderes, dem ich mir gewiss nicht erträume, irgendeine „Autorität” beizumessen.

Der Autoritätsbegriff

Autorität ist die Möglichkeit, die jemand hat, anderen ein gewisses aktives oder passives Verhalten zu befehlen. Sie setzt demnach das Vorhandensein von einer Macht voraus, die eine Befehlsgewalt ermöglicht. Dies ist, weshalb es nicht immer einfach ist, zwischen Macht und Autorität zu unterscheiden. Im Prinzip besteht die Macht aus allen Mitteln, die jemand besitzt, um eine Autorität (sprich eine Möglichkeit, aktive oder passive Verhaltensnormen zu diktieren) auszuüben.

Die politischen Philosophen haben eine etwas andere Unterscheidung zwischen Macht und Autorität gemacht, und die Dinge damit unglaublich verworren. Sie sagen: wenn ein Dieb eine Waffe auf mich richtet und mich zum sofortigen Aushändigen des Geldbeutels auffordert, dann gehorche ich, weil ich einen grösseren Schaden fürchte (den Verlust des Lebens), aber ich gestehe dem Dieb keine Autorität über mich zu, ich gestehe ihm lediglich eine Macht zu (begründet, eben, auf der Waffe, die er in der Hand hält). Wenn mich aber der Staat zum Militärdienst aufruft, oder dazu, Steuern zu bezahlen, oder mir die Pflicht eines Reisepasses auferlegt, um ins Ausland zu gehen, so gehorche ich, weil ich ihm das Recht zugestehe, zu tun, was er tut, sprich, weil ich ihm eine Autorität zugestehe.

Die Überlegung ist falsch. Die Unterscheidung zwischen Macht und Autorität ist von methodologischer und nicht von substanzieller Natur. Ich gehorche dem Staat, der mir vorschreibt, Steuern zu bezahlen, zum Militärdienst zu gehen oder mir einen Reisepass zu machen, weil ich einen grösseren Schaden fürchte (geldlich, persönlich, Gefängnis, usw.), richtig ist also, dass ich dem Staat eine ganz gleiche Macht zugestehe wie dem Dieb, der im Dunkel der Nacht eine Pistole in der Hand hält, und eine nicht andere Autorität als jene, die dem Dieb von seiner Pistole zukommt.

Auf diese Weise haben wir zwei Resultate erhalten: zuerst haben wir die Bedeutungen von Autorität und Macht verschmolzen, indem wir den Sinn des ersteren Wortes nutzlos machten, wenn es nicht von der Anwesenheit des zweiteren begleitet wird, dann haben wir die Bedeutung von Macht auf jene eines Instruments reduziert, das der Autorität zur Verfügung steht, damit sie realisieren kann, was, anderenfalls, toter Buchstabe bleiben würde.

Wenn wir unsere einfache Überlegung in den Bereich der Politikwissenschaft übertragen, dann resultiert daraus, dass der Staat nicht eine Organisation ist, welcher innerhalb von einem Territorium eine höchste Autorität „zugestanden” wird von jenen, über die diese Autorität ausgeübt wird, sondern diejenige Organisation, welche die geeigneten Mittel (die entsprechende Macht) besitzt, um in einem bestimmten Territorium die stärkste Autorität über jene auszuüben, die, um ein grösseres Übel zu vermeiden, darin enden, sie anzuerkennen.

Es ist nicht dies der Ort, um zu untersuchen, wie diese „höchste Autorität“ zustande kommt und welches die Bedingungen sind, die ihre mannigfachen Umgestaltungen im Verlaufe der Jahrhunderte regulieren, sprich, unter welchen realen Bedingungen die autoritären Institutionen gezwungen waren, sich umzugestalten, um zu überleben und die Autorität auffechtzuerhalten. Wir brauchen bloss zu sagen, dass in all den sogenannten demokratischen politischen Philosophien präexistente Begriffe aus den absolutistischen politischen Philosophien entliehen wurden. Der Begriff der „Volkssouveränität“, zum Beispiel, ist klar dem für die Monarchie typischen Begriff der Souveränität entliehen. Man ist, in anderen Worten, willentlich auf der falschen Seite der Barrikade geblieben. Das Volk ist auf die Strassen gegangen, hat unzählige Male die Tyranneien gestürzt, indem es seinen Blutzoll bezahlte, und unzählige Male haben die Diener der Macht, die Jakobiner und Demokraten, dieselbe Suppe wieder neu vermischt und Lösungen geliefert, die nur scheinbar neu waren. Das, was, vor allen Dingen, bewahrt werden musste, war die Ordnung und die Macht, die sich daraus ableitet, anschliessend wurde über Forderungen, über Verbesserungen usw. diskutiert.

Die andere Autorität, diejenige, die nicht an das repressive Instrument der Macht gebunden ist, die wahrhaft demokratische, von den assoziativen Basisorganismen elaborierte, diejenige, die aus den Diskussionen der Versammlungen hervorgeht, ist nicht berücksichtigt worden. Und sie ist es, worauf wir die Aufmerksamkeit legen müssen.

Ich kann nämlich, wenn ich vor einem neuen Problem stehe, von ausserhalb zwei „Mitteilungen” erhalten: eine, von autoritärer Art im traditionellen Sinn, die mir, in möglichst knapper Form, sagt, was ich zu tun habe, es vermeidend, mir zu erklären, weshalb ich etwas tun soll und was die Konsequenzen dessen sind, was ich tun soll, und eine andere, von assoziativer Art im neuen und revolutionären Sinn, die mir lediglich die Gelegenheit liefert, damit ich mit dem mir unbekannten Problem in Kontakt komme, mir gleichzeitig Erläuterungen erteilend über das Wieso und die Konsequenzen dessen, was ich tun soll. Die erstere Mitteilung entspräche dem autoritären Verhalten, die zweitere dem demokratischen. Es muss hinzugefügt werden, um einer leichten Kritik vorzubeugen, dass dieses letztere Verhalten, um wirklich demokratisch zu sein, nicht bloss in der Entscheidung bezüglich einem gewissen Problem, sondern auch was die Wahl des Problems selber betrifft, dasselbe Verfahren anwenden muss.

Interessante Studien in diesem Sinne sind während des letzten Weltkriegs vom Sozialpsychologen Kurt Lewin in den Vereinigten Staaten gemacht worden. Es handelte sich darum, die amerikanischen Hausfrauen davon zu überzeugen, Geflügelinnereien anstatt des Fleisches zu gebrauchen, welches, seinerseits, für die Rationen der Armee verwendet wurde. Es wurden erklärende Konferenzen organisiert und, zur gleichen Zeit, Versammlungen, zu welchen eine gewisse Anzahl von Frauen „demokratisch” eingeladen wurde, um über das besagte Problem zu diskutieren. Es zeigte sich, nach einer bestimmten Zeitspanne, dass die Resultate, die mit den demokratischen Versammlungen erlangt wurden, viel bedeutender waren als jene der „autoritären” Konferenzen, also derjenigen nach klassischer Art (ein Fachmann, der vom Rednerpult herab die Art und Wichtigkeit erklärt, die Geflügelinnereien zu verwenden). Eine interessante Kritik an diesen Studien besteht darin, dass es nicht die „demokratischen” Gruppen selber waren, die über das zur Diskussion stehende Argument entschieden, sondern das Argument von einer präexistenten Autorität vorgegeben wurde, was das demokratische Verfahren der Diskussion nichtig machte, auch abgesehen vom sehr korrekten Einwand von Karl Mannheim, der, diesbezüglich, darauf hinwies, wie einfach es auf diese Weise sei, die Leute davon zu überzeugen, die Produktion von Butter (beispielsweise) durch jene von Kanonen zu ersetzen, und dennoch äusserlich die demokratische Struktur aufrechtzuerhalten.

Mit dem demokratischen Verfahren befinde ich mich, in der Versammlung, mit dem Problem in Kontakt, während so noch immer ein Prozess von autoritärer Natur realisiert wird – mit dem Gefährten, der in diesem Problem bewanderter ist als ich aber von einer Autorität, die wir als „persuasiv” definieren könnten, und die nicht über ein Instrument verfügt, das fähig ist, sich in eine „zwingende” Autorität zu verwandeln, sie ist, demnach, ohne Macht im vorhin betrachteten Sinne.

Die Vertrautheit und die Erziehung zu dieser Art von Autorität werden mich in die Lage versetzen, die anfänglichen persönlichen Defizite zu beheben und auf immer aktivere Weise am Lösungsprozess der Probleme teilzunehmen.

Dieses Schema, das wir Umrissen haben, dient, offensichtlich, als Rahmenüberblick des politischen Verhaltens von einem Individuum, das in Gesellschaft lebt, doch in der Realität sieht sich der Mensch gezwungen, in spezifischen historischen Situationen zu kämpfen, die ihn in einen bestimmten Kontakt mit der Autorität stellen. Denn, auch die despotischste Autorität liefert der Welt Gründe, um ihre Befehle zu befolgen, und Gründe, um sie zu bekämpfen. Darin liegt die Schwierigkeit der Lösung des politischen Problems und des revolutionären Kampfes. Ja, wir können sogar hinzufügen, dass, während allmählich vom autoritären zum possibilistischen sozialdemokratischen Regime übergegangen wird, und die Gründe, um der staatlichen Autorität zu gehorchen, zunehmen, die Gründe, tun sie zu bekämpfen und zu zerstören, immer schwieriger auszumachen werden.

Das so abgeschundene Problem der politischen Philosophie, das darin besteht, was denn die Pflicht der Person begründet, der Autorität zu gehorchen, interessiert uns nicht. Das ist ein absurdes Problem. Wichtig ist, zu untersuchen, inwiefern die Gründe, die ein Mensch haben mag, um der Autorität zu gehorchen, begründet sind oder nicht, und dieses Problem haben wir in Zusammenhang mit demjenigen der Verantwortlichmachung gestellt. Die politischen Philosophen, angefangen bei Kant, haben sich mit dem sympathischen Mechanismus der „Deduktion” herausgezogen, sie sagen: wenn es einen Hund gibt, so kann der Begriff Hund verwendet werden, und aus demselben Grund kann, wenn es jemanden gibt, der einer gesetzlichen Autorität gehorcht, der Begriff der gesetzlichen Autorität verwendet werden. Eine absurde Argumentation, wie jeder sehen kann, gültig, um einen Sachverhalt zu veranschaulichen, aber sicherlich nicht gültig, um die Legitimität von dieser Autorität zu begründen und, was noch viel schlimmer ist, um diesen Begriff von Legitimität aus dem Geschlossenen der Bibliotheken heraustreten zu lassen und ihn auf die Strassen zu tragen, den Tod von Millionen von Menschen verursachend und an der Ausbeutung der anderen mitwirkend.

Autorität und Autonomie im assoziierten Leben

Der Mensch ist berufen, viel komplexere Probleme anzugehen als die spezifischen des individuellen Lebens, Probleme, die im Allgemeinen dem Leben in Gemeinschaft angehören, Probleme von politischem Charakter. Für die meisten Menschen präsentiert sich die „Gemeinschaft” als etwas Äusserliches und Feindliches, als etwas, das sich konkret unter dem Aspekt von Bürokratie und Tradition realisiert. Der Staat, mit all seinen mannigfachen Zwangsaspekten, die Kultur, mit all ihren auf der Tradition begründeten konservativen Aspekten, enden darin, vor dem Einzelnen ein – fast immer unüberwindliches – Hindernis aufzubauen, das ihn von einer Bewusstwerdung und somit von einer Verantwortlichmachung seiner selbst trennt. Auf diese Weise konstruiert sich jeder eine Binsenethik, meist zusammenfassbar in einem Konzept von Gehorsam gegenüber gewissen Vorschriften, gegenüber gewissen Personen, welche die Autorität in unmittelbarerer Form zur Gerinnung bringen, oder gegenüber gewissen Leitsätzen von allgemeiner Natur.

Bezüglich dem politischen Aspekt des Problems der moralischen Autonomie muss gesagt werden, dass er darauf hinausläuft, alle anderen Bereiche, alle anderen Sektoren für sich zu interessieren, weshalb die Möglichkeit eines Menschen, der sich in seinem tagtäglichen Leben verantwortlich macht und dem politischen Engagement völlig fremd bleibt, rein theoretisch wird.

Daraus leitet sich als Erstes ab, dass die politische Autonomie, und somit die politische Verantwortlichmachung des Einzelnen, eine Angelegenheit ist, die an die Bewusstwerdung über gewisse Tatsachen, an die Dokumentierung, an die Entwicklung gewisser kritischer Fähigkeiten und an die Aufrechterhaltung gewisser Umweltkontakte gebunden ist. Es ist, in der Tat, ziemlich deutlich, dass die moderne demokratische Macht, von parlamentarischer Form, auf der Unwissenheit und auf der Apathie der Massen beruht, Charakteristiken, die mit einer ganzen Reihe von Initiativen und Verdrehungen sorgfältig genährt werden. Es handelt sich dabei um die Tätigkeit zur Instandhaltung der tragenden Strukturen des Systems, welche durch sehr verschiedenartige Kanäle ausgeübt wird, die vom Sport bis zur journalistischen Information, von der schulischen Bildung bis zum Fernsehen, usw. reichen. Mit diesem schwerwiegenden Problem, das bisher kaum vertieft wurde, habe ich mich vor einigen Jahren beschäftigt. (Vgl. La distruzione necessaria, erste Ed. Catania 1968, zweite Ed. Triest 2003).

Die gegenwärtige Situation des fortgeschrittenen Kapitalismus erfordert derartige Informationslevels, die es, für den gewöhnlichen Menschen, ohne eine beträchtliche Anstrengung nicht einfach ist zu erlangen. Die bürokratische und technologische Struktur ist derart komplex, dass sie die Möglichkeit zur Autonomie des Einzelnen ernsthaft gefährdet. Schauen wir uns die demokratische Lösung an: die Menschen können nicht gedenken, autonom zu sein, solange sie sich nicht eine Regierung geben, die aus ihnen selbst besteht, eine Regierung, die nicht über dem Volk oder für das Volk steht, sondern eine Regierung, die aus dem Volk besteht. Auf diese Weise wären die Anordnungen von dieser Regierung legitim, denn es wäre das Volk selbst, welches sie gibt. Es würde sich dabei um einen Übergang vom Begriff der Autonomie des Einzelnen zum Begriff der kollektiven Autonomie von mehreren Einzelnen handeln.

Theoretisch müsste die demokratische Lösung von der direkten Demokratie ausgehen, jeder Einzelne äussert sich über jede Massnahme und jedes Gesetz, indem er sein Einverständnis oder sein Nichteinverständnis gibt. Aber in Wirklichkeit, einmal abgesehen von den theoretischen Fragen, die eine Anwendung von diesem Mittel auf breiter Skala unwahrscheinlich machen, bleibt die Tatsache, dass die Entscheidung des Einzelnen über das einzelne Gesetz im Moment abgeschnitten bleibt vom nachfolgenden Moment, demjenigen der zwingenden Anwendung des Gesetzes, welche einem Organismus übertragen wird, der, eigens dafür, mit einer Macht betraut wurde, die ganz anders ist als die Entscheidungsmacht, die zur Annahme der Zweckmässigkeit des Gesetzes führte.

Sicher, es könnte sich auch die Tatsache ereignen, dass sich der Einzelne, vor der Pflicht des Gesetzes stehend, autonom, aus dem schlichten Grund, dafür gestimmt zu haben, gebunden fühlt, auch wenn ihn die zwingenden Folgen des Gesetzes, im nachfolgenden Moment, aufgrund von unvermutet aufgetretenen Veränderungen in seinen persönlichen Interessen, schädigen anstatt begünstigen: aber dabei handelt es sich um eine nebensächliche Anmerkung.

Die wahrscheinlichste Lösung wäre hingegen ein beständiger Konflikt zwischen Pflicht und Interesse, welcher die Gemeinschaft in derartige Bedingungen stürzt, dass der Eingriff der Instrumente, welche zur zwangsmässigen Anwendung des Gesetzes geschaffen wurden, erforderlich wird. Von dem bis zur Ausformung des Gesetzes oberhalb der Autonomie der Einzelnen wäre der Schritt recht klein: die substanzielle Transformation eines Rechtsstaates in einen Gewaltstaat.

So sind wir also bei der Lösung der repräsentativen Demokratie. Mit ihr werden einige Hindernisse überwunden: jenes der Zeit, die es den politischen Angelegenheiten zu widmen gilt (nicht alle haben verfügbare Zeit dafür), jenes der erforderlichen technischen Kenntnis, jenes der ausserordentlich grossen Anzahl Personen, die über jede einzelne Massnahme befragt werden müssten. Es handelt sich dabei um Hindernisse, die in Wirklichkeit nicht existieren und die absichtlich aufgebauscht werden von denjenigen, die persönlich an der Realisierung der Delegation, der Macht interessiert sind. Im Grunde müssten alle die Zeit haben, um sich den politischen Problemen zu widmen, und das Leben von heute lehrt uns, wie – im Moment der Verantwortlichmachung – unsere ganze Existenz von der politischen Dimension gezeichnet ist, dasselbe liesse sich darüber sagen, was die erforderlichen technischen Kenntnisse betrifft, es sei denn man will die Dimension der kapitalistischen Gesellschaft berücksichtigen, welche von der klassischen Unterteilung in manuelle Arbeit und intellektuelle Arbeit gezeichnet ist. Was, letztendlich, das Problem der Zahl der zu befragenden Individuen betrifft, so ist auch dieses inexistent, wenn einmal vom assoziativen, föderativen und dezentralisierten Konzept der ökonomisch-sozialen Struktur der Gesellschaft der Zukunft ausgegangen wird.

Das Problem jedoch, das uns beschäftigt, ist folgendes: kann die repräsentative Demokratie die Autonomie des Einzelnen gewährleisten und, wiederum, kann sich ein verantwortlich gemachter Mensch verpflichtet fühlen, Gesetze zu respektieren, die von anderen verabschiedet wurden, wenn auch von ihm dazu delegiert?

Der Delegationsbegriff

Wenn sich eine Person ausserstande sieht, über ein Argument seines Interesses eine eigene Meinung auszudrücken oder irgendeine Entscheidung zu treffen, dann kann sie jemand anderen dazu delegieren, dies für sie zu tun, indem sie die Grenzen des übertragenen Mandats ausführlich darlegt.

Wir stehen vor dem Repräsentations- oder Delegationsbegriff, der, in seiner ursprünglichen Vorstellung, eben die Wahrung der Autonomie des Einzelnen gestatten sollte.

Aber die Grenzen der Prokura in der klassischen Form sind zu beschränkt, um uns zu erlauben, sie im parlamentarischen Mandat ausmachen zu können. Denn, was leitet meine Wahl eines Kandidaten ins Parlament? Gewiss nicht die präzisen Indikationen und die Details über alle zukünftigen Gesetze, die dieser Kandidat verabschieden wird, die ich nicht kenne und die auch er nicht kennt, einzig sein politisches Programm bildet die Grundlage für meine Entscheidung, eine sehr ungewisse und vage Grundlage, um mit den präzisen und umschriebenen Grenzen des Vertretungsmandats gleichgesetzt werden zu können. Wenn wir uns dann die nebulöse Inkonsistenz von allen politischen Programmen der Parlamentarier bewusst halten, so sehen wir, wie es eben diese Gehaltlosigkeit ist, welche den Mechanismus selbst der Wahlen ermöglicht, die Ideen der Menschen verwirrend, sie gewaltsam in starre Schemen (Parteien) kanalisierend, welche sich an ideologische Entscheide anlehnen, die so generisch sind, dass sie sich zu jeglicher Bekehrung im einen oder anderen Sinn bereit erweisen.

Nun, wenn dieses repräsentative System das war, was in einigen europäischen Ländern vor der französischen Revolution in mehr oder weniger klaren Formen herrschte (zum Beispiel wurden die „Generalstände” von 1789 auf Basis des repräsentativen Systems einberufen), so entwickelte sich mit der verfassungsgebenden Versammlung von 1791 das Prinzip der Volkssouveränität, welches noch heute den modernen demokratischen Staaten zugrunde liegt. Schauen wir uns an, was die direkten Folgen davon sind. Zunächst einmal war dieser Souveränitätsbegriff nicht der, der von Rousseau als Summe der einzelnen Souveränitätsparzellen, die jedem Staatsbürger individuell zustehen, theoretisiert wurde, sondern der der „Souveränität der Nation”, verstanden als etwas Einheitliches und Untrennbares, wenn auch Abstraktes. Tatsächlich liest man in der Erklärung der Menschenrechte von 1789 im Art. 3: «Der Ursprung jeder Souveränität ruht letztlich in der Nation.» Es soll also die Nation sein, die ein oder mehrere repräsentative und gewählte Organe delegiert, welche, auf diesem Weg, zwingende Macht erhalten, um dafür zu sorgen, dass die verabschiedeten Gesetze in allen Fällen und an allen Orten ausgeführt werden. Die traditionelle Konzeption, dass jeder Gewählte eine einzelne soziale Gruppe oder eine einzelne Gemeinschaft vertritt, wurde durch das Konzept ersetzt, dass es die ganze Nation sei, welche den Einzelnen wählt, und dass die Aufteilung in Wahlkreise und Distrikte lediglich eine technische Vorkehrung sei, um den Wahlmechanismus durchzuführen.

Hier liegt der Kern des Problems. Gesetzt die Unmöglichkeit eines ganz präzisen Mandats, gesetzt, dass die Beschlüsse im Parlament im Namen der Nation getroffen werden und somit für den Einzelnen, unabhängig von seiner persönlichen Meinung, zwingend sein werden, Einzelner, der sich dadurch seiner Autonomie und Verantwortung beraubt sehen wird, gesetzt, dass es keinen anderen Weg gibt, um jene moralische Verpflichtung zu gewährleisten, welche, erforderlich für das Leben in Gesellschaft, einzig in der Entscheidung des Einzelnen freiheitlichen Ursprung finden kann, so kann das demokratische Instrument, verstanden in Form von repräsentativ-parlamentarischer Delegation, nicht gebraucht werden, und muss es mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln kritisiert, angegriffen und boykottiert werden.

Daraus folgt, als direkte logische Ableitung, dass ich mich, da ich mich von den Parlamentariern, welche die Gesetze machen, nicht repräsentiert fühle, auch nicht moralisch verpflichtet fühle, diese Gesetze zu befolgen, denn sie wurden, in meinem Namen, von jemandem verabschiedet, der nicht in präziser Form delegiert wurde.

Es ist keine unbedeutende Tatsache, nämlich, dass das Parlament, in den modernen konstitutionellen Staaten, eine ihm eigene juristische Konsistenz, eine Persönlichkeit hat, die es ungeachtet seiner Zusammensetzung und der politischen Farbe, die es charakterisiert, als existent als Organ des Staates anerkennt. Ist die Delegation substanziell verschwunden, verabschiedet das Parlament die Gesetze derart, dass in den Gesetzen nicht die Allgemeinheit der Staatsbürger widergespiegelt wird, sondern bloss die Allgemeinheit der Komponenten des Parlaments selbst. Auf diese Weise ist der Staatsbürger verpflichtet, in rechtswidriger Form die Gesetze zu befolgen, ein wahrer Missbrauch, der mit Gewalt vonseiten des Parlaments mittels der Exekutivorganismen realisiert wird, denn das Parlament alleine müsste verpflichtet sein, sie zu befolgen.

Auf diese Weise werden die Staatsbürger zu Untertanen des Parlaments, das, in einem anderen Kleid und auf einem anderen Weg, dahin gelangt, dieselbe Position einzunehmen, wie sie der Monarch innehatte.

Zwischen einem Parlament, das Gesetze verabschiedet, über welche die einzelnen Wähler niemals eine Meinung bekundigt oder eine Wahl getroffen haben, und einer wohlwollenden Diktatur oder einer ebenso wohlwollenden Wahlmonarchie, die ihre Entscheidungen treffen, ohne die Staatsbürger zu befragen, existiert keinerlei Unterschied.

Kritik der politischen Repräsentanz

Die Diener des Systems haben rechtzeitig dafür gesorgt, Theorien auszuarbeiten, um die „besondere“ Art von Mandat zu rechtfertigen, welches jenes ist, das für die politische Repräsentanz typisch ist. Es gibt verschiedene Thesen. Sie alle gehen von der Voraussetzung aus, dass es sich um ein ganz anderes Mandat handelt als das „normale” der direkten Delegation. Schauen wir sie uns genauer an.

Eine erste Theorie behauptet, dass das Parlament nicht als ein passives Organ des Willens der Wähler betrachtet werden kann, sondern ein unabhängiges Leben haben muss, wie jenes der anderen Organe des Staates, weshalb es sich nicht als zusammengesetzt aus den Repräsentanten des allgemeinen Durchschnitts und der Kultur des Wählerkörpers erweist, sondern aus Menschen, die ihr bemerkenswert überlegen sind, sprich aus den besten Elementen, welche die Nation in einem bestimmten historischen Moment zu bieten hat. Auf diese Weise hätte man also nicht eine Entscheidung auf der Grundlage eines Mandats, das es zum Abschluss zu bringen gilt, sondern auf der Grundlage der Fähigkeit. Die Absurdität von dieser Theorie ist offenkundig. Zunächst einmal sagt sie uns nicht, weshalb denn jene Handvoll Menschen eine dem Rest der Gemeinschaft übergeordnete Macht haben sollte, gesetzt, dass die blosse These der Fähigkeit vom moralischen und juristischen Standpunkt aus nicht ausreicht. Nichts sagt uns diese Theorie über das Verhältnis zwischen Repräsentanten und Repräsentierten und über das Los der legitimen Erwartung von letzteren, welche sich offensichtlich, bloss aufgrund der simplen Tatsache (gehen wir ruhig davon aus), die besten Männer ausgelesen zu haben, nicht befriedigt fühlen können. Was schliesslich die Fähigkeit von diesen letzteren betrifft, so lohnt es sich nicht wirklich, darüber zu diskutieren, denn alle wissen sehr wohl, wie die Selektion erfolgt und was für Geschäftemacher und Intriganten die überwiegende Mehrheit von jenen ausmachen, die im Parlament sitzen, aber dabei handelt es sich um eine Kritik von individualistischer Natur, die unwichtig ist.

Eine zweite Theorie sagt uns, dass der Zweck des Parlaments darin besteht, das Volk mit dem Staat in Verbindung zu halten, weshalb das Mandat sui generis und ohne Vertretung sei. Diese Theorie beschränkt sich darauf, zu sagen, was in Wirklichkeit geschieht: das Volk wird auf dem Papier vertreten, die Verbindung zwischen Volk und Staat wird offiziell gewährleistet, aber alle Formen der Repression und der Ausbeutung sickern durch sie hindurch. Auch diese Theorie kümmert sich nicht um die Frage, wieso die Vertretenen von diesem Mandat sui generis verpflichtet sein sollten.

Eine andere Theorie behauptet, dass die Gewählten nicht Inhaber eines Organs „des Volkes”, sondern hingegen eines Organs „des Staates” sind, weshalb ihre Inhaberschaft ihren Ursprung in der Verfassung und nicht im Volkswillen findet. Letzterer stellt ein rein technisches Instrument dar, um die Formation des Organs zu ermöglichen. Der Wählerkörper, indem er seine Vertreter bestimmt, nominiert daher nicht Mandatare mit der Aufgabe, seine Rechte geltend zu machen, sondern übt, im Gegenteil, eine ihm vom Staat gegebene Befugnis aus, die gesetzgebenden Versammlungen zu formen. Diese Theorie, welche die durchgehend Akzeptierte ist, beseitigt mit einem Schlag jegliche Verbindungsmöglichkeit zwischen Wähler und seinem Vertreter, während sie den zwanghaften und despotischen Charakter der sogenannten Volksdemokratie vollumfänglich offenbart.

Die Vertretung des Willens, die alleine die Demokratie auf das wirkliche Recht gründen konnte, wird durch die Vertretung der Meinungen ersetzt, die im magischen Schmelztiegel der Parteien elaboriert werden. Der Einzelne verschwindet, um eingetaucht in die grossen Gezeiten der Ideologien und die von den Berufspolitikanten geschickt manövrierten Überbauten hervorzukommen.

Verteidigungsthesen der Unterstützer der parlamentarischen Demokratie

In den letzten Jahrzehnten wohnte man, infolge des Anwachsens der technologischen und militärischen Strukturen der modernen Staaten, insbesondere derjenigen, die sich mit dem Titel von demokratischen Staaten rühmen, einer Zunahme der „geheimen” Macht von jenen Organismen bei, welche Entscheidungen treffen, worin nicht einmal mehr die Fassade einer Befragung der Basis gewahrt wird. Nicht nur, aber die technische Komplexität selbst der anzugehenden Probleme hat die Schlüsselentscheide in die Hände von wenigen Personen reduziert, Entscheide, die Millionen von Individuen einbeziehen und sie dazu verpflichten, bestimmte Akte zu begehen, wozu ihre Meinung niemals gefragt worden ist.

Die Verteidiger dieses Zustands der Dinge schlagen grosso modo drei Theorien vor: a) es findet eine regelmässige Wahl statt, die vom Volk ausgeübt wird, b) es ist nicht denkbar, dass die Regierenden Zwecke verfolgen, die in Kontrast zum Wohl der Kollektivität stehen, c) es besteht jederzeit die Möglichkeit, das Mandat in der nächsten Legislaturperiode zu widerrufen.

Wie man sieht, der Diskurs beginnt, sich im Kreis zu drehen. Nichts wird gesagt bezüglich der effektiven Möglichkeiten des Einzelnen, in die parlamentarischen Entscheide im Laufe der Lebenszeit des Parlamentes einzugreifen, er kann sich bloss, am Schluss, einen anderen Kandidaten und eine andere politische Linie suchen, aber diese Möglichkeit muss er wirklich haben, ansonsten wird alles wieder wie vorher, es ändern sich die Personen, aber das System bleibt dasselbe.

Betrachten wir nun, inwiefern es unmöglich ist, einen Kandidaten zu finden, der die Ideen des Einzelnen über eine gewisse Anzahl Probleme, die grösser ist als zwei, und seien es auch noch so kleine, vollumfänglich zum Ausdruck bringt. Das, was nämlich in den Wahlkampagnen zählt, ist die politische Linie, die von der Partei des Kandidaten festgelegt wurde, seine Versprechen zur Lösung von gewissen Problemen sehen nur in Abhängigkeit von jener Parteilinie Licht. So hat man also, dass sich, wer abstimmt, weniger dafür interessiert, die einzelnen Probleme auszumachen, wie sie von dem einzelnen Kandidaten vorgenommen werden, sondern sich viel mehr dafür interessiert, wie diese Probleme in der Strategie der Partei Platz finden. Wenn wir im Wähler ad absurdum, was schliesslich keineswegs der Wahrheit entspricht, eine klare Vorstellung des Parteiprogramms annehmen, so resultiert daraus, dass dieser letztere in seinen Entscheidungen eine Wahl getroffen hat, dass er seine Urteilsautonomie, und somit seine Verantwortlichmachung, an die von der Partei festgelegte Linie abgegeben hat. Zu einem Parteimensch geworden, hört er auf, autonom zu sein. Auf diese Weise stellt er sich in Abhängigkeit der Partei und, durch diese letztere, aufgrund der Entscheidungen, die an jenem Ort in Mehrheitsform getroffen werden, wird er sich in Abhängigkeit des Parlaments stellen.

Wir haben also eine doppelte Abhängigkeit. Die erste, von der Partei, aufgrund der Unmöglichkeit, die Meinung der einzelnen Kandidaten über alle Probleme, die den Einzelnen betreffen, zu evaluieren, die zweite, vom Parlament, aufgrund der Tatsache, dass es die Abgeordneten sein werden, welche die definitiven Entscheide über die verschiedenen Probleme treffen, während sie den Einzelnen nicht mehr befragen.

Sicher, viele Militante der sogenannten revolutionären Parteien, oder Pseudo-Solchen, mögen diesen Diskurs merkwürdig finden, mögen zum Beispiel eine unpräzise Trennung zwischen Parteien des Volkes und reaktionären Parteien finden, mögen den rechten Flügel und den linken Flügel des parlamentarischen Lagers zusammengelegt finden, mit all den theoretischen und praktischen Konsequenzen, die das mit sich bringt. Es ist hier nicht unsere Absicht, das Problem der Ideologien und davon, was geschieht, wenn diese letzteren einmal in den parlamentarischen Possibilismus eingetaucht werden, zu vertiefen. Wir müssen, dennoch, über das Problem, das aufgeworfen wurde, Rechenschaft ablegen.

Die proletarische revolutionäre Ideologie, diejenige, die von der Erwägung ausgeht, dass die ausgebeutete Masse, auf autonome Weise, über ihre Ausbeutung Bewusstsein erlangen und sich emanzipieren muss, ist ein gültiges Instrument zum Zusammenhalt der Massen und führt das revolutionäre Proletariat zu den letzten Entscheidungen seines emanzipatorischen Schicksals, aber sie hat, als intrinsische Komponente, nicht das offizielle Kleid einer Partei, und umso weniger das offizielle Kleid einer Partei, die sich am Wahlwettkampf beteiligt. Die emanzipatorische revolutionäre Ideologie, als Element zum Zusammenhalt und zur Ausrichtung hin zur Bewusstwerdung der Massen, bleibt, falls sie von einer Bande von Schwindlern (oder von Illusionisten) als Leitfaden einer Partei übernommen wird, die an die bourgeoise Reaktion verkauft wurde, nur auf dem Papier, in der leeren Bedeutung der Worte eine solche, in der Substanz verliert sie jene präzise Aufgabe, während sie sich im grenzenlosen Meer des Possibilismus und des Opportunismus verflüssigt.

Der Basismilitante der revolutionären Partei mag noch immer in gutem Glauben sein, doch die bürokratischen Kader seiner Partei sind es mit Sicherheit nicht. Es ist diese Machtelite, welche, das ideologische Schild voranstellend, die Unterstützungen der Basis einsammelt, um die revolutionären Kräfte ins Meer der Vergessenheit zu geleiten.

Die Reaktion, insbesondere in den demokratischen Staaten, ist nicht bloss die scheele Figur des Faschisten, sondern auch die sympathische Figur des Reformisten, der, sich in die Worte des üblichen revolutionären Vokabulars hüllend, im Grunde die Ausbeutung auf sehr viel effizientere Weise unterstützt als es der Faschist in der Stumpfsinnigkeit seiner Position tut.

Was nach einer eitlen Polemik schien, geführt im Namen von einer Autonomie und einer Freiheit des Einzelnen, welche als individualistische und folglich gegenüber den Erfordernissen der Massen zu verurteilende Tatsachen betrachtet werden, tritt hier, in der Klassenüberlegung, in makroskopischer Form zutage. Die Aberkennung der Bewusstwerdung, der Autonomie, und der Verantwortlichmachung des Einzelnen, gekoppelt mit der Praxis der Delegation der Macht und der Entscheidungen, mit der Verweigerung von jeglicher Anstrengung, die politische Realität zu verstehen, führen gemeinsam zur Unmöglichkeit der Emanzipation, zum Scheitern aller revolutionären Versuche, und zur Wiederbekräftigung der reaktionären Grundlage des Reformismus.

Sich zu weigern, beim Menschen zu beginnen, bedeutet, den Begriff selbst von Klasse verschwinden zu sehen, während man mit einem – wenn man so will für gewisse Zwecke effizienten – Instrument zurückbleibt, welches jenes der einsamen Avantgarde ist, die früher oder später darin endet, im eigenen ausschliesslichen Interesse und auf dem Rücken der Ausgebeuteten zu arbeiten.

Über die Möglichkeiten einer modernen direkten Demokratie

Die Verfechter der repräsentativen Demokratie gestehen oft ein, dass diese politische Form viele Beschränkungen hat, aber dass es keine andere Möglichkeiten gibt, eine demokratische Organisation zu konstituieren. Die Hypothese der direkten Demokratie müsse schlichtweg verworfen werden, weil sie unmöglich zu realisieren ist.

In dieser Behauptung gibt es zwei Aspekte, ein erster Aspekt hält sich die Situation als das vor Augen, wie sie heute ist, eine Situation, worin grosse bürokratische Konstruktionen, die man Staaten nennt, die untätige Komplizenschaft der Massen brauchen, um die Herrschaft der wenigen über viele fortzusetzen, und diese Komplizenschaft, die finden sie eben im Wahlsystem. In der Tat ist ein moderner Staat, von reformistisch-sozialdemokratischer Natur, der auf der direkten Demokratie beruht, undenkbar, gesetzt den Fall, dass letztere unter diesen Bedingungen technisch möglich wäre. Man hätte ein absolutes Chaos. Heute würde ein Gesetz mit einer gewissen Ausrichtung verabschiedet, und nächste Woche würde ein anderes mit einer diametral entgegengesetzten Ausrichtung verabschiedet. Heute wäre man glühende Militaristen, und morgen überzeugte Antimilitaristen, heute würde man einem breiten Programm für den Bau von Spitälern zustimmen, und morgen müsste das Programm gestoppt werden, weil diese Gelder zur Fabrikation von militärischen Geräten storniert werden.

Doch es gibt einen anderen Aspekt, derjenige der künftigen Gesellschaften, einer Gesellschaft, worin die Entscheide von allen getroffen werden, mit der Methode von eben der direkten Demokratie. In dieser Perspektive gibt es, laut den Verfechtern der repräsentativen Demokratie, einzig das technische Hindernis. Doch, auch dies ist nichts anderes als ein falsches Problem. Die Produzentenverbände, föderiert in breiteren Organisationen, werden über alle Probleme ihre Ansichten ausdrücken können, was, in den Einzelnen, eine genaue Evaluierung der diversen günstigen und ungünstigen Möglichkeiten erlaubt. Es stimmt durchaus nicht, dass die meisten sich nicht für Politik interessieren. So ist es heute, weil die Politik für die meisten etwas Konfuses und Fremdes ist, weil sie von Spezialisten gemacht wird, die das, was sie tun, undurchsichtig halten wollen, um ihre Herrschaft besser fortzuführen. Wenn alles durchsichtig wird, würde jeder nicht nur sein Interesse an der Politik finden, sondern sich als das entdecken, was er tatsächlich ist: das Mitglieder einer Kollektivität der Probleme, für die er sich unmöglich nicht interessieren kann. Der Platz, welcher heute von den verschiedenartigen Zeitvertreiben und Sportveranstaltungen von passiver Art besetzt wird (siehe zum Beispiel der Fussball), würde, in einer anderen Gesellschaft, von der Diskussion und der Vertiefung der politischen Thematiken besetzt.

Auch der technische Aspekt, davon, simultan eine grosse Anzahl von Antworten über verschiedene Argumente zu haben, um es den föderalen Organisationen zu erlauben, die Entscheidungen der einzelnen Assoziierten zu kennen, ist heute, beim gegenwärtigen Entwicklungsstand der Elektronik [1974], kein Problem.

Nur dass die föderalen Entscheide auf diese Weise nicht zwingenden Charakter haben werden, weil von der zentralisierten Organisation erlassen, sondern verpflichtenden Charakter von moralischer Natur haben werden, weil den Entscheidungen entsprechend, die von den Einzelnen getroffen wurden, mit einem Einwand, den wir sogleich betrachten werden.

Das Problem der Mehrheit und der Minderheit

Dieses Problem ist sehr tiefgreifend, und wenn es nicht sorgfältig untersucht wird, läuft es Gefahr, die ganze theoretische und praktische Konstruktion des Anarchismus zu verunmöglichen.

Die Anarchisten verneinen den politischen Nutzen der Abstimmung, wenn sie ein Mittel ist, um jemanden dazu zu delegieren, zu handeln, um eine Macht über dem Volk zu bilden, sich auf das Alibi stützend, dass es das Volk selbst war, welches sie, mittels der Abstimmung, legitimiert hat. Aber sie halten die Abstimmung für unabdingbar, wenn sie nicht dazu dient, Bosse zu ernennen, sondern die eigene Meinung zum Ausdruck zu bringen.

Sicher, wie Malatesta darauf hinweist, es gibt Anarchisten, die «die Form mit der Substanz verwechseln», sie sind gegen die Abstimmung im Generellen und somit auch gegen diese zweitere Art, die Abstimmung zu verstehen. Aber dadurch blockiert man jegliche Initiative der Basis, ausser im Grenzfall der Einstimmigkeit. Eine kleine Gruppe von Individuen, auch ein einzelner Mensch, kann alles blockieren, und Jahre der Anstrengung und Aufopferung zerstören.

Malatesta schreibt: «Ich behaupte, dass kein soziales Leben möglich wäre, wenn tatsächlich nie etwas zusammen getan werden dürfte, ausser wenn alle einstimmig einverstanden sind. Dass die Ideen und Ansichten sich in ständiger Evolution befinden und sich durch unmerkbare Variationen unterscheiden, während die praktischen Realisierungen sich in ruckartigen Sprüngen verändern, und dass, wenn ein Tag kommen sollte, an dem sich alle vollkommen einig wären über die Vorteile von einer gewissen Sache, dies bedeuten würde, dass jeder mögliche Fortschritt in dieser bestimmten Sache erschöpft ist […]. Bei all jenen Dingen, die nicht mehrere gleichzeitige Lösungen zulassen, oder in welchen die Meinungsunterschiede nicht von solcher Wichtigkeit sind, dass es die Mühe wert ist, sich zu spalten und jede Fraktion auf ihre Weise zu handeln, oder in denen die Pflicht der Solidarität die Einigung aufdrängt, ist es also vernünftig, richtig, notwendig, dass die Minderheit gegenüber der Mehrheit nachgibt. Aber dieses Nachgeben der Minderheit muss Auswirkung des freien Willens sein, ausgelöst vom Bewusstsein über die Notwendigkeit, es darf nicht ein Prinzip, ein Gesetz sein, das folglich in allen Fällen angewandt wird, auch wenn die Notwendigkeit real nicht besteht.»

