Allgemein – Soligruppe für Gefangene https://panopticon.blackblogs.org Für die Anarchie! Knäste, Staat, Patriarchat und Kapital abschaffen! Tue, 16 Nov 2021 19:31:54 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 https://panopticon.blackblogs.org/wp-content/uploads/sites/1233/2020/02/cropped-discharge-degenerik-blog-1-32x32.jpg Allgemein – Soligruppe für Gefangene https://panopticon.blackblogs.org 32 32 (Italien) Op. Sibilla- „Sibillazioni“ Solidaritätserklärung https://panopticon.blackblogs.org/2021/11/16/italien-op-sibilla-sibillazioni-solidaritaetserklaerung/ Tue, 16 Nov 2021 19:31:54 +0000 http://panopticon.blackblogs.org/?p=2396 Continue reading ]]> Quelle: Round Robin, die Übersetzung ist von uns.


Op. Sibilla- „Sibillazioni“ Solidaritätserklärung

Am 12. 11. 2021 veröffentlicht

SIBILLAZIONI

Über die anti-anarchistische Operation „Sibilla“.

All dies muss ein Ende haben. Für immer. Und wenn der Staat und die Bosse unsere lebenden Feinde sind, dann ist die historische Rolle des Anarchismus als der Spaten, mit dem wir ihre Gräber ausheben, offensichtlicher denn je.

Zuerst die gute Nachricht, Ottone degli Ulivi

Vor dem Morgengrauen des 11. November 2021 gab es in Italien Dutzende von Hausdurchsuchungen bei anarchistischen Gefährten und Gefährtinnen in Genua, Carrara, Pisa, Cremona, Bergamo, Rom, Perugia, Viterbo, Lecce, Taranto, Cosenza und Cagliari. Die von den Carabinieri der ROS auf Anweisung der Staatsanwaltschaft von Perugia durchgeführten Ermittlungen konzentrieren sich auf die anarchistische Hetze und insbesondere auf die Zeitung Vetriolo sowie auf die Gegeninformations-Websites wie roundrobin.info und malacoda.noblogs. Das Hauptverbrechen, das den Gefährten und Gefährtinnen vorgeworfen wird, ist die Bildung und/oder Beteiligung an einer subversiven Vereinigung zum Zwecke des Terrorismus (270bis), da die Gefährten und Gefährtinnen nach Ansicht der Polizei durch die oben genannten Veröffentlichungen zur Begehung terroristischer Handlungen gegen den Staat angestiftet hätten.

Zusätzlich zu Dutzenden von Durchsuchungen auf der ganzen Halbinsel, 6 Vorsichtsmaßnahmen: die „Verhaftung“ von Alfredo, der bereits im Gefängnis von Terni inhaftiert ist, ein Gefährte wurde unter Hausarrest mit elektronischer Fußfessel gestellt und vier weitere mit der Verpflichtung, dort zu bleiben wo sie wohnen (A.d.Ü., Stadt, Gebiet) und regelmäßig zu unterschreiben (A.d.Ü., bei den Bullen).

Wir sind keineswegs überrascht, dass der Staat klare und entschiedene Worte unterdrückt, und noch weniger sind wir überrascht, dass in dieser Zeit soziale Unruhen befürchtet werden. Die Schaffung eines inneren Feindes dient dazu, die Loyalität der Bevölkerung gegenüber seinem König – dem Staat – wiederherzustellen – wir sehen es deutlich bei der „No Vax“-Aktion: Der Staat schlägt gerade in diesen Tagen auf die Plätze, die sich gegen den Pass bewegen, und verhindert Demonstrationen an Orten, an denen der Kapitalismus gedeihen muss.

Als Anarchisten und Anarchistinnen sind und bleiben wir innere und äußere Feinde, von oben, von unten, in chaotisch begründeten Richtungen, jeglicher Autorität. Die Komplizenschaft mit den Worten, die gegen die Feinde gesprochen werden, ob es sich nun um Beamte des Staates oder des Kapitalismus, einschließlich des Militarismus, handelt, ist dann für uns klar.

Wie üblich ist in der Rechtsauffassung der Ermittler die einzig mögliche Organisation eine hierarchische Organisation von oben nach unten. Sie verstehen nicht, oder besser gesagt, sie haben keine Lust, öffentlich zu sagen, dass die Unberechenbarkeit der Anarchisten und der Anarchistinnen in ihrer Desorganisation keine Organisation ist, geschweige denn, dass es überhaupt Anführer und Mitläufer gibt.

Wir stehen an der Seite derjenigen, die von der Repression betroffen sind, weil sie sich entschieden haben, anzugreifen und sich nicht hinter dem Bedürfnis zu verstecken, von den Massen mit süßen und zuvorkommenden Worten geliebt zu werden, um die Worte der von jahrzehntelanger Haft betroffenen Gefährten und Gefährtinnen zu verbreiten.

Es lebe die Anarchie!

Anarchisten und Anarchistinnen von Carrara

11/11/2021

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(Italien) Op. Sibilla – Kommuniqué der Solidarität https://panopticon.blackblogs.org/2021/11/16/italien-op-sibilla-kommunique-der-solidaritaet/ Tue, 16 Nov 2021 19:07:52 +0000 http://panopticon.blackblogs.org/?p=2394 Continue reading ]]> Quelle: Round Robin, die Übersetzung ist von uns

Op. Sibilla – Kommuniqué der Solidarität

Am 12. 11. 2021 veröffentlicht

Um mit der Ausbeutung und der Unterdrückung zu brechen, ist es notwendig, dass die verletzte und mit Füßen getretene Würde in die Tat umgesetzt wird, denn wir sind der festen Überzeugung, dass „Freiheit“ keineswegs das Recht und die Pflicht ist, der Autorität zu gehorchen, sie ist keine Existenz, die man auf den Knien verbringt. Die Freiheit liegt – hier und jetzt – in der Herausforderung aller Macht, in dem wilden Wunsch nach der praktischen und konkreten Zerstörung der Autorität.

Vetriolo, Nummer 5

Am Donnerstag, den 11. Oktober, wurde im Morgengrauen die Operation „Sibilla“ eingeleitet, die von den Staatsanwaltschaften von Perugia (Staatsanwältin Manuela Comodi) und Mailand (Staatsanwalt Alberto Nobili) koordiniert wurde und in deren Folge eine Reihe von Gefährten und Gefährtinnen in verschiedenen italienischen Städten durchsucht wurden. Es waren die Carabinieri der ROS (unter dem Kommando von General Pasquale Angelosanto), die die vom GIP Valerio D’Andria angeordneten Maßnahmen durchführten, für die sechs anarchistischen Gefährten und Gefährtinnen durch einen Beschluss zur Anwendung von Vorsichtsmaßnahmen erreicht wurden und gegen die wegen Anstiftung zu Straftaten in Verbindung mit Terrorismus und Umsturz der demokratischen Ordnung ermittelt wurde.

Die Untersuchung stützt sich auf fünfjährige Recherchen über die Veröffentlichung der anarchistischen Zeitung Vetriolo, einer Zeitschrift, die den Staat und das kapitalistische System stets mit präzisen Analysen kritisiert und anarchistischen Gefangenen durch die Veröffentlichung ihrer Schriften eine Stimme gegeben hat.

Es ist klar, dass diese x-te repressive Maßnahme die Stimmen der radikalen Kritik am Bestehenden zum Schweigen bringen möchte. Im heutigen gesellschaftlichen Kontext wird die autoritäre Wende des Fortschritts jeden Tag deutlich. Wir haben es bei den repressiven Maßnahmen der ersten Abriegelung, den Ausgangssperren, dem Versammlungsverbot und der Hausarrestierung von Millionen von Menschen gesehen. Wir sehen es auf den zunehmend militarisierten Straßen, an Arbeitsplätzen mit der Erpressung des grünen Passes, an den Grenzen von Staaten wie in Weißrussland, wo Migranten von der polnischen Armee, die die Festung Europa verteidigt, zurückgewiesen werden und dem Hungertod oder der Kälte überlassen werden.

Wir sind uns bewusst, dass all dies nicht aufhören wird, sondern immer schlimmer werden wird. Dies erfordert Analysen, Entschlossenheit und Praktiken, die den Schlägen, die das Kapital auslöst, gewachsen sind.

Wenn der Staat und die Justiz die Gefährten und die Gefährtinnen mit diesen Montage/Ermittlungen isolieren wollen, werden sie auf der anderen Seite immer Individuen finden, die bereit sind zu kämpfen, um die gleichen Praktiken und revolutionären Ideen zu verwirklichen.

Solidarität mit Vetriolo, dem Circolaccio und unseren Freunden und Gefährten, gegen die ermittelt und gefahndet wird!

Tod dem Staat und dem Kapital!

Freiheit für alle!

Solidali genovesi (solidarische Genuesen)

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ITALIEN: ROS [SONDEREINSATZKOMMANDO DER CARABINIERI] DURCHSUCHTE DIE WOHNUNGEN VON DUTZENDEN VON GEFÄHRTEN IN GANZ ITALIEN. https://panopticon.blackblogs.org/2021/11/16/italien-ros-sondereinsatzkommando-der-carabinieri-durchsuchte-die-wohnungen-von-dutzenden-von-gefaehrten-in-ganz-italien/ Tue, 16 Nov 2021 18:54:20 +0000 http://panopticon.blackblogs.org/?p=2391 Continue reading ]]> Quelle: ROUND ROBIN , die Übersetzung ist von uns.


ITALIEN: ROS [SONDEREINSATZKOMMANDO DER CARABINIERI] DURCHSUCHTE DIE WOHNUNGEN VON DUTZENDEN VON GEFÄHRTEN IN GANZ ITALIEN.

Vom 13/11/2021

Am 11.11.2021 um 4 Uhr morgens durchsuchten die ROS [Sondereinsatzkommandos der Carabinieri] auf Anweisung von Staatsanwalt Comodi im Rahmen einer von den Sesselfurzern Nobili und Basilone eingeleiteten Untersuchung die Wohnungen von Dutzenden von Gefährten in ganz Italien.

Alfredo, der wegen dem Schuss auf den Generaldirektor von Ansaldo Nucleare, Adinolfi, und wegen der „Operation Scripta Manent“ inhaftiert ist, wurde über eine weitere Präventivhaft informiert; ein weiterer Gefährte steht unter Hausarrest, vier weitere wurden verpflichtet, sich in ihrem eigenen Wohngebiet mit regelmäßigen Meldungen (A.d.Ü., bei den Bullen) aufzuhalten.

Der Hauptvorwurf lautet, eine Vereinigung zu terroristischen Zwecken gegründet und gefördert zu haben, ein Vorwurf, der sich insbesondere auf die Zeitung „Vetriolo“ und einige in ihr veröffentlichte Artikel bezieht.

Im Zusammenhang mit dieser Operation wurde den Redakteuren von Roundrobin noch am selben Abend mitgeteilt, dass gegen sie ermittelt wird: Die Anschuldigungen (Drohungen, Anstiftung zu Straftaten, Vereinigung zu terroristischen Zwecken) stehen im Zusammenhang mit der Veröffentlichung einiger Schriften, die nach Ansicht der Polizei von einigen der Gefährten, gegen die ermittelt wird, unterzeichnet sind.

Als Roundrobin wollten wir immer allen anarchistischen Ideen und Debatten Raum geben und sind stolz darauf, die Schriften der angeklagten Gefährten veröffentlicht zu haben.
Trotz der Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben, dass die Website fast einen Monat lang nicht erreichbar war, werden wir nun zurückkehren, um den Beiträgen, die uns erreichen, Raum zu geben, egal was die beschissenen Diener der Macht denken.

Solidarität mit den Gefährten bei denen die Hausdurchsuchungen waren und gegen die ermittelt wird.

Immer mit erhobenem Haupt.

Es lebe die Anarchie!

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Grüner Keynesianismus oder Bruch mit dem Kapitalismus? https://panopticon.blackblogs.org/2021/11/14/gruener-keynesianismus-oder-bruch-mit-dem-kapitalismus/ Sun, 14 Nov 2021 09:35:56 +0000 http://panopticon.blackblogs.org/?p=2389 Continue reading ]]> Aus der anarchistischen Publikation aus den baskischen Ländern, Ekintza Zuzena, dieser Artikel erschien auf deren Seite am 27.12.20, die Übersetzung ist von uns. Wir finden, dass der Text interessante Punkte hat, interessante Aspekte hervorhebt, die hier im deutschsprachigen Raum zu kurz debattiert werden, aber der letzte Absatz, der ist für uns sozialdemokratisch, weil die Vergesellschaftung des Kapitalismus als die Überwindung desselben vorgeschlagen wird. Mit dieser Ansicht, sind wir nicht einverstanden, die der Vergesellschaftung und der demokratischen Kontrolle des Kapitals, dies wäre mal wieder die Vulgarisierung des Anarchismus, oder Kriegskommunismus ganz nach Lenin. Prost. Das Kapital und seine Werkhallen werden vernichtet werden, alles andere ist reformistisch und konterrevolutionär. Nochmals Prost. Bei unserem kommenden Text „Kein anarchistisches Programm“ mehr dazu.


Grüner Keynesianismus oder Bruch mit dem Kapitalismus?

Niemand leugnet mehr die Existenz eines starken Widerspruchs zwischen dem realen historischen Einsatz der kapitalistischen Wirtschaft und dem Gleichgewicht der Umwelt, die die Lebensgrundlage auf unserem Planeten bildet. Es ist unmöglich zu leugnen, dass die Entwicklung des Prozesses der Industrialisierung und der Kommerzialisierung1 der sozialen Beziehungen im kapitalistischen Rahmen, der in den letzten Jahrhunderten durchgeführt wurde, auf eine ökologische Krise zusteuert, die in Verbindung mit einer anderen Reihe von parallelen und voneinander abhängigen Prozessen (die wachsende finanzielle und wirtschaftliche Instabilität, die kulturelle und soziale Verwüstung, die durch den Neoliberalismus erzeugt wurde, der tendenzielle Bruch des geostrategischen Szenarios, das den Rahmen der Beziehungen zwischen dem Zentrum und der Peripherie des Systems bildete, usw.) zu einer Reihe von chaotischen Kursverlusten2 geführt hat, die den Beginn einer zivilisatorischen Krise markieren, die unsere Art zu leben, zu produzieren und in Beziehung zueinander und zu dem Ökosystem, von dem wir ein Teil sind, in Frage stellt.

