Europa – perspective-green https://perspectivegreen.blackblogs.org If you don`t like the game, change the rules! Fri, 23 Apr 2021 07:55:35 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 Ostsee-Schweinswale https://perspectivegreen.blackblogs.org/2021/04/23/ostsee-schweinswale/ Fri, 23 Apr 2021 07:55:35 +0000 http://perspectivegreen.blackblogs.org/?p=239 Continue reading Ostsee-Schweinswale ]]> Gastbeitrag von Johanna (FÖJ Meeresschutz)

Wusstest du, dass sogar in der Ostsee Wale leben? Erstaunt? Aber ja, das Meer vor der schleswig-holsteinischen Haustür ist Lebensraum für eine Walart, die hier heimisch ist. Insgesamt gibt es auf der Welt sieben verschiedene Schweinswalarten, die in der Ostsee lebenden Tiere gehören zum „Gewöhnlichen Schweinswal“ (Phocoena phocoena). Allerdings werden sie in zwei Populationen unterteilt. Eine davon lebt in der Beltsee (westlich von Rügen bis in das Kattegat) und eine in der zentralen Ostsee (östlich Rügens). Durch uns Menschen werden die Bestände jedoch immer kleiner. Die Population in der zentralen Ostsee besteht nur noch aus 300 bis 500 Individuen, und steht somit bereits auf der roten Liste der bedrohten Tierarten.

Doch warum eigentlich?
In der Ostsee stammen mehr als die Hälfte der tot gefundenen Schweinswale aus Beifängen der Fischerei. Vor allem Stellnetze sind eine große Gefahr. Da die Tiere die dünnen Nylonfäden der Netze nicht mit ihrem Sonar orten können, schwimmen sie ahnungslos hinein, verfangen sich und ertrinken. Obwohl es in der Ostsee Meeresschutzgebiete gibt, ist das Fischen mit Stellnetzen auch in diesen Gebieten nicht ausdrücklich verboten. Dadurch haben die Tiere kaum eine Chance, ihnen zu entkommen. 

Umso schlimmer, dass jährlich 5.000 bis 10.000 Netzteile in der Ostsee verloren gehen, darunter auch Stellnetze. Da sich an ihrer Oberseite eine Schwimmleine befindet, können sie sich immer wieder von selbst aufstellen. Dadurch fischen sie ununterbrochen weiter und gefährden das Leben tausender Seevögel, Fische und Meeressäuger. Diese sogenannten „Geisternetze“ sind außerdem ein riesiges Plastikmüllproblem. Sie machen bis zu 50% des weltweiten Plastikmülls in den Meeren aus. Hinzu kommt, dass Stellnetze an ihrer Unterseite mit Bleikügelchen beschwert sind. Diese sind zwar mit einer Plastikschicht umhüllt, aber nach einiger Zeit ist diese abgescheuert und die Bleikügelchen gelangen als Umweltgift in die Umwelt. Dort werden sie dann von Tieren gefressen oder an den Strand gespült, wo sie auch für Kinder eine Gefahr darstellen.

Auch Unterwasserlärm ist eine große Gefahr für Schweinswale. Dieser entsteht zum Beispiel bei dem Bau von Offshore-Windkraftanlagen, da hierbei meterdicke Pfeiler durch mehrere tausende Schläge in den Meeresboden gerammt werden. Der immer weiter steigende Schiffsverkehr verschmutzt die Meere ebenfalls mit Lärm. Je größer und schneller das Schiff, desto größer auch der Lärm. Problematisch sind also die riesigen Frachtschiffe aber auch Kreuzfahrtschiffe und Speedboottouren, die ohnehin nur zur Tourist*innenbespaßung dienen. Auch bei seismischen Untersuchungen auf der Suche nach Öl- oder Gasvorkommen, bei dem Einsatz von Sonaren des Militärs oder bei Sprengungen alter Munition in der Ostsee entstehen starke Schallwellen, die für die Tiere etwa viermal so laut sein können wie für uns eine einzige Kreissäge. Mit dem Unterschied, dass wir uns die Ohren zuhalten oder weglaufen können. Wale sind diesem extremen Lärm schutzlos ausgeliefert. Dadurch können sie ihr Gehör verlieren und taub werden. Das bedeutet für sie ein Todesurteil, da sie ihr Gehör für ihr Sonar und somit zur Orientierung und Nahrungssuche brauchen. Häufig ist der Lärm sogar so laut, dass sie Verletzungen erleiden, wie Blutungen im Innenohr und im Hirnbereich oder Verletzungen der Organe.

