Updates – Parkbank Solidarity https://parkbanksolidarity.blackblogs.org Solidarität mit den Dreien von der Parkbank Sun, 26 Feb 2023 11:42:33 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 https://parkbanksolidarity.blackblogs.org/wp-content/uploads/sites/1002/2019/07/cropped-PBSideIcon-32x32.jpg Updates – Parkbank Solidarity https://parkbanksolidarity.blackblogs.org 32 32 +++Revisionsverhandlung gegen die anarchistische Gefährtin im so genannten Parkbankprozess++ https://parkbanksolidarity.blackblogs.org/revisionsverhandlung-gegen-die-anarchistische-gefaehrtin-im-so-genannten-parkbankprozess/ Sun, 26 Feb 2023 11:42:07 +0000 http://parkbanksolidarity.blackblogs.org/?p=1662 Continue reading ]]> +++ Haftstrafe zur Bewährung ausgesetzt!+++

In den vergangenen Wochen hat der Revisionsprozess gegen die Gefährtin im sog. Parkbankprozess am Hamburger Landgericht stattgefunden, in welchem drei Gefährt*innen im Jahr 2021 für die Verabredung zum Verbrechen der Brandstiftung verurteilt wurden.

Der jetzige Revisionsprozess lief über insgesamt 2 Tage, wobei wir uns diesmal dafür entschieden haben, uns den Medientumult zu sparen und den Prozess mit Freund*innen und Gefährt*innen zu begleiten.

Wie zu erwarten war, zeigte sich Generalstaatsanwalt Schakau von seiner gewohnten Seite und zeterte über die Verhandlungstage hinweg vor der Kammer herum was das Zeug hielt.

Die Kammer folgte den Theorien von Staatsanwaltschaft und Bullen insofern nicht, als dass die Haftstrafe von 1 Jahr und 8 Monaten nun für 4 Jahre auf Bewährung ausgesetzt wurde. Zusätzlich muss die Gefährtin innerhalb von 6 Monaten nach Rechtskraft des Urteils 60 Sozialstunden ableisten.

Außerdem sei hier nochmals erwähnt, dass einer der Gefährten im selben Verfahren (dessen Revision bereits 2022 verworfen wurde) seine Reststrafe von 6 Monaten im Januar antreten musste.

Der Haftantritt der dritten Person steht voraussichtlich in diesem Jahr an.

Wir werden auch diesen Weg gemeinsam und solidarisch gehen!

Achtet auch weiterhin auf Ankündigungen

 
Für die soziale Revolte
Freiheit für alle

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All my friends are bad kids! – über ein (mittlerweile eingestelltes) §129-Verfahren gegen Anarchist:innen in Hamburg und Bremen https://parkbanksolidarity.blackblogs.org/all-my-friends-are-bad-kids-ueber-ein-mittlerweile-eingestelltes-%c2%a7129-verfahren-gegen-anarchistinnen-in-hamburg-und-bremen/ Mon, 10 Oct 2022 14:46:48 +0000 http://parkbanksolidarity.blackblogs.org/?p=1608 Continue reading ]]> All my friends are bad kids!

– über ein (mittlerweile eingestelltes) §129-Verfahren gegen Anarchist:innen in Hamburg und Bremen

Im Folgenden wollen wir euch über ein Verfahren nach §129 in Hamburg und Bremen informieren, den kollektiven Umgang damit beschreiben sowie individuellen Stimmen betroffener Menschen Platz geben.

Im Sommer öffneten einige Menschen in Hamburg und Bremen ihre Briefkästen und da waren sie wieder: Briefe vom Oberstaatsanwalt Schakau der Generalstaatsanwaltschaft in Hamburg. Vom 26.05.2020 bis 25.07.2022 haben Ermittlungen verschiedener Behörden in einem §129-Verfahren gegen Anarchist:innen in Hamburg und Bremen stattgefunden. Es ging um ein Vereinigungs-Konstrukt, dem direkte Aktionen, hauptsächlich in Hamburg, über einen längeren Zeitraum zugeordnet werden sollten. Drei der fünf Menschen gegen die die Ermittlungen hauptsächlich gerichtet waren, wurden bereits 2020 im sogenannten Parkbank-Verfahren verurteilt und waren die drei offiziell Beschuldigten in diesem Verfahren. Im Rahmen der Ermittlungen wurden zwei weitere Menschen als potenzielle Mitglieder der konstruierten Vereinigung ausgewählt, gegen die ähnlich ermittelt wurde.
Alles fängt (für uns) mit einem Bericht des BKA an die Generalbundesanwaltschaft an, in dem ein Verfahren nach §129a (Bildung einer terroristischen Vereinigung) gegen die drei Beschuldigten angeregt wird. Dieses wird jedoch von der Generalbundesanwältin Geilhorn abgelehnt, ebenso wie ein Verfahren nach §129 (Bildung einer kriminellen Vereinigung) auf Bundesebene.
Einen Tag später beginnt ein Verfahren nach §129 in Hamburg, geführt von Oberstaatsanwalt Schakau. Im Zuge dieser Ermittlungen werden gegen alle fünf der Mitgliedschaft Verdächtigten Maßnahmen eingeleitet; diese laufen von Anfang Mai bis Anfang August 2021 und beinhalten Observationen mit Foto- und Videoaufnahmen, Telekommunikationsüberwachung (abhören von Telefon-Gesprächen und Mitlesen von SMS), den Einsatz von IMSI-Catchern und stillen SMS sowie Internet-Überwachung (vor allem das Auslesen aller bekannten und erreichbaren E-Mail-Postfächer).

Im Zuge dessen wurden ein großer Teil der Umfelder der fünf Beschuldigten durchleuchtet und eine große Zahl an Personen war von fast allen Maßnahmen mitbetroffen. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass es mindestens zwei Personen gab, die nicht als (potenzielle) Mitglieder konstruiert wurden, deren Telefone mit hanebüchenen Erklärungen separat abgehört wurden. Auch zu erwähnen ist, dass die Observationen und Abhörmaßnahmen bundeslandübergreifend (Hamburg, Bremen, Berlin, Bayern und Sachsen) und in mehreren Fällen per Amtshilfe auch im europäischen Ausland (Österreich, Belgien und Spanien) stattfanden.
Letztendlich wird das Verfahren am 25.07.2022 eingestellt, offiziell wegen Mangel an Beweisen. „Offiziell“, weil natürlich – wie wir wissen – parallel auch nach anderen Paragraphen Überwachungen gegen einige Beschuldigte stattgefunden haben, auch unter dem Vorzeichen polizeilicher „Gefahrenabwehr“. Eine detailliertere Aufarbeitung der Ermittlungen im Sinne von „Akten für Alle“ wird es an anderer Stelle und zu späterer Zeit geben.

Dieses Verfahren und die Ermittlungen richten sich – wie auch die der letzten Jahre – gegen die Praxis der direkten Aktion, gegen revolutionäre Ideen und hier speziell gegen unsere solidarischen und liebevollen Beziehungen. Sie stellen einen Angriff gegen weit mehr als nur die offiziell Beschuldigten oder Verdächtigten dar. Wir haben uns deswegen dazu entschieden einen möglichst kollektiven und transparenten Umgang damit zu suchen. So haben wir die Akten, bevor wir sie selbst gelesen haben, von einer weiteren, in unserem direkten sozialen Umfeld weniger verwurzelten Person lesen lassen um einen sensiblen Umgang mit den darin befindlichen persönlichen Daten und abgehörten Gespräche zu finden. Auch haben wir ein kollektives Treffen vieler in der Akte von Maßnahmen Betroffener organisiert um einen kollektiven Moment des Austausches und der Stärke zu schaffen.
Im Folgenden wollen wir einige Stimmen zu Wort kommen lassen, denn die Betroffenheit eines so großen An- und Eingriffs in unserer Leben ist nicht homogen und trifft Menschen in verschiedensten Momenten und auf verschiedene Arten und Weisen:

„Es ist eine enorm bestärkende Erfahrung, sich im Angesicht eines solchen schamlosen Angriffs und Eingriffs in unser aller Intimsphäre bewusst und kämpferisch zu unseren Beziehungen zu bekennen – so entsteht ein Raum, in dem unsere Angst und Verunsicherung Platz finden kann und niemand alleine bleibt – aus dem heraus dann aber auch unsere Wut und unser Trotz Ausdruck finden. Unsere Beziehungen zu verteidigen heißt unsere Kämpfe zu verteidigen!“

„Wenn Repression, Verfolgungswahn und das Rumgeschnüffel von den Bullen über Jahre Teil des Alltags sind, erscheint es mir umso wichtiger, gemeinsame Momente und Räume zu schaffen um sich darüber auszutauschen und zu empören. Ich will mich damit weder abfinden noch will ich in Bezug auf die Eingriffe in mein Privates und die damit ausgelösten Ängste abstumpfen. Sich gemeinsam und auch öffentlich dazu zu positionieren wirkt den Gefühlen die die Schweine damit auslösen wollen entgegen!“

