Holstenglacis – Parkbank Solidarity https://parkbanksolidarity.blackblogs.org Solidarität mit den Dreien von der Parkbank Sat, 06 Feb 2021 14:11:38 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 https://parkbanksolidarity.blackblogs.org/wp-content/uploads/sites/1002/2019/07/cropped-PBSideIcon-32x32.jpg Holstenglacis – Parkbank Solidarity https://parkbanksolidarity.blackblogs.org 32 32 Knastkundgebung gegen Isolation und Einsperrung https://parkbanksolidarity.blackblogs.org/knastkundgebung-gegen-isolation-und-einsperrung/ Sat, 06 Feb 2021 14:02:05 +0000 http://parkbanksolidarity.blackblogs.org/?p=1562 Continue reading ]]> Knastkundgebung gegen Isolation und Einsperrung

Fast regelmäßig gab es in den Jahren 2019 und 2020 Demonstrationen und Kundgebungen am U-Knast Holstenglacis – vor allem weil dort zwei anarchistische Gefährt*innen und ein wegen Aktionen gegen den G20-Gipfel Beschuldigter einsaßen, wurde sich immer wieder zusammengefunden, wurden die Gefangenen mit Feuerwerk, Musik, Parolen und Beiträgen gegrüßt.

Nie wurde vergessen, dass sich hinter den Mauern auch viele andere Menschen befinden, deren Einsperrung genauso willkürlich, falsch und unmenschlich ist wie die derer, denen wir uns unmittelbar nahe fühlen.

Unsere Gefährt*innen berichteten stets, wie sehr sich hinter Gittern über diese Anteilnahme und die kämpferische Positionierung gegen das Gefängnis als Ganzes gefreut wurde. Der Knast soll vereinzeln, verängstigen, isolieren und die Kundgebungen haben diese Auswirkungen effektiv unterlaufen, waren ein Lichtblick im grauen Knastalltag und haben den Gefangenen den Rücken gestärkt.
Die Solidarität, Freundschaft und Zärtlichkeit, die in den Kundgebungen zum Ausdruck kamen, haben Eindruck hinterlassen und inspiriert.

Dieses Jahr sollte zum Jahreswechsel wieder eine Kundgebung vor dem U-Knast Holstenglacis stattfinden, diese wurde aber unter dem Vorzeichen des Lockdowns und des Versammlungsverbots zu Weihnachten und Silvester verboten.
Die Bedingungen im Knast sind während der Pandemie noch beschissener geworden.
Wurden zu Beginn der Pandemie in einigen Bundesländern Menschen entlassen, die beispielsweise wegen nicht bezahlter Geldstrafen in Ersatzhaft saßen, herrschte ziemlich bald wieder Normalbetrieb – abgesehen eben von den nun noch schwierigeren Haftbedingungen, die dem Infektionsschutz dienen sollen.
In der Untersuchungshaftanstalt heißt das derzeit eine zweiwöchige Quarantäne ohne frische Kleidung oder regelmäßiges Duschen. Es gibt eine sogenannte „Coronastation“ für positiv getestete Gefangene und als zum Beispiel eine Abteilungsleiterin positiv getestet wurde, bedeutete das Quarantäne-Einschluss für insgesamt 25 Gefangene. Hier wird klar, dass schon das Einhalten von Abständen und vernünftige Hygiene im Gefängnis schlicht nicht möglich sind.
Gerichtsverhandlungen fallen aus, Entscheidungen zögern sich immer wieder heraus, Besuche finden nur noch deutlich eigeschränkt und hinter Trennscheibe statt.
Die Liste an mit dem Infektionsschutz begründeten Schikanen ließe sich lange fortführen – und es ist klar, dass es hier nicht um die körperliche oder seelische Unversehrtheit der Gefangenen geht, sondern um ein möglichst effizientes Funktionieren des Gefängnisses. Die Aufrechterhaltung von Macht und Kontrolle wird gegen alle Widerstände über die Würde der betroffenen Gefangenen gestellt.

Insbesondere unter diesen Bedingungen ist es wichtig, die Gefangenen nicht zu vergessen.
Der Knast ist die letzte Instanz des Staates um diejenigen in die Schranken zu weisen, die nicht im Sinne von Recht und Gesetz funktionieren können oder wollen. Die Unterdrückungsmechanismen, die diese Welt prägen, wirken im Gefängnis umso stärker und sichtbarer – so ist es zum Beispiel kein Zufall, dass der weit größte Teil der Inhaftierten nicht weiß ist oder einen deutschen Pass besitzt.
Niemals haben Gesetze und Strafen irgendwelche sozialen Probleme gelöst – sie existieren, um die Privilegien derer zu schützen, die von Unterdrückung und Ausbeutung profitieren.
Ein Kampf gegen eine Welt, die auf Konkurrenz, Ausbeutung und Unterdrückung beruht muss sich deswegen immer auch gegen die Einsperrung richten.

Am Sonntag, den 28.02. wollen wir ab 15 Uhr mit euch vor der Untersuchungshaftanstalt Holstenglacis den Gefangenen zeigen, dass sie nicht alleine sind.

Für eine Welt ohne Knäste und Grenzen.

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Brief aus der sozialen Quarantäne https://parkbanksolidarity.blackblogs.org/brief-aus-der-sozialen-quarantaene/ Sun, 28 Jun 2020 22:55:55 +0000 http://parkbanksolidarity.blackblogs.org/?p=1341 Continue reading ]]>

Brief aus der sozialen Quarantäne – 22.03.2020

– Die folgenden Zeilen sind lediglich eine Momentaufnahme, verfasst am Sonntag, den 22.03. im Untersuchungsgefängnis Holstenglacis in Hamburg. Vieles wird sich geändert haben, wenn ihr diese Worte lest, manche Einschätzung und Information wird überholt sein. Ich habe aber nicht die Möglichkeit in „Echtzeit“ zu kommunizieren – deswegen jedoch nicht zu kommunizieren kann auch keine Option sein.

Die Welt befindet sich in weitreichendem Ausnahmezustand. Leider nicht im Zuge der sozialen Revolution, sondern wegen Sars-Covid-2.
Verunsicherung und Angst kehren zumeist zunächst das Hässliche in den Menschen heraus – der Ruf nach „starker Führung“, nach autoritärem „Durchgreifen“ einerseits, das gegenseitige Misstrauen, den denunziantischen Reflex bis hin zum stumpfen Rassismus andererseits. Das ist keineswegs eine „natürliche Reaktion“. Sondern seit Jahrhunderten in die Köpfe der Unterworfenen gemeisselte Methode zur Sicherung der Herrschaft. Ich will kein verschwörungstheoretisches Raunen schüren – virologische Erkrankungen sind biologische Tatsachen. Doch dass Angst und Verunsicherung bewährte Praxen des Ausbaus von Mechanismen der Kontrolle (und des Rückbaus erkämpfter Zugeständnisse) sind, ist eben auch Tatsache, historische allerdings.

