Lisa – Soligruppe für Gefangene https://panopticon.blackblogs.org Für die Anarchie! Knäste, Staat, Patriarchat und Kapital abschaffen! Sun, 11 Feb 2024 16:41:16 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 https://panopticon.blackblogs.org/wp-content/uploads/sites/1233/2020/02/cropped-discharge-degenerik-blog-1-32x32.jpg Lisa – Soligruppe für Gefangene https://panopticon.blackblogs.org 32 32 Die Gefährtin Lisa ist auf Bewährung aus dem Knast entlassen worden https://panopticon.blackblogs.org/2021/04/23/die-gefaehrtin-lisa-ist-auf-bewaehrung-aus-dem-knast-entlassen-worden/ Fri, 23 Apr 2021 06:03:54 +0000 http://panopticon.blackblogs.org/?p=2162 Continue reading ]]> Die Gefährtin Lisa ist auf Bewährung aus dem Knast entlassen worden

Am 22. April 2021 auf Indymedia Barcelona veröffentlicht, die Übersetzung ist von uns.

Unsere Gefährtin Lisa wurde am 13. April 2016 verhaftet und inhaftiert, weil sie beschuldigt wurde, eine Bank in der deutschen Stadt Aachen ausgeraubt zu haben. Im Juni 2017 wurde sie zu 7 Jahren und 6 Monaten Gefängnis verurteilt. Nachdem sie den ersten Teil der Strafe in Deutschland verbüßt hatte, wurde sie im Dezember 2018 nach Madrid und später nach Katalonien (in den Knast Brians I, bei Barcelona) wegen familiärer Wurzeln ausgeliefert. Im November 2019 wurde sie vom Staatsanwalt der Audiencia Nacional zum dritten Grad (offener Vollzug von Wad Ras, der Frauenknast in Barcelona) verlegt. Trotzdem wurde im Sommer 2020 der dritte Grad bestätigt.

Nach dreieinhalb Jahren im geschlossenen Regime und eineinhalb Jahren in der sogenannten „Halbfreiheit“ wurde ihr an diesem Montag, dem 19. April 2021, nach Verbüßung von 2/3 der Strafe, Bewährung gewährt, eine Maßnahme, die jederzeit widerrufen oder ausgesetzt werden kann, wenn die Behörden entscheiden, dass die Voraussetzungen nicht erfüllt sind.
Wir möchten all jenen danken, die in dieser Zeit ihre Solidarität und Unterstützung für die Gefährtin gezeigt haben, aber lasst uns nicht vergessen, dass, solange es Gefängnisse gibt, niemand frei sein wird.

Der Kampf geht weiter!

Kraft und Solidarität für alle, die innerhalb und außerhalb der Gefängnisse kämpfen!

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Interview über Klandestinität https://panopticon.blackblogs.org/2019/06/26/interview-ueber-klandestinitaet/ Wed, 26 Jun 2019 19:01:48 +0000 http://panopticon.blogsport.eu/?p=674 Continue reading ]]> Vor einigen Tagen erhielten wir ein Interview von Lisa, was sie mit einer Gefangenen der Organisation ETA in einem Knast in Madrid über Klandestinität geführt hat. Sie bat darum dieses zu veröffentlichen. In diesem Interview wird im Zusammenhang mit der baskischen Bevölkerung das Wort Volk verwendet. Wir bitten darum dieses Wort im baskischen Kontext zu verstehen, was nichts mit Rassismus, jeglicher „Blut und Boden“ Rhetorik zu tun hat. Die revolutionäre und nationale Befreiungsbewegung im Baskenland, sieht all jene als Bask*innen, die sich als solche fühlen, begreifen und sehen, fernab von ihrer Herkunft und Abstammung.

Interview über Klandestinität

1. Wie lange und in welchem Kontext warst du in der Klandestinität?

Ich musste auf Grund meiner Aktivität (Militanz) der bewaffneten Gruppe ETA in die Klandestinität gehen. Das erste Mal war ich in etwa 2,5 Jahre, das zweite Mal 9 Monate da.

2. War es eine spontane Entscheidung oder über eine längere Zeit durchdacht?

Die Entscheidung der ETA beizutreten war natürlich nicht spontan, aber ich würde auch nicht sagen, dass es eine langdurchdachte Entscheidung war. Ich würde sagen, dass es ein natürlicher Prozess war. Ich habe immer in dem Kampf der Befreiung unseres Volkes teilgenommen, seit ich ein Kind war, von zu Hause aus habe ich den Konflikt erlebt und schon sehr jung war ich mir dessen sehr bewusst und wollte immer am Kampf teilnehmen. Ich war ein Teil der Studentenbewegung, der Jugendlichen, Feministinnen, etc. Dann wurde mir angeboten ein Mitglied von ETA zu werden, dass war für mich ein weiterer Schritt der Entscheidung für den Kampf. Obwohl ich Angst und Unsicherheiten hatte, konnte ich all das Leid, was mich und meine Geliebten erwarten würde, auf mich nehmen, und ich fühlte dass ich diese Möglichkeit nicht verstreichen konnte oder wollte. Der Kampf brauchte Leute, die alles geben, wenn so viele Genoss*innen diesen Schritt machten, warum ich nicht? Ich wollte mutig sein und es versuchen. Und trotz aller benannten Hindernisse, war es für mich ein großer Stolz, Teil von ETA zu sein.

3. Bevor du in die Klandestinität gingst, hattest du Erfahrungen von anderen Genoss*innen? War es ein überlegtes Thema?

Wenn ich sagte, dass ich den Konflikt von klein auf erlebt hatte, meine ich deshalb unter anderem, dass das Thema der Gefangenen und Verfolgten das tägliche Brot bei uns zu Hause waren. Ich habe mit meinem Vater und mit meiner Mutter Gefangenen und Exilierte besucht, wir gingen auch auf Demos, klar, ich erinnere mich, dass meine Mutter mich immer animierte, den Gefangenen zu schreiben…das waren Leute, die in dem Moment nicht in der Klandestinität waren, aber es vorher mehr oder weniger erlebt hatten. Niemand hat mir genau gesagt, wie das Leben in der Klandestinität genau ist, aber es war auch nicht so fern für mich.