“Die Verletzung des eigenen Sicherheitsgefühls und der eigenen Privatsphäre, die mit der Überwachung von uns einhergeht, hat bei mir immer wieder Ausdruck in ganz verschiedenen Gefühlen gefunden: in Ohnmacht, Wut und natürlich in Paranoia oder Lähmung. Mit diesen verschiedenen Gefühlszuständen immer wieder einen individuellen und kollektiven Umgang zu finden ist scheiße anstrengend. Jedoch zu wissen, dass das was die Bullen erreichen wollen – unsere Beziehungen und Kämpfe angreifen, Ängste auslösen die eine Distanzierung zueinander verursachen – das sie das nicht erreichen können, ist ein wunderbare Sache die es mir erlaubt auch einen ganz anderen Ausdruck zu finden: in Solidarität, Freund*innenschaft und der Überzeugung für unsere Ideen!“

„Es überrascht mich nicht. Es ist ekelhaft, absurd, lachhaft; nichts anderes hab ich von ihnen erwartet. Welche SMSen haben wir uns geschrieben, wer hat sich am Telefon darüber unterhalten, dass du mich besuchen kommst. Das alles nachzulesen von Menschen, die das sowas von nichts angeht. Und trotzdem: Was da alles nicht steht, was sie nicht verstehen und nie verstehen werden, weil es so fernab ihrer Lebensrealitäten ist. Wir wissen immer noch am besten was uns mit wem wie stark verbindet, was wir wo wann warum getan haben, wofür wir brennen – egal wieviele TKÜs und Observationen sie durchführen.
Die Verunsicherung und Vereinzelung nicht gewinnen lassen. Es tut gut, euch zu sehen. Ob das schlau ist?
Anerkennen, dass wir uns in dieser Realität diese Fragen stellen müssen, wissend, dass es keine eindeutig richtigen oder falschen Antworten darin gibt. Nur unterschiedliche Entscheidungen. Diese Entscheidung fühlt sich richtig an.
Ich blicke in eure Gesichter, tausche Blicke, ein Lachen, und bin mir sicher: Wir sind da. Zusammen.“

„Der Bulle in meinem Kopf bestimmt durch die Grenzüberschreitung meine Gedanken. Überwacht zu werden ist eine schmerzhafte Erfahrung. Ohnmacht, Angst, Unsicherheit, Zweifel … all das macht das mit mir. In diesem Strudel erstmal zu sein und alles zu hinterfragen kann einen schon aus der Bahn werfen. Mein Selbstbild ist erschüttert!
Kämpferisch und mit Wut im Bäuchlein gegenüber diesen Verhältnissen, die uns kaputt machen sollen. Nein, ich fühle mich klein und mein Selbstbewusstsein ist fast nicht vorhanden. Gläsernd gemacht zu werden hinterlässt im ersten Moment ein ekliges Gefühl. Private Dinge, die nur mich was angehen werden sich maßlos angeguckt. Die Selbstbestimmung über mein Leben wird einfach gebrochen.
Aber, auch wenn es weh tut bin ich auch froh nicht abgestumpft zu sein. Sondern seinen Gefühlen bewusst zu werden und dies auch zu teilen. Und so wird nach einer Weile die Angst die ich spüre und bemerke die Seite wechseln, weil ein kollektiver Umgang damit einem:r nur Lebensenergie geben kann.“

„Ich bin (wir sind) über die Schamlosigkeit nicht erstaunt, aber davon doch sehr angeekelt.“

„Und dann macht es doch einen Unterschied: Schwarz auf weiß zu lesen, was ich in Sms geschrieben habe. Mich auf Fotos zu sehen. Kategorisiert und kommentiert zu werden. Diese Schweine!
In mir ist immer wieder Unruhe, Angst und Unsicherheit. Viele der Gefühle überwältigen mich und es ist manchmal schwer, mich wieder einzukriegen. Nachts wache ich auf, fühle mich allein und hab einfach Schiss. Und manchmal will ich mich aber auch nicht einkriegen oder unter Kontrolle bekommen! Meine Wut zu spüren gibt mir Kraft! Durch die Sorge um uns alle, spüre ich um so mehr den Wert des Vertrauens untereinander.
Mir meiner liebevollen Beziehungen bewusst zu werden, stärkt mich. Mich eben nicht isolieren oder vereinzeln zu lassen, sondern mehr zusammen zu kommen, sich gegenseitig zuzumuten und sich auszutauschen, gibt mir Zuversicht.“

„Bei aller Wut auf die Cops, weil sie denken, dass sie uns ausspionieren und alles durchleuchten können – aber statt uns einzuschüchtern und zu brechen, stärken sie nur unser Vertrauen ineinander und das Wissen darum, dass es so vieles gibt, dass sie niemals rauskriegen und erfahren werden.“

Aktuell gibt es wieder viele Verfahren nach §129, §129a sowie die eigentlich immer laufenden Verfahren nach §129b gegen revolutionäre Strukturen und Individuen.
An dieser Stelle auch noch ein solidarischer Gruß an alle von solchen Ermittlungen Betroffenen, die sich solidarisch verhalten!

Freiheit und Glück!

Von den Maßnahmen betroffene Freund:innen und Mitstreiter:innen

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Einmal schneller sein als die Presse: Die Revision im sog. Parkbankverfahren gegen drei Anarchist:innen aus Hamburg ist jetzt abgeschlossen. https://parkbanksolidarity.blackblogs.org/einmal-schneller-sein-als-die-presse-die-revision-im-sog-parkbankverfahren-gegen-drei-anarchistinnen-aus-hamburg-ist-jetzt-abgeschlossen/ Tue, 07 Jun 2022 14:38:20 +0000 http://parkbanksolidarity.blackblogs.org/?p=1587 Continue reading ]]> Einmal schneller sein als die Presse: Die Revision im sog. Parkbankverfahren gegen drei Anarchist:innen aus Hamburg ist jetzt abgeschlossen.
 

Der BGH bestätigt das Urteil gegen die zwei Mitstreiter die bis zur Urteilsverkündung in U-Haft saßen. Somit wird es wohl in den nächsten Monaten zum Haftantritt zur Verbüßung der Reststrafe kommen.
Im Urteil gegen die Mitstreiterin wird es eine weitere Verhandlung um die Frage der bisher verwehrten Bewährung geben. Der Termin steht noch nicht fest.
Weitere Infos werden folgen, sobald wir uns sortiert haben bzw. mehr wissen.

Freiheit und Glück!

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Observationen gegen Anarchist*innen https://parkbanksolidarity.blackblogs.org/observationen-gegen-anarchistinnen/ Fri, 14 Jan 2022 14:15:44 +0000 http://parkbanksolidarity.blackblogs.org/?p=1572 Continue reading ]]> Observationen gegen Anarchist*innen

Im November 2021 erhielten drei Hamburger Anarchist*innen die Benachrichtigung, in zwei verschiedenen Zeiträumen vom Hamburger Staatsschutz des LKAs observiert worden zu sein. Die Maßnahmen stehen in Kontinuität des sogenannten „Parkbankverfahrens“. Auch ist es wahrscheinlich, dass die Betroffenen von den Behörden als „Gefährder“ betrachtet werden.

Die Benachrichtigung enthielt neben den Zeiträumen – einige Monate im Winter 2020/2021 und zwei Wochen im Spätsommer 2021 – auch die jeweiligen Aktenzeichen und Informationen über die Maßnahmen. Dies waren laut dem Schreiben die „längerfristige Observation“ und die „Datenverarbeitung durch technische Mittel“, den angeführten Paragrafen zufolge lediglich „ausserhalb von Wohnungen“. Es wurde daraufhin Akteneinsicht beantragt – das Ersuchen wurde beantwortet durch die unter anderem aus dem Parkbank-Verfahren bereits bekannte Polizeibeamtin Rönck vom Staatsschutz beim LKA Hamburg, die einem Briefkopf zufolge beim Staatsschutz für „Operatives und Gefährdermanagement“ zuständig ist.

Die Maßnahmen waren präventive Maßnahmen zur Gefahrenabwehr im Sinne des „Gesetz über die Datenverarbeitung der Polizei (PolDVG)“. Die Polizei ist theoretisch (also gesetzlich) verpflichtet, Betroffene innerhalb eines Jahres nach Beendigung der Maßnahme zu informieren – es sei denn, ein Gericht genehmigt den Aufschub der Benachrichtigung nach 12 Monaten oder aus der Maßnahme hat sich ein Ermittlungsverfahren „entwickelt“. Oder die Cops wollen die Benachrichtigung einfach unterlassen – dann benachrichtigen sie eben nicht, können die Erkenntnisse dann zwar (theoretisch) nicht offiziell verwenden, aber dass sie sich an ihre eigenen Gesetze halten ist weder zu erwarten noch wäre es beruhigend.

Den in den Benachrichtigungen enthaltenen Informationen ist ebensowenig zu trauen wie denen, die wir dann in zur Einsicht beantragten Akten vorfinden – insbesondere weil des Informationen sind, die uns die Bullen schlussendlich freiwillig geben, also geben wollen. Es ist also davon auszugehen, dass weder Zeiträume, eingesetzte Mittel noch Umfang der erhobenen Daten (Observationsprotokolle etc) tatsächlich vollständig oder korrekt sind. In einer der uns vorliegenden Akten war zum Beispiel keine einzige Seite Observationsprotokoll vorhanden – deswegen davon auszugehen, dass die Bullen eine gerichtlich genehmigte Maßnahme einfach sein haben lassen wäre ziemlich naiv. Mit den Akten, die auf diesem Wege erlangt werden ist unserer Meinung nach entsprechend vorsichtig umzugehen.