Es ist wichtig, einige Dinge über diese Bekräftigungen von Malatesta zu klären, welche die einzige logische Lösung des Problems darstellen. Die zugrundeliegende Situation, die vor Augen gehalten wird, ist nicht diejenige, worin ein ökonomischer Kampf, ein Klassenkampf im Gange ist, ist nicht diejenige, worin es einen politischen Gegenpart gibt, der fähig ist, all die niederträchtigsten Formen der Ausbeutung einzusetzen, es ist im Gegenteil eine Situation, die Divergenzen berücksichtigt über die beste Art und Weise, das Gemeinwohl zu erreichen. Also eine Situation, die sich heute in den Organisationen von Gefährten ereignet und die sich morgen, in der Gesellschaft der Zukunft, wenn der Klassenkampf beendet ist, in der ganzen Gesellschaft in ihrer Gesamtheit realisieren wird. Wir haben vor uns nicht das Modell der Konflikte zwischen diskordanten Interessen, sondern einzig Divergenzen über die unterschiedlichen Möglichkeiten, das Gemeinwohl zu realisieren. Wo dem nicht so wäre, hätte man keine moralische Sorge über das Schicksal der Minderheit, im Gegenteil würde man diese letztere (die schliesslich simpler der Klassenfeind wäre) leicht in der fundamentalen Abweichung von ihren Konfliktinteressen ausmachen.

Diese Präzisierung lässt all die Probleme, die von den Theoretikern der Demokratie vorgebrachten werden über das Recht der Mehrheit, die Minderheit zu regieren, hinfällig werden. In einer freiheitlichen Gesellschaft gibt es diese deformierte Vorstellung des Zusammenlebens nicht, demnach können all die Sorgen über das Schicksal, welches der Minderheit Vorbehalten wird, nicht gültig sein.

Man könnte einwenden, dass so die Minderheit ihre Autonomie verloren hat und dass die der Minderheit angehörenden Einzelnen sich moralisch verpflichtet fühlen werden, eine Entscheidung zu befolgen, die nicht die ihre gewesen ist, sondern im Gegenteil diejenige war, die von der Mehrheit getroffen wurde. Ein korrekter Einwand, aber nur formal. Wenn wir die Untersuchung in substanzieller Form vertiefen, wird ersichtlich, wo das Missverständnis liegt. Zunächst einmal können die fundamentalen Entscheide, diejenigen, welche die essenziellen Zwecke der Gesellschaft betreffen, nicht auf diese Art von Überlegung zurückgeführt werden, das heisst, sie können nicht mit Mehrheit getroffen werden. Nicht, dass es sich dabei um eine Vorkehrung oder um einen Kunstgriff handeln würde, das ist etwas Natürliches und Fundamentales, etwas, das strikt zum revolutionären Kampf gehört und das, von selbst aus, die fundamentalen Ziele der neuen Gesellschaft klärt. Es ist logisch, dass jemand, der für die soziale Revolution kämpft, sich nachher nicht zu einem Befürworter des Privateigentums, oder der kapitalistischen Organisation der Arbeit, oder des traditionellen bürokratischen Systems, oder aller anderen fundamentalen Ziele machen kann, die ihre Logik aus einem System der Dinge ableiten, gegen welches man gekämpft und gesiegt hat. Die Klärung der revolutionären Ziele wird in einem die Ausmachung der Ziele der künftigen Gesellschaft bestimmen, die aus der Zerstörung der vorangehenden Gesellschaft hervorgeht. Über dieses Argument ist es nicht legitim, von Mehrheit oder Minderheit zu sprechen.

Ist ausgemacht, was wir als „Gemeinwohl” definiert haben, bleibt ein zweiter Aspekt, der ebenso wichtig ist, der strukturelle, methodologische, organisatorische Aspekt, der, wie der erstere, nicht einem Mehrheitsentscheid unterstellt werden darf. Wir stehen nämlich vor einem Problem, das primär den Zielen dienlich ist, welche von der Revolution festgelegt wurden. Hier verortet sich der Konflikt mit den Autoritären, ein Konflikt, der eben von methodologischer und substanzieller Natur zugleich ist. Auch wenn die Autoritären dieselben Ziele wollen würden, die wir wollen, so wollen wir sie in anderen Formen, denn wir sind der Ansicht, dass die organisatorische Struktur, mit welcher diese Ziele verfolgt werden, die Möglichkeit, sie zu erreichen, in grossem Masse beeinflussen wird. Dabei handelt es sich um einen formellen Aspekt (Struktur, die es der post-revolutionären Phase zu geben gilt), der sich unverzüglich in einen substanziellen Aspekt verwandelt, der keinesfalls auf die Bank der Mehrheit und der Minderheit geführt werden darf.

Bleiben schliesslich die verschiedenen Arten und Weisen, um, innerhalb der organisatorischen Struktur selbst, gemeinsame Ziele zu erreichen. Hier wird die Anwendung der mehrheitlichen Demokratie möglich sein. Es ist logisch, dass der Einzelne, der einer Minderheit angehört, die eine andere Art und Weise verfechtet, das Ziel zu erreichen, aber noch immer Teil von einer Organisation ist, die eine libertäre Methodologie als Vehikel zur Annäherung an das Ziel gewählt hat, sich weniger gegenüber der von der Mehrheit gewählten Art und Weise, sondern gegenüber dem Ziel und der Organisation, der er angehört, verpflichtet fühlen muss. Auf diese Weise ist seine substanzielle Autonomie unbeschadet, ist seine Verantwortlichmachung als freier Mensch unbeschadet, da beide an die Substanz (Ziel und Methode) und nicht an die Form gebunden sind, die man gewählt hat.

Manche haben behauptet, dass das Prinzip der Rechte der Minderheit bewahrt werden muss, in dem Sinne, dass letztere in Stand gesetzt werden muss, ihre Dissensposition im Konkreten experimentieren zu können, denn auch im Dissens, und oft gerade in ihm, liegt jene Kraft, welche zu den besten Errungenschaften des Menschen führt.

Tatsächlich scheint uns diese Prinzipienbekräftigung durch unsere Formulierung selbst an und für sich gelöst. Als Erstes müssen wir hinzufügen, dass die blosse These, dass der Minderheit die Möglichkeit gegeben werden muss, zu experimentieren, was von ihr bekräftigt wird, wenigstens schwammig ist und keine präzisen praktischen Indikationen gibt. Es darf nämlich nicht vergessen werden, dass, unter Ausschluss, wie wir es getan haben, der fundamentalen Fälle des „Gemeinwohls“ (der Gegenpart wäre also konterrevolutionär) und der unterschiedlichen Methodologie (der Gegenpart bestände aus Autoritären, mit welchen ein Einverständnis unmöglich ist), unter Ausschluss dieser Fälle, noch präzise Tatsachen, bestimmte, unwiederholbare historische Ereignisse übrig bleiben, gegenüber denen eine Entscheidung getroffen werden muss. Nun, alle historischen Ereignisse sind, wie einleuchtet, unwiederholbar, einzigartig, weshalb die abstrakte Formulierung „der Minderheit muss die Möglichkeit gegeben werden, ihre These zu experimentieren“ absurd wird. Nehmen wir an, wenn man über den Bau von einer Brücke, über die Produktmenge, die für einen gewissen Zeitraum in Voranschlag gestellt werden muss, über die Form eines Manifests, über die Zusammensetzung eines Quartierkomitees oder über die Kampfkomponenten einer Konfrontation entscheiden muss, so müssen die Diskussionen zwangsläufig auf die Ebene der Mehrheit und der Minderheit zurückgeführt werden. Es nützt nichts, zu wiederholen, dass diese letztere geschützt werden muss, keine Gewalt wird gegen sie verübt, kein Gesetz – auch nicht das eigene der Mehrheit – wird ihr auferlegt, die Minderheit wird lediglich, basierend auf dem Grad an Bewusstsein und Verantwortlichmachung, den ihre Komponenten erreicht haben, auf autonome Weise entscheiden, die Mehrheitslösung, als technischen Notbehelf, zu akzeptieren, im Bewusstsein über die Absurdität von jeglicher anderen Erwägung. Neben dieser Akzeptierung wird die Minderheit dafür sorgen, die Anwendung des von der Mehrheit angenommenen und unterstützten Kriteriums zu befolgen, während sie nach und nach etwaige mögliche Modifikationen vorschlägt, sich der konstruktiven Kritik nicht enthaltend, ohne deswegen zur Absurdität zu gelangen, zwei Brücken zu bauen, zwei Komitees zu machen, zwei Konfrontationen zu organisieren, zwei unterschiedliche Mengen von derselben Ware zu produzieren, bloss weil der Minderheit das Recht zusteht, ihre These zu „experimentieren”. Da der Akt der Anfertigung der Brücke, der Konfrontation, des Manifests, usw., an sich, unwiederholbar ist, weil sich danach, zu einem nachfolgenden Zeitpunkt, die allgemeinen Bedingungen verändern, welche den Akt mit diesen Charakteristiken denkbar und realisierbar machten, wird die Minderheit in Praxis nie die Möglichkeit haben, ihre These über einen präzisen und eingegrenzten Akt zu „experimentieren”, sie wird die zugrundeliegende Idee experimentieren können, welche die Dissensposition stützte, freilich innerhalb der Grenzen des „Gemeinwohls” und der antiautoritären methodologischen Eigenheiten.

Wie wir gleich anschliessend demonstrieren werden, ist das Mehrheitssystem intrinsisch absurd, weshalb es nur beschränkt auf Entscheidungen angewendet werden kann, die das Gemeinwohl und die Struktur, um es zu erlangen, nicht involvieren, über seine intrinsische Absurdität hinwegsehend und gebrauchend, was es an Gutem liefern kann: die Überwindung der Dichotomien, das heisst der Situationen, die zwei gegensätzliche Lösungen vorweisen.

Absurdität des Mehrheitssystems

Eine Person trifft eine Wahl, weil sie sich autonom im einen oder im anderen Sinne entscheidet. In unserer ganzen Problematik unterlassen wir es absichtlich, über die – für uns heute normale – Situation zu sprechen, in der die Wahlen infolge von Anregungen und Konditionierungen getroffen werden, die von oben gewollt sind, sondern beziehen wir uns im Gegenteil auf eine Situation, in welcher die Notwendigkeit aufkommt, die Minderheit zu schützen, und somit auf eine Situation, in der die Gesamtheit, fern davon, Konditionierungen zu erhalten, unter die besten Bedingungen gestellt wird, um einen möglichst breiten Einblick in die Probleme zu haben, welche die Gemeinschaft bedrücken.

Eine Person, haben wir gesagt, trifft eine Wahl, weil sie in dieser ihre Autonomie realisiert. Es ist logisch, dass diese kritische Tatsache, für diese Person, nicht eine isolierte Tatsache sein kann, sondern ein Moment von einer Reihe von Wahlen ist, die alle durch eine gemeinsame Charakteristik verbunden sein müssen: die Kohärenz. Dies ist, weshalb die direkte Demokratie die mit Abstand beste Lösung ist, denn sie überträgt die Kohärenz der Einzelnen auf Gemeinschaftsebene, und lässt die Aktion der Gemeinschaft selbst, im Kundtun ihrer Wahlen, kohärent werden.

Im Falle der mehrheitlichen Demokratie hingegen ist es leicht, zu demonstrieren, wie, auch wenn die Wahlen der Einzelnen kohärent bleiben, die Aufeinanderfolge der Wahlen der Gemeinschaft inkohärent werden kann, eine Aufeinanderfolge, die aus der arithmetischen Berechnung der Stimmen resultiert.

Dieses Paradox, das von den Mathematikern viel studiert wurde, ist vom englischen Mathematiker Charles Dodgson (welcher unter dem Namen Lewis Carroll Alice im Wunderland schrieb) ausgiebig ausgeführt worden. Stellen wir uns vor, dass drei Personen über ein Problem entscheiden müssen, und dass dieses drei Lösungen vorweist. Ein jeder wird unverzüglich eine Wertskala in Hinblick auf die drei Alternativen festlegen. Es spielt an dieser Stelle keine Rolle, die Art und Weise oder die Motivationen festzulegen, welche aufgewendet werden, um diese Wertskala festzulegen, was zählt, ist, dass diese Skala zwangsläufig vorhanden sein muss, da die drei Alternativen nicht völlig identisch sind. Die drei Personen werden also eingeladen, gemäss ihren Präferenzen für die möglichen Alternativen zu stimmen, in Zweierpaaren. Von diesen gibt es, wie klar ist, drei. Wenn wir die drei Alternativen A, B und C nennen, können die Abstimmungen folgende sein: A gegen B, dann A gegen C und schliesslich B gegen C.

Unter den verschiedenen Kombinationsgruppen gibt es einige, die den Übergang von der Kohärenz der Wahl der Einzelnen zu derjenigen der Gemeinschaft gewährleisten, und andere, die ihn nicht gewährleisten.

Beispiel Nr. l

Individuum 1Individuum 2Individuum 3
AAB
CBC
BCA

In diesem Beispiel haben wir, dass die Individuen l und 2 den Vorrang A gegenüber B geben und somit das Individuum 3 in Minderheit stellen. Dasselbe geschieht ausserdem für die Individuen 2 und 3, die das Individuum 1 in Minderheit stellen, indem sie B vor C wählen. Nun, wenn die Gemeinschaft A vor B und B vor C wählt, dann muss daraus folgen, um eine Kohärenz auf Gemeinschaftsebene zu haben, dass A gegenüber C bevorzugt wird. Diese Kohärenz ist, im obengenannten Beispiel, in der Tat vorhanden, da die Individuen 1 und 2 A vor C wählen und das Individuum 3 in Minderheit stellen.

Beispiel Nr. 2

Individuum 1Individuum 2Individuum 3
ABC
BCA
CAB

Auch hier hat man eine Mehrheit von A gegenüber B infolge der von den Individuen 1 und 3 gemachten Abstimmungen, und dasselbe bezüglich B gegenüber C aufgrund der Abstimmungen der Individuen l und 2. Hingegen, jedoch, und hier zeigt sich die Inkohärenz der Gemeinschaft im Vergleich zur Kohärenz der Einzelnen, besteht keine Mehrheit von A gegenüber C, da die Individuen 2 und 3 für C anstatt für A stimmen.

Es gab auch Kritiken, an dieser Argumentation, aber sie ist, wie Kenneth Arrow belegt hat, mathematisch exakt und negiert der sogenannten demokratischen Mehrheitsmethode jegliche Gültigkeit.

Wenn wir unseren Diskurs vertiefen wollen, so kann man sehen, wie sich die Inkohärenz von dieser Methode auch ergeben würde, wenn die Abstimmungsmethode geändert wird.

Nehmen wir an, dass die Personen, die dazu aufgerufen werden, zu entscheiden – noch immer in der Zahl von drei, um die Rechnungen zu vereinfachen –, sich über die Alternativen aussprechen sollen, eine auf einmal, solange, bis eine, natürlich mit Mehrheit, als die für die Gemeinschaft gültige angenommen wird. Auf diese Weise ist es leicht, zu demonstrieren, dass die siegreiche Alternative ausschliesslich von der Reihenfolge abhängig ist, wie die unterschiedlichen Alternativen den Wählern unterbreitet werden (eine offensichtlich absurde Lösung). Wenn wir noch immer von A, B und C ausgehen, so liefern diese nämlich sechs Reihenfolgen von Alternativen, worüber die Gesamtheit der Abstimmenden sich aussprechen soll: ABC, ACB, BAC, BCA, CAB, CBA. Nun, ein jeder Abstimmender stimmt gegen einen Vorschlag, wenn es in der Skala seiner Präferenzen noch Alternativen gibt, wobei ein Vorschlag, einmal nicht angenommen, aus der Perspektive ausgeschieden und somit der Gesamtheit der Wähler unbekannt ist. Unter Berücksichtigung der Präferenzen, die wir beim Beispiel 2 hatten, ergeben sich folgende 6 Fälle:

  • I) A wird den Wählern unterbreitet und wird nicht angenommen, da zwei Personen entweder B oder C bevorzugen. Dann ist B an der Reihe, der angenommen wird, weil zwei Personen ihn gegenüber der verbleibenden Alternative C bevorzugen. Es gewinnt also B.
  • II) A wird den Wählern unterbreitet und verliert, ebenso C, demnach bleibt noch B. Es gewinnt B.
  • III) B wird den Wählern unterbreitet und verliert, auch A verliert, es bleibt noch C, der gewinnt.
  • IV) B wird den Wählern unterbreitet und verliert, C gewinnt.
  • V) Dasselbe für C, der verliert, A gewinnt.
  • VI) A gewinnt.

Schliesslich haben wir das an Irrationalem, dass die Kollektivität jedes Mal andere Alternativen wählt, wenn sie sich in einer anderen Reihenfolge mit ihnen befasst: die Kohärenz der Basis überträgt sich nicht in die mehrheitliche Wahl der Gemeinschaft. (Vgl. über dieses Argument: R. P. Wolff, Eine Verteidigung des Anarchismus, dt. Üb., Wetzlar 1979, S. 66-67).

Abgesehen von Grenzfällen werden diese Absurditäten des mathematischen Gesetzes, in unseren Parlamenten, durch die Existenz von einer „unimodalen” Linie, die von der Partei ausgeht, auf eine Kohärenz reduziert, die künstlich und nicht real, weil nicht den Meinungen der einzelnen Abgeordneten entsprechend ist. In anderen Worten, ein Abgeordneter stimmt in Abhängigkeit von seiner Position innerhalb von der Partei. Zum Beispiel, wenn die seine eine Partei des Zentrums ist, so werden seine Wahlen mit denjenigen seiner Parteikollegen umso weniger diskordant sein, je näher die Alternativen einer politischen Position des Zentrums kommen. Entfernen sie sich nach links oder rechts, wächst die Möglichkeit der Inkohärenz, sofort begradigt von der Treue zur Partei und ihrer Linie. Dies erklärt, unter anderem, die Existenz der sogenannten „Freischärler“ bezüglich Problemen, die subtile Nuancierungen oder parallele Allianzen involvieren.

Ein weiteres Mal bleibt bewiesen, dass es nicht die arithmetische Summe der Stimmen ist, und die mathematische Mehrheit, die sich daraus ableitet, was den parlamentarischen Initiativen und Entscheiden das Charisma der Legitimität verleiht, sondern, im Gegenteil, die Machtentscheide der einzelnen Parteien. Wo dem nicht so wäre, würde das schlichte Gesetz der Mehrheit das Parlament in Inkohärenz stürzen. Daraus folgt, dass die Kohärenz, die es im Laufe der verschiedenartigen Gesetze, die es verabschiedet, manifestiert, ein weiteres Mal, eine Kohärenz der Macht ist und keinerlei Zusammenhang hat mit den Delegationen, die von der Basis erteilt wurden, denn sie hat keinen mit den Entscheidungen der einzelnen Abgeordneten.

Parlamentarismus und Autoritarismus

Es ist möglich, einen präzisen Zusammenhang zwischen parlamentaristischer Lehre und Autoritarismus auszumachen. Diese Behauptung ist belegt durch den logischen Faden, welcher die verschiedenen Positionen der Autoritären in Bezug auf die Beteiligung am Wahlkampf vereint.

Im Juli 1920, am Kongress von Moskau, wohnte man einer Konfrontation zwischen Abstentionisten und Parlamentaristen bei: die ersteren vertreten von Bordiga, die zweiteren gebunden an die Thesen von Lenin.

Versuchen wir, den bordigistischen Abstentionismus genauer zu verstehen, denn er unterscheidet sich sehr stark vom anarchistischen Abstentionismus. So schrieb Bordiga: «Für die bessere Entwicklung der kommunistischen Propaganda und der revolutionären Vorbereitung in den westlichen demokratischen Ländern sollten sich die Kommunisten, in der gegenwärtigen Periode von revolutionärer universeller Krise, nicht an den Wahlen beteiligen.» („Elezioni”, in „L’Ordine Nuovo” vom 14. April 1921). Wir haben vor uns eine umstandsbedingte These, die sich morgen, unter veränderten Bedingungen, in eine These zur Beteiligung am Wahlkampf verwandeln könnte.

Die Konklusion des Artikels von Bordiga ist dennoch für die Beteiligung, denn so wurde in Moskau entschieden und die italienischen Kommunisten konnten nicht anders handeln, als es die sowjetischen Direktiven verordneten. Auf derselben Position wie die Italiener (das heisst mit abstentionistischer Mehrheit innerhalb der Partei) befanden sich auch die Deutschen und die Holländer, doch alle beteiligten sich an den Wahlen.

Es ist der zugrundeliegende Autoritarismus, der Bordiga hier eine logische Konsequenz verhindert. Der Abstentionismus kann nur gültig sein unter der Bedingung, mit sich selber kohärent zu sein, er kann nicht eine opportunistische Praxis sein: entweder er geht davon aus, dass das Parlament eine Gültigkeit hat, und sei es auch nur als Instrument, oder er geht absolut nicht davon aus, andersherum wäre es unlogisch, dass ihm diese Gültigkeit auf einmal angesichts des Wandels der Bedingungen zukommt. Denn, wenn das Parlament eine spezifische Produktion der demokratischen Bourgeoisie (oder Pseudo-Solchen) ist, dann ist es eine historische Kreation, die zu jedem Zeitpunkt (es ist hier nicht zuträglich, zu bewerten, ob von innen oder von aussen) bekämpft werden muss, aber mit präzisen Zielen und mit einer einheitlichen Taktik, da der Despotismus, der die Existenz selbst des Parlaments als bourgeoise Institution stützt und ermöglicht, sich selbst immer treu ist.

Für die italienischen, deutschen und holländischen Kommunisten galten die Direktiven des internationalen Zentrums mehr als die Prinzipien- und Kohärenzfragen. Noch 1924 schrieb Bordiga: «Es gehört sich nicht für Kommunisten, glauben zu machen, dass unter einem Regime von Demokratie und Freiheit die Wahlen den effektiven Willen der Massen übersetzen. Unsere ganze Lehre erhebt sich gegen jene kolossale bourgoise Lüge, unser ganzer Kampf richtet sich gegen ihre Anhänger, Verleugner der revolutionären Methode der proletarischen Aktion. Der liberale Wahlmechanismus ist nur dafür gemacht, eine notwendige und konstante Antwort zu geben: „bourgeoises Regime”, „bougeoises Regime”…». („L’unità”, Mailand, 27. Februar 1924). Und doch, weit über das fundamentale Prinzip hinaus, galt für den kommunistischen Revolutionär die autoritäre Regel des Gehorsams gegenüber den von oben kommenden Direktiven.

Versuchen wir, nun, die Position von den Parlamentaristen zu untersuchen, also von jener Linie, welche sich beim erwähnten Kongress von Moskau an Lenin anlehnte. Es ist nicht so, dass man hier den Fehler begehen darf – der heute gewissen Kommunisten von unserem Hause so lieb ist –, die leninistische These mit derjenigen zu verwechseln, welche lediglich dem Reformisten Kautsky zuzuschreiben ist. Auf diese Weise wird das Parlament – klassische Kautsky-These – zu etwas Metahistorischem, das es schon immer gegeben hat und das es immer wird geben müssen, etwas, das sich merkwürdigerweise als weit jenseits vom Klassenkampf erweist. Mit dieser These, und mit derjenigen von ihren Imitatoren von heute, wird die klassische These und Analyse von Marx von Grund auf zerstört.

Tatsächlich befindet sich die Kommunistische Partei heute [1974], sagen wir in Italien, auf der reformistischen Linie der Sozialdemokratie, da sie sich an die Direktiven angepasst hat, welche ihr den Aufbau von einer grossen parlamentarischen Partei auferlegten, die These Lenins von der kleinen revolutionären Avantgardepartei zum Schweigen bringend. Abgesehen vom Diskurs über die autoritären Mängel der leninistischen These, bleibt, dass die opportunistische Anpassung an die Nachkriegssituation die Partei in der Praxis auf bourgoiese Positionen gebracht hat.

Mit Lenin von Staat und Revolution entwickelt sich diese typisch marxistische Kritik – am Klassencharakter des Parlaments und an seiner wesentlichen Antidemokratizität, und über die Möglichkeit, eine auf den Sowjets begründete Demokratie aufzubauen.

Dies ist, was Lenin schreibt: «Der Ausweg aus dem Parlamentarismus ist natürlich nicht in der Aufhebung der Vertretungskörperschaften und der Wählbarkeit zu suchen, sondern in der Umwandlung der Vertretungskörperschaften aus Schwatzbuden in „arbeitende” Körperschaften.» (Lenin Werke, dt. Üb., Berlin 1974, S. 436).

Und dies sind die Hauptthesen des Kongresses von Moskau von 1920. «Der Parlamentarismus als Staatssystem ist eine „demokratische” Herrschaftsform der Bourgeoisie geworden, die auf einer bestimmten Entwicklungsstufe der Fiktion einer Volksvertretung bedarf, die äusserlich als eine Organisation eines ausserhalb der Klassen stehenden „Volkswillens” erscheint, in Wirklichkeit aber eine Maschine zur Unterdrückung und Unterjochung in den Händen des herrschenden Kapitals ist.»

«Die bourgeoisen Parlamente, einer der wichtigsten Apparate der bourgeoisen Staatsmaschine, können als solche nicht auf die Dauer erobert werden, wie das Proletariat überhaupt nicht den bourgeoisen Staat erobern kann. Die Aufgabe des Proletariats besteht darin, die Staatsmaschine der Bourgeoisie zu sprengen, sie zu zerstören, und zugleich mit ihr die Parlamentsinstitutionen, mögen es republikanische oder konstitutionell-monarchistische sein.» (Der zweite Kongress der Kommunistischen Internationale, dt. Üb., Hamburg 1921, S. 469,470).

Aber trotz all dieser Kritik, wird der taktische Moment der Beteiligung akzeptiert. Das Instrument „Parlament” wird als Klasseninstrument und als Instrument der Bosse erkannt, man ist jedoch der Ansicht, dass die Beteiligung am Wahlkampf gewisse Resultate erlauben kann. In der Tat, man versucht, den Regierungsapparat von innen her zu zerstören, die parlamentarische Tribüne für die revolutionären Zwecke zu benutzen, mit der Wahlkampagne nicht so sehr das Maximum an Mandaten, sondern das Maximum an Mobilisierung der Massen über die Losung der proletarischen Revolution zu erreichen. In einem Wort – und von daher unsere Analyse, die darauf ausgerichtet ist, das autoritäre Fundament dieser These zu erfassen –, man versucht, einen möglichst breiten Raum für die agierende Minderheit, für die Parteiführung zu finden, ungeachtet der Methodologie, die im Kampf von den Massen angewandt wird. Es sind nicht letztere, die in einem revolutionären und direkten Kampf Bewusstsein erlangen sollen, sondern sie können auch eingetaucht in die Benutzung des Wahlinstruments bleiben, es gibt ja stets Führungskader der Partei, die die Angeln des Parlaments von innen her zu sprengen wissen werden, wenn man das Vertretungsmandat in direkte Aktion verwandeln können wird.

Nun, wenn die reformistische These – die wir auf Kautsky zurückgehen sahen – auf einer Analyse basiert, die von einem Klassenstandpunkt aus falsch ist, auf einer Analyse, die wahrhaftig interklassistisch ist, so basiert die autoritäre „revolutionäre” These, die für die Bolschewisten typisch ist, auf einer Analyse, die von einem propädeutischen Standpunkt aus korrekt ist (Bildung und Zusammensetzung des Parlaments), aber von einem programmatischen Standpunkt aus falsch (Möglichkeit, aus dem Innern zu agieren), während sie zur merkwürdigen Schlussfolgerung gelangt, dass die Demokratie der Zukunft (eine Demokratie der Sowjets und somit eine Demokratie der Basis) aufgebaut werden kann, indem die Massen dazu erzogen werden, für die Demokratie der Bosse zu stimmen. Die Resultate sind heute [1974] in Italien sehr offenkundig, wo eine (zahlenmässig) starke kommunistische Partei dem reformistischen Weg von Kautsky folgt, während sie zu verstehen gibt, dass sie auf diese Weise an der marxistischen Lehre und am Aufbau von einer zukünftigen Volksdemokratie festhalten will.

Der blinde Autoritarismus der kommunistischen Partei bewirkt die Möglichkeit, dass offenkundige Inkongruenzen, wie die eben untersuchte, die sich den Augen, sagen wir, von Bordiga klar zeigten, zum Schweigen gebracht werden, während in den Massen eine pragmatische Ausrichtung bewirkt wird, die sich im negativen Fall (Scheitern der Machtziele, wie es im Westen geschehen ist) in einem qualunquistischen Reformismus konkretisiert, und sich im positiven Falle (Erfolg in der Eroberung der Macht, wie es im Osten geschehen ist) in einem Absolutismus Stalinscher Art konkretisiert, mit möglichen sozial-imperialistischen Modifikationen nach kapitalistischer Imitation.

Von einer Verwendung des Parlaments in revolutionärer Form auszugehen, während die reformistische These aus offensichtlichen Gründen ausgeschlossen wird, ist nur möglich, wenn man als revolutionäres Projekt die Eroberung der Macht durch eine Minderheit hat, die sich, eben, im Falle der kommunistischen Partei nach leninistischem Ansatz, generisch auf die Prinzipien des Marxismus berufen mag. Im gegenteiligen Fall, was schliesslich die anarchistische These wäre, ist die Verwendung nicht mehr möglich. Die zum demokratisch-bourgeoisen Wahlkampf erzogene Basis, nämlich, wird sich niemals stehenden Fusses jene Strukturen von direkter oder Basisdemokratie aneignen können, welche die Form der freiheitlichen (assoziationistischen und föderalistischen) Gesellschaft charakterisieren. Die bourgeoise Degeneration wird auch nach dem revolutionären Ereignis fortbestehen, die neuen Meister des Dampfes dazu zwingend, einen Rückzieher zu machen und die Herrschaft von einer Partei über das Proletariat durchzusetzen: die folgerichtige Metamorphose der „Diktatur des Proletariats”. Deshalb beharren die Anarchisten auf dem Abstentionismus. Lasst uns, im Detail, die Endthese betrachten.

Der anarchistische Abstentionismus

Es gibt zwei Arten und Weisen, das Problem des Abstentionismus innerhalb des anarchistischen Lagers zu betrachten. Die erste, die wir als „subjektivistisch” definieren könnten, welcher es nicht gelingt, die organische und komplette Betrachtungsweise der Institution „Parlament” zu erfassen, die zweite, die wir als „klassistisch” definieren könnten, welche hingegen zu einer ganz anderen Analyse von dieser Institution gelangt und deren Konfliktkomponenten aufzeigt.

Trotz der Schärfe der Analyse des zweiteren Typs, die hauptsächlich Malatesta zu verdanken ist, bedarf es unserer Meinung nach einer Ergänzung in Bezug auf die Beziehung zwischen Einzelnem und Institution Parlament und in Bezug auf den Einzelnen zu sich selber, das heisst auf Ebene der Autonomie und der Verantwortlichmachung. Da wir den ersten Teil von unserem Diskurs diesem letzteren Problem gewidmet haben, bleibt uns jetzt nur noch, in kurzen Worten, über die Analyse von subjektivistischer Art und von klassistischer Art Rechenschaft abzugeben, um das Argument auszuschöpfen.

Zum Beispiel sind die antielektoralen Schriften von Molinari, von Galleani, von Faure, und bis zu einem gewissen Punkt von Merlino selbst aus der abstentionistischen Periode, an eine Polemik gebunden, die, wenn man so will, nützlich und interessant ist, aber die völlig einer konkreten Analyse der Institution entbehrt und letztlich der revolutionären Aktion keine konkrete Ausrichtung liefert.

Nehmen wir als Modell die Kritik von Faure (S. Faure, La putredine parlamentare, it. Üb., Ragusa 1968). Er beginnt damit, dass er das ganze Problem des Parlamentarismus in vier Worten zusammenfasst: Absurdität, Ohnmacht, Korruption, Schädlichkeit. Die Absurdität wird aus der Tatsache abgeleitet, dass wir in einer Gesellschaft leben, worin sich alle Interessen in Konflikt befinden (Boss gegen Arbeiter), daher werden derart gegensätzliche Interessen nie von einer einzigen Institution vertreten werden können, welche nie wird unparteiisch allen Befriedigung verschaffen können. Andere Elemente, die zugunsten der Absurdität angeführt werden, sind: die Unmöglichkeit einer Dokumentierung über so viel Materie und die Tatsache, dass die Masse (angeschuldigt, unwissend zu sein und eine Führung zu brauchen) nicht plötzlich fähig werden kann, sich die Führung zu wählen, die sie braucht. Das sind Widersprüche, die das Parlament absurd machen. Was die Ohnmacht betrifft, so greift Faure mit vollen Händen zur Kritik, die wir als subjektivistisch definiert haben: er erzählt uns von den Personen, die – in der Regel – die Parlamente zusammenstellen (Ärzte ohne Patienten, Anwälte ohne Fälle, usw.). Die Korruption ist nicht der Rede wert, da offensichtlich ist, dass das Parlament alle korrumpiert, die gewählt werden. Bleibt noch die Schädlichkeit. Das Parlament ist schädlich für die Arbeiterklasse und vorteilhaft für die kapitalistische Klasse. Ein Büigerlicher lebt im Parlament wie ein Fisch im Wasser, ein Arbeiter wird dort korrumpiert.

Die Analyse von Faure ist komplett, aber ermangelt einer klar definierten Konfliktvorstellung.

Schauen wir uns die These von Malatesta an. Die Anarchisten sind und bleiben Gegner des Parlamentarismus, da sie glauben, dass sich der Sozialismus durch freie Föderationen von Produktions- und Konsumverbänden realisieren muss, während jegliche Art von Regierung, auch die parlamentarische, keinerlei Absicht hat, etwas Konkretes bezüglich der sozialen Frage zu unternehmen.

Das Volk daran zu gewöhnen, die Eroberung und Verteidigung seiner Rechte an andere zu delegieren, ist eine sichere Methode, um es in der Gewalt der Regierung zu lassen.

Die Anarchisten streben nicht nach der Macht, und somit gibt es keinen Grund, weshalb sie denjenigen helfen sollten, die nach ihr streben. Ausserdem, wenn sie heute beginnen würden, die Notwendigkeit zu verfechten, für jemanden zu stimmen, so würden sie morgen raten, für sich selber zu stimmen, während sie gänzlich in die Logik der Macht eintauchen.

Auch die Protestkandidaturen1 können nicht verteidigt werden, denn, wenn sie uns einen Gefährten zurückgeben, so nehmen sie uns jene Kampfeinheit, welche das Kennzeichen der Anarchisten gegenüber der Wahlfarce bildet.

Der Wahl- und Parlamentswettkampf erzieht zum Parlamentarismus und verwandelt letztlich diejenigen, die ihn praktizieren, in Parlamentaristen. Aufgabe der Anarchisten besteht darin, die Massen dazu zu erziehen, durch Zusammenschlüsse jeglicher Art zu kämpfen, um auf diese Weise die eigenen Angelegenheiten regeln zu können, und nicht darin, sie dazu anzutreiben, ihre Verantwortungen an andere zu delegieren.

Das Wesen des Parlamentarismus ist es, dass die Parlamente die Gesetze machen und auferlegen, die anarchistischen Kongresse hingegen beschränken sich darauf, Resolutionen zu diskutieren und vorzuschlagen, welche keine exekutive Geltung haben ausser nach der Zustimmung der Mandanten. Dies bedeutet nicht, dass eine Minderheit, eine Handvoll dissidenter Personen, oder ein einziger Mensch, jede anarchistische Initiative blockieren kann, denn manchmal ist es erforderlich, dass die Minderheit gegenüber der Mehrheit nachgibt, aber nicht als Ergebnis eines Gesetzes, das jederzeit unabhängig von den objektiven Bedingungen von Notwendigkeit angewandt wird, sondern als Entscheidung, die sich aus dem freien Willen ableitet.

Die These von Malatesta, die wir in kurzen Worten zusammengefasst haben, ist sehr deutlich und abschliessend. Ihr Bezugspunkt ist die Klassenaktion, der Kampf der Basis gegen die Ausbeuter und die Organisation dieses Kampfs auf eine Weise, dass ab heute schon das Lebensmodell der Zukunft vorbereitet wird. Eine autoritäre Organisation hingegen, welche die Leute zu den Urnen treibt, wird niemals jene Gesellschaft der Zukunft vorbereiten können, nach der jede revolutionäre Handlung strebt, sondern wird darin enden, diese letztere in das Vorzimmer einer neuen Reaktion zu verwandeln. In der Erziehung zum Abstentionismus sehen wir eine Bewusstwerdung des Einzelnen und der Massen, einen Fortschritt in Richtung jener Verantwortlichmachung der Basis, welche die einzige Bedingung für das Gelingen der Revolution von morgen ist.

Für einen subversiven Abstentionismus

Wahlmechanismus und Repression

Der Wahlmechanismus ist keine blosse Anpassung der Regierungsstrategie. Er ist, im Gegenteil, einer der bedeutendsten Momente der repressiven Strategie in ihrer Gesamtheit.

In der Praxis hat die immer grössere Intervention des Staates in die Angelegenheiten des Kapitals, mit dem Ziel, Ordnung in die Widersprüche von diesem letzteren zu bringen, als Effekt eine Rationalisierung der Herrschaft, aber, auf lange Sicht, auch die Konsequenz, eine andere Reihe von Widersprüchen sowohl im Staat selbst wie auch im Kapital zu eröffnen. Beispielsweise, etwas, das uns hier besonders interessiert, die Reduzierung der Mächte des Parlaments und das enorme Anwachsen der Mächte der Exekutive. Das ist mehr denn logisch, da der Staat, an erster Stelle, ein Exekutivinstrument ist, und dann, auf Massenebene, als Verschlussmoment der Macht, ist er auch ein Instrument zur Konsensbeschaffung. Der Staat kann sich nämlich nicht aufrecht halten ohne Konsens, aber auch nicht ohne Exekutive. Das verleitet ihn, oft, dazu, diesen zweiteren Aspekt zu privilegieren, und dies generiert einige Widersprüche, darunter jene, welche beanspruchen, die Regierung weiter am Funktionieren zu erhalten, wenn es zwischen den verschiedenen Delegationsprozessen (parteilichen, gewerkschaftlichen, wirtschaftlichen, ideologischen, etc.) kein Einverständnis mehr gibt.

Der Verlust des Kontakts zwischen Basis und Instrumenten, welche die Entscheidungen der Exekutive filtern (an erster Stelle das Parlament), ist scheinbar verfehlten politischen Übereinkünften, einem nicht ausreichenden Gleichgewicht der Parteikräfte zu verschulden, während er, in den Tatsachen, der Verschlechterung der Grundbedingungen zu verschulden ist (Preisniveau, Arbeitslosigkeit, Verringerung der Investitionen, Unmöglichkeit, die Nachfrage zu stützen, Unausgeglichenheit zwischen ungleichen Entwicklungszonen, unkontrollierbare soziale Spannungen, übermässige Repression, Wiederaufkommen von autoritären Methoden, Unzulänglichkeit der assemblearen Kontrollsysteme, usw.). Diese Bedingungen von Unbehagen übertragen sich auf die Exekutive mittels der Repräsentationsstrukturen, die somit den Charakter von Umlenkrollen der Ineffizienz oder von Kontrollinstrumenten der Unzulänglichkeit der Programme annehmen, eben in dem Moment, in dem sie, als Instrumente, ihre ursprüngliche Bedeutung von Verwaltung des Konsens verlieren. Es tritt auf diese Weise der paradoxe – und widersprüchliche – Fall ein, dass die Präsenz selbst des Filtermechanismus (Parteien und Gewerkschaften, an erster Stelle) eine Art Induktionseffekt verursacht, der letztlich die Anwandlungen von Flucht nach Vorne der Exekutive blockiert.

Im Grunde laufen die Dinge schlecht und dies trägt dazu bei, einen Kontrollmechanismus zu blockieren, der, wenn er seiner rationalen Logik überlassen würde, sie für wenige auf Kosten von vielen besser laufen lassen könnte, indem diese Vielen einer engmaschigen Kontrolle und einer weitreichenden Repression unterstellt werden. Dies ist nicht möglich, eben weil nicht ein Aspekt der Beziehung zwischen Herrschenden und Beherrschten (der repressive Aspekt) optimiert werden kann, ohne auch den anderen Aspekt (die Grundbedingungen, die ein gewisses Wohlbefinden gewährleisten müssen, ohne welches der Konsens ausfallt) zu kurieren. Die elektorale Wahl wird somit zu einem Element der unmittelbaren Repression, da sie es erlaubt, einen Kurs der Exekutive zu perfektionieren, der ohne eine Überprüfung des Konsenses Gefahr läuft, nirgendwohin zu führen. Der Krieg der Dekrete hat eine gewisse Glaubwürdigkeit, solange die Umlenkrollen der Gewerkschaften und der Parteien funktionieren, und solange Abtragungsräume für den allesfressenden kapitalistischen Mechanismus zugrunde liegen. Wenn diese Räume schwinden, drehen die Umlenkrollen durch und die Exekutive schlittert auf die schlicht und einfache Repression zu, ein Schlittern, das tragisch enden kann, mit einem Ausbrechen von Kämpfen, die nicht mehr zu kontrollieren sind. Um dies zu verhindern, greift man zu den Wahlen. Die Repression perfektioniert sich, die realen Kampfantriebe werden auf künstliche Ziele umgeleitet, und der Auslass der Meinung setzt sich an Stelle des realen Bedürfnisses nach Verweigerung und Negierung. Dem Ausgebeuteten wird der Staatsbürger aufgesetzt.

Aufbau der abstentionistischen Strukturen

Sich der Beteiligung an der repressiven Instandsetzung zu enthalten, ist sicherlich ein Moment der Bewusstwerdung, aber es ist bloss ein Ausgangsmoment. Die soziale Subversion involviert den Abstentionismus von seiner defensiven Phase bis zu seiner aktiven, konstruktiven Phase von Beschleunigung der Widersprüche des Kapitals und des Staates. Die Konsensverweigerung ist also nicht bloss eine Enthaltung von der Abstimmung, sondern ist eine aktive Überwindung des Einbeziehungsmechanismus auf diversen Ebenen. Eine Negierung des politischen Moments und eine Negierung der Ausbeutungsverhältnisse, die sich ausgehend vom politischen Moment entwickeln. Der Staat kann eine gewisse Ordnung in die Widersprüchlichkeit des Kapitals bringen, unter der Voraussetzung, ein allumfassend kontrolliertes Regime zu errichten, ein Regime, worin die unabhängigen Variablen der Produktionsgleichung (die nie vollständig eliminiert werden können) auf ein Minimum reduziert werden, und worin folglich auch der Konsens mit Rationalität programmiert und verfolgt wird. Jede Störung in der Realisierung von diesem letzteren Teil des repressiven Projektes überträgt sich, stark vergrössert, in das gesamtheitliche Projekt, und verschärft die Widersprüche der Herrschaft.