4. Wie war der Anfang? Und danach?

Der Anfang war hart. Auf der einen Seite hatte ich das Pech ziemlich schnell abhauen zu müssen (ich wäre gerne in ETA länger „legal“ geblieben, aber das war nicht möglich. Ein Genosse wurde verhaftet und gab meinen Namen unter Folter), ich war noch sehr jung und ohne Erfahrung. Ich fühlte mich sehr verloren, vor allem bis ich zur illegalen Infrastruktur von ETA kam. Aber ich fühlte mich auch sehr stolz, dass ich mir selbst zeigte, dass ich fähig war den Bullen zu entwischen, das gab mir Sicherheit (auch wenn die Unsicherheit mich in meinem ganzen Weg des Kampfes in die Klandestinität begleitete). Für mich persönlich war der Anfang sehr hart, auch weil die Repression meine ganze Familie traf, mein Bruder wurde verhaftet, mein Vater und ich waren auf der Flucht und meine Mutter zerstört. Nach einigen Monaten normalisierte sich die Situation in unserer Familie etwas, mein Bruder wurde entlassen, und mein Vater konnte ein etwas mehr oder weniger normales Leben in Iparralde – Euskal Herria (französisches Baskenland) führen (wo die spanischen Bullen ihn weder verhaften noch foltern könnten … normalerweise, aber wir kennen auch die Fälle von Genoss*innen die entführt oder umgebracht wurden in Iparralde – Euskal Herria, mit der absoluten Toleranz Frankreichs). Für mich war es eine sehr wichtige Erleichterung und ich ging den Weg des Kampfes mit mehr Leichtigkeit.

5. Konntest du deinen Kampf weiterführen?

Die Etappe der Klandestinität war eine weitere Etappe in meinem Leben der Militanz/Aktivismus. Sicherlich wo ich mehr zum Kampf beitragen konnte in dieser Etappe, zudem war es die intensivste.

6. Hattest du die Möglichkeit (irgendwie) mit deiner Familie und Freund*innen/Genoss*innen im Kontakt zu sein, zumindest dass sie wissen dass es dir „gut“ geht?

Das Leben und die Aktivität in ETA aus der Klandestinität erschwerte sehr den Kontakt zu meinen Geliebten. Wir erhielten manchmal sehr sehr lange Zeit gar keine Nachricht voneinander. In meinem Fall haben mit Briefen kommuniziert … ich werde niemals die Freude und Tränen vergessen von all den Briefen, die ich erhielt. Mit den Genoss*innen hing es davon ab, wo wir uns gerade aufhielten. Mit denen, die auch in der Klandestinität waren hing es von der „Arbeit“ ab, die wir verrichteten, ob wir uns sahen oder nicht. Wir konnten manchmal Monate sogar Jahre 24 Stunden zusammen leben und uns dann nie wieder sehen. Später konnte ich im Knast viele Kontakte und Freundschaften wieder aufnehmen.

7. Was war für dich am „schwierigsten“ und am „einfachsten“?

Ich glaube am schwierigsten in der Klandestinität ist das Leid für deine Geliebten. Für sie ist es grausam nichts von uns zu wissen. Sie wissen, dass sie jederzeit im Radio hören können, dass sie uns verhaftet haben (wenn die Verhaftung in Spanien ist, heißt dass das sie uns wild foltern) oder noch schlimmer, dass sie uns umgebracht haben oder dass wir tot sind. Das ist super hart. Als sie mich verhaftet haben (beide Male) hat vor allem meine Mutter aufgeatmet. Für sie war es besser ihre Tochter im Knast zu sehen, als nichts von ihr zu wissen. Das ist absolut verständlich auch wenn mich das verärgert hat wenn die Leute froh waren mich im Knast zu sehen?? Ist das Freude mich zu sehen? Das ist eine der vielen Widersprüche im Kampf, ich weiß. Die Angst vor der Folter oder dem Tod (von dir selbst oder dem/der Genoss*in) ist auch sehr schwer (Nächte ohne zu schlafen in Aufmerksamkeit jedes Geräusches …) aber ich denke, dass das sicher einfach zum Überleben ist, nicht etwas was du kontinuierlich hast, so war es zumindest für mich … Das einfachste in der Klandestinität ist das Gefühl der Freiheit, dass du erlebst. Du lebst in einer Parallelwelt in dieser Welt. In den Augen der „normalen Leute“ war ich eine „normale Person“, aber in Wirklichkeit war ich etwas anderes. Ich weiß nicht, wie man das beschreibt, aber es ist ein spezielles Gefühl, sehr intensiv. Auch die Bindung, die zwischen den Genoss*innen entsteht ist speziell, sehr intensiv und normalerweise sehr schön (unabhängig von dem Nicht zusammenpassen was sein kann).

8. Wie war die Verhaftung? War es ein Schock/Wut oder Erleichterung? Wie war es in die „Legalität zurück zukommen“ im Kontext des Knastes?

Die Verhaftung war beide Male eine riesige Wut und viel Frustration. Die Erleichterung war einerseits nicht in die Hände der spanischen Bullen gefallen zu sein und der Folter entgangen zu sein. Vom ersten Moment an weißt du in jedem Moment dass sie dich verhaften werden, dass du in den Knast gehst für eine lange Zeit, aber das stoppt nicht den Schlag den du durch die Verhaftung erlangst. Da ist einmal die persönliche Seite aber auch die Konsequenzen, die deine Verhaftung in der Organisation hat, das große Problem was den Genoss*innen bleibt, die weiter in der Klandestinität kämpfen, dass Tor was der Feind geschossen hat. Ich denke, dass die Verhaftung irgendwie ein Fehler ist und ein Verlust auf allen Seiten (nur von deinen Geliebten gewinnst du, sie wiederzusehen und wieder umarmen zu können). „In die Legalität zurückzukommen“ innerhalb des Knast-kontext ist es ein Riesenschlag. Es ist von einem Freiheitsgefühl zu einem Gefangenseinsgefühl in jedem Aspekt deines Lebens und deines Körpers zu fallen (Dein Geist ist das Einzige, der nicht gefangen ist. Unser freier Geist hat uns gerettet). Das erste Mal musste ich schon die Wut und die Trauer nicht mehr draußen zu sein, kontrollieren und das Erlernen des Lebens im Knast ist niemals einfach. Wenigstens hatte ich tolle Genoss*innen an meiner Seite. Beim zweiten Mal kannte ich das Leben im Knast schon mehr oder weniger (man lernt nie aus), aber die Wut und die Trauer und die Frustration waren so groß, dass es mir noch schwerer fiel um ruhig zu bleiben und mich zu animieren, als beim ersten Mal. Das Wissen, das Gefühl und die Praxis dass das Leben im Knast und der Kampf niemals zu ende gehen, ist die Basis davon um weitermachen zu können, und das mit erhobenen Kopf, mit der Freude, der Kraft zu leben und zu kämpfen.