Und die Früchte, die die Autoritäten unter den Vorzeichen der Virusbekämpfung zu ernten gedenken zeichnen sich vielerorts bereits ab. Ausgangsbeschränkungen, die Ortung von Mobiltelefonen, der Lockdown kompletter Regionen… die Liste ist lang. Auch die Rolle, die digitalen Kommunikationsplattformen dieser Tage zukommt, lohnt sicher näherer Betrachtung. Nun befinde ich mich allerdings quasi im staatlich verordneten Digital Detox und will im Folgenden also ein wenig von der Situation hier im Gefängnis berichten. Über einen „Mangel an starker Führung“ können sich Insassen von Einsperrenden Institutionen ja eher nicht beklagen. Seit bald neun Monaten erlebe ich was es heißt, zu einem justiziellen Verwaltungsakt degradiert zu werden. Eine Erfahrung, die ich mit all jenen teile, die ebenfalls einer einsperrenden Institution unterworfen sind – seien es sogenannte „Lager“, Haftanstalten oder Psychiatrien.

Der Staat in Form einer bürokratisch verwaltenden Justiz hat permanenten Zugriff auf meinen Körper, bestimmt faktisch über jeden Schritt, den ich tue, eben auch über jedes Zugeständnis an „Selbstbestimmung“. Das bedeutet einen permanenten Kampf um die individuelle Integrität, die selbstbestimmten Beziehungen, die revolutionäre Identität.

Seit ungefähr einer Woche hat sich das allgemeine Regime hier im Zuge der „Corona-Krise“ abermals verschärft. Zunächst herrschte bei Besuchen ein Verbot körperlichen Kontakts und sämtliche Aktivitäten, die einen traktübergreifenden Austausch unter den Gefangenen möglich machten, wurden gestrichen – religiöse Angebote, Sportgruppen, Sprachkurse und so weiter. Die Beamt*innen schweigen sich ohnehin prinzipiell über die Situation in anderen Teilen des Knastes aus – so haben wir zum Beispiel von einem Suizidversuch auf einer anderen Station vor ein paar Monaten nur durch andere Gefangene erfahren.

Mittlerweile wurden die Besuchsmöglichkeiten noch weiter eingeschränkt. Waren bislang noch monatlich 2×1 Stunde mit bis zu drei Personen möglich, ohne Trennscheibe, gilt seit drei Tagen eine Reduktion auf monatlich 2x ½  Stunde mit nur einer erwachsenen Person und gegebenenfalls zwei Kindern unter 14 Jahren – mit Trennscheibe. Auch Besuche durch Verteidiger*innen sind beschränkt worden. Soweit ich das derzeit überblicken kann, finden diese auch nur noch mit Trennscheibe statt.

Die Situation in dem Trakt, auf dem ich eingesperrt bin, gestaltet sich derzeit noch belastender. Am Dienstag, den 17.03. berichtete ein Mitgefangener von Grippesymptomen. Seitdem befinden sich die beiden Stockwerke, die gemeinsam Hofgang hatten unter Quarantäne. An den Türen zu den Fluren hängen Zettel: „Covid19-Verdacht-Quarantäne-Keine Gefangenenbewegung“ – hier liegt wohl kein zynischer Scherz der ziemlich humorlosen Anstaltsleitung vor, sie behält aber Recht in der Doppeldeutigkeit.

Für uns bedeutet das derzeit 24 Stunden Einschluss in der Zelle, kein Hofgang. Auch die Benutzung der Dusche wird versagt – wobei es auf den Zellen (alles Einzelzellen) kein warmes Wasser gibt, lediglich ein Waschbecken. Begründet werden solche Unmöglichkeiten mit vorgeblichem Zeitmangel. Eine Desinfektion der Duschen zwischen jeder Benutzung – schlicht nicht zu machen. Konsequenterweise fand der wöchentliche Einkauf dann aber ohne besondere Maßnahmen zur Infektionsvermeidung statt, wir wurden lediglich einzeln zur Abholung der Bestellungen geholt. Da war die Sorge vor den Diskussionen mit den Rauchern wohl größer als die grassierende Faulheit. Immerhin, denkt man da fast.
Sämtliche Anordnungen werden mit der gewohnten Empathielosigkeit durchgezogen. Die Kommunikation wird auf ein Minimum beschränkt, lediglich auch hartnäckige Nachfragen hin gibt es vage Informationen. Angeblich wird immernoch auf das Ergebnis eines Tests gewartet. Die Labore seien überlastet, es könne unbestimmte Zeit dauern.

Nun gibt es keine Möglichkeit das zu überprüfen – und das allgemeine Vertrauen in schließerseitige Informationen ist nicht sehr groß, da sich nicht selten widerwillige, beschwichtigende Antworten als (Not)Lügen oder Halbwissen herausgestellt haben. Besonders hart trifft diese verbreitete Nicht-Informationspolitik wie immer die nicht deutschsprachigen Gefangenen, die sich mit Ansagen wie „Nix Freizeit – Quarantäne – Corona!“ konfrontiert sehen.

Verteidiger*innen-Besuche sind für unter Quarantäne gestellte Gefangene untersagt, Kommunikation ist lediglich per Post oder über das teure auf eine Stunde im Monat beschränkte Telefon möglich.

Das ist vorerst eine knappe Beschreibung der für mich wahrnehmbaren Situation und deswegen ist sie sicher nicht vollständig und es ist möglich, dass knastseitige Informationen nicht (ganz) stimmen.
Thomas Meyer-Falk hat bereits von den Freiburger Zuständen berichtet. In der Süddeutschen wurde am 20.03. behauptet, es gäbe in den JVA‘s noch keinen bestätigten Covid19-Fall. Allen jedenfalls, von denen ich hier im Trakt weiß, geht es gesundheitlich soweit gut – inklusive meiner selbst und der als „Verdachtsfall“ eingestuften Person. Aus den sporadischen Gesprächen am Fenster ist aber zu erfahren, dass es vielen psychisch durchaus an die Substanz geht.