Aber die Konsensverweigerung kann nicht schlicht als der fehlende Teil des Gesamtkonsenses betrachtet werden. Wenn die Gesamtheit der Personen ihre Meinung bezüglich der Abstimmung ausdrückt, sich demokratisch in einem Bogen von Wahlen orientierend, die sich von links bis rechts erstrecken, so vereinheitlicht sich jener gewisse Prozentsatz, der diese Wahl nicht äussert, nicht bloss aufgrund von einer solchen ausgebliebenen Äusserung, sondern braucht es etwas mehr. Das heisst, wer abstimmt, verteilt sich gemäss einem ganz präzisen Raster und liefert folglich Konsens (es hat letztlich geringe Wichtigkeit, für welche Partei er stimmt), wer nicht abstimmt, von dem kann nicht gesagt werden, dass er sich, einzig aufgrund der Tatsache, nicht abzustimmen, einheitlich auf der Seite von jenen verortet, die nicht einverstanden sind, und zwar, weil es viele Arten und Weisen gibt, „nicht abzustimmen”, die sich oft in einer Gleichgültigkeit und sicherlich nicht in einer Bewusstwerdung zusammenfassen lassen. Dies alles erlaubt es, zum Schluss zu gelangen, dass die Tatsache, abzustimmen, ein Beitrag zur Instandsetzung und zur Perfektionierung der Repression ist, die Tatsache, nicht abzustimmen, ist nicht ein Angriff gegen die Repression, zumindest solange sie nicht organisatorisch um etwas zur Gerinnung kommt, was es gestattet, die Negierung des Konsenses, in den Tatsachen, vor Augen zu führen.

Wir sind hier nicht dabei, von der möglichen Konstituierung einer sogenannten „abstentionistischen Bewegung” zu sprechen, die sich durchaus auf beträchtlicher Ebene entwickeln könnte, aber die, früher oder später, als Instrument in den Händen von politischen Machenschaften enden würde, die eigens von den Zentrumsparteien gelenkt werden, welche Interesse daran haben, den sogenannten Linken Stimmen zu rauben. Wir beziehen uns hingegen auf die Möglichkeit, minimale und an die verschiedenen lokalen Realitäten angepasste, abstentionistische Organisationsstrukturen aufzubauen, fähig, die verschiedenartigen abstentionistischen Phänomene zu koordinieren, die sich gegenüber jeder Art von Versammlungsmoment der Verwaltung der Macht entwickeln. Vergessen wir nämlich nicht, dass die regulative Tendenz des Staates noch immer die sozialdemokratische ist, und dass diese Tendenz die intermediären autoritären Entscheide allmählich durch Versammlungsentscheide ersetzen will, vorausgesetzt, dass die Entscheidungsmacht der diversen Führungsspitzen unangetastet bleibt. Die abstentionistischen Strukturen, von denen wir am sprechen sind, könnten die Verweigerung des Wahlmechanismus, sowie die Verweigerung der Versammlungsmechanismen auf Ebene der Fabrik, der Schule, des Quartiers, der Gesundheitseinrichtung usw. koordinieren.

Eine abstentionistische Propaganda, die bestrebt ist, bloss den Moment der Verweigerung der Delegation zu betonen, um dann auf einen hypothetischen, aber praktisch nicht spezifizierbaren positiven Moment der Verweigerung selbst zu verweisen, scheint uns also nicht ausreichend. Es würde sich dabei um eine Neuverortung der Verweigerung in der beschränkten Optik des Defensivismus handeln, den es nunmehr Zeit ist, endgültig zu verlassen. Die Verweigerung ist nur eine solche, wenn sie zu einem ersten Moment einer Angriffsstrategie wird, und nicht, wenn sie als stellvertretende Äusserung von irrationalen Gefühlen entsteht und endet, die vom Subjekt selbst, das sie empfindet, schlecht wahrgenommen werden. Aus dieser Verwirrung gelangt man einzig zu einer Befriedigung des eigenen falschen Bewusstseins, zur Illusion, das man getan hat, was es möglich war, zu tun, und zum ewigen Aufschub dessen, was man vage die Notwendigkeit verspürt, zu tun.

Der Aufbau von einer zonalen abstentionistischen Struktur erscheint uns also möglich, während sich ab jetzt schon die potenzielle Kapazität, die eine solche Organisation besitzt, was die Verschärfung der Widersprüche des Feindes betrifft, deutlich zeigt, auch ausgehend von der Tatsache, dass die Formen der Enthaltung auf diese Weise einen unmittelbaren aggregativen Referenzpunkt für eine Reihe von Aktionen finden würden, die begrenzt und provisorisch sein mögen, aber fähig, die Zerstreuung in der Beliebigkeit und in der Inkonsistenz einer schlichten Weigerung davon, abstimmen zu gehen, zu vermeiden.

Die Möglichkeit einer abstentionistischen Organisationsstruktur

Die positive Funktion einer solchen Struktur besteht darin, als Referenzpunkt zu dienen für die „abstentionistischen Absichten”, als persönliche oder kollektive Entscheide, nicht abzustimmen, sich nicht an den nationalen, administrativen, regionalen, schulischen, Quartiers-, Fabrik-, und jeder anderen Art von Abstimmungen zu beteiligen.

Mittels dieser Struktur könnte man die Möglichkeit von einer Aktion nach aussen haben, die fähig ist, den schlichten Moment der abstentionistischen Absicht zu überwinden, ein Moment, der auch dann nicht als überwunden bezeichnet werden kann, wenn sich praktisch die Tatsache realisiert, nicht abzustimmen.

Diese Struktur präsentiert sich als eine Massenorganisation, die zum Ziel hat, die Leute in Hinblick darauf zusammenzubringen, einen Druck auf die Versammlungsaktivität der Organe des Staates auszuüben für eine Anwendung, die näher an dem ist, was die realen Bedürfnisse der Leute selbst sind. Dabei handelt es sich um ein Konzept, das sofort geklärt werden muss, denn es droht, die Grenzen und die Möglichkeiten der Struktur, wovon wir sprechen, nicht verständlich zu machen.

In der Praxis besteht das Ziel des anarchistischen Revolutionärs darin, dazu anzutreiben, dass sich eine Umwandlung des Abstentionismus von einer schlichten Manifestiening des Dissens in eine konkrete Revolte realisiert. Dies hat keine Möglichkeit, realisiert zu werden, wenn nicht durch ein organisatorisches Instrument, das, seinerseits, sich nicht eine schlicht und einfache Organisation der Revolte vornehmen kann, was etwas ist, das einem unmittelbaren und greifbaren Verständnis vonseiten der Ausgebeuteten entgeht. Das Instrument, wovon wir sprechen, präsentiert sich unabänderlich als Mittel, um die Macht zu einer angemesseneren Anwendung der assemblearen öffentlichen Aktion zu zwingen, im Sinne von einer grösseren Annäherung von ihr an die realen Interessen der Ausgebeuteten selbst. Das Projekt der Revolte wird im Verlaufe des Kampfes zutage treten, in der Wahl der Mittel, die eingesetzt werden, und in den Arten und Weisen, wie man, über das anfängliche Ziel eines Druckes auf die Organismen der Macht hinaus, voranschreitet.

Der Referenzpunkt (die zonale Struktur) wirkt als Ansporn zur Aggregation. In seinem Innern können Analysen und Klärungen angeregt werden sowohl über die repressive Funktion des sogenannten demokratischen oder assemblearen Mechanismus, wie auch über die Perspektiven, welche die Macht hat, eine Ausbeutung auch auf pseudo-selbstverwalterischen Grundlagen zu realisieren.

Im Laufe der Arbeit reift die Struktur, sie gibt sich die ersten Kampftermine: Demonstrationen, Diskussionen, Vorträge, Kundgebungen, Flugblattverteilungen, Plakate, Wanderausstellungen, das alles mit dem Ziel, den abstentionistischen Standpunkt und die Art und Weise, wie sich dieser letztere – als Verweigerung – unterscheidet von den Versprechen der Parteien, der Gewerkschaften, der Fabrik-, Instituts-, Quartier-, Gesundheitseinrichtungsräte, usw.f bekannt zu machen. Diese Unterschiede einmal denunziert, kann man zu einer spezifischen Prüfung all dessen übergehen, was von den Übertragungsrollen des Konsenses versprochen und nicht gehalten wurde, und dies zu dem Zweck, jenes klientelare und Delegationsfundament anzutasten, worauf sich die Stärke der Parteien und der Gewerkschaften stützt. An diesem Punkt wird eine ganze Reihe von anderen Aktionen hypothetisierbar: von der Besetzung des Rathauses bis zu jener der Schule, von der Blockierung der Fabrik bis zu jener der Quartierräte, von der Besetzung des Sitzes einer Partei oder einer Gewerkschaft bis zur Demonstration gegen das Parlament oder gegen die Regionalversammlungen. Ein immenses Arbeitsfeld eröffnet sich vor dem subversiven Abstentionismus.

Eben in diese vielfältige Aktivität fügt sich die Arbeit des anarchistischen Revolutionärs ein, der bestrebt sein muss, die einzelnen Kampfmomente der zonalen abstentionistischen Struktur, von Mal zu Mal, in Richtung von Zielen von aufständischem Charakter zu verschieben: Besetzung des Rathauses und Vorschlag von Entscheidungen, die jene des Rates ersetzen, Besetzung der Schule und Vorschläge von anderen Lehrplänen, von anderen Lehrbüchern, usw., Besetzung der Fabrik und Vorschlag von anderen Lösungen als denjenigen, die von den Gewerkschaften vorgeschlagen und in der Versammlung durchgebracht werden. Dasselbe für die Besetzungen der Sitze der Parteien oder der Gewerkschaften. Auch die Demonstrationen gegen das Parlament oder die Regionalversammlungen können Träger von anderen Weisungen sein als jene, die von der nationalen oder regionalen Politik widergespiegelt werden.

Einzeln betrachtet haben diese Kämpfe alle eine symbolische Bedeutung (Ersetzung einer Prozedur, die als ineffizient oder von Klientelismus verseucht betrachtet wird) und eine Bedeutung als Kritik an einem unkorrekten Ansatz der Tätigkeit des Staates und seiner Organe. Aber wenn man genau darüber nachdenkt, so haben diese Kämpfe auch ein beträchtliches Potenzial, welches, von Mal zu Mal, in einem aufständischen Sinne ausgerichtet werden kann. Jede einzelne Besetzung, jede Demonstration, kann ständig weiter vorangetrieben werden, sowohl, weil es sich um Kämpfe handelt, die von einer Struktur (oder von einer Reihe von Strukturen) organisiert werden, worin die anarchistische Minderheit ab dem ersten Moment aktiv präsent ist (ansonsten stünden wir vor den frommen Absichten eines realitätsfremden Entrismus), wie auch, weil im Verlaufe selbst der Kämpfe ein immer deutlicheres soziales Bewusstsein über jene anfänglichen Formen von Dissens heranreift, welche die Leute zu einer unbestimmten Zustimmung zum Abstentionismus angetrieben haben mögen.

Ein Kapitel für sich würde die Betrachtung der politischen Widersprüche verdienen, die eine organisatorische und Kampfaktion wie die oben umrissene innerhalb der Strukturen des Staates auslösen kann, mit besonderer Bezugnahme auf die Parteien der sogenannten Linken. Das, was mit dem Einsatz der aufständischen Methode angegriffen wird, ist eben der Mechanismus zur Konsensbeschaffung, ein Mechanismus, der es erlaubt, die Herrschaft zu verschnüren und zu versiegeln. Ein verfehltes oder mangelhaftes Funktionieren von diesem Mechanismus, egal wie eingegrenzt und beschränkt, ist stets ein grosser Angriff auf den Staat und auf das Kapital und ein grosses Hindernis, das sich vor ihren repressiven Absichten erhebt.

Organisationsdokument der zonalen abstentionistischen Strukturen

In einer modernen Demokratie ist das partizipative Wahlsystem die Grundlage der Konsensbeschaffung.

Dieses System besteht nicht bloss aus den periodischen Aufrufen an die „Meinungen” der Leute, ersucht auf Basis der nebulösen politischen Programme der Parteien, Aufrufe, die die grosse Masse der Untertanen dazu verleiten, sich an den politischen und administrativen Wahlen zu beteiligen, sondern weitet sich engmaschig über das ganze Leben des demokratischen Staates aus.

In den Fabriken, in den Schulen, in den Quartieren, in den Gesundheitsstrukturen, usw., gibt es Versammlungsmechanismen, die durch Wahlmethoden Konsens beschaffen.

Dem Staat gelingt es auf diesem Weg, die Situation unter Kontrolle zu haben, während er zu kleinen periodischen Anpassungen, Kontrollen und Sanierungen greift, die jedoch nichts anderes tun, als die Ausbeutung und die Unterwerfungsbedingungen aller Ausgebeuteten fortdauem zu lassen.

Der Wahlvorschlag – auf egal welcher Ebene – ist eine Art Gesuch um Komplizenschaft, damit eine beschränkte Machtclique, die an politische Parteiinteressen gebunden ist, mit Billigung der Abstimmungen, weiterhin tun kann, was sie vorher tat, während sie lediglich bescheidene Änderungen vornimmt, welche Reformen genannt werden.

In den letzten Jahren ist immer konsistenter eine Schicht von Personen aufgetaucht, die sich weigern, sich an den Abstimmungen zu beteiligen. Von einem Minimum von achtzehn Prozent in den politischen und administrativen Wahlen [1983] gelangt man zu einem Maximum von ungefähr siebzig Prozent bei den peripheren Wahlen (schulische, insbesondere).

Dieser Abstentionismus weist auf eine immer tiefer verwurzelte Teilnahmslosigkeit gegenüber einer Praxis hin, die nunmehr deutlich vor Augen führt, was die Absichten von denjenigen sind, die sie in Gang setzen.

Aber als solche, das heisst als schlichte Verweigerung, abstimmen zu gehen, ist sie nicht ausreichend.

Es muss mehr getan werden.

Es müssen zonale abstentionistische Strukturen organisiert werden.

A) Charakteristiken.

  • Die zonale abstentionistische Struktur ist eine autonome Kampforganisation, die all diejenigen versammelt, die effektiv die Absicht haben, über eine schlichte Enthaltung von der Abstimmung auf allen Ebenen hinaus zu gehen.
  • Sie ist keine bürokratische Organisation. Sie hat keine Statuten, Vereinsregeln, Gründungsdokumente, etc. (Auch dieses Dokument muss als eine schlichte Grundsatzschilderung betrachtet werden). Sie kann auch keinen permanenten Sitz haben.
  • Die einzelnen, auf dem Gebiet verstreuten zonalen abstentionistischen Strukturen entstehen spontan, auf Basis einer Übereinkunft zwischen wenigen Personen, und haben als einzigen gemeinsamen Punkt die allgemeinen Prinzipien, die gleich anschliessend genauer ausgeführt werden.
  • Die zonale abstentionistische Struktur ist ein Kampforganismus, der die Delegation ablehnt, nicht nur nach aussen, indem eben all diejenigen versammelt werden, die sich nicht an den Abstimmungen auf jeglicher Ebene beteiligen, sondern auch nach innen. Sie lehnt es also ab, ihren Vertretern permanente Delegationen zu erteilen, und aberkennt damit dieser Vertretung jegliche Professionalität.
  • Die zonale abstentionistische Struktur setzt sich konstant im Kampf gegen die Wahlen ein, auf allen Ebenen.
  • Jedes Mitglied der Struktur betrachtet sich als im Kampf gegen die Wahlmethode auf allen Ebenen und gegen die politischen Kräfte, die beabsichtigen, sie durchzusetzen, um Konsens zu erlangen, es erkennt daher, dass diese Methode einzig die Interessen der Ausbeuter und ihrer Diener unterstützt.
  • Die zonale abstentionistische Struktur ist keine Verteidigungsorganisation der Interessen von dieser oder jener Arbeiterkategorie. Sie ist also keine gewerkschaftliche oder para-gewerkschaftliche Organisation.
  • Die Propaganda- und Kampfaktivität von jeder einzelnen zonalen abstentionistischen Struktur wird bevorzugt mit jener der anderen zonalen Strukturen koordiniert, während die Möglichkeit von auch unabhängigen Initiativen, welche lokale Charakteristiken haben, stets bestehen bleibt, aber immer mit dem Ziel, die Verweigern der Wahlen auszuweiten und den Staat und seine Organe, auf allen Ebenen, zu einer Respektierung der Interessen der Verwalteten zu zwingen. Dies geschieht selbstverständlich, als Tätigkeit der einzelnen Strukturen, in der Perspektive der gemeinsamen Prinzipien.
  • Die Beteiligung an der zonalen abstentionistischen Struktur ist der logische Schluss von denjenigen, welche die Methode der Komplizenschaft nicht akzeptieren, die der Staat, auf allen Ebenen, durch die Wahlen jeder Art realisieren will.

B) Allgemeine Prinzipien.

Permanente Konfliktualität:

  • Der abstentionistische Kampf kann nur unter der Bedingung positive Ergebnisse zeigen, dass er konstant und nicht bloss auf den Vorabend der Wahlen beschränkt ist. Denn der Einsatz der elektoralen Methode, vonseiten des Staates und seiner Organe, ist konstant, und somit muss auch der Kampf, der beabsichtigt, sich dieser Methode entgegenzustellen, konstant sein.

Selbstverwaltung:

  • Die zonalen abstentionistischen Strukturen sind selbstverwaltet, das heisst, sie sind unabhängig von jeglichen Organisationen, Parteien, Gewerkschaften, Klientelen, usw. Sie erhalten keine Gelder ausser jene, die von den freiwilligen Beiträgen der Mitglieder selbst kommen. Auf dieser Autonomie beruht ihre Stärke.

Angriff:

  • Die zonalen abstentionistischen Strukturen verfechten die Notwendigkeit, die schlichte Nicht-Beteiligung an der Abstimmung mit einem Angriff gegen die Aspekte, worin diese Abstimmung sich realisiert, zu konkretisieren, mit dem Ziel, die abstentionistischen autonomen Entscheidungen an die Stelle der delegierten zu setzen, die auf dem Konsens beruhen, welcher durch den elektoralen und demokratischen Betrug beschafft wurde.

C) Methoden.

  • Die elektorale Aktivität ist konstant. Sie strebt danach, eine Verbindung zwischen Staat und Untertanen zu optimieren, um die Herrschaft so effizient wie möglich zu machen. Sie ist daher ein Element von unmittelbarer Repression. Sich der Abstimmung zu enthalten, ist sicherlich ein Anfang von Bewusstwerdung, und dieses Element ist die Grundlage, worauf man sich an der zonalen abstentionistischen Struktur beteiligt. Aber anschliessend muss weiter gegangen werden. Auf konstante elektorale Aktivität antworten die Strukturen mit konstantem Abstentionismus.
  • Alle Kategorien der Arbeit haben ein Interesse am abstentionistischen Kampf und an der Ersetzung der Entscheidungen von oben, gestützt auf die elektorale Delegation, durch die Entscheidung von unten, gestützt auf die direkte Aktion. Dies bringt eine notwendige Erweiterung der Kampffront mit sich.
  • Ein abstentionistischer Kampf muss aus dem schlichten Moment der Verweigerung, der nur defensive Charakteristiken hat, heraustreten, um zum Angriff überzugehen. Aber um dies zu tun, muss er die realen Bedingungen der Klassenkonfrontation kennen, die konkreten Aktivitäten, die von den verschiedenen staatlichen Organismen, die auf dem Wahlmechanismus basieren, entwickelt werden. Die Struktur wird also ein Aggregationselement. In ihrem Innern werden Analysen und Klärungen über die repressive Funktion der demokratischen und assemblearen Institutionen entwickelt, während die faustdicken Nebel, welche die Ideologie über die wirkliche Realität des demokratischen Staates herabsinken lässt, vertrieben werden. Dieser Teil des Kampfes erfordert einen sehr breitgefächerten gegeninformativen Aufwand.
  • Es müssen schliesslich jene Schichten erreicht werden, die über das Problem in Unkenntnis bleiben, obwohl es substanziell abstentionistische Schichten sind: die proletarischen Frauen, die Hausfrauen, die Kinder, die Alten. Sie alle haben das Recht, Bescheid darüber zu wissen, was der Staat mit ihrer unfreiwilligen Komplizenschaft und mit ihrem Schweigen realisiert.
  • Die Intümer des schlichten Abstentionismus, desjenigen, der von leeren Stimmzetteln spricht, zu akzeptieren, ist eine weitere Billigung des repressiven Verhaltens des Staates. Es sind nämlich nicht die nichtigen Stimmen, die die operative Fähigkeit des Staates stoppen, sondern die von unten organisierten Kämpfe, welche in jedem Moment des öffentlichen Lebens intervenieren, während sie versuchen, sich mit Basisvorschlägen an Stelle der Führungsentscheide zu setzen.
  • Eine jede Entscheidung, von jenen, die im Parlament getroffen werden, bis zu jenen der Gemeinderäte, von den Entscheidungen der Fabrikräte bis zu jenen der Instituts- und Universitätsräte, etc., wird getroffen, weil wir den Mund halten und nicht handeln, weil wir es zulassen, weil wir an andere delegieren, was wir selber kontrollieren, entscheiden und direkt tun müssten.
  • Die Methode, welche die zonalen abstentionistischen Strukturen verfechten, und welche sie für die einzige halten, die fähig ist, die schlichte Verweigerung in eine wirksame Kraft zu verwandeln, ist die ersetzende Methode. Wir müssen unsere überlegte Verweigerung an Stelle der Führungsentscheide setzen, die als Wahl- oder Versammlungsentscheide getarnt werden.
  • Jede einzelne abstentionistische Struktur kann sich mit all ihren Mitgliedern, in einer Massendemonstration, an jedem einzelnen Gemeinderat, an jeder Versammlung der Fabrikräte, der Instituts-, der Quartierräte, etc., beteiligen. Die meisten von diesen Versammlungstreffen erlauben eine Teilnahme von Elementen, die dem Organ selbst aussenstehend sind. Wenn die Teilnahmen nicht erlaubt werden, kann mit Demonstrationen, Umzügen, Kundgebungen, fliegenden Reden, Plakaten, Flugblättern und allen anderen erlaubten Mitteln ein externer Druck ausgeübt werden.
  • Die ersetzenden Vorschläge, welche die zonale abstentionistische Struktur vorbringen wird, müssen von einer perfekten Kenntnis der Tatsachen ausgehen, von einer Denunziation der klientelaren und Parteiinteressen, die sich oft an Stelle der Interessen der grossen Masse der Ausgebeuteten setzen, und müssen wirksam abgeschlossen werden, während Forderungen vorgebracht – wenn auch beschränkte – und Realisierungsfristen festgelegt werden, die nicht sehr lange und auch nicht unmittelbar sein können.
  • Im Falle von einer mehrmaligen Weigerung vonseiten des verantwortlichen Organs, die ersetzenden Vorschläge zu akzeptieren, kann man auch bis zur Besetzung von den Gebäuden gehen, worin die Funktion ausgeübt wird, solange, bis man erhält, was gefordert wird.
  • Mehrere zonale abstentionistische Strukturen können eine Demonstration initiieren, die, indem sie auf dieselbe oben beschriebene Vorgehensweise zurückgreift, auf regionaler und nationaler Ebene in die Versammlungen und ins Parlament intervenieren kann.
  • Jede einzelne Struktur versammelt sich wann und wie es ihr beliebt, mit der Regelmässigkeit, die sie für angemessen hält, und an dem Ort, der sich für die operativen Zwecke, die man erreichen will, am besten eignet. Die ergriffenen Initiativen werden – falls die Struktur es für zweckdienlich hält – den anderen zonalen abstentionistischen Strukturen bekannt gemacht.
  • Es können periodisch Treffen einberufen werden, um mit allen gemeinsam über die Kampfperspektiven und über die analytischen Vertiefungen zu diskutieren.
  • Die erste Aufgabe jeder zonalen abstentionistischen Struktur besteht in der Intervention nach aussen, um das grösstmögliche quantitative Wachstum zu realisieren.
  • Die zonale abstentionistische Struktur ist eine Massenorganisation, sie kann also, als solche, entweder die Form einer sektoriellen Struktur (Struktur von Arbeitern, Studenten, Lastwagenfahrem, Professoren, Krämer, usw.), oder die Form einer intersektoriellen Struktur annehmen (Struktur einer Stadt, eines Dorfes, eines Ortsteils, eines Quartiers, zonenübergreifende Struktur, usw.)
  • Die Wahl des Kampfes, den es zu führen gilt, wird von den einzelnen zonalen abstentionistischen Strukturen in den Versammlungstreffen entschieden. Jede Struktur kann Vertreter ernennen, die an den periodischen Treffen teilnehmen können, um die Massenorientierungen zu vertiefen.

D) – Perspektiven.

  • Die zonalen abstentionistischen Strukturen sind keine korporativen Organismen. Sie verteidigen nicht die Interessen von einer Kategorie, von einer Ortschaft oder von einer Personengruppe. Auch wenn es sektorielle oder intersektorielle Strukturen sind, beziehen sie sich auf eine gemeinsame Strategie und haben sie die Perspektive, Interessen zu schützen, die allen Ausgebeuteten gemeinsam sind.
  • Sie sind Massenstrukturen, die das Ziel haben, die Basisentscheide an Stelle der Führungsentscheide zu setzen, während sie den Betrug der Wahlen und der Versammlungen, in den Tatsachen, demaskieren.
  • Jeder externe oder interne Versuch, die zonalen abstentionistischen Strukturen in Richtung von Klientel-, Gewerkschafts-, Macht- oder schlicht passiven Widerstandszielen zu kanalisieren, muss verhindert werden.
  • Nur auf Massenebene können die zonalen abstentionistischen Strukturen ihr Gewicht spüren lassen, und auf diese Weise andere Entscheide als die Machtorganismen bewirken, Entscheide, die den Interessen der Ausgebeuteten näher sind.
  • Jedes andere Ziel bleibt ausserhalb der Reichweite der zonalen abstentionistischen Strukturen.

E) – die Koordination.

  • Im Verlaufe der ersten Treffen muss das Problem angegangen werden, eine nationale Koordination ins Leben zu rufen.
  • Die Koordination ist ein technisches Büro, das für alle zonalen abstentionistischen Strukturen, sowohl für jene, die bereits gegründet sind, wie auch für jene, die im Entstehen begriffen sind, als Referenzpunkt dient.
  • Die Koordination ist imstande, Angaben über die Gesamtsituation des Kampfes zu machen, über die Interessen, die sich um ihn herum entwickeln, über die Ziele der Bosse, über die erlangten Resultate.
  • Die Koordination muss imstande sein, auch minimale Propagandaindikationen und -instrumente zu liefern, aber sie darf, auf keinste Weise, in die Entscheidungen und in die Aktionen der einzelnen zonalen abstentionistischen Strukturen eingreifen.
  • Die Koordination sollte ein regelmässiges Bulletin verfassen, das die verschiedenen Kämpfe, die Analysen und die Vorschläge der einzelnen Strukturen, sowie auch Angaben über ihr Entstehe und ihre Entwicklung enthält.
  • Die Koordination muss sich darum kümmern, regelmässige Treffen zu organisieren.
  • Die Koordination wird abwechselnd von den Mitgliedern der verschiedenen zonalen abstentionistischen Strukturen realisiert und ist somit ein Organismus, der von den Strukturen selbst gebildet wird, welche sich um die Spesen zu kümmern haben, die an ihr Funktionieren gebunden sind.

Schlussfolgerung.

Die zonale abstentionistische Struktur ist ein Kampforganismus, der beabsichtigt, die Führungsentscheide durch die Basisentschiede zu ersetzen, indem die Massenkräfte organisiert werden, welche generisch gegen die Beteiligung an den Wahlen sind, auf jeglicher Ebene, parlamentarisch, administrativ und konsiliarisch (Fabrik, Schule, Quartier, etc.).

Sie beruht auf dem Prinzip der Autonomie des Kampfes und auf der permanenten Konfliktualität. Die Methode, die sie wählt, ist jene des Angriffs gegen die Versammlungsorgane, welche in der Praxis den demokratischen Betrug organisieren, um den Konsens zu gewinnen, während dieser letztere als Alibi benutzt wird für ihre Vormachtstellung zu Schaden der Ausgebeuteten.


1Solche wurden in Italien vorgeschlagen, um Gefährten in Haft, Hausarrest oder Verbannung, mittels ihrer Wahl zu Abgeordneten, durch deren politische Immunität, von den Sanktionen zu befreien. (Anm. d. Ü.)

]]> Wählt nicht eure Henker! Es geht darum keine mehr zu haben! https://panopticon.blackblogs.org/2025/02/20/waehlt-nicht-eure-henker-es-geht-darum-keine-mehr-zu-haben/ Thu, 20 Feb 2025 07:31:33 +0000 https://panopticon.blackblogs.org/?p=6192 Continue reading ]]>

Wählt nicht eure Henker! Es geht darum keine mehr zu haben!

Die Demokratie ist die effizienteste Herrschaft für die Bourgeoisie, sie soll eine Gesellschaft vereinen die durch Klassen aufgeteilt ist, sie soll mit dem Anschein der friedlichen Koexistenz dass vereinen was unwiderruflich im Konflikt steht, was eine der essentiellen Fundamente des Kapitalismus ist. Sie gibt den Proleten, via Suggestion, das Gefühl dass sie an den Entscheidungen dieser Gesellschaft teilnehmen können und würden. Aber am Tag nach den Wahlen, genauso wie am Tag davor, gibt es für die Proleten nur Ausbeutung, Unterdrückung, Repression, Kriege, Wohnungsnot, Gesundheitsprobleme … . Nichts neues unter der Sonne.

Die Demokratie ist eine der Krönung des Kapitalismus, der Trennung zwischen dem Denken und dem Handeln (auch Aktion), nicht nur die Aufteilung in denen die die Produktionsmittel besitzen (Bourgeoisie) und denen die nur ihre Arbeitskraft zum Verkauf haben (Proletariat), sondern auch in denen die Entscheidungen treffen (herrschende Klasse, Politikerinnen und Politiker, Parteien, Regierungen, Gewerkschaften/Syndikate, usw.) und denen die sie ausführen müssen (immer noch Proletariat). Wie gesagt, die Suggestion der Teilnahme an gesellschaftlich wichtigen Entscheidungen soll den Proleten glauben lassen sie würden mitentscheiden. Doch was dürfen all jene Entscheiden die aufgerufen werden ihre Stimme abzugeben, also bis zur nächsten Wahl ohne Stimme – passiv -, außer ihre nächsten Herrscherinnen und Herrscher?

Wenn Politik die entfremdete und entfremdende Form des Treffens von Entscheidungen über das Leben in dieser Gesellschaft sind, dann ist diese Form der Entfremdung die Weiterführung einer Gesellschaft wo Denken und Handeln strikt voneinander getrennt werden. Die Ausgebeuteten, Marginalisierten, Habenichts wissen genau dass sie einer Gruppen von Parteien und deren Politikerinnen und Politiker ihre eigene Angelegenheiten delegiert haben, wenn überhaupt. Die entfremdende Aufteilung in Denken und Handeln ist kristallisiert sich nicht nur in Wählenden und Gewählten, sondern sie gestaltet diese Gesellschaft der Spezialisation wo das Individuum nicht ohne Grund sich so machtlos, so atomisiert, so alleine fühlt. Dies hat historisch die anarchistische Bewegung immer kritisiert und angegriffen, genauso wie dieses falsche Konzept der Freiheit was am Ende nur der Freiheit der herrschenden Klasse entspricht.

Diese Freiheit – die nichts anderes ist als die Freiheit der herrschenden Klasse – ist nur ein Nebenprodukt der wahren Freiheiten im Kapitalismus, der Freiheit für die Zirkulation von Waren, der Freiheit seine Meinung in politischen Entscheidungen in Wahlen abzugeben (ohne dabei die Gesellschaft zu verändern), aber vor allem Frei von Eigentum an den Produktionsmitteln zu sein.

Jede Stimme in den kommenden Wahlen – sowie in vergangenen und kommenden – ist eine Stimme für den Staat und den Kapitalismus. Damit wird klar und deutlich die herrschende Klasse und der Staat als Garant der Ordnung jede Legitimität zugesprochen, sogar wenn du ungültig wählst.

Jede Stimme ist daher eine Stimme für den Kapitalismus, für seine Ausbeutung, für die Verteidigung Nationaler Territorien und deren Grenzen, für Kriege, für die Zerstörung aller Spezies auf diesen Planeten.

Warum wird die Frage sein, weil durch deine Stimme du dem zustimmst dass eine neue Regierung den Staat verwaltet, das soziale Probleme durch den Staat gelöst werden können und dass können sie nicht.

Gegen den Staat und den Kapitalismus bedeutet auch gegen seine zirkusartige Legitimation durch Wahlen, gegen alle Parteien, alle Gewerkschaften/Syndikate, allen Avantgarden, allen falschen Anarchistinnen und Anarchisten die wählen gehen und das Wählen verteidigen.

Anarchie und unversöhnliche Haltung gegen allen Feinden der Freiheit.

Soligruppe für die soziale Revolution (und Gefangene)


Mehr Texte die die Demokratie kritisieren findest du hier und hier.

]]> (Peru) Die Demokratie – Grupo de Lucha Proletaria https://panopticon.blackblogs.org/2024/12/15/peru-die-demokratie-grupo-de-lucha-proletaria/ Sun, 15 Dec 2024 19:47:25 +0000 https://panopticon.blackblogs.org/?p=6110 Continue reading ]]>

Hier eine Kritik einer (räte)kommunistischen Gruppe namens Grupo de Lucha Proletaria aus Peru aus dem Jahr 2006, die unser Wissens nach auch nicht mehr existiert. Uns interessierte dieser Texte, weil er sich in die Liste der Kritik an der Demokratie anreiht die wir ständig erweitern und es immer auch sehr interessant und wichtig ist zu wissen was Revolutionäre entlang des Globus nicht nur dazu zu sagen haben, sondern auch dass man Kritikpunkte teilt. Teilen tun wir dennoch nicht alle Sichten, dies hat aber nicht die Qualität dieses Textes gemildert. Dieser Text wurde zu seiner Zeit von einem anarchistischen Verlags und Publikationsprojekt namens Mariposos del Caos veröffentlicht. Die Übersetzung ist von uns.


(Peru) DIE DEMOKRATIE – Grupo de Lucha Proletaria1

Grundlegendes Vokabular.

Damit unsere Leserinnen und Leser unsere Aussagen besser verstehen können, stellen wir dieses Grundvokabular vor, damit sie erkennen können, bis zu welchem Punkt die Gesellschaft des Kapitals uns entmenschlicht hat.

Staatsbürger: Die Kategorie, auf die wir Proletarier reduziert werden, nachdem uns die Mittel zur Befriedigung unserer Bedürfnisse vor Jahrhunderten von der privilegierten Klasse weggenommen wurden, die sie heute nach Belieben einsetzt. Um die Unterschiede zwischen Arm und Reich zu vertuschen, geben die von den Gesetzgebern der herrschenden Klasse ausgearbeiteten Gesetze und Verfassungen vor, dass wir in Wirklichkeit alle „vor dem Gesetz gleich“ sind. Damit soll vorgetäuscht werden, dass wir unsere Klassenunterschiede vergessen, weil wir das Recht haben, zu wählen oder volljährig zu werden. Die Staatsbürgerschaft ist die Weihe des proletarischen zum bourgeoisen Individuum.

Waren oder Güter: Das sind alle Gegenstände, die für den Konsum hergestellt werden (Bleistifte, Schuhe, Pullover usw.). Einerseits werden sie mit der Arbeitskraft der proletarischen Arbeiter hergestellt, andererseits werden sie auf den Märkten getauscht und bringen den Besitzern von Fabriken und Werkstätten gigantische Gewinne ein. Die Ware ist also das Zentrum, der Nabel, um den sich die ganze Gesellschaft, in der wir leben, dreht. Das Leben in dieser Gesellschaft dreht sich nicht um das Glück und das Wohlergehen aller Menschen, sondern um einen brutalen Wettbewerb aller um die ultimative Ware: Geld.

Bourgeoisie: Soziale Klasse der Reichen; sie umfasst die sogenannten „Investoren“ oder „Unternehmer“, die Besitzer von Fabriken, Werkstätten und Land. Sie ist eine schmarotzende und blutsaugende Klasse, die mit allen Regierungen der Welt verbündet ist. Sie ist darauf angewiesen, dass wir Proletarier ihr unsere Arbeitskraft für 8, 10 oder 12 Stunden gegen einen Lohn zur Verfügung stellen, der uns zu modernen Sklaven macht und so ihre Profite sichert. Die Bourgeoisie organisiert sich in politischen Parteien (rechts, Mitte, links), um den Staat nach ihren Interessen zu lenken, und zwar durch Demokratie in Zeiten des sozialen Friedens und durch zivile oder militärische Diktatur in Zeiten des Volksprotests.

Proletariat: Die Klasse, zu der wir alle gehören, die unsere Arbeitskraft an andere (die Kapitalisten) verkaufen müssen, um zu überleben und unsere Angehörigen zu ernähren. Unsere Klasse hat einen sehr alten Ursprung, seit dem Auftauchen der ersten Klassengesellschaften (Mesopotamien, Ägypten) vor 5.000 Jahren. Seit der Zeit der Sklaverei haben die Proletarier versucht, sich von der Ausbeutung zu befreien: von der großen Rebellion des Spartacus vor Christus bis zu den antikapitalistischen Bewegungen in Mexiko mit Zapata, der russischen Revolution von 1917 oder der spanischen Revolution von 1936.

Das Ziel der Proletarier muss unveränderlich sein: der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen ein Ende zu setzen, der Lohnsklaverei ein Ende zu bereiten und die Gleichheit auf der ganzen Welt herzustellen, indem sie die wahre MENSCHENGEMEINSCHAFT wiederherstellen.

0. EINLEITUNG.

Die Erstellung dieses Textes war unumgänglich; es war notwendig, dass jemand die Kritik an der Demokratie einleitet. Heute mehr denn je, wenn alle Medien (Radio, Fernsehen, Presse) und Institutionen (Parteien, Universitäten, Schulen, Vereine, Kirchen), kurz gesagt, alle gesellschaftlichen Bereiche lautstark ihren demokratischen Geist einfordern.

Die Ziele dieser Broschüre sind klar: Wir wollen bekannt machen, woher die Demokratie kommt, wofür sie da ist und wem sie wirklich nützt. Die Kritik kommt nicht von jetzt auf gleich, im Gegenteil, andere Proletarier vor uns haben dies seit dem 19. Jahrhundert getan; wir sind nur die Fortsetzer dieser militanten Linie.

Wir halten es für notwendig, die Demokratie zu analysieren, die wie ein heiliges Objekt unantastbar geworden ist, und wir sind der Meinung, dass das nicht so sein sollte. Das Wahlspektakel, dessen Zeuge wir allmählich werden, ist erbärmlich, heruntergekommen, mehr als erbärmlich; wir können sie sehen: Clowns, Schleimer, Schauspieler, ausgezeichnete Scharlatane, Gauner, die alles anbieten, kurzum, es gibt viele Adjektive. Der Punkt ist, dass wir und du, mein freundlicher Leser, gezwungen sein werden, für einige dieser Marionetten-Verteidiger des Kapitalismus zu stimmen, des Systems, in dem die Reichen herrschen und die Armen gehorchen. Sie nennen das „unsere staatsbürgerliche Pflicht erfüllen“.

Um es gleich klarzustellen: In einer ungerechten Gesellschaft gibt es keine Staatsbürger, die „vor dem Gesetz gleich sind“, sondern nur zwei soziale Klassen, die einander gegenüberstehen: die Bourgeoisie und das Proletariat. Die Demokratie ist die Ordnung, die diese Realität aufrechterhält. Deshalb müssen wir Proletarier außerhalb und gegen die Demokratie sein. Wir hoffen, dass dieses Pamphlet auch dir hilft, diese Position einzunehmen.

I. DER HISTORISCHE URSPRUNG DER DEMOKRATIE.

Von der Auflösung der Urgemeinschaft zur Monarchie des Staates.

Vor Tausenden von Jahren waren die Menschen in kleinen Gruppen von Jägern und Sammlern organisiert, kleinen Gesellschaften ohne Klassen oder Ausbeuter, die heute als Paläolithikum bezeichnet werden. Mit dem Aufkommen des Ackerbaus in verschiedenen Teilen der Erde (Mesopotamien, Ägypten, Mittelamerika, Peru) verschwanden die ursprünglichen Gemeinschaften und wurden durch sesshafte Dörfer ersetzt, in denen sich eine Gruppe von Spezialisten für die Beobachtung des Himmels und seiner Zyklen in Bezug auf Regen und Dürre bildete. Diese Gruppe nutzte dieses Wissen und ließ die anderen Bewohner glauben, dass sie „von den Göttern“ auserwählt seien, um mit den Menschen zu kommunizieren. Sie brachte die Menschen dazu, mehr Gerste oder Mais zu produzieren, als für die Gemeinschaft notwendig war. Damit hatten sie den materiellen ÜBERSCHUSS für die Reproduktion aller herrschenden Klassen geschaffen. Aus dieser Priesterkaste wurden später die Priesterkönige und dann die Kriegerkönige, aus denen die ersten Stadtstaaten hervorgingen. Überall ist es das Gleiche: Ur, Uruk, Babylon, Memphis, Byblos. In Griechenland passiert das Gleiche, die Zivilisation entsteht, die Macht des Königs, dem das Land bereits gehört, und die Arbeiter, die darauf leben. Gleichzeitig drängten diese Könige ihre Untergebenen dazu, sich den Reichtum anderer Völker mit Gewalt anzueignen.