9. Die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen „Knast“ und „Klandestinität“.

Die Unterschiede zwischen Knast und Klandestinität sind so wie zwischen den Farben schwarz und weiß. Die Gemeinsamkeit ist in gewisser Weise außerhalb der Gesellschaft zu sein. In der Klandestinität kann es mehr oder weniger so sein, aber normalerweise bist du von der Gesellschaft isoliert. Der Knast ist dazu gemacht, um dich von der Gesellschaft zu isolieren. Der Unterschied ist, dass du in der Klandestinität versuchst dich so wenig wie möglich in der Gesellschaft zu mischen und im Gegenteil dazu ist es im Knast ein täglicher Kampf gegen die vorgegebene Isolation zu kämpfen.

10. Wie ist deine Reflektion nach all der Zeit dazu?

Ich fühle, dass ich sehr viel Glück gehabt habe, es geschafft zu haben und mich getraut zu haben das Beste von mir für den Kampf für die Befreiung unseres Volkes gegeben zu haben. Mit allen unseren Fehlern und Miseren, denke ich dass wir stolz auf unseren Kampf sein können. Ich fühle mich privilegiert, da ich an diesem Projekt teilnehmen konnte und kann was nur möglich ist und war durch all die Arbeit von tausenden von Frauen und Männern unseres Volkes (und internationalistischen Genoss*innen). Einige sind auf der Strecke geblieben oder haben schwere Krankheiten, und ich bin weiter am Leben, mit Energie und Freude um weiterzukämpfen … was könnte ich mehr wollen?

Außerdem eine weitere Reflektion; die Ehrlich ist, jetzt wo unsere Organisation nicht mehr existiert und wo die Klandestinität keine Option mehr in unserem Volk ist, fühle ich mich etwas erleichtert. Ich erinnere mich als ich das zweite Mal in die Klandestinität ging (nach 4,5 Jahren Knast und ohne in Freiheit zu bleiben), fühlte ich mich wie die Wolken, glücklich, als wenn das Leben mir eine zweite Chance geschenkt hätte. Aber ich war traurig wegen meinen Geliebten, klar (außerdem war mein damaliger Freund im Knast), aber ich war mir dieses Widerspruchs bewusst, ich fühlte mich sehr gut. Aber wenn ich jetzt nochmals in die Klandestinität zurück müsste (ich hoffe [im Brief steht an dieser Stelle nichts]) würde ich es anders erleben, es wäre viel härter ein drittes Mal so viel Leid meinen Geliebten anzurichten, es wäre jedesmal härter. Deshalb sehe ich es als Glück an, am Kampf teilzuhaben ohne Waffen nehmen zu müssen.

11. Fühlst du/Fühltest du dich auf eine gewisse Weise von deinem Umfeld entfernt/entfremdet? Wie hat dich dein Umfeld später unterstützt? Hast du dich in diesen Erfahrungen verändert?

Natürlich musste ich mich von meinem Umfeld entfernen, zumindest physisch. Trotzdem fühle ich, dass wir sehr vereinigt und sehr nah mit meinem Umfeld (im Herzen und im Kopf) sind. Es ist unser täglicher Kampf zu versuchen, dass sie uns nicht trennen … sie haben es nicht geschafft und ich denke, dass ich es mit Sicherheit sagen kann, sie werden es niemals schaffen!

Mein Umfeld hat mich wunderbar unterstützt. In jedem Moment und für alles waren und sind sie da, meine Geliebten. Sie haben mit mir immer gelitten, gekämpft und genossen. Mein Vater, mein Bruder, meine ganze Familie, meine Freund*innen … und meine Mutter.

Natürlich habe ich mich in diesen Erfahrungen verändert und in Wirklichkeit gefällt mir diese Veränderung. Ich bin mir sicher, ohne meine Militanz/mein Aktivismus in der ETA wäre ich eine andere Person. Ich habe einiges auf dem Weg verpasst (z.B. kann es sein, dass ich niemals eine Mutter sein kann, obwohl ich es immer wollte). Ich denke, dass das Leid der Genossinnen, die nicht Mütter werden konnten unsichtbar ist. Oft spricht man über die Genoss*innen, die als Mütter oder Väter weit weg von ihren Kindern sein müssen, was natürlich auch sehr hart ist. Es gibt auch Männer die keine Väter sein konnten, aber ich denke das es für sie leichter war gleichzeitig Mitglied und Vater zu sein, als für uns Frauen, da sie die Mütter ihrer Kinder zu Hause haben … Aber das sind die „Spielregeln“ und ich nehme sie in Kauf. So viele Jahre (und die wichtigen in meinem Leben … meine ganze „Jugend“) „außerhalb der Gesellschaft“ gelebt zu haben, hat sicherlich Schaden genommen, aber ich denke, dass ich auch einige wichtige Lektionen gelernt habe, auf eine antikapitalistische Art. Ich denke, dass mich das System nicht so sehr in seinen Bann gezogen hat wie viele Leute um mich herum, und das Gefühl gefällt mir.

12. Was rätst du jüngeren Genoss*innen von heute, welche Punkte sollten sie im Bewusstsein haben oder reflektieren bevor sie solche Erfahrungen machen (könnten)?

Für mich ist es sehr wichtig mit uns selbst ehrlich zu sein (und mit unseren Genoss*innen) über unsere Ängste, Unsicherheiten und Unfähigkeiten zu sprechen. Das kann offensichtlich sein aber ich denke dass es oft die Tendenz gibt sie zu verneinen oder sie zu verstecken im Namen der Stärke. Ich denke, dass es genau das Gegenteil ist, unsere Schwierigkeiten zu akzeptieren gibt uns Vertrauen und persönliche kollektive Stärke.

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In Erinnerung an unseren großen Freund und Gefährten Vaso https://panopticon.blackblogs.org/2018/09/12/in-erinnerung-an-unseren-grossen-freund-und-gefaehrten-vaso/ Wed, 12 Sep 2018 18:19:17 +0000 http://panopticon.blogsport.eu/?p=314 Continue reading ]]> (Hier ein Text von Lisa, der am 1.September 2018 auf Indymedia Barcelona veröffentlicht wurde. Lisa bat darum diesen auch ins deutsche zu übersetzen.)

In Erinnerung an unseren großen Freund und Gefährten Vaso

Brief aus dem Knast Willich II, Deutschland

„Es gibt Todesfälle die kaum wie eine Feder schwer wiegen. Andere sind wie Berge…“

Ich empfinde das es ein dunkler und grauer Moment voller Schmerz ist, weil eine so besondere Person verloren gegangen ist. Ein höchst solidarischer Kämpfer und ein guter Mensch wie es Vaso war. Es gibt wenige Gefährten unter uns, die so wie er involviert, motiviert und kämpferisch waren. Auch in harten und komplizierten Situationen, war er fähig seine geliebten Freund*innen und Gefährt*innen zum Lachen zu bringen und hatte immer viel Humor für sie übrig. Gleichzeitig blieb er engagiert und kohärent mit dem libertären und anarchistischen Kampf, und gegen die Feinde der Freiheit; der Staat, die Nazis und das kapitalistische System.