Es darf unserer Ansicht nach ganz grundsätzlich die Frage gestellt werden, ob sich solche Polizeiprosa überhaupt in vollem Umfang angesehen werden sollte. Was erhoffen wir uns von der Lektüre des Ergebnisses so schmutziger Eingriffe in unsere Leben? Welchen Raum wollen wir Dingen geben, die die Bullen für uns zusammengestellt haben? Was schauen wir uns an, was lassen wir auch gezielt aus, um diesen Dingen das vorgesehene „Publikum“ zu verweigern?

Klar, es können aus den meisten Akten Informationen gewonnen werden, wie die Behörden gegen uns und damit vermutlich auch andere Vorgehen, dieses Wissen ist wichtig weiterzugeben. Gleichzeitig geben sie natürlich auch nur das weiter, was sie weitergeben wollen. Wie aber mit dem Spagat umgehen, dass es einmal sehr eklig sein kann, solche Texte über das eigene Leben zu lesen, es ihr Blick auf unser Leben ist, es etwas mit uns machen kann und gleichzeitig aber wichtig ist, die Informationen, die sich aus genau diesen Zusammenstellungen gewinnen lassen, weiterzugeben?

Immerhin handelt es sich um gegen den Willen von Individuen festgehaltene, durch Bullen interpretierte Momente, die eigentlich nur zwischen den Menschen existieren, die sie erlebt und miteinander geteilt haben. Wir wollen im Folgenden versuchen, einen Einblick in die uns vorliegenden Informationen zu geben. Nicht nur weil wir denken, dass die Informationen hilfreich sein können – sondern auch, um mit einem kollektiven Umgang mit der Betroffenheit von solchen An- und Eingriffen zu experimentieren.

Es zeigt sich in den Akten abermals, dass die Bullen und der VS wesentlich damit befasst sind, unsere Beziehungen zu durchleuchten, zu katalogisieren und sich zu bemühen, aus ihnen Gefährdungspotenziale zu konstruieren. Die Information hierüber kann als Versuch gewertet werden, uns einzuschüchtern und Beziehungen schlussendlich zu kriminalisieren – für uns ein Grund mehr, gefährliche Freundschaften zu pflegen, zu intensivieren und der Herrschaft ins Gesicht zu spucken.

Die uns vorliegenden Akten bestehen einerseits aus den Anträgen auf „Datenverarbeitung durch Observation“ (§20 PolDVG) und „Datenverarbeitung durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel“ (§21 PolDVG) durch Cops vom LKA namens Rönck, Stacke, Carstensen und Malick und richterlichen Anordnungen durch die Richterin Röckel, die Richter Notmann und Hagge am Amtsgericht. Das Gericht hat in diesem Fall die beantragten Maßnahmen der Bullen ohne Ausnahme genehmigt. Mit einer Neuerung des PolDVG im Jahr 2019 haben längerfristige Observationen nun eine richterliche Anordnung zur Voraussetzung – was offensichtlich keine Hürde für die Bullen darstellt, die Begründungen für die Maßnahmen sind ausgesprochen abstrus, dem Gericht aber mehr als ausreichend.

Als wesentliche Begründungen kristallisieren sich vor allem spezifische Daten, Events und Anlässe heraus, zu denen die Bullen von Leuten wie uns Straftaten zu erwarten scheinen. War das im Parkbank-Verfahren der sich jährende G20-Gipfel, sind es in den vorliegenden Schreiben Anlässe wie Prozessauftakte, Räumungen, die IAA in München, der Brand in der Zelle des französischen Anarchisten Boris – sogar der 13.12. wird als Tag mit „Reizwirkung“ angeführt. Ferner enthalten sie eine ganze Menge Anlagen, auf die sich in den Anträgen bezogen wird – darunter bereits bekannte Inhalte von Ermittlungsakten vergangener Verfahren, Anklageschriften, Gerichtsurteile, aber auch Erkenntnisse des Verfassungsschutzes, die z.B. auf der Auswertung von im Rahmen von polizeilichen Ermittlungen beschlagnahmten Datenträgern beruhen.

Insgesamt ist, wie bei solchen Akten üblich, sehr viel geschwärzt. Vor allem Passagen, die sich nicht auf die Betroffenen beziehen oder Verweise auf Dritte. Das natürlich unter dem Vorwand des „Datenschutzes“ – zynischerweise nachdem ohne das Wissen all der betroffenen Individuen in deren Leben eingedrungen, ihnen hintergeschnüffelt wurde. Wie angesprochen besteht ein großer Teil der Arbeit aus dem Nachvollziehen von Reisebewegungen und Beziehungen. In unserem Fall wurde klar, dass schon seit einigen Jahren eine sogenannte „beobachtende Fahndung“ über das „Schengen-Informationssystem“ (SIS II) läuft und auch andere Informationen über beispielsweise Veranstaltungen im europäischen Ausland an die deutschen Bullen übermittelt wurden. In der Praxis führt so eine beobachtende Fahndung nach dem SISII öfter dazu, dass Bullen im Ausland einen Meldebogen ausfüllen müssen auf dem Dinge wie Zweck und Dauer der Reise, Begleitpersonen und genutzte Fahrzeuge vermerkt werden müssen, ein Prozedere, von dem nicht wenige Menschen betroffen sind und von dem wir immer wieder berichtet bekommen.

Auffallend ist, dass wir zwar sehr sicher sind, dass von uns gebuchte Flüge beim BKA aufleuchten, sich diese aber nicht in den Akten wiederfinden. Ob diese Daten nicht automatisch zum LKA gelangen, vom LKA nicht abgefragt werden oder einfach nur nicht in die Akten gelangt sind wurden – wir wissen es nicht und halten alles davon für möglich. Einen weit kleineren Anteil an dem Aktenmaterial haben dann die Überwachungsprotokolle. Bei diesen handelt es sich zum Teil um Observationsprotokolle, zum Teil um Videoauswertungen. Aus diesen Videoauswertungen wird klar, dass Kameras vor den Wohnsitzen der Betroffenen installiert wurden, um das Kommen und Gehen nachvollziehen zu können. Hier geht es also offensichtlich nicht um die „Live-Überwachung“ zum Zweck der Verhinderung von Straftaten, sondern um das Ausforschen von Alltag und Umfeld. Die Kameras waren mit großer Wahrscheinlichkeit in Fahrzeugen untergebracht, der Winkel eines Fotos lässt zum Beispiel die Vermutung zu, dass eventuell die Rückfahrkamera eines geparkten Fahrzeuges umgebaut und zur Überwachung des Eingangsbereichs verwendet wurde. Die Anzahl dokumentierter tatsächlicher Observationen mit Begleitung durch die Stadt ist verdächtig gering und beschränkt sich auf recht banale Vorgänge. Hier ist von Lücken auszugehen. Zum Teil fanden die Observationen vermutlich per Fahrrad statt, aber genauere Informationen zu beteiligten Anzahl von Cops, Fahrzeugen und so weiter konnten wir den Protokollen nicht entnehmen, lediglich, dass unterwegs auch Fotos angefertigt wurden und dies vermutlich mit einer hochauflösenden Kamera.

Die uns gegebenen Informationen und vor allem diejenigen, die uns vorenthalten werden geben natürlich vorzüglich viel Interpretationsspielraum. Wir raten dringend dazu, damit ausgesprochen vorsichtig umzugehen. Spekulationen, Vermutungen, steile Thesen schaden mehr als sie nützen. Die Bullen und andere Behörden schauen uns beim Leben und Kämpfen zu – sie observieren uns und sammeln Daten, wo sie nur können, bzw. wo wir sie lassen. Das sind keine neuen Erkenntnisse. Die Einstufung als „Gefährder“ ist keine juristische Kategorie, sondern eine Schublade der Ermittlungsbehörden. Die Maßnahmen, die ergriffen werden, scheinen die glichen zu bleiben. Weder in den Anträgen noch in den Akten fällt dieser Begriff auch nur ein einziges Mal.

Wir schlagen vor, auch angesichts solcher An- und Eingriffe vor allem Handlungsfähigkeit zu entwickeln – wir ziehen einen offensiven, kollektiven Umgang mit solchen Maßnahmen eindeutig der Variante vor, den Mist einfach mit uns selbst auszumachen. Es ist wichtig, dass wir einander über Einblicke in Vorgehensweisen der Ermittlungsbehörden informieren – auch wenn diese Informationen lückenhaft und mit Vorsichtig zu genießen sind. Es ist wichtig, dass wir Repression auch auf dieser Ebene nicht als individuelles Problem begreifen und verhandeln – sie ist nicht bloß ein Angriff auf einzelne, mit bestimmten Fantasiebegriffen der Bullen gekennzeichnete Personen, sondern auf alle, die rebellische Beziehungen und Projekte pflegen. Und es ist wichtig, sich von der Repression nicht verrückt machen zu lassen, gemeinsam einen bewussten, klaren Umgang mit ihr zu entwickeln. Wir wollen uns von der uns betreffenden Repression nicht bestimmen lassen – dazu zählt auch, dass wir nicht in die Rolle von vermeintlichen Expert*innen gedrängt werden wollen. Und ein Mittel hierbei ist es eben, dass auch andere von Repression betroffene Mitstreiter*innen ihre Erfahrungen und Prozesse teilen, wir eben einen kollektiven Umgang mit diesen Dingen entwickeln.