Die „Kunst des Krieges“ förderte den Aufstieg von Spezialisten für Raub und Plünderung in Massen. Nach der zynischen Formulierung von Aristoteles ist Plündern „auch eine Form der Industrie“; die Figuren der „Ilias“ und der „Odyssee“ waren nichts anderes als Piraten und Räuber von Beruf, so Heichelheim.

Die Folgen der griechischen Eroberungen waren gigantisch: Zum einen wurden Kriegsgefangene zur Ausbeutung der eroberten Länder und Minen eingesetzt, was Tausende von Männern, Frauen und Kindern in eine der abscheulichsten Formen der Ausbeutung stürzte, die die Menschheit kennt: die SKLAVEREI. Das Territorium der griechischen Städte war mit Tausenden von Sklaven bedeckt, und auf ihrem Rücken wurde die Produktion von Waren aufrechterhalten, auf deren Grundlage der NATIONALE HANDEL UND DIE DEMOKRATIE ALS KOSUMPOLITISCHE FORM entstand.

Andererseits machte die militärische und politische Macht dieser Erobererkaste sie zu einem Adel oder einer Aristokratie, in der der König gewählt wurde. Die Aristokratie festigte sich als Regierungsform in Athen, der späteren Wiege der Demokratie (800 v. Chr.).

Die Handelsrevolution brachte die Demokratie hervor.

Vor der Entstehung des Staates als solchem produzierten die akkasischen Gemeinschaften das, was sie zur Deckung ihrer eigenen Bedürfnisse benötigten. Der gemeinschaftliche Austausch fand in Form von Tauschhandel statt. Mit dem Aufkommen von Klassen, dem Staat, Eigentum und Handel, Sklaven- und Handwerksarbeit entstand eine absichtliche Produktion, die nicht mehr der Bedürfnisbefriedigung diente, sondern dem Profit auf Kosten der Ausbeutung der Untergebenen.

Die alten, wahrhaft menschlichen Beziehungen von einer Gemeinschaft zur anderen werden kontaminiert, wenn die Ware (und später das Geld als universelle Ware) zum Vermittler dieser Beziehungen wird. Neben den Waren treten Spezialisten für ihren Handel auf: die Kaufleute. Der Handel breitete sich im gesamten östlichen Mittelmeerraum, in Nordafrika und Kleinasien aus. Zu Beginn waren Syrien und Ägypten die wichtigsten Zentren, später die phönizischen Städte wie Byblos, Sidon und Tyrus, die Marktstädte waren, in denen Stoffe, Parfüm, Keramik, Glas, Holz, Mineralien und natürlich Menschen gehandelt wurden. Der Handel mit Zinn aus Italien und die wachsende Produktion von Getreide, Öl, Wein, Töpferwaren und Kunsthandwerk brachten eine kommerzielle Revolution nach Griechenland, die sich im Wohlstand von Städten wie Korinth, Sicione, Ägina und Athen manifestierte. Handelsrouten, die Griechenland mit Asien, dem Schwarzen Meer und der italienischen Halbinsel verbanden, verlagerten den Schwerpunkt der antiken Weltwirtschaft von Phönizien nach Griechenland. Hier führte der Aufstieg des Handels zum Niedergang der Landwirtschaft und der Handelsverkehr wurde zur wichtigsten Aktivität in vielen griechischen Städten (Polis), deren aristokratische politische Strukturen nicht mehr zu der neuen revolutionären merkantilen Realität passten. Die griechischen Kaufleute schufen eine mächtige Handelsflotte und gründeten überall im Mittelmeer Marktkolonien (Milet, Samos, Ampurias, Masalia, Sibaris, Syrakus und viele andere). Sie werden die Träger einer NEUEN WELTANSICHT SEIN: ALLES WIRD GEKAUFT UND VERKAUFT, der PROFIT IST EIN SELBSTZWECK.

Diese Kaufleute werden als neue herrschende Klasse in den Stadtstaaten aufsteigen und dem alten Agraradel, der sich gegen die Teilung der Macht wehrte, heftige Konkurrenz machen, was zu ihrem gewaltsamen Sturz in blutigen Bürgerkriegen führte. DIE KAUFLEUTE BRACHTEN NEUE FORMEN DER POLITISCHEN ORGANISATION IN EINKLANG MIT DER HANDELSTÄTIGKEIT. Die athenischen Kaufleute brachten zum Beispiel die politische Praxis, die sie in den phönizischen Städten beobachtet hatten, in ihre Stadt. Dies war das erste demokratische Modell. Zu Beginn des Jahres 700 v. Chr. wurde der Kampf zwischen Adligen und Kaufleuten um die Macht in der gesamten Helade bis zum Tod ausgetragen.

Die athenische Demokratie: Solon und die Herrschaft der Reichen.

Der erste Schlag, den die entstehende Demokratie dem aristokratischen System versetzte, waren die Reformen, die Solon (der zum Archon ernannt wurde) im Jahr 594 einführte. Dieser Kaufmann legte fest, dass nicht mehr die adlige Herkunft, sondern der Reichtum über die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe entscheiden sollte. Die Demokratie erkannte also Geld als den mächtigen Zauberstab an, der es den Reichen ermöglichte, die Spitzenpositionen der Staatsführung zu erobern. Um die Armen in diese politische Form einzubinden, durften sie in Vollversammlungen abstimmen, wo sie wiederum Staatsbeamte aus den Reihen der Reichen wählten. Dieser verwaltungstechnische Illusionismus machte die Ausgebeuteten zu aktiven Komplizen der Ordnung, die sie in Armut hielt, zu einer falschen Gemeinschaft, die auf ihre Ausbeuter zugeschnitten war. Angesichts der Feigheit Solons, den Adligen ihr Land wegzunehmen, wurde außerdem die Gleichheit vor dem Gesetz für alle Bewohner der Stadt verordnet. Im Klartext bedeutete das, dass es vor dem Gesetz nicht mehr Arme und Reiche gab, sondern STAATSBÜRGER, die auf dem Papier gleich, in der Realität aber ungleich waren.

Diese Situation des scheinbaren Gleichgewichts zwischen Demokraten und Aristokraten hielt nicht lange an. Die Demokraten fühlten sich stärker, rebellierten und ergriffen die Macht in der Stadt, zerstörten den Besitz der Adligen und errichteten die Tyrannei des PISISTRATES (560 v. Chr.), der entschlossen den Handel und die Wirtschaft in Athen förderte; er verteilte die konfiszierten Ländereien und verteilte kleinen Besitz. Mit seiner Politik der Almosen gewann die Demokratie das Gewissen und den Eifer des Volkes. Freiheit wurde als Synonym für gute Geschäfte und Gewinn verstanden; Glück war gleichbedeutend mit geschäftlichem Erfolg. Der REICHTUM WAR DER HEBEL ZUR MACHT. Die Freiheit der 40.000 Athener Staatsbürger war in Wirklichkeit nichts anderes als die Freiheit der reichen Kaufleute, die mit 6.000 auf Kosten der armen Staatsbürger und der Schmerzen und Leiden von einer Viertelmillion Sklaven lebten. Das ist das wahre Wesen der Demokratie.

In kaum 50 Jahren wurde der Personalismus von PISISTRATUS und seinem Nachfolger HYPIAS niedergeschlagen, was die Geschäftsleute ermutigte, die Regierung der Stadt selbst zu übernehmen und die Demokratie als IHR politisches System zu festigen. Die demokratische Partei wollte keine Mittelsmänner und kein Zusammenleben mehr. Ein neuer Krieg zeichnete sich über Athen ab.

Clisthenes und die Blütezeit der Demokratie.

Der Bürgerkrieg zwischen ISAGORAS und CLISTENS gipfelte im Aufstand der Demos (Gemeinden), dem es gelang, die Anhänger des ersteren und die Eindringlinge aus Sparta zu vertreiben; CLISTENS, der TRIUMPHANT, betrat ATHEN UND KONSOLIDIERTE SOLONS DEMOKRATISCHES WERK. Die herrschenden Klassen mussten die demokratischen Institutionen vervollkommnen, die es ihnen ermöglichten, ihre Privilegien und ihren Besitz zu bewahren, und die es ihnen außerdem erlaubten, die Staatsbürger-Proletarier in die Spinnweben des Verwaltismus zu verstricken. CLISTENES festigte die repräsentative Demokratie, indem er den Rat der Repräsentanten oder BULE (500 Mitglieder, 50 für jeden athenischen Stamm) und die Vollversammlung oder Ecclesia stärkte, die es in jedem der 100 Demos oder Provinzen gab, aus denen Athen bestand. Natürlich blieben die wichtigen Ämter (Archonat und Areopag) in den Händen der reichen Staatsbürger.

Für das Volk gab es nur Vollversammlungen, in denen die von den Reichen nominierten Kandidaten gesprochen und gewählt wurden. Diejenigen, die über 18 Jahre alt waren, nahmen daran teil, und die Geschichte wird dies als die „gerechteste“ Regierungsform festhalten, während in Wirklichkeit das Volk an der Aufrechterhaltung einer ungerechten und ausbeuterischen Ordnung beteiligt war. Alles, was Demokratie genannt wurde, überlebt noch weitere 150 Jahre. Zur Zeit von PERICLES etablierte sich die Polis von Athen als Bank-, Handels-, Industrie- und natürlich als demokratische Macht.

II. INHALT DER BESTÄTIGUNGEN.

1. Die Demokratie entsteht mit dem Zusammenbruch der Gleichheit zwischen den Menschen.

Die Demokratie ist das Produkt eines ganzen historischen Prozesses, der seinen Ursprung im Bruch der ursprünglichen Gemeinschaft hat, in der wir alle gleich waren, in der wir Menschen waren, die in der Lage waren, sich zu organisieren, um menschliche Aktivitäten zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse auszuführen.

Die Demokratie hat es nicht immer gegeben und ist auch nicht etwas Natürliches, wie viele Historiker und Politiker sagen, sondern ein historisches Produkt, wie wir bereits festgestellt haben.

Der Bruch der ursprünglichen Gemeinschaft, in der wir aufhören, Menschen zu sein, und zu Individuen werden, fällt mit der Existenz der Ware und damit des Handels zusammen und beginnt auch damit, dass er dem Privateigentum, der Lohnarbeit, dem Staat, der Spaltung und der Konfrontation antagonistischer sozialer Klassen weicht, die die Demokratie verbrüdern will, indem sie eine fiktive Gemeinschaft schafft, die nichts anderes als eine Lüge ist, in der sich die Interessen einiger weniger immer mehr durchsetzen.

2. Jede Demokratie braucht historisch gesehen einen Staat.

Es stimmt, dass es den Staat nicht immer gab, aber seit seinem Erscheinen in seinen ersten Formen diente er immer als Stütze und Fundament für die Demokratie; aber wer könnte besser als der Staat die Verteilung des Reichtums (der Produktion) und die Beziehungen zwischen den Individuen regeln und garantieren!

Das ist eine konkrete Realität, die jeder kennt; wie wir sehen, ist der Staat der Hüter (mit Terror und Waffen) der Reproduktionsbeziehungen der Kapitalgesellschaft, einer Gesellschaft, die mit antagonistischen Klasseninteressen (Bourgeoisie und Proletariat) konfrontiert ist.

Die Demokratie versucht, sich als demokratischer Staat zu konsolidieren, um ihre große Lüge, „dass man in der Gesellschaft in Wohlstand, Gleichheit und Frieden leben kann“, zu sichern und aufrechtzuerhalten, während wir unglücklichen Staatsbürger dem Regierungsmodus (was auch immer das ist) und dem Herrschaftsmodus einer Klasse unterworfen sind, die durch den demokratischen Staat die bestehenden gegensätzlichen Interessen vereint und versöhnt; Ein deutliches Beispiel sind die so genannten „breiten Fronten“, die in der Vergangenheit für die Demokratie auf die Straße gingen und bei denen wir sehen konnten, dass diese Organisationen von Unternehmern und Arbeitern, also Ausbeutern und Ausgebeuteten, gebildet wurden, als hätten beide die gleichen Interessen, als gehörten beide zur gleichen Klasse.

3. Die Demokratie ist nicht nur eine Regierungsform, sondern die Lebensweise, die uns der Kapitalismus aufzwingt.

Die Demokratie ist nicht nur eine Regierungsform, sondern die Lebensweise, die uns der Kapitalismus aufzwingt. Bis zum Überdruss wird uns gesagt, dass Demokratie und Wahlen das beste Lebenssystem sind, weil es uns die Freiheit gibt, zu wählen. „Nieder mit der Diktatur! Wir wollen die Demokratie!“, riefen die Parteien aller Richtungen in den jüngsten Kämpfen. Und wir fragen uns: Ist Demokratie nur eine Regierungsform, bei der man alle 5 Jahre wählt? Nein, Demokratie ist Versöhnung, die erzwungene Begegnung der Ausbeuter mit den Ausgebeuteten, die das Gesetz, die Verfassungen als „Gleiche“ anerkennen, auch wenn die Reichen in luxuriösen Häusern leben und gut essen, während die Armen, die Proletarier schlecht essen und in Slums und menschlichen Siedlungen leben. So ist die viel gepriesene Gleichheit der Staatsbürger oder Wähler nichts weiter als eine monumentale Lüge. Die Demokratie will vereinen, was ohnehin schon getrennt ist; sie ist eine Scheingemeinschaft, in der uns vorgegaukelt wird, dass Wählen gehen eine „große Feier“ ist, während wir doch nur die nächsten Tyrannen wählen, die dafür sorgen, dass wir bis zum Äußersten arbeiten, um die Profite der Bosse zu sichern, und dass wir Proletarier nicht das haben, was uns gehört. Das Ziel der Demokratie ist es, alles so zu belassen, wie es ist, und den Anschein von Veränderung zu erwecken, indem die Herrscher alle 3 oder 5 Jahre gewechselt werden, um zu gewährleisten, dass sich das Kapital immer weiter reproduziert. Wie auch immer man sie nennt (repräsentativ, direkt oder populär(volksnah)), die Demokratie ist das Reich der Ungerechtigkeit und des Betrugs, und deshalb unterscheidet sie sich nicht von der Diktatur, außer in einigen Methoden.

4. Demokratische Institutionen gruppieren Individuen zusammen, um das Kapital zu reproduzieren.

Die Demokratie hat immer nur ein Anliegen: die Erhaltung und Stärkung ihrer demokratischen Institutionen. Warum versucht sie, ihre Institutionen zu stärken? Das ist klar. Das Ziel ist es, die Massen zu kontrollieren, zu vereinen und sie in den neuen sozialen Formen, die dem Kapital passen, zu halten und zu fixieren. Zum Beispiel das Parlament, die politischen Parteien, die Schulen, die Universitäten, die Gewerkschaften/Syndikate, die Justiz und die Fußballvereine, die nichts anderes sind als Zuchtgemeinschaften für die Herrschaft des Kapitals.

Daher die ungesunde Beschäftigung der Demokratie mit der Suche nach guten Institutionen, die möglichst geeignet sind, die elenden Bürger in die Gefängnisse des Kapitals zu sperren.

Kurz gesagt: Demokratische Institutionen sind Strukturen des Zwangs, der Gewalt und der Willkür, die ebenso wie demokratische Rechte und Freiheiten Waffen der bourgeoisen Herrschaft und der herrschenden Klasse sind.

5. Wenn du auf die Straße gehst, um Demokratie zu fordern, schreist du nach der Aufrechterhaltung deiner Ketten.

Wenn du auf die Straße gehst, um Demokratie zu fordern, schreist du nach der Aufrechterhaltung deiner eigenen Ketten. Wenn die falschen Gemeinschaften (Studentenbewegungen, Parteien, Gewerkschaften/Syndikate, Fronten) Demokratie fordern, geht es in Wirklichkeit nur um die Aufrechterhaltung der Lebensweise und der Beziehungen zwischen den Menschen, die auf der ultimativen Ware basieren: dem Geld. Die Demokratie zu verteidigen bedeutet, die Klassengesellschaft zu verteidigen, die Existenz von Ausbeutern und Ausgebeuteten zu verteidigen, die Apparate zu verteidigen, die die herrschende Klasse eingerichtet hat, um unsere Ketten zu verstärken: den Kongress, den Staat, die Streitkräfte, die Justiz. Weil wir nicht mit unseren Feinden koexistieren wollen, lehnen wir die Demokratie ab. Ein echter proletarischer Kampf wird niemals Demokratie fordern, egal wie „populär“ sie erscheinen mag. Wir fordern die Abschaffung der Lohnarbeit, der Macht und der auf Ausbeutung basierenden menschlichen Beziehungen. Kurz gesagt: Wir kämpfen für die Abschaffung der Demokratie.

6. Demokratie und Diktatur sind keine Gegensätze, sie sind zwei Seiten derselben Medaille.

Demokratie und Diktatur sind keine unterschiedlichen politischen Regierungsformen, im Gegenteil, beiden ist eine Diktatur inhärent. Der demokratische oder diktatorische Staat ist immer mit einer Klassenherrschaft verbunden. Die Demokratie ist das Ideal des Weltkapitals; in ihr werden die Marktgesellschaft und das Privateigentum reproduziert. Daher ist die Demokratie die Diktatur des Kapitals schlechthin. Es gibt keinen Unterschied zwischen Demokratie und Diktatur, beide erzeugen Wert, Ausbeutung, Hass und Kriege. Fujimori war ein Synonym für Diktatur und in ihr finden wir: soziale Klassen, Privateigentum, Waren… Wenn Toledo, Alan, Lourdes oder wer auch immer die Präsidentschaft übernimmt, wird es weiterhin soziale Klassen, Privateigentum, Waren und Elend geben, und solange es sie gibt, wird es immer Ausbeutung geben, d.h. ein Verhältnis von Ausbeutern und Ausgebeuteten, Glück auf der einen und Unglück auf der anderen Seite, Herren und Sklaven. Doch mit der Demokratie ist das nicht klar, denn die Demokratie spricht uns von Einheit und Versöhnung zwischen allen Peruanern; die Lüge dieses Diskurses dürfen wir nicht aus den Augen verlieren: Wir können nicht gleich sein vor unseren Ausbeutern, wir können nicht gleich sein vor unseren Ausbeutern, wir können keinen sozialen Frieden akzeptieren inmitten eines Krieges, der Tag für Tag gelebt wird und dessen Hauptlast das Proletariat trägt.

7. Die Menschen sind in der Demokratie nicht frei.

Was die Demokraten als „demokratische Freiheiten“ bezeichnen (Wahlrecht, Presse, Arbeit, Transit), ist nichts anderes als die Weihe von uneinigen Menschen, die zu Bürgern gemacht und gezwungen werden, unsere Arbeitskraft an andere zu verkaufen, die davon profitieren. Um in der Welt des Kapitals zu überleben, haben wir keinen Ausweg, keine Wahl, keine Freiheit zu wählen, ob wir uns von anderen ausbeuten lassen oder nicht; entweder wir fügen uns oder wir verhungern, du, deine Kinder und deine Eltern, so einfach, so brutal ist das. Im Grunde sind wir alle nichts anderes als moderne Sklaven, Verkäufer einer Ware namens Arbeit. Wir sind keine Menschen, sondern Dinge. Die Freiheit des Unternehmertums, der freie Wettbewerb, das Recht auf Eigentum, das von der demokratischen Ideologie so gerne verkündet wird, ist nichts anderes als die Freiheit des Kapitals, zu zirkulieren und der Kapitalisten, andere auszubeuten und miteinander zu konkurrieren. In all dem sind wir nichts weiter als Schachfiguren, die gezwungen werden, Instrumente dieses Mahlstroms zu sein, im Austausch für ein paar Cent für das tägliche Essen, für das Überleben. Die Demokratie, der Staat, die Löhne, der Wettbewerb, die Waren, das Privateigentum und die Rede- und Wahlfreiheit sind nur die wahren Weihen unserer Versklavung. Wahre Freiheit ist außerhalb und gegen die Demokratie.

8. Wählen ist das Ritual der Wahl unserer Henker für die nächsten 5 Jahre.

Der einheitliche und systematische Mechanismus der Wahlen, die alle 3 und 5 Jahre wiederholt werden, ist nichts anderes als die Delegation unserer Souveränität, unserer Fähigkeiten und unserer menschlichen Macht an den Staat. Das macht uns zu weniger naiven Staatsbürgern, die denken, dass wir mit dem Gang zur Wahl an der politischen Aktion teilnehmen, die den Verlauf unseres Lebens bestimmen wird. Nichts ist falscher als das, denn von dem Moment an, in dem wir unsere Macht als Menschen delegieren (wählen oder abstimmen), geben wir uns mit Leib und Seele unseren Henkern des Augenblicks hin, die unsere Sklaverei und Ausbeutung für weitere 5 Jahre garantieren.

Deshalb sprechen Demokraten bei Wahlen von „Garantien“ (siehe Fälle von Manipulation und Korruption bei vergangenen Wahlen). Um die Ausbeutungsverhältnisse zu garantieren und aufrechtzuerhalten.

Die demokratischen Garantien für eine „saubere Wahl“, die die Kandidaten fordern, sind nichts anderes als die Forderung nach Garantien dafür, dass sich das Kapital weiterhin reproduziert und niemand diesen Prozess stört.

Die Stimmabgabe ist der geringste Ausdruck für das Elend der Staatsbürger.

III. KRITIK AN DER DIREKTEN DEMOKRATIE

Seit einigen Jahren behaupten Ideologen der bourgeoisen Linken (Liberale, Nationalisten, Leninisten, Trotzkisten und viele Anarchisten) die Direkte Demokratie als „Alternative zur bourgeoisen, repräsentativen Demokratie“ und setzen sie mit dem Sozialismus gleich. Als Kommunisten und Internationalisten ist es unsere Pflicht, uns gegen solche Positionen auszusprechen, die das Proletariat nur verwirren und/oder, schlimmer noch, dazu verleiten, für die Aufrechterhaltung seines historischen Feindes zu kämpfen: das Kapital. Das kämpferische Proletariat kann die DEMOKRATIE NICHT FÜR SICH BEANSPRUCHEN, WIE RADIKAL ODER DIREKT sie auch sein mag. Für DIE DEMOKRATIE IN IRGENDEINER FORM ZU KÄMPFEN, HEIßT, DAS TREFFEN DER ANTAGONISTEN, BOURGEOISIE UND PROLETARIER ZU REPRODUZIEREN, WENN ES DARUM GEHT, DIE KLASSENGESELLSCHAFT ABZUSCHAFFEN, UM DIE MENSCHENGEMEINSCHAFT WIEDERHERZUSTELLEN. Wer vorgibt, das alte Parlament durch „neue“ demokratische Organisationen zu ersetzen, sperrt das Proletariat wieder in die Gefängnisse des kapitalistischen Institutionalismus, des Parlamentarismus, der Lohnarbeit und des Staates ein. Wenn also die fortschrittliche Bourgeoisie, die Parteien, die Gewerkschaften/Syndikate und die gesamte Sozialdemokratie nach „Volksdemokratie“, „proletarischer (Demoraktie)“, „Volksmacht“, „neuer Demokratie“, „Basisdemokratie“, „Selbstverwaltung“ und „Arbeitermacht“ rufen, dann fordern sie alle einen neuen Kapitalismus, der von seinen negativen Seiten befreit ist, einen Kapitalismus ohne Bourgeoisie, der vom „Volk“ verwaltet wird.

Wir dürfen nicht vergessen, dass all diese Gruppierungen, die für einen reformierten Kapitalismus kämpfen, den linken Flügel des Kapitals bilden. Alle, von Proudhon bis Lenin, von Stalin bis Mao, über Trotzki, Che Guevara, Marcos und die CNT/FAI, ALLE, SAGEN WIR, HABEN IHREN GLAUBEN AN DIE DEMOKRATIEN NEUEN TYPS BEKUNDET. Deshalb KÄMPFEN wir Internationalisten NICHT FÜR IRGENDEINE DEMOKRATIE. SONDERN FÜR DIE KLASSENLOSE GESELLSCHAFT, OHNE DEMOKRATIE, FÜR DIE MENSCHLICHE GEMEINSCHAFT. Unser Kampf ist völlig antidemokratisch, denn wir wollen weder die Warengesellschaft wieder reproduzieren noch Institutionen schaffen, die die Menschen wieder trennen und unterdrücken.

Demokratie und proletarische Organisation.

Der antikapitalistische Kampf ist keine Frage der Partizipationsmechanismen, sondern eine Frage der ANTIKAPITALISTISCHEN PRAXIS UND RICHTUNG. Partizipationismus, Basisdemokratie, garantieren absolut nichts. Die Sozialdemokratie geht mit dem Argument hausieren, dass diese Institutionen ihren bourgeoisen Charakter ändern würden, wenn das „Volk“ den Staat, die Ökonomie und die Unternehmen verwalten würde. Diesen Herren zufolge verwandelt der Zauberstab der „direkten, proletarischen Verwaltung“ die Institutionen des Kapitals in „revolutionäre“ Institutionen. Nichts könnte falscher sein. So lässt unsere Klasse die Demokratie als Methode (Abstimmungen, Vorstände, widerrufliche Delegierte, Föderalismus) oder als Übergangsziel (bourgeois-demokratische Aufgaben, Verfassunggebende Vollversammlung) in ihre Organisationen einschleichen; als Einheitsfront (klassenübergreifendes Bündnis zwischen Sozialdemokraten, Progressiven, Christen, Nationalisten, kleinbourgeoisen Händlern) oder als Endziel („gegen Privatisierung, gegen das Freihandelsabkommen, gegen Diktatur, für demokratische und Arbeitnehmerrechte und -freiheiten usw.“). In all diesen Fällen gibt unsere Klasse ihre Rolle als historischer Bestatter des Kapitals auf, indem sie ihre Klasseninteressen auflöst, um die des Feindes und seiner Verbündeten zu übernehmen.

Schließlich wollen die Ideologen der direkten Demokratie zeigen, dass die Nachbarschafts- oder Wohlfahrtsorganisationen (wie Vorstände, Jugendverbände, Genossenschaften, Verteidigungsfronten, Volksküchen, Milchgläser, alternative Schulen) eine Art „Keimzelle einer neuen Gesellschaft“ wären, ein Vorgeschmack auf die „sozialistische Gesellschaft der Zukunft“. Und natürlich sind diese Soziologen und Philosophen der Reform des Kapitals begeistert und geben vor, die Unvorsichtigen zu begeistern. Diese alte Strategie der Sozialdemokratie des „kleineren Übels“, der kleinen „selbstverwalteten“ Insel, der kommunalen, basisnahen Erfahrungen. Wir prangern diese demokratischen Ideologien an, weil in diesen Organisationen das kämpfende Proletariat, der Todfeind des Kapitalismus, nie verwirklicht wird. Im Gegenteil, was dort verwirklicht wird, ist der elende Staatsbürger, der um Brosamen vom Staat bittet, um mehr Gleise, mehr Milch, mehr Essen. So werden diese Organisationen zu einer perfekten Ergänzung des Kapitalismus, die das Proletariat unorganisiert und entwaffnet hält, indem sie es mit der elenden Illusion betäubt, dass „Errungenschaften“innerhalb der Fäulnis des Kapitals möglich sind, und das alles mit der Illusion der „Selbstverwaltung“. Kurz gesagt, diese Organisationen kämpfen nicht für die Zerstörung des Kapitals, sondern um das (Nicht-)Leben in der bourgeoisen Gesellschaft für die Proletarier erträglich zu machen, indem sie die Proletarier als Unterstützungsbasis für die jeweiligen Regierungen, als Wählermasse oder als parapolizeiliche oder paramilitärische Apparate instrumentalisieren.

NIEDER MIT DER DEMOKRATIE IN ALL IHREN FORMEN! ES LEBE DER KOMMUNISMUS!


ANHÄNGE:

Wir fügen der vorliegenden Ausgabe von „Die Demokratie“ den Text „Partei: Mythos und Realität“ ebenfalls von G.L.P. hinzu, da er als Ergänzung zum vorherigen Text dient. Und das Fragment „Prozess und Strafe?“, das von einigen Anarchisten in Rosario (Argentinien) geschrieben wurde, um die falsche Rivalität zwischen demokratischer Diktatur und Militärdiktatur zu entlarven, wobei wir verstehen, dass sie nicht genau dasselbe sind, aber dass wir als Ausgebeutete weder für das eine noch für das andere kämpfen sollten.


PARTEI: MYTHOS UND REALITÄT.

Grupo de Lucha Proletaria

Im Wesentlichen ist die Partei eine Übereinkommensgruppe mit gemeinsamen Visionen, Vorstellungen; die Klassen sind Übereinkommensgruppen nach ökonomischen Interessen. Das Mitglied einer Klasse wird durch seine Position im Produktionsprozess bestimmt; das Mitglied einer Partei ist mit Menschen zusammen, die seinen Vorstellungen von sozialen Problemen anhängen.

Im Laufe des Kampfes gegen das Kapital trifft man häufig auf kleine Gruppen, die danach streben, eine Partei zu sein, die ein Instrument wäre, um die Massen zur Revolution zu führen (eine ziemlich seltsame und manchmal falsche Vorstellung davon, was Sozialismus wäre). Diese Vision geht von der Trennung der Partei von der Klasse aus und führt zu einer neuen Trennung, der Trennung zwischen „Führenden“ und „Ausführenden“. Der Führende wäre die so genannte Partei und die Ausführenden sind die Mitglieder der Klasse.

In seinem Text „Partei und Klasse“ sagt Pannekoek: Daher vermeiden wir es, eine neue Partei zu bilden; nicht, weil wir zu wenig sind – jede Partei mußte klein anfangen – sondern weil eine Partei jetzt eine Organisation bedeutet, die die Arbeiterklasse führen und beherrschen will. Im Laufe der Geschichte markiert das Kapital die Drehungen und Wendungen der Ökonomie, ihre Höhen und Tiefen, aber es markiert auch die Revolte und die Möglichkeit ihrer Überwindung durch die revolutionäre Gewalt der Klasse, die das Virus des Kommunismus in sich trägt: das Proletariat.

Was auch immer gesagt werden mag, die Organisation des Proletariats erfordert eine Zentralisierung und eine einheitliche Führung, um zur herrschenden Klasse aufzusteigen und die Diktatur des Proletariats zu errichten. Obwohl letzteres ein ziemlich abgedroschener und sogar verratener Begriff ist, sowohl durch ökonomistische Abweichungen als auch durch politizistische Tendenzen, die die Diktatur des Proletariats als Diktatur dieses oder jenes Apparats oder im schlimmsten Fall als „Demokratie“ dieses oder jenes Apparats sehen.

Die Kommunisten unterscheiden sich von den übrigen proletarischen Parteien nur dadurch, daß sie einerseits in den verschiedenen nationalen Kämpfen der Proletarier die gemeinsamen, von der Nationalität unabhängigen Interessen des gesamten Proletariats hervorheben und zur Geltung bringen, andrerseits dadurch, daß sie in den verschiedenen Entwicklungsstufen, welche der Kampf zwischen Proletariat und Bourgeoisie durchläuft, stets das Interesse der Gesamtbewegung vertreten.“

Später fügt er hinzu: „sie haben theoretisch vor der übrigen Masse des Proletariats die Einsicht in die Bedingungen, den Gang und die allgemeinen Resultate der proletarischen Bewegung voraus.“2

Wir sehen also, dass der Kommunismus (den andere Anarchie nennen) keine Ideologie ist, der man anhängen kann oder nicht, sondern dass er die wirkliche Bewegung zur Aufhebung der bestehenden Verhältnisse ist.

Bewusst oder unbewusst trägt das Proletariat in seinen Kämpfen und Revolten diesen Keim in sich. Deshalb sollte es uns nicht überraschen, dass die Arbeiterorganisationen, von den Anarchosyndikalisten wie der CNT bis hin zu den eher reformistischen, von der revolutionären Aktion des als Klasse konstituierten Proletariats überholt werden.

Aber ist es in diesem Zusammenhang nicht überflüssig, von einer Partei zu sprechen? Um diese Frage zu beantworten, ist es notwendig, darüber zu sprechen, was wir als Klassenpartei verstehen können, zu untersuchen, was ihre Rolle sein kann, welche Rolle die Parteien gespielt haben usw.

Historisch gesehen sind diejenigen von uns, die sich für eine einheitliche Führung in der proletarischen Bewegung entschieden haben, auf die Instrumente und Ideologien der Konterrevolution gestoßen (sei es die Sozialdemokratie, der Leninismus, der Stalinismus, der Maoismus, der Trotzkismus oder sogar der „Anarchismus“). Die Idee der Partei ist für diese Figuren das Instrument, um die Klasse zur Ergreifung der politischen Macht zu führen (selbst im Fall des Anarchismus ist bekannt, dass ein Teil dieser Bewegung in den Jahren 36 und 37 in Spanien mit der Volksfront kollaborierte), um eine Diktatur der „Partei“ (d. h. der linken Bürokratien) zu installieren. All diese Ideologien haben dazu beigetragen, den sozialen Antagonismus zu verwischen, d. h. das Proletariat abzugrenzen und zu isolieren. Alle diese Strömungen hatten den „Fehler“, den bourgeoisen Staat zum Wohle des Proletariats nutzen zu wollen, und in den extremsten Fällen, wie bei Bernstein dem Schwein, den, die Ökonomie zum Wohle der revolutionären Klasse besetzen zu wollen (was dann zu einer reaktionären Utopie wird). Was ist also die Partei in einem revolutionären Sinne? Nun, die Partei war, ist und wird die Konstituierung des Proletariats als Klasse sein, seine Anerkennung und sein Bewusstsein, sein eigenes Projekt zu haben, den Kommunismus, die Anarchie (die klassenlose Gesellschaft, ohne Staat, die Diktatur der menschlichen Bedürfnisse).

Daher ist die „Kommunistische Partei“ (im realen Sinne und mit historischer Mission) keine Gruppe von Menschen, die sich der Rekrutierung von Kämpfern widmet und ihnen eine Richtung gibt, sie mit dieser oder jener Ideologie ausstattet, sondern sie ist eine reale Bewegung, die das Proletariat für seine eigene Existenz und die bewusste Anerkennung dieser Existenz annimmt.

Auf der anderen Seite sehen wir, dass dieses Programm von den so genannten revolutionären Marxisten einer klar staats- und warenfeindlichen Tendenz und von einem eher aufständischen Sektor des Anarchismus, der mit dieser „heiligen Familie“ und ihrem ewigen Geschwätz von der individuellen Freiheit (die oft von ihrem Sockel gefallen ist) brechen würde, undeutlich bekräftigt wurde. Wie der Gefährte Gianfranco Sanguinetti in eine Broschüre, das an Gewerkschaften/Syndikate, an die Presse, an Teile der Regierung und der Bourgeoisie verteilt wurde, sagen würde: „Wohin will ich gelangen?

Natürlich zum Triumph meiner Partei. Und meine Partei ist die Partei der autonomen Organisation der Arbeitervollversammlungen, die alle Entscheidungs- und Durchführungsbefugnisse übernehmen; sie ist die Partei der Arbeiterräte mit jederzeit von der Basis widerrufbaren Delegierten; die einzige Partei, die überall gegen die bourgeoisen und bürokratischen herrschenden Klassen kämpft; die Partei, die, wann immer sie sich manifestiert, versucht, die Abschaffung der Klassen und des Staates, der Lohnarbeit und der Waren und all ihres Spektakels zu erreichen. Und ich werde niemals einer anderen dienen“.

Heute erleben wir das Wiederaufleben des proletarischen Assoziationismus, der sich aufgrund der Niederlagen, die unsere Klasse seit langem erlebt hat, noch in sektiererischen Phasen befindet.

Die Bedingungen des gegenwärtigen Zustands des Kapitalismus dürfen uns nicht vom Wesentlichen ablenken, nämlich der Konstituierung des Proletariats zu einer Klasse und damit zu einer Partei für die Abschaffung der bestehenden Gesellschaft.


PROZESS UND STRAFE?

Anarchisten Rosario3

Der demokratische Staat wird keinen Selbstmord begehen, er wird seine folternde Bullen4 nicht liquidieren, im Gegenteil, er wird sie immer schützen. Die Linke hat immer versucht, die Wut gegen die Bullen in Institutionen und Prozesse zu kanalisieren.

Aber die Folter und das physische Verschwinden von Menschen war weder ein Exzess des Militärs noch der Wahnsinn einiger Offiziere, sondern eine staatliche Politik, in diesem Fall des argentinischen Staates.

Als Adolfo Scilingo (Folterer Offizier der Marine der für das Verschwinden von Menschen zuständig war) in einem Interview mit Página 12 nach den Flügen gefragt wurde, bei denen proletarische Militante in den Fluss geworfen wurden, antwortete er: „Das nannte man einen Flug. Das war normal, auch wenn es in diesem Moment wie ein Irrweg aussieht. So wie Pernias oder Rolón den Senatoren erzählten, dass die Folter, um Informationen aus dem Feind herauszubekommen, regelmäßig angewandt wurde, so war es auch hier (…) Die meisten Marineoffiziere machten einen Flug, es war, um die Leute zu rotieren, eine Art Kommunion. Es war etwas, das getan werden musste. Niemand mochte es, es war keine nette Sache, die man tat. Aber es wurde getan und man war sich einig, dass es der beste Weg war, darüber gab es keinen Streit. Es war die beste Sache, die man für das Land tun konnte. Eine überragende Tat.

Als der Befehl erteilt wurde, gab es kein Gerede mehr darüber. Er wurde automatisch ausgeführt. Sie wurden aus dem ganzen Land geholt. Einige wurden vielleicht verschont, aber das ist nur eine Anekdote. Es war keine kleine Gruppe, es war die ganze Marine (…) Sie wurden nackt ausgezogen und als der Kommandant des Flugzeugs den Befehl gab, je nachdem, wo sich das Flugzeug befand, vor Punta Indio, wurde die Luke geöffnet und sie wurden einer nach dem anderen nackt hinausgeworfen. Das ist die wahre Geschichte, die niemand leugnen kann. Es geschah aus Skyvan-Flugzeugen der Präfektur und aus Electra-Flugzeugen der Marine…“.

Während Alfonsíns Präsidentschaft fand der Prozess statt, mit dem berühmten Strassera als Ankläger (derselbe Richter der Diktatur, der Habeas Corpus in den Müll warf und wiederholte: „Madam, fragen Sie nicht nach Ihrem Sohn, denn er ist nicht hier im Land oder er ist bei einer anderen Frau“). Von den dreißigtausend Verschwundenen wurden siebenhundert Fälle ausgewählt, nur zweihundertsiebzig wurden vor Gericht gestellt und nur siebzig wurden verurteilt. Diejenigen, die inhaftiert wurden, kamen offensichtlich nicht in normale Gefängnisse.

Der Staat schafft die Bedingungen, die ihn angeblich notwendig machen, deshalb lehnen wir die Vielfalt der Dinge, die zum Staat führen, als Schlussfolgerung ab. Die Gesetze und die bürgerliche Justiz zu unterstützen heißt, das Gefängnis zu unterstützen, und das sind keine isolierten Fragmente, sondern integrale Bestandteile eines Ganzen. Es ist inkohärent, gegen das Gefängnissystem zu sein und nicht gegen das, was und wer es aufrechterhält, ob es gut oder schlecht funktioniert.

Das ist kein juristisches Problem, wie es den üblichen Demokraten scheint, die sich mehr um die Verletzung von „Menschenrechten“ kümmern als um die Verletzung von Menschen aus Fleisch und Blut. Unsere Freiheit ist weder ein göttliches Geschenk noch ein Preis der UNO dafür, dass wir in der westlichen Welt geboren sind. Autoritäre haben sich erdreistet, uns Rechte zuzugestehen. Das kann nur in einer Gesellschaft geschehen, in der wir ständig kontrolliert werden, in der unsere Bedürfnisse als „Rechte“ bezeichnet werden und wir dann aufgefordert werden, „Pflichten“ zu erfüllen.

Hört sich das in demokratischen Ohren intolerant an? Toleranz ist ein blinder Vermittler, der den Fortbestand der Demokratie sichert, der diejenigen, die gefoltert werden, zum Dialog mit ihrem Peiniger zwingt, aber wenn das Opfer angreift, die Polizei ruft oder fordert, dass die Gesetze eingehalten werden.

Die Herausforderungen sind klar, ohne die Zerstörung dieser Klassengesellschaft, so wie sie ist, wird es immer Folterer, Staatsverbrecher und mordende Bullen geben, gehen wir davon aus, dass nur die soziale Revolution den Staatsterrorismus für immer liquidieren wird, ob in einer Militärdiktatur oder einer demokratischen Diktatur.

Nehmen wir einen völlig internationalistischen Charakter an in diesem Kampf von immer, dem Kampf der Erschossenen, der Eingesperrten, der Verschwundenen, der Verfolgten auf der ganzen Welt durch denselben Feind: den Kapitalismus und seinen Staat.

WEDER WAHLEN NOCH MILITÄRSTIELFEL! SOZIALE REVOLUTION!


1Kontakt für die G.L.P.: [email protected];www.geocities.com/grupolp

2A.d.Ü., die letzten beiden Zitate stammen allerdings vom Manifest der Kommunistischen Partei.

3Fragment von „30 JAHRE NACH DEM MILITÄRISCHEN Putsch HÄLT DIE DIKTATORISCHERE REGIERUNG AN…“.

Kontakt: [email protected]

4A.d.Ü., im Originaltext ist die Rede von milicos was in einigen Ländern in Lateinamerika für Mitglieder des staatlichen Gewaltmonopols verwendet wird.

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[AW2024] Bericht aus Prag https://panopticon.blackblogs.org/2024/08/19/aw2024-bericht-aus-prag/ Mon, 19 Aug 2024 09:39:05 +0000 https://panopticon.blackblogs.org/?p=5983 Continue reading ]]>

Gefunden auf der Seite von Tridni Valka, die Übersetzung ist von uns.


[AW2024] Bericht aus Prag

Über die Aktionswoche und den Antikriegskongress / Prag / 20. bis 26. Mai 2024 /.
„Gemeinsam gegen die kapitalistischen Kriege und den kapitalistischen Frieden“.