Er war ein wahrer Gefährte, er half jeden der es brauchte, immer „voll dabei“ bei vielen Aktivitäten in den sozialen Zentren und auf der Straße, er öffnete tausende Häuser um sie zu besetzen und unterstützte jene die in die Fänge des Staates und seiner Justiz gefallen sind, an die die Gefangen waren und es immer noch sind. Vaso besuchte einige von uns in den so weit entfernten Knästen des spanischen Staates, mir schrieb er kontinuierlich von Anfang an meiner Inhaftierung, seit den 2,5 Jahren meiner Gefangenschaft. Er erzählte mir immer über die politische Situation in Barcelona, in seinem Kiez von Sant Andreu, über die Hausbesetzungen, die sozialen und anarchistischen Aktivitäten… die Reflexionen, die Zweifel, die Widersprüche, die Erfolge… und immer hat er mich ermutigt.

Er gab mir viel Kraft und viel Wärme, er brachte mich trotz alldem zum lachen, er hielt mich in einem Kampf gegen die Entfernung und die aufersetzten Grenzen seitens des Staates, des Rechtssystems und der Herrschaft, am Leben. Ich kenne keine Details und nicht den Grund für seinen Tod, aber ich weiß wie sehr so viele Freund*innen und Gefährt*innen ihn vermissen werden, die das Glück gehabt haben, mit ihm den Weg geteilt haben zu können.

Ich persönlich erinnere mich an viele tolle gemeinsame Momente an Geschehnisse, Vollversammlungen, Workshops, besetzten und selbstverwalteten Räumen und vor allem auf der Straße… seine Überzeugung und Kraft vor der Repression bei den Operationen Pandora I und II, sowie Piñata, bei der er selber beschuldigt und solidarisch zur gleichen Zeit war… und auch von seiner Unterstützung und Solidarität die Mauern und Gitter durchdrangen. Ich werde ihn nie vergessen, weder seinen so treuen und leidenschaftlichen Kampf für die Freiheit und gegen jede Form von Unterdrückung und Herrschaft. Sein Verlust wird schwer sein und sehr weh tun, aber sein-unser Kampf und Weg bleibt.

Vaso Freund und Gefährte: Wir werden dich niemals vergessen! Du wirst immer in unseren Herzen bleiben!

Nichts hört auf, alles geht weiter.

Kraft, Mut und viel Wärme für sein enges und nahes Umfeld…

Lisa,
JVA Willich II
August 2018

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Knastinterview mit Lisa https://panopticon.blackblogs.org/2018/08/05/knastinterview-mit-lisa/ Sun, 05 Aug 2018 19:47:10 +0000 http://panopticon.blogsport.eu/?p=270 Continue reading ]]> (Dieses Interview hat Lisa mit einer libertären Publikation aus Dresden gemacht)

Wie hast du den Prozess empfunden?

Es war mein erster Prozess, den ich als Angeklagte erlebt habe und dann noch so ein großer, bei dem so einige Jahre auf dem Spiel standen. Ich hatte somit wenig Erwartungen und Vorstellungen, was vielleicht auch besser so war. Ich habe es eigentlich ziemlich stark und locker erlebt, der erste und vor allem der letzte Prozesstag waren nur etwas härter und aufreibender. Anstrengend waren die ganzen Transporte aus Köln und, dass sie und in Aachen fast nichts zu essen gegeben haben und ich mich dort fast nur von Nüssen und Rosinen ernährte, dank den Anwälten. Ausserdem konnte ich mich ja mit meinen Gefährt*innen und Freund*innen nicht austauschen und musste alle wichtigen Entscheidungen für mich alleine treffen. Ich hatte aber jederzeit vollstes Vertrauen in meine Leute, und fühlte mich auch 100% unterstützt von ihnen und vielen weiteren Gefährt*innen. Das gab mir natürlich eine riesen Stärke und viel Stolz auf uns, unsere Ideen und unsere Kämpfe.

Wie hat es sich angefühlt dieses Urteil zu bekommen?

Ich wusste ja, dass die Chancen verurteilt zu werden viel höher waren, auch wenn der Prozess positiv verlief und alles juristisch zu einem Freispruch führen müsste. Deshalb war ich auf eine Verurteilung vorbereitet und somit schockte es mich nicht. Aber natürlich war es trotzdem knallhart mir die nächsten Jahre im Knast vorzustellen, es geht ja schließlich um mein eigenes Leben und das ist emotional schon krass, v.a. zu wissen manche geliebten Menschen in Freiheit nicht wieder sehen zu werden. Im Gerichtssaal packte mich nach einigen Minuten eine absolute Wut auf diese Scheiss-Justiz, den Staat, die Bullen, dass sie uns die Freiheit, die Selbstbestimmung und unser Leben rauben, uns wegsperren. Es wundert mich zwar nicht, dass sie wie immer die Stärke, die Entschlossenheit und die Solidarität bestrafen, wie in dem Fall mich und mein Umfeld, aber es macht mich trotzdem so wütend, dem so wenig entgegensetzten zu können, außer natürlich noch mehr Stärke, Stolz, Würde… und ganz viel Wut.

Aber ich fühlte mich mit dieser Wut immerhin nicht alleine, sondern fühlte, dass der ganze Prozesssaal fast am explodieren war.

Jetzt im Nachhinein hat sich das auch nicht geändert, bloss das ich noch so einige, weitere Erfahrungen im Knast gemacht habe, die mich natürlich auch sehr geprägt haben. Ein Urteil ist ja nicht einfach nur eine Klatsche für den Moment, sondern eine Realität, die du jeden Tag aufs neue spürst… und zwar ganz besonderes hier im Knast, in dem alle verurteilt wurden und auch viele sehr viel Ungerechtigkeit und Schikane in ihren Prozessen erfahren haben.

Du hast erst in U-Haft gesessen, in der JVA Köln und nun in Willich. Wie können wir uns diese verschiedenen Knäste vorstellen?