Es konnte nicht anders sein. Das kapitalistische System ist ein Klassensystem, das auf dem Funktionieren des vermeintlich „freien Spiels“ des wirtschaftlichen Wettbewerbs zwischen den Akteuren beruht, die die Möglichkeit haben, die Arbeitskraft anderer auszubeuten, basierend auf der Garantie des Privateigentums an den Produktionsmitteln.

Wettbewerb impliziert etwas Unbestreitbares: Es gibt Gewinner und Verlierer. Und ein Verlierer in der Gesellschaft des Kapitals zu sein, ist etwas sehr Ernstes. Armut, Ausbeutung, Leid erwarten die Verlierer, die der Produktionsmittel und oft sogar der wesentlichen Ressourcen zur Befriedigung ihrer Grundbedürfnisse beraubt sind. Sie müssen also versuchen zu gewinnen.

Um zu gewinnen, muss man Ressourcen akkumulieren. Wettbewerb ist nicht egalitär. Wer am Anfang mehr hat, hat bei jeder Konfrontation eine bessere Chance, als Sieger hervorzugehen. Das ist der Grund, warum die großen Einkaufszentren (riesige Konzerne im Besitz von globalen Investmentfonds und anderen milliardenschweren Investoren) den lokalen Lebensmittelhändler immer schlagen. Deshalb ist der Kapitalismus trotz allem, was gesagt wird, nicht wirklich ein System des „freien“ Handels: Die Großen werden größer und die Kleinen gehen unter. Die Tendenz, immer mehr Kapital in immer weniger Händen zu akkumulieren, ist für den Kapitalismus ebenso eigen wie die Ausbeutung der Lohnarbeit. Es ist nicht etwas Konjunkturhaftes, Episodisches, ein „Fehler“ oder das kollaterale Epiphänomen einer bestimmten „Phase“.

Deshalb ist der Kapitalismus historisch gesehen diejenige Produktionsweise, die die Fähigkeit der Menschheit, Gegenstände zu produzieren, bisher am meisten entwickelt hat. Und das tut er auch weiterhin. Der Wettbewerb fördert die Einführung neuer Technologien und aller Techniken, die zur Produktivitätssteigerung beitragen, er provoziert die Kapitalakkumulation, das Wachstum der siegreichen Unternehmen, das Auftreten großer multinationaler Konzerne und den Bankrott lokaler Produzenten und damit das kontinuierliche Wachstum der Warenproduktion.

Wer mehr Ressourcen anhäuft, gewinnt. Und das Gewinnen hilft ihm, noch mehr Ressourcen anzuhäufen. Dieses kontinuierliche Wachstum steht natürlich im Widerspruch zu der natürlichen Realität eines endlichen Planeten mit begrenzten Ressourcen. Und vor allem widerspricht es sich, weil Umweltschäden für das Kapital nichts anderes sind als „Externalitäten“.

Externe Kosten sind für die bourgeoisen Ökonomen eine Reihe notwendiger Kosten des Produktionsprozesses, die aber nicht in der Buchhaltung des Unternehmens auftauchen und daher auch nicht vom Unternehmen bezahlt werden müssen. Beispielsweise verursacht die von einer Fabrik erzeugte Luftverschmutzung eine Reihe von wirtschaftlichen Kosten für die Gesellschaft als Ganzes (Krankheiten und damit Gesundheitsausgaben und Produktivitätsrückgang der Arbeitskräfte in der Region; Verlust der Vielfalt des lokalen Ökosystems usw.), aber die Fabrik muss diese Kosten nicht tragen, sie tauchen nicht in ihren Büchern auf. So werden wirtschaftliche Aktivitäten „profitabel“, die es nicht mehr wären, wenn die Unternehmen die Gesamtheit der Kosten zu tragen hätten, die die gesamte Gesellschaft trägt (A.d.Ü., weil diese darunter leidet).

Es gibt Produkte, die nur deshalb produziert (und massenhaft vermarktet) werden können, weil die Unternehmen nicht wirklich die vollen Kosten tragen müssen. Und sie müssen sie nicht bezahlen, weil der Staat im Kapitalismus keine neutrale Instanz ist, keine Art von kollektiver Repräsentation, die versucht, Rationalität in das Chaos einzuführen, das durch die verschärfte Konkurrenz zwischen den Unternehmen verursacht wird, sondern ein Kampfraum, in dem verschiedene Geschäftsfraktionen darum kämpfen, wer bestimmte Geschäfte bezahlt oder wer von ihnen profitiert, oder der die materiellen Bedingungen dafür schafft, dass sie alle reicher werden, er bildet die Bevölkerung aus, erobert neue Märkte für die lokalen Kapitalisten, subventioniert bestimmte wirtschaftliche Aktivitäten oder finanziert mit den von den Steuerzahlern erhobenen Steuern (die größtenteils von den Einkommen der Arbeiter genommen werden und nicht von den Gewinnen der Kapitalisten, wie man uns glauben machen will) die Investitionen in Forschung und Entwicklung, die notwendig sind, um neue Produktionslinien zu starten, die neue Märkte schaffen können. Wie schon gesagt: Der Kapitalismus ist keineswegs ein „ freies Markt“-System, in dem der Staat die Dinge einfach „laufen lässt“.

Die gegenwärtige ökologische Krise ist also kein konjunkturelles, „paralleles“, sekundäres oder zufälliges Phänomen der kapitalistischen Ökonomie. Sie ist eine notwendige Folge des Systems der Konkurrenz, des Privateigentums an den Produktionsmitteln und der Irrationalität in der Wirtschaft, in der der Kapitalismus besteht. Sie ist das unvermeidliche Produkt der Klassengesellschaft.

Wir leben inmitten einer ökologischen Krise. Eine Krise, die so ernst ist, dass nicht einmal die Kapitalisten selbst sie leugnen können. Der Zeitpunkt ist gekommen, an dem viele ihrer Auswirkungen bezahlt werden müssen. Es gibt Dinge, die keine „Externalitäten“ mehr sein können, weil sie uns bereits alle betreffen. Die Kosten der Zerstörung (des Ökosystems, der Gesundheit der Bevölkerung, der Mechanismen des Funktionierens des Klimas usw.) und des notwendigen Übergangs des produktiven Systems nach der Erschöpfung vieler Quellen natürlicher Ressourcen sind so groß, dass man nicht mehr weiß, wie man ihnen begegnen soll, und dass man sie nicht mehr ignorieren kann. Es ist an der Zeit zu zahlen, entweder durch die Finanzierung der Kosten für die notwendige Sanierung oder durch die Finanzierung von Investitionen in Forschung und Entwicklung, die (vielleicht) dazu beitragen, neue technologische Fortschritte zu finden, die es uns ermöglichen, die ökologische Krise durch grundlegende Änderungen der Produktionsweisen abzuwenden. Die Zeit zum Bezahlen ist gekommen. Aber, wie immer, haben die Kapitalisten nicht die Absicht, dies zu tun. Für sie ist die Zeit für einen neuen großen Markt gekommen. Eine neue Geschäftsmöglichkeit.

Deshalb gibt es eine Reihe von Versuchen, einen „grünen Kapitalismus“ zu verwirklichen, um den neuen Bogen der Bedürfnisse der Bevölkerung in eine Quelle des Mehrwerts zu verwandeln. Der Kapitalismus versucht, sich anzupassen und lebend aus dieser Krise herauszukommen.

Versuche, die großen Automobilkonzerne zu fusionieren, wie z.B. in den letzten Monaten der Versuch, FIAT-Chysler Automobiles mit Renault zu fusionieren, wodurch ein globaler Riese mit einer Kapitalisierung von ca. 35.000 Millionen Euro und einer Produktionskapazität von 8,7 Millionen Fahrzeugen entstanden wäre. Eine Fusion, die, wie die FIAT-Führungskräfte selbst erklärten, darauf abzielte, Kapital und Ressourcen zu akkumulieren, um zu versuchen, die Linien der technologischen Innovation zu implementieren, die notwendig sind, um (vielleicht) das Elektroauto in großem Maßstab lebensfähig zu machen. Eine Form der Mobilität, die auf technischer Ebene noch weit davon entfernt ist, das Auto mit Verbrennungsmotor zu ersetzen, in einem Szenario mit zunehmender Umweltverschmutzung und der Bedrohung des bevorstehenden Erdölfördermaximums und der Verknappung der Ressourcen, die für die Elektrobatterien in ihrem derzeitigen technologischen Stadium notwendig sind.

Umwandlung der großen Öl- und Energiekonzerne, die versuchen, globale Multi-Energie-Giganten zu werden, die in erneuerbare Energien und in alle Arten von neuen Geschäften investieren. Wenn alles in die Luft geht, kann derjenige, der am besten platziert ist, einen entscheidenden Vorteil haben. Bis zum bevorstehenden Erdölfördermaximum wollen sich die Ölkonzerne ausreichend in neuen Energiequellen und neuen Technologien positioniert haben, die, das sollten wir nicht vergessen, nur dank eines starken öffentlichen Anstoßes profitabel werden konnten (und dort wo sie profitabel geworden sind). Endesa und Iberdrola konkurrieren also um die Führung bei den erneuerbaren Energien in Spanien. In der Tat sieht Endesa die Tatsache, dass die neue sozialistische Regierung Spaniens ihre Pläne zur Förderung erneuerbarer Energien reaktiviert und bereit ist, etwa 10.000 Millionen Euro zu investieren, um seinen Energiemix, der jetzt viel Kohle enthält, zu verändern, als Chance, während sie in Portugal mit der gleichen Absicht stark investiert. Ein neuer Markt, der der erneuerbaren Energien, der auf dem bisherigen Modell des Oligopols der großen transnationalen Energiekonzerne aufbaut und dabei die reale technische Möglichkeit des Entstehens einer verteilten, dezentralen und selbstverwalteten Dynamik ignoriert.

Und dieselben großen Energiekonzerne, die Allianzen mit großen Einkaufszentren, Autobahnkonzessionären und allen Arten von Gewerbeflächen für den Ausbau eines breiten Netzes von Elektrotankstellen schließen, um Elektromobilität rentabel zu machen. Und warnt gleichzeitig, dass dies nur mit öffentlicher Hilfe möglich ist. Mit einer enormen Kapitalakkumulation aus dem von den Arbeitern produzierten Mehrwert, der vom Staat an die großen „grünen“ transnationalen Konzerne umverteilt wird.

So versuchen die großen globalen Herren der Wirtschaft, die Krise zu überleben. Der Versuch, mehr Kapital in weniger Händen zu zentralisieren, Ressourcen zu akkumulieren, um den „ökologischen Übergang“ zu finanzieren, verstanden als eine bloße technisch-technologische Transformation des Produktionsapparats, der es erlaubt, die unlösbaren Widersprüche der kapitalistischen Wirtschaft zu überwinden, oder, noch realistischer, den Ball ein wenig weiter zu werfen, ein wenig länger durchzuhalten, das einige zum Geschäft kommen, was für die meisten zweifellos eine Katastrophe sein wird.

Dies ist der materielle Kontext, in dem die Idee eines „Green New Deal“ vorgestellt wird. Grüner Keynesianismus und Umverteilung…wohin?

Was war der New Deal? Das große staatliche Konjunkturprogramm, das für den Ausweg des Kapitalismus aus der großen Systemkrise von 1929 verantwortlich gemacht wird. Die öffentlichen Investitionen in produktive Aktivitäten verursachten einen Anstieg der Gesamtnachfrage (die Menschen hatten etwas zu kaufen), der die Kapitalakkumulationsmaschine wieder in Gang setzte und die größte Periode des Wirtschaftswachstums in der Geschichte der Welt verursachte.

Der New Deal (verstanden nicht so sehr als das spezifische Programm, das in den Vereinigten Staaten umgesetzt wurde, sondern als das allgemeine keynesianische Verständnis von der Notwendigkeit einer öffentlichen Stimulierung der Wirtschaft, das sich als gemeinsame Idee auf der ganzen Welt verbreitete) hatte seine mehr oder weniger tugendhaften Auswirkungen: das Auftreten des Wohlfahrtsstaates an einigen Orten, die beschleunigte Entwicklung der Produktivkräfte auf globaler Ebene, das Auftreten der Konsumgesellschaft. Er hatte auch (und das wird uns von seinen unkritischen Verehrern oft verschwiegen) seine zweifelhafteren Folgen: noch größere Konzentration des Kapitals, verstärkter Druck auf das Ökosystem, Integration der Arbeiterbewegung in die institutionelle „Normalität“, verstärkte Inflation als Antwort der Kapitalisten auf die Lohnsteigerungen. Die großen multinationalen Unternehmen sind ebenso ein Kind des New Deal wie die staatlichen Sozialversicherungssysteme. Auch die „Grüne Revolution“ und die Hegemonie des „Agrobusiness“ sind Ergebnisse des New Deal, mit seinen heute widersprüchlichen Auswirkungen.