Erster kurzer Versuch, eine Bilanz eines Experiments zu ziehen, das voller Versprechungen war … sich aber als organisatorisches Fiasko herausstellte.

ALS EINE ART „PRÄAMBEL“.

Versetzen wir uns zunächst in den Kontext. Es war ein Herbstabend, wir waren ein paar Gefährtinnen und Gefährten, die sich um einen Tisch versammelt hatten, um ein paar Gerichte zu essen, die stundenlang gekocht hatten, ein paar lokale Biere oder andere alkoholfreie Getränke zu genießen (je nach Geschmack und Wahl), und wir diskutierten wild über die neuesten Entwicklungen des Krieges in der Ukraine, die Ereignisse in Israel und Gaza, und ganz prosaisch über den zunehmenden Kurs in Richtung eines allgemeinen Krieges. Abgesehen von und gegen alle geostrategischen Analysen der Bourgeoisie und der extremen Linken des Kapitalismus betonten wir unsererseits vor allem die Notwendigkeit, sich zu organisieren und zu koordinieren, kurz gesagt, eine echte revolutionäre und defätistische Aktivität gegen den kapitalistischen Krieg und den kapitalistischen Frieden auf internationaler Ebene zu zentralisieren!

Wir planten daher ein internationales Treffen zwischen verschiedenen Gruppen und Gefährtinnen und Gefährten, die wir bereits kannten und mit denen wir schon eine Reihe von Aufgaben praktisch übernommen hatten: internationale Diskussionen, Übersetzung verschiedener programmatischer, aber auch Agitations- und Propagandamaterialien, Herausgabe und Verbreitung zahlreicher Beiträge usw. ohne jeglichen sektiererischen und parteipolitischen Geist. Ein maximal zweitägiges Treffen an einem Wochenende erschien uns nicht nur angemessen für diese Art von Treffen, sondern auch für die geringen militanten Kräfte, die wir und, wie wir annehmen, auch andere Gefährtinnen und Gefährten in dieser Periode haben, in der das Proletariat noch nicht die Initiative ergriffen hat und in der es nur wenige konsequente revolutionäre Minderheiten gibt, die vom Rest unserer Klasse sehr isoliert sind.

Aber schon bald begannen die Gefährtinnen und Gefährten, die diese Veranstaltung in Prag organisieren wollten, „größer“ zu denken (zu groß, wie wir später herausfinden werden)… Zu dem ursprünglichen internationalen Treffen kamen nun eine („kleine“) anarchistische Buchmesse und ein ‚Willkommenskonzert‘ hinzu. Wir sind also bereits bei drei Veranstaltungen angelangt, d. h. einem Abend und zwei vollen Tagen.

Wir versuchen auch sehr schnell zu reagieren und das hervorzuheben, was wir für uns und die Bedürfnisse der Militanten, die wir treffen wollen, als wesentlich erachten. Wir schrieben den Gefährtinnen und Gefährten, die die Initiative für die Organisation ergriffen hatten, Folgendes:

Was für uns am wichtigsten an eurem Vorschlag ist, ist die „nicht-öffentliche Konferenz“, d.h. eine praktische Diskussion darüber, wie man defätistische revolutionäre Aktivitäten organisieren kann.

Von dieser Diskussion erhoffen wir uns Folgendes:

  • dass sie zur Festigung und Organisierung der revolutionären und Klassenkräfte beiträgt und die Möglichkeiten für Aktionen im Kampf gegen den Krieg und im Klassenkampf allgemein erhöht ;
  • dass sie uns hilft, unsere Antwort auf den Krieg als Angriff des Kapitals auf das Proletariat zu koordinieren – gemeinsame Flugblätter und gleichzeitige Agitationskampagnen, Austausch von Informationen und Vorschlägen, Beziehungen und praktische Aktionen ;
  • dass sie uns hilft, unser Klassenprogramm weiter zu verdeutlichen, nicht nur im Hinblick auf den Kampf gegen den kapitalistischen Krieg, sondern auch im Hinblick auf den Kampf für die Verwirklichung des kommunistischen Projekts der menschlichen Gemeinschaft, von dem er ein integraler Bestandteil ist.

Wir halten es für notwendig, dass nur Individuen und Gruppen an dieser „Konferenz“ teilnehmen, die die vorgeschlagenen Programmpunkte nicht nur unterstützen, sondern sie vor allem auch in ihrer Praxis umsetzen. Uns geht es nicht um eine theoretische Einigung über bestimmte Punkte, sondern um die praktische Tätigkeit der individuellen Teilnehmer.

Was klar ist, und heute kritisieren wir uns dafür mehr denn je, ist, dass wir nicht entschlossen genug waren, um das Notwendige durchzusetzen und das Überflüssige, das Nebensächliche abzulehnen, wir haben zu viel zugelassen und die Struktur der Gefährtinnen und Gefährten ihren Weg „im Leerlauf“ fortsetzen lassen. Und dann kam der Plan einer „Aktionswoche“ mit verschiedenen Aktivitäten über mehrere Tage verteilt und immer eine „nicht-öffentliche Konferenz“ als Abschluss. Als Bonus wollten die Organisatoren sogar zu einer Demonstration auf der Straße aufrufen. Wir dachten uns, wenn wir (unsere kleine militante Struktur) nicht in der Lage sind, solche Veranstaltungen zu organisieren, dann sind es wahrscheinlich (mehr als wahrscheinlich, dachten wir) die Gefährtinnen und Gefährten, denen wir vertrauten… Die Entwicklung, die die Ereignisse nahmen, bewies uns das genaue Gegenteil…

Wir wollen hier nicht auf die Zweifel eingehen, die in uns aufkeimten, als wir uns dem schicksalhaften Datum des Beginns der „Aktionswoche“ näherten. Wir bekamen alarmierende Berichte von Organisatorentreffen, und Gefährtinnen und Gefährten, die glaubten, dass wir das Event organisierten (da wir die verschiedenen Einladungen, Aufrufe und Klarstellungstexte auf unserem Blog veröffentlicht und über unsere Mailinglisten weitergeleitet hatten), kontaktierten uns und baten uns um eine Antwort auf ihre Fragen, z. B. über den Empfang vor Ort, die Sicherheit und die versprochenen Unterkünfte, die diese Gefährtinnen und Gefährten erhalten hatten. Wir konnten ihnen nur antworten, dass wir die Organisatoren ansprechen würden, damit sie mit ihnen in Kontakt treten und den Organisationsprozess etwas beschleunigen würden. All das, auch wenn es nicht so aussieht, hat auch uns viel Zeit und Energie gekostet, die wir für andere zentrale Aktivitäten hätten aufwenden können.

Um diese „Präambel“ abzuschließen, möchten wir auch mit den unzähligen Gerüchten aufräumen, die sowohl vor als auch während der „Aktionswoche“ über uns in Umlauf gebracht wurden, vor allem aus Kreisen der sogenannten „kommunistischen Linken“ (aber nicht nur, auch einige „Anarchistinnen und Anarchisten“ waren Teil dieses Tratsches!), in denen behauptet wurde, dass unsere Gruppe (Tridni valka) die Organisatoren der Ereignisse in Prag seien. Einige behaupteten sogar, sie hätten die „manipulative unsichtbare Hand“ unserer Struktur hinter den „Organisatoren“ gesehen… All dies ist völlig und zweifellos FALSCH und gehört zur reinsten Phantasmagorie, die dazu zwingt, die praktische Bewegung zur Abschaffung der alten Welt zu betrachten und sie zu spalten, indem man die Kategorien unserer Feinde benutzt: auf der einen Seite die Manipulierten und auf der anderen die Manipulierenden, oder auch auf der einen Seite die Massen und auf der anderen die Anführer, etc. ad nauseam.

Der Gipfel der Dummheit in diesem Bereich ist wahrscheinlich die GIGC (die selbsternannte „Groupe International de la Gauche Communiste – Internationale Gruppe der Kommunistischen Linken“), die in ihrer Zeitschrift über den „Antikriegskongress“ großspurig erklärt: „ Die treibende Kraft scheint die revolutionäre Gruppe Klassenkrieg zu sein – auch bekannt unter ihrem tschechischen Namen Tridni Valka -, die mehr oder weniger aus der Internationalistischen Kommunistischen Gruppe (IKG) hervorgegangen ist oder von ihr beeinflusst wurde “. Danke für all diese Informationen, die die Geschichte sicherlich als sehr „wichtig“ bewerten wird, die aber die praktische Organisation revolutionärer Aktivitäten nicht ein Jota voranbringen; wir sehen aufrichtig und wirklich keinen Sinn darin, diese einseitigen Behauptungen und Fabulierungen zu verbreiten, außer die polizeiliche Version der Geschichte zu nähren und diejenigen zu denunzieren, die wir uns vorstellen, hinter jeder Aktion unserer Klasse im gigantischen Kampf für ihre Selbstemanzipation zu stehen.

WAS IST MIT DER „AKTIONSWOCHE“ ?

Kommen wir nun zur „Aktionswoche“ selbst und zum „Antikriegskongress“ zurück. Wenn wir uns von Anfang an zu keinem Zeitpunkt als Organisatoren dieser Veranstaltungen gesehen haben (aus den bereits oben genannten Gründen), so müssen wir uns über unsere Rolle bei der Organisation klar sein: Was haben wir getan? Nicht mehr (oder weniger), aber auch nicht weniger als das, was unsere täglichen Aufgaben und militanten Aktivitäten ausmacht: Lektüre und Kritik der verschiedenen Beiträge, Diskussionen auf internationaler Ebene, Übersetzung und/oder Verbreitung der betreffenden Dokumente, Hilfe bei ihrer Online-Stellung, Hilfe bei der Einrichtung von Mailinglisten zur Vorbereitung der Diskussionen auf dem Kongress usw. Kurz gesagt, nichts Außergewöhnliches, wenn man bedenkt, was wir normalerweise tun und was unserer Meinung nach das Minimum dessen darstellt, was heute zu tun ist.

Von Anfang an hatten wir die Organisatoren angesichts unserer geringen Kräfte gewarnt, dass sie nicht mit uns rechnen sollten für mehr als das, was wir hier in aller Kürze wiedergegeben haben, dass unsere Anwesenheit während der „Woche“ auf das Wochenende beschränkt sein würde, hauptsächlich für die nicht-öffentliche Versammlung des „Antikriegskongresses“ am Sonntag. Als wir ankamen, waren die Würfel bereits gefallen, als bekannt wurde, dass die Organisatoren die für die Wochenendaktivitäten gemieteten Räumlichkeiten nicht mehr zur Verfügung hatten… Und was wir dann sahen, d. h. ein solches Maß an Desorganisation, hat uns gelähmt oder zumindest erschreckt.

Wir wollen hier entschieden sagen, dass die „Aktionswoche“ aus unserer Sicht, aber auch aus der Sicht vieler anderer Gefährtinnen und Gefährten, eine totale Katastrophe, ein Fiasko, war, was die Organisation der Ereignisse betrifft. Die Organisatoren, oder besser gesagt das falsch benannte „Organisationskomitee“, waren unter aller Kanone und nicht in der Lage, wirklich Verantwortung zu übernehmen. Im Moment konzentrieren wir uns auf eine wahrscheinliche Überschätzung der tatsächlichen Fähigkeiten der Gefährtinnen und Gefährten, die sich selbst eine Perspektive gaben, die sie nachweislich nicht erfüllen konnten.

Darüber hinaus haben verschiedene Strukturen der sogenannten „kommunistischen Linken“, die übrigens nicht eingeladen waren, sondern sich selbst eingeladen haben (was wir uns hier zu kritisieren ersparen werden!), offensichtlich nichts unternommen, um „mit einem blauen Auge davonzukommen“, so sehr sie auch daran interessiert waren, einerseits ein „anarchistisches“ Experiment des Internationalismus in die Brüche gehen zu sehen und andererseits zu versuchen, Militante auf der Suche nach Zusammenhalt zu rekrutieren. Ganz zu schweigen von den schmutzigen Denunziationen, die der Okhrana und der Tscheka zusammen würdig sind (siehe unser Postskriptum weiter unten)!

Eine Gruppe von internationalistischen Gefährtinnen und Gefährten, die nicht an den „Vergnügungen“ der letzten Tage teilgenommen hatten, die bereits einen Teil des „Organisationskomitees“ kannten und deren Vertrauen genossen, machten sich daran, das Ruder herumzureißen – „als unsichtbare Lotsen im Volkssturm“, wie Bakunin es ausdrückte. All dies geschah inmitten des Getöses und der Beschimpfungen, die von allen Seiten während der von einigen hochtrabend als „selbstorganisierte Vollversammlung“ bezeichneten Veranstaltung kamen, die uns in der Tat wie eine Art Vogelscheuche erschien, die unter der Hauptleitung einiger Gruppen, die sich als „kommunistische Linke“ bezeichneten, einer Gruppe von Leninisten und anderen Bolschewiki, sowie einigen ihrer mehr oder weniger anarchistischen Anhänger, die vorgaben, einen Parallelkongress zu organisieren, welches aus dem Hut gezaubert wurde. Nach den Ereignissen wurde zeitweise sogar von „zwei Kongressen“ gesprochen!

Kurzum, diese internationalistischen Gefährtinnen und Gefährten, von denen wir anfangs sprachen, ermöglichten trotz der Beleidigungen und Beschimpfungen, trotz der herrschenden Lynchatmosphäre, dass am nächsten Tag, am Samstag, ein Teil des Programms der öffentlichen Sitzung des Antikriegskongresses“ an einem zwar kleinen, aber dennoch sicheren Ort stattfinden konnte, zumindest glaubten wir das. Zwei Vorträge von Gefährtinnen und Gefährten vom Balkan (Antipolitika) und aus Deutschland (AST) führten zu interessanten Diskussionen gegen den Krieg und den kapitalistischen Frieden; Begegnungen von Gefährtinnen und Gefährten, die sich nicht immer persönlich kannten, waren sehr herzlich und begeisternd; Perspektiven für zukünftige Aktivitäten konnten aufgezeigt werden…

Wir müssen nun auch einen Moment auf die „Entschuldigungen“ und „Vorwände“ zurückkommen, die von den „Organisatoren“ in Bezug auf die „Sabotage“ durch pro-ukrainische tschechische Regierungs-„Anarchistinnen und Anarchisten“ vorgebracht wurden; „Vorwände“, die uns absolut nicht zufrieden gestellt haben. Zunächst einmal ist das Wort „Sabotage“ semantisch gesehen vom „Sabot“ abgeleitet, d. h. von den Holzschuhen, die die Arbeiter trugen und die sie in die Maschinen warfen, um sie zu zerstören. Somit sind die „Saboteure“ aus programmatischer Sicht auf der höchsten Abstraktionsebene nicht sie, sondern wir! Es ist das revolutionäre Proletariat, das durch seine kompromisslosen Kämpfe die Ökonomie sabotiert, wir sind es, die den kapitalistischen Krieg (und seinen Frieden!) sabotieren werden, wenn sich das Kräfteverhältnis infolge der subversiven Aktion unserer Klasse zu unseren Gunsten verändert. Natürlich haben diese sogenannten Anarchistinnen und Anarchisten schon oft ihr wahres Wesen bewiesen: Sie sind Reformer des Kapitals, „alternative“ Sozialdemokraten, die „radikaler“ sind als die offiziellen, sie sind die extremen linken und sogar ultralinken Fraktionen des Kapitalismus und seiner Demokratie – ad nauseam! Und sie hatten bereits mehrfach Gelegenheit, in der Vergangenheit und sogar in der jüngsten Vergangenheit ihre wahren Fähigkeiten zur Schädlichkeit gegenüber jeglicher Äußerung, Manifestation des wahren Internationalismus zu beweisen, der allen Verteidigern dieser alten, verrotteten, sterbenden Welt ins Gesicht explodiert (nicht so sehr, wie wir im Moment hoffen, leider!). Aber es hieße wieder einmal, in die Falle des Mythos der Demokratie zu tappen, wenn man sich vorstellte, dass man auf internationaler Ebene eine echte revolutionäre und defätistische Aktivität gegen den kapitalistischen Krieg und Frieden organisieren, koordinieren und zentralisieren könnte, ohne dass die kapitalistischen Kräfte (sein Staat, seine Polizei, seine Gewerkschaften/Syndikate, seine Sozialdemokratie, ad nauseam…) reagieren, uns unterdrücken, uns unsere Versammlungsorte verbieten usw. Die Organisatoren sind also nicht die einzigen, die sich in der Lage sehen, eine solche Aktivität zu organisieren und zu koordinieren. Die „Organisatoren“ waren darauf nicht vorbereitet, und schließlich waren wir es in gewisser Weise auch nicht, trotz all der starken Vorbehalte, die wir im Vorfeld geäußert hatten. An dieser Stelle ist ein Wort zum Thema Demokratie notwendig…

MYTHOS UND FETISCHISMUS DER DEMOKRATIE

Wir möchten an dieser Stelle einen grundlegenden Punkt ansprechen, der die Demokratie und ihre Diktatur über unser Leben und unsere Aktivitäten betrifft, oder vielmehr die permanente Bruchlosigkeit gegenüber der Demokratie. Demokratie kann keineswegs auf jene Formen und Kategorien reduziert werden, die vulgär von allen akzeptiert werden: Wahlrecht, Versammlungsrecht, Pressefreiheit, Legalisierung von Parteien und Gewerkschaften/Syndikate, ad nauseam. Aus der Sicht der historischen Kritik der Kommunistinnen und Kommunisten ist die Demokratie vor allem die soziale Diktatur des Kapitals, der Ware, des Weltmarkts, des sich verwertenden Werts… Sie ist die praktische Negation des unversöhnlichen Antagonismus zwischen zwei sozialen Klassen, den Besitzern der Produktionsmittel und den Enteigneten der Existenzmittel… Die Demokratie ist auch das giftige Gift, das in jeden unserer Kämpfe, unsere Aktivitäten und sogar in unsere militanten Strukturen eindringt. Die Demokratie steht schließlich für die Bildung falscher Gemeinschaften: die der Nation, des „souveränen Volkes“, des Geldes… gegen die einzige befreiende Gemeinschaft: die Gemeinschaft des proletarischen Kampfes, die die wahre menschliche Gemeinschaft, das Gemeinwesen, ankündigt! Das bedeutet, dass der Kampf gegen die Demokratie „permanent“ sein wird, d.h. solange die kapitalistischen Gesellschaftsverhältnisse existieren, und erst mit der endgültigen Zerstörung dessen, was uns täglich zerstört, enden wird.

Um auf Prag zurückzukommen, haben einige von uns nach unserer Ankunft und angesichts des Chaos„, das sowohl von den „Organisatoren“ als auch von der so genannten „selbstorganisierten Vollversammlung“ entwickelt wurde, direkt auf diese entscheidende Frage hingewiesen: die Fetischisierung der Demokratie. Wir organisieren uns gegen das Kapital und seine Kriege und können uns daher nicht darauf verlassen, dass das Kapital und seine Demokratie uns in Ruhe unsere Aktivitäten strukturieren lassen, uns die „Meinungsfreiheit“ oder das „Versammlungsrecht“ garantieren, die „unterzeichneten Verträge“ einhalten etc. Zum einen sind dies Konzepte, die der kommunistischen Bewegung fremd sind, und zum anderen wendet das Kapital sie nur dann à la carte an, wenn es ihm passt, um seine Herrschaft zu bestätigen, aber niemals, wenn es bedroht ist (oder sich bedroht fühlt). Die „Organisatoren“ haben sich zu sehr auf die Demokratie (und ihre einschläfernde Atmosphäre) verlassen, um die Aktion so ablaufen zu lassen, wie sie war, sie haben sich zu sehr darauf verlassen, dass die demokratischen Kräfte nicht gegen uns vorgehen würden, was sie im Übrigen auch sind: die verschiedenen repressiven Kräfte, die Polizei, die Geheimdienste, die ukrainische (oder auch russische) Botschaft und ihre Avatare, die NATO, die defensiven und bellizistischen „Anarchistinnen und Anarchisten“, ad nauseam. Kurz gesagt, die „Organisatoren“ waren zu offen, zu demokratisch, zu konziliant, zu naiv, was unfreundlichen Kräften die Möglichkeit gab, sich einzumischen. Für die Zukunft und die Entwicklung zukünftiger subversiver Aktivitäten müssen wir uns mehr denn je bewusst sein, dass es sich tatsächlich um einen sozialen Krieg, eine Klassenkonfrontation handelt, und die Mittel, Formen und Maßnahmen dementsprechend wählen…

Ein Beispiel unter vielen für diese (zumindest) Naivität der „Organisatoren“, das wir hier mit dem Finger aufzeigen und kritisieren müssen, ist die Sicherheit der Veranstaltungen. Abgesehen von der Unfähigkeit der „Organisatoren“, etwas wirklich Praktisches zu organisieren, wie z. B. einfach nur den Empfang und die Unterbringung der Teilnehmer (obwohl sie sich vorgenommen hatten, die logistischen Probleme zu lösen), gab es während der gesamten „Aktionswoche“ ein großes Problem mit der Sicherheit der Teilnehmenden. Wir werden nicht über die Identitätskontrollen durch die tschechische Polizei bei der Montagsdemonstration sprechen, da wir nicht dabei waren. Aber es reicht natürlich nicht aus, Slogans wie „No photography“, „No video recording“ an die Wände und in den Blog zu schreiben, damit dies auch tatsächlich so geschieht. Die „Eskapaden“ eines pro-ukrainischen tschechischen Think Tanks auf dem Gelände des „Antikriegskongresses“ sind das beste Beispiel und der Beweis dafür, wie wirkungslos es ist, große Proklamationen über „Sicherheit“ zu machen, ohne die realen und praktischen Mittel zu haben, sie zu gewährleisten, und wie unfähig wir derzeit sind (angesichts unserer schwachen Kräfte und der Situation des Klassenkampfes in Tschechien und sogar in Europa), eine solche öffentliche Veranstaltung zu organisieren oder daran teilzunehmen, die für alle offen ist, mehr oder weniger.

WEN EINLADEN UND WEN NICHT EINLADEN?

Wir möchten hier eine Frage von relativer Wichtigkeit ansprechen. Bei der Vorbereitung der gesamten „Aktionswoche“ und unsererseits vor allem der nicht-öffentlichen Sitzung des „Antikriegskongresses“ stellte sich natürlich die Frage, wen man einladen sollte und wen nicht. Oft haben sich die Organisatoren an uns gewandt und uns gefragt, was wir von einer bestimmten Gruppe oder Organisation halten und ob es sich lohnt, sie für diese oder jene Ebene der Veranstaltungen einzuladen. Es gibt eine Sache, die uns von einigen sehr kritisiert wurde: Warum waren die „großen“ Strukturen und Organisationen der so genannten „kommunistischen Linken“ nicht zur „Aktionswoche“ willkommen, ja, warum wurden sie überhaupt nicht eingeladen? Wir möchten zunächst klarstellen, dass wir uns generell gegen ALLE ideologischen Familien („Anarchismus“, „Marxismus“, „Kommunismus“, „Rätekommunismus“ usw.) wenden, aber in diesem Fall und in diesem Kapitel richten wir unsere Kritik insbesondere an die selbsternannte „kommunistische Linke“.

Zunächst einmal stimmen wir nicht mit der Terminologie „Linkskommunismus“ überein, die zur Bezeichnung der revolutionären Kräfte verwendet wird, die aus der Periode 1917-21 hervorgegangen sind, obwohl es sich dabei um eine historische Bezeichnung handelt, die die historische Materialisierung der Brüche mit der Sozialdemokratie einschließt. Diejenigen, die von der Konterrevolution als „Linkskommunisten“ bezeichnet werden, sind größtenteils die wahren und einzigen authentischen Kommunisten aus dieser Periode. Sie haben programmatisch (trotz der gängigen, von der revisionistischen Geschichtsschreibung aufgezwungenen Terminologie) nichts mit denen gemeinsam, gegen die sie sich in Wirklichkeit während ihres gesamten Kampfes ständig gewehrt haben.

Die Tatsache, dass Lenin (und hinter ihm andere rot angemalte Sozialdemokraten, die „kommunistische“ Rhetorik verwendeten) darauf beharrte, die Praxis der Kommunistinnen und Kommunisten als „Kinderkrankheit“ und die Kommunistinnen und Kommunisten selbst als „Anarchistinnen und Anarchisten“, „Linke“, „Anti-Parteien“ usw. zu denunzieren, ist nur ein Beweis für die zunehmende und klarere Unterscheidung zwischen der konterrevolutionären Politik der Bolschewiki und den revolutionären Ausdrucksformen, die weiterhin gegen die Strömung des Zentrismus kämpften.

Die Definition des Begriffs „Kommunist“ wird, wie Marx sagte, nicht durch das bestimmt, was ein Militanter über sich selbst sagt, sondern durch das, was er tut, d. h. also durch seine tatsächliche kommunistische Aktion in Bezug auf historische Perspektiven.

Es gibt keinen Kommunismus der „Linken“, genauso wenig wie es einen Kommunismus der „Rechten“ oder der „Mitte“ gibt. Der Kommunismus definiert sich in und durch die revolutionäre Praxis von Männern und Frauen, die für die Zerstörung des Staates kämpfen und sich somit auf den Standpunkt der Zerstörung der Armee, der Nationen, der kapitalistischen Verwaltungsorgane, des Kapitals und der Arbeit usw. stellen.

Es ist nicht ohne Grund, dass die Linke der Sozialdemokratie so hartnäckig diejenigen als „infantil“ und „krank“ denunziert hat, die sich ihrer Politik des Wiederaufbaus und der Verwaltung des Staates widersetzten, die den revolutionären Krieg gegen Friedensabkommen mit der Bourgeoisie befürworteten, die gegen Entrismus in den Gewerkschaften/Syndikate und gegen revolutionären Parlamentarismus kämpften. Die Sozialdemokraten – und wir sprechen hier in historischen und nicht formalen Begriffen, in Begriffen von Kräften, die über ihre Bezeichnung hinaus praktisch die Reform der Welt übernehmen! – beabsichtigten sich den Titel „Kommunist“ (ohne weitere Bezeichnung) anzueignen, weil dies zu einem Zeitpunkt, als die Revolution auf der Tagesordnung stand, der beste Weg war, sich vor all jenen zu schützen, die ihre Praxis des Staatsumbaus als konterrevolutionäre Praxis anprangern würden.

Und da sie den revolutionären Charakter der Aktionen derjenigen, die sich ihnen widersetzten, nicht leugnen konnten, schrieben sie kommunistischen Militanten das Adjektiv „links“ zu, um sie als „krank“ und „infantil“ zu bezeichnen sowie um auf einer politischen Linie zu bleiben, auf der kein qualitativer Bruch zu erkennen ist, nicht einmal in der Terminologie.

Wenn wir manchmal Pleonasmen wie „revolutionäre Kommunisten“, „internationalistische Kommunisten“ oder sogar die Verzerrung „Linkskommunismus“ verwenden, obwohl wir die Terminologie unserer Feinde nicht akzeptieren, dann nur deshalb, weil das Gewicht der von Stalinisten und anderen rechten oder linken Bourgeois umgeschriebenen Geschichte wie alle Ideologien eine Kraft ist, die sich im Laufe der Jahrzehnte der Konterrevolution materialisiert hat. Wir müssen zu solchen sprachlichen Tricks greifen, um uns von all jenen zu unterscheiden – und das sind viele! – die in der Tat unsere Flaggen, Banner und Mottos gewaltsam geplündert haben.

Um es klar zu sagen: Es versteht sich von selbst, dass unsere programmatischen historischen Referenzen bei allen Militanten, Gruppen, Organisationen und Strukturen zu finden sind, die mit größter Entschlossenheit die Brüche mit der gesamten Ideologie und Praxis der Sozialdemokratie, einschließlich ihrer „Extreme“, vorangetrieben haben. Ob diese Brüche nun „kommunistische Linke“ oder „revolutionärer Anarchismus“ oder was auch immer heißen mögen … Aber wir lieben den Kommunismus als Projekt, als Bewegung, als Dynamik, als totale Subversion dieser Welt und des Bestehenden, als menschliche Gemeinschaft … zu sehr, um uns auf irgendeine „Linke“ zu berufen, die nur ein trauriges und trostloses Spiegelbild davon ist.

Um auf die „konkreteren“ Aspekte der Frage zurückzukommen, sagen wir klar und deutlich, dass keine Organisation, die offen zu einer der ideologischen Familien gehört, die zwar keine echten Internationalisten (in dem Sinne, wie wir es verstehen!) sind, sich aber dennoch auf internationaler Ebene organisieren und de facto „Internationalisten“ darstellen, den Kampf des Proletariats einrahmen wollen (sei es die besagte „kommunistische“ oder „marxistische“ Familie oder auch die „anarchistische“), nicht eingeladen wurden: Weder die CCI1 (Courant Communiste International), noch die TCI2 (Tendance Communiste Internationaliste), noch all ihre Ableger, noch die verschiedenen PCInt3 (Parti Communiste International), noch die IAA4 (Association Internationale des Travailleurs), noch die IFA5 (Internationale des Fédérations anarchistes), ad nauseam….

Für uns ging es nicht um Sektierertum, sondern darum, Kriterien festzulegen, um eine konstruktive Diskussion zu ermöglichen und Fortschritte bei der Aufgabe zu machen, den revolutionären Defätismus zu fördern und seine Entwicklung als Teil der proletarischen Bewegung zu unterstützen. Wir möchten betonen, dass wir eine echte Diskussion brauchen und nicht nur die Beiträge der anderen anhören, ohne zu einem gemeinsamen Punkt gelangen zu können.

Wir betrachteten die „Aktionswoche„ (bzw. die nichtöffentliche Sitzung des „Antikriegskongresses“ und ursprünglich sogar das internationale Treffen, wie wir es uns vorstellten) nicht als den Tag X, sondern als einen Moment im Prozess der Stärkung, Entwicklung und Konsolidierung der defätistischen revolutionären Gemeinschaft, wobei diese Gemeinschaft nicht erst aufgebaut werden muss, sondern bereits historisch präexistent ist und aus dem fruchtbaren Boden der Klassengesellschaften und der Notwendigkeit, sie abzuschaffen, hervorgeht. Ein Prozess, der den Austausch von Texten und Kritik, Diskussionen, die Organisation konkreter Aktionen, die Kontinuität der Gemeinschaft usw. umfasst, kurzum das genaue Gegenteil von dem, was uns die Linke und extreme Linke des Kapitals auf ihren Konferenzen und Kongressen gewohnt hat… Eine schonungslose Kritik des „Konferenzismus“ ‚ und des „Kongresstums“ ist mehr denn je notwendig und grundlegend…

Was wir uns erhofften (und weiterhin fördern), ist der Aufbau stärkerer Beziehungen im Lager des revolutionären Defätismus und, wenn möglich, das Erreichen eines gewissen Grades an programmatischer Zentralisierung bei gleichzeitiger Beibehaltung einer gewissen Dezentralisierung der Aktionen.

Leider (oder prosaischer hic et nunc!) können wir die „defätistischen“ Praktiken von Gruppen der so genannten „Kommunistischen Linken“ nicht so interpretieren, dass sie dieses Ziel verfolgen.

Basierend auf den Aktivitäten einiger Gruppen haben wir eher den Eindruck, dass ihr Ziel nicht der Aufbau einer echten Kampfgemeinschaft (die programmatisch zentralisiert, aber nicht unbedingt praktisch ist) ist, sondern der Aufbau einer „Partei“, noch dazu einer Massenpartei. Beispielsweise können wir in den Aktivitäten der Kollektive und der Plattform No War but the Class War den Versuch sehen, eine Art „Mindestprogramm“ zu schaffen, dem sich möglichst viele anschließen können, ohne dass es die Partikularismen der verschiedenen Elemente verschärft; insofern können wir darin nichts anderes als Rekrutierungsbüros erkennen. Wir können in diesen Praktiken gewisse Zugeständnisse an diejenigen sehen, die programmatisch nicht klar sind, damit sie ihren Aktivitäten eine Massendimension verleihen können. Wir für unseren Teil wollen genau das Gegenteil tun.

Natürlich haben wir nicht erwartet, dass alle zur „Aktionswoche“ eingeladenen Gruppen auf dem gleichen programmatischen Niveau sind, wir sind uns durchaus bewusst, dass die Kapitalismuskritik einiger Organisationen nicht in gleicher Weise entwickelt und vertieft wird. Aber unsere Hoffnung war, dass sie durch Diskussionen und gemeinsame Praxis ein höheres, dialektischeres und damit radikaleres Niveau des Verständnisses der Realität der auf Ausbeutung basierenden Welt erreichen und damit die Möglichkeit eines gemeinsamen Kampfes eröffnen.

Eine weitere Sache, die wir nicht gutheißen können, ist das Bemühen von Gruppen der so genannten „kommunistischen Linken“, so genannte „theoretische“ Diskussionen den Diskussionen über den tatsächlichen und praktischen Kampf der defätistischen revolutionären Bewegung vorzuziehen. Ihr methodischer Ansatz basiert zweifellos auf der Annahme, dass wir uns zuerst über den Ursprung des Krieges einigen sollten – der für die meisten von ihnen die Dekadenz des Kapitalismus zu sein scheint -, bevor wir irgendetwas anderes diskutieren.

Für uns sollte es keine Trennung zwischen einer sogenannten „theoretischen“ und einer „praktischen“ Diskussion geben. Was uns interessiert, ist in der Tat eine Diskussion darüber, wie man konkret gegen den kapitalistischen Krieg und den kapitalistischen Frieden kämpfen kann, was wir praktisch dagegen tun können. Und im Rahmen einer solchen Diskussion werden notwendigerweise auch theoretische und programmatische Fragen auftauchen und behandelt werden. Kurz gesagt, wir ziehen es vor, von der Praxis zur Theorie zu gehen, während es für alle diese Gruppen genau umgekehrt zu sein scheint.

Das hat die meisten dieser „großen“ Organisationen der sogenannten „kommunistischen Linken“ nicht daran gehindert, sich selbst einzuladen und noch mehr Chaos in das von den „Organisatoren“ hinterlassene Chaos zu bringen, kurz gesagt, der den „Organisatoren“ selbst innewohnenden Desorganisation noch eine ernsthafte Schicht der Desorganisation hinzuzufügen. Wie ein Gefährte, der vor Ort sehr aktiv war, sagte: Ihre Aktivitäten, die Kontrolle zu übernehmen oder zumindest ihre Agenda festzulegen, wurden durch das Chaos, das durch die Desorganisation verursacht wurde, erheblich verstärkt“.

Kurz vor der Aktionswoche, genauer gesagt am 1. Mai, veröffentlichte die TCI einen Blogeintrag, in dem sie ankündigte, dass sie entweder direkt oder über ihre Satellitenstrukturen wie die No War but the Class War-Kollektive nach Prag kommen würde. Darin hieß es unter anderem: „der Aufruf der Prager Aktionswoche im Wesentlichen nicht von den fünf grundlegenden Punkten, die wir von der Initiative „No War but the Class War“ (NWBCW) vertreten. […] Keiner der im Aufruf zur Aktionswoche in Prag benannten Punkte widerspricht den grundlegenden Zielen der NWBCW. In der Tat könnten wir diese fünf Punkte durchaus erweitern, um die acht Punkte von Prag (siehe unten) einzubeziehen“6.7

Einige, die sich selbst als „kommunistische Linke“ bezeichneten, wiesen darauf hin, dass keine der eingeladenen „anarchistischen“ Gruppen den Kriterien entsprach, die in den „acht Punkten“ entwickelt worden waren, während die Gruppen der „kommunistischen Linken“ dies taten. „Die ursprüngliche Einladungsliste enthielt etwa 60 Namen, die meisten von ihnen Anarchisten, Anarchokommunisten, Kommunisten und Schwarze Blöcke, die einem oder mehreren der Kriterien entsprechen konnten. Es fehlten die Namen von linken, italienischen oder deutsch-niederländischen, leninistischen Kommunisten mit internationalistischen Positionen, die alle Kriterien erfüllten.“ Auf diese Art von Argumenten antworten wir, wie wir bereits zuvor per Brief geantwortet hatten, dass zwar „theoretische Positionen“ diesen Kriterien entsprechen können, dass es aber eher die tatsächliche Praxis der Organisationen ist, die sich auf eine ideologische politische Familie berufen (hier im vorliegenden Fall und zur Erinnerung: die besagte „kommunistische Linke“), die sich nicht mit den in dem fraglichen Dokument vorgebrachten Punkten deckt.

Zum Beispiel: Es ist vor allem ihre „Position“ (und ihre tatsächliche Praxis) zu Lenin und den Bolschewiki und ihre gesamte Politik des Wiederaufbaus des Staates und der nationalen Ökonomie in Russland, der Repression von Streiks und proletarischen Kämpfen, die weniger mit dem vierten als vielmehr mit dem siebten Punkt übereinstimmt, nämlich:

  • Diejenigen Individuen und Gruppen, die gegen die Politik der „Verteidigung der nationalen Ökonomie“ und der „Aufopferung für die Kriegsökonomie“ kämpfen, diejenigen, die die Expansionstaktik der eigenen Bourgeoisie nicht akzeptieren, selbst wenn sie einem ökonomischen, politischen oder militärischen Angriff ausgesetzt sind.
  • An alle, die in ihrer Praxis erkennen, dass das Proletariat kein Vaterland zu verteidigen hat. Unser Feind sind nicht die in die Schützengräben getriebenen Proletarier auf der anderen Seite der Front, sondern die Bourgeoisie – in der Praxis vor allem die Bourgeoisie „im eigenen Land“, „unsere eigene“ Bourgeoisie, die unsere Ausbeutung direkt organisiert.

Insgesamt fordern oder befürworten alle Gruppen der so genannten „kommunistischen Linken“ den Vertrag von Brest-Litowsk (der ein echter Dolchstoß in den Rücken der Proletarier sowohl in Russland als auch in Deutschland und Österreich-Ungarn war – ein „Verrat“, wie manche sagen!), was im krassen Gegensatz zu dem steht, was wir unter revolutionärem Defätismus verstehen (in Punkt 6):

  • An alle, die den bourgeoisen Krieg in einen revolutionären Krieg verwandeln wollen, einen Krieg zwischen Staaten in einen Kampf um die Zerstörung aller Staaten.

Um die Frage von Brest-Litowsk und der Abkommen/Beziehungen, die das Proletariat mit seinem Klassenfeind entwickeln/unterhalten könnte, etwas zu vertiefen, sei nur gesagt: Nie und nimmer könnte irgendeine „proletarische Macht“, wie die Bolschewiki sich fälschlicherweise seit Oktober in Russland rühmten, eine solche bleiben, wenn sie Abkommen verhandelt, diskutiert, unterzeichnet, die gegen unsere Klasseninteressen gerichtet sind. Wenn eine „proletarische Macht“ sich mit dem bourgeoisen Staat an den Verhandlungstisch setzt (egal, welche formellen Vertreter ihm gegenüberstehen), dann hat der bourgeoise Staat bereits gewonnen und die „proletarische Macht“ verliert ihre subversive Substanz, wenn sie überhaupt eine solche hat. Wenn der Staat der Kapitalisten mit dem Proletariat „verhandelt“, dann bedeutet das, dass unser Kampf, unsere Offensive bereits sehr stark im Niedergang begriffen ist, dass wir in der Defensive sind, in der Klemme, dass wir bereits verloren haben… Der bourgeoise Staat „verhandelt“ mit uns nur, um uns besser und endgültig zerschlagen zu können…

Und wir wollen hier nicht über andere Meinungsverschiedenheiten sprechen, die wir mit den Gruppen der so genannten „kommunistischen Linken“ haben, wie ihre Beanspruchung (revendication) der Zimmerwald-Konferenz von 1915. Insgesamt ging es bei diesem Treffen von Pazifisten hauptsächlich darum, sich außerhalb der offiziellen Sozialdemokratie zu organisieren, aber nicht gegen sie; dieses Treffen führte zu spektakulären Reden und aufsehenerregenden Erklärungen, aber nicht zu einem wirklichen Bruch mit den Methoden, Praktiken und Programmen der Sozialdemokratie.

Und was die so genannte „Zimmerwalder Linke“ betrifft, so diente die Anwesenheit kommunistischer Militanter in diesem Chaos letztlich nur als radikale Bürgschaft, als Rekrutierungsbüro, um wirklich proletarische Äußerungen wieder in die Spur einer Sozialdemokratie zu bringen, deren Fassade man nur abgewetzt hatte. Kein Wunder also, dass praktisch alle Organisationen der so genannten „kommunistischen Linken“ heute ein „neues Zimmerwald“ machen wollen, das passt perfekt zu ihnen. Schließlich können wir, um Rosa Luxemburg (!!!) zu paraphrasieren, die Aktivitäten dieser „Zimmerwalder Linken“ grundsätzlich so zusammenfassen: „besser ein schlechter Zimmerwald als gar kein Zimmerwald“!

Die bolschewistische Partei und Lenin selbst haben das konterrevolutionäre und pazifistische Programm der Internationale und ihrer verschiedenen Mitgliedsparteien aktiv gefördert. Dies steht im Gegensatz zum fünften Punkt:

  • An alle, die sich nicht als Pazifisten, sondern als Revolutionäre verstehen. An alle, die keinen bourgeoisen Frieden anstreben, in dem die Ausbeutung unserer Arbeitskräfte unter etwas anderen Bedingungen weitergehen kann.

Darüber hinaus verteidigt die besagte „kommunistische Linke“ (mehr oder weniger, je nach den von jeder dieser Organisationen bevorzugten Nuancen) die Position der III. Internationale in der Kolonialfrage. Dies steht auch nicht im Einklang mit dem dritten Punkt:

  • Diejenigen, die nicht eine Fraktion der Bourgeoisie gegen die andere unterstützen, sondern gegen jede von ihnen kämpfen. Diejenigen, die die klassenübergreifenden Fronten nicht verteidigen oder an ihnen teilnehmen.

FASSEN WIR DIE EREIGNISSE IN PRAG KURZ ZUSAMMEN.

Es gab zwei verschiedene Ebenen mit ebenso verschiedenen Inhalten.