Um das Aussterben der Ostsee-Schweinwale langfristig verhindern zu können, muss sich etwas ändern. Es muss nach Alternativen und nachhaltigeren Fangmethoden in der Fischerei geforscht werdenIn den Meeren braucht es „No-take-Areas“, in denen weder Öl oder Gas, noch Fische oder andere Lebewesen entnommen werden dürfen. Bei dem Bau von Offshore-Anlagen können Blasenschleier, die um die Baustelle gelegt werden, für eine Reduktion des Lärms von etwa 95% sorgen. Höchstgeschwindigkeiten im Schiffsverkehr könnten helfen, den Schiffslärm in den Meeren zu senken, da schon eine Reduzierung der Geschwindigkeit um 10% den Lärm um ganze 40% reduzieren würde. Kurz gesagt: Es braucht härtere Regelungen und auch Verbote von der Politik. Aber auch jeder andere Mensch kann im Alltag etwas ändern, um den Meerestieren zu helfen. Beispielsweise beim Verzicht auf eine Kreuzfahrt oder bei der Reduzierung des eigenen Fischkonsums. Denn das Meer ist der Lebensraum für zahlreiche Lebewesen, es ist ihr Zuhause und nicht unseres, wir müssen auf diese Tiere Rücksicht zu nehmen. Denn nur, weil wir sie kaum zu Gesicht bekommen, dürfen wir uns nicht so verhalten, als wären sie gar nicht da.

 

Am 16. Mai veranstaltet Johanna einen Infotag mit verschiedensten Mitmachaktionen zum Thema Schweinswale. Hier geht´s zu allen Details! 

Titelbild: Ecomare/Sytske Dijksen
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Ursula von der Leyen, Julia Klöckner und ein Systemwechsel, der eigentlich keiner ist https://perspectivegreen.blackblogs.org/2020/11/12/ursula-von-der-leyen-julia-kloeckner-und-ein-systemwechsel-der-eigentlich-keiner-ist/ https://perspectivegreen.blackblogs.org/2020/11/12/ursula-von-der-leyen-julia-kloeckner-und-ein-systemwechsel-der-eigentlich-keiner-ist/#comments Thu, 12 Nov 2020 12:32:44 +0000 http://perspectivegreen.blackblogs.org/?p=221 Continue reading Ursula von der Leyen, Julia Klöckner und ein Systemwechsel, der eigentlich keiner ist ]]> Wer an Schleswig-Holstein denkt, dem kommen früher oder später Bilder von Kühen auf grünen Koppeln, Schafen auf dem Nordseedeich, aber auch langen Ställen für die Schweine- und Hühnermast sowie der allgegenwärtige Güllegeruch in den Sinn. Landwirtschaft ist aus unserer Kulturlandschaft nicht wegzudenken. Doch sie nimmt in Deutschland über die Hälfte der Landfläche in Anspruch, bei uns im Norden sind es sogar 68,7%. Gleichzeitig ist die landwirtschaftliche Nutzung einer der großen Faktoren, die zum Klimawandel und anderen ökologischen Problemen beitragen. Dass sich hier also etwas ändern muss, liegt eigentlich auf der Hand. Doch die EU drückt sich offensichtlich davor, im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik konkrete Maßnahmen zu schaffen.

Dabei wären gerade diese heute mehr als notwendig! Mit Landwirtschaft assoziieren viele die Sicherstellung unserer Nahrungsversorgung, doch dass dieser Wirtschaftszweig einen enormen Effekt auf das Klima hat, verdrängen wir noch viel zu oft.

In Deutschland sorgt die Landwirtschaft für 7,4% der Treibhausgasemission, in der gesamten Europäischen Union sind es über 10%. Landwirtschaftlich genutzte Fläche wird häufig intensiv bewirtschaftet. Um diese Fläche zu erweitern und mehr Profit machen zu können, werden Waldflächen abgeholzt und Moore trockengelegt. Dabei werden Kohlenstoffdioxid (CO2) und das 129-mal klimawirksamere Lachgas (N2O) freigesetzt. Der starke Einsatz von Düngemitteln und das Umpflügen von kohlenstoffreichem Grünland haben ebenfalls nicht gerade einen minimierenden Effekt auf die Klimabilanz der Landwirtschaft. Hinzu kommt selbstverständlich auch die Nutztierhaltung. Ganz abgesehen von den teilweise haarsträubenden Bedingungen der Massentierhaltung, sorgen Wiederkäuer wie Kühe oder Schafe für einen enormen Methanausstoß. Dieses Treibhausgas ist ebenfalls deutlich schädlicher als das bekanntere Kohlenstoffdioxid.

Deshalb ist es längst überfällig, diesen wunden Punkt im Kampf gegen die Klimakrise endlich anzugehen und zu verändern, damit unsere Nahrungsgrundlage auch im nächsten Jahrhundert bestehen kann. Das notwendige Werkzeug hierzu hat in erster Linie die Europäische Union. Leider verhält sich diese im Moment wie ein kleines Kind, das mit einem Plastikhammer auf Bauklötze aus Massivholz hämmert.