In Spanien saß ich in Isohaft (in Soto del Real in Brieva), da mein Pandora-Verfahren noch offen war (inzwischen eingestellt). Isohaft ist natürlich im Vollzug viel schärfer, und trotzdem gibt es auch so manche Vorteile im Knast in Spanien verglichen mit Deutschland. Köln ist ein alter großer Knast mit mehr als 1000 Gefangenen, in dem sich Männer und Frauen ständig auf dem Gang und in teilweise gemischten Aktivitätsgruppen begegnen. Fast alle sind in U-Haft, es gibt somit eine riesige Fluktuation. Die Zustände sind teilweise miserabel, es gibt sehr viel Armut, Misere und Kommunikationsprobleme. Der Nicht-Deutschsprachige- und Analphabet*innenteil ist sehr groß… aber viele bekommen nur kurze oder Bewährungsstrafen. Willich II ist ein abgetrennter Frauen-Langzeitstrafenknast, etwa 200 Gefangene. Die meisten saßen schon vorher in anderen U-Haft-Knästen und haben schon Monate oder Jahre hinter sich. Die Atmosphäre ist somit ruhiger, aber die typischen Knastdynamiken sind stärker ausgeprägt. Dadurch, dass schon mehr Erfahrungen zusammen gemacht wurden, weiß jede, wie die andere drauf ist, wer aggressiv oder stressig ist, wer zinkt, wer lügt oder link ist, wem mensch trauen kann… Der Alltag vor allem in Willich ist von der Arbeit geprägt, da fast alle arbeiten und in Strafhaft ja Arbeitszwang herrscht. Ausserdem gibt es den täglichen Umschluss und die Freistunde, und zu dem wöchentliche Gruppen und ab und zu Sport. Letztendlich sind alle Knäste ähnlich in ihrer Bestrafungskonzeption, Willich ist wohl noch strenger und koservativer als der Knast in Köln, und der Vollzug ähnelt auf vielen Ebenen einer Forensik mit all den erzieherischen Massnahmen, dem Druck und den Erpressungen gegenüber Gefangenen.

Wie sieht dein Alltag dort aus? Deine Lebenssituation?

Ich arbeite, hab einen vollen Alltag mit Aktivitäten und sozialen Kontakten und mache ziemlich viel Sport, auch im Hof oder auf der Zelle. Ausserdem lese und schreibe ich, vor allem am Wochenende, wenn ich mehr Zeit dafür habe. Der Kontakt nach draußen ist sehr gering hier, ich bekomme zwar regelmäßig Besuch und Briefe, aber wir dürfen hier nur einmal im Monat telefonieren. Die Arbeit ist sehr beschissen bezahlt, mein Glück ist, dass ich nicht rauche und keine Abhängigkeiten habe, aber Geld von draußen können wir in Strafhaft sowieso nicht beziehen und die Preise im Einkaufsladen, wo wir einmal im Monat einkaufen können, sind scheiss teuer, teilweise doppelt so teuer wie in Supermärkten draußen, deshalb leben wir hier im Minimum, selbst wenn wir 40 Stunden wöchentlich teilweise sehr hart und körperlich arbeiten.

Gehst du arbeiten? Freiwillig? Konntest du aussuchen was du tust?

Ja, ich arbeite in Montage, natürlich unfreiwillig, wie alles im Knast unfreiwillig ist. Ich habe es dennoch vorgezogen mich der Arbeit nicht zu verweigern, um mehr Zeit ausserhalb der Zelle in Gemeinschaft zu sein und nicht in absoluter Armut zu leben, da wir ja hier in Deutschland in Strafhaft kein Geld mehr von draußen beziehen dürfen.

Wie sind die Arbeitsbedingungen?

Wie in normalen Betrieben auch, bloß mit mehr Kontrolle der Arbeitswerkzeuge, -Materialien und natürlich der Gefangenen… und richtig beschissener Bezahlung. Der Rest ist aber sehr ähnlich zur Arbeit in ganz normalen Betrieben in der unqualifizierte, stupiede Arbeit verrichtet wird.

Was fehlt die am meisten?

Die Freiheit. Die Selbstbestimmung. Die Unabhängigkeit. Und meine Familie, Freund*innen und Gefährt*innen, auch für sie da sein zu können, ganz besonders dann, wenn sie mich bräuchten. Ausserdem fehlt mir das Meer und die Berge…

Was ärgert dich am meisten?

Die größte Wut hab ich gegen all die täglichen Ungerechtigkeiten, die Schikane, die Unterdrückung und die Ausbeutung gegen uns Gefangene von Seiten des Knastes, der Schließer, des Staates, der Justiz, der Firmen, des Systems… das wir so Machtlos sind, oft wie Scheisse behandelt werden, unsere Körper und unsere Zeit nichts Wert sind, wir in Armut und Zwang gehalten werden, um uns besser ausbeuten zu können, wir auf Grund unserer Herkunft, unserer Geschichte oder unserer Gruppen oder „Banden“ diskriminiert und härter bestraft werden – beziehungsweise hier im Knast niemals „gelockert“ werden; wie versucht wird uns unter Druck, unter Stress oder in Abhängigkeiten zu halten, damit wir gefügig sind und an uns die ganze Pharma-Industrie verdienen kann… und noch so vieles mehr. Das ist zwar alles nichts neues, aber hier ist es in jedem Moment spürbar, und somit verschärft sich die schon immer vorhandene Wut gegen den Staat und das System.

Knäste sind mit ihren Haken, monotonen Routinen und Bestrafungssystemen dazu gemacht Menschen zu isolieren und zu brechen. Nimmst du das so wahr?

Ja. Nicht alle Routinen sind negativ, aber es ist ja etwas anderes eine feste, starre Routine vorgegeben zu bekommen, als sich selbst eine zu schaffen, um stark zu bleiben. Von der Zwangsroutine des Knastes gibt es ja keinen Ausbruch im Alltag. Das Bestrafungssystem ist natürlich die Wurzel des Knastsystems und genau dazu konzipiert um freie, rebellische oder einfach nicht anpassungsfähige Menschen zu brechen.

Wie versuchst du dagegen Widerstand zu leisten bzw. ist das überhaupt möglich?

Widerstand auf inividueller Ebene ist schon möglich, wenn mensch sich nicht entwürdigen oder kaputt machen lässt, das Knastsystem und die Schließer niemals legitimiert, ihnen gegenüber nicht unterwürfig ist, sich für die eigenen Rechte und die der Gefangenen einsetzt, solidarisch bleibt, sich nicht erpressen lässt und keine Angst vor Bestrafung hat… und möglicherweise neue Komplizenschaften auch für die Haftzeit hinaus bildet. Ein einzelner, starker und entschlossener Mensch kann auch hier im Knast sehr viel bewegen, ganz besonders dann, wenn es um sehr bewusste Entscheidungen und Wege geht. Das große Problem ist aber, dass der Großteil der Gefangenen so unterwürfig, schwach und egoistisch ist, und Organisierung und kollektiver Widerstand hier deshalb ziemlich unmöglich ist, weil es kein Vertrauen untereinander gibt. Kleinere Protestformen könnten möglich sein, aber nur dann wenn die Situation hier drinnen wirklich existenziell wird und die Gefangenen nichts mehr zu verlieren hätten, doch so lange sie mit Lockerungen und Strafen zu kaufen sind, werden sie so ziemlich jede Ausbeutung und Schikane einfach hinnehmen, zu mindest so weit es hart auf hart kommt. Und trotzdem gibt es immer wieder kleinste, widerständige Momente, die doch bei so einigen Gefangenen (und auch Schließern auf der anderen Seite) tiefe Spuren hinterlassen und zeigen, dass doch so einiges möglich ist, vorallem weil im Knast jede Art von Solidarität und Widerstand besonders intensiv gelebt wird.