Auf der einen Seite gab es die „Aktionswoche“ mit Demonstrationen, Happenings und anderen „Feierlichkeiten“, die im Bereich des Spektakels blieben. Die Grundidee der Organisatoren war es, den revolutionären Defätismus sichtbarer zu machen, mit den kriegsbefürwortenden Anarchistinnen und Anarchisten zu konkurrieren und sich als „Anziehungspunkt für Unentschlossene“ anzubieten. Aber all das erwies sich als Illusion und vor allem als kontraproduktiv angesichts unserer schwachen Kräfte. Wir kritisierten die Organisatoren in diesem Sinne und machten deutlich, dass eine solche Veranstaltung keine Demonstration der Existenz der Antikriegsbewegung, der Bewegung gegen die kapitalistische Ausbeutung im Allgemeinen, sein kann, da diese Bewegung nur in Ansätzen existiert und sich derzeit auf einige verstreute Minderheiten in der ganzen Welt beschränkt. Wir haben auch betont, dass Revolutionäre diese Bewegung auf keinen Fall schaffen können. Sie können (und wollen) dem Proletariat keinerlei Bewusstseinsbildung bringen, denn diese kann nur aus den materiellen Bedingungen, in denen sich das Proletariat befindet, und aus dem Kampf unserer Klasse gegen diese Bedingungen entstehen. Die Aufgabe der Kommunistinnen und Kommunisten ist es, den unveränderlichen Inhalt, den wirklichen unmittelbaren Kampf der Arbeiterklasse gegen die Ausbeutung, der sich hinter den mehr oder weniger klaren Manifestationen des Proletariats verbirgt, zu entdecken, ihn mit anderen Kämpfen in der Gegenwart und in der Vergangenheit zu verbinden und ihn zu verallgemeinern. Wir erinnerten sie auch daran, dass unsere Aufgabe und unser einziges Interesse die potenzielle Stärkung der bereits existierenden defätistischen revolutionären Kräfte ist, die willens und in der Lage sind, sich sowohl programmatisch als auch praktisch dem Krieg zu widersetzen.

Wir haben nicht an diesen Veranstaltungen teilgenommen und haben zu keinem Zeitpunkt (auf unserem Blog, unseren Mailinglisten usw.) dieses Aktivitätsniveau gefördert, im Gegenteil, wir haben es kritisiert (leider allzu oft „privat“!). Gleichzeitig waren wir nicht stark genug, um den Organisatoren unsere Meinung aufzuzwingen und sie davon zu überzeugen, diese mehr als anekdotischen Veranstaltungen nicht zu veranstalten.

Andererseits gab es den „Antikriegskongress“ (oder die Konferenz oder das internationale Treffen), eine Veranstaltung, die wir für äußerst wichtig hielten und die wir öffentlich als Versuch propagierten, unsere defätistischen revolutionären Aktivitäten zu organisieren und zu zentralisieren, unsere bereits und vorab bestehende Kampfgemeinschaft zu stärken, die unter anderem (und soweit es die wenigen Minderheiten betrifft, die sich bereits kennen) auf der Praxis verschiedener Gruppen, auf gemeinsamen Diskussionen und praktischen Aktivitäten beruht. Für uns bestand der Zweck dieses internationalen Treffens wirklich darin, zu versuchen, ein gewisses Maß an Zentralisierung und Formalisierung der bestehenden Praktiken zu erreichen und zu versuchen, sie auf eine bestimmte Materialisierung auszurichten: eine gemeinsame Kampagne gegen den Krieg, wie wir in unserem Beitrag zur Mailingliste spezifiziert haben. Dies ist auch das, was wir in Prag zu entwickeln und zu fördern versucht haben. Die Zukunft wird zeigen, ob unsere Versuche vergeblich waren oder ob sie etwas Nützliches für den proletarischen Widerstand gegen den Krieg und für den sozialen Frieden hervorbringen werden.

In einer sehr brüderlichen Kritik, die wir einige Tage vor der „Aktionswoche“ erhielten, sagten uns Gefährtinnen und Gefährten über unsere Hoffnung, durch diese Aktion „unsere Isolation überwinden“ zu können, folgendes: „Es gibt keine Abkürzungen, es gibt keine magischen Formeln, es ist der unmittelbare Kampf des Proletariats gegen die Ausbeutung, für die Verteidigung seiner materiellen Bedürfnisse und die Entwicklung dieses Kampfes, der die Substanz liefert, die den Organisationsprozess des Proletariats ausmacht und die Aktionen der revolutionären Minderheiten bestimmt. Das Durchbrechen der Isolation – auf allen Ebenen – entwickelt sich nur in diesem Prozess, als Entwicklung des proletarischen Assoziationismus, alles andere gehört in die Welt des Spektakels und dient nur dazu, die verschiedenen Versuche unserer Klasse, sich zu organisieren, abzulenken und zu neutralisieren. Es ist wie der Mythos einiger Strömungen der Vergangenheit, die glaubten, dass der Aufruf zum Generalstreik die Grundlage sei, um die Revolution einzuleiten.

Das ist absolut richtig und wir stimmen dieser Ansicht voll und ganz zu. Wir sind uns der Tatsache bewusst, dass wir weder eine Anti-Kriegs-Bewegung schaffen noch den Krieg stoppen können. Aber das bedeutet nicht, dass wir tatenlos auf die Entwicklung des Klassenkampfes warten sollten. In dem Maße, wie der Bruch mit den gesellschaftlichen Verhältnissen des Kapitals nur auf Minderheiten beschränkt ist, müssen wir die Elemente organisieren, die durch ihre Praxis den Bruch mit dem Kapital zum Ausdruck bringen, wir müssen unsere Positionen klären, die Lehren aus den gegenwärtigen und vergangenen Kämpfen des Proletariats, wir müssen die Erfahrungen zusammenfassen, die in der Entwicklung der Revolution und der Konterrevolution gesammelt wurden. Wir sind als kämpfende Klasse und Ausdruck dieses Prozesses ein integraler Bestandteil des Proletariats und müssen die realen und praktischen Aufgaben der subversiven Bewegung übernehmen, auch wenn wir wissen, dass die materiellen Folgen unserer Aktivität im Moment vernachlässigbar sind.

Schlussendlich zeigen uns die Ereignisse in Prag (um den Renegaten Lenin umgekehrt zu paraphrasieren), „was (nicht) tun“! Von Anfang an wollten wir kein öffentliches Treffen organisieren, geschweige denn eine Demonstration (um wem was zu beweisen!?), eine Buchmesse und verschiedene damit verbundene Aktivitäten, die unter dem Label „Aktionswoche“ zusammengefasst werden. Was uns wichtig war (und ist), ist die Notwendigkeit, uns zu koordinieren, unsere Aktivitäten mit anderen militanten Strukturen zu zentralisieren, nicht „nur“ gegen den Krieg und den sozialen Frieden, sondern um wirklich am vitalen Prozess, an der elementaren Dynamik der Umwandlung des kapitalistischen Krieges und Friedens in eine weltweite soziale Revolution, in eine Revolution für die Abschaffung der kapitalistischen Gesellschaftsverhältnisse, in eine Revolution für den Kommunismus teilzunehmen!!!

Und um dies zu erreichen, bleibt ein nicht-öffentliches internationales Treffen von Gruppen und Strukturen, die sich bereits kennen und gemeinsam handeln, heute eine Notwendigkeit, die wir weiterhin mehr denn je betonen. Ohne Schminke und ohne Werbung, ohne vorherige donnernde Erklärung!!!

ALS POSTSKRIPTUM

Nach diesem riesigen organisatorischen Fiasko war es zu erwarten, und wir haben es erwartet: Die Neo-Torquemadisten haben wieder zugeschlagen, oder besser gesagt geifern, wie man es besser ausdrücken sollte, in diesem Fall durch diese Eiterbeule der Arbeiterklasse, die die unbedeutende kleine paranoide Sekte namens CCI darstellt. Wir können in der Tat den faulen Atem der Lehrmeister riechen, all diese Aasgeier, die nach den Ereignissen in Prag gelacht haben und zum vorletzten Mal kommen, um uns ihre düsteren Ratschläge zuzuflüstern, gemischt mit einigen Phrasen demagogischer Bewunderung, als gute „Bankräuber der Revolution“ (so Bordiga), die sie sind. Und es sind immer noch dieselben Geier, die seit Jahrzehnten über den Leichen der von der Repression massakrierten Proletarier kreisen und kichern: „Sie hätten nicht zu den Waffen greifen sollen“ (Plechanow).

Wenn es sich dabei nur um schäbige, verbitterte Kommentare von als Revolutionäre verkleideten sozialdemokratischen Hyänen handeln würde, könnte man sie ignorieren und mit einer festen Handbewegung an ihren Bestimmungsort zurückschicken: die Mülltonnen der Geschichte. Aber noch einmal, und das seit mehr als vierzig Jahren, wenn der CCI es sich erlaubt, von seinen ideologischen Kanzeln und den Balkonen des politischen Spektakels sein sententiöses Geplapper zu verbreiten, sind es immer die bösartigen Intrigen, die Verleumdungen, die Denunziationen und letztendlich die polizeiliche Version der Geschichte, die triumphieren. Zitieren wir also ein letztes Mal die giftige Galle dieser todbringenden Kapos aus ihren jüngsten Erklärungen zu den Ereignissen in Prag: „Was die Position des offiziellen Komitees zur Sicherheit betrifft, sollten wir auch darauf hinweisen, dass Tridni Valka eine gewisse Kontinuität mit dem Groupe Communiste Internationaliste behauptet, obwohl es in der Vergangenheit einige unausgesprochene Meinungsverschiedenheiten zwischen ihnen gab und die GCI als solche nicht mehr existiert. Aber die GCI war eine Gruppe, die einen sehr gefährlichen und destruktiven Kurs verfolgte – vor allem ein Flirt mit dem Terrorismus [Hervorhebung durch die Redaktion], der eine ernste Gefahr für die gesamte revolutionäre Bewegung darstellte.[8] Dazu gehörte eine Art Tarnkappenstrategie, die Tridni Valka anscheinend übernommen hat und die sicherlich zur Desorganisation der Woche und dem Misstrauen beigetragen hat, das viele der Teilnehmenden ihnen gegenüber entwickelten.“ Amen!

Die CCI kann, wie andere ähnliche Sekten, die Aktivitäten von Revolutionären nur als „Verschwörungen“ verstehen und anprangern. Aber verschwören heißt atmen, wie das Sprichwort sagt, und wir für unseren Teil behaupten laut und deutlich, gegen alle Versuche, unsere Klasse zu fesseln, die internationale Verschwörung des Proletariats! Ja, wir verschwören uns, wie „Dampf und Elektrizität sich gegen den Status quo verschwören“ (wie Marx sagte), wir verschwören uns „wie die Sonne gegen die Dunkelheit“ (idem)… Auf jeden Fall ist es sehr wahrscheinlich, dass die tschechischen (und anderen) Staatssicherheitsdienste sich über diese Art von „Enthüllungen“ und „Informationen“ über die angeblichen Verbindungen unserer Gruppe „zum Terrorismus“ freuen werden. Vielen Dank an die Spitzel des CCI, der sich besser in CCI-B umbenennen sollte, mit einem B für „Bolschewik“, aber vor allem für „Verräterinnen und Verräter“!8 Verdammte VERRÄTERINNEN UND VERRÄTER!!!


1A.d.Ü., Internationale Kommunistische Strömung.

2A.d.Ü., Internationalistische Kommunistische Tendenz.

3A.d.Ü., Internationale Kommunistische Partei.

4A.d.Ü., Internationale ArbeiterInnen-Assoziation.

5A.d.Ü., Internationale der Anarchistischen Föderationen.

6Zur Erinnerung: Die „Acht Punkte“, die erklären, an wen der Prager Appell gerichtet war, können auf dem Blog von Action Week gelesen werden: https: //actionweek.noblogs.org/francais/, sowie auf unserem eigenen Blog: https: //www.autistici.org/tridnivalka/semaine-daction-prague-20-26-mai-2024/.

7A.d.Ü., zitiert von An die InternationalistInnen die an der Prager Aktionswoche teilnehmen.

8A.d.Ü., in der englischen und in der französischen Version werden die Begriffe Betrayer (Verräterin und Verräter) und Balance (Rate) verwendet. Wie entschieden uns für erstere Möglichkeit.

]]> Auf der Suche nach Frieden. Inhaftierte, Eingeschleuste/Spitzel, Recht und Ordnung https://panopticon.blackblogs.org/2024/08/19/auf-der-suche-nach-frieden-inhaftierte-eingeschleuste-spitzel-recht-und-ordnung/ Mon, 19 Aug 2024 09:32:58 +0000 https://panopticon.blackblogs.org/?p=5979 Continue reading ]]>

Gefunden auf der anarchistischen Zeitung Anarquista aus Argentinien, die Übersetzung ist von uns.


18. Mai 2024

Auf der Suche nach Frieden. Inhaftierte, Eingeschleuste/Spitzel, Recht und Ordnung

„Angesichts dieser Repression dürfen wir uns nicht einschüchtern lassen. Du musst dich ihr stellen, du musst dich ihr stellen wie Gandhi, indem du deinen Körper einsetzt. Wenn du bezahlt werden musst, werde bezahlt. Verletze keine andere Person; verletze kein anderes menschliches Wesen. Juan Grabois über die Ereignisse vom 12. Juni.

„Weil du aber lau bist und weder warm noch kalt, werde ich dich ausspeien aus meinem Munde.“ Offenbarung 3,16, Die Bibel.

Wir verstehen den Protest nicht als ein Recht, sondern als eine Notwendigkeit. Es ist uns egal, ob es verfassungsmäßig ist oder nicht, unsere Existenz als Menschen mit ausreichender Würde zu deklarieren, um unsere Stimme oder unsere Arme zu erheben. Wir sehen die Repression durch staatliche Kräfte nicht als Anomalie, sondern als Grund für ihre Existenz. Wir glauben auch nicht, dass staatliche Gewalt mit Blumen bedacht werden sollte.

Mehr als ein Dutzend Menschen werden aufgrund der Menschenjagd, die während der Sitzung zum Ley Bases entfesselt wurde, in Bundesgefängnissen festgehalten. Jede Inhaftierung ist willkürlich, und gleichzeitig ist keine davon willkürlich.

Das Gesetz

Die Verabschiedung der Ley Bases im Senat sollte für niemanden eine Überraschung sein. Tatsächlich waren einige der Zugeständnisse, die jedem Beamten gewährt wurden, schon vor der Abstimmung bekannt; dennoch ging die Show mit einer Prozession leerer Worte weiter, die bis in die frühen Morgenstunden andauerte. Draußen fand am frühen Morgen eine viel kleinere Kundgebung als bei den letzten Mobilisierungen zur Verteidigung der Universitäten oder am 24. März statt.

Von den frühen Morgenstunden an überschwemmten die verschiedenen Sicherheitskräfte von Minister Bullrich die Straßen und provozierten bereits kurz nach Mittag die Demonstranten in der Nähe der Zäune mit Tränengas. Sogar eine Gruppe von Abgeordneten wurde von der Polizei angegriffen; es ist schwer zu sagen, ob der betreffende uniformierte Beamte wusste, wer er war. Später setzten sie Feuerwehrautos ein, um kleine Brände auf der Straße zu löschen, woraufhin Steine und Stöcke flogen. Die Polizei antwortete zunächst mit Wasser, dann mit Gummigeschossen und Tränengas. Eine große Gruppe von Menschen, deren Gesichter mit T-Shirts, Lumpen oder Masken bedeckt waren, jubelte und beteiligte sich an der Konfrontation.

Durch die Kraft und Menge des Gases gelang es, den Großteil dieser Gruppe zurückzudrängen. Einige Leute warfen ein Medienfahrzeug um und andere setzten es in Brand. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich die staatlichen Kräfte noch hinter dem Zaun, etwa achtzig Meter von dem fraglichen Auto entfernt.

Wir machen diese Beschreibung, weil eine Medienoperation im Gange ist, die darauf abzielt, die Realität der Fakten so zu verändern, dass sie besser in eine eigene Erzählung passt. Von den Medien, die dem peronistischen Sektor angehören, mit Página12 an der Spitze, über die Wahllinke mit Izquierda Diario bis hin zu denjenigen, die sich als unabhängige Medien verstehen, wird eine Kriminalisierungskampagne gegen diejenigen geführt, die an diesem Konflikt beteiligt waren. Die Behauptung, dass es bei den Demonstrationen Eingeschleuste/Spitzel gibt, die Zerstörungen anrichten, wird verbreitet, um den Unterschied zwischen den guten Staatsbürgern, die sich an die Gesetze halten, und den gewalttätigen Staatsbürgern, die Polizisten angreifen, zu verdeutlichen. Die vorgelegten Beweise sind nur Ausschnitte, Mutmaßungen und falsche Nachrichten.

Die Straße

Im Jahr 2022, während der Kongress über das IWF-Abkommen debattierte, wurden draußen Steine geworfen, Container in Brand gesetzt und Molotowcocktails auf die Polizei geworfen. Wenn wir Jahre zurückblicken, werden wir ähnliche Situationen finden, bis hin zu den berühmten „vierzehn Tonnen Steinen“, bei denen in den umliegenden Straßen Container und Fahrzeuge durchquert wurden, um dem Vormarsch der Polizei auszuweichen. Bei keinem dieser Ereignisse waren es eingeschleuste Polizisten, die für Unruhe sorgten.

Ende 2023, wenige Tage vor den Wahlen, kam es während einer Anti-Wahl-Aktion zu Repressionen im Stadtzentrum von Buenos Aires. Die Polizisten töteten mehrere Menschen, darunter auch Facundo Morales. Facundo starb, als ein „Beamter“ sein ganzes Gewicht auf ihn legte. Es ist schwierig, eine solche Aktion anders als Mord zu bezeichnen; Facundo hat sein Leben nicht verloren, es wurde ihm von staatlichen Kräften genommen.

Einen Tag nach seinem Tod griff eine kleine Gruppe bei einer Kundgebung zu diesem Fall die Überwachungszentrale der Stadtpolizei an. Einige Medien wie Página12 (immer Página) behaupteten, es handele sich um Eingeschleuste/Spitzel; das war nicht der Fall. Es ist merkwürdig, dass selbst in einer Situation wie dieser die automatische Antwort lautet, dass es sich um Eingeschleuste/Spitzelvhandeln muss. Der Schmerz und die Wut, die ein solches Ereignis auslösen kann, werden nicht berücksichtigt.

Aber es überrascht nicht, dass sich diese Geschichte über Eingeschleuste/Spitzel 2017 großer Beliebtheit erfreute, als ein anarchistischer Gefährte getötet wurde. Jede Aktion für das Erscheinen von Santiago Maldonado wurde mit der Antwort beantwortet, dass sie von Eingeschleuste/Spitzel verübt worden sein muss. Es passte nicht in die nationale und populäre Vorstellung, dass es Menschen gab, die nicht die Absicht hatten, aus dem Tod Politik zu machen.

Einen Monat nach Lechus Verschwinden veröffentlichte La Izquierda Diario Folgendes: „Obwohl wir nicht daran zweifeln, dass es im ganzen Land junge Menschen gibt, die ihrer Wut auf die Polizei Luft machen wollen, lässt die plötzliche Existenz von koordinierten ‚Anschlägen‘ im ganzen Land in den letzten Wochen den Verdacht aufkommen, dass es sich zumindest um eine provokative Aktion der Regierung und der Geheimdienste handelt“.

Zur Klarstellung für dieses Medienunternehmen: Es gab nicht nur Anschläge im ganzen Land, sondern auch in mehreren anderen Ländern. Nur einen Monat später griff eine große Zahl anarchistischer Gefährtinnen und Gefährten die argentinische Botschaft in Chile an. Die anarchistische Solidarität und der gemeinsame Schmerz kennen keine Grenzen.

Wir können nicht vergessen, dass der Abgeordnete Leopoldo Moreau ein Foto hochhielt und unverhohlen über eine Gruppe von Menschen log, die „alle schwarz gekleidet waren, um so zu tun, als seien sie Anarchisten“, sie als Polizisten bezeichnete und Namen erfand. Wir vergessen auch nicht die erbärmliche Vorstellung der PTS, als sie die Zäune um die Kathedrale vor der Plaza de Mayo umstellten, um die Polizei vor Feuer und Steinen zu schützen. Währenddessen wartete die Leiche von Lechu in einer Leichenhalle.

Die Ordnung

Jeden Tag, jede Stunde gibt es eine Agenda, die sich von der einen oder anderen Seite der Politik aufdrängen will. Jeder Ausschnitt der Realität wird so interpretiert, dass er dem einen oder anderen Sektor passt. Heute versucht die Linke, die so sehr auf gesellschaftliche Bestätigung angewiesen ist, mit allen Mitteln, sich als demokratische und friedliche Bewegung zu präsentieren. Gleichzeitig sprechen sie zusammen mit den fortschrittlichen1 Peronisten davon, dass Milei „die“ Diktatur ist, dass er rausgeworfen werden muss und sie füllen ihre Münder mit kämpferischen Reden. Worte.

Manchmal fragen wir uns, wie es während der letzten Militärdiktatur so viel zivile Komplizenschaft geben konnte, aber hier sehen wir deutlich die Handlungen von Gruppen, die nach ihren eigenen Vermutungen definieren, wer schuldig und wer unschuldig ist. Von allen Seiten des Spektrums wird immer wieder die Inhaftierung von „Kriminellen“ gefordert, sei es von Eduardo Feinmann oder von Revista Cítrica. Beide fordern die Verhaftung derjenigen, die ein Auto angezündet oder einen Aufstand verursacht haben. Es gibt keinen Riss in dieser Ode an Recht und Ordnung.

Das war nicht immer so. Wir haben Seite an Seite mit vielen militanten Linken gestanden. Wir haben die Bullen in Schach gehalten, Sit-ins an Arbeitsplätzen abgehalten und auf Freiheit außerhalb und innerhalb von Polizeistationen gehofft. Heute scheinen sie auf das Spiel der Netzwerke und Petitionen zu setzen. Mit dem Unterschreiben von Petitionen wurde noch nie etwas erreicht. Man würde sie nicht als Errungenschaften bezeichnen, wenn die Macht Rechte verschenken würde, indem sie auf nette Weise darum bittet; jede Verbesserung in unserem Leben ist das Ergebnis eines direkten Konflikts mit denen, die alles haben und nicht einmal das Minimum abgeben wollen.

Aber wir verstehen, dass nichts nur schwarz und weiß ist; es gibt Grautöne, und in diesen Grautönen leben wir die meiste Zeit. Wir sagen nicht, wie die Dinge sein sollten, wir haben keine Rezepte und wir erwarten auch nicht, dass wir mit diesen Worten eine gemeinsame Vision davon haben, was möglich ist oder nicht. Jeder Moment ist besonders und erfordert seine eigene Analyse. Es ist gültig zu sagen, dass „das Spiel gespielt wird“, „es funktioniert“ oder dass „es nicht vereinbart wurde“; alle Argumente sind gültig. Was nicht unwidersprochen bleiben darf, ist die Anschuldigung, dass die Menschen Polizisten sind. Was passiert, wenn die Polizei vorrückt, provoziert und angreift, liegt nicht in den Händen von politischen oder sozialen Organisationen und schon gar nicht in den Händen von Anarchistinnen und Anarchisten. Es ist einfach nur die Menschlichkeit, die an die Oberfläche kommt und sich selbst verteidigt, wie es in jeder Epoche der Geschichte geschehen ist.

Der Knast

Bei jeder Mobilisierung gibt es Polizisten in Zivil, die nachrichtendienstlich tätig sind, Menschen kennzeichnen und Fotos machen, die sie in ihren WhatsApp-Gruppen teilen, um zu berichten, was an den Orten passiert, an die die Uniformierten nicht herankommen. Das ist etwas ganz anderes als das, was man unter einem „agent provocateur“ versteht, also jemandem, dessen einzige Aufgabe es ist, Konflikte zu provozieren, um Repression zu rechtfertigen. Die Realität in diesen Ländern ist, dass solche Strategien wenig nützen. Es gibt Gruppen, die bereit sind, „zu stochern und zu schubsen“, aber es gibt auch wenig Toleranz für Polizeieinsätze. Ob das nun gut, schlecht, besser oder schlechter ist, ist unerheblich; der Punkt ist, dass die Realität zumindest ein wenig eine Rolle spielen sollte, wenn es darum geht, zu reden, denn in Zukunft wird es mehr Repression, mehr Menschen im Gefängnis und längere Strafen geben.

Hier geht es nicht um die Frage, ob Gewalt angewendet werden soll oder nicht, sondern um die Einsicht, dass Methoden der Selbstverteidigung wie Kapuzen, Barrikaden, Steine und Stöcke, die einen Rückzug ermöglichen, Werkzeuge sind, die nicht ohne eine ernsthafte Debatte darüber weggeworfen werden können, wann sie notwendig sind. Diese Mittel zu verunglimpfen und sie als Aktionen des Staates abzutun, gefährdet die Freiheit und das Leben der Demonstrierenden.

Die Realität ist, dass die Polizei keine Vorwände braucht, um Menschen zu unterdrücken oder festzunehmen. Die Unschuld, die Ausbildung, der Beruf usw. der Festgenommenen spielen nur dann eine Rolle, wenn es darum geht, ihre Herkunft zu beweisen oder eine Bewährung auszuhandeln. Wenn wir uns so sehr auf die Tatsache konzentrieren, dass die Festgenommenen gute Argentinier sind, rechtfertigen wir am Ende, wer ins Gefängnis gehört. Uns interessiert weder der Grad der Schuld oder Unschuld der einzelnen Personen, noch ihre Universitätsabschlüsse oder wie gut sie für die Gesellschaft sind. Wir wollen ihre Freiheit.

Ungeachtet dessen, was Journalisten und digitale Besserwisser sagen, werden vermummte Menschen wie die, die der fortschrittlichen Staatsbürger gerne als „Eingeschleuste/Spitzel“ bezeichnet, inhaftiert. Einige von ihnen verbringen eine lange Zeit in diesen Folterzentren, die wir Gefängnisse nennen, vergessen von der Mehrheit des „populären Lagers“ , die zu der Zeit vielleicht ihre Freiheit gefordert hat. Wenn die Kameras ausgeschaltet werden und die Sender über andere Dinge sprechen, hören die Gefangenen auf, politisch zu dienen. Deshalb verstehen wir, was die Familien, Freunde und Nahestehenden der Inhaftierten durchmachen. Es ist wichtig, Solidarität zu organisieren, zu kämpfen und nach Formen des Widerstands gegen eine neue Periode des Elends zu suchen, die kommen wird. Diese Regierung hat keine Angst zu handeln, sie hat keine Angst davor, ihr politisches Kapital auf jede Bewegung zu setzen und sie gewinnt viel mehr, als sie verliert, wenn sie Knüppel und Gefängnisstrafen verteilt. Dass es Teile der Opposition gibt, die lieber Wahnsinn vortäuschen und Menschen beschuldigen, unterwandert zu sein, weil sie nicht ihrer Linie folgen, kann ein Weg ohne Wiederkehr sein.

Das liegt nicht in unserer Hand und auch nicht in der Hand von irgendjemand anderem. Das Leben, die Rebellion, findet immer einen Weg. Wie Marcelo Villarroel, ein Gefährte, der immer noch als Geisel in einem Gefängnis auf der anderen Seite der Anden festgehalten wird, sagte: „Solange es Elend gibt, wird es Rebellion geben“.


1A.d.Ü., hier handelt es sich um den Begriff progre, eine Abkürzung von progresista, was eine fortschrittliche Person oder Fortschrittlicher bedeutet. In anarchistischen Kreisen wird dieser Begriff meistens in einer pejorativen Form verwendet.

]]> (Mauvais Sang) Wie man so schön sagt: Schlechte Zeiten für Revolutionäre! https://panopticon.blackblogs.org/2024/06/26/mauvais-sang-wie-man-so-schoen-sagt-schlechte-zeiten-fuer-revolutionaere/ Wed, 26 Jun 2024 10:52:29 +0000 https://panopticon.blackblogs.org/?p=5907 Continue reading ]]> Gefunden auf mauvais sang Nr. 8, die Übersetzung ist von uns.


(Mauvais Sang) Wie man so schön sagt: Schlechte Zeiten für Revolutionäre!

Die gegenwärtige Zeit hinterlässt in der Tat einen düsteren Geschmack im Mund der Antiautoritären, denn die reaktionären Offensiven häufen sich und ein großer Teil der subversiven Bereiche hält sich an den Diskurs der Linken, die wie immer versucht, ihre Chancen zu maximieren, die nächsten zu sein, die uns kontrollieren.

Der Staat, seine Polizei und seine Grenzen produzieren hier wie anderswo mechanisch weiter ihren Anteil an Toten, Repression und verzweifelten Menschen. In Großbritannien wurde das Gesetz ratifiziert, das den Staat ermächtigt, alle illegalen Einwanderer, egal woher sie kommen, nach Ruanda abzuschieben, wo sie einen finanziellen Ausgleich erhalten. Ein erster Mann wurde ein paar Tage später nach Kigali geschickt und die Regierung plant, bis Ende des Jahres 5.700 bereits identifizierte Personen auszuweisen.

In Frankreich war es im vergangenen März Wanys, ein 18-Jähriger aus La Courneuve, der starb, nachdem er von einem Polizeiauto angefahren worden war, nachdem er sich geweigert hatte, sich zu fügen. Das erinnert traurig an die Ermordung von Nahel im vergangenen Juni durch die Bullen, die eine Welle von Ausschreitungen im Land ausgelöst hatte. Wenige Tage nach dem Mord an Wanys wurde die Polizeistation von La Courneuve mutig von Rebellen gestürmt. Solidarität mit den Verhafteten dieser Nacht. Solidarität auch mit denjenigen, die heute in Neukaledonien gegen den französischen Staat, seine vom Festland entsandten Bullen und Soldaten und die Neo-Siedlermilizen revoltieren.

Im Rahmen einer langfristigen Strategie des Staates gegen Revolten wie die vom letzten Juni oder die Blockaden der Bewegung gegen die Rentenreform hat die Regierung ihren Plan „Rechte und Pflichten“ angekündigt: WIG für Minderjährige, Disziplinarrat in Grundschulen, Internate, Entwicklung der Strafbarkeit von Minderjährigen, Registrierung von Anfechtungen der Autorität der Schule auf Parcoursup usw. Das Ziel ist klar: Wir müssen die Jugendlichen so schnell wie möglich dazu zwingen, sich in die langweilige Welt der Arbeit, der Disziplin und des Bürgersinns zu integrieren. Und dafür darf kein noch so kleiner Freiraum verloren gehen, der in den Köpfen der zukünftigen „Arbeiterinnen und Arbeiter der Nation“ Träume von Emanzipation wecken könnte. Dieser Wunsch geht Hand in Hand mit dem anderen großen Projekt der Regierung, dem zukünftigen Vollbeschäftigungsgesetz, von dem der Staat glaubt, dass er es in aller Ruhe und ohne Auseinandersetzungen verkünden kann: Wie können wir diese Analyse anfechten? Die Linke und die radikalen Kreise scheinen so sehr auf Arbeit ausgerichtet und bereit zu sein, die Prekären, die Träumer und die Faulen zu treffen, dass wir es ihnen nicht verdenken können.

Währenddessen ruft die Linke zu ihrem traditionellen Wahlzirkus auf, dieses Mal zu den Europawahlen, und brandmarkt die ewige Bedrohung durch die extreme Rechte. Wenn letztere und die Reaktion im Allgemeinen in dieser Gesellschaft voranschreiten, wie die Verharmlosung fremdenfeindlicher und rassistischer Äußerungen oder der Anstieg der Anti-Trans-Offensive zeigen, haben Wahlen und demokratische Souveränität es noch nie ermöglicht, die extreme Rechte zu bekämpfen, sie könnten ihr sogar sehr wohl Macht verleihen!

Die Parteien sind mit ihrem Vorhaben nicht allein: Ein ganzer Teil der außerparlamentarischen Linken, von den Gewerkschaften über die leninistischen Dekolonialisten bis hin zu den unsichtbaren Ökologen, fungiert als Besenstiel für die Linke, indem sie die Union Sacrée (Heilige Vereinigung) der Zusammensetzung um die Insoumis befürwortet, die zwischen zwei oder drei antisemitischen oder pro-Assad-Ausflügen und dem gleichzeitigen Ausnutzen der Gazaner, um die sie sich sicher einen Dreck scheren, insgeheim nicht einmal im Traum daran denken, ihrerseits das zu schaffen, wogegen ihre radikalen Werber angeblich kämpfen: den Staat mit seiner Polizei, seinen Gefängnissen, seinen Gerichten, seinen Grenzen und seinen öffentlichen Arbeitsverwaltungen wie France Travail.

Lassen wir uns nicht von Autoritären aller Couleur täuschen, deren einzige Worte „Ordnung“, „Arbeit“, „Heimat“ und „Strategie“ sind. Lassen wir uns nicht von denen täuschen, die uns glauben machen wollen, dass die Bevölkerungen weise und einmütig die Entscheidungen ihrer Staaten unterstützen, ohne die Komplexität der Welt und ihrer Revolten zu begreifen, und sich damit auf die Seite der Staaten schlagen, die sich freuen, wenn ihre Erzählungen ohne Reflexion geschluckt und ausgespuckt werden. Lasst uns nicht in die Arme derer fallen, die unsere Wut und unsere Hoffnungen ausnutzen, um einen Platz im Rampenlicht zu ergattern, in Ministerien oder Parlamenten, die noch nie jemandem auf dieser Erde die Emanzipation gebracht haben.

Eine Nummer 8, um ein wenig böses Blut in die Adern dieser Welt zu träufeln, die nach Autorität, Nation, Arbeitswut und Disziplin stinkt.

Es ist möglich, uns per E-Mail zu kontaktieren, sei es, um einen Streit zu beginnen, Fragen zu stellen oder andere Beiträge zu leisten. Wir können uns auch mit dir in Verbindung setzen, sei es, um einen Streitfall anzufangen, Fragen zu stellen oder andere Beiträge zu leisten.

Des enfants bâtards de l’anarchisme et du communisme – Bastardkinder des Anarchismus und des Kommunismus.

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[Frankreich] Lassen wir ihnen die Wahlurnen, lasst uns die Straßen nehmen! https://panopticon.blackblogs.org/2024/06/21/frankreich-lassen-wir-ihnen-die-wahlurnen-lasst-uns-die-strassen-nehmen/ Fri, 21 Jun 2024 15:46:33 +0000 https://panopticon.blackblogs.org/?p=5900 Continue reading ]]>

Gefunden hier, die Übersetzung ist von uns.


[Frankreich] Lassen wir ihnen die Wahlurnen, lasst uns die Straßen nehmen!

Lasst uns diese demokratische Farce ablehnen, die uns vorgaukelt, dass der Staat die Lösung für unsere Probleme ist, während er in Wirklichkeit das Problem ist, das zerstört werden muss!

Lasst uns den rechtsextremen Nationalismus und den linken Nationalismus ablehnen.
Lasst uns diese Wahlen ablehnen. Greifen wir sie an.

Versammlung am Dienstag, den 18. Juni um 18.30 Uhr im Impasse

Tausende von uns gingen am Montag, den 10. Juni, in Toulouse auf die Straße, riefen ihren Hass „auf den Staat, die Polizei und die Faschisten“. Das Tränengas hielt uns auf und wir stellten uns der Polizei entgegen, einige von uns griffen Symbole der Macht an.

Währenddessen wollen uns andere glauben machen, dass Wählen Kämpfen bedeutet, und sie erzählen uns seit mehr als 20 Jahren die gleiche alte Geschichte: Wähle den Block der Mitte (links oder rechts) oder die extreme Rechte wird an der Macht sein. Wie seine Vorgänger setzt auch Macron auf diese Strategie.

Einmal an der Macht, haben diese Blöcke nie aufgehört, die Maßnahmen und Ideen der extremen Rechten zu übernehmen. So sehr, dass Macron in vielen Fragen eindeutig den Stil von Le Pen übernommen hat. Das ist natürlich eine Wahlkampfstrategie mit einer verrückten Idee: Wir werden ihre Wählerinnen und Wähler gewinnen, indem wir das Programm der extremen Rechten umsetzen. Natürlich wird der gegenteilige Effekt erzielt: Die Umsetzung des Programms der extremen Rechten legitimiert ihre Vorschläge, verharmlost ihre Rhetorik und ebnet den Weg für ihren Aufstieg an die Macht.

Aber wir dürfen nicht vergessen, dass es sich nicht um eine nationale, sondern um eine globale Situation handelt.

Überall auf der Welt verschärft sich die Lage: Die Mächte verschanzen sich hinter einer autoritären Politik, die das Ausbeutungsniveau drastisch erhöht (Kürzung von Löhnen und Gehältern, Arbeitslosigkeit, Renten, Gesundheitsleistungen, Preissteigerungen usw.), den Planeten auseinanderreißt und gleichzeitig die Repression gegen soziale Bewegungen und lokale Kämpfe verstärkt. Und das alles, während sie die Bedingungen ihres globalen Wettbewerbs durch Kriege neu aushandeln.

In diesem Kontext sind Nationalismus, Patriotismus, die Repression sozialer Kämpfe und der radikalen Kritik eine Notwendigkeit für Staaten, und der Aufstieg der extremen Rechten ist eine offensichtliche Folge. Sie wird von immer mehr nationalen Bourgeoisien auf der ganzen Welt angeführt und gefördert (USA, Brasilien, Indien, Italien, Ungarn…).

Aber auch der Vorschlag der Volksfront ist ein nationalistischer Vorschlag. Die von der Linken vorgeschlagenen Lösungen sind immer Lösungen, die den Staat, also die Nation, einbeziehen. Deshalb führt sie uns immer dazu, innerhalb unserer Grenzen zu bleiben, wie alle politischen Boutiquen. Deshalb zieht die SP ganz klar in den Krieg, während die LFI sich mit der Ausnahmestellung Frankreichs als Atommacht auf der internationalen Bühne brüstet. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass diese verschiedenen Tendenzen überall auf der Welt, wo sie an der Macht sind, an der Umsetzung der vom Kapital geforderten Politik mitwirken. Die Griechen haben mit Syriza den Preis dafür bezahlt. Aber wir sollten nicht vergessen, dass es die SP war, die das Arbeitsgesetz und die Schaffung von Gefängnissen für Ausländer (CRA) durchgesetzt hat. Und mit ihren Appellen zur Ruhe bei den Demonstrationen sind wir diejenigen, die geschädigt wurden.

Dieselbe Linke, die uns jetzt eine bessere und antifaschistische Zukunft zu verkaufen versucht, ist dieselbe, die morgen die für die Kriegsanstrengungen notwendigen Sparmaßnahmen durchsetzen und die Interessen des französischen Staates verteidigen wird, den sie vertreten wird.

Auf der anderen Seite gibt es eine andere Perspektive: die der Autonomie und der Revolution! Denn nur, wenn wir den Staat und seine Strukturen sowie die beschissenen Bedingungen, die der Kapitalismus für uns bereithält, angreifen, können wir uns ihm konkret entgegenstellen, indem wir die Grenzen und den damit verbundenen Nationalismus sprengen!

Lasst uns also gemeinsam diese demokratische Farce ablehnen, die uns weismachen will, dass der Staat die Lösung für unsere Probleme ist, während er in Wirklichkeit das Problem ist, das es zu zerstören gilt! Lasst uns diese politische Messe ablehnen, die angesichts der Situation eine Farce ist. Lasst uns das Mandat ablehnen, uns schuldig zu fühlen, weil wir nicht wählen gehen. Genau jetzt: Lasst uns den rechtsextremen Nationalismus und den linken Nationalismus ablehnen. Lasst uns diese Wahlen ablehnen. Greifen wir sie an. Organisieren wir uns gegen den Staat, in all seinen Formen und in all seinen Verkleidungen.

Deshalb schlagen wir vor, uns am Dienstag, den 18. Juni um 18:30 Uhr im l’impasse (1 impasse lapujade, Bezirk Bonnefoy) zu treffen, um zu überlegen, wie wir uns gegen diese Wahlen organisieren können.

Gegen Wahlen und Nationen: Revolution!

Assemblée Action AutonomeVollversammlung Autonomer Aktion

]]> (oveja negra) „1984“ IST HEUTE https://panopticon.blackblogs.org/2024/06/03/oveja-negra-1984-ist-heute/ Mon, 03 Jun 2024 17:08:27 +0000 https://panopticon.blackblogs.org/?p=5866 Continue reading ]]>

Gefunden auf oveja negra, die Übersetzung ist von uns.

Mittwoch, 7. februar 2024

1984“ IST HEUTE

Heute vor vierzig Jahren wurde das dystopische Szenario, das George Orwell in seinem berühmten Roman „1984“ entwickelte, der 1948 geschrieben und im folgenden Jahr veröffentlicht wurde, auf den Tag genau festgelegt. Big Brother läuft gerade im Fernsehen, aber das ist nicht der einzige Aspekt seiner Aktualität.

Es ist nicht originell, diese Gesellschaft als „Orwellianisch“ zu bezeichnen und dem Autor zu Unrecht die Schuld an dieser Situation zu geben: Die Ernährung und die Lebensqualität werden immer schlechter, es herrscht Individualismus, die einen arbeiten, um zu überleben, während die anderen zu einer völlig überflüssigen Bevölkerung werden (die „Proles“ des Romans), Informationen werden manipuliert, Krieg ist an der Tagesordnung, ebenso wie Zwang, Überwachung und Repression.

Das Beunruhigende an 1984 ist, dass zu dem gewaltsamen, äußeren Zwang die Verinnerlichung dieses Zwanges hinzukommt. Kontrollgesellschaft und Disziplinargesellschaft. Sich selbst regulierende Menschen, die von sich selbst im Namen von Gesetzen unterdrückt werden, die sie nicht kontrollieren und die sich gegen ihr Leben wenden. Sie sollen produktiv, effizient und gehorsam sein. Alle gegen alle, und alle für die Partei im Falle des Romans, für das Kapital in unserem. Heute ist die „Gedankenpolizei“ die Verinnerlichung der Disziplin, die sich aus den demokratischen Beziehungen und den Warenbeziehungen ergibt und die effektiver arbeitet als alle Bullen, Spione und Medienkonzerne zusammen. Das totalitäre Regime ist heute die kapitalistische Produktionsweise.