Die Situation in den Knästen und einsperrenden Institutionen überall dürfte sich auf ähnliche Weise verschärfen, wie die Revolten in Italien gezeigt haben. Vergessen wir also bei all dem Trubel nicht die Gefangenen und ihre Angehörigen.

Es ist offensichtlich, dass von den Behörden keine „humanere“ Behandlung zu erwarten ist – die hier stattfindende Praxis ist vielmehr notwendige Konsequenz der entmenschlichenden Logik bürokratischer Verwaltung und Einsperrung, die grundsätzlich beseitigt gehört.

Mir ist es wichtig zu betonen, dass es ein Fehler wäre, in diesen Tagen Solidarität und gegenseitige Hilfe mit Gehorsam gleichzusetzen und diese Begriffe so widerspruchslos den Autoritäten zu überlassen.
Es gibt nichts zu relativieren, doch:
Das tödlichste Virus ist und bleibt die Herrschaft, die Therapie heißt Revolte.
Bis alle frei sind.

– U-Knast Holstenglacis, 22.03.2020 –

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Brief aus dem Knast https://parkbanksolidarity.blackblogs.org/brief-aus-dem-knast/ Sun, 28 Jun 2020 22:52:58 +0000 http://parkbanksolidarity.blackblogs.org/?p=1339 Continue reading ]]>

Brief aus dem Knast –

Das Lachen ist im Knast nicht selten auch ein Ventil, ein Reflex nah am Zynismus, den die kafkaeske Realität hier drinnen unweigerlich provoziert. Doch vielmehr ist der Humor, das Lachen für mich auch ein Weg der Selbstbehauptung und ehrlicher Ausdruck meiner Freude über die Erkenntnis, dass die repressive Mühle sich an meiner Würde und meinem trotzigen Stolz abarbeitet ohne mich brechen zu können.

 

08.12.2019

Heute – naja, genaugenommen morgen – sind wir fünf Monate eingesperrt. Es ist ein verregneter Sonntag, ich höre Radio Azadi und widme mich einer kurzen Zwischenbilanz.
Einundzwanzig Wochen, seit denen mich die kalte Bürokratie der Justiz mittels ihrer architektonischen Entsprechung, dem Gefängnis, von meinen Lieben, meinen Gefährt*innen, von meiner geliebten Familie trennt.

Ich habe viele Tränen geweint seither, ich will das gar nicht leugnen. Da waren Tränen der Trauer und Angst, wenn mir schlimme Geschehnisse draußen vor Augen führten, dass der Knast eben durchaus auch Isolation und eingeschränkte Handlungsfähigkeit bedeutet. Tränen, weil ich meine Lieben so sehr vermisse und die geraubten Wonnen eines gemeinsam genossenen, wilden Sommers bedaure.

Aber ich habe noch viel mehr Tränen der Freude und der Rührung vergossen, das ist sicher. Ich erinnere mich an so viele Momente, die die kalte Totalität meiner Situation nachhaltig erschüttert haben. Geliebte Stimmen, leidenschaftlich und liebevoll umgesetzte Einfälle sowohl im Radio als auch direkt hinter der Mauer, in Hör- und Sichtweite, hunderte Briefe voller Liebe und kämpferischer Energie haben mir so viel Wärme und Glück beschert das hat mich immer wieder überwältigt.
Diese Momente und nicht abreißende Neuigkeiten solidarischer Initiativen, von denen ich im Radio hörte und – ironischerweise – in den Ermittlungsakten las haben Solidarität erlebbar gemacht.
Und so habe ich in den vergangenen Monaten auch sehr viel gelacht. Weit mehr gelacht als geweint, ganz sicher.

Das Lachen ist im Knast nicht selten auch ein Ventil, ein Reflex nah am Zynismus, den die kafkaeske Realität hier drinnen unweigerlich provoziert. Doch vielmehr ist der Humor, das Lachen für mich auch ein Weg der Selbstbehauptung und ehrlicher Ausdruck meiner Freude über die Erkenntnis, dass die repressive Mühle sich an meiner Würde und meinem trotzigen Stolz abarbeitet ohne mich brechen zu können.
Beiden beschriebenen Gemütsregungen, dem Lachen und dem Weinen wohnt einerseits sehr viel Liebe inne, genährt durch euch da draußen. Andererseits ist da aber auch eine große Wut, die so Ausdruck findet. Die Welt der Unterwerfung des Individuums unter die Logik der Herrschaft ist grauenvoll und ich hasse jeden Aspekt, in dem sich diese Logik manifestiert. Da wo Uniformen (oder Zivis…) Gesetzen folgend (oder diese akzeptierenderweise ignorierend…) sogenanntes Recht durchsetzen, also die herrschende Ordnung mit Gewalt verteidigen, zeigt sie sich so unverblümt wie selten. Hier jedenfalls werde ich täglich Zeuge der Mechanismen, die jene brechen sollen, die sich der wohlorganisierten, verwalteten Ungerechtigkeit nicht unterordnen wollen oder können.

Doch macht es mich stolz und gibt mir Kraft so viele Menschen zu sehen, die sich dagegen entschieden haben diese Ordnung zu akzeptieren. Und stolz macht mich auch, einer von ihnen zu sein.

Dass selbstorganisierte Kämpfe und Solidarität diesen Verhältnissen durchaus etwas entgegenzusetzen haben, wurde in den letzten Monaten vielfach bewiesen und ich grüße von Herzen euch alle, die ihr kämpft.

– Ein Gefangener im UG Holstenglacis –

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Brief aus der UHA Holstenglacis – Über Suizide im Knast https://parkbanksolidarity.blackblogs.org/brief-aus-der-uha-holstenglacis-ueber-suizide-im-knast/ Sun, 28 Jun 2020 22:50:56 +0000 http://parkbanksolidarity.blackblogs.org/?p=1337 Continue reading ]]>

Brief aus der UHA Holstenglacis – Über Suizide im Knast –

!! ACHTUNG: Wie im Titel angekündigt, handelt folgender aufschlussreicher Bericht insbesondere von Suiziden im Knast !!

Wir sollten niemals diejenigen vergessen, die weggesperrt werden. Wir dürfen nicht aufhören, gegen die Knäste zu kämpfen sowie die Welt, die sie braucht.