Wenn wir also mit dem Vorschlag eines Green New Deal konfrontiert werden, sollten wir uns klar fragen, worüber wir reden:

Vielleicht geht es um einen starken öffentlichen Anreiz, damit die großen Ölkonzerne (z.B.) endlich die Herren über alle Energiequellen unserer Zeit werden können. Oder dass die großen Autokonzerne genug Geld haben, um (vielleicht) die technische Lösung für ihre Anpassungsprobleme an das Erdölfördermaximum zu finden. Es ist also möglich, dass aus diesen großen öffentlichen Investitionen konzentriertere Märkte entstehen, größere und stärkere multinationale Unternehmen, ein noch wilderer Kapitalismus, der in der Lage ist, im Namen des „allgemeinen Interesses am Grünen“ autoritäre Maßnahmen durchzusetzen. Und das alles, nicht zu vergessen, ohne das eigentliche Problem zu lösen: die ökologische und soziale Krise.

Oder es handelt sich um eine „Große Übereinkunft“ (oder vielmehr ein großes Bündnis der populären Klassen) für den Bruch, für die Umwandlung des Kapitalismus in etwas anderes. Für die Rationalisierung der produktiven Tätigkeit, die dem Diktat der Bedürfnisse der Mehrheit der Bevölkerung und der Notwendigkeit des Gleichgewichts mit dem Ökosystem unterworfen ist, in einer klassenlosen Gesellschaft, in der die egalitäre Zusammenarbeit zum Mittelpunkt wird. Eine Gesellschaft mit dezentralisierten erneuerbaren Energien, selbstverwalteten und kollektiv kontrollierten Produktionsmitteln und einer regionalen und lokalen Wirtschaft, die in der Lage ist, die gegenwärtig verwüsteten ländlichen und städtischen Räume in ein neues, selbstorganisiertes Gefüge umzuwandeln, in dem alle Bevölkerungen Zugang zu gemeinschaftlichen Dienstleistungen und natürlichen Räumen haben und die Unterschiede zwischen dem Land und der Stadt aus einer nachhaltigen Perspektive überwinden.

Diese zweite Vereinbarung, diejenige, die uns aus dem Kapitalismus herausführt, ist die einzige, die in der Lage ist, die ökologische Krise zu lösen. „Grüner“ Keynesianismus ist keine Option: Er ist ein Oxymoron. Die Wiederaufnahme eines neuen Zyklus der kapitalistischen Akkumulation kann kurzfristig nur zu einem neuen Schlag gegen die natürlichen Grenzen führen, selbst wenn dies unter dem „grünen“ Vorwand geschieht. Dies kann nur zu einer autoritäreren Gesellschaft führen, mit einer konzentrierteren Macht, der es trotz der verwendeten sozialdemokratischen Vulgata nicht gelingen wird, das Kapital zu disziplinieren. Der berühmte „Ökofaschismus“, der es trotz allem nie schaffen wird, „öko“ zu sein. Nach dem New Deal kam der Neoliberalismus, und auch er war kein „Unfall“ oder „Fehler“, sondern das notwendige Produkt einer wirtschaftlichen Dynamik, die auf der Existenz von Klassen, auf dem Privateigentum an den Produktionsmitteln und auf dem Chaos der Konkurrenz beruht.

Das einzige, was das Kapital disziplinieren kann, ist seine Vergesellschaftung. Seine Unterwerfung unter die Formen der kollektiven und demokratischen Kontrolle von unten. Die Wirtschaft von unten, aber stark der kommunalen Entscheidung unterworfen. Ausgehend von der sozialen Gleichheit (von der Abschaffung der sozialen Klassen) können wir uns darauf einigen, die Produktion zu rationalisieren, sie an die natürlichen Grenzen anzupassen, zu teilen, was wirklich profitabel ist (ohne „Externalitäten“) und was wir für sinnvoll halten. Von der Klassengesellschaft, vom Kapitalismus, gibt es keine Lösung. Wo es Klassen gibt, ist alles Krieg und Irrationalität.

Nun liegt es an uns, zu entscheiden.

J. L. Carretero Miramar

 

1A.d.Ü., an dieser Stelle ist eher das zur Ware gemacht werden richtig.

2A.d.Ü., im Sinne von vom Kurs abkommen.

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(Chile) Zu den Ereignissen, die am vergangenen Donnerstag im Betrieb-Knast von Rancagua gegen subversive und anarchistische Gefangene stattfanden https://panopticon.blackblogs.org/2021/11/05/chile-zu-den-ereignissen-die-am-vergangenen-donnerstag-im-betrieb-knast-von-rancagua-gegen-subversive-und-anarchistische-gefangene-stattfanden/ Fri, 05 Nov 2021 10:10:35 +0000 http://panopticon.blackblogs.org/?p=2376 Continue reading ]]> Gefunden auf publicación refractario, die Übersetzung ist von uns

(Chile) Zu den Ereignissen, die am vergangenen Donnerstag im Betrieb-Knast von Rancagua gegen subversive und anarchistische Gefangene stattfanden

Vom 28.10.21

Am Donnerstag, den 21. Oktober, zu Mittag, kam es im Hochsicherheitstrakt 1 des Gefängnisses von Rancagua zu einem gewaltsamen Angriff der Schließer – mehr als 50 von ihnen – mit dem Ziel, alle Gefangenen – weniger als 20 -, die sich zu diesem Zeitpunkt im Hof aufhielten, zu überfallen, in diesem Zusammenhang wehren sich die Gefährten, die sich derzeit in diesem Trakt befinden, und eine nicht geringe Anzahl von sozialen Gefangenen gegen die Anordnungen der Henker und verweigern sie, um ihre unantastbare Würde zu bewahren, angesichts der Arroganz der Gendarmen. Vielleicht muss an dieser Stelle erklärt werden, dass die Gendarmerie im Allgemeinen versucht, den Willen des Einzelnen zu brechen, indem sie die Gefangenen zu erniedrigenden Handlungen zwingt, wie z. B. die Hände auf den Rücken zu legen, sich an die Wand zu stellen oder Kniebeugen zu machen, alle Formen der Unterwerfung, die von den subversiven und anarchistischen Gefährten in den Knästen ständig abgelehnt werden, da sie verstehen, dass die Durchführung solcher Aktionen neben der Unterwerfung und der Demütigung des Augenblicks zu einem Strudel der Unterwerfung wird, dessen einziger logischer Höhepunkt die völlige Entwürdigung des Individuums ist; es gibt keine Gebrauchsanweisung für diese Analyse, es sind das Gewissen und die Fähigkeit, aus den Fehlern eines jeden unserer Gefährten zu lernen, die sie dazu gebracht haben, sich für diesen Weg zu entscheiden. Es ist auch logisch, dass diese Art der Reaktion unserer Gefährten bei den Schließern einen bitteren Nachgeschmack hinterlässt, der oft in Gewalt gipfelt? Dies war einer der Fälle, in denen sich die Gefährten weigerten, diese Aktionen durchzuführen, woraufhin die Gefängniswärter einen Schritt vorwärts machten und sie verbal und physisch konfrontierten, was dazu führte, dass die Gefährten Juan Flores und Joaquín García für 24 Stunden in Einzelhaftzellen bestraft wurden, unter dem willkürlichen Grund des „aktiven Widerstands“ und der Beeinträchtigung ihres Verhaltens (wichtiger Punkt für die Beantragung von Rechten wie Bewährung oder Hafturlaub), nicht bevor sie geschlagen und mit Pfefferspray besprüht wurden, zusätzlich zu der nationalsozialistischen und patriotischen Bravorufe zur Unterstützung des ultrarechten Kast (A.d.Ü., gemeint ist José Antonio Kast) als einzigem Präsidenten, der die Tötung von Subversiven im Gefängnis erlauben würde.

Es ist nicht Teil ihrer Politik, die Rolle des Opfers zu spielen, in dieser Konfrontation haben unsere Gefährten nicht geschlagen, sie haben sich den demütigenden Befehlen der Gendarmerie widersetzt, aber das macht sie nicht zu Opfern, sie führen ihr tägliches Leben im Gefängnis mit Stolz, sie wissen, dass sie Anarchisten und Subversive sind, sie brauchen von niemandem die Erlaubnis, denn sie leben und praktizieren es in ihrem täglichen Leben. Die Tatsache, dass sie diejenigen sind, die die Schläge einstecken mussten, bedeutet nicht, dass dies immer ihr Schicksal sein wird, sie haben es bewiesen und werden es weiterhin tun; das ist die Dynamik des Konflikts selbst.

Zwei wichtige Punkte für das Ende dieses Textes.

1 – Es gibt mehrere Gründe, warum diese Informationen nicht veröffentlicht wurden; Erstens brauchen wir immer die Zustimmung der betroffenen Gefährten, wir sind eine horizontale Gruppe von Gleichgesinnten (A.d.Ü., in Affinität stehende Personen) mit vollem Respekt für die individuelle Freiheit, wir würden nie etwas verbreiten, was die Privatsphäre eines Gefährten verletzen könnte, zweitens, weil gerade sie es sind, die am zuverlässigsten über die Situation und ihre Erfahrungen berichten können, und drittens gehört es nicht zu unserer Praxis, falsche, extrem überhöhte oder herabgesetzte Nachrichten zu verbreiten, wir machen keine Politik auf der Grundlage von Unwahrheiten, die der Welt um uns herum genügt uns.

2-Wir sind uns der Unterstützungsnetze bewusst, die unseren Gefährten und in Affinität stehend, beistehen, die um ihr Wohlergehen besorgt sind, weit entfernt von jeder Art von Hilfe oder christlicher Moral, wir gehen mit ihnen Hand in Hand, Seite an Seite, ohne Protagonismus und in voller Horizontalität, das ist Teil ihrer Realität als subversive und anarchistische Gefangene, aber es gibt auch eine riesige Gruppe von sozialen Gefangenen, die, obwohl sie größtenteils weit davon entfernt sind, Affinitäten zu teilen, den Alltag und die Knastbedingungen teilen; für sie und für alle Gefangenen ist es notwendig, ständig über die Realität des Knastes zu berichten; dies ist auch ein Angriff auf den Knast und die Gesellschaft, die große Anstrengungen unternimmt, es zu erhalten.

In verschiedenen Knästen des Landes und insbesondere im Knast von Rancagua wird ständig gefoltert, die Schließer greifen die Gefangenen in Gruppen an, ohne dass sie in der Lage sind, zu reagieren, es ist üblich, dass die Gefangenen von den Vollstreckern „gebrochen“ werden, dass sie mit Pfefferspray besprüht werden, bis sie ersticken, oder dass sie in den Strafzellen erstochen werden, wo kein Auge des Panoptikums hinschaut, ganz zu schweigen davon, dass die Gendarmerie oft ideale Bedingungen für Gewaltsituationen schafft, von denen die Gefangenen am meisten betroffen sind. Im Knast von Rancagua sind in den letzten 3 Monaten bereits mehr als 9 Gefangene gestorben, sie können sagen, dass sie nicht von der Gendarmerie ermordet wurden, aber es ist klar, dass ihr Tod ihren Geruch und ihre Farbe hat, die Überbelegung in den Knästen ist kritisch und die Bedingungen, unter denen eine große Mehrheit der Gefangenen lebt, noch schlimmer… Wir sind gegen den Knast und die Autorität in jeder ihrer Formen.

Für die Zerstörung der Knäste und der Gesellschaft, die sie rechtfertigt!!!

Solidarität und aktive Komplizenschaft mit den subversiven und anarchistischen Gefangenen im Kampf in den chilenischen Gefängnissen!!!!

 

 

 

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(Chile) Gegen die Hindernisse der Gendarmerie: Solidarität, Agitation und Aktion für das Leben und die Gesundheit des Gefährten Francisco Solar! https://panopticon.blackblogs.org/2021/11/04/chile-gegen-die-hindernisse-der-gendarmerie-solidaritaet-agitation-und-aktion-fuer-das-leben-und-die-gesundheit-des-gefaehrten-francisco-solar/ Thu, 04 Nov 2021 10:53:08 +0000 http://panopticon.blackblogs.org/?p=2374 Continue reading ]]> Gefunden auf publicación refractario, die Übersetzung ist von uns.

(Chile) Gegen die Hindernisse der Gendarmerie: Solidarität, Agitation und Aktion für das Leben und die Gesundheit des Gefährten Francisco Solar!

Vom 27.10.21

Am 22. September 2021 wurde der anarchistische Gefährte Francisco Solar in das Gefängnis La Gonzalina in Rancagua eingeliefert, nachdem bei ihm Diabetes diagnostiziert worden war und er kurz vor dem Koma stand. Heute befindet sich der Gefährte im Hochsicherheitsmodul 2, und seither versucht das medizinische Personal des Gefängnisses bzw. die Schließer, ihn durch nachlässige und unzureichende Behandlung zu stabilisieren.

Sofort begannen sowohl Francisco als auch ein Teil der solidarischen Kreise außerhalb des Gefängnisses, sich um einen Privatarztin zu bemühen, die eine Reihe von Untersuchungen durchführen sollte, um die Ernährung zu ändern und um eine möglichst autonome Behandlung für Francisco zu erreichen, ohne von den Launen der Schließer abhängig zu sein, die ihn mit Insulin versorgen müssen.

Wie erwartet, hat die Gendarmerie weder reagiert noch den Zutritt einer privaten Ärztin oder die Herausgabe der Krankenakte des Gefährten ermöglicht.

Der Aufruf soll Druck erzeugen, damit eine Privatärztin zugelassen wird und alle Hindernisse für eine angemessene Behandlung beseitigt werden. Wir rufen alle, die die Dringlichkeit des Lebens und der Gesundheit des Gefährten spüren, auf, sich zu mobilisieren und zu agitieren, um diese Situation der Verbote und Hindernisse für die Versorgung des Gefährten aufzuheben.

Briefe, Veranstaltungen, Agitation, Besuche bei Botschaften und alle Initiativen, die jeder Gefährte und jede Gefährtin, jede Gruppe oder jedes Kollektiv im Rahmen der Gegenseitigkeit für sinnvoll hält. Alles dient dazu, die unendlichen Verbote in der Welt des Gefängnisses zu umgehen.