Persönlich versuche ich immer stark und würdevoll durch den Knast zu gehen und mich gegen Ungerechtigkeiten zu wehren, oft hab ich auch Diskussionen und Probleme, manchmal bekomm ich auch „Diszis“ (Disziplinarstrafen). Ich hab aber immer versucht auch dabei auf mich selbst aufzupassen, nicht angreifbar zu sein und mich clever zu verhalten, um nicht kalt gemacht zu werden. Manchmal musste ich deshalb auch einen Schritt zurück gehen, was natürlich nicht leicht ist, aber insgesamt habe ich schon in allen wichtigen Momenten reagiert. Solidarität habe ich mit einzelnen Gefangenen erfahren.

Hast du Menschen im Knast mit denen du dich austauschen kannst?

Ja, es gibt einzelne würdevolle und rebellische Gefangene, aber der Großteil ist das absolute Gegenteil… genauso wie draußen in der Gesellschaft auch. Ich hatte aber immer Glück in meiner ganzen Knastzeit zumindest ein zwei Bezugspersonen zu haben, mit denen ich mich persönlich und teilweise politisch gut oder sehr gut austauschen konnte.

Wie ist das soziale Verhältnis der Menschen innerhalb der Knäste?

Es ist genauso wie draußen auch, die meisten sozialen Kontakte sind oberflächlich und Interessenbezogen, aber es gibt auch tiefere, enge Bindungen, die mensch hier evtl. finden kann. Das Problem ist, dass der Knast an sich eine Zwangsgemeinschaft ist, in dem mensch sich die Gemeinschaft und die Mitgefangenen eben nicht aussuchen kann. Wenn es Konflikte gibt, kann mensch sich nur schwer aus dem Weg gehen und muss sich irgendwie arrangieren, und das führt oft zu sehr viel Stress und Spannungen und artet manchmal dann auch in Gewalt aus.

Wie ist die Gesundheitsversorgung?

Sehr schlecht. Ich selbst hatte bisher immer Glück und noch keine gesundheitlichen Probleme, aber ich habe viel von anderen Mitgefangenen mitbekommen wie schlecht die Versorgung, gerade in ernsten Angelegenheiten, ist.

Wie sieht deine persönliche Perspektive im Knast aus?

Ich warte weiter auf meine Überstellung nach Spanien, die irgendwann vollzogen werden soll, wie bei allem im Knast braucht mensch immer viel Geduld, da es sehr langsam läuft. Wie dann mein weitere Weg durch den Knast in Spanien sein wird, werde ich noch sehen. Ich habe aber auf jeden Fall vor immer stark und würdevoll meinen Weg weiter zu gehen und für Gerechtigkeit, Freiheit und Anarchie immer weiter zu kämpfen, egal wie und wo auch immer.

Möchtest du denn Leser*innen noch etwas sagen?

Es ist wichtig keine Angst vor dem Knast und der Repression zu haben, da es zum Kampf dazu gehört. Klar ist es wichtig nicht zu leichtsinnig mit der eigenen Freiheit zu spielen, aber Knast ist niemals das Ende, sondern verschärft viel mehr die Entschlossenheit in sogar der beschissensten Situation – und dort erst recht – immer weiter zu kämpfen. Es gibt viele knallharte, krasse und ungerechte / unmenschliche Erfahrungen, aber auch einige unglaublich schöne und starke Erfahrungen und Begegnungen hier drinnen. Das wichtigste ist sich selbst immer ehrlich und treu zu bleiben – dann kann der Knast dich niemals brechen.

Lisa

JVA Willich II

Mai/Juni 2018

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Moderne Sklaverei in der JVA Willich und im allgemeinen in deutschen Knästen https://panopticon.blackblogs.org/2018/08/04/moderne-sklaverei-in-der-jva-willich-und-im-allgemeinen-in-deutschen-knaesten/ Sat, 04 Aug 2018 18:16:34 +0000 http://panopticon.blogsport.eu/?p=260 Continue reading ]]> von Lisa

Was unterscheidet ein Arbeitszwangslager des letzten Jahrhunderts von einer gewöhnlichen Justizvollzugsanstalt in Deutschland heute?

Ehrlich gesagt sehr wenig. Vielleicht wird heutzutage weniger physisch geschlagen und gefoltert als damals, aber die Logik und das System der Bestrafung, Ausbeutung und Unterdrückung sind heutzutage ganz genau die gleichen wie immer schon. Warum ist die Politik des Justiz wieder um einiges härter geworden, warum landen viele Menschen für kleiner Kriminalität, Geldstrafen etc. schon im Knast oder werden viel härter für Delikte verurteilt, wofür sie noch vor 5 oder 10 Jahren viel weniger bekommen hätten oder auf Bewährung freigelassen wären? Warum wird wieder voel mehr von knallharter Bestrafung und dem Wegsperren gesprochen und weniger „Lockerungen“ und Reststrafenbewährungen zugestanden? Was bringt der/die Gefangene dem Staat im Knast für einen Nutzen?

Ganz einfach: super billige und ausbeutbare Arbeitskraft, ein astreiner Supergewinn für jeden Konzern, der unsere Abhängigkeit und Unterdrückung knallhart wie eine Zitrone auspressen kann. Wir als Gefangene arbeiten in deutschen Knästen sozusagen konkurrenzlos, für einen Hungerlohn, gezwungen zum malochen um überhaupt mal aus der Zelle rauszukommen und in Gemeinschaft sein zu dürfen… und natürlich um ein wenig Geld zum Überleben im Knast zu haben.

In Strafhaft herrscht Zwangsarbeit, wer nicht arbeitet, dem werden (zumindest in Willich) die Haftunterbringungskosten vom Knastkonto abgezogen, das heißt dass man kein Geld zum telefonieren, Wäsche waschen, Miet-TV, Radio, CD, DVD – Player (Eigengeräte werden hier nicht zugelassen) etc. oder zum Einkaufen hat? Zwar bekommt man das Knastessen „kostenlos“, aber alles weitere wie Tabak, Kaffee, Wasser, Süßigkeiten, Hygieneartikel oder auch halbwegs gesunden Essen, wie Obst oder Gemüse, kann man sich nur zu außerdem total überteuerten Preisen kaufen. Wer nicht arbeitet , kann gar nichts davon kriegen, denn in Deutschland ist es in Strafhaft nicht möglich Geld von draußen zu beziehen.