Oktober 2019

Vor einigen Wochen hat ein eingesperrter Mensch im Untersuchungsknast Holstenglacis versucht, sich das Leben zu nehmen. Beim Hofgang drang diese schwer zu ertragende Nachricht erst als Gerücht an mein Ohr. „da oben, in der Zelle neben deiner alten“ und tatsächlich, am Fenstergitter noch ein Rest des aus der kratzigen, braunen Decke improvisierten Stricks. „Selbst, wenn’s so wäre, ich dürfte es Ihnen nicht sagen, aber es ist niemand gestorben …“ so beantwortete der Beamte meine Nachfrage … Kurz war mir schwarz vor Augen, ein leichtes Taumeln, Herzklopfen, Symptome hilfloser Wut. Fühlte ich mich schon draußen durchaus denen nah, die diese Welt nicht mehr aushalten, ist die Konfrontation mit diesem drastischsten Ausdruck völliger Verzweiflung hier noch brutaler … hier kennen alle den Druck, den Schock, den der kalte Apparat mit seinen dreiundzwanzig Stunden Einschluss, der entwürdigenden Behandlung und der offensiv vermittelten Ausweglosigkeit auslöst. In den ersten Wochen soll gebrochen, unterworfen, Geständnis oder Verrat erpresst werden. Wer es nicht aushält, wer sich aufbäumt, wird bestraft – egal, ob sich die Verzweiflung gegen die Uniformierten, das Mobiliar oder den eigenen Körper richtet. Wer sich den systematisch hergestellten emotionalen Ausnahmezustand anmerken lässt, erfährt die einzige Zuwendung, zu der der Knast imstande ist – Isolation, gesonderte Beobachtung, Sedierung, wenn für nötig befunden, auch unter Zwang. Die Botschaft ist klar: fortan bestimmt die Justiz über deinen Körper, selbst der Grad deiner Verzweiflung ist reglementiert. Wer die Bedingungen hier kennt, der versteht, dass einem hier unter bestimmten Voraussetzungen der Lebensmut verlassen kann. Es braucht durchaus ein hohes Maß an Selbstbewusstsein und gewissen Kampfgeist, um nicht den Kopf zu verlieren.

In Hamburger Knästen haben sich im Jahr 2017 vier Menschen das Leben genommen, die Suizidversuche sind nicht öffentlich dokumentiert. In Deutschland nehmen sich jährlich ungefähr 80 Menschen in Haft das Leben, die absolute Mehrheit direkt nach ihrer Inhaftierung, beim ersten Mal Knast. Eine Umfrage ergab, dass 20% der U-Häftlinge innerhalb der ersten zwei Haftwochen Suizidgedanken gehegt hätten. Ganz unverblümt sprechen Gefängnispsycholog*innen vom „Haftschock“. (Quelle: DLF-Radiofeature, https://www.deutschlandfunk.de/strafvollzug-erhoehtes-suizidrisiko-bei-i…)
Dass sich trotz all dieser Zahlen am „Normalvollzug“ nichts ändert und stattdessen in technische Maßnahmen zur Verhinderung von Suiziden investiert wird, offenbart einmal mehr Charakter und Motivation des Gefängnisses.

Wem zum Beispiel in Frankfurt am Main „Selbstgefährdung“ zugeschrieben wird, der bekommt papierne Haftkleidung und wird in einen Raum gesperrt, den eine*r Beamte*r durch eine einseitig verspiegelte Scheibe überwachen kann. In anderen Bundesländern wird die Installation von Kameras diskutiert, die mittels künstlicher Intelligenz Bewegungen detektieren sollen, die als „suizidtypisch“ gelten, um dann Alarm zu schlagen.
Wem der Knast den Lebensmut raubt, dem wird auch noch der letzte Rest Würde aberkannt.
Auf die Behörden, die Justiz ist in dieser Frage genauso wenig zu setzen, wie in allen anderen.
Wir sind darauf angewiesen, einander zu unterstützen. Drinnen kann das heißen, Mitgefangene, die beim Hofgang alleine gehen anzusprechen, ihnen Hilfe anzubieten. Die Möglichkeiten sind vielfältig, in Absprache kann man sich un Anwält*innen kümmern. Druck bei den Bediensteten machen, man kann sich am Fenster zum Quatschen verabreden … ich denke, dass schon ein bisschen solidarische Zuwendung, die das Alleinsein schmälert, viel bewirken kann.
Draußen kann das heißen, sich mit den Menschen, die einem nahestehen schon Gedanken zu machen, was im Falle einer Festnahme passieren, worum sich gekümmert werden soll. Mir hat es sehr geholfen, sehr schnell mitgeteilt zu bekommen, dass sich um alles gekümmert wird.

Ich bin überzeugt, dass es im Gefängnis keine tatsächlichen Selbstmorde gibt – so wie es „draußen“ sehr häufig ökonomische oder sonstwie strukturelle und systemisch bedingte Krisen sind, die Menschen den Lebensmut nehmen, sind es „drinnen“ ganz sicher die Umstände der Gefangenenschaft.

Wir sollten niemals diejenigen vergessen, die weggesperrt werden. Wir dürfen nicht aufhören, gegen die Knäste zu kämpfen sowie die Welt, die sie braucht.

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Buchrezension aus dem Knast https://parkbanksolidarity.blackblogs.org/buchrezension-aus-dem-knast/ Sat, 01 Feb 2020 21:35:42 +0000 http://parkbanksolidarity.blackblogs.org/?p=1191 Continue reading ]]> Buchrezension aus dem Knast
 *2.1.2020 –

Liebe Freund*innen und Mitstreiter*innen,

ich wünsche euch ein schönes neues Jahr.
Ich hoffe ihr seid wie ich, gut rein gekommen.
Hier im Knast war die Silvester-Kundgebung großes Thema und ist gut angekommen. auch wenn ich leider nichts davon mitbekommen habe, bin ich beim Anblick schönen Feuerwerks und in Vorfreude auf und in Gedanken an euch ins neue Jahr gerutscht.

Ich sende euch eine Rezension einer guten Graphic-Novel. Auf deutsch ist das Buch bei Bahoe erschienen, auf englisch glaube ich bei AK Press.
Also ihr Lieben, ich sende Grüße an alle und hoffe wir sehen uns bald wieder.
Freiheit & Glück!