Genauso wie wir uns nicht einschüchtern lassen werden, wollen wir auch nicht abstumpfen und verrohen im Angesicht der Repression. Bleiben wir im Austausch, hören wir einander zu und seien wir füreinander da. Wir halten es für wichtig, eine klare Position zu beziehen: Wir verstehen die Überwachung unserer und der Leben von Mitstreiter*innen, Freund*innen, Familie, Nachbar*innen… als Angriffe! Uns ist klar, dass diese eine Konsequenz der herrschenden Verhältnisse und unserer Kämpfe gegen diese sind. Und doch bleiben es kontinuierliche Grenzüberschreitungen und Eingriffe in unsere Leben, die uns Angst machen und uns unsere Ideen und Entscheidungen überdenken lassen sollen. Es geht um das Unterbinden von sozialen, von revolutionären Kämpfen. Sie werden scheitern!

Quellen:
!!Teilweise Seiten offizieller Stellen, Vorsicht!!
https://www.landesrecht-hamburg.de/bsha/document/jlr-PolDVGHA2019rahmen
https://de.wikipedia.org/wiki/Schengener_Informationssystem
https://www.bfdi.bund.de/DE/Buerger/Inhalte/Polizei-Strafjustiz/International/SchengenerInformationssystem.html

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Update zur Revision im Parkbankverfahren https://parkbanksolidarity.blackblogs.org/update-zur-revision-im-parkbankverfahren/ Tue, 11 Jan 2022 14:16:52 +0000 http://parkbanksolidarity.blackblogs.org/?p=1573 Continue reading ]]> Update zur Revision im Parkbankverfahren
 

Vor einigen Monaten haben wir bereits darauf hingewiesen, dass das Revisionsverfahren gegen das Urteil im sogenannten Parkbankverfahren läuft.

Um Spekulationen und Verwirrung vorzubeugen, hier ein möglichst kurzes Update zum Stand.

Unsere Erwartung, dass der zuständige Bundesgerichtshof noch im Jahr 2021 eine Entscheidung trifft, wurde nicht erfüllt – über die Revision wurde noch nicht entschieden!

Ein Revisionsverfahren läuft in groben Zügen folgendermaßen ab:
Zunächst legen Verteidiger*innen beim verurteilenden Gericht Revision ein. Dann gibt es Fristen, in denen eine Revisionsbegründung eingereicht werden muss. Diese gelangt dann zunächst zur gegnerischen Staatsanwaltschaft, in unserem Fall der Generalstaatsanwaltschaft, welche eine Gegendarstellung verfasst. Dann haben die Verteider*innen nochmal Gelegenheit, diese Stellungnahme zu kommentieren. Erst nach diesem Stellungnahmen-Pingpong geht die Revisionsbegründung mitsamt den Stellungnahmen an den Bundesgerichtshof, welcher diese Schriftsätze an die Generalbundesanwaltschaft weitergibt.
Diese nimmt wiederum Stellung und spricht per Antrag eine Empfehlung aus – in unserem Fall, wie in den meisten Fällen, die Revision zu verwerfen.
Auf diesen Antrag folgt nochmal die Gelegenheit für die Verteidiger*innen, hierzu Stellung zu nehmen.
Dann erst liegen alle Schriftsätze dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vor.

An genau diesem Punkt steht derzeit das Revisionsverfahren – es gab noch keine Entscheidung, sondern seit einigen Wochen ist der Bundesgerichtshof überhaupt erst an der Reihe. Nun kann also jederzeit eine Revisionsentscheidung ergehen, es wird damit gerechnet, dass es aber noch zwei bis drei Monate dauert.

Inhaltlich geht es in der zu prüfenden Revision vor allem um die Frage des Ausschlusses der Öffentlichkeit begründet mit der pandemischen Situation, der Frage zur Rechtswidrigkeit der Observation, die zur Festnahme der drei Anarchist*innen geführt hat und um Fragen bezüglich der Strafzumessung und Strafmaß-Begründung. Die juristischen Argumente im Detail wiederzugeben würde hier den Rahmen sprengen – und sie haben für uns auch wenig inhaltliche Relevanz.

Wird die Revision verworfen, also abgelehnt, wird das Urteil rechtskräftig und damit würden auch zeitnah, erfahrungsgemäß also innerhalb weniger Wochen, Haftantrittstermine rausgeschickt, worüber natürlich informiert werden wird.

Es wurde im letzten Update angekündigt, dass sich mit den inhaltlichen, juristischen Aspekten der Urteilsbegründung genauer befasst und dazu gegebenenfalls nochmals öffentlich geäussert wird – hierzu sehen wir derzeit keinen Anlass.

Wir grüßen herzlich alle, die derzeit ebenfalls von Repression betroffen sind. Eine warme Umarmung an alle Kämpfenden in Knästen.

Liebe, Wut, Solidarität!

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Observationen und andere Ärgernisse https://parkbanksolidarity.blackblogs.org/observationen-und-andere-aergernisse/ Wed, 01 Sep 2021 14:29:35 +0000 http://parkbanksolidarity.blackblogs.org/?p=1583 Continue reading ]]> Observationen und andere Ärgernisse

Eine Auswertung zu Observation und Überwachung gegen die drei im sogenanten „Parkbank-Verfahren“ veurteilten Anarchist_innen

Im Folgenden wollen wir versuchen, für euch die Observations- und Ermittlungsmaßnahmen rund um das „Parkbank-Verfahren“ zusammenzufassen und einige Punkte zu klären, die für Menschen mit einem gesteigerten Interesse an Privatsphäre wichtig sein könnten.

Vorab sei hervorgehoben, dass alles auf Aktenlage der Bullen und unseren Schlussfolgerungen basiert. Der Sicherheitsapparat lässt sich naturgemäß nur ungern in die Karten schauen und legt auch in Strafverfahren nur die Teile seiner Berichte offen, von denen er glaubt, dass sie unbedingt nötig sind. Eine Herausgabe der gesamten Observationsprotokolle, welche von den Anwält_innen angestrebt wurde, wurde erwartungsgemäß verweigert. Somit sind auch unsere Berichte lückenhaft. Zieht eure Schlüsse und Erkenntnisse, aber betrachtet nichts als feststehende Wahrheiten – wir erzählen hier eine Geschichte, die die Bullen in einer Akte zusammengetragen haben!
Der Einfachheit halber bezeichnen wir die Angeklagten hier als Person 1, 2 und 3, der Reihenfolge nach, wie sie die Bühne betreten.

Eine erste Theorie und Vorfeldobservationen

Um mit der Geschichte zu beginnen, müssen wir etwas weiter zurück gehen:
Im Zusammenhang mit dem damals bevorstehenden OSZE Treffen und in Vorbereitung auf den G20 Gipfel, griff am 26.11.2016 eine größere Gruppe von Menschen die Hamburger Messe an.

Die Hamburger Polizeiführung befand sich im Anschluss in heller Aufregung. Aufgrund der räumlichen Nähe wurde ein Zusammenhang mit dem LIZ (Libertäres Zentrum) hergestellt. Person 1 war zu dieser Zeit Vorstand im zum LIZ gehörigen Verein und als solcher im Vereinsregister eingetragen. Aufgrund sogenannter polizeilicher Erkenntnisse, wurde ihm, so die Formulierung in den Akten, „ein Beitrag zu der Aktion, die eines vertrauten Umfeldes und intensiver Vorbereitung bedürfe“, zugetraut, eine tatsächliche Beteiligung aber nicht weiter nachgewiesen. Als weitere Hinweise behaupteten die Bullen, vermeintliche internationale Kontakte der Person 1 sowie das Interesse an Antirepressionsarbeit.
Im Zuge der Bullenaktionen im Nachgang des Angriffs auf die Messe, wurden unter anderem auch weitere Personen der Vereinsstruktur auf ihren Arbeitsplätzen und auch Zuhause aufgesucht, teilweise wurde der Versuch unternommen, mittels vermutlich erfundener Verbindungen, Menschen in Gespräche zu verwickeln und Verunsicherung zu schüren.

In Folge wurde Person 1 spätestens ab März 2018 mehr oder minder regelmäßig „präventiv“ observiert. In die Akte haben es drei dieser Observationen, aus dem gesamten Zeitraum bis zur Festnahme, geschafft, über die eine weitere Überwachungsmaßnahme gerechtfertigt werden sollte. Wir gehen davon aus, dass es mehr Aufzeichnungen innerhalb der ersten „Maßnahme“ gab. Aus anderen Verfahren ist mittlerweile bekannt, dass die Methode präventiver Observationen auch gegen andere Personen angewendet wurde. Auch orientierten sich die Observationsmaßnahmen scheinbar wesentlich an den Behörden besonders relevant erscheinenden Daten.
In den Observationsberichten wird Person 1 ein konspiratives Verhalten zugeschrieben, was unter anderem an der Nutzung von verschiedenen Fahrrädern festgemacht wurde.
Des Weiteren betonen die Bullen wiederholt, dass Person 1 Verbindungen in der Szene hätte und Orte wie das LIZ, den Infoladen Schwarzmarkt und die Rote Flora aufsuchen würde. (Person 1 hätte zum Beispiel nach den bundesweiten Hausdurchsuchungen im Zusammenhang der G20-Elbchaussee-Aktionen eine Vollversammlung in der Flora besucht.)