Solidarität, Agitation und Aktionen für das Leben und die Gesundheit des Gefährten Francisco Solar!

Subversive und anarchistische Gefangene auf die Straße!

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(Chile) DER GEFÄHRTE PABLO BAHAMONDES ORTIZ „EL OSO“ WURDE ZU 15 JAHREN VERURTEILT. https://panopticon.blackblogs.org/2021/11/04/chile-der-gefaehrte-pablo-bahamondes-ortiz-el-oso-wurde-zu-15-jahren-verurteilt/ Thu, 04 Nov 2021 10:36:00 +0000 http://panopticon.blackblogs.org/?p=2372 Continue reading ]]> Gefunden auf publicación refractario, die Übersetzung ist von uns, wir berichteten vor kurzem hier schon über diesen Fall.

DER GEFÄHRTE PABLO BAHAMONDES ORTIZ „EL OSO“ WURDE ZU 15 JAHREN VERURTEILT.

Vom 25.10.21

Heute, am Mittwoch, den 20. Oktober, hat das Strafgericht von Melipilla unseren Gefährten Pablo Bahamondes Ortiz, „Oso“, wegen Waffentransports zu 15 Jahren und 1 Tag verurteilt.

Diejenigen, die den Kampf gegen den Staat und die Macht aufnehmen, sollten keinen Zweifel daran haben, dass die Subversion weder stirbt noch stagniert.

Die schöpferische Zerstörung zu propagieren und das Band der aufständischen Komplizenschaft mit Pablo und all unseren inhaftierten Gefährt*innen zu stärken, die nicht zurückweichen und keine Reue zeigen, indem sie den Konflikt mit Überzeugung und Würde aufnehmen, das Verhalten von Krieger*innen, die nicht einmal das Gefängnis besiegen kann.

KEIN GEFÄNGNIS UND KEINE STRAFE KANN DIE SUBVERSIVE ÜBERZEUGUNG DES KAMPFES GEGEN DIE MACHT UND JEDE AUTORITÄT BESIEGEN!

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Prozessbericht vom 20. Verhandlungstag (RAZ-RL-radikal-Prozess) https://panopticon.blackblogs.org/2021/10/31/prozessbericht-vom-20-verhandlungstag-raz-rl-radikal-prozess/ Sun, 31 Oct 2021 08:39:29 +0000 http://panopticon.blackblogs.org/?p=2368 Continue reading ]]> Der 20. Verhandlungstag im Prozess gegen unseren Freund und Gefährten begann am 28.10.21 um 9:15 Uhr. Im Laufe des Tages waren sechs solidarische Menschen anwesend.

Geladen war die 64-jährige Sachverständige für Handschriften, die bereits zum 14. Prozesstag am 16. September vor Gericht erschienen war. Das Gericht teilte mit, dass inzwischen die Dokumentationsunterlagen eingetroffen seien, bestehend aus vier Konvoluten: zwei Listen, Vergleichsschriften und Befundmaterial. Die entsprechenden handschriftlichen Notizen und exemplarisch herausgenommenen Buchstaben wurden während der Vernehmung per Beamer auf eine Leinwand projiziert. Zunächst erläuterte die Sachverständige, dass ihre Aufgabe darin bestand, die Asservaten zu vergleichen und zwar einerseits dahingehend, ob sie sich untereinander gleichen, d.h. ob es sich um denselben Urheber handelt, und andererseits wurden sie mit handschriftlichen Notizen von Oliver Rast verglichen, wobei es vor allem um zwei Asservate ging, einmal linierte Blätter mit Namen und Telefonnummern sowie die Kopie eines zerrissenen Zettels.

Hierzu seien zunächst die Großbuchstaben und dann die Kleinbuchstaben miteinander verglichen worden, allerdings müsse man nicht immer zwingend in dieser Reihenfolge vorgehen. Auf dem Befundmaterial wurden die Buchstaben entsprechend nummeriert, es werde aber nicht jeder Befund erhoben, wie die Sachverständige auf Nachfrage des Richters mitteilte, für die Auswahl eben dieses einen konkreten A’s gebe es keinen Grund, sie seien sich alle ähnlich ohne große Unterschiede. Dann wurden unter Zuhilfenahme der Projektion auf der Leinwand von der Sachverständigen ausgewählte Buchstaben verglichen (A, K, P, k und E). Dabei wies sie auf Ähnlichkeiten hin, auch wenn es immer wieder Varianten gebe, an Kurrentschrift bzw. Druckschrift angelehnte. Wir erfuhren von K’s mit Mittelösen und solchen ohne, überwölbten Einleitungen beim P und solchen, die in einem Zug geschrieben wurden, sehr schöne k’s, die auch in einem Zug gefertigt waren usw. Zwischendurch wies sie auch noch darauf hin, dass die Gesamterfassung, also die verschiedenen Proportionen der Buchstaben (Ober- und Unterlängen), einen Hinweis auf eine Urheberidentität geben würde. Es folgten auf Nachfrage des Richters noch Anmerkungen zum allgemeinen Schriftbild, es sei in diesem Fall durch viele Winkelzüge gekennzeichnet und die Art und Weise wie Buchstaben verbunden werden, sei hier betrachtet worden. Auch bei den Buchstaben m, n, und u werde untersucht ob die Bögen eher rund oder winklig sind. Von hier aus gehe man dann auf die Einzelbuchstabenuntersuchung über. Bei dem untersuchten Material habe sich gezeigt, dass sowohl die Schriftlage als auch die Proportionen einheitlich seien, es gebe vielgliedrige Übereinstimmung und es weise eine „graphische Ergiebigkeit“ auf. Es gebe keine nicht erklärbaren Diskrepanzen und zahlreiche Übereinstimmungen, daraus ergebe sich die Schlussfolgerung, dass alle Schreibleistungen mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer Hand stammen. Nachdem die Sachverständige diese Schlussfolgerung geäußert hatte, berief das Gericht eine zehnminütige Pause ein, um sich kurz zu beraten.

Nach der Pause fragte das Gericht die Sachverständige zur Wahrscheinlichkeit, die, wie bereits schon zuvor festgestellt wurde,in diesem Fall eine subjektive Wahrscheinlichkeit ist, welche Abstufungen es da gebe und wie diese zu verstehen seien. Das Ganze folge dem Bayesschen Ansatz1, so die Sachverständige, es gebe eine klare Methode, eine hypothesentestende Vorgehensweise, die Merkmalserhebung führe zu Folgerungen, die entsprechend kategorisiert werden: non liquet (bis zu 50%), leicht überwiegende Wahrscheinlichkeit (bis zu 75%), überwiegende Wahrscheinlichkeit (bis zu 90%), hohe Wahrscheinlichkeit (bis zu 95%), sehr hohe Wahrscheinlichkeit (bis zu 99%) , mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit (bis zu 99,99%). Die Zahlen seien aber nicht fest, sie dienen lediglich der Veranschaulichung. Wie häufig denn das Ergebnis einer sehr hohen oder noch höheren Wahrscheinlichkeit vorkomme, wollte das Gericht wissen. Die Sachverständige antwortete, dass dies schon vorkomme, dazu müsse aber das Ausgangsmaterial ideal sein, dasselbe Schreibmaterial etc. Nun wurde auf Anregung des Gerichts der Vergleich mit dem Handschriftenmaterial von Oliver Rast nachvollzogen, wobei die Sachverständige darauf hinwies, dass hier schon Unterschiede zu sehen seien, so seien die Proportionen anders und einzelne Buchstabenverbindungen seien auch nicht zu finden. Es wurden die P’s, die G’s und die E’s verglichen, die Sachverständige wies auf Unterschiede hin bis das Gericht zu dem Entschluss kam, dass dies nun genüge. Die Sachverständige gab noch einmal das Ergebnis des Gutachtens bekannt, bei dem fraglichen Material gebe es mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Urheberidentität mit dem Material von Oliver Rast. Nachdem der Staatsanwalt keine Fragen an die Sachverständige hat, beginnt die Verteidigung mit der Befragung.

Zuerst wollte die Verteidigung ganz allgemein wissen, welche Untersuchungsmethode angewendet worden sei. Es sei die wissenschaftliche Methode des Schriftvergleichs angewendet worden, so die Sachverständige, dabei werde in einer Vorabprüfung zunächst das Material analysiert, ob es hinreichend ist in Hinsicht auf die Ergiebigkeit, danach komme es zu einer systematischen Erhebung, wobei zuerst allgemeine Merkmale und dann besondere Merkmale untersucht werden, nach dieser vollständigen Erhebung folge dann die Bewertung und die Gesamtbewertung führe zu den entsprechenden Wahrscheinlichkeiten. Ob beim Vergleich rein visuell vorgegangen worden sei oder ob maschinelle Unterstützung herangezogen worden sei, war die nächste Frage. Es sei ein Stereomikroskop genutzt worden, das maximal eine 40-fache Vergrößerung ermögliche, um Feinheiten erkennen zu können. Je nach Fragestellung oder wenn der Auftraggeber darauf bestehe, werde auch weitere Technik verwendet, dies sei hier aber nicht der Fall gewesen. Auf die Frage, ob hier also die physikalisch-technische Untersuchung nicht angewendet worden sei, antwortete die Zeugin, dass die stereomikroskopische Untersuchung Teil der physikalisch-technischen Untersuchung sei. Der Auftraggeber sei ST 12 (Staatsschutzabteilung beim BKA) gewesen, dieser habe keine weiteren technischen Untersuchungen angefordert, warum dies so war, könne sie nicht sagen. Nun folgte ein kleines hin und her zwischen Richter und Verteidiger, da ersterer unterbrach und wissen wollte, wo das alles jetzt hinführen werde, woraufhin letzterer sich beschwerte, dass seine Befragungen immer wieder vom Gericht unterbrochen werde. Schlussendlich fuhr die Verteidigung mit der Befragung fort und zitierte aus den Richtlinien der Gesellschaft für Schriftforensik, wobei es darum ging, dass die physikalisch-technische Untersuchung integraler Bestandteil eines jeden Schriftvergleichs zu sein habe. Auf dem Wege vieler weiterer Detailfragen zur genauen Erhebung, weist die Verteidigung darauf hin, dass das Schriftgutachten nicht nachvollziehbar sei, es bestehe nur aus sechs Seiten, Methodik und Ergebnis werden dargestellt, aber die konkreten Erhebung seien nicht enthalten. Es werde einfach etwas präsentiert, das könne man akzeptieren, aber nicht nachvollziehen. Die weiteren Fragen der Verteidigung zielen auf die genaue Vorgehensweise ab und die Wissenschaftlichkeit der Tätigkeit des Schriftvergleichs: spiele es eine Rolle wie häufig bestimmte Merkmale in der Gesamtpopulation auftauchen, ob es eine Mindestanzahl an Worten/Buchstaben gebe, um Aussagen über eine Übereinstimmung abgeben zu können, so wie es bei der Stimmanalyse ist, wo es eine Mindestzeit gebe. Die Sachverständige teilt mit, dass es keine Mindestanzahl an Buchstaben gebe, es komme auf die Wertstärke eines Merkmals an, es habe viel mit Erfahrung zu tun, die allgemeine Verbreitung spiele keine Rolle, es gebe keine festen Kriterien, für die Aussagekräftigkeit von Merkmalen, es werde nicht nach Unterschieden gesucht. Die Verteidigung verwies darauf, dass es beim Internvergleich doch erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Buchstaben gebe, was die Sachverständige leugnete und meinte, dass sie Ähnlichkeiten sehe. Die Frage ,woran man denn festmache, welche Merkmale von Relevanz seien und welche nicht, wird von der Sachverständigen nicht klar beantwortet. Danach geht es um die Ziffer 3, die im Material immer wieder anders ausgeführt erscheint, worauf die Sachverständige meinte, dass diese keine systematische Unterschiedlichkeit aufweisen würden. Die Frage, ob die von der Sachverständigen zur Nummerierung der Zeilen geschriebene Ziffer 3 auf dem Material einen systematischen Unterschied zu den anderen 3en aufweise, konnte sie nicht beantworten. Um 12:30 Uhr wurde die Sachverständige entlassen und es folgte die Mittagspause bis 13:20 Uhr.

Nach der Pause wurde dann der Internvergleich des Schriftmaterial offiziell nochmal in Augenschein genommen sowie der Vergleich von Internvergleich mit Vergleichsschriftmaterial. Danach wurde der Verfahrensgang festgestellt: Das Gericht verlas chronologisch die Dokumente beginnend mit dem Antrag auf Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses vom 06.05.2013 bis zum Beschluss der Eröffnung der Hauptverhandlung und der Versendung der Ladungen.

Abschließend wurde darauf hingewiesen, das beim nächsten Termin die Plädoyers zu erwarten sind, was bedeutet, dass es beim übernächsten Termin höchstwahrscheinlich zur Urteilsverkündung kommen wird.

Um 14:15 endete der Verhandlungstag.

Der nächste Prozesstermin ist am 17. November um 09:00 Uhr am Landgericht Berlin, Turmstraße 91, Eingang Wilsnacker Str

 

1Der Bayessche Wahrscheinlichkeitsbegriff interpretiert Wahrscheinlichkeit als Grad persönlicher Überzeugung, d.h. als Sicherheit in der persönlichen Einschätzung eines Sachverhalts, und nicht als relative Häufigkeit wie das andere Wahrscheinlichkeitsbegriffe tun.

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(Grupo Barbaria) Pandemie und soziale Kontrolle https://panopticon.blackblogs.org/2021/10/26/grupo-barbaria-pandemie-und-soziale-kontrolle/ Tue, 26 Oct 2021 06:05:27 +0000 http://panopticon.blackblogs.org/?p=2363 Continue reading ]]> Weiter geht es mit noch einem Text von der Grupo Barbaria, die Übersetzung ist von uns.