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Rezension: „Simón Radowitzky – Vom Schtetl zum Freiheitskämpfer“

Die deutschsprachige anarchistische Literatur ist leider recht begrenzt. Das wird spätestens deutlich, wenn man eine italienische, französische oder spanische Bibliothek betritt. Eine Konsequenz dieser begrenzten Auswahl ist ein sehr lückenhaftes Wissen über anarchistische und revolutionäre Geschichte und somit ein Fehlen relevanter Ereignisse und Debatten, auch für die zeitgenössischen Analysen und Kämpfe. So ist beispielsweise das Schicksal von Sacco und Vanzetti und die weltweite Solidarität mit ihnen auch im deutschsprachigen Raum vielen bekannt. Wenn auch meist aus einer sehr linken Perspektive, in der die beiden von der US-Justiz ermordeten italienischen Migranten als unschuldige Opfer und nicht als revolutionäre Anarchisten, die sie waren, dargestellt werden. Hingegen ist ein anderes Kapitel internationaler Solidarität hier weitestgehend unbekannt. Dafür sind allerdings nicht nur sprachliche Barrieren der Grund. Die Solidarität mit dem Anarchisten Simón Radowitzky war auch sehr stark und wurde in vielen Ländern auf die Straße getragen. Allerdings war es in seinem Fall nicht möglich, ihn als unschuldiges Justiz-Opfer zu instrumentalisieren. Er hatte 1909 Ramón Lorenzo Falcón, den berüchtigten General, der in Argentinien blutig Arbeiter*innen-Streiks und Demonstrationen niederschlagen ließ, mit einer Bombe ermordet.
Aufgrund seines jungen Alters konnte er nicht hingerichtet werden, sondern saß viele Jahre in Feuerland im Knast. Er hatte sich als Jude, der die antisemitischen Progrome der Kosaken im Zarenreich überlebt hatte, revolutionären Anarchist*innen angeschlossen und floh nach der Revolution 1905 nach Argentinien.
Seine Tat und Gefangenschaft bewegte viele, selbst gegen die Herrschaft zu kämpfen. So führten z.B. Severino di Giovanni und seine Mitstreiter*innen viele Angriffe für die Freiheit Radowitzkys durch, aber auch an vielen anderen Orten der Welt ließen Anarchist*innen das Dynamit in Solidarität sprechen. Nach einer spektukulären, aber leider gescheiterten Flucht durch die Wildnis Feuerlands, verließ Simón Radowitzky den südamerikanischen Kontinent und kämpfte in Spanien gegen den Faschismus. Er landete, wie so viele Revolutionär*innen, in einem französchischen Gefangenenlager. 1956 starb er in Mexiko.
Seit einigen Jahren gibt es nun eine sehr lesenswerte Graphic-Novel über sein Leben. Mittlerweile wurde Augustín Comottos Buch aus dem Spanischen auf Englisch und Deutsch übersetzt. Erfreulich ist, dass es sich nicht nur künstlerisch sehr lohnt, sondern auch inhaltlich und historisch genau ist. Auch zeigt der Autor eine Nähe zur anarchistischen Bewegung und Idee. So hat z.B. der britische Anarchist Stuart Christie ein Vorwort für das Buch geschrieben. Bis heute wirkt die Geschichte Simón Radowitzkys. Im Herbst 2018 wurde eine Anarchist*in bei dem Versuch, Falcóns Grab zu sprengen, schwer verletzt. Ihre und die Festnahmen weiterer Menschen im Zuge des Repressions-Schlages wurden, wie wir es von anderen Orten kennen, wenige Wochen vor dem G-20-Gipfel in Buenos Aires medial ausgeschlachtet.

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Brief eines Gefangenen, Oktober 2019 https://parkbanksolidarity.blackblogs.org/brief-eines-gefangenen-oktober-2019/ Mon, 28 Oct 2019 12:26:41 +0000 http://parkbanksolidarity.blackblogs.org/?p=866 Continue reading ]]> Brief eines Gefangenen, Oktober 2019

– Ich habe es bestimmt schonmal geschrieben aber es ist einfach so bezeichnend, dass sich der Staat und seine Justiz eine Korrektur, eine Veränderung der Menschen in ihrem Sinne vorstellen, diese versuchen zu erzwingen, indem den Gefangenen Liebe und Zärtlichkeit entzogen werden. Sie existieren natürlich trotzdem, wird aber in Form von kontrollierten Briefen, wenigen Telefonaten und Besuchen dosiert.

Der Staat wird mit seiner Gewalt immer dafür sorgen, dass die Gefängnisse gefüllt bleiben. Liebe und Zärtlichkeit sind wichtige Bestandteile eines freien Lebens, die auch erkämpft und verteidigt werden müssen. Diese Erkenntnisse werden mir hier deutlich, wenn Menschen hier drinnen nichts und niemanden Vermisstes haben und der Weg zur Selbstaufgabe kurz ist. Manche suchen dann die Religion als etwas, auf das sie sich stützen können… „Du kannst nicht tiefer fallen als in Gottes Arme.“ Die Religion steht für etwas oder gibt es vor, was viele nicht haben. Horizontale Beziehungen, in denen es ein gegenseitiges Vertrauen und eine Sicherheit über materialistische Werte hinaus bzw. unabhängig von ihnen gibt. Es fehlen die Erfahrungen von Solidarität. Viele Beziehungen von denen ich hier höre, sind eher Abhängigkeiten, an Bedingungen geknüpfte Geschäfte. So wie es eben vorgegeben, vorgelebt wird. Dass soll nicht frustriert oder fatalistisch klingen. Es ist eher mein Eindruck und zeigt mir, dass ein solidarischer, liebevoller Umgang, Beziehungen zwischen Menschen prägt und ändert.

Ein Gefangener
UHA Holstenglacis, Oktober 2019

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[HH] Text eines Gefangenen der UHA Holstenglacis Hamburg https://parkbanksolidarity.blackblogs.org/hh-they-can-bun-my-flesh-but-they-cant-touch-my-spirit-they-wan-take-way-my-freedom-but-they-cant-take-away-my-spirit/ Wed, 25 Sep 2019 09:32:47 +0000 http://parkbanksolidarity.blackblogs.org/?p=596 Continue reading ]]> Text eines Gefangenen der UHA Holstenglacis Hamburg:

„they can bun my flesh, but they can’t touch my spirit, they wan‘ take way my freedom, but they can’t take away my spirit“

Jede Zelle, jedes Haar, jeder Tropfen Blut ist Teil meines eigenen Körpers. Mit der Entnahme einer DNA-Probe, von Körperzellen gegen meinen Willen, wird mein Körper durch die staatliche Justiz und ihre Handlanger*innen verletzt, wie auch durch die Gefangenschaft.