Spätestens nach einem Überwachungseinsatz in der Nacht vom 16./17. März 2018 vermuteten die Bullen außerdem eine Teilnahme an militanten Aktionen, da sich – aus Sicht der Repressionsbehörden – ein zeitlicher Zusammenhang mit dem Verlassen und Betreten der Wohnung von Person 1 (mit mehreren Leuten) und kaputten Scheiben in der Stadt herstellen ließe. Dies hat allerdings auch im weiteren Verlauf, soweit bekannt, nicht für einen „Anfangsverdacht“ gereicht, welcher ein konkretes Ermittlungsverfahren ermöglicht hätte. Dies kann aber auch eine taktische Entscheidung der Bullen gewesen sein, um die Observation nicht aufdecken zu müssen.
Es bleibt unklar, wie genau die Überwachung stattgefunden hat, klar ist aber, dass es Videoüberwachung von Hauseingängen gegeben hat. In diesem Zeitraum kommt auch Person 2 als Mitbewohner und Kontaktperson in den Fokus.

Ausgehend von diesen „Erkenntnissen“ wurde eine längerfristige Observation von Person 1 für sechs Monate, vom 9.11.2018 bis zum 8.5.2019 ,angeordnet. Dabei wurden „Straftaten von erheblicher Bedeutung“ in Bezug auf anstehende Gipfeltreffen und der Kampagne „united we stand“ prognostiziert.
Bei dieser längerfristigen Observation kam (beinahe) das gesamte Überwachungspaket zum Einsatz: Es wurden die Überwachung von Wohnort und Aufenthaltsorten, wie LIZ und dem Infoladen Schwarzmarkt, die technische Überwachung von (Tele)Kommunikationsmitteln und, in Bezug auf Fahrräder ,der Einsatz von GPS genehmigt.
Der Infoladen wurde in diesem Zuge nachweislich längere Zeit von einem gegenüberliegenden Gebäude aus videoüberwacht.

Einen Tag vor Ablauf der Observationsfrist, wurde von derselben Behörde, der SOKO Schwarzer Block, eine Verlängerung der Maßnahme um weitere sechs Monate beantragt. Der Antrag auf Verlängerung wurde unter anderem mit dem anstehenden G20-Gipfel in Biarritz begründet. Auch behaupteten die Bullen, dass sich ihre Annahmen bezüglich der „Eingebundenheit“ und „internationaler Kontakte“ bestätigt hätten – hierfür reichte eine angebliche Reise in einen weit von Biarritz entfernten Teil Frankreichs aus. Die Bullen bedienten sich hier auch am Narrativ internationaler Beteiligung am Schwarzen Block an der Elbchaussee beim G20-Gipfel.
So wurde Person 1 schlussendlich auch am 7. Juli 2019 observiert.

Eine Sommernacht im Juli

Die Observation am 07.07.2019 begann, laut Bullenbericht, in den frühen Abendstunden vor der Wohnung der Personen 1 und 2. Um 19.02 Uhr wurden beide beim Betreten ihrer Wohnung beobachtet. Anlass dafür, dass die Observationen in dieser Zeit stattfanden, war der bevorstehende Jahrestag des G20-Gipfels und der damit seitens der Bullen erwarteten Aktionen.
Wir gehen davon aus, dass es in diesem Rahmen weit mehr Observationen im Stadtgebiet gab und so ziemlich alles von Bullen, LKA usw. auf den Beinen war. Getrieben davon, in ihrer Schmach gegenüber der in den Jahren davor gelaufenen militanten Kampagne gegen das G 20 Treffen, doch noch irgendeinen Hinweis zu erhaschen.

Um 21.26 Uhr verlässt Person 1 die Wohnung mit einem Rad und wird von da an mit Rädern und vermutlich PKWs verfolgt. Um 21.39 Uhr betritt Person 1 eine Tankstelle, tankt Benzin in einen Kanister und bezahlt.
Gleich am nächsten Morgen lassen sich die Bullen vom Tankstellenverantwortlichen die Videoaufzeichnungen der Kameras im Außen- sowie im Ladenbereich geben. Zwar waren von den insgesamt 14 Videokameras einige nicht in Betrieb, jedoch muss mensch stets damit rechnen, dass Aufzeichnungen gemacht und auch gespeichert werden. Durch den weiten Winkel der Kameras bietet zudem das Tragen einer Schirmmütze keinen ausreichenden Schutz.
Nach dem Halt an der Tankstelle wird Person 1 weiter zu einer Kleingartenanlage begleitet, wo die Bullen sie von 21.47 Uhr bis 22.48 Uhr aus den Augen verlieren. Die Bullen warten offensichtlich die Stunde ab und nehmen die Verfolgung wieder auf, als Person 1 über den selben Zugang die Kleingartenanlage wieder verlässt. Die Cops beobachten, wie Person 1 eine Mülltüte in einem Mülleimer entsorgt, die später als Beweismittel in den Akten auftaucht, auf DNA untersucht wird und so weiter. Anschließend begleiten sie Person 1 bis zu ihrer Wohnung, welche diese um 23.04 Uhr betritt.

Laut Observationsbericht verlassen Person 1 und 2 wenig später, um 23.16 Uhr, die Wohnung und werden von dort, auf mehr oder weniger direkten Weg, bis zur einer Grünanlage an der Fruchtallee verfolgt. Dort verlieren die Bullen um 23.50 Uhr, nachdem die Fahrradbeleuchtungen ausgeschaltet wurden, kurzzeitig den Kontakt.
Um 23.57 Uhr stellen die Bullen in einem Park am Eppendorfer Weg zwei Personen fest und entscheiden sich, wahrscheinlich aus der Befürchtung heraus, die Zielpersonen wieder zu verlieren, zum Zugriff. Dort wird dann auch Person 3 mit angetroffen.

Was folgt ist allgemein bekannt: Durchsuchung der Personen, Festnahme, ED-Behandlungen, in derselben Nacht mehrere Hausdurchsuchungen bei den jeweiligen Meldeadressen und Wohnadressen. („Eventuell vorhandene Kraftfahrzeuge“ standen übrigens ebenfalls im Durchsuchungsbeschluss.)
Von Person 1 wurde zudem ein „Körperabstrich“ für den Einsatz von Mantrailern angefordert, um mit diesem auszumachen, wo sich Person 1 innerhalb der einen Stunde im Kleingartenverein aufhielt. In der Gewahrsamszelle wurde dann auf Anordnung der Staatsanwaltschaft („Gefahr im Verzuge“) ein Hautabstrich genommen.
Der Einsatz eines Spürhundes in der Kleingartenanlage wurde jedoch abgeblasen, weil die Bullen unterdessen herausgefunden hatten, dass auf Person 1 eine Parzelle gemeldet war, und sie sich so die aufwändige Suche sparten.

Im Anschluss an die Verhaftungen wurden, erwartungsgemäß, Teile des persönlichen Umfeldes sowie die von der Haft verschonte Person 3 von LKA Kräften observiert. Die Observation wurde vorerst für einen Monat angesetzt (längerfristige Obs.: 09.07.2019-15.08.2019), ebenso die Ermittlung von Handy und Standortdaten der Person 3. Dabei ging es den Bullen vor allem darum, sämtliche Kontakte mitzuschneiden.
Hierbei gab es sowohl Videoaufnahmen aus einem Blickwinkel auf den Eingangsbereich des Wohnhauses der Person 3 als auch weitere Bildaufnahmen, vermutlich von den Cops in zivil selbst angefertigt. Teilweise werden im Laufe der Observationen auch Personen, die Person 3 im Laufe der Zeit traf daraufhin selbst weiter verfolgt. Offiziell sind alle Observationen tagsüber irgendwann zwischen 7:00 und 20:00 für einen Zeitraum von maximal 8 Stunden durchgeführt worden. Zudem wurde ab etwa dem 17.07.2019 bis zum 17.08.2019 die akustische Überwachung von Person 3 außerhalb der Wohnung angeordnet, da diese laut den Cops Gespräche persönlich und nicht über das Telefon führte.

Im Laufe der Ermittlungen gab es bei Person 3 noch eine zweite Hausdurchsuchung, um Schriftproben und DNA zu bekommen.

Fahrräder, Observationen und GPS

Im Rahmen der Observationen nimmt des Thema Fahrräder einen großen Rahmen ein. Ganz einfach deshalb, weil die Beschuldigten sich viel auf solchen bewegen. Wir glauben auch weiterhin, dass für Menschen, die ein großes Bedürfnis nach Privatsphäre haben, das Rad das Mittel der Wahl für die Fortbewegungen in Großstädten sein sollte. Verfolger_innen in PKWs lassen sich einfacher abschütteln, das Tempo kann angepasst werden, zwischendurch kann der öffentliche Nahverkehr genutzt werden und die Beobachtung eventueller Verfolger_innen lässt sich leichter feststellen.

Hier gibt es aber einige Dinge zu beachten: Es lohnt sich immer, genug Zeit für Umwege, Beobachtungen und Rückversicherungen einzuplanen. Wer kennt es nicht: Die Pläne sind knapp, es entsteht Stress und wir lassen Fünfe grade sein. Die Routine ist eine verhängnisvolle Angelegenheit – sie gibt uns Sicherheit, aber eben auch falsche Sicherheit. Wir alle haben unsere Lieblingswege und Gewohnheit. Sie zu hinterfragen und immer wieder zu ändern, macht es eventuellen Verfolger_innen deutlich schwerer.