Pandemie und soziale Kontrolle

Der Kapitalismus besteht aus unmöglichen Disjunktionen1. Er spaltet das, was in anderen Gesellschaften als ein organisches Ganzes verstanden wurde, und stellt einen Antagonismus zwischen den beiden Polen her, der uns zwingt, uns für den einen zu entscheiden und auf den anderen mehr oder weniger zu verzichten. Die Pandemie hat dies mit der Gesundheit und der Wirtschaft gemacht. Das Proletariat steht also vor der irrigen Wahl, entweder an Covid zu sterben oder zu verhungern. Auf individueller Ebene ist es im Kapitalismus sicherer zu verhungern, wenn man kein Einkommen hat, als an Covid zu sterben, so dass die Wahl in Wirklichkeit falsch ist. Das ist nichts anderes als Erpressung. Auf der sozialen Ebene ist sie komplexer und erklärt das Verhalten der Staaten seit Beginn der Pandemie.

Aber hinter diesem Spannungsfeld zwischen Gesundheit und Wirtschaft verbirgt sich ein anderes, das von Anfang an im Mittelpunkt der sozialkritischen Debatten stand: Freiheit oder Gesundheit, eine Nachahmung der alten Dichotomie zwischen Freiheit und Sicherheit, die ihrerseits Ausdruck des grundlegenden Gegensatzes im Kapitalismus zwischen Individuum und Staat ist. So übt in den radikalen Medien die Sorge um einen Staat, der durch die Pandemie auf Kosten unserer individuellen Freiheiten gestärkt worden zu sein scheint, einen starken Druck aus. Die Diskurse sind vielfältig. Die Existenz des Virus wird zugegeben oder nicht, diesem wird eine größere oder geringere Schwere beigemessen, wenn dessen Existenz zugegeben wird, der digitalen Überwachung oder den Medien wird mehr oder weniger Gewicht beigemessen. All diese Diskurse haben jedoch eine gemeinsame Grundlage: Der Covid ist ein Deckmantel, der uns davon abhält, das eigentliche Problem zu sehen, nämlich die Zunahme der sozialen Kontrolle. Der Staat setzt sich eine Maske auf und nutzt die Gelegenheit, Angst in der Bevölkerung zu schüren, um die freiwillige Knechtschaft zu fördern. Schockdoktrin, wie man früher sagte. Das Bemerkenswerte an der Pandemie ist nicht das Gesundheitsproblem, die Zahl der Toten, das Opfer von Gesundheit und Leben an den Kannibalismus des Kapitals, sondern die Entwicklung von Kontroll- und Repressionsmechanismen durch die Big Data, die Digitalisierung des Alltags, die Verstärkung der Gesellschaft des Spektakels, der Aufstieg der medizinischen Macht, der Aufstieg der Biomacht. Dieser Prozess kann uns einfach zu einem stärkeren, totalitäreren Kapitalismus führen, oder er könnte sogar der Übergang zu einer neuen Klassengesellschaft sein, die nicht durch die Produktion von Wert, sondern durch die absolute Durchsetzung eines Orwellschen Staates durch technologische Beherrschung und Spezialwissen gekennzeichnet ist.

Vom Kapitalismus zur Biokratie?

Vielleicht ist es der Anti-Entwicklungsismus2 (a.d.ü., antidesarrollismo), der diesen letzten Aspekt am besten zum Ausdruck gebracht hat. Aus seiner Sicht wurde die Pandemie vom Staat ausgenutzt – wenn nicht sogar provoziert -, um die medizinische und technologische Macht über die Bevölkerung auszubauen, und in diesem Sinne wäre sie eine Bestätigung seiner These, dass wir uns auf eine Gesellschaftsform zubewegen oder bereits zu ihr übergegangen sind, in der das grundlegende Problem nicht die Ausbeutung einer sozialen Klasse durch eine andere ist, sondern die Herrschaft einer um den Staat organisierten Kaste von Technokraten über die gesamte Bevölkerung. Wenn man die Begriffe im Lichte der Ereignisse ein wenig aktualisiert, kann man sagen, dass es sich bei diesem Staat um eine Gesundheitsdiktatur handelt, die von Biokraten – den Technokraten der medizinischen Macht – geführt wird, die durch die Medikamentisierung des Lebens und die digitale Überwachung einen Durchbruch bei der Herrschaft über einer Bevölkerung erzielt haben, die durch die Angst vor Krankheit und Sterben betäubt wurde.

Begriffe sind wichtig, sie prägen unser Denken und die Kategorien, die wir verwenden. Es besteht ein radikaler Unterschied zwischen Ausbeutung und Herrschaft, denn erstere hat eine materielle Grundlage, die in der Art und Weise wurzelt, wie Gesellschaften ihr Leben produzieren und reproduzieren. Herrschaft sagt uns jedoch nur etwas über ein Machtverhältnis, ohne zu erklären, woher es kommt. Und das ist nicht trivial, denn was keine eindeutige Ursache hat, hat auch keine mögliche Lösung. Darin liegt die reaktionäre Kraft der Postmoderne, die uns eine Welt vor Augen führt, die durch ein Netz von Machtmitteln organisiert ist, ohne dass es einen genauen Grund oder Zweck gibt, eine Vielzahl von Unterdrückungen, aus denen man sich nicht befreien kann. An Revolution, nicht einmal an Widerstand, ist aus dieser Perspektive nicht mehr zu denken.

So wird verständlich, warum der Unterschied zwischen dem Staat, der uns beherrscht, und dem Staat, der unsere Ausbeutung verwaltet, wichtig ist. Der Staat ist keine autonome Institution mit eigenem Zweck und eigener Funktionsweise, die von den sozialen Beziehungen, die die Produktion und Reproduktion des Lebens organisieren, getrennt ist. Er ist vielmehr ein Organ dieser sozialen Beziehungen, wenn diese durch den Antagonismus der Klassen zersplittert sind, und als solches sorgt er dafür, dass die Gesellschaft durch die Trennung zusammengehalten wird. In den kapitalistischen Gesellschaftsverhältnissen, in denen die Produktion von Wert einer unpersönlichen und automatischen Logik folgt, erfüllt der Staat die Funktion, die Interessen des Kapitals zu wahren, notfalls auch gegen die einzelnen Kapitalisten selbst.

Der entwicklungsfeindliche3 Diskurs geht noch einen Schritt weiter. Er nimmt diese sozialen Beziehungen, die eine bestimmte Art von Technologie und Wissen hervorbringen, und kehrt die Pyramide um. Es sind die Technologie und das Fachwissen, die eine bestimmte Art von sozialen Beziehungen hervorbringen, und der Staat ist lediglich ein Instrument, um sie durchzusetzen. Die Technik wird fetischisiert. Technologie, Wissen, zuletzt medizinisches Wissen, werden zu einer autonomen Macht, die in der Lage ist, entfremdete soziale Beziehungen zu schaffen. Es gibt viele Probleme mit dieser Art von Ansatz, aber für unsere Zwecke wollen wir nur auf eines hinweisen: Soziale Beziehungen können verändert werden, man kann eine soziale Organisation positiv bekämpfen, um eine andere zu etablieren, aber Wissen und Technologie können nicht bekämpft werden. Auf jeden Fall wird es vergessen und nicht einmal vergessen, denn solange der Kapitalismus existiert, werden sich Technologie und Wissen weiter entwickeln, angetrieben durch den Wettbewerb zwischen den Unternehmen. Es handelt sich also um einen Kampf auf verlorenem Posten, weil er nicht die Ursachen bekämpft, sondern sie umgeht. Auf diese Weise hört die Revolution auf, eine materielle Möglichkeit zu sein, und die Emanzipation wird, wenn überhaupt, zu einer aufklärenden Tatsache. Nur die Bewusstesten, die das Wort empfangen haben, können versuchen zu entkommen.

In Wirklichkeit werden sie dazu auch nicht in der Lage sein. Es gibt keinen Weg aus der Technokratie, aber es gibt einen Weg aus dem Kapitalismus.

Mit Beharren auf der Biomacht

Im Kapitalismus ist der Staat der Verwalter der sozialen Ausbeutungsverhältnisse, die im Übrigen in einer tiefen historischen Krise stecken. Um das Verhalten des Staates während der Pandemie zu verstehen, müssen wir den Widerspruch erklären, mit dem er konfrontiert ist.

Obgleich es in der Geschichte schon andere Pandemien gegeben hat, ist dies das erste Mal, dass sich ein unbekanntes Virus in einer Gesellschaft mit einer so großen Bevölkerung ausbreitet, die so globalisiert und voneinander abhängig ist und in ständiger Interaktion mit der ganzen Welt steht. Um eine Vorstellung davon zu bekommen, gab es zur Zeit der Spanischen Grippe schätzungsweise 1,8 Milliarden Menschen auf der Welt, und das Haupttransportmittel waren Dampfschiffe. Heute gibt es fast 7,8 Milliarden Menschen, und die Zahl der Flugreisen vervielfacht sich im Laufe weniger Jahre: Die Macht der Verbreitung neuer Viren – mit ihren neuen Stämmen – wächst gleichzeitig mit der Entwicklung des Kapitalismus. Wir können also verstehen, dass ein Virus mit einer derartigen Ansteckungsfähigkeit in einer so global vernetzten Gesellschaft und mit einer so anfälligen Bevölkerung eine reale Gefahr darstellt, nicht nur wegen der mehr oder weniger hohen Tödlichkeit des Virus selbst, sondern auch wegen des drohenden Zusammenbruchs der Gesundheits- und Bestattungssysteme und der damit verbundenen Kollateralschäden. Es ist daher nicht verwunderlich, dass bei einer offiziellen Zahl von 4 Millionen Todesfällen durch Covid weltweit allein in Indien zwischen Juni 2020 und Juni 2021 zwischen 3,4 und 4,9 Millionen überzählige Todesfälle geschätzt werden.

Dies bringt den Staat in eine schwierige Lage. Es ist ebenso notwendig, Waren zu produzieren und in Umlauf zu bringen, wie es notwendig ist, dafür lebende Arbeiter zu haben. Die Staaten sind weit davon entfernt, sich in einem Übergangsprozess zu einer neuen totalitären Gesellschaft zu befinden, sondern tun das, was sie im Kapitalismus immer getan haben, allerdings unter den zunehmenden Schwierigkeiten, die ihnen die Entwicklung dieser Produktionsweise auferlegt: Sie müssen die Garanten für die Instandhaltung der Arbeitskraft für deren Ausbeutung bleiben, in einem Kontext, in dem die Bevölkerung exponentiell wächst, die Vernetzung des Verkehrs auf globaler Ebene immer mehr zunimmt, die Dauerkrise des Kapitals zu einer Vergrößerung des sozialen Elends und einer zunehmenden Verwüstung der Natur führt, und diese Faktoren wiederum unser Immunsystem schwächen und neue Pandemien hervorrufen. Die Funktion des Staates, die darin besteht, eine Gesellschaft zusammenzuhalten, die durch Klassenantagonismen und im Kapitalismus durch den Krieg aller gegen alle, der durch die Konkurrenz zwischen den Kapitalen verursacht wird, zerrissen ist, gerät immer mehr in Schwierigkeiten, da er vor der Wahl steht, eine Wirtschaft aufrechtzuerhalten, die Krankheiten verbreitet, oder die Arbeiter zu erhalten, die die Wirtschaft tragen.

Andererseits liegt dieser Feststellung die Frage zugrunde, dass Gesundheit eine soziale Tatsache ist, viel mehr als eine individuelle. Dabei geht es natürlich nicht nur um ansteckende Krankheiten, sondern darum, dass unsere Gesundheit das Ergebnis der Art und Weise ist, wie wir uns gesellschaftlich organisieren: ob es eine Trennung zwischen Stadt und Land gibt oder nicht, ob die Städte klein oder monströs sind, ob es Lohnarbeit gibt oder nicht, unter welchen mehr oder weniger gesunden Bedingungen diese Arbeit verrichtet wird, welche Art von Wohnungen wir haben, welche Art von Landwirtschaft wir betreiben, wie sich die gesellschaftliche Aktivität auf unseren natürlichen Lebensraum auswirkt und auf welche vielfältige Weise dieser Lebensraum uns etwas zurückgibt. Lange bevor wir zur individuellen Verwaltung unseres eigenen Körpers kommen, ist Gesundheit eine soziale Tatsache.

Darüber hinaus bedeutet die Entwicklung des Kapitalismus und die enorme Kraft der Vergesellschaftung, die er auf globaler Ebene entfaltet hat, dass die Gesundheit immer mehr zu einer Tatsache der Spezies wird. Im Unterschied zu anderen Pandemien ist unsere Gesundheit mehr und mehr global vernetzt; man könnte sagen: wir werden mehr und mehr zu einem globalen Körper. Dies ist jedoch ein ernsthaftes Problem im Kapitalismus, da er dazu neigt, uns international zu vereinheitlichen, während er uns gleichzeitig nur über die Nationalstaaten steuern kann. Wie der Klimawandel ist auch die Covid-Pandemie ein Beweis für die Ohnmacht des Kapitalismus, die von ihm geschaffenen historischen Probleme zu lösen. Und die Mittelmäßigkeit der Regierungen im Umgang mit der Pandemie ist nur ein Ausdruck dieser Ohnmacht.

Unsere Gesundheit ist eine soziale Tatsache, aber in diesem System der Zusammenballung von isolierten Individuen in ständiger Konkurrenz wird die Freiheit isoliert gedacht und das Soziale mit dem Staat identifiziert. Spontane Organisation auf der Grundlage des freien Willens und der gegenseitigen Unterstützung ist in einer Warengesellschaft nicht möglich: Solange es kapitalistische soziale Beziehungen gibt, wird der Staat weiter existieren, um den egoistischen Trieb der Individuen zu regulieren und diesen aufzuzwingen. Natürlich sind es nicht die Bedürfnisse der Menschen als Kollektiv, die dem individuellen Egoismus entgegenstehen, sondern die Bedürfnisse nach Verwertung des Werts, nach Kapitalakkumulation. Die Gesundheitsverwaltung ist nur eine Folge davon.