Ich werde nicht auf die argumentative Sinnlosigkeit der Entnahme in diesem Verfahren eingehen, da ich generell keine DNA-Abnahme rechtfertigen will. Die vor wenigen Jahrzehnten eingeführten DNA-Datenbanken verstecken sich schon lange nicht mehr hinter den Scheinargumentationen der gefährlichen Gewaltverbrechen, sondern sind ein permanent genutztes Instrument des staatlichen Datensammel- und Kontrollwahns. Von Sprayer*innen bis zu Ladendieb*innen, wenn es nach ihnen geht, sollten wir am besten alle schon präventiv in ihren Datenbanken angelegt sein.

Und auch vor Gericht sehen wir die fortschreitende Entwicklung der DNA vom Indiz zum Beweis. So ist es z.B. in vielen anderen europäischen Ländern schon seit längerem Realität, auf Grund von DNA als Hauptbeweismittel verurteilt zu werden. Denn die DNA als ein durch und durch ideologisches Instrument macht es möglich, ein Bild eines Menschen, eine Biographie oder Position in Kombination mit einer vorgeworfenen Straftat zu einem Urteil zu machen, auch wenn sie nichts beweist.

Doch es wäre ein Fehler, im Rahmen ihres selbstlegitimierenden Theaters zu argumentieren. Das immer fortschreitende Sammeln von Daten jeglicher Art ist offensichtlich nicht zu unserem Schutz, zu unserem Wohl, sondern zur Verteidigung ihrer Herrschaft von Geld, Eigentum und der Macht über andere Menschen gedacht. Entgegen eines weitverbreiteten Irrglaubens gibt es keine neutralen Datenbanken. Sie funktionieren im Sinne der Herrschaft. Denn was heute noch „harmlose“ Daten sind, kann morgen gegen die, die sie betreffen, genutzt werden. Die Geschichte hat uns diese Lektion auf grausame Weise gelehrt. Was an einem Tag eine Liste, ein Verzeichnis, eine Mitgliedschaft ist, kann an einem anderen Tag ein Todesurteil sein. Und dass Verhältnisse sich schnell ändern und nie so stabil sind wie sie es vorgeben, wissen wir alle. Dass die Feind*innen der Freiheit zu ihren Zwecken Daten sammeln und Menschen kategorisieren, haben auch einige Ereignisse der letzten Zeit wiedereinmal verdeutlicht. So z.B. die Todeslisten des rechten Netzwerks „Nordkreuz“, bestehend aus (Elite-)Soldat*innen der Bundeswehr, Polizist*innen, Reservist*innen sowie Personen aus Justiz und Politik. Oder die Drohbriefe gegen anti-autoritäre und anarchistische Revolutionär*innen in Berlin, zusammengestellt und versendet von LKA-Beamt*innen mit Daten aus Polizei-Akten und Datenbanken. Die Datenbanken, die europaweit gegen geflüchtete Menschen genutzt werden, in denen ihre Körper wie die von Tieren vermessen werden, um sie anderenorts identifizieren zu können, …

Doch auch die allgegenwärtige totale Digitalisierung spielt eine große Rolle. So sind die Daten sozialer Netzwerke, Telekommunikations- und GPS-Daten sowie auch all das, was Online-Shopping und die „sharing-Mobilität über uns sammeln, mittlerweile die Hauptquellen der Repressionsorgane. Und leider gibt es eine erschreckend hohe freiwillige Beteiligung an diesem Prozess. Damit einher geht die Ausgrenzung von all den Menschen, die nicht Teil der etablierten legalen Gesellschaft sein können, da sie z.B. keine Papiere haben. Denn mit der immer weiter gläsern werdenden Gesellschaft verschwinden die Räume, in denen nicht permanente Kontrolle herrscht. Der soziale Nebel lichtet sich für die Herrschaft.

Individuen, die den Drang nach einem Leben in Freiheit verspüren, sollten unabhängig von der eigenen Situation unkontrollierte Räume schaffen und verteidigen und Menschen, die verfolgt, bedroht, ausgebeutet und unterdrückt werden, solidarisch begegnen und sie unterstützen.

Doch dies bedeutet den Konflikt mit denen, die uns beherrschen. Halten wir ihren Verhältnissen unsere selbstorganisierten Kämpfe entgegen.

UHA Holstenglacis, Hamburg, August 2019

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[HH] Das Geräusch von Schlüsseln und Metall https://parkbanksolidarity.blackblogs.org/hh-das-geraeusch-von-schluesseln-und-metall/ Fri, 06 Sep 2019 11:41:29 +0000 http://parkbanksolidarity.blackblogs.org/?p=469 Continue reading ]]>