Unklar bleibt ob die „genehmigte“ Verfolgung von Rädern per GPS Geräten stattgefunden hat. Im Observationsbeschluss zu Person 1 wird dies explizit beantragt („GPS Überwachung in diesen Fall Fahrrad“) und somit scheint sie zumindest in der Ideenwelt des LKAs möglich zu sein. Des Weiteren lassen sich aber keine Hinweise in den Protokollen feststellen. Wir – und sicherlich auch andere – würden uns über praktische Erkenntnisse zu diesem Thema maßlos freuen. Bis dahin bleibt uns aber nur zu raten, eure Räder regelmäßig zu checken, zu wechseln oder frisch zu besorgen. Lasst eure eigenen Räder so wenig wie möglich offen herumstehen.

Laptops, TKÜ und nachträgliche Ermittlungen

Die im Folgenden beschriebenen Ermittlungsvorgehen der Bullen werden die meisten von euch nicht überraschen. Wir erwähnen sie dennoch, um euch in Erinnerung zu rufen, was die Bullen in Bewegung setzen, an welchen vermeintlichen Fakten sie sich entlanghangeln und worauf sie ihre Konstrukte aufbauen. Schlussendlich sind dies Aspekte, auf die wir achten müssen.

Bei den Hausdurchsuchungen wurden vor allem Laptops, Handys und Festplatten mitgenommen, aber auch CD/DVD, USB-Sticks, Sim-Karten, I-Pod und eine Kamera.
Es hat sich gezeigt, dass Namen an den Zimmertüren in Wohngemeinschaften durchaus Sinn machen. Die Bullen orientierten sich an den Namensschildern an den Türen und durchsuchten nur die Zimmer derer, die in der Nacht festgenommen wurden, sowie die Gemeinschaftsräume.

Es waren nicht alle beschlagnahmten Medien verschlüsselt – aufgefundene Reisebuchungen, Flyertexte, Broschüren und so weiter wurden seitens den Behörden genutzt, um das Narrativ der überzeugten Anarchist_innen zu untermauern.
Die Daten von verschlüsselten Laptops und Festplatten wurden von der Forensik ans BKA weitergereicht. Dieses scheiterte an der Entschlüsselung und auch ein um Hilfe gebetener Techniker von Interpol sah keine Chance, an die verschlüsselte Daten (u.a. per Truecrypt, LUKS) zu kommen.
Bei teilweise verschlüsselten Laptops wurden zumindest sämtliche „Internet-Nutzungsspuren“ ausgelesen (von Chats, Webmails, Backups, Tauschbörsen, Webbrowser, inklusive gelöschter Dateien). Von diesen Daten wurden keine als „strafrechtliche relevant“ eingestuft, aber die erkennbare Nutzung von Programmen wie TOR-Browser und Verschlüsselungssoftware wurde von den Bullen als „Indiz für konspirative Kommunikation“ eingestuft.

Nach Auswertung der beschlagnahmten Medien wurden für die ermittelten E-Mail-Accounts, Telefonnummern, inklusive einer VoIP-Nummer (Voice over Internet Protokoll: Technik um übers Internet zu telefonieren), und sämtliche IMEI-Nummern (lnternational Mobile Equipment ldentity: 15-stellige Seriennummer mit der
jedes Endgerät, das Mobilfunknetz nutzt, weltweit eindeutig identifiziert werden kann.) sowohl die Bestandsdaten als auch die Verkehrsdaten (im Sinne von §§ 96 Abs. 1 und 113 b TKG) bei den Providern abgefragt. Bemerkenswert ist, dass sich die Bullen bei einem linken Provider nicht einmal die Mühe machten Verbindungsdaten anzufragen, da sie es als aussichtslos erachteten, von dort Informationen zu bekommen. Alle anderen Sim-Karten und E-Mail-Anbieter _innen gaben bereitwillig Auskunft.

Das Auslesen der Mobiltelefone erfolgte über spezielle Programme der forensischen Abteilung. Zumindest der physikalische Speicher konnte damit ausgelesen werden.
Für die Auswertung von Sim-Karten können bei Straftaten von erheblicher Bedeutung Simcard-Identity und PUK beim zuständigen Netzbetreiber angefordert werden. Dabei stellte es kein Hindernis dar, dass manche Sim-Karten auf andere oder fiktive Namen angemeldet waren. Indem in den persönlichen Kontaktverzeichnissen der Handys die Telefonnummern i.d.R. unter den tatsächlichen (Vor)Namen gespeichert waren, konnten nahezu alle Kontaktpersonen ermittelt werden – unabhängig davon, ob diese selbst ihre Sim -Karte unter fiktiven Namen registriert hatten.

Die Ausgabe der Verbindungs- und Verkehrsdaten wurde letztendlich rückwirkend angeordnet, und zwar soweit wie die Daten noch bei den Providern vorhanden waren. Der Beschluss dazu kam vom Landgericht am 15. Juli 2019, also alles in allem sehr zeitnah.
Dass die Kommunikation über sämtliche Mobilfunkgeräte sowie die Standortdaten der Person 3 nach der Haftverschonung für einen Monat (offiziell) mitgeschnitten wurden, hatten wir bereits erwähnt. Das betraf auch den VoIP Anschluss.
Letztendlich lagen den Bullen die rückwirkenden Verbindungsdaten vor (Kontaktnummer, Zeitpunkt und Dauer). Inhaltlich konnten sie jedoch nur auf die Texte der SMS zurückgreifen, die sich noch auf den Handys befanden. Die Bullen legten dabei einen Rechercheschwerpunkt auf die Woche vor der Festnahme. Mit Vergleichen, welche SMS gelöscht wurden und welche nicht, gaben sie sich diverser Hypothesen hin, wer sich wie mit welcher konspirativ verabredet gehabt hätte.

Am Rande sei noch erwähnt, dass sich die Staatsanwaltschaft ereiferte, eine Durchsuchungsgenehmigung der sogenannten Habe von Person 2 im Knast sowie eine Zellendurchsuchung zu erlangen. Sie hatte die Hoffnung in bestimmten Bekleidungsstücken, die in besagter Juli-Nacht getragen wurden, RFID-Chips zu finden, um über eine Nachverfolgung der Chips zur großen Weisheit zu gelangen. Zu welchen Erkenntnisse das geführt hätte bleibt unklar – an der gesichteten Kleidung wurden keine RFID-Chips festgestellt und der Antrag auf Durchsuchung der Zelle wurde vom zuständigen Amtsgericht abgelehnt.

Soweit eine erste Auswertung. Wir wollen keine Panik schüren, sondern hoffen euch damit informiert und sensibilisiert zu haben.
Stay safe und immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel!

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Update im sogenannten Parkbank-Verfahren https://parkbanksolidarity.blackblogs.org/update-im-sogenannten-parkbank-verfahren/ Sat, 03 Apr 2021 14:11:30 +0000 http://parkbanksolidarity.blackblogs.org/?p=1570 Continue reading ]]> Update im sogenannten Parkbank-Verfahren

Mit der mündlichen Urteilsverkündung und der Aufhebung der Haftbefehle gegen die drei angeklagten Anarchist*innen am 05. November 2020 hatte die Hauptverhandlung im sogenannten Parkbank-Verfahren endlich ein Ende gefunden.

Die letzten Monate waren geprägt von großer Freude und Erleichterung, aber auch mehr oder minder gespanntem Warten auf die schriftliche Ausfertigung des Urteils.
Für die schriftliche Ausfertigung hat die jeweilige Kammer je nach Anzahl der Verhandlungstage eine Menge Zeit – im Falle der rund 50 Verhandlungstage in diesem Verfahren endete die Frist Mitte April 2021, fast ein halbes Jahr nach Verkündung. Diese Frist wurde eingehalten und mit einiger Verzögerung hat das über 100 Seiten fassende Urteil nun seinen Weg zu den Betroffenen und ihren Verteidiger*innen gefunden.
Mit der Zustellung des schriftlichen Urteils beginnt nun die einmonatige Frist zur Begründung der Revision, sodass der Bundesgerichtshof voraussichtlich noch in diesem Jahr über das Urteil entscheiden wird.
Fristen kennt die Bearbeitung von Revisionen beim BGH nicht, Erfahrungen zeigen aber, dass im Herbst oder Winter mit einer Entscheidung zu rechnen ist. Der Bundesgerichtshof entscheidet, ob das Urteil in der gegenwärtigen Form rechtskräftig wird und damit dann die Haftstrafen angetreten werden müssen – oder ob es teilweise oder ganz aufgehoben wird und entsprechend nach- oder gar komplett neu verhandelt werden muss.
Inhaltlich fällt es uns schwer, zur schriftlichen Form etwas zu sagen – sie gleicht in wesentlichen Zügen dem mündlichen Urteil, die betroffenen Anarchist*innen werden zu 1 Jahr 10 Monate, 1 Jahr 8 Monate und 1 Uhr 7 Monate Haft ohne Bewährung verurteilt und das Gericht geht davon aus, dass an einem Ort ein Auto und an drei anderen Orten irgendetwas anderes angezündet werden sollte.
Wir werden uns ein wenig Zeit nehmen, das schriftliche Urteil zu lesen und zu verstehen und dann gegebenenfalls nochmal zu einzelnen inhaltlichen Besonderheiten Stellung nehmen.
Soweit – nichts ist also vorbei.
Selbstverständlich kostet so eine Revision eine Menge Geld und derzeit ist es denkbar schwer, an welches zu kommen – wir freuen uns also weiterhin über Spenden.
Solidarische Grüße an alle anderen, die derzeit von Repression betroffen sind.