Dass wir nur eine Arbeitskraft für den Staat und das Kapital sind, ist eine Binsenweisheit. Deshalb geht es nicht um unser Leben, geschweige denn um unsere Gesundheit, sondern darum, dass wir – statistisch gesehen – ein Mindestmaß an beidem aufrechterhalten, um die automatische Maschine des Kapitals weiter zu füttern. Unsere Körper sind natürlich Gegenstand der Kontrolle durch die Verwaltung, um diesen Zweck zu gewährleisten. Dies ist weder neu noch außerordentlich. Der Körper der Frau ist schon seit langem Gegenstand der Kontrolle durch die Klassengesellschaften, um die Reproduktion der Arbeitskraft und die korrekte Weitergabe des Privateigentums zu gewährleisten, ohne dass dies die Ideen der großen philosophischen Genies erschüttert hätte. Die Theorie der Biomacht, die in letzter Zeit so sehr in Mode gekommen ist, um die Idee eines zunehmend totalitären und mächtigen Staates zu verteidigen, ist nichts anderes als eine banale Feststellung dieser Tatsache. Bei einer Pandemie mit den beschriebenen Merkmalen, die das reibungslose Funktionieren der Maschine des Kapitals in hohem Maße bedroht, wird das Bedürfnis des Staates, unsere Körper zu kontrollieren, durch ein wahres Element – die Gesundheit ist eine soziale Tatsache – und ein falsches Element verstärkt: dass er damit die Gesellschaft und die sozialen Bedürfnisse verteidigen würde. Wenn wir bei dieser Aussage bleiben, gibt es jedoch weder eine Erklärung noch einen Ausweg. Die Lösung kann weder in einer staatlichen Gesundheitsverwaltung liegen, die immer die Unterordnung unserer Gesundheit unter den Kannibalismus des Kapitals sein wird, noch in der Verteidigung des Individuums als freies, unabhängiges und dem sozialen Körper fremdes Atom.

Der Kapitalismus wird geschwächt, und mit ihm der Staat.

Diejenigen, die nicht direkt vom Übergang zu einer neuen Klassengesellschaft sprechen, behaupten, dass der Kapitalismus stärker wird, dass er von Tag zu Tag mehr Überzeugungskraft gewinnt und diejenigen, die sich nicht überzeugen lassen wollen, zermalmt. In dieser Hinsicht wird die Bourgeoisie immer mächtiger. Wenn sie es auch nicht geplant hat, so hat sie doch zumindest die Gelegenheit der Pandemie nicht verpasst, die technische Überwachung zu verstärken und die Staatsbürger durch eine Strategie der Angst gefügiger zu machen.

Aber der Begriff Strategie scheint übertrieben. Als globale Strategie, bei der die herrschende Klasse einem festgelegten und vereinbarten Plan folgt, ist sie sicherlich nicht anwendbar, da die Verwaltung jeder Regierung während der gesamten Pandemie eine rette sich wer kann war, zuerst mit Masken, PSA und künstlichen Beatmungsgeräten und dann mit Impfstoffen. Und auch auf nationaler Ebene gibt es weder einen konkreten Plan noch eine Absprache, denn das charakteristischste Merkmal dieser Verwaltung ist das Zickzacklaufen, die widersprüchlichen Empfehlungen, die blinden Schachzüge, die Wiedereröffnungen und die Lockerung von Maßnahmen, von denen mit Sicherheit bekannt war, dass sie nur vorübergehend sind. Das hat natürlich wenig mit den großen nationalen Plänen zu tun, die die Bourgeoisie vor einigen Jahrzehnten ausgearbeitet hat und die der Verwaltung der Regierung trotz der wechselnden politischen Farben Stabilität verliehen. Aber auch mit den Vorjahren hat sie wenig zu tun. Mit dieser Krise erreichen die Unsicherheit und die Orientierungslosigkeit der herrschenden Klasse einen Paroxysmus: Die Wirtschaftswachstumsdaten werden ausgewertet und schwanken jeden Monat, die Geld- und Inflationskontrollpolitik wird von einem „Wir werden schon sehen“ bestimmt, die ERTEs4 werden verhandelt und wieder neu verhandelt, um sie noch ein paar Monate zu halten, die Maßnahmen zur Senkung der Strom- und Gasrechnung werden quartalsweise angewandt, in der Hoffnung, dass – so Gott will – das nächste Quartal besser sein wird. In der EU war die eigene Politik gegenüber der Impfkampagne eine Abfolge von Widersprüchen und Hin- und Hergeschiebe.

Und das ist normal. Die Bourgeoisie ist desorientiert, weil ihre eigenen gesellschaftlichen Verhältnisse außer Kontrolle geraten sind. Sie muss die Arbeitslosigkeit begrenzen, kann aber die Verdrängung von Arbeitskräften durch die Automatisierung der Wirtschaft nicht verhindern. Sie muss den Klimawandel und die Verschwendung von Energie und Bodenschätzen eindämmen, aber schon eine Verlangsamung des BIP-Wachstums bedeutet eine schwere Wirtschaftskrise. Sie braucht den Fluss der Waren, die Bevölkerung, um sie weiterhin in schnellem Tempo zu konsumieren, dass das Kapital sich weiterhin frei auf dem Planeten bewegen kann, aber ihr eigenes Debakel ruft Pandemien hervor, die sie zwingen, diese Bewegung zu behindern, Grenzen zu schließen, sich zurückzuziehen.

Wenn der Staat immer größer zu werden scheint, dann nicht, weil er wächst und stärker wird, sondern weil er durch den bloßen Verfall seiner historischen Funktion anschwillt. Einerseits nimmt sein Gewicht in der Wirtschaft zu, weil die Unternehmen ihn als Organ zur künstlichen Beatmung brauchen, da ihre Gewinne mit dem Fortschreiten des Kapitalismus tendenziell abnehmen. Ohne ihre Arbeitsplätze, ihren Konsum, ihre Geldspritzenpolitik oder ihre öffentlichen Kredite wäre die Wirtschaft nicht in der Lage zu widerstehen. Auf diese Weise werden wir Zeuge eines Prozesses, der die grundlegende Trennung des Kapitalismus zwischen Wirtschaft und Politik, zwischen Staat und Markt verwischt, denn während der Staat ein Organ der künstlichen Beatmung des Kapitals ist, übt dieses eine immer stärkere Kontrolle über ihn aus. Die Fähigkeit des fordistischen Staates, seine politischen Entscheidungen, seine Wirtschaftsplanung, seine Geldpolitik oder sogar seine Steuern durchzusetzen, liegt nun weit hinter ihm. Denn die Erschöpfung des Werts führt auch zur Erschöpfung des Staates als Organ der Regulierung der kapitalistischen Verhältnisse. Die Leichtigkeit, mit der das Kapital verlagert wird und sich seiner territorialen Kontrolle entzieht, die ständige Zunahme der Staatsverschuldung, die es in die Hände der internationalen Finanzmärkte legt, die wachsende Bedeutung supranationaler Strukturen – all dies stellt das traditionelle Prinzip eines jeden Staates in Frage: die Souveränität über sein Territorium, die Fähigkeit, seine politischen Entscheidungen durchzusetzen. Andererseits führt die Konzentration des Kapitals in bestimmten Regionen zu einer territorialen Ungleichheit innerhalb ihrer Grenzen, die die materielle Grundlage für den Ausbruch regionaler oder nationalistischer Bewegungen mit zentrifugalem Charakter bildet. Und schließlich bedeutet der Verlust der materiellen Grundlagen des Reformismus aufgrund einer abnehmenden Produktion von Mehrwert auch, dass der Staat selbst immer weniger Ressourcen für die soziale Integration durch Hilfe, öffentliche Dienste, soziale Unterstützung hat: nicht umsonst treten Religion und Gemeinschafstidentitarismus in diesen Funktionen an seine Stelle, ohne dass dies eine Vereinheitlichung der sozialen Brüche ermöglicht, sondern sie vielmehr in einem reaktionären Sinne vertieft5.

Nur in diesem Chaos lassen sich die Zunahme der digitalen Überwachung und die Modernisierung der Repressionsmechanismen verstehen. Ja, der Kapitalismus greift auf Repression zurück und wird dies auch in Zukunft tun, aber das bedeutet nicht, dass die soziale Kontrolle zunimmt. Im Gegenteil, wenn er auf Gewaltanwendung zurückgreifen muss, dann deshalb, weil die Konsensmaschinerie ins Stocken gerät.

Die technologische Entwicklung ist sowohl das Werkzeug als auch die Verurteilung der herrschenden Klasse. Die technologische Entwicklung hat uns eine Überwachungskapazität beschert, die in der Geschichte beispiellos ist: Drohnen, Gesichtserkennung, Verfolgung durch Smartphones, massive Analyse des Konsums von Produkten und Inhalten im Internet, Überwachung sozialer Netzwerke durch künstliche Intelligenz und Big Data. Aber auch auf der Grundlage der gleichen technologischen Entwicklung wird immer weniger menschliche Kraft zur Ausbeutung benötigt, die Gewinne sinken, das Kapital konzentriert sich in einer Kasinowirtschaft, die nur Blasen erzeugt, die immer kurz vor dem Platzen sind, die Überschussbevölkerung wächst, ohne sozialen Nutzen, es werden immer mehr Energieressourcen und Rohstoffe benötigt, und um sie zu gewinnen, verschärft sich die ökologische Krise, die Erde wird durch die Ausbeutung der Agrarindustrie unfruchtbar, der Phosphorkreislauf bricht zusammen und es kommt zur Wüstenbildung, die klimatischen Phänomene werden immer extremer, das Trinkwasser wird zu einem immer größeren Problem, die Kriege nehmen zu, das Ungleichgewicht der Ökosysteme bedroht unser Leben auf dem Planeten.

All dies führt zu sozialen Ausbrüchen, zu Revolten, die den Grundstein für künftige Rebellionen legen. Natürlich rüstet der Staat auf, aber nur, weil er sich immer weniger auf den gesellschaftlichen Konsens verlassen kann. Nur aus einer Perspektive der Herrschaft, in der sich die Macht ohne Erklärung oder mögliche Lösung durchsetzt, kann man glauben, dass die Menschheit diesem Prozess tatenlos zusehen kann. Wer sich nicht von einer solchen Sichtweise gefangen nehmen lässt, wird erkennen, dass die aktuellen Bewegungen verwirrt und begrenzt sind, aber dass sie auf ein System reagieren, das unsere Spezies verdammt, und dass sie lernen, dass sie Lehren aus den vergangenen Niederlagen ziehen, mit einem unterirdischen Gedächtnis, das jede globale Welle der letzten überlegen macht: Wellen, gegen die der Staat immer stärker bewaffnet und immer fragiler ist.

Im Kapitalismus ist es üblich, dass man zwischen Schwert und Abgrund steht und sich fragt, welches das kleinere Übel ist. Gesundheit oder Wirtschaft. Freiheit oder Sicherheit. Persönliche Rechte oder soziale Bedürfnisse. Das Individuum oder der Staat. Wir schreiben nach eineinhalb Jahren Pandemie, die von diesen Dichotomien durchzogen ist. Und die Debatte, die sie in den Reihen der sozialen Kritik ausgelöst haben, ist nicht unbedeutend, aber wir werden nicht in der Lage sein, sie innerhalb dieser lösen zu können. Die Polarisierung, die wir erleben, hat etwas Falsches und etwas Wahres: Wahr, weil Gesundheit und Wirtschaft, Freiheit und Sicherheit im Kapitalismus einen realen und unversöhnlichen Antagonismus leben. Wer sich für das eine entscheidet, muss mehr oder weniger auf das andere verzichten. Deshalb sind die Versuche der Linken, Vorschläge zur Lösung dieses Antagonismus auszuarbeiten, nicht nur banal, sondern auch voller Selbstbetrug – um ihre eigene gesellschaftliche Funktion zu rechtfertigen – und Zynismus.

Aber diese Polarisierung hat auch etwas Falsches an sich, denn wir werden die Antwort nie finden, wenn wir sie in dieser Konfrontation suchen, und weil die Argumentation von dort aus dazu führt, dass wir einen Teil des Kapitals dem anderen vorziehen. Diejenigen, die sich für Gesundheit und Sicherheit entscheiden, verteidigen den Staat als neutrale Institution, die gut ist, wenn sie gut geführt wird, und die allein in der Lage ist, sich um das Gemeinwohl zu kümmern und die sozialen Bedürfnisse gegenüber den egoistischen Bestrebungen isolierter Individuen zu schützen. Diejenigen, die der Freiheit und der Wirtschaft zugeneigt sind6, verteidigen schließlich den freien Willen des Individuums, koste es, was es wolle, und begreifen die Entgleisung eines Gesellschaftssystems, das von Waren und Lohnarbeit bestimmt wird, als etwas Natürliches.

Die einzige Möglichkeit für diejenigen von uns, die eine emanzipierte Gesellschaft anstreben, besteht darin, mit diesem Ansatz der Debatte zu brechen, wenn wir nicht in ihm gefangen sein wollen. Ob wir nun an Covid sterben oder verhungern, wir entscheiden uns für den Kampf gegen ein System, das uns diese Wahl aufzwingt. Zwischen der Verteidigung des Staates als einzigem Garanten der sozialen Bedürfnisse oder der Verteidigung der Freiheit des Einzelnen, der sich seiner gegenseitigen Abhängigkeit nicht bewusst ist, entscheiden wir uns für den Kampf gegen das Kapital. Weder Lohnarbeit noch ein System, das uns krank macht. Weder der Staat noch das Individuum: Beide Kategorien werden mit den Klassengesellschaften geboren, wachsen mit dem Kapitalismus und werden mit ihm sterben, als letzte Klassengesellschaft der Geschichte.