[HH] Das Geräusch von Schlüsseln und Metall –

Brief eines Gefangenen in Hamburg

Das Geräusch von Schlüsseln und Metall

Das Geräusch von klappernden Schlüsseln, aneinander schlagenden Metallscharnieren, einrastenden Schlössern und Türen begleitet vom ersten Moment des Weckens um 6.45h, bis spät in die Nacht, wenn die Schließer*innen ihre Runden auf dem stadionhellen Hof drehen. Es ist ein so allgegenwärtiges Geräusch hier, dass man schnell das Gefühl bekommt, ein Industrial-Soundtrack würde auf Dauerschleife im Hintergrund laufen und von Zeit zu Zeit leiser oder lauter gedreht werden. Wenn Gefangene hier arbeiten, bekommen sie irgendwann „sogar“ den Schlüssel für die Zelle. Ein an Zynismus kaum zu übertreffender Schachzug zur Befriedung. Wie viele andere dieser Züge im Kreislauf von Zuckerbrot und Peitsche, funktioniert er leider sehr gut. Es fängt schon mit den kleinen Dingen an. Wenn z.B. die Zelle nicht mehr Zelle sondern „Haftraum“ genannt wird oder wie auf manchen auszufüllenden Formularen „Arbeitsplatz“. Diese Logik zieht sich hier konsequent durch. So sind die üblichen Sanktionen neben der Arrestzelle und feindseliger Behandlung, hauptsächlich die Einstreichung von z.B. „Arbeiten dürfen“, „Einkaufen dürfen“ oder sich für einen hohen Preis einen „Fernseher mit Sender-Abo mieten zu dürfen“. Ich verstehe, dass viele Gefangene arbeiten wollen, weil es eine Möglichkeit ist aus der Zelle zu kommen oder den zum überleben notwendigen Einkauf zu finanzieren. Doch halte ich es für wichtig, die Grenzen zwischen Gefangenen und Menschenwärter*innen nicht verschwimmen zu lassen. Ich finde es falsch, wenn Schließer*innen aktiv an sog. „Freizeit-Aktivitäten“ teilnehmen. Genauso werde ich keine persönlichen Gespräche mit ihnen führen, nur weil ich permanent gezwungen bin Räume mit ihnen zu teilen. Ich bin nicht freiwillig hier und werde von ihnen tagtäglich aufs neue eingesperrt. Viel zu oft höre ich hier: „die machen ja auch nur ihren Job“. Es kann hier keine Augenhöhe geben und ich muss mir eine nicht feindselige Behandlung hier nicht erarbeiten, Natürlich ist es zu anstrengend und zum Teil auch gefährlich permanent den offenen Konflikt mit den Beamt*innen zu suchen. Aber es ist möglich, die Kommunikation auf die technischen Notwendigkeiten, die hier zum Überleben nötig sind, zu beschränken. Wie überall wird Verantwortung hier wegdelegiert, dabei ist an einem Ort wie dem Gefängnis die permanente Ausübung von Herrschaft über andere Menschen sehr deutlich sichtbar. Wenn wiedereinmal ein*e Gefangene*r von einer*m Wärter*in angeschrien wird, weil er*sie eine ganz alltägliche Frage stellen muss um sein*ihr (Über-)Leben hier zu bestreiten. Wenn wieder einmal ein Mensch nachfragen muss, weil er*sie sprachlich nicht die Möglichkeit hat die Befehle, die grundsätzlich nur auf deutsch, selten auf einer Art Fantasie-Englisch gegeben werden, zu verstehen. Wenn dann die Menschenwärter*innen agressiv und rassistisch werden, um über ihr eigenes Unwissen hinweg zu täuschen. Wenn die Gefangenen einmal am Tag auf einen Hof geleitet werden um dort für eine Stunde im Kreis zu laufen und danach wieder für 23 Stunden in ihre Zelle gesperrt zu werden. All die vollkommen normalen und lebenswichtigen Dinge wie z.B. geistige Stimulation, Bilder sehen, etwas lesen können, ein Gespräch mit einem anderen Menschen führen oder auch nur das Erhalten von Informationen und Nachrichten aus der Welt außerhalb der Mauern, für diejenigen ohne Uhr, das erhalten der aktuellen Uhrzeit, wird als Privileg, für das der*die Gefangene dankbar sein soll, dargestellt und gehandhabt.

Es gibt keine Rechtfertigung für den Knast, denn auch die, die für Taten hier sitzen, die mit einem freien Leben nicht vereinbar sind, ändern sich hier nicht. Jeder Mensch, der an dieser Maschine mitarbeitet, sei es als Techniker*in, Ärzt*in oder Sozialarbeiter*in, trägt seinen Teil zum Funktionieren des Ganzen bei, schließt mit eigener Hand, das Schloss hinter sich zu.

Ein Gefangener, Hamburg, Juli 2019

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[HH] Brief aus dem U-Knast Holstenglacis https://parkbanksolidarity.blackblogs.org/hh-brief-aus-dem-u-knast-holstenglacis/ Fri, 06 Sep 2019 11:13:50 +0000 http://parkbanksolidarity.blackblogs.org/?p=467 Continue reading ]]> [HH] Brief aus dem U-Knast Holstenglacis

Samstag, 10.08.19 –

Hallo da draußen!

Nun ist es schon etwas mehr als einen Monat her, dass wir 3 von der Parkbank wegverhaftet und im weiteren Verlauf 2 von uns in U-Haft genommen wurden. In diesem Brief möchte ich ein wenig meine individuelle Situation hier im Knast schildern. Zu den Vorwürfe, dem Stand des Verfahrens kann ich nichts sagen, da wir Betroffenen nicht untereinander kommunizieren können. Ich kann mich dem Rat, sich nicht auf Spekulationen, Tratsch und Panikmache einzulassen, nur anschliessen. Das was hier drinnen an Solidarität und Unterstützung ankommt ist wundervoll und überwältigend. Die viele Post, die Grussworte, die Fotos und die Kundgebungen spenden Kraft und Zuversicht. Ihr seid grossartig!

Nun also U-Haft. Das bedeutet hier, zumindest in den ersten Monaten, 23 Stunden Einschluss auf 10 Quadratmetern mit Bett, Tisch, Stuhl, Schrank, Klo und Waschbecken. 1 Stunde Hofgang in meinem Fall zusammen mit den anderen Gefangenen auf meinem Stockwerk, abwechselnd morgens oder nachmittags. Geweckt wir um 06:30 mittels schriller Alarmglocke, Mittag gibt es um 11:30, Abendbrot wird um 16:30 ausgeteilt, welches auch für das Frühstück reichen muss, morgens gibt es lediglich heisses Wasser oder Tee. Die Verpflegung reicht meist aus, um einigermassen satt über die Runden zu kommen, wer sich aber annähernd ausgewogen ernähren will, ist auf Einkäufe beim Anstaltskaufmann angewiesen. Jeden Mittwoch werden deutschsprachige Bestell-Listen ausgeteilt und am nächsten Tag eingesammelt. Samstag holt man dann seine Bestellung ab. Bezahlt wird der nicht gerade preiswerte Kram vom Geld auf dem persönlichen Haftkonto. Darauf kommt das Geld, dass sich bei der Einlieferung in den Taschen befand, von draussen überwiesene Kohle und der lausige Lohn, falls man während der U-Haft arbeitet. Im Gegensatz zur Strafhaft ist Arbeit kein Zwang und man arbeitet im Grunde im Knastbetrieb – Küche, Hausarbeit, Malerarbeiten, Wäschekammer…

Andere „Vergünstigungen“ – ein Mietradio, Mietfernseher, Teilnahme an Sportgruppen, Gesprächskreisen, Kursen usw. müssen bei der Anstaltsleitung beantragt werden und naklar funktioniert die gesamte Knastbürokratie nur auf deutsch. Die Bearbeitung dieser Anträge dauert mindestens einige Wochen. Die Beamtinnen und Beamten sind ausgesprochen kurz angebunden, jede Information zum Knastalltag muss ihnen aus der Nase gezogen werden, Fragen werden eher entnervt und widerwillig beantwortet, Englisch sprechen nur wenige.