Solidarität mit den hungerstreikenden Gefangenen in Chile und allen anderen kämpfenden Gefangenen!

Freiheit für alle!

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Knastkundgebung gegen Isolation und Einsperrung https://parkbanksolidarity.blackblogs.org/knastkundgebung-gegen-isolation-und-einsperrung/ Sat, 06 Feb 2021 14:02:05 +0000 http://parkbanksolidarity.blackblogs.org/?p=1562 Continue reading ]]> Knastkundgebung gegen Isolation und Einsperrung

Fast regelmäßig gab es in den Jahren 2019 und 2020 Demonstrationen und Kundgebungen am U-Knast Holstenglacis – vor allem weil dort zwei anarchistische Gefährt*innen und ein wegen Aktionen gegen den G20-Gipfel Beschuldigter einsaßen, wurde sich immer wieder zusammengefunden, wurden die Gefangenen mit Feuerwerk, Musik, Parolen und Beiträgen gegrüßt.

Nie wurde vergessen, dass sich hinter den Mauern auch viele andere Menschen befinden, deren Einsperrung genauso willkürlich, falsch und unmenschlich ist wie die derer, denen wir uns unmittelbar nahe fühlen.

Unsere Gefährt*innen berichteten stets, wie sehr sich hinter Gittern über diese Anteilnahme und die kämpferische Positionierung gegen das Gefängnis als Ganzes gefreut wurde. Der Knast soll vereinzeln, verängstigen, isolieren und die Kundgebungen haben diese Auswirkungen effektiv unterlaufen, waren ein Lichtblick im grauen Knastalltag und haben den Gefangenen den Rücken gestärkt.
Die Solidarität, Freundschaft und Zärtlichkeit, die in den Kundgebungen zum Ausdruck kamen, haben Eindruck hinterlassen und inspiriert.

Dieses Jahr sollte zum Jahreswechsel wieder eine Kundgebung vor dem U-Knast Holstenglacis stattfinden, diese wurde aber unter dem Vorzeichen des Lockdowns und des Versammlungsverbots zu Weihnachten und Silvester verboten.
Die Bedingungen im Knast sind während der Pandemie noch beschissener geworden.
Wurden zu Beginn der Pandemie in einigen Bundesländern Menschen entlassen, die beispielsweise wegen nicht bezahlter Geldstrafen in Ersatzhaft saßen, herrschte ziemlich bald wieder Normalbetrieb – abgesehen eben von den nun noch schwierigeren Haftbedingungen, die dem Infektionsschutz dienen sollen.
In der Untersuchungshaftanstalt heißt das derzeit eine zweiwöchige Quarantäne ohne frische Kleidung oder regelmäßiges Duschen. Es gibt eine sogenannte „Coronastation“ für positiv getestete Gefangene und als zum Beispiel eine Abteilungsleiterin positiv getestet wurde, bedeutete das Quarantäne-Einschluss für insgesamt 25 Gefangene. Hier wird klar, dass schon das Einhalten von Abständen und vernünftige Hygiene im Gefängnis schlicht nicht möglich sind.
Gerichtsverhandlungen fallen aus, Entscheidungen zögern sich immer wieder heraus, Besuche finden nur noch deutlich eigeschränkt und hinter Trennscheibe statt.
Die Liste an mit dem Infektionsschutz begründeten Schikanen ließe sich lange fortführen – und es ist klar, dass es hier nicht um die körperliche oder seelische Unversehrtheit der Gefangenen geht, sondern um ein möglichst effizientes Funktionieren des Gefängnisses. Die Aufrechterhaltung von Macht und Kontrolle wird gegen alle Widerstände über die Würde der betroffenen Gefangenen gestellt.

Insbesondere unter diesen Bedingungen ist es wichtig, die Gefangenen nicht zu vergessen.
Der Knast ist die letzte Instanz des Staates um diejenigen in die Schranken zu weisen, die nicht im Sinne von Recht und Gesetz funktionieren können oder wollen. Die Unterdrückungsmechanismen, die diese Welt prägen, wirken im Gefängnis umso stärker und sichtbarer – so ist es zum Beispiel kein Zufall, dass der weit größte Teil der Inhaftierten nicht weiß ist oder einen deutschen Pass besitzt.
Niemals haben Gesetze und Strafen irgendwelche sozialen Probleme gelöst – sie existieren, um die Privilegien derer zu schützen, die von Unterdrückung und Ausbeutung profitieren.
Ein Kampf gegen eine Welt, die auf Konkurrenz, Ausbeutung und Unterdrückung beruht muss sich deswegen immer auch gegen die Einsperrung richten.

Am Sonntag, den 28.02. wollen wir ab 15 Uhr mit euch vor der Untersuchungshaftanstalt Holstenglacis den Gefangenen zeigen, dass sie nicht alleine sind.

Für eine Welt ohne Knäste und Grenzen.

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+++Die zwei Gefährten sind nach dem Urteil aus der Haft entlassen worden!+++ https://parkbanksolidarity.blackblogs.org/die-zwei-gefaehrten-sind-nach-dem-urteil-aus-der-haft-entlassen-worden/ Fri, 06 Nov 2020 15:41:00 +0000 http://parkbanksolidarity.blackblogs.org/?p=1532 Continue reading ]]> +++Die zwei Gefährten sind nach dem Urteil aus der Haft entlassen worden!+++

Das Gericht hat die drei Gefährt*innen zu Haftstrafen ohne Bewährung verurteilt. Die beiden Gefährten, die bis zur Urteilsverkündung 16 Montae in U-Haft saßen wurden zu 22 und 19 Monaten verurteilt und die Gefährtin, die unter Meldeauflagen stand, zu 20 Monaten. Alle drei sind auf freiem Fuß, sprich die zwei eingesperrten Gefährten wurden aus der Haft entlassen.

Nach der Urteilsverkündung wurde erst die Gefährtin von vielen solidarischen Menschen vorm Gerichtsgebäude in Emfang genommen und zwei Stunden später auch die beiden Gefährten mit einer Kundgebung vorm Knast abgeholt nach ihrer Entlassung.

Wir haben die Beiden wieder!

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Zurück auf der Parkbank https://parkbanksolidarity.blackblogs.org/zurueck-auf-der-parkbank/ Fri, 06 Nov 2020 09:30:09 +0000 http://parkbanksolidarity.blackblogs.org/?p=1513 Continue reading ]]> Zurück auf der Parkbank

 – Erklärung der drei verurteilten Anarchist*innen –

Nun ist es soweit – die Hauptverhandlung im sogenannten „Parkbank-Verfahren“ ist überstanden, das Urteil der Großen Strafkammer 15 am Hamburger Landgericht ist nach über 50 Verhandlungstagen gesprochen. Vermutlich ist dies nicht das letzte Wort; bis das Urteil rechtskräftig wird, kann es noch einige Zeit dauern.

Aber wir – die nun verurteilten Anarchist*innen – wollen uns zu Wort melden, was wir ja gemeinsam bislang nicht (öffentlich) getan haben.

Zum Verlauf des Verfahrens und den Ermittlungen wird es sicher an anderer Stelle und zu späterem Zeitpunkt mehr geben. Zunächst wollen wir hier Dankbarkeit und Verbundenheit ausdrücken und einige Worte zum Urteil und dem vorläufigen Ende dieser Odyssee verlieren. Aus der Haft wurde sich zwar schon zu verschiedenen Anlässen und Gelegenheiten öffentlich geäußert, aber zur Anklage und zum Spektakel der Verhandlung eben bis zuletzt nicht.

Dies hat auch mit der weitgehenden Verweigerung der Partizipation der uns aufgezwungenen Rolle als Angeklagte zu tun. Aber eben jene Haltung schien und scheint uns der beste Weg, in so einer Situation Würde und Integrität zu wahren.
Als Anarchist*innen lehnen wir Gerichte grundsätzlich ab. Sie sind Institutionen der Durchsetzung von Herrschaft.

Das Schweigen in diesem Prozess ist uns nicht immer leicht gefallen angesichts der arroganten, zynischen Frechheiten, mit denen wir das ganze Verfahren über konfrontiert waren. Uns ist allerdings wichtig darauf hinzuweisen, dass wir es hier keineswegs mit aus dem Rahmen fallenden Tabubrüchen zu tun haben. U-Haft als Maßnahme zur Kooperationserpressung, Durchwinken illegaler Ermittlungsmaß­- nahmen … ganz normaler Alltag im Justizsystem. Wir sehen keine Perspektive darin, solche Zustände zu Skandalisieren – wir glauben nicht an die Möglichkeit einer „fairen“ Justiz. Womit wir nicht meinen, dass es unsinnig ist, diese Symptome einer, immer im Interesse der herrschenden Ordnung wirkenden, Institution zu benennen. Wir schlagen auch nicht vor, sich im Zynismus dieser Institution gegenüber einzurichten.
Viel wichtiger finden wir aber, der Repression gegenüber einen aktiven, selbstbewussten und selbstbestimmten Umgang zu finden. Von ihnen haben wir nix zu erwarten, von uns selbst und den Menschen, mit denen wir kämpfen dafür umso mehr!