 

1A.d.Ü., eine Disjunktion ist eine Trennung, eine Sonderung, eine logische Verknüpfung zweier Aussagen durch das ausschließende „Entweder-oder“, eine logische Verknüpfung zweier Aussagen durch das nicht ausschließende „Oder“.

2A.d.Ü., im Originaltext ist die Rede el antidesarrollismo. Dieser Begriff bildet sich aus dem spanischen desarollo – Entwicklung/Fortschritt, und anti – gegen, zusammen Anti-Entwicklung oder auch Anti-Fortschritt, im englischen Anti-developmentalism, wird auch als antiindustrialAnti-Industriell. Im spanischsprachigen Raum ist dieser Begriff nicht unbekannt und wird auch selbstreferentiell verwendet, es gibt eine solche Strömung, einer der bekanntesten Verfechter ist der Anarchist Miguel Amorós, aber nicht nur. Zahlreiche Gruppen, Publikationen und Einzelpersonen schreiben sich ihr zu, einige davon haben wir auf unseren Blog veröffentlicht. Diese Strömung kritisiert die Ideologie des industriellen Fortschritts/Entwicklung, nicht nur dass der Fortschritt/Entwicklung die Welt vernichtet, sondern auch den Menschen und dass dies nicht vom Kapitalismus zu trennen ist. Diese Strömung ist nicht mit dem Primitivismus zu verwechseln, wenn auch beide eine intrinsische Kritik an Technologie und an der industriellen Gesellschaft ausüben. Diese Strömung verteidigt die Kämpfe gegen die Schnellzüge, die Vernichtung von Wäldern oder Naturgebieten, den Ausbau nuklearer und erneuerbarer Energien z.B.. Andere Prominente Kritiker der industriellen Gesellschaft sind unter anderem Günther Anders, Jacques Ellul, Lewis Mumford, Jaime Semprún, Jacques Camatte und die damalige Publikation Encyclopédie des Nuisances, jetzt ein Verlag.

3A.d.Ü., siehe Fußnote Nr. zwei.

4A.d.Ü., eine ERTE, Expediente de Regulación Temporal de Empleo, ist ein Gesetz, welches den Abbau von Arbeitsstellen ermöglicht, ist während der Covid-19 Pandemie im spanischen Staat massiv angewendet worden.

5Diese Argumente werden von n+1 in Lo Stato nell’era della globalizzazione viel ausführlicher dargelegt.

6Wir verweisen auf Argumente gegen anti-Covid Maßnahmen, die nicht gesundheitlicher, sondern wirtschaftlicher Natur sind, wie z. B. die Untersuchung von Einsperrungen oder Ausgangssperren im Hinblick auf die Schädigung von Unternehmen und Arbeitsplätzen. Im Grunde geht es bei diesen Argumenten darum, die vor dem Virus geretteten Leben gegen die zum Elend verdammten Leben abzuwägen und letztlich eine Wahl zu treffen: als ob wir im Kapitalismus zwischen Elend und Krankheit wählen könnten, die in Wirklichkeit Hand in Hand gehen, wie wir bei der Pandemie selbst sehen. Ein Buch, in dem diese Art von Argumenten sehr präsent ist, obwohl es auch viele Überlegungen über die Gültigkeit dieser Maßnahmen bei der Kontrolle der Ansteckung gibt, ist P. Francés, J. R. Loayssa und A. Petruccelli: Covid-19. La respuesta autoritaria y la estrategia del miedo, El Salmón ed.

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(Grupo Barbaria) Robin Hood im Wald des Kapitals https://panopticon.blackblogs.org/2021/10/25/grupo-barbaria-robin-hood-im-wald-des-kapitals-2/ Mon, 25 Oct 2021 07:53:38 +0000 http://panopticon.blackblogs.org/?p=2356 Continue reading ]]> Einleitung von uns,

hier eine weitere Übersetzung der Grupo Barbaria von denen wir ja schon einige Texte übersetzt haben, dieses mal ein Text der sehr gut an reformistischen Diskussionen hier in Berlin andockt, zumal diese Übersetzung eine destruktive Kritik solcher Diskussionen ist, bei denen über die Reichweite reformistischer Projekte und/oder Ansätze geschwafelt wird. Angefangen damit ob es überhaupt eine Welt außerhalb des Kapitalismus wünschenswert wäre und vor allem realisierbar ist. Daraus folgend da der Kapitalismus international und weltumfassend ist, kann dieser auch nur international und weltumfassend zerstört werden.

Robin Hood im Wald des Kapitals

Wir veröffentlichen den folgenden Text, der im August 2019 für die Zeitschrift Salamandra Nr. 23-24 geschrieben wurde, im Rahmen einer Debatte darüber, ob es möglich oder wünschenswert ist, dem Kapitalismus zu entkommen, an seinem Rande zu leben, als radikalen Vorschlag für das Leben und den Kampf.

I

Während diese Zeilen geschrieben werden, brennt der Amazonas.

In Wahrheit hat er nicht aufgehört zu brennen.

In Wahrheit ist die Brandserie, die im August 2019 Alarm geschlagen hat, nichts anderes als ein großes Feuer, das sich seit Jahrzehnten fortsetzt und einen nach dem anderen die – geografischen oder nicht – Schlupfwinkel wegfegt, die man für sicher vor dem Kapital gehalten hat.

Robin Hood gehen die Wälder aus, in denen er sich verstecken kann.

II

Seit der Entstehung des Kapitalismus bildet sich der Widerstand gegen dieses System heraus. Manchmal äußern sich diese Widerstände in einem frontalen Kampf, manchmal in Fluchtversuchen. Zu anderen Zeiten hinterlässt eine Kampfbewegung Formen der Vereinigung/Assoziation, die sowohl als Zufluchtsort als auch als Vorbereitung auf die kommenden Kämpfe dienen. All dies ist Teil der gleichen säkularen Bewegung, die spontan aus dem Boden dieser Gesellschaft geboren wird und in der die menschliche Gemeinschaft gegen die Ware rebelliert.

Im 16. und 17. Jahrhundert, zur Morgendämmerung des Kapitalismus, starb die Hälfte der europäischen Bevölkerung, hinzu kamen die Dutzende Millionen Menschen, die durch die Kolonisierung Amerikas getötet wurden, und zum Ausgleich die Intensivierung der Sklavenjagd in Afrika, die sich in den folgenden Jahrhunderten auf mehr als elf Millionen in die Neue Welt transportierte Menschen summierte. Das 16. und 17. Jahrhundert war aber auch durch eine Vielzahl sozialer Revolten gekennzeichnet, die von der Revolution des deutschen Bauerntums bis zu den Subsistenzmeutereien in Andalusien und Neapel, von den Aufständen der russischen Bauernschaft gegen die Einführung der Leibeigenschaft bis zu den Anfängen der Fronde1 in Frankreich reichten, einer Bewegung, die ihren Höhepunkt in der englischen Revolution und den kommunistischen Bestrebungen ihrer radikalsten Strömungen fand. Während halb Europa im Frontalangriff gegen das aufgezwungene System kämpfte, kämpfte in den peripheren Zonen des aufkommenden Kapitalismus ein anderer Teil dieser Widerstandsbewegung. So wurde die Karibik zu einem Treffpunkt für Seeräuber und Maroons2. So entstand auch der Quilombo de Palmarés im Nordwesten Brasiliens, der zum Zentrum des Aufstands der afrikanischen Sklaven wurde, oder die Cofradía de los Hermanos de la Costa (Bruderschaft der Brüder der Küste), die sich aus Piraten und Kolonisten zusammensetzte, die von La Española3 vertrieben wurden und sich im Krieg mit dem spanischen Imperium4 befanden. Beide Prozesse, in Europa und in diesen Regionen, sind untrennbar miteinander verbunden und sind Teil desselben globalen Prozesses der Konstitution unserer Klasse, unserer Kampfgemeinschaft.

III

Dass die Gemeinschaft der einzige Weg ist, auf dem die Menschen gegen das Kapital kämpfen können, ist keine ideologische oder moralische Vorliebe, sondern einfach eine Notwendigkeit, eine Tatsache: Angesichts einer Welt von Atomen – Individuen, die gegeneinander in Konfrontation stehen, wie die Waren selbst auf dem Markt gegeneinander in Konfrontation stehen – findet die Revolte als Rückgewinnung5 unseres sozialen Wesens gegen das statt, was uns verleugnet. Wenn wir von Klasse sprechen, sprechen wir davon, dass diese Gemeinschaft als soziale Kraft in ihrem Kampf gegen die Warenverhältnisse und deren Elend auftritt. Wenn wir von Kommunismus sprechen, meinen wir genau diese säkulare Bewegung, die zwar unregelmäßig, aber beständig ist.

Und doch scheint heute das Gerede von Klasse und Kommunismus nicht auf der Tagesordnung zu sein. Die Idee der Revolution selbst wird immer mehr negiert, entweder weil sie angesichts der kapitalistischen Katastrophe nicht möglich wäre – es ist zu spät – oder weil sie nicht einmal wünschenswert wäre – die internationale, universelle Revolution ist nichts als eine bourgeoise Idee. Diese Negation findet zur gleichen Zeit statt, in der die Unfähigkeit des Kapitalismus, irgendeine Form von Zukunft zu bieten, deutlich wird. In seinem automatischen Wahnsinn vertreibt das Kapital riesige Massen von Arbeitskräften, schafft eine Überschussbevölkerung, die sich in einer riesigen globalen Favela auftürmt, löst alle gemeinschaftlichen Bindungen auf, verzehrt unersättlich – wie hoch auch immer der Preis ist – die Mittel zur Subsistenz, die der Planet für die gesamte Gattung der Spezies bietet. Wenn aber eine Revolution nicht möglich oder gar wünschenswert ist, was bleibt dann noch übrig?

IV

Mit dem Vormarsch des Kapitalismus in den folgenden Jahrhunderten wurden die Quilombos und Pirateninseln ausgelöscht. Er hat auch die Überreste vorkapitalistischer Beziehungen beseitigt, die die Herrschaft der Ware überlebt hatten. Manchmal geschah dies auf subtile Weise, mit Versprechungen von Freiheit und Wohlstand in den Industriestädten, manchmal aber auch ganz direkt, indem man ganze Familien verhungern ließ, so dass sie auf der Suche nach einem Hungerlohn von ihrem Land und ihrer Gemeinschaft getrennt wurden.

Wie dem auch sei, der Wert6 veränderte die Gesellschaft nach seinem eigenen Bild. Das Recht ragte empor und mit ihm die Demokratie als einzige Möglichkeit – der Mensch ist dem Menschen ein Wolf -, die Beziehungen zwischen den einzelnen Atomen im ständigen Wettbewerb zu regeln. Die Idee der Emanzipation wurde zu einer Rechtsfrage und zu einer Frage der Bürgerrechte7. Der Wert der Arbeit wurde eingefordert, um die Würde des lohnabhängigen Sklaven zu bestätigen. Die Familien wurden kleiner, und die Wohnungen wurden in sich geschlossener, bienenstockartige Gebäude in den endlosen Tentakeln der Stadt. Die Trennung von Stadt und Land wurde ebenfalls abgeschafft, so dass das Land zu einer Fabrik für Lebensmittel und Rohstoffe wurde, während die Stadt Natursimulationen in goldenen Käfigen hielt, die sie – abstrakt wie die gesamte Logik des Kapitals – Grünzonen nannte.

Der Wert ist keine wirtschaftliche Tatsache, sondern ein gesellschaftliches Gesamtverhältnis, das jeden Aspekt des menschlichen und natürlichen Lebens verdinglicht, fragmentiert, zu einer Rechtsfrage und zur Ware macht. In dem Maße, in dem sich der Kapitalismus entwickelt, in dem seine enteignende Bewegung und seine atomisierende Logik voranschreiten, löst er auch alle Formen einer stabilen, im Land verwurzelten Gemeinschaft auf.

V

Wenn eine Revolution nicht möglich oder gar wünschenswert ist, bleibt nur noch die Subtraktion8. Diese Welt verlassen. Es wird vorgeschlagen, aufs Land zu gehen, ein Stück Land zu besetzen oder zu kaufen, um eine kleine Gemeinschaft zu gründen, mit der man den Kollaps9 am besten überstehen kann. Es wird auch vorgeschlagen, in der Stadt zu bleiben, Unterstützungsnetze aufzubauen, Häuser und soziale Zentren zu besetzen, Lebensmittel zu recyceln, Kooperativen10 in selbstverwalteten Räumen zu gründen oder, falls dies nicht möglich ist, von Kleinkriminalität zu leben.

Beide sind Teil des subtraktivistischen Vorschlags. So nehmen sie – je nach Vorliebe – die Quilombos und die Pirateninseln, die Bauerngemeinschaften und das soziale Banditentum, die Kooperativen, die Gewerkschaften und die Ateneos11 der ursprünglichen Arbeiterbewegung und verschmelzen sie zu einem einzigem Mythos: dem von Robin Hood, der sich in den Wäldern versteckt, um nicht entdeckt zu werden, oder der sich hinhockt und lauert, um auf den richtigen Moment zu warten, um zuzuschlagen und die Situation umzudrehen; in jedem Fall ist es ein getrennter Robin Hood, der dem sozialen Dasein entzogen ist.