Die Aufnahmeprozedur inklusive nackter Kniebeugen, erster Nacht auf der „Beobachtungsstation“, wo einem die Zivilkleidung genommen wird, in einer Zelle in der das Licht über die Nacht anbleibt und verwirrenden Marathon durch die Anstalt, hat den Charakter einer Initation, die einem klarmachen soll, dass man ab jetzt nunmehr ein zu verwaltender Teil eines justiziellen Vorgangs ist, und nichts mehr. Eine erniedrigende Erfahrung. Nach der Nacht auf der Beobachtungsstation bekommt man seine private Kleidung zurück, das ist wohl ein kleiner Sonderfall, in vielen anderen U-Haft-Anstalten ist Anstaltskleidung üblich.

Die klare Mehrzahl der Leuten, die ich hier kennenlerne wird wegen Drogendelikten oder eben sog. Beschaffungs-Delikten eingesperrt und hat entweder keinen deutschen Pass oder neben dem deutschen noch eine weitere Staatsbürgerschaft, womit dann eben Fluchtgefahr begründet wird. Die nicht deutschsprachigen Gefangenen sind häufig einer herablassenden Ignoranz seitens der Bediensteten ausgesetzt, die nicht selten rassistische Untertöne transportiert. Die Knastbürokratie war schon für mich, der ich an deutschen Ordnungswahn gewöhnt bin, in den ersten Tage sehr undurchsichtig. Es wird völlig offensichtlich, dass der vorgebliche juristische Zweck der U-Haft, die Betroffenen im Sinne der „Verfahrenssicherung“ an Ort und Stelle zu wissen, nur einen Aspekt des Nutzens der U-Haft darstellt.

Worum es bei diesen schikanösen Bedingungen, deren Umfang ich hier nur im Ansatz beschreiben kann, geht ist eindeutig die maximale Verunsicherung, Erniedrigung, Vereinzelung und Disziplinierung. Das gilt eben insbesondere für die ersten Wochen – bis man hier telefonieren kann, Briefe schreiben, Besuch empfangen kann, gehen erstmal viele Tage ins Land, die man hier eben mit Stift und Zettel 23 Stunden sich selbst überlassen ist. Die frühstmögliche Gelegenheit rauszukommen ist stets erst zwei Wochen nach Inhaftierung. Keine Überraschung also, dass gerade diese ersten Wochen der Knast zu einer hervorragend funktionierenden Fabrik für (häufig falsche) Beschuldigungen, (häufig vorschnelle) Geständnisse und damit (für den Staat) erfolgreiche Verurteilungen macht. So legitimiert sich dieses System stetig selbst. Neben den Leuten, die hier während des laufenden Verfahrens eingesperrt werden und häufig schnell wieder rauskommen, weil sie gestehen, verraten oder die Haftprüfung gnädiger ausfällt, treffe ich hier viele Verurteilte, die Geldstrafen in Form von sogenannter Ersatzfreiheitsstrafe verbüssen. Wer eine Geldstrafe nicht zahlt, bekommt irgendwann einen Haftbefehl und bei der nächsten Polizeikontrolle geht‘s dann rein. Ein Tag in Haft entspricht dann einem festgesetzten Tagessatz, ich habe hier Zahlen zwischen 6 – 10 Euro am Tag gehört. Wer Glück hat, erreicht Freunde oder Angehörige, die dann die ganze Strafe oder zumindest einen Teil zahlen, das kann wohl angerechnet werden. Wer niemanden hat, sitzt die Schulden zu U-Haftbedingungen ab. Arbeiten dürfen Leute in Ersatzhaft nicht, auch wenn das viele wollen, um den Hungerlohn gegen ein paar Tage Freiheit zu tauschen.

Die Liste an möglichen Beispielen, Anekdoten, die nur wütend machen können, ist natürlich entsprechend lang und würde diesen Rahmen sprengen.

 

Wer hier genauer hinsieht muss feststellen, dass die oft formulierte These, der Knast sei ein Spiegel der Gesellschaft, ohne Zweifel stimmt. Nicht nur begegne ich hier natürlich der gleichen Niedertracht, dem gleichen Rassismus, der gleichen Entsolidarisierung und Gleichgültigkeit, die draussen zu finden ist. Ebenso begegnet man hier eben den gleichen Mechanismen von Ausschluss, Privilegien, Disziplinierung, Zwang und Ausbeutung, die in der Ordnung dieser Welt so tragenden Charakter haben, eben brennglasartig konzentriert, als sollte den hier Eingekerkerten wie in einem Intensivkurs eingeimpft werden, wie der Hase eigentlich zu laufen hat.

Dass sich Begriffe, wie der der Eingliederung, der Disziplin (oder Disziplinarmassnahmen) oder guter Führung, die sich in so ziemlich jeder Zwangsinstitution dieser Gesellschaft, seien es die Schule, das Amt, die Arbeit, die Sozialarbeit (in vielen Fällen, sicher nicht allen) oder eben dem Gefängnis wiederfinden und durchwegs militärischen Ursprung sind, entlarvt, dass keiner dieser Aspekte der Herrschaft und Kontrolle isoliert von anderen Massnahmen betrachtet werden kann.

Wer ein grundsätzliches Problem mit Autorität und Herrschaft hat, wenn nicht bloss eine ideologisch anders verfasste Variante einer von Zwang und Disziplinierung geprägter Gesellschaft im Sinn hat, sollte von diesen Zusammenhängen nicht schweigen.

Wenn der Staat uns als Gegner seiner Herrschaft einsperrt, dann tut er das aus den gleichen Motiven, aus denen er darauf besteht, die Obdachlosen einzuknasten, die ihre Geldstrafe wegen ner gezockten Pulle Vodka beim Penny nicht gezahlt haben oder dem, der mit einer Grasplantage und den Nachnamen der falschen „arabischen Grossfamilie“ zu einer ungleich höheren Strafe verknackt wird als sein blonder Komplize.

Sich mit einzelnen Inhaftierten unterschiedlich verbunden, eben solidarisch zu fühlen, ist nachvollziehbar und für mich ein grundsätzliches Element tatsächlicher Solidarität, die für mich einen gegenseitigen Charakter leben muss. Einer Kultur der Gefangenenunterstützung und des Supports von Repression Betroffener würde es dennoch gut zu Gesicht stehen, sie mehr zum Teil einer allgemeinen Analyse der Herrschaftsverhältnisse zu machen, in deren Kontext die Angriffe des Staates stattfinden.

Unsere Inhaftierung ist keine singuläre Ungerechtigkeit, sondern eine notwendige Konsequenz der Logik, nach der diese Welt funktioniert. Und mit dieser Lokig sollten wir brechen, um der Befreiung aller willen!

Eine herzliche, solidarische Umarmung! Bis alle frei sind! Einer von der PB.

quelle: de.indymedia.org
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