Wir sind glücklich und stolz zu sagen, dass uns das gut gelungen ist. Sicher, wir werden in der Nachbereitung, in den bisher durch den Knast arg begrenzten Diskussionen, feststellen, dass wir nicht alles wieder genauso machen würden – schlussendlich haben wir den Saal aber erhobenen Hauptes und reinen Herzens verlassen, mit dem Gefühl, unsere Integrität als Anarchist*innen bewahrt zu haben.

Abgesehen von dem durchaus komplexen juristischen Reglement und den Ritualen, die so einen Strafprozess formen, funktioniert das alles nach relativ simplen Gesetzmäßigkeiten – Zugeständnisse oder gar Milde gibt es nur im Tausch gegen Anerkennung und Würdigung der Autorität, Mithilfe bei der eigenen Bestrafung und Reue.

Was wir in der Hauptverhandlung erlebt haben, hat gezeigt, wie sehr diese ganze Herrschaftsinszenierung mit all dem dunklen Holz, den erhöhten Sitzpositionen, den absurden Ritualen und Choreografien und albernen Kostümen auf Angst und Ehrfurcht der Angeklagten angewiesen ist. Mit unserer weitgehenden Verweigerung des Respekts und der Angst hat das Gericht bis zuletzt keinen souveränen, gesichtswahrenden Umgang gefunden. Natürlich haben wir auch Angst vor der Willkür und der Gewalt der Herrschenden, aber wir sind nicht naiv und wissen, dass es sich langfristig nicht auszahlt, ihren Erpressungen nachzugeben. Wenn wir von dem Standpunkt ausgehen, dass die Höhe des Urteils nicht der wichtigste Maßstab für uns ist, sondern andere Dinge wie uns selbst treu zu bleiben, uns nicht brechen zu lassen, und sich davon ausgehend ihren Kategorien zu verweigern, bedeutet das auch mit den daraus resultierenden Konsequenzen einen Umgang zu finden. Und diesen müssen wir individuell als auch kollektiv finden, unter uns und gemeinsam mit unserem Umfeld und mit allen Mitstreiter*innen.
Welche Risiken wir dabei einzugehen bereit sind, ist immer ein Aushandlungsprozess, und wir wollen betonen, dass es da kein Ideal, kein Patentrezept gibt. Die Sphäre des Juristischen erlaubt schlicht keinen widerspruchsfreien, kompromisslosen Umgang. Es ist auch eine Frage der kollektiven Bewältigung, wie den Schikanen und der Rache beleidigter Autorität entgegengetreten werden kann.

Wie eingangs schon erwähnt, war also auch unser Umgang nicht frei von taktischen Erwägungen. Wir haben das große Glück, Verteidiger*innen an unserer Seite zu haben, zu deren Selbstverständnis es gehört, Kritik, Sorgen, Risiken klar zu benennen und klare Haltungen solidarisch zu respektieren und mitzutragen. Wir haben uns gemeinsam für einen eher juristisch-technischen Weg der Verteidigung im Prozess entschieden, zumal wir uns mit Vorwürfen menschenverachtender Praxen und so dem Risiko sehr langer Haftstrafen konfrontiert sahen. Die Verteidigung hat dem Gericht mit ihrer Beharrlichkeit und Akribie nicht bloß Nerven gekostet, sondern wesentliche Zugeständnisse abgetrotzt. Einige ihrer Lügen waren nicht mehr zu halten und ihr Konstrukt wurde effektiv abgeschwächt.

Wir wollten nicht, dass das von uns durch die Behörden gezeichnete Bild jenseits der technischen Ebene in der Verhandlung diskutiert wird. Unsere Ideen und wir selbst sind viel zu schön, um an so einem hässlichen Ort erörtert zu werden! Außerdem sind uns Relativierungen und Verharmlosungen zuwider, der Grad hin zur Verleugnung ist mehr als bloß schmal und überhaupt schulden wir diesen Leuten keinerlei Erklärung; sie stehen für alles, was wir ablehnen. Zumal der tendenziöse Schrott, den die Bullen da über uns zusammengeschrieben haben, so flach und durchsichtig war, dass sich inhaltliche Erklärungen ohnehin erübrigten.
Und dafür, dass wir Anarchist*innen sind, mit all dem, das den Autoritäten Angst macht, schämen wir uns nicht – im Gegenteil!

Es war zwischenzeitlich auch schräg für uns, den Verhandlungstagen weitgehend passiv beizuwohnen und die Anwält*innen alle Arbeit machen zu lassen. Aber das hatte auch den angenehmen psychologischen Effekt, dass stets eine gewisse Distanz zwischen uns und dem Prozessgeschehen gewahrt blieb und zudem häufig der Eindruck entstand, dass hier nicht wir, sondern die Behörden auf der Anklagebank saßen. Dass dem Gericht die Überforderung mit dieser Situation so sehr anzumerken war, sorgte auch für Momente der Komik und der Genugtuung, ebenso wie die unprofessionelle Reizbarkeit des Oberstaatsanwalts Schakau. Nicht zuletzt hatten wir immer und im wahrsten Sinne des Wortes unsere Leute im Rücken – insbesondere für uns in der Haft waren die Verhandlungstage trotz des absurden Schauspiels von Verbundenheit, Wärme und Abwechslung geprägte Momente, auf die wir uns stets gefreut haben, so kräftezehrend sie auch waren.

Wir haben in diesen knapp 11/2 Jahren viel gelernt. Vieles, was uns und andere Mitstreiter*innen in unseren sozialen revolutionären Kämpfen helfen wird. Was uns stärker und ein Stück bewusster im Konflikt mit der organisierten Unterdrückung und Ausbeutung, mit dem Staat macht. Wir freuen uns darauf unsere Erfahrungen und die all der Mitstreiter*innen, die draußen Kämpfe weitergeführt und entwickelt haben, auszutauschen, gemeinsam an ihnen zu wachsen.
Wir haben gesehen, wie viel Stärke in all den über Jahre entwickelten und gepflegten solidarischen, liebevollen Beziehungen steckt. Wir sind auch stolz auf unsere Familien, die auf ihre Herzen hören, die immer hinter uns stehen und an uns und nicht an die Lügen der Bullen glauben.
Wir haben mit großer Genugtuung gesehen und gespürt, wie die revolutionäre Solidarität in Form von vielen direkten Aktionen gegen die Polizei, Knastprofiteur*innen, Immobilienhaie und anderen Ausdrücken von Ausbeutung, von Staat und Kapitalismus, ihren Repressionsschlag, unsere Festnahme ins Leere laufen lassen haben, sie zu einer Farce gemacht hat. Dieser Aspekt ist wichtig, denn er trifft verschiedene zentrale Punkte dieser ganzen Geschichte. Wir standen stellvertretend vor Gericht für soziale Kämpfe, deren Ausdruck unter anderem direkte Aktionen, Angriffe und Sabotage gegen Verantwortliche und Mechanismen der sozialen Misere sind. Diese Anklage muss eben dort, wo diese Konflikte bestehen, wo wir leben, zurückgeschlagen werden. Ihre Repression wird diese Konflikte weder befrieden noch ersticken können, sie werden die soziale Spannung nur verstärken.

In diesen knapp 11/2 Jahren ist global, aber auch hier so viel geschehen, dass es den Rahmen sprengen würde, alles zu beleuchten. Viele soziale Revolten und Aufstände haben weltweit die herrschenden Verhältnisse in Frage gestellt. Seien hier beispielhaft nur der monatelange Aufstand in Chile genannt, in Hongkong, die Knastausbrüche während des Anfangs der Corona-Pandemie in zahlreichen Länder der Welt und im speziellen der Knast-Revolten in Italien. Aber auch die Reaktionen, die Feind*innen der Freiheit, haben leider Raum genommen. Rechte, rassistische, antisemitische und patriarchale Morde und Anschläge in Halle und Hanau und weiteren Orten. Fast monatlich wurden Munitions- und Waffendepots bei Militär- und Polizei-Angehörigen entdeckt. Rechte Netzwerke und faschistoides Gedankengut in den Sicherheitsbehörden sowie die Bedrohung durch diese sind allseits bekannt. Die rassistischen Institutionen haben ihre Fratzen offen gezeigt. Natürlich ist dieser Zustand bedrohlich und beunruhigend, wenn auch nicht überraschend. Mut haben uns die Selbstorganisierungen von Opfern und Angehörigen des rechten Terrors gemacht, die sich würdevoll den unerträglichen Zuständen, den Faschos und dem braunen Sumpf der Behörden entgegenstellen. Stellen wir uns an ihre Seite! Auch die anti-rassistischen und anti-kolonialen Kämpfe weltweit haben trotz der allgegenwärtigen Corona-Pandemie wichtige Signale gesendet und Fortschritte gemacht, den Verhältnissen ein Ende zu setzen.

Wir sind voller Vorfreude auf die Straßen zurückzukehren und wieder ohne Mauern, Gitter und Scheiben zwischen uns, Seite an Seite zu kämpfen.

Für die soziale Revolution!
Für die Anarchie!
Freiheit für alle!

Die drei Anarchist*innen,
die im Parkbank-Verfahren verurteilt wurden

Hamburg, November 2020

 

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