Tief im Inneren gibt es auch noch etwas anderes. Robin ist der Menschen überdrüssig. Stattdessen kann er im Wald tun, was er will: seinen Gemüsegarten pflegen, mit geschminktem Gesicht um das Feuer tanzen oder seine biodynamische Hütte mittels Airbnb vermieten, um sich sein Weihnachtsgeld zu sichern. Auf diese Weise kultiviert Robin sein Lebensprojekt mit großer moralischer Hygiene und beharrt auf seiner individuellen Essenz. Denn ob es sich nun um Pirateninseln, Kooperativen, Gewerkschaften oder Hausbesetzungen handelt, sein spezifisches Projekt wird am Ende autonom und zum Selbstzweck. Das heißt, wenn Robin in den Wald geht, bleibt er außerhalb des Waldes. Er hört nicht auf, sich als ein atomisiertes Individuum des Kapitals zu bestätigen.

Denn der subtraktivistische (A.d.Ü., kursiv von uns) Vorschlag bringt etwas Wertvolles zum Ausdruck: die Notwendigkeit, mit den von der Ware dominierten sozialen Beziehungen zu brechen, und den Wunsch, eine echte menschliche Gemeinschaft wiederherzustellen. Das Problem ist, dass dies durch eine Trennung geschieht. Er nimmt die Gemeinschaft, die durch unsere Klassenkämpfe entstanden ist, und verwirft sie, oder macht sie bestenfalls zu einer Zukunft, die von der Gegenwart abgekoppelt ist und der man immer misstrauisch gegenübersteht, wie bei Godot12. Er nimmt also unsere unmittelbaren Interessen – Lebensbedingungen, die es uns erlauben, unser soziales Wesen zumindest teilweise wiederzuerlangen13 – und trennt sie von unseren historischen Interessen: dem revolutionären Bruch mit der Herrschaft der Ware und des Staates. Auf diese Weise nähert man sich auf die eine oder andere Weise der Verwaltung unseres Elends, der Verwaltung der Ware und ihrer Lebensform: Man verfällt so in den Reformismus des Alltags, in den Verwaltungsismus14, da die totale – anthropologische – Transformation der Revolution negiert wird, um die Transformation der individuellen Beziehungen in dieser Welt15 zu bestätigen.

Und nicht zufällig gibt man dabei jede Idee von Universalität auf. Die auf Lokalismus fixierte subtraktivistische (A.d.Ü., kursiv von uns) Ideologie verneint jede Möglichkeit einer wirklich globalen menschlichen Gemeinschaft. Sie negiert den Internationalismus, der über individuelle Forderungen und Solidaritätsaktionen mit Kämpfen in anderen Gebieten hinausgeht. Anstatt unseren Widerstand als Teil ein und derselben gemeinsamen Bewegung zu betrachten, die an sich international ist – so wie der Kapitalismus international ist -, wird er als Inseln in einem Archipel betrachtet, die sich im besten Fall nach und nach ausdehnen, bis sie sich gegenseitig berühren.

VI

Aber der Kapitalismus hat schon längst alle Wälder niedergebrannt. Wie auch andere Formen der Sozialdemokratie stützt sich der Subtraktionismus (A.d.Ü., kursiv von uns) auf reale Bedürfnisse, um ihnen eine falsche Antwort zu geben. Es ist nicht möglich, dieser Welt zu entkommen16. Die einzige Gemeinschaft, die sich dem Vormarsch des Kapitals widersetzt, ist ihre eigene – die Gemeinschaft des Geldes – und alle anderen müssen sich ihr anpassen und sich in ihrer Logik strukturieren, oder sie werden sterben.

Da es nicht möglich ist, dem Kapital zu entkommen, ist der Subtraktionismus (A.d.Ü., kursiv von uns) mit seinen eigenen Gespenstern konfrontiert. Er reproduziert die bestehenden Verhältnisse – mit ihrer Konkurrenz, ihrem Machismo, ihrem Individualismus – und setzt schließlich auf Formen des wirtschaftlichen Überlebens, die nichts anderes sind als typisch kapitalistische Ausbeutung, aber verinnerlicht durch Selbstverwaltung17. Wenn die Subtraktion in eine Sackgasse führt, muss man entweder resignieren oder nach einer kohärenteren Alternative suchen. Wenn sich nichts ändern lässt, wenn man dem Kapital nicht entkommen kann, dann ergibt vielleicht seine (demokratische) Verwaltung durch den Staat einen Sinn. Wenn sich die gesellschaftlichen Verhältnisse von einer kleinen Gemeinschaft aus nicht ändern lassen, kann vielleicht die große staatliche Gemeinschaft mit ihren Verordnungen und Ordnungskräften etwas bewirken. Kurz gesagt, Subtraktionismus (A.d.Ü., kursiv von uns) und institutionelle Politik sind zwei Seiten derselben Medaille.

Eine Subtraktion ist also nicht möglich. Der Kapitalismus beruht jedoch auf einem grundlegenden Widerspruch: In seiner unersättlichen Dynamik überschreitet er alle Grenzen, er verweigert alle Bedürfnisse derer, die er ausbeutet, und deshalb besteht die einzige Möglichkeit für das Proletariat zu überleben, darin sich dieser Ausbeutung entgegenzustellen. Im Gegensatz zu anderen Klassengesellschaften, in denen der Status quo jahrhundertelang aufrechterhalten werden konnte, zwingt der Kapitalismus durch sein ständiges Wachstum zum Reagieren.

Ein Ausbruch und alles beginnt.

Er muss nicht unbedingt aus dem schlimmsten Angriff oder der schlimmsten Situation stammen. Sicherlich kann das Niveau des Aushaltens sehr hoch sein, wenn der soziale Frieden und die Repression mitspielen. Aber manchmal kommt der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt: Dann kommt es zu einem sozialen Ausbruch, einer Revolte, die gleichzeitig diese Welt negiert und Formen der Gemeinschaft, der Solidarität zwischen Fremden, der Identifikation über alle Grenzen und Sprachen hinweg, der Erotik, der Phantasie bejaht.

Einfach so, alles auf einmal. Aus dem sozialen Frieden, aus der Einsamkeit, aus dem individuellen Überleben, aus der permanenten Konkurrenz werden die Staatsbürger-Atome, auf die uns das Kapital reduziert, ionisiert, in einer gemeinsamen Struktur mit einer explosiven elektrischen Ladung zusammengeführt: Die Negation dieser Welt und die Affirmation einer neuen sind untrennbar, Gemeinschaft und Kampf bilden ein untrennbares Ganzes.

Genau aus diesem Grund löst sich diese Kampfgemeinschaft auf, wenn es zu einer Niederlage kommt. Zweifellos gibt es nach wie vor Netze der Solidarität und der Diskussion, die versuchen, einen Teil des Erlebten zu bewahren. Es gibt auch weiterhin Strukturen revolutionärer Minderheiten, die eine Bilanz der Niederlage ziehen müssen. Aber unsere Klasse ist intermittierend, und das ist so, weil die einzige Gemeinschaft, die dem Vormarsch des Kapitals widerstehen kann, eine ist, die es radikal leugnet, und um es zu leugnen, um den Wert zu leugnen, kann es sich nur vertiefen und international ausbreiten oder es wird besiegt. Wenn die Revolution nicht kommt oder kommt und nicht siegt, wird die Kampfgemeinschaft dazu neigen, bis zum nächsten Ansturm in die Atomisierung des Kapitals zurückzusinken.

VII

Es gibt also keinen Amazonas mehr, in dem man sich verstecken kann.

Gleichzeitig sind unsere Möglichkeiten der Emanzipation viel größer als in der Vergangenheit: Im Gegensatz zu dem im Dschungel versunkenen Quilombo oder der im Ozean verlorenen Insel ist der Kampf unserer Klasse – mehr und mehr – ein globales Phänomen und zielt auf die Bildung einer internationalen menschlichen Gemeinschaft ab.

Solange es eine menschliche Spezies gibt, wird es Widerstand gegen den Vormarsch des Kapitals geben. Solange es Widerstand gibt, wird es zu Ausbrüchen kommen. Solange es Ausbrüche gibt, wird es eine Erinnerung an die gelernten Lektionen geben, ein Lernen im Unterirdischen, eine neue Revolte, die nicht über dieselben Steine stolpern wird, eine wachsende Verallgemeinerung der Kämpfe. In diesem Prozess neigt unsere Klasse dazu, sich als Partei zu bilden18

All dies hat nichts mit dem Bewusstsein bestimmter Individuen zu tun. Die Revolution ist nicht nur möglich und wünschenswert, sondern auch unvermeidlich: eine tektonische Tatsache, ein natürliches Phänomen. Ganz genau: natürlich.

Unser Kampf ist der einzige Wald, den das Kapital nicht abholzen kann.

 

1A.d.Ü., die Fronde (auf Deutsch: die Schleuder) sind die Aufstände und Bürgerkriege, die in Frankreich zwischen 1648 und 1653 stattfanden, sie richteten sich unter anderem gegen die Herrschaft Ludwig des XIV.

2A.d.Ü., als Maroons (aus dem spanischen Cimarrón) werden jene Sklaven bezeichnet die aus den Plantagen flohen konnten.

3A.d.Ü., das war der Name, der der Insel, die heutzutage von Haiti und der Dominikanischen Republik bewohnt wird, von Kolumbus selbst gegeben wurde. Die ersten Chronisten datieren der Insel mehrere Namen, nämlich Haiti, Bohio und Quisqueya, diese sollen von den Ureinwohnern so benannt worden sein.

4Für weitere Informationen zu diesen beiden Phänomenen des Kampfes siehe Rodrigo Vescovi: „Bucaneros y quilombos: Comunidades de resistencia en América durante el siglo XVII“, verfügbar unter periodicoellibertario.blogspot.com/2018/02/bucaneros-y-quilombos-comunidades-de.html.

5A.d.Ü., ein weiteres Mal die Erklärung des Begriffes recuperación, begleitet uns seit jeher bei den Übersetzungen aus dem Spanisch. Sehr oft haben wir diese versucht zu beschreiben, hier ein weiteres Mal.

Der Begriff der Rekuperation, oder Zurückgewinnung, Wiedererlangung, usw., wurde vor allem von der Situationistischen Internationalen beeinflusst und entnommen. Es erklärt den Moment, wo revolutionäre Ideen ihrer Inhalte entleert werden und zur Ideologie verkommen, bzw. von jeglicher herrschenden Ideologie übernommen werden. Im konkreten bedeutet dies, als Beispiel, als der Kommunismus (oder eher der Marxismus-Leninismus) zur Staatsform (sowie in der UdSSR praktiziert), zu einer herrschenden Ideologie wird, verlor dieser automatisch seinen Ursprung und wurde zum Instrument der Herrschaft einer Partei gegen die Arbeiter*innen.

7A.d.Ü., auch verstanden als Staatsbürgerrechte, siehe Kritik zum Thema Staatsbürgerschaft

8A.d.Ü., hier verstanden als Trennung, Absonderung, Absprung, usw.

9Für eine Kritik der Idee des Kollaps des Kapitalismus, siehe unseren Text: El decrecentismo o la gestión de la miseria, verfügbar unter barbaria.net/2019/06/09/el-decrecentismo-y-la-gestion-de-la-miseria. (A.d.Ü., wird gerade von uns übersetzt.)

10A.d.Ü., hier auch verstanden als Genossenschaften, oder wie sie im Szenejargon gerne bezeichnet werden Kollektiv(-betriebe).

11A.d.Ü., als Ateneos sind Kulturzentren zu verstehen, die es im spanischen Staat seit dem späten 19. Jahrhundert gibt, die von Arbeitern und Arbeiterinnen gegründet wurden, ursprünglich von Anarchisten und Anarchistinnen, um verschiedenen Tätigkeiten nachzugehen. Alphabetisierungskurse, Debatten, Bibliotheken, Tanz-, Theater- und Musikgruppen, Kitas, Waffenlager, die ersten Freien Schulen wurden in Ateneos gegründet, und vieles andere wurde dort gemacht.

12A.d.Ü., wir denken dass es sich hier um das Theaterstück von Samuell Beckett handelt, welches den Namen von Warten auf Godot trägt, bei dem es sich um Landstreicher handelt die auf einen gewissen Godot warten, der nie auftaucht, absurdes Theater.

13A.d.Ü., siehe Fußnote Nr. 6.

14A.d.Ü., wieder mal eine sprachliche Achterbahn, im Originaltext ist die Rede von gestionismo, was sich von gestión (Verwaltung) und ismo (Ismus) bildet. Kann als die Ideologie der Verwaltung, der Selbstverwaltung und ähnliches verstanden werden, dass es einen Ausweg aus dieser Gesellschaft via selbstverwalteter Projekte geben könnte.

15Indem man in den Verwaltungsismus (A.d.Ü., gestionismo) verfällt und alles auf die gegenwärtigen Verhältnisse reduziert, vermeidet man gleichzeitig die Auseinandersetzung mit dem Problem der Revolution und damit der Diktatur des Proletariats. Für eine Reflexion über diesen grundlegenden Punkt auf der Grundlage historischer Erfahrungen, siehe «Sobre la revolución y contrarrevolución en la región española (VII): Conclusión y balance» en nuestra página barbaria.net/2019/12/31/sobre-la-revolucion-y-contrarrevolucion-en-la-region-espanola-vii-conclusion-y-balance (A.d.Ü., wird von uns gerade übersetzt)

16A.d.Ü., an dieser Stelle steht im Originaltext Y es que no es posible sustraerse de este mundoEs ist nicht möglich, dieser Welt zu entkommen – oder, Es ist nicht möglich sich aus dieser Welt zu subtrahieren, was als ein Sprachspiel verstanden werden kann, weil beim vorherigen Satz über die Subtraktionismus auf reale Bedürfnisse die Rede ist.

17Vgl. Cuadernos de Negación, Nr. 12: „Crítica de la autogestión“. Verfügbar unter cuadernosdenegacion.blogspot.com/2018/11/nro12-critica-de-la-autogestion.html

18A.d.Ü., im marxschen Sinne zu verstehen, nicht in der Bildung einer politischen Partei im demokratischen oder leninistischen Sinne.

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