Das Kapital macht jeden seiner Diener zu einem Funktionär der verallgemeinerten Lüge zugunsten der Partei der Ordnung. Das heißt, der Bourgeoisie, die als Klasse gegen das Proletariat auftritt, trotz ihrer eigenen rücksichtslosen internen Konkurrenz, die nur der Treibstoff ist, der sie am Laufen hält.

Die Slogans der Partei in 1984 lauten: „Krieg ist Frieden; Freiheit ist Sklaverei; Unwissenheit ist Stärke“, erklärt O’Brien, ein fanatisches Parteimitglied, dem Protagonisten Winston Smith. Beide arbeiten im Wahrheitsministerium, wo sie historische Dokumente aller Art (Fotos, Bücher und Zeitungen) manipulieren oder zerstören, damit die neuen „Beweise“ der Vergangenheit mit der offiziellen, vom Staat aufrechterhaltenen Geschichtsversion übereinstimmen. Die übrigen Ministerien werden auf dieselbe Weise ernannt. Das Ministerium für Liebe ist für die Verhängung von Strafen, Folter und Umerziehung von Ungehorsamen zuständig. Das Ministerium für Frieden ist für die Kriegsangelegenheiten zuständig. Das Ministerium des Überflusses ist für die Planwirtschaft mit strenger Rationierung zuständig. Vor kurzem wurde in Argentinien das Ministerium für Humankapital ins Leben gerufen, mit der apologetischen Aufrichtigkeit, die diesen extremen Liberalismus kennzeichnet. Obwohl in Wahrheit die Mehrheit der Menschheit über keinerlei Kapital verfügt und wir nur Besitzer der Ware Arbeitskraft sind. Weitere „Orwellsche“ paradoxe Euphemismen, wie das denkwürdige venezolanische Vizeministerium für das Höchste Soziale Glück des Volkes, haben sich der bourgeoisen Chuzpe entgegengestellt.

Krieg ist Frieden

„Israel ist der einzige jüdische Staat der Welt und die einzige Demokratie in der Region, ein Leuchtfeuer universeller menschlicher Werte und ziviler Freiheiten in einer gewalttätigen Nachbarschaft. Israel strebt nach Frieden mit all seinen Nachbarn und hat mit einigen arabischen und muslimischen Ländern eine friedliche Koexistenz und gedeihliche Partnerschaften erreicht.“ (Israelischer Botschafter in Kolumbien, November 2023)

In Orwells Roman befinden sich die drei großen existierenden Staaten im Krieg. Unbestimmt sind immer zwei Nationen gegeneinander verbündet. Wenn Ozeanien den Verbündeten wechselt, ändert die Regierung die Aufzeichnungen der Vergangenheit, um den Anschein zu erwecken, dass ihr aktueller Verbündeter immer derselbe gewesen ist. Keine der beiden Nationen strebt den Sieg an und möchte, dass der Krieg endet, da das Ziel des Krieges darin besteht, die Menschen arm und unwissend zu halten und ihren Hass gegen fremde Länder zu richten. Ein weiteres Ziel des Krieges ist die Aufrechterhaltung einer reichhaltigen Waffenproduktion inmitten der Produktion von Nahrungsmittelersatzstoffen und der Entfremdung der Freizeit.

In unserer Welt ist es keine Lüge, dass Krieg Frieden ist und Frieden Krieg ist. Das eine gibt es nicht ohne das andere. Wie Clausewitz berühmt zitierte: „Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“.

Wenn Krieg die Anwendung von Gewalt ist, um politische und ökonomische Ziele gewaltsam durchzusetzen, dann ist Krieg auch Ökonomie „mit anderen Mitteln“. Heute sind die einzelnen Kriege Vertiefungen des permanenten Krieges, den wir Frieden nennen. Es ist so einfach und so traurig, wenn man sich die Zahl der Toten in der Welt im Krieg und in Zeiten des sozialen Friedens ansieht: Hunderttausende von Toten durch Bomben, Hunger, Krankheiten und Selbstmord.

Und wenn Krieg der Interessenkonflikt zwischen einem Sektor und einem anderen ist, in dem einige wenige ihre Leute in den Tod schicken, um die Profite zu erhalten, dann ist die kapitalistische Produktionsweise Krieg. Das ist es, was wir Frieden nennen.

In 1984 sagt eine Figur namens Syme: „Die Proleten sind keine Menschen“, so wie heute die Verteidiger des israelischen Staates gegen die palästinensische Bevölkerung sagen.

Freiheit ist Sklaverei

„Viva la libertad, carajo.“ (Javier Milei)

Milei sagte, dass es die „Freiheit zu verhungern“ gibt, weil wir alle frei sind, zu tun, was wir wollen. Zunächst einmal gibt es nicht für alle die Möglichkeit, einer bezahlten Arbeit nachzugehen, oder sie findet oft unter erbärmlichen Ausbeutungsbedingungen statt, so dass es kaum eine Wahl gibt. Interessant ist jedoch, dass Milei mit brutaler Klarheit die Bedeutung der Freiheit in der kapitalistischen Produktionsweise darlegt.

Jenseits des Pessimismus, den Orwell erweckt, geht es uns darum, den Begriff der Freiheit in dieser kapitalistischen Gesellschaft zu verdeutlichen. Und auch daran zu denken, dass dieses Wort, in einem Akt der Kriminalität, historisch von Revolutionären angeeignet wurde, um den Status quo in den letzten Jahrhunderten zu brechen. Dazu werden wir auf das Buch zurückgreifen, das wir vor kurzem geschrieben und veröffentlicht haben: Contra el liberalismo y sus falsos críticos (Lazo Ediciones, 2023):

Unternehmensfreiheit, freier Handel, freier Markt, Pressefreiheit, Religionsfreiheit, Gewerkschaftsfreiheit. „Freiheit, Freiheit, Freiheit“ lautet die Nationalhymne Argentiniens, dieses auf Massakern und Enteignung aufgebauten Staates.

Die Apostel der Freiheit wollen vor allem die kapitalistische Welt der Ökonomie und die Ketten der Lohnabhängigen aufrechterhalten. Die anonymen Ausbeuter von Orwells Welt lassen ihre Sklaven schreien: „Freiheit ist Sklaverei“, während die Realität diese zweideutige Fiktion längst überholt hat. „Arbeit macht frei“ stand auf den Toren der NS-Zwangsarbeitslager.

Unwissenheit ist Stärke

„Wenn die Partei in die Vergangenheit greifen und sagen konnte, dass dieses oder jenes Ereignis nie stattgefunden hatte, war das weitaus schrecklicher als Folter und Tod (…) Und wenn alle anderen die von der Partei auferlegte Lüge akzeptierten, wenn alle Zeugenaussagen dasselbe sagten, dann wurde die Lüge zur Geschichte und zur Wahrheit“. (George Orwell, 1984)

Das Wort des Jahres 2016 von Oxford Dictionaries war „post-truth“, also Post-Wahrheit. Dieser Neologismus beschreibt die Situation, in der bei der Bildung und Gestaltung der öffentlichen Meinung objektive Fakten weniger Einfluss haben als Appelle an Gefühle und persönliche Überzeugungen. Es geht nicht um die traditionelle Fälschung von Fakten, sondern darum, ihnen eine untergeordnete Bedeutung zu geben.

Selbst in diesem Unglück wird uns gesagt, dass wir in der besten aller Welten leben, oder zumindest in der einzig möglichen: „Die Veränderung der Vergangenheit ist notwendig (…) das Parteimitglied, genau wie der Proletarier, toleriert die gegenwärtigen Lebensbedingungen, hauptsächlich weil er nichts hat, womit er sie vergleichen könnte“.

Milei wies kürzlich darauf hin, dass „dies das Erbe ist, das sie hinterlassen: eine geplante Inflation von 15.000% pro Jahr, die wir mit allen Mitteln bekämpfen werden“ und fügte hinzu, dass „diese Zahl, so verrückt sie auch erscheinen mag, eine Inflation von 52% pro Monat bedeutet“. Eine Inflation von 30 % pro Monat wie im Januar scheint also weniger brutal zu sein als die Zahlen des Ministeriums für Wahrheit. Heute spielen sie mit der Verwirrung, früher hat INDEC Zahlen erfunden.

„Das Merkwürdigste war – dachte Winston, als er die Zahlen des Ministeriums für Überfluss korrigierte – dass es sich nicht einmal um eine Fälschung handelte. Es handelte sich lediglich um die Ersetzung einer Art von Unsinn durch eine andere. (…) Die Statistiken waren in ihrer ursprünglichen Fassung ebenso fantastisch wie in der korrigierten Version (…) Die Prognosen des Überflussministeriums schätzten beispielsweise die Stiefelproduktion für das kommende Quartal auf einhundertfünfundvierzig Millionen Paar. Die tatsächliche Menge betrug zweiundsechzig Millionen Paare. Das ist die offiziell angegebene Menge. Winston änderte nun jedoch die „Vorhersage“ und senkte die Menge auf siebenundfünfzig Millionen, so dass die übliche Erklärung, die Produktion sei überschritten worden, möglich war. Auf jeden Fall waren zweiundsechzig Millionen nicht näher an der Wahrheit als siebenundfünfzig Millionen oder einhundertfünfundvierzig Millionen. Höchstwahrscheinlich waren überhaupt keine Stiefel produziert worden. Niemand wusste letztlich, wie viel produziert worden war, und niemand kümmerte sich darum. Sicher war nur, dass jedes Quartal astronomische Mengen an Stiefeln auf dem Papier produziert wurden, während die Hälfte der Bevölkerung Ozeaniens barfuß lief. Und das Gleiche galt für alle anderen Daten, die aufgezeichnet wurden, ob wichtig oder unwichtig. Alles löste sich in eine Schattenwelt auf, in der sogar das Datum des Jahres ungewiss war“.

Die Kraft der Unwissenheit besteht nicht nur in der Delegation und dem Verschwinden von lebensnotwendigem Wissen, sondern auch im ständigen Rückgang der kritischen Intelligenz. Das heißt, die Fähigkeit, die Zeit, in der wir leben, und die aktuellen Bedingungen für ihre Umgestaltung zu verstehen. Orwell schrieb in seinem Kriegstagebuch: „Wenn Leute wie wir die Situation besser verstehen als die so genannten Experten, dann nicht, weil sie bestimmte Ereignisse vorhersagen können, sondern weil sie die Art der Welt, in der wir leben, wahrnehmen können.“

Es liegt an uns, nicht damit zu enden, dass „2+2=5“ behauptet wird, wenn die Partei es verlangt. Dass wir den Kampf nicht beenden, dass wir uns nicht selbst besiegen. Den Großen Bruder nicht zu lieben.

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Einleitung zur deutschen Übersetzung

Dieses Pamphlet wurde aus dem Englischen übersetzt, aus der Motivation heraus, dass sofern mir bekannt weder Originalliteratur von oder andere Texte zu den Totengräbern in deutscher Sprache bestehen. Vor allem die Texte von Os Cangaceiros selbst können einen wichtigen Beitrag zum Diskurs innerhalb der anarchistischen Milieus geben, da sie sehr bestimmt jeglicher offiziellen Struktur und jeder Organisation absagen und der Politik bzw. Gesellschaft den Kampf ansagen. Os Canagceiros haben sich nicht als Anarchisten bezeichnet und jeglichem politischen Couleur abgeschworen, in ihren Aktionen und Texten können sich aber durchaus viele Anarchisten erkennen. Sie folgten einem Bedürfnis der Aufständigkeit und Delinquenz, basierend auf ihren individuellen Erfahrungen und ließen sich weder durch politische Bildung, moralische Dogmen oder andere Ideologien beeinflussen. Ihr Kampf gegen das Gefängnis, inspiriert durch eben jene Erfahrungen, war vielfältig und angreifend und machte sie so innerhalb von einigen Jahren zum öffentlichen inneren Feind des französischen Staates.

Der erste Teil dieses Pamphlets besteht aus einem kurzen enzyklopädischen Beitrag zur Entstehung und Entwicklung von Os Cangaceiros, sowie einer Chronologie und Exzerpten ihres Kampfes gegen das Gefängnis.1

Der zweite Teil enthält einige kurze einleitende Absätze und einen reflektorischen Kommentar2 aus dem Jahr 1995 von Leopold Roc, einem Protagonisten der Totengräber. Wie Roc selbst anmerkt kann dieser nicht als stellvertretend für die restlichen Protagonisten von Os Canagceiros angesehen werden und auch ich teile seine Analysen nicht vollständig. Dennoch ist dieser Beitrag interessant, vor allem weil er Diskussionen aufwirft, insbesondere wenn man sich mit den Texten die von der Gruppe selbst aus den Jahren ihrer Aktivität stammen auseinandersetzt und aus diesem Grund wird er hier publiziert. Wie bereits erwähnt bestehen diese leider nicht in deutscher Sprache (dies ist ein zukünftiger Ansporn für mich selbst und vielleicht auch für andere), ich will dennoch jedem zwei Publikationen zu den Totengräbern nahe legen: Os Canagceiros – A Crime Called Freedom (Englisch, übersetzt aus dem Italienischen durch Wolfi Landstreicher – Eberhardt Press) und Os Cangaceiros [Janvier 1985 – juin 1987] (Französisch, gesammelte Texte und Artikel von und über O.C. 3)

Ich will abschließend noch zwei kurze Anmerkungen zum „Stil“ der Übersetzung machen, die zum besseren Verständnis der verwendeten Form beitragen und zur Diskussion anregen sollen.

Zum ersten habe ich der Verwendung von geschlechtsneutralen Formen keine Aufmerksamkeit geschenkt. Ich finde es, in erster Instanz, aus eigener Erfahrung heraus mühsam solche Texte zu lesen, das sei eine sehr praktische und einfache Erklärung, wodurch sie aber für mich nicht an Wichtigkeit verliert. Dies war auch der Anstoß zu einer etwas tiefergehenden Überlegung. Diesem, meines Erachtens, oberflächlichen Detail wird auch innerhalb anarchistischer Milieus (ganz zu schweigen von der alles vereinnahmenden linken Intelligenzia) zuviel Aufmerksamkeit geschenkt. Die Illusion, dass durch das Verändern und Adaptieren der Sprache die oft ersehnte Emanzipation vielleicht ein Stückchen realer wird, passt nur zu gut zur scheinbar intellektuellen Fassade, hinter der sich die Politisch-Korrekte versteckt, um die essentiellen Fragen des revolutionären Projekts zu negieren. Eben jene Fassade ist eine filigrane Konstruktion basierend auf den neuen Regeln und Dogmen der Politisch-Korrekten und ihrer Subkultur. Dahinter befindet sich keine Substanz sondern die Realität der Welt, in der wir leben, die sich in Tristesse und Leere widerspiegelt. Dessen müssen wir uns bewusst werden, um mit aller Ernsthaftigkeit die Gesellschaft und jenes Fundament der Macht und Unterdrückung, das ihr Zugrunde liegt, anzugreifen und letztendlich niederzureißen. Wir sollten deshalb danach streben, uns nicht mit partikulären Kämpfen und Zielen bzw. jeglicher pazifizierender Illusion zufrieden zu geben.

Zum zweiten verwende ich in dieser Übersetzung das Wort Kamerade(n) als direkte Übersetzung des englischen Wortes comrade(s). Leider gibt es im Deutschen kein anderes Wort, das der Bedeutung und des Gefühls dieses entspricht. Viele Alternativen wurden ausprobiert, Gefährten, Kumpanen, Genossen, etc., jedoch vermisse ich in diesen Ausdrücken ein gewisses Gefühl, das meine Bedeutung dafür ausdrückt. Mit der braunen Kameraderie hat dies gar nichts zu tun und mit der Deutlichkeit dieser Aussage will ich mich auch nicht auf eine tiefergehende Erklärung diesbetreffend einlassen.

Mokum, Sommer 2010

Die vernebelte Spur von Os Cangaceiros durch die soziale Pampa

„Wenn wir die Banken plündern, dann deshalb weil wir erkannt haben, dass das Geld der Hauptgrund unser aller Elends ist. Wenn wir die Fenster einschlagen, dann nicht weil das Leben teuer ist, sondern weil die Waren uns davon abhalten, um jeden Preis zu leben. Wenn wir die Maschinen zerstören, dann nicht aus dem Wunsch die Arbeit zu beschützen, sondern um die Lohnsklaverei anzugreifen. Wenn wir die Polizei angreifen, dann nicht um sie aus unseren Vierteln zu jagen, sondern um sie aus unseren Leben zu vertreiben. Das Spektakel würde uns gerne fürchterlich aussehen lassen. Wir versuchen viel schlimmer zu sein.“

Die Totengräber, Paris, Mai 1980

Der Mai wird zu Neujahr

Os Cangaceiros war eine Gruppe von proletarischen Revolutionären, die aus den Studenten- bzw. Arbeiterunruhen und Besetzungen im Frankreich des Mai 1968 hervorging. Os Cangaceiros – oder Les Fossoyeurs du vieux monde (Totengräber der alten Welt), wie sie auch genannt wurden – kamen in Nice, Frankreich, zusammen und waren charakteristisch für die neuen antagonistischen Sozialbewegungen des Europas nach dem Mai `68, die nichts weniger als das „Ende der Politik“ forderten. In Lokalzeitungen wurden sie als „Hooligans“ und „jugendliche Delinquenten“ bezeichnet. Sie hatten keine offizielle Struktur, sondern bildeten ein Kollektiv aus individuellen Begierden, fähig sich in gegenseitigem Ausdruck zu finden. Mit „Ne travaillez, jamais!“4 als Programm, machten sie sich daran jene Umstände zu schaffen, die dies sofort möglich machen würden. Zu diesem Zweck kollektivierten sie ihre Ressourcen und kriminellen Begabungen, die ihnen durch ihr Verlangen nach Abenteuer vertraut waren. Sie reisten durch den Süden Frankreichs, gewannen Freunde und initiierten autonom politische Aktionen; meistens gegen die Polizei, die Gewerkschaftsbürokratie, Politiker und soziale Manager aller Art. Sie lebten nomadisch, strebten danach Orte zu finden, wo die Unzufriedenheit ihren Höhepunkt erreichte und bereisten diese, um Situationen dort im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu verschärfen. Insbesondere versuchten sie die Rolle der liberalen, sozialen Demokraten und Linken beim Manipulieren und Befrieden von jenen aufzuzeigen, die zu ihrem eigenen Nutzen revoltierten, indem sie die Bestimmung des Kampfes aus den Händen der generalisierten Radikalität nahmen, die ihre eigene Dynamik hatte.

„Wir wollen ein für allemal klar machen, dass wir, Os Cangaceiros, nicht aus der Linken kommen; es gibt keinen einzigen ehemaligen Linken unter uns. Keiner von uns hatte jemals etwas mit irgendeiner politischen Couleur zu tun. Wir haben nur eine Art der Beziehung zu politischen Gruppen und Organisationen: Krieg. Sie sind alle ausnahmslos unsere Feinde.“

Dies beinhaltete auch den Anarchismus und ihre Kämpfe mit Anarchisten in Paris, welche zumindest zu einem Todesopfer führten.

Jenseits von Frankreich

In den späten 1970er Jahren reisten sie ausführlich in Italien, wo die Autonomia ihren ersten Höhepunkt erreichte und der revolutionäre Moment die Fabriken und die Jugend der Kontrolle der Kommunistischen Partei und der Gewerkschaften entriss. Dort begegneten sie auch Comontismo, der sich für einen „kriminellen Kampf gegen das Kapital“ aussprach und erlebten aus erster Hand den gewalttätigen Angriff der italienischen Unkontrollierbaren auf den Staat. Da ihre Handlungsmethoden sie häufig in die Illegalität und manchmal auch ins Gefängnis brachten, begriffen sie dessen Bedeutung und richteten ihre Aufmerksamkeit später fühlbarer auf das System von Verbrechen und Strafe. In den 80er Jahren folgten O.C. Aufruhren im ganzen Land bzw. auf dem ganzen Kontinent, verbreiteten Subversion und bildeten soziale Netzwerke in Paris, Lyon, Belgien, Polen, Brixton und Toxteth. Der Reiz, der sie zu diesen Orten zog war unterschiedlich; in Lyon war es der Nervenkitzel des Joyriding und das Auflauern und Angreifen von verfolgenden Polizeiautos durch eine mit Steinen wartenden Menge. In Polen waren es die wilden Streiks und Besetzungen gegen die kommunistische Regierung. In Brixton und Toxteth war es die Explosion der Innenstadtjugend gegen die Langeweile und die Polizeirepression. An jedem dieser Orte führten sie ihre eigenen Aktionen als Beitrag zum Kampf durch, ohne die lokalen Teilnehmer in welcher Weise auch immer zu beeinflussen. In ihrem damaligen Journal, welches keine politische Veröffentlichung, sondern eher eine Zusammenfassung ihrer Aktivitäten und Reflektionen darauf war, behandelten sie Fragen wie zum Bedürfnis an Unsichtbarkeit (und der konsequenten Ablehnung des politischen Milieus, welches die Aufmerksamkeit der Polizei wegen seiner eigenen Eitelkeit geradezu herausfordert) sowie Strategien zur Untergrabung der alten Welt des Kapitalismus mit all seinen Neuigkeiten und Lügen. Im Jahr 1984 gingen O.C. nach England, um dort zusammen mit den Grubenarbeitern ihre eigenen Steine zu werfen und hielten sich ein Jahr lang in verschiedensten Städten in Yorkshire auf; dies war der letzte Kampf der traditionellen Arbeiterklassenbewegung in Großbritannien, dem letzten Land, das dem europäischen Model folgte. Danach kehrten sie nach Paris zurück (zusammen mit mehreren befreundeten Grubenarbeitern) und begannen Häuser zu besetzen.

„Lasst unsere Kerkermeister keine Herrschaft walten, lasst uns jeden Tag auf das Herz des Tigers einschlagen, in jeglicher Manier, nach unserem Gegensatz, gegen die Traurigkeit und Einsamkeit der Zellen unserer Gefangenschaft.“

Vorübergehende Ruhe

Während andere Hausbesetzer versuchten umweltschutzbezogene oder architektonische Argumente zu verwenden, um die Besetzung von leerstehenden, zerfallenen Gebäuden zu rechtfertigen, entschieden sich Os Cangaceiros die besten Gebäude die sie fanden zu nehmen – sie sahen das Häuserbesetzen als direkte Enteignung des materiellen Luxus auf den wir alle ein Anrecht haben, da jeder einzelne von uns ein Leben lang durch die Illusion des materiellen Reichtums aufgereizt wurde. O.C. wollten genau diese Lüge erkennen und ausschöpfen, zu diesem Zweck zogen sie in einen neu gebauten Appartementblock ein und warfen die sich beschwerenden Yuppiebewohner hinaus. Das eingenommene Gebäude wurde dann gegen einen Polizeiangriff verbarrikadiert und sie errichteten eine No-Go Zone für die Polizei in ihrem Viertel. Als die Polizei letztendlich kam, um sie zu räumen, dauerte es drei Stunden bis diese durch die Stahlbarrikaden an der Tür kam, währenddessen ein, per Telefon informiertes, Netzwerk an Unterstützern die Polizei in einem Gegenangriff von hinten attackierte. In den späten 1980er Jahren schlugen O.C. einen neuen Weg ein und begannen ihre Bemühungen gegen die Gefängnisindustrie zu richten. In den nächsten drei Jahren führten sie mehrere Sabotageakte gegen in Bau befindliche Gefängnisse durch, stahlen Baupläne für neue Gefängnisse, verprügelten Architekten, die in die Planung dieser neuen Gulags involviert waren und zogen Aufmerksamkeit auf den Widerstand, der auch innerhalb der Mauern stark zunahm. Der Kampf gegen diesen Industriekomplex zwang O.C. ihr Journal aufzulösen und vollständig unterzutauchen, nachdem sie nun massiv von der Polizei verfolgt wurden. Als eine ihrer letzten Aktionen (bevor sie sich vollständig in inoffiziellen, kriminellen Netzwerken auflösten, die sie über die letzten 20 Jahre hin erschaffen hatten) veröffentlichten sie ein Buch über die Bewegung des freien Geistes des 16. Jahrhunderts, eine proto-anarchistische Strömung, mit der sie sich stark identifizierten.

„In der Morgenröte des Industrialismus wurden Fabriken nach dem Muster von Gefängnissen gebaut. In dessen Dämmerung werden nun Gefängnisse nach dem Abbild von Fabriken gebaut.“

Zähne und Klauen

Im Mai 1985 brachen in ganz Frankreich Krawalle in den Gefängnissen aus. In Solidarität griffen Os Cangaceiros verschiedene Ziele an, von Eisenbahnschienen bis Tour de France Autos, basierend auf ihrem eigenen Hass gegen Gefängnisse und nicht als außenstehende Befreier, um den Widerstand der Gefangenen publik zu machen.

5. Mai, 1985 – In Fleury-Mérogis randalieren die Gefangenen des D4 Flügels und zerstören den gesamten Trakt.

6. Mai – Abermals in Fleury weigern sich 300 Inhaftierte des D1 Flügels nach ihrem Hofgang zurückzukehren; 60 von ihnen zünden die Krankenabteilung an.

7. Mai – In Bois d’Arc klettern ca. 15 Jugendhäftlinge (Insassen jünger als 18 Jahre, die normalerweise in separaten Abteilungen gehalten werden) auf das Dach und bleiben dort bis zum 9. Mai unterstützt und versorgt durch die anderen Gefangenen.

8. Mai – In Lille klettern ungefähr zehn Gefangene auf das Dach. In Bastia verweigern Insassen das Gefängnisessen in Solidarität mit den anderen Gefangenen. (Die „Verweigerung von Gefängnisessen“ ist nicht wirklich mit einem Hungerstreik zu vergleichen, dennoch kann es ein Weg sein diesen auszuführen.)

9. Mai – In Fresnes klettern 400 Insassen auf die Dächer und liefern sich Zusammenstöße mit der Polizei, die dabei einen Gefangenen tötet. In Compiegne, klettern ca. zehn Gefangene, denen der „Morgenschicht“ folgend, auf die Dächer. Im Bonne Nouvelle Gefängnis in Rouen, klettern ca. 50 Jugendhäftlinge auf die Dächer, während andere Gefangene ihre Zellen zerstören; nach angeblichen Verhandlungen kletterten ca. 30 zurück auf das Dach in Solidarität mit den Kameraden in Fresnes.

10. Mai – Vom 9. bis zum 10. Mai gehen Gefangene auf die Dächer in Douai. Es gibt einen kurzen Zusammenstoss mit der CRS (Französische Bereitschaftspolizei). In Amiens klettern ungefähr 50 Gefangene auf die Dächer. In Nizza schließen sich 60 Gefangene mit ca. 20 Jugendhäftlingen während eines Zusammenstoßes mit der Polizei auf den Dächern zusammen. In Beziers nehmen 130 Gefangene drei Wächter und einen Krankenpfleger für drei Stunden als Geisel.

11. Mai – In Evreux, Saintes und Coutances, klettern Gefangene auf die Dächer und bekämpfen sich mit der Polizei. Dasselbe passiert am nächsten Tag in St. Brieuc.

19. Mai – Gefangene zerstören das gesamte Gefängnis von Montpellier (Brandstiftung und Verwüstungen) und liefern sich Kämpfe mit der Polizei. Draußen greift die Menge, bestehend aus Freunden und Verwandten der Gefangenen, die Polizei von hinten an.

Darüber hinaus brechen in verschiedensten Gefängnissen Unruhen aus, von der Verwüstung von Zellen und versuchter Brandstiftung (in Rennes, Angers, Metz, etc.) bis zur kollektiven Verweigerung von Gefängnisessen (Lyon, Frauen und Männer in Fleury, Ajaccio, Auxerres, St. Malo, Avignon, Chambery, etc.). In dieser Zeit finden mehrere „Selbstmorde“ statt. Die Rebellen in Douai und Evreux erhalten harte Strafen unter dem Vorwand der verursachten Schäden.

17. Juni – Auf der Eisenbahnstrecke Nantes-Paris nahe Nantes wird eine Barrikade in Solidarität mit den Gefängnisrevolten in Brand gesteckt.

20. Juni Sabotage an den TGV (Schnellzug) Anlagen der Eisenbahngleise im Süden von Paris.

27. Juni Auf der Eisenbahnstrecke Toulouse-Paris nahe Toulouse wird eine Barrikade in Brand gesteckt.

30. Juni – In der Nacht von 30. Juni auf 1. Juli wird der Druck der Pariser Tageszeitung lahm gelegt durch Sabotage der IPLO Druckerei nahe Nantes.

„Wir haben uns dazu entschlossen der nationalen Presse einen halben Tag der Stille aufzuerlegen zu Ehren der rebellierenden Knastbrüder. Diese Aktion ist weiters in Solidarität mit all den toten Gefangenen, die „ge-selbst-mordet“ wurden. Alle diese Zeitungen sind bekannt für ihre Feindseligkeit gegen die jüngste Bewegung der Revolten in den Gefängnissen.“

1. Juli – Sabotage an den Eisenbahnanlagen der Nimes-Tarascon Strecke.

Jedes Mal verursachten diese Aktionen längere Unterbrechungen im Zugverkehr und stundenlange Verspätungen der täglichen Züge. Die Forderungen waren immer die gleichen:

„Eine Reduktion der Strafen für alle verurteilten Gefangenen. Die Freilassung von allen, auf den Prozess wartenden, Inhaftierten. Das endgültige Stoppen von allen Abschiebemaßnahmen gegen Immigranten. Die Aufhebung aller Sanktionen gegen die Rebellierenden.“

2. Juli Der Paris-Brüssel TEE-Zug wird nahe Compiegne gestoppt. Die vier Forderungen werden auf die Wagons gesprayt. Fenster werden eingeschlagen und Exemplare des Pamphlets „Freiheit ist das Verbrechen“ werden durch die zerstörten Fenster geworfen.

5. Juli Sabotage an der Paris-Le Havre Linie. Vier Personen werden zwei Tage später in Rouen in Verbindung mit dieser Aktion verhaftet und für drei Monate eingesperrt.

8. Juli Von 7. bis 8. Juli klettern in Chaumont Gefangene auf die Dächer, um ihre Sorgen angesichts der anstehenden präsidialen Amnestie am 14. Juli (Tag der Stürmung der Bastille) zu demonstrieren, welche verspricht sehr dürftig zu werden. Es kommt zu Konflikten mit der Polizei. Vier der Rebellen erhalten schwere Strafen.

9. Juli Ein anonymer Sabotageakt wird gegen die Paris-Strassburg Linie, die nahe Chaumont entlang läuft, ausgeführt.

12. Juli Am frühen Morgen werden in Paris zwei Metrolinien mehrere Stunden lang durch schwere Objekte blockiert, die in Solidarität mit den Rouen 4 und den Rebellen von Chaumont auf die Gleise geworfen wurden. Wieder wurden die vier Forderungen publik gemacht.

13. Juli In Lyon werden zwei Autos der Behörden in Solidarität mit den Gefangenen in Lyon in Brand gesteckt. Bevor noch ein Bekennerschreiben veröffentlicht wird, entflammen erneut zahlreiche Unruhen in verschiedensten Gefängnissen (Fleury, Loos-les Lille, Toul, etc.).

14. Juli – Im St. Paul Gefängnis von Lyon rebellieren ca. 20 Gefangene der „psychiatrischen“ Abteilung (Verwüstungen und Brandstiftungen). Die lächerliche präsidiale Amnestie wird angekündigt: ein bis zwei Monate Reduzierung der kurzen Haftstrafen. Die JAP (Komitee der Strafvollzugsrichter) wird ihr Arbeitspensum ausweiten: 3000-4000 Gefangene sollen in den nächsten Tagen freigelassen werden. Diese Neuigkeit soll von zahlreichen Unruhen in den Gefängnissen des Landes begleitet werden.

15. Juli – In der Nacht von 14. auf 15. Juli werden die Reifen des Konvois, der die Tour de France begleitet, in Solidarität mit den verurteilten Rebellen aufgeschlitzt (ungefähr 100 Fahrzeuge werden unbrauchbar gemacht).

In Toulouse wird ein Unternehmen, welches Gefangene beschäftigt, durch Brandstiftung zerstört.

18. August – In Lille klettern dutzende Gefangene auf die Dächer. In Lyon wird die ROP Druckerei der Pariser Tageszeitungen verwüstet. Die Publikation und die Distribution werden schwer beeinträchtigt. Erneut war es das Ziel die Zeitungen für ihre Lügen und Feindseligkeit gegen die Rebellen zu züchtigen. Der Text „Die Wahrheit über einige Aktionen“ wurde in den Räumlichkeiten zurückgelassen. Während Unruhen in Guadalupe können ca. 30 Gefangene nach Ausschreitungen im Gefängnis Pointe-à-Pitre ausbrechen.

„Die Forderungen vereinigen die Offensive der Gefangenen gegen ihre Isolation und einen Aufruf an jene außerhalb der Mauern, um diese konkret zu zerstören. Es geht darum Druck zu erzeugen, um sich gegen diese Gesellschaft zu behaupten, auf eine Welt zu scheißen, die lieber taub wäre, wenn es um ihre Gefängnisse geht.“

13.000 Projekt

Im Jahr 1990 begann ein umfangreiches Dossier in Frankreich zu kursieren. Das von Os Cangaceiros in Umlauf gebrachte Dossier enthielt sowohl gestohlene Gefängnispläne und -dokumente als auch eine Chronologie, welche die Sabotagekampagne von O.C. gegen das „13.000 Projekt“ umschrieb. Dieses Projekt beinhaltete den Plan des französischen Staats um neue Hochsicherheits-Gefängnisse mit Platz für 13.000 Gefangene zu schaffen. Weiters beinhaltete die Akte Kopien der Communiques, die an jene von O.C. angegriffenen Institutionen und Personen gesendet wurden. Interessanterweise versuchten die Polizei und die angegriffenen Betriebe sehr diskret mit dieser Kampagne umzugehen, offensichtlich um ihr so wenig wie möglich Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit zu geben.

Brief an einen Architekten

„Betrifft: Hinterhalt

Sind Deine Wunden gut geheilt, Architekt? Hast Du herausgefunden warum? Unverschämt, ohne jeglichen Skrupel, Zentimeter für Zentimeter hast Du diese Käfige erschaffen, in denen sogar die Behinderten eingesperrt werden sollen. Innerhalb der Mauern, die Du entworfen hast, werden in Zukunft Individuen, die mehr wert sind als Du, regelmäßig verprügelt werden. Die Zeit war reif, dass Du einen Appetitanreger von dem erhalten hast, was tausende Gefangene bis zum xten Grade ertragen werden müssen. Architekt, dies ist nämlich nicht die erste Niederträchtlichkeit für die Dein Betrieb verantwortlich ist. Wenn man betrachtet, was Du baust, um normale Bürger unterzubringen, kann man Deine Kompetenz um Delinquenten wegzusperren erahnen. Man kann leicht von den Hochhausblöcken des 13. Arrondissements auf die Gefängniszellen schließen. Du Schwein, schau Dir Deine Schnauze gut an, wir konnten von Deinem erschöpften Gesicht ablesen, wie tief Du selbst in Deine Projekte verwickelt bist. Zuerst hast Du Mauern gebaut, nun wirst Du diese einreißen.“

Os Cangaceiros, Lyon, 19. März 1990

Os Cangaceiros in der sozialen Pampa

Eine kurze einleitende Erklärung…

In den 1980er und frühen 1990er Jahren waren wir mit einigen der Personen befreundet, welche die französische Gruppe Os Cangaceiros bildeten, die aus Les Fossoyeurs du Vieux Monde (Die Totengräber der alten Welt) entstanden war. Die originalen Cangaceiros waren Robin Hood-artige Banditen – die Reichen berauben um den Armen zu geben – im Brasilien des 19. Jahrhunderts. Die neu gegründete FrogGruppe5 (wie wir sie mit einer Brise übertriebenen Chauvinismus nannten) war nach Großbritannien gekommen, begeistert von der Periode der urbanen Krawalle in den frühen 80er Jahren und den Überschneidungen mit den erbitterten Streiks, besonders die der Grubenarbeiter zwischen 1984 und 1985, zu welchen die Froggies ihre eigenen Zutaten hinzufügten. Sie freundeten sich mit einigen der wildesten, eigensinnigsten und bemerkenswertesten Individuen der Grubenarbeitergemeinschaft in Yorkshire an und versuchten so dauerhaftere internationale Verknüpfungen zu schaffen. In der Hoffnung, dass sich bei der steigenden Verelendung in den 80er Jahren und dem Unglück auch ein Silberstreif am Horizont abzeichnete, vielleicht sogar ein Regenbogen in der Form eines interethnischen Zusammenkommens in Großbritannien in der Dämmerung der 1980er Jahre, ausgedrückt durch offene Revolte. Leider wollte es nicht sein, da der Zuspruch von wenig auf noch weniger umschlug und letztendlich fast gänzlich verschwunden war.

Manche meinten, dass die Kangaroos, wie sie unvermeidlich von uns in Großbritannien genannt wurden – um uns wiederum hinter einem filmreifen Chauvinismus zu verstecken – Gewalt der Gewalt wegen fetischisierten und unkritisch jede Art von individuellem Hooliganismus unterstützen, was keiner von uns einfach so tun konnte. Besonders nicht nach der Tragödie im Heysel Stadion von Brüssel, als 1985 bei einer Massenpanik während eines UEFA-Cup Spiels, hervorgerufen durch Zusammenstöße zwischen der Polizei und englischen (Liverpool) bzw. italienischen (Juventus) Fußballfans, viele Menschen starben. Man könnte meinen – und darauf wurde damals auch von einigen Leuten hingewiesen – dass es um mehr gehen könnte bei den „linken“ Liverpool-Fans in ihren roten Heimdressen gegen die italienischen „Faschisten“, aber das würde wohl zu weit gehen.

Andererseits verbreiteten die Kangaroos das Beispiel der Autonomie, der spanischen Dockarbeiterorganisation Coordinadora entsprungen, bevor auch diese entartete, in dem sie Pamphlets von BM Blob distributierten: „International Dockers struggle in the Eighties“ (Internationaler Kampf der Dockarbeiter in den Achtzigern) wurde in ganz Yorkshire verteilt und durch ihre freundliche Veranlagung ergaben sich andauernde Freundschaften6. Darüber hinaus haben die Kanagaroos einige interessante Texte, vor allem die besten in französischer Sprache, über den Streik der Grubenarbeiter verfasst, welche ein sehr überzeugendes „ich war dabei“ Gefühl vermitteln.7

Zur gleichen Zeit begannen Os Cangaceiros zu Hause in Frankreich in verschiedene Arten der direkten Aktion involviert zu sein, speziell in Zusammenhang mit den Kämpfen der Gefangenen, indem sie eine Reihe von einfallsreichen Aktionen initiierten. Der folgende Text bezieht sich auf eine dieser Interventionen unter vielen und geht sensibel und intelligent mit den Problemen um, die einem sozial ausgeschlossenen Grüppchen innewohnen, welches in die Offensive gegangen ist und dadurch den Hass des Establishments auf die eigene, klandestine Existenz gezogen hat. Insbesondere relevant sind die Fragen des wie, warum und wofür, neben anderen unvorhersehbaren Schwierigkeiten in Bezug auf die Publicity-Maschine der Medien; wie sie einen benützen und vor allem wie man ihren modus operandi umstürzen kann und somit die Medienleute dazu bringt, sein eigenes Spiel zu spielen und nicht ihres. Einiges davon ist scharfsinnig und man kann die aus reiner Erfahrung erzählende Stimme hören. Dies ist sicher ein wertvolles Beispiel für jene, die ähnliche Wege beschreiten oder selbst dort waren.

Die vernebelte Spur von Os Cangaceiros durch die soziale Pampa

Zwischen 1985 und 1990 erlangte die Gruppe „Os Cangaceiros“ durch einige durchschlagende Aktionen in Frankreich einen gewissen Ruf; jetzt, da Os Cangaceiros der Vergangenheit angehören, sind es wahrscheinlich diese Aktionen, die es wert sind daran zu erinnern oder eher noch die Lektionen und Kritiken, welche man daraus ziehen kann. Die folgenden Anmerkungen versuchen dennoch weder Bewunderung noch Verachtung zu erregen: Ich denke, dass sie nützlich sein können für andere, die sich auf einen ähnlichen praktischen Dissens einlassen wollen.8

Die verschiedenen Sabotageakte, die wir ausführten, waren die Erklärung, dass eine handvoll entschlossener Leute sich etwas effizienterem hingeben können als dem gewohnten Flugblatt/Pamphlet-Verteilen, wenn es darum geht Solidarität oder Unzufriedenheit auszudrücken. Im Jahr 1985 war es die Idee, die Forderungen der damals revoltierenden Gefangenen, durch die Störung des Schienenverkehrs im großen Rahmen, weiterzuleiten. Das Blockieren von Autobahnen und Eisenbahnlinien hat eine lange Tradition im französischen Arbeiterkampf und durch das Anwenden dieser Mittel wollten wir verdeutlichen, dass die Revolte eines Gefangenen ein legitimer sozialer Kampf ist wie jeder andere: genauso wie Arbeiter für eine Lohnerhöhung streiken, revoltieren Gefangene für die Reduzierung der Strafen (und bei beiden steht natürlich mehr auf dem Spiel als die ausgedrückten Forderungen). Selbstverständlich erkannten dies die Medien und der Staat nicht an und wetterten gegen die von Kriminellen unterstützten Terroristen (oder umgekehrt). Trotzdem wurde diese Art Solidarität zu zeigen gut von den Menschen innerhalb der Gefängnismauern aufgenommen und auch von jenen draußen. Im Zuge der Berichte über unsere Aktionen musste die Presse auch die Forderungen der Gefangenen erwähnen und erlaubte so die weitere Verbreitung eben jener Forderungen. Es muss auch hinzugefügt werden, dass die vier wegen dieser Aktionen angeklagten Personen, trotz der irren Beschuldigung des Terrorismus, letztendlich sehr milde Strafen bekamen, dank einer lokalen Verteidigungskampagne, die in Bezug auf die „Terroristen“-Frage die entgegengesetzte Richtung einschlug.