Zudem arbeiten wir in Haft weiter unter dem Mindestlohn, ohne Verträge, ohne Kündigungsfristen, ohne Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, ohne Renteneinbezahlung, da die Arbeit hier nicht als Arbeit sondern als „Maßnahme“ angesehen wird. Wer nach Jahren Knastarbeit entlassen wird, steht ohne nichts da – vom Knast in die Armut ausgespuckt, sich selbst überlassen und in Hoffnunh sich nach eigenen Mitteln und Fähigkeiten zu arrangieren. Resozialisierung heißt nichts anderes als zunächst innerhalb und dann auch außerhalb der Knastmauern sich als unterwürfiges Arbeitstier in die kapitalistische und miserable Welt einfügen zu sollen.

So ist es auch in Willich. Teil der Knastarbeit ist zur Aufrechterhaltung des eigenen Knastes gedacht (Putzkräfte, Küche, Garten Hausarbeiter*innen, Bekleidung, Kammer, etc.), außerdem gibt es externe Firmen wie z.B., Wenko, Suthor, u.v.a., die uns als fast kostenlose Arbeitskräfte bekommen. Meistens geht es um absolut stupide Fabrikarbeit, wie zusammenstecken, kleben, etikettieren, aufbauen, etc. … für Arbeiten, die draußen niemand für diesen Preis machen würde, für die sonst Menschen (oder Kinder) in Afrika oder Asien ausgebeutet werden würden. Das perverse ist bloss, dass das Thema Zwangsarbeit in deutschen Knästen in der Gesellschaft niemand interessiert, viele davon wohl auch gar nichts wissen oder wissen wollen … oder es sogar gut heißen, das „Verbrecher*innen“ auch noch von Firmen und dem Staat bis ins letzte ausgequetscht und sich an uns bereichert wird, sozusagen als zusätzlich Entwürdigung und Bestrafung. Oder als Abschreckung, damit wir uns demnächst bloß an die vorgesetzten Regeln der Herrschaft und der Macht halten sollen. An uns werden Gesetzte statuiert, das ganze Bestrafungssystem gerechtfertigt, eine lächerliche Pseudo – „Resozialisierung“ vorgehalten, nur um uns in den übelsten Bedingungen halten zu können, und um letztendlich das Einzige von uns Gefangenen herauszupressen, wofür wir für die Gesellschaft noch wert sind: eben unsere produktive Arbeitskraft.

Es ist schon verdammt traurig, wie wenig wir als Gefangene dagegen ausrichten, wie schwer es ist alleine gegen diese Zustände anzukämpfen, wenn der Großteil der Gefangenen diese Realität schon längst geschluckt hat oder sich auch kollektiv nicht wehren will um mögliche Lockerungen oder „Privilegien“ nicht aufs Spiel zu setzen. Dabei geht es es letztendlich um unsere Existenz, unsere Gesundheit, unsere Bedingungen und unser (Über-) Leben. Aber sicherlich ist der Kampf gegen die Zwangsarbeit im Knast auch nicht ohne eine größere Unterstützung von draußen möglich, doch auch dafür bedarf es zunächst einer größeren Organisierung und Perspektiven von uns als Hauptbetroffene. Auch wenn es nur einzelne Gesten, kleine Risse, Sabotage oder Verweigerungen von Einzelnen in diesen miserablen Zuständen sind, zeigen sie doch dass Widerstand möglich ist und dieser Windstoß so einiges beflügeln kann.

GEGEN DAS KNASTSYSTEM, DIE ZWANGSARBEIT UND JEGLICHE FORM VON AUSBEUTUNG, HERRSCHAFT UND UNTERDRÜCKUNG!

FREIHEIT FÜR ALLE! (A)

Lisa, August 2018

JVA Willich II

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Für die Anti-Knast-Tage https://panopticon.blackblogs.org/2018/02/22/_fuer-die-anti-knast-tage_/ Thu, 22 Feb 2018 18:35:42 +0000 http://panopticon.blogsport.eu/?p=144 Continue reading ]]> Für die Anti-Knast-Tage