Obwohl wir diese bestimmte Art der Aktion nicht endlos reproduzieren und unsere ganze Zeit auf dem Gleisschotter verbringen wollten, griffen wir im Februar 1986 noch einmal darauf zurück. Dieses Mal, um Abdelkarim Khalki zu unterstützen, der seinen großzügigen Sinn für Freundschaft und Humanität gezeigt hatte, indem er versuchte seine Kumpels, Courtois und Thiollet, während ihres Prozesses zu befreien. Er nahm das Gericht, die Jury und die Journalisten als Geisel. Nach 36 Stunden scheiterte sein Versuch dennoch, jedoch nicht bevor sie es schafften die Richter, das Rechtssystem und die Gesellschaft, live in der Hauptsendezeit des Fernsehens, zu „richten“. Jetzt war Khalki im Hungerstreik und forderte, dass der Innenminister das von ihm gegebene Versprechen einhielt, ihn im Austausch für das Aufgeben von Thiollet und Courtois, gehen zu lassen. Eines Morgens fanden tausende Pariser eine gute Ausrede, um zu spät zur Arbeit zu kommen, nachdem wir praktisch das ganze Metro-Netzwerk für mehr als eine Stunde lahm gelegt hatte, indem wir ganz einfach schwere Gegenstände auf die Gleise warfen und die elektrischen Hauptleitungen durchschnitten. Plakatierte Poster in und um die Metrostationen informierten jeden über Khalki’s Situation und seine Forderungen. Wiederum zwang diese Aktion die Presse Khalki’s Hungerstreik zu erwähnen, den sie bis zu diesem Zeitpunkt vertuschte. Selbstverständlich hielt die Regierung nie ihr Versprechen und Khalki bekam eine schwere Strafe. Wie unser Poster damals sagte: „was kann man vom Staat außer Lügen und Schläge erwarten?

Die Reihe von Aktionen, die wir zwischen 1989 und 1990 ausführten, gründeten auf einer anderen Perspektive. Dieses Mal war es keine direkte Antwort auf eine gerade stattfindene Revolte9, sondern eine Entscheidung, um irgendwie gegen den geplanten Bau von neuen Gefängnissen vorzugehen. Das bedeutete, dass wir selbst das Timing und die Mittel wählen konnten, die wir für angebracht hielten, ganz abgesehen von den offensichtlichen Gründen, warum einen die Aussicht auf 13.000 neu gebaute Käfige ankotzt. Wir hatten auch persönliche Gründe für unseren Ärger, da wir in den letzten Jahren permanenten Auseinandersetzungen mit der Polizei ausgesetzt wurden, welche versuchte die Cangaceiros mit so wenig wie möglichem Aufsehen zu besiegen, was uns zur ständigen Flucht zwang. Es war keine Übertreibung anzunehmen, dass diese Gefängnisse auch für uns gebaut wurden und nachdem „Angriff die beste Verteidigung“ ist, dachten wir wenn wir schon gefasst würden, dann auch für etwas sich Lohnendes. Dennoch spielte das Gefühl eines sorgenvollen Notfalls auch eine schädliche Rolle bei der ganzen Sache. Das spielende Element, notwendig für jede Art der subversiven Aktivität, neigte sich in eine neurotische Besessenheit vom erzwungen erfolgreichen Ergebnis zu verwandeln.

Der abschließende Bericht, den wir zu dieser Kampagne veröffentlicht hatten, könnte einen betrügerischen Eindruck von Leichtigkeit und Mühelosigkeit hinterlassen. Genau genommen rannten wir für mehr als ein Jahr mit unseren Köpfen gegen die (gut bewachten) Wände der Regierungsbüros, privaten Unternehmen, Baustellen und geheime Daten beherbergenden Orte, mit dem Eindruck, dass unsere Sabotage nur ein Nadelstich gegen eine monströse Maschinerie war. Damit konfrontiert war unsere erste Reaktion unsere Ziele zu überschätzen, was zu einer gefährlichen (d.h. unkontrollierten) Eskalation führen kann. Zudem neigen Langzeitpläne in Zusammenhang mit Hit-Squad Aktivitäten dazu, ihre eigene „militärische“ Logik zu entwickeln, die uns von distanzierteren und selbstkritischeren Reflektionen entfremdet und die Mittel somit den Zweck erfüllen10. So unhierarchisch die Gruppe auch sein mag, trotzdem hatte jeder das Gefühl die Initiative zu verlieren und es dauerte einige Zeit bis wir realisierten, dass wir eine viel effizientere und einfachere Karte ausspielen konnten, nämlich die weite Verbreitung der geheimen Pläne und Dokumente, die in unsere Hände gelangt waren. Dies war jedoch nicht nur eine Änderung der Taktik; und ich möchte einige allgemeinere Überlegungen zu diesem Thema aufwerfen.

Die erste betrifft unsere Beziehung zu den Medien. Die Art der Sabotageaktionen, die wir 1985 und 1986 ausführten, war sehr abhängig von der Medienberichterstattung. Wie sehr man die Medien auch hasst, man braucht auch ihre Aufmerksamkeit, denn was ist eine solidarische Aktion wert, wenn jene, an die sie adressiert ist, nichts davon mitbekommen? Und deshalb ergibt man sich ihrer Macht – der Macht dich zu verleumden, deine Sache übertrieben aufzublasen, um Repression zu provozieren oder dich ganz einfach nicht zu erwähnen und so unbemerkt lassen. In den Jahren 1989-1990 hatte die Presse offensichtlich die Anweisung bekommen unsere Aktivitäten auszublenden: sogar die lokalen Zeitungen, die es nie verpassen würden über einen überfahrenen Hund zu berichten, schrieben keine einzige Zeile über die Sicherheitsfirma, die wir zu Asche verbrannt hatten oder über den Gefängnisarchitekten, den wir in Paris auf offener Straße verprügelt hatten.

Mit der Verbreitung des „13.000 belles“-Dossiers stellten wir das Problem auf den Kopf. Bevor die Medien auch nur irgendwas erfuhren, waren sich schon zehntausende Menschen bewusst darüber was passierte. Wir hatten das Dossier zum Beispiel an alle Cafes der Orte, an denen neue Gefängnisse gebaut wurden, gesandt und unsere Spione vor Ort meinten, dass es in allen Bars Diskussionen nährte, die den ganzen Tag anhielten. Einer Lokalzeitung zufolge eilte eine entsetzte Pensionistin zum lokalen Gemeindeamt und fragte, ob es wahr sei, dass Gefangene durch sabotierte Gefängnismauern ausbrechen könnten. Die Beamten kopierten das Dossier, das die Frau erhalten hatte („die Kopierer waren an diesem Tag sehr beschäftigt“, schrieb ein Journalist) und es wurde an höhere Institutionen weitergeleitet. Die Journalisten waren dann gezwungen herumzueilen, um eine Kopie des Dossiers zu ergattern und so gingen an diesem Tag die Neuigkeiten ihren Weg von den Lokalzeitungen zur nationalen Presseagentur, bis ein Regierungsvertreter eine Pressekonferenz veranlasste, um die Öffentlichkeit zu den möglichen Gefahren der Enthüllung dieser Dokumente zu „beruhigen“. Und nur weil wir dieses Mal die Presse nicht als notwendiges Übertragungselement gebraucht hatten um die Öffentlichkeit zu erreichen, waren ihre Meldungen weitaus folgerichtiger und genauer als gewöhnlich – manchmal sogar lustig. Le Figaro druckte einen ganzseitigen Artikel mit dem Titel „Ausbrüche – Anleitung zur Anwendung“ in dem sie unseren ganzen Brief rezitierten und eine andere Zeitung kommentierte: „Diese Cangaceiros sind genauso romantisch wie ihre Vorfahren (d.h. die brasilianischen Sozialbanditen), aber besser organisiert.“ Ein TV-Nachrichtensprecher schlussfolgerte: „Man könnte denken das sei ein schlechter Witz, denn waren diese Personen nicht schon der Polizei bekannt?“ Dies ist die Moral zur Geschichte: Die beste Nutzung der Medien (anstatt von ihnen benutzt zu werden) ist, zu versuchen, sie zu übergehen.11 Sie zuerst verzichtbar machen, damit sie vielleicht als gewöhnlicher Verstärker der Geschehnisse fungieren, ohne dass wir ihre Hilfe einsetzen.

Hinter der Medienproblematik liegt jedoch eine viel substanziellere Frage. Desto mehr wir danach strebten dem Gefängnisprogramm beständigen Schaden zuzufügen, desto mehr entwickelte sich das unbehagliche Gefühl, dass wir einen „eins gegen eins“ Kampf gegen den Staat führten – eine Herausforderung, die wir als solche offensichtlich verdammt waren zu verlieren. Wir waren „Die letzten Mohikaner“ in ihrem verzweifelten Angriff gegen die Bleichgesichter. Schlussendlich war es von geringerer Wichtigkeit, ob die Medien über diesen Kampf berichteten bzw. ob es Sympathie oder Verachtung in der Öffentlichkeit erzeugen würde, denn die „Öffentlichkeit“ konnte ohnehin nichts anderes als eine Öffentlichkeit von weit weg betrachtenden Zuschauern bleiben. Wir betrachteten uns nie als sich opfernde Avantgarde, dennoch fanden wir uns in eine Ecke gedrängt wieder, in der unsere „guten Absichten“ wenig Nutzen hatten. Die Option die Gefängnispläne zu verbreiten war so etwas wie ein Durchbruch der Anklang fand, nicht bei den Zuschauern, sondern bei potenziellen Komplizen, die sich in unserer Initiative finden und diese weiterführen konnten. Dies funktionierte ganz gut. Obwohl einige Gefangene sicherlich von dem Dossier wussten und begeistert darüber waren, wissen wir nicht, ob es Insassen wirklich half, um einen Weg aus dem Gefängnis zu finden (obwohl die Presse es seither, sobald es in einem dieser Gefängnisse Unruhen gab, niemals verabsäumte an jene fehlende Dokumente zu erinnern, die sich irgendwo dort draußen auf freiem Fuß befanden). Nichtsdestotrotz trug die spielerische Seite des Stehlens verbotener Dokumente bzw. des heimlichen Weiterreichens an andere sicher zur großräumigen Verbreitung bei. Sogar Leute die uns gewöhnlich nicht mochten schätzten es, dass wir dem Staat gezeigt hatten, was wir von ihm halten. Dieser schlussendliche Erfolg war auf alle Fälle auch eine Ablehnung gegen unsere frühere Perspektive, ganz abgesehen von der Freude, dass wir es durchgeführt hatten, denn letztendlich hinterließ die ganze Sache uns in völliger Erschöpfung.

Um zur entfremdenden Seite von langzeitlicher klandestiner Aktivität zurückzukommen: die Polizeistrategie gegen uns passte bemerkenswert gut auf die oben beschriebene. Wie ich bereits erwähnte, hatte es die Polizei auf ein hartes Durchgreifen ausgelegt, zusammengetragen zu einem spektakulären Schauprozess, komplettiert mit erfundenen Beweisen und es scheint, als ob sie auch versuchten uns zu infiltrieren, um uns dazu zu bringen Bomben zu legen.12 Ihr Hauptinteresse dieser Jahre lag jedoch darin uns durch permanente Schikanen von unseren potenziellen Verbündeten zu isolieren. Im Februar 1991 folgte dem „13.000 belles“ Skandal eine mittels der Medien inszenierte Razzia in mehreren Städten, bei der 25 Menschen einvernommen und ihre Appartements durchsucht wurden. Dem Mordicus Magazin, das Teile unseres Dossiers veröffentlicht hatte, wurde mit gerichtlichen Schritten gedroht. Nachdem der französische Staat sich 1987 Action Directe entledigt hatte, suchte er nach einem neuen öffentlichen, inneren Feind und wir waren definitiv auf ihrer Liste ganz oben, um diese Rolle einzunehmen. Es ist Grundschule der Polizeipsychologie, dass desto mehr ein Individuum oder eine Gruppe vom Rest der Gesellschaft abgeschnitten ist, es/sie mit einem umso erhöhten Level an Gewalt reagiert, was es/sie wiederum weiter isolieren wird. Die Nachrichtensperre der Medien über unsere Aktionen gegen die neuen Gefängnisse hatte zweifellos dies zum Ziel und wir entblößten uns dem zugegebenermaßen. Wir dachten es sei mit einer Kritik am Terrorismus abgetan, da wir nie eine Möglichkeit verabsäumten, um unsere Verachtung für Action Directe, RAF, Brigate Rosse usw. auszudrücken und weil wir uns weigerten auf Bomben und Gewehre zurückzugreifen, „unsere Aktionsmittel sind jene der Proletarier: Sabotage und Vandalismus“. Dies verfehlte jedoch die essentielle Frage: Im Kontext von sozialer Regression kann eine Gruppe von Leuten, die ihre gewaltvolle Revolte durchsetzt und so heraussticht, einfach hervorgehoben, isoliert und auf feindliches Terrain – den Bullen in deinem Kopf – geschleppt werden. Unbewusst findet man sich darin wieder, sein eigenes Verhalten und die eigenen Gedanken nach ihnen zu formen und dies ist ihr erster Sieg.

Dieser Widerspruch präsentierte sich auch im weniger öffentlichen Teil unserer Aktivität, dem organisierten Diebstahl, „la reprise“ (das Wiederaneignen) wie es die anarchistischen Illegalisten im späten 19. Jahrhundert nannten. „Ne travaillez, jamais“: wir erachteten diesen Ausdruck niemals nur als poetischen Slogan, sondern als unmittelbares Programm. Natürlich ist auch Diebstahl in vielen Belangen eine Art der Arbeit, deren Aufteilung, Organisation und Resultate jedoch dir selbst gehören. In einem permanenten Kampf zu leben, lässt dich einige wertvolle Fähigkeiten verfeinern und letzten Endes – nur wenn du erfolgreich warst – hast du die Freude dich dem vorhergesagten Schicksal zu widersetzen. Außerdem, wie Woody Allen es in „Take the Money an Run“ ausdrückt, sind die Arbeitszeiten gut, man trifft interessante Menschen und die Bezahlung ist ordentlich. Natürlich war unser Ziel weder unsere Kohle für Sportautos, Paläste oder Champagner rauszuschmeißen (obwohl nichts falsch ist mit Luxusgütern) noch Kapital für irgendeine Businessinvestition anzuhäufen. Auch wenn wir es kollektiv geschafft hatten einen netten Betrag zu bunkern, die Frage nach der kollektiven Verwendung, die unseren sozialen Ambitionen entsprach, stellte sich noch immer. Auch weil wir mit dieser abstrakten radikalen Sprache brechen wollten, von der wir nie wussten woher sie eigentlich gekommen war, denn wir wollten aus unserer eigenen konkreten Situation als Delinquenten in dieser Welt sprechen. In dieser Hinsicht fühlten wir, wie weit entfernt wir von den alten anarchistischen Illegalisten in Spanien und anderswo waren, die Teil von nachhaltigen Gemeinschaften waren und deren Diebstähle als untrennbare Bestandteile eines anhaltenden Kampfes betrachtet werden konnten. Durruti hatte sich beleidigt gefühlt, wenn die Presse ihn einen Bösewicht nannte; er war ein Arbeiter unter anderen Arbeitern, die ihn auch als solchen erkannten.13 Natürlich sind die Dinge jetzt völlig anders, da nahezu alle kämpfenden Gemeinschaften und soziale Traditionen zerstört wurden. Das Geld das wir uns nahmen erlaubte natürlich ein größeres Maß an Solidarität und Großzügigkeit – ohne die die Erfahrung unserer Freundin Andrea nicht möglich gewesen wäre14. Dennoch, wer waren wir in dieser Hinsicht, wenn nicht eine isolierte Gruppe unter isolierten Individuen? Wir hatten viele Gespräche über eine dadaistische Verwendung des Geldes, über eine Vergesellschaftung und die allgemeine Notwendigkeit des Geldes zum Thema zu machen, was allerdings zu nichts führte. Nicht das die Idee falsch war – ich bin noch immer überzeugt davon, dass jeder Versuch sich dem sozialen Zerfall zu widersetzen, sich der finanziellen Frage, in welcher Weise auch immer, stellen muss – aber ihre Anwendung bedarf einer größeren Basis als einem Dutzend Irregulärer, die sich auf der Flucht befinden.

Tatsächlich bewältigten wir nie wirklich unsere subjektiven Sehnsüchte: neben unserem Willen irgendwie zu einer neuen Welle von sozialem Dissens beizutragen – d.h. ein Ziel auf lange Sicht, gekoppelt mit einem sorgfältigen Bedenken für die angemessene Vermittlungen, gab es auch diesen groben Impuls für unmittelbare Rache, der an uns nagte. Am allerwenigsten möchte ich mich dagegen ausdrücken Rache zu nehmen, als Handlungen von spektakulärem Draufgängertum, das sich keine Gedanken über die Konsequenzen macht – dies ist ein menschliches Handeln, das keine weitere Erklärung braucht, da es im Untergrund große Wiedererkennung bewirkt.15 Was Aktionen gegen das Gefängnis angeht, führte uns der Anblick dieser Architekten, die sorgfältig Käfige für Menschen planen, der kleinen Unternehmer, die sich die Hände reiben in der Vorstellung des Profits den sie damit erzielen werden und der Lakaien des Staates, die alles kaltherzig beaufsichtigen, oft in Versuchung zu weniger symbolischen Reaktionen. Es schien jedoch, dass wir entgegen aller Erwartungen noch nicht genug verzweifelt dafür waren.16

Sicherlich ließ das Leben im Alltag der 1980er Jahre in Frankreich (und Europa) wenig Platz für Optimismus, aber wir nahmen uns der Situation mit einem völligen Fatalismus an, der uns wiederum zu einem verschärften Voluntarismus ermutigte, soweit es unseren eigenen Kampf anging. Deshalb ist es bezeichnend, dass sich, obwohl wir uns niemals als Anti-Gefängnis Aktivisten sahen, alle unsere Aktionen trotzdem gegen das Gefängnis richteten, als ob jede Perspektive mittlerweile genauso starr war wie eine Gefängnismauer. Ich glaube nicht, dass wir die einzigen waren, die sich bloß über die Ebbe nach der revolutionären Flut der Sechziger und Siebziger beklagten, ohne übermäßig zu hinterfragen, ob die „radikalen“ Konzepte und Praktiken, die wir immer noch mittrugen, nicht auch für diese Situation verantwortlich gemacht werden könnten.

Insbesondere, da ich hier an Englisch sprechende Leser schreibe, weiß ich, dass diese Anmerkungen leicht von einigen Leuten als Bestätigung für ihre alte individualistische Haltung interpretiert werden können, welche a priori jede Art von kollektivem Versuch als einen „Brutplatz für hierarchische Macht“, als „Entfremdung des Individuums durch die Gruppe“ usw. abtut. Ich glaube dennoch, dass diese Art von Kritik irrelevant ist. Wohl wahr, sobald Menschen sich für ein langfristiges Ziel zusammentun besteht das Risiko, dass Machtkämpfe ausbrechen, sich spezialisierte Rollen entwickeln oder emotionale Gefühle hinter dem Schleier der „Objektivität“ unterdrückt werden – und Os Cangaceiros war davon überhaupt nicht ausgenommen. Dies ist jedoch kein Grund sich zurück zu lehnen und darauf zu warten, dass „die Revolution“ auf magische Art und Weise all diese Probleme löst: sie existieren ohnehin und sind deshalb Teil eines durch kollektive Aktivität ermöglichten Experiments, von dem man viel Nützliches lernen kann. Die eigentliche Frage ist eher, ein ausreichendes Niveau an Austausch zwischen der Gruppe und ihrem sozialen Umfeld zu erreichen bzw. zu halten; durch Scheitern neigt die Gruppe dazu einer anderen Logik zu folgen und wird so zu ihrer eigenen Bestimmtheit – eine Art von Autismus, der wiederum zwischenmenschliche Konflikte verschärft.

In all diesen Jahren waren wir sehr zwanghaft mit der Idee beschäftigt einen großen Skandal zu verursachen, etwas in der dadaistisch-surrealistisch-situationistischen Tradition; eine punktuelle und spektakuläre Tat, die den latenten Negativisimus ausdrückt, der die Gesellschaft untergräbt – und irgendwie war das Resultat von „13.000 belles“ so etwas. Jedoch erfuhren wir auch die Grenzen dieser Idee. Der hauptsächliche Fehler der meisten radikalen post-68 Agitationen war ihre Unfähigkeit bleibende Brüche in der Kohärenz der Gesellschaft zu verursachen, der geduldige Aufbau von sozialen Bünden durch verschiedenste Vermittlungen und Initiativen. Diese „radikale“ Einstellung reduzierte sich selbst zu oft auf die bloße Brandmarkung der Gesellschaft in all ihren spezifischen und begrenzten Aktivitäten, anstatt zu versuchen in innovativer Weise innerhalb eines festgelegten Terrains zu agieren. Es waren die gewöhnlichen Kommentare von außen zu stattfindenden Kämpfen (oft mit einer „wir wissen eh schon wie’s ausgehen wird“ Haltung), oder etwas weniger passiv, die „Hit-and-Run“ Aktionen, welche unfähig waren einen bleibenden dynamischen Impuls zu haben. Diese wären vielleicht zu Zeiten einer möglichen revolutionären Situation relevant („keine Zeit zu verlieren, Mai `68 oder rein gar nichts“), dies ist jedoch nicht länger der Fall. Und da die Cangaceiros nach den Grenzen solch eines Konzeptes strebten, es als totale Herausforderung lebten, fühlten wir mit einer besonderen Schärfe, dass es uns bloß in eine radikale Sackgasse geführt hatte: Einsame Seefahrer auf der wilden See.

Ich will hier keine Verbitterung aufkommen lassen. Dies war ein Abenteuer in einer Epoche, in der Abenteuer eher selten sind. Glücklicherweise endete es nicht wie das Schicksal der meisten illegalen Gruppen in einer tragischen Niederlage (und was dich nicht umbringt, macht dich stärker). Weil es aber nur ein Abenteuer war ging es nicht über den Willen seiner Protagonisten hinaus. Letztendlich war das einzige in dem die Cangaceiros übereinstimmten, dass eine solche Vereinigung nicht weiter wünschenswert war und jeder ging seinen eigenen Weg und versuchte was auch immer er aus dieser Geschichte gelernt hatte in die Praxis umzusetzen. Deswegen werde ich die Frage offen lassen, ob diese Erfahrung nur eine verspätete Erscheinung des post-68 Radikalismus war oder den Weg für etwas neues ebnete.

Leopold Roc, Mai 1995


1von http://eng.anarchopedia.org/os_cangaceiros

2beides zu finden auf http://www.revoltagainstplenty.com/index.php/archive/6-archive-global/58-os-cangaceiros

3zum Download in Pdf-Format auf: http://basseintensite.internetdown.org

4„Ne travaillez, jamais!“ frei übersetzt als „Arbeitet niemals!“ war ein Leitspruch der Bewegungen um den Pariser Mai 1968. Anm. d. Ü.

5Als Froggies oder Frogs werden Franzosen in Großbritannien etwas abwertend bezeichnet, Anm. d. Ü

6siehe „Jenny Tells her Tale“, Kommentar der Frau eines Grubenarbeiters auf www.revoltagainstplenty.com

7Ein weiterer faszinierender, oft tiefgehender, bewegender autobiographischer Bericht ist „N’Drea“ von einer Kameradin, die in sehr jungen Jahren an Krebs starb. Es ist bis dato eine der besten Kritiken am modernen Krankenhaus, in Bezug auf tödliche Krankheiten (Herausgegeben von Peligan Press, Here & Now Collective Leeds, übersetzt von Don Smith. Das Buch ist auf Grund der limitierten Auflage leider nicht mehr erhältlich, vielleicht aber durch Peligan Press im Internet veröffentlicht).

8Dieser Text gibt meine persönliche Sicht zu diesem Thema wieder und obwohl ein Teil davon aus einer kollektiven Reflexion entsprungen ist, würden wohl einige der früheren Protagonisten meiner Ansicht nicht zustimmen. – L.R.

9Obwohl wir dies natürlich als Teil des anhaltenden Kampfes gegen das Gefängnis betrachteten, hatte sich die Situation seit 1985, dank einer Anzahl von Individuen und Gruppen, sowohl innerhalb als auch außerhalb der Mauern verändert. Über die sporadisch ausbrechenden Unruhen hinaus, begann sich damals eine Bewegung zu organisieren, die sich z.B. in landesweiten Streiks der Gefangenen, Komitees von kämpfenden Gefangenen und öffentlicher Unterstützung, wenn Insassen wegen Rebellion vor dem Richter erscheinen mussten, manifestierte. Brilliante kritische Texte wurden in Untergrundmagazinen der Gefangenen veröffentlicht. Diese Bewegung scheint heute ausgestorben zu sein.

10Einem der Grubenarbeiter aus Yorkshire zufolge hatten die militantesten von ihnen dieselbe Erfahrung während der Streiks von 1984 bis 1985: sie waren so vertieft in die tägliche Organisation von Streikposten und Blitzaktionen, dass sie keine Zeit mehr hatten um über die allgemeine, auf dem Spiel stehende Perspektive zu diskutieren (in der Armee ist es nur den Generälen erlaubt über Strategien zu sprechen). Jedoch hatten ihre Frauen in den Küchen Zeit und Bereitschaft für tiefgründigere Reflektionen.

11Ein gutes Beispiel dafür sind jene Hacker, die geheime Daten im Internet veröffentlichen, diese dadurch Millionen potenziellen Benutzern zugänglich machen und somit eine Nachrichtensperre unmöglich machen.

12Laut Behauptungen in Le Figaro im November 1990 und wir hatten einige Gründe diesen zu glauben. Schon 1983 schrieb ein gewisser X. Raufer ein Buch „über soziale Gewalt“, in dem er uns als eine Gruppe von verbitterten Halbintellektuellen bezeichnete, die begierig waren Öl in jedes bestehende Feuer zu gießen! Zu jener Zeit, als die Polizeioperationen gegen uns begannen war Raufer persönlicher Berater für Sicherheitsfragen von Pasqua, dem Minister für Inneres, der einmal versprochen hatte, die Subversiven mit Subversion bekämpfen.

13Für „tragische Banditen“ waren die Dinge anders, wie die Bonnot Gang, die sich der Gesellschaft mit einer „live fast die young“ Haltung widersetzte; was nur klar war, in Anbetracht des Gemetzels, das nur kurze Zeit später mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges eintrat.

14Andrea war eine Kameradin der Cangaceiros, deren Kampf gegen Krebs im Endstadium im oben erwähnten Buch „N‘Drea: One Woman‘s Fight to Die Her Own Way“ beschrieben ist. Anm. d. Ü.

15Das beste Beispiel dafür in Frankreich ist immer noch Jacques Mesrine.

16Im Oktober 1994 erwähnte ein französisches Magazin in Zusammenhang mit der Berichterstattung über zwei junge Anarchisten, die angeblich einige Polizisten und einen Taxifahrer in Paris erschossen hatten, Os Cangaceiros als weiters Beispiel für „drohenden anarchistischen Nihilismus“.

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MENSCHENRECHTE https://panopticon.blackblogs.org/2024/03/17/menschenrechte/ Sun, 17 Mar 2024 18:43:35 +0000 https://panopticon.blackblogs.org/?p=5604 Continue reading ]]>

Gefunden auf portal oaca, die Übersetzung ist von uns. Weitere Texte die die Demokratie als ein Herrschaftsinstrument der herrschenden Klasse (Bourgeoisie) angreifen.


MENSCHENRECHTE

An Emilio Madrid, in memoriam.

Was sind Menschenrechte?

In den bourgeoisen Revolutionen in Frankreich und den Vereinigten Staaten Ende des 18. Jahrhunderts tauchten die sogenannten Menschenrechte als politische Rechte auf. Die Menschenrechte unterscheiden sich von den Staatsbürgerrechten. Der Mensch hat allein durch die Tatsache, dass er geboren wurde, natürliche Rechte (obwohl Frauen und Sklaven zunächst ausgeschlossen waren); der Staatsbürger hat Rechte als ein in der Gesellschaft lebender Mensch.

Die Menschenrechte wurden als solche anerkannt, weil man davon ausging, dass sie schon vor der Französischen Revolution existierten; sie waren universelle und natürliche Rechte, die in der Erklärung der Menschenrechte als solche anerkannt wurden.

Es ist anzumerken, dass die so genannten Rechte des Menschen im Unterschied zu den Rechten des Staatsbürgers nichts anderes sind als die Rechte des bourgeoisen Individuums, des Mitglieds der Zivilgesellschaft, also des egoistischen Menschen, des von anderen Menschen und von der Gemeinschaft getrennten Menschen. In der radikalsten Verfassung, der Verfassung von 1793, heißt es in Artikel 2: „Diese Rechte (die natürlichen und unantastbaren Rechte) sind: Gleichheit, Freiheit, Sicherheit und Eigentum“.

Worin besteht die Freiheit? In Artikel 6 heißt es: „Die Freiheit ist die Macht, die dem Menschen erlaubt, das zu tun, was den Rechten eines anderen nicht schadet“; oder in der Erklärung der Menschenrechte von 1791: „Die Freiheit besteht darin, alles tun zu können, was einem anderen nicht schadet.“.

Freiheit ist also das Recht, das zu tun und auszuüben, was einem anderen nicht schadet. Die Grenze wird durch das Gesetz festgelegt, so wie zwei Felder abgegrenzt werden: durch einen Zaun. Es ist die Freiheit des Menschen als Individuum, isoliert und autark, in sich selbst zurückgezogen.

Aus diesem Grund basiert das Recht des Menschen auf Freiheit nicht auf der Beziehung des Menschen (Individuums) zu einem anderen Individuum, sondern auf der Isolierung des Individuums von einem anderen Individuum. Es ist das Recht auf Isolation, das Recht des begrenzten Individuums: begrenzt auf sich selbst und getrennt von der Gemeinschaft.

Die praktische Anwendung des Rechts des Menschen auf Freiheit ist das Recht des Einzelnen auf Privateigentum.

Worin besteht das Recht des Menschen auf Privateigentum? In Artikel 16 der französischen Verfassung von 1793 heißt es: „Das Recht auf Eigentum ist das, das jedem Bürger erlaubt, seine Güter, seine Einkünfte, den Ertrag seiner Arbeit und seines Fleißes zu genießen und über sie nach seinem Gutdünken zu verfügen.“.

Das Recht auf Privateigentum ist das Recht, nach Belieben über das eigene Vermögen zu verfügen. Diese individuelle Freiheit ist das Fundament der Zivilgesellschaft und lässt jeden Menschen in einem anderen Menschen nicht die Erfüllung, sondern die Grenze seiner Freiheit finden. Das Recht auf Eigentum ist das Grundrecht der bourgeoisen Gesellschaft und des Kapitalismus.

Es bleiben die anderen Rechte des Menschen: Gleichheit und Sicherheit.

Gleichheit ist nichts anderes als die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz. In Artikel 3 der Verfassung von 1795 wird sie folgendermaßen definiert: „Die Gleichheit besteht darin, daß das Gesetz für alle das nämliche ist, es sei, daß es beschütze, oder daß es strafe.“ Gleichheit ist immer rechtliche Gleichheit, niemals ökonomische, soziale oder politische Gleichheit.

Wie steht es mit der Sicherheit? In Artikel 8 der Verfassung von 1793 wird sie wie folgt definiert: „Die Sicherheit beruht in dem Schutz, den die Gesellschaft jedem ihrer Glieder für die Erhaltung seiner Person, seiner Rechte und seines Eigentums zusichert“.

Sicherheit ist das oberste soziale Konzept der bourgeoisen Zivilgesellschaft, das Konzept der Polizei als Garant und Aufrechterhalter der sozialen Ordnung: dass die gesamte Gesellschaft nur existiert, um jedem ihrer Mitglieder die Erhaltung seiner Person, seiner Rechte und seines Eigentums zu garantieren. Das bourgeoise Sicherheitskonzept bekräftigt ihren wesentlichen Egoismus. Sicherheit ist vielmehr die Versicherung seines Egoismus, des Rechts auf sein Eigentum.

Von der glorreichen Trilogie des Mottos der Französischen Revolution in ihren Anfängen: Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, war die Brüderlichkeit bereits durch das Eigentum ersetzt worden. Im Winter 1795-1796 war die Forderung der Sans-Culottes nach dem Recht auf Leben, d.h. dem Recht, nicht zu verhungern, in den Straßen von Paris durch Kanonenfeuer niedergeschlagen worden. Das Recht der Bourgeoisie auf Sicherheit setzte sich durch: Eigentum hatte Vorrang, war heilig und unveränderlich.

Dieselben Kanonen machten die repräsentative Demokratie zur einzig möglichen Demokratie und fegten die von den Sans-Culottes praktizierte direkte Demokratie hinweg.

Kein einziges der so genannten Rechte des Menschen geht über den egoistischen Menschen hinaus, das isolierte Individuum, das sich auf sich selbst, seine privaten Interessen und seinen privaten Willen konzentriert und immer von der Gemeinschaft getrennt ist. Die Gesellschaft erscheint als äußerer Rahmen für das Individuum, als eine Einschränkung seiner ursprünglichen Unabhängigkeit. Das einzige Band, das sie zusammenhält, ist das natürliche Erfordernis, die Notwendigkeit und das private Interesse, die Bewahrung ihres Eigentums und ihrer egoistischen Person.

Diese Sicht des Menschen als isoliertes, egoistisches Individuum, das stets bereit ist, seine individuellen Bedürfnisse auf egoistische Weise zu befriedigen, entspricht in keiner Weise den Daten, die uns die Anthropologie und die Geschichte offenbaren. Es ist unmöglich, sich den prähistorischen Menschen als ein von der Gemeinschaft isoliertes Individuum vorzustellen, das keinen Bezug zur Stammesgruppe hat und dem die Interessen der menschlichen Gattung fremd sind.

Die so genannten Menschenrechte, so mythologisiert und manipuliert sie auch sein mögen, die wir als etwas Gutes akzeptieren sollen, das wir verteidigen müssen, und als etwas, das dem Menschen zusteht, nur weil er ein Mensch ist; dass sie daher natürlich sind, weil sie mit dem Menschen geboren wurden und mit ihm sterben werden, sind einfach die Rechte des bourgeoisen Menschen und als solche weder proletarisch noch haben Proletarier irgendeinen Grund, sie zu verteidigen; dass die Rechte auf Gleichheit, Freiheit, Sicherheit und Eigentum spezifisch für die Bourgeoisie sind und als solche einen historischen Ursprung haben und enden werden; dass sie also weder dem Menschen im Allgemeinen innewohnen, noch unveränderlich und ewig sind.

Die Gleichheit darf nicht nur scheinbar sein, sie darf nicht nur in der Sphäre des Staates verwirklicht werden, sondern in der Realität, d.h. in der sozialen und ökonomischen Sphäre. Der wahre Inhalt der proletarischen Forderung nach Gleichheit ist die Abschaffung der sozialen Klassen. Die Idee der Gleichheit, sowohl in ihrer bourgeoisen als auch in ihrer proletarischen Form, ist ein Produkt der Geschichte und setzt notwendigerweise bestimmte historische Umstände voraus.

Der bourgeoise Charakter der Menschenrechte und ihr historischer, vorübergehender Charakter, der nicht Teil der menschlichen Natur ist, sind klar.

Die Verteidigung der Menschenrechte und der Demokratie wird unaufhörlich und unerbittlich von denselben Menschen propagiert, die in den am weitesten entwickelten Ländern die politische und ökonomische Macht innehaben und die ständig auf die rücksichtsloseste Art und Weise alle Kriege in der Welt provozieren, die Hunger, Durst, Elend, Krankheiten, Angst und endlose Unterdrückung verursachen. Sie verbreiten diese vermeintlich pazifistische Ideologie der Verteidigung der Menschenrechte und der Demokratie, um genau die Menschen zu entwaffnen, die sie ausbeuten und massakrieren wollen. Deshalb muss diese pazifistische Ideologie als das angeprangert werden, was sie ist: eine Waffe des Feindes, um uns zu besiegen. Die einzige Lösung, um allen Arten von Katastrophen und Elend ein Ende zu setzen, ist die Beseitigung dessen, der sie permanent hervorbringt, nämlich der Kapitalismus, ob in seiner demokratischen oder faschistischen Form, denn beide Formen sind nichts anderes als Erscheinungsformen der Diktatur des Kapitals. Und der einzige Weg, dem Kapital ein Ende zu setzen, ist der Kampf für eine klassenlose Gesellschaft, d.h. eine kommunistische und egalitäre Gesellschaft.

Es geht nicht darum, fiktive Menschenrechte zu verteidigen, sondern die aktuelle Situation zu untersuchen und zu erkennen, welche wahren Interessen all diese demokratischen Staaten und anderen Institutionen hinter der Maske der Menschenrechte, die sie zu verteidigen vorgeben, verteidigen.

Die Gesetze des Marktes schaffen die Voraussetzungen für die Entstehung diktatorischer Regime, die für die Unterwerfung und Ausbeutung der Bevölkerung in armen Ländern notwendig sind.

Es ist notwendig zu untersuchen, welche materiellen Ursachen, welche historischen Bedingungen die Entstehung von Diktaturen und Diktatoren ermöglichen und sogar begünstigen, denn nicht Diktatoren und Diktatoren prägen die Geschichte, sondern in erster Linie die Entwicklung der Produktivkräfte, die unter Berücksichtigung des allgemeinen historischen und geografischen Kontextes die eine oder andere Regierungsform hervorbringt.

Der abstrakte Charakter von Freiheit und Gleichheit im Kapital hindert diese Begriffe nicht daran, einen realen Inhalt zu haben. Der Kapitalismus ist das Regime, das Lohnsklaverei und die Ausgrenzung derjenigen Menschen erzwingt, die nicht damit einverstanden sind, ausgebeutet zu werden. Geld und Staat werden als die großen sozialen Vermittler eingesetzt: Geld als Maßstab für den Wert aller Waren (einschließlich der Kommodifizierung menschlicher Beziehungen); der Staat als Schiedsrichter, der die Verteidigung der demokratischen und bürgerlichen Ordnung sowie Sanktionen gegen ihre Widersacher durchsetzt.

Die Demokratie ist weder ein Dogma noch eine unveränderliche Realität, auf die man sich als etwas Dauerhaftes, sich selbst Gleiches, vom Rest Getrenntes, Metaphysisches berufen kann. Im Gegenteil, die Demokratie ist ein Produkt der Geschichte, das Ergebnis der gesellschaftlichen Entwicklung im Laufe der Zeit. In der Neuzeit wurden der Liberalismus und die Demokratie in Opposition zu ihrem Vorgänger, dem Feudalismus, geboren, einem System, das bereits historisch überholt war, was die Demokratie bei ihrer Geburt revolutionär machte, weil sie eine neue Gesellschaft hervorbrachte, die der vorherigen entgegengesetzt und überlegen war. Ökonomisch übertraf sie den Feudalismus, indem sie die Produktionsmittel außerordentlich entwickelte, und politisch, indem sie die Individuen von der feudalen Vasallität befreite und einen „neutralen“ Staat schuf, in dem alle Staatsbürger rechtlich gleichgestellt waren. Die volle Entfaltung der Demokratie entspricht der vollen Herrschaft der Bourgeoisie als Klasse, wenn die Bourgeoisie durch die volle Entfaltung des Kapitalismus alles ihrer Macht unterwirft und nicht zulässt, dass jemand sie anzweifelt. Um sie zu erhalten, wird sie konservativ, reaktionär und zögert dabei nicht, ihre eigentliche Daseinsberechtigung zu zerstören: die historische Entwicklung der Produktivkräfte zu gigantischen Ausmaßen. Der Kapitalismus zerstört und verschlechtert heute die natürlichen Ressourcen, die Wälder, die Ozeane, das Land, die Atmosphäre, die Nahrung, die Existenz von Millionen von Menschen und zögert nicht, die Quelle, die ihm Leben gibt, zu vernichten und zu massakrieren: die lebendige Arbeit, die Arbeitskraft, aus deren Ausbeutung er den Mehrwert gewinnt, der für das Kapital das ist, was der Sauerstoff für die Menschen ist. An diesem Punkt ist die Demokratie nicht mehr revolutionär, wie sie es bei ihrer Geburt war, sie ist nicht einmal mehr historisch gerechtfertigt, wie sie es in ihrer Blütezeit, der Entwicklung der Produktivkräfte, war. Sie ist reaktionär geworden, und um ihre Existenz etwas zu verlängern, greift sie zu Tricks wie dem Feigenblatt der so genannten „Menschenrechte“, um ihre Schande vor Millionen und Abermillionen von Ausgebeuteten und Unterdrückten zu vertuschen, eine Schande, die sich nicht vertuschen lässt, weil sie so sichtbar ist wie die Ausbeutung, Unterdrückung und alle Arten von Ungerechtigkeit und Leiden der Mehrheit der Weltbevölkerung, die genau von denen verursacht werden, die behaupten, die Verteidiger von Demokratie und Menschenrechten zu sein, wie zum Beispiel alle entwickelten kapitalistischen Staaten, deren Anführer hervorragende Verfechter solcher Slogans sind. Und das ist nur logisch, denn die Demokratie ist das politische Regime der Bourgeoisie, der Ausbeuterklasse schlechthin, und die Menschenrechte sind nichts anderes als die Rechte des bürgerlichen Menschen, des egoistischen Menschen, des isolierten und nicht unterstützten Individuums.

Was wir also verteidigen müssen, ist weder die Demokratie noch die Menschenrechte bourgeoiser Prägung, sondern das Recht der Ausgebeuteten und Unterdrückten, sich gegen die Herrschaft und Sklaverei des Kapitals aufzulehnen und eine neue Gesellschaft ohne Klassen, ohne Ausbeutung, ohne Geld, ohne Armeen, ohne Mehrwert, ohne Unterdrückung und ohne Staaten zu errichten.

Agustín Guillamón

Veröffentlicht in Catalunya núm. 173 (Juni 2015)

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