13. Oktober 2017

Es gibt wohl Kaum einen Ort wie der Knast, in der sich Ungerechtigkeit, Ausbeutung und Unterdrückung so zu spitzen. Auch wenn sich manches im Vollzug angeblich gebessert und gelockert haben soll im Vergleich zu Jahrzehnten zuvor,, ist das im Regelvollzug, also dem geschlossenen Vollzug überhaupt nicht spürbar. Oft sind die Zustände in vielen Knästen eher sogar noch schlimmer als z.B. vor 10 Jahren. Es gibt nach wie vor allgemein nur 1 Stunde im Hof, wenig oder gar keine Arbeit, unglaublich wenig Kommunikationsmöglichkeiten nach draussen (vor allem in U-Haft), eine Katastrophale medizinische Versorgung, eine Verwahrlosung von psychisch und körperlich kranken Gefangenen, große Schwierigkeiten für Ausländer*innen, Nicht-Deutschsprachigen und Analphabet*innen, die eine große Anzahl der Gefangenen bilden, kaum Aus- und Weiterbildungsoptionen oder Aktivitäten, immer mehr Vergitterung und „Sicherheitsmaßnahmen“…
Es wird zwar ständig von Resozialisierung gesprochen, aber letztendlich heisst das nur die Gefangenen in ein Arbeitssklavensystem innerhalb oder dann auch ausserhalb des Knastes einzubinden und sie dort als unselbstständige und domestizierte Ausgebeutete zu halten, ansonsten wird immer mit Strafe und Verschlechterung ihrer Situation gedroht und sie dann natürlich auch durchgesetzt. Es ist schon bemerkenswert wie das Knastbestrafungssystem über Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte zwar immer makellos weiterentwickelt wurde, aber dabei im Wesentlichen genauso funktioniert wie seit seiner Einführung. Es wird heute in Deutschland weniger geschlagen und gefoltert, dafür wird einem/r das wenige genommen, das nicht sowieso schon geraubt wurde. Es können Besuche oder Anrufe gestrichen , der Kontakt mit Mitgefangenen, Arbeit oder Aktivitäten entzogen, der Fernseher aus der Zelle genommen oder Mensch im Bunker oder Sicherheitstrakten isoliert und weggesperrt werden. Die Drohungen sind ständig da, die Ausführungen auch; dem Knast geht es einfach nur darum jede Art von freien, rebellischen oder einfach nicht „anpassungsfähigen“ Menschen zu brechen und zu drimmen, es soll erzogen oder ansonsten bestraft werden. Natürlich wird jede Form von sozialem Einsatz, Solidarität oder Organisierung mit anderen gegen diese täglichen Ungerechtigkeiten besonders geahndet, sofort wird immer alle smit „Aufstand“ und „Meuterei“ versehen, auch wenn es um lächerliche Kleinigkeiten oder sogar ganz grundsätzliche Rechte geht.
Die Isolation als ständiges Mittel für alles kommt auch nicht nur als Strafe vor, sondern auch in anderen Fällen, natürlich ständig gegen politische Gefangene, die „gefährlich“ sein können oder „gefährliche Bewegungen“ hinter sich stehen haben, allgemein in der U-Haft wenn es sogenannte „Tätertrennungen“ gibt und normale Gefangene in normalen Hafthäusern von anderen Mitgefangenengrundsätzlich isoliert werden, oder auch wenn jemand eine ungeklärte eventuell ansteckende Krankheit haben könnte oder sich vom Arzt nicht kontrollieren lassen will, dann eine Art „Quarantäne“ im normalen Hafthaus gesteckt wird, und mit niemendem in Kontakt treten darf, somit komplett isoliert und ausgegrenzt wird. Gefangene werden einfach wie ein Stück Scheisse behandelt, das nichts wert ist. Dem Knast geht es ja nur um die eigene Ordnung und dass nichts schief läuft, also auch wenn alle menschlich kaputt gehen, solange sich niemand umbringt, alles ok ist.
Die Gesetze, Vorschriften und Regeln sind im allgemeinen sehr streng, die zugestandenen Rechte minimal. Das lässt den Schliessern oft einen riesengroßen Spielraum, die sie mit ihrer Willkür selbst ausfüllen können. In gewissen ruhigen Phasen wird oft mehr zugelassen, allerdings auch damit sich die Gefangenen an einen lockeren Vollzug gewöhnen und somit immer erpressbar sind, also es auch sofort wieder gestrichen werden kann, falls sie sich nicht so verhalten wie vom Knastsystem gewünscht. Die Scheiss-Vorschriften lassen ja alles zu.
Natürlich gibt es viel Rassismus, Ausbeutung und patriarchale Gewalt im Knast unter Mitgefangenen. Im Frauentrakt trifft es fast immer die grösste und diskriminierteste ethnische Gruppe, die Sintis und Romas, aber auch andere Gruppen und Minderheiten kann es treffen.
Macht wird ständig benutzt und ständig mißbraucht von Seiten derjenigen die sie haben, deshalb herrscht auch auf Seiten der Gefangenen, die unten stehen eine unglaubliche Macht – und Hilfslosigkeit, was bei einigen zur Vereinzelung oder Depression führt, bei vielen anderen zu einer totalen Unterwürfigkeit und Egoismus. Es sind leider nur wenige Gefangene in der Lage sich solidarisch etwas gegen dieses ständige Unrecht zu stemmen. Oft werden ja genau diese solidarischen Einsätze unterbunden oder zerschlagen, Leute in andere Hafthäuser verlegt und getrennt, etc. Deshalb ist es wichtig sich intelligent und trotzdem würdig durch diese ganze Schikane zu bewegen, klar zu wissen welche Konsequenzen tragbar und es wert sind und überlegt entscheiden. Sonst wird mensch hier einfach kalt gemacht. Trotzdem ist es genauso wichtig nicht einfach alles zuzulassen, sondern sicheinzusetzen und zu kämpfen, denn ansonsten bleiben einem ernsthafte menschliche Schäden. Aber es ist überhaupt nicht leicht zwischen diesen zwei Linien zu balancieren.
Das Knastsystem steht nicht ausserhalb der Gesellschaft, sondern ist ein fundamentales Element von ihr ohne die der Staat und sein Herrschafts- und Unterdrückungssystem gar nicht existieren könnte. Es wird mit Strafe und Knast gedroht, damit sich die Menschen in diese miserable Welt einfügen, bloss nicht über ihre vorgesehenen Grenzen hinausschreiten und sich selbst kontrollieren und zähmen sollen, ansonsten eben eingesperrt werden. Ständig wird von der Gefährlichkeit von Sexual- und Gewaltverbrechen gesprochen, das ganze Bestrafungssystem damit gerechtfertigt und die Gesellschaft eingeschüchtert. Dabei sitzen die meisten Gefangenen wegen geld-, Wirtschafts-, und Eigentumsdelikten und genau das wird geahndet, besonders hart wenn es um Eigentum der Reichen und Mächtigen geht. Viele Gefangene kommen aus ärmsten und miesesten Verhältnissen und versuchen einfach ein etwas würdevolleres Leben führen zu könne. Die Frauen trifft zudem auch die patriarchale Gewalt und Ausbeutung, oft auch Grund weswegen sie im Knast landen.
Auch in unseren politischen Zusammenhängen soll Repression und Knast als Abschreckung dienen, damit wir bolss nicht zu wild, rebellisch oder organisiert werden und vor allen Dingen dem System keine Gefahr bieten. Dabei wird Knast oft immer noch mit der totalen Isolation, der Einsamkeit, der Langeweile und dem ständigen Eingesperrtsein verbunden, was zwar auch alles der Fall sein kann, aber nicht das Einzige sein muss. Auch hier drinnen ist es wichtig das Beste und Stärkste aus jeder Situation zu machen, den Widerstand kreativ und vielfältig auszuüben, soziale Kontakte aufzubauen, viel von anderen wie auch von sich selbst zu lernen und niemals aufzugeben.
Es ist so verdammt wichtig die eigene und kollektive Angst vor diesem Scheiss-Knastsystem zu bekämpfen und Stärke aus den Erfahrungen, dem Überleben und dem Widerstand zu ziehen, trotzdem niemals zu leichtfertig oder unbewusst mit der eigenen Freiheit zu spielen. Aber das Leben und der Kampf gehe auch im Knast weiter und nach der Knastzeit weiter. Gerade sind es oft die harten Erfahrungen in unserem Leben, die uns viel stärker sensibilsieren, radikalisieren, zusammenschweissen und eine Kraft und Entschlossenheit geben, die wir sonst niemals gehabt hätten.
Hiermit schicke ich euch solidarisch und kämpferische Grüße nach Berlin zu den Anti-Knast-Tagen. Ich hoffe sehr von spannenden Diskussionen und Debatten zu hören, und dass viele weitere Projekte und Komplizenschaften entstehen.
Passt auf Euch auf! Macht weiter! Und lasst Euch niemals bändigen! Viel Kraft allen, die durch den Knast durchmüssen!
Auf dass alle Knäste niedergestürzt werden und jede Form von Herrschaft und Autorität zerschlagen wird!
FÜR REBELLION, FREIHEIT UND ANARCHIE!
Lisa
– August / September 2017 –

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