Die „Gemeinsame Agrarpolitik“ (GAP) scheint den Politiker*innen zwar so wichtig zu sein, dass jährlich rund ein Drittel des EU-Haushaltes in diesen Wirtschaftszweig fließt. Das sind insgesamt 387 Milliarden Euro. 387 Milliarden Euro, die den Landwirt*innen zu 75% als Direktzahlungen zur Verfügung stehen. Das mag auf den ersten Blick nach einer netten, unterstützenden Idee klingen, doch bei einem genaueren Blick auf die Verteilung der Direktzahlungen stellt sich zwangsläufig die Frage, wer hier das Gießkannenprinzip für die richtige Lösung hält.

Mit den sogenannten „Flächenpremien“ bekommen landwirtschaftliche Betriebe pro Hektar jährlich einen bestimmten Betrag (momentan 280 Euro), ohne dass sie dafür irgendetwas leisten müssen, was dem Umwelt- und Naturschutz zu Gute käme. Dass hierbei vor allem landwirtschaftliche Großbetriebe und nicht etwa kleine Höfe gefördert werden, liegt auf der Hand.

Als nach dem Beschluss des Europäischen „Green Deals“ die GAP-Reform angekündigt wurde, hofften Verfechter*innen der ökologischen Landwirtschaft, die im Gegensatz zum konventionellen Vorgehen eine deutlich geringere Klimabilanz hat, auf eine Neustrukturierung der Flächenprämien. Immerhin wurde der grüne Deal, der Europa in 30 Jahren zum ersten klimaneutralen Kontinent machen soll, von der derzeitigen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen als „Europas Mann-auf-dem-Mond-Moment“ bezeichnet. Was nun aber im Bezug auf die GAP-Reform folgte ist keinesfalls auf, sondern eher hinter dem Mond.

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner sprach stolz von einem „Systemwechsel“ und von einem „fundamentalen Schritt hin zu mehr Nachhaltigkeit, Fairness und Wettbewerbsgerechtigkeit“. Wo genau sich dieser Systemwechsel verstecken soll, ist ungefähr so durchsichtig wie ein Güllepott. Die Direktzahlungen sind weiterhin der Hauptanteil des verfügbaren Budgets. Bei einem „Systemwechsel“ wäre hier mindestens eine Koppelung mit bestimmten Umwelt- und Klimaschutzauflagen sinnvoll gewesen. Aber eine solche Hoffnung wäre wohl zu utopisch – und so bleibt alles wie es auch vor der Reform schon war. Landwirt*innen bekommen weiterhin ihre Fläche Land bezahlt, ganz unabhängig davon, was sie auf dieser Fläche tun und welche Auswirkungen das auf die Umwelt hat. Eine kleine Neuerung gibt es zwar, doch die sogenannten „Eco-Schemes“ sind so wenig effektiv und hilfreich zur Bekämpfung der Klimakrise, dass auch hier die Bezeichnung „Systemwechsel“ mehr als unangebracht ist. Konkret besagen die neuen Regelungen zwar, dass 20% der Direktzahlungen an Landwirt*innen gehen, die mit ihren Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen über die Mindestanforderungen hinausgehen. Landwirt*innen, die einfach nur viel Land besitzen und bewirtschaften werden genauso entlohnt wie solche, die große Mühen in die Klimabilanz ihres Hofes investieren. Hinzu kommt, dass der Inhalt der neuen Regelungen nicht einmal von der EU vorgegeben wird, sondern dass jeder Staat selbst darüber entscheiden kann. So fördert die Politik noch immer die Bewirtschaftsungsweisen in Monokultur, die nachweislich einen enorm großen Effekt auf das Artensterben hat. Dass dieses ab einem bestimmten Punkt auch für uns Menschen gefährlich wird, scheint wohl zu abstrakt zu sein. Wie mit diesem Vorgehen ein Anreiz für die Landwirtschaft geschaffen werden soll, die eigene Klimabilanz zu verbessern und die Treibhausgasemission zu verringern, ist und bleibt ein Rätsel.

Mit dieser „Reform“ wird nun noch immer eine Landwirtschaft gefördert, die gegen statt mit der Natur arbeitet und sie so Stück für Stück zerstört. Zwar will die EU den Ökolandbau bis 2030 auf insgesamt 25% der landwirtschaftlich genutzten Fläche steigern, jedoch ist dieses Ziel viel zu klein, um das Steuer herumzureißen – Ganz zu schweigen von den mangelnden Anreizen der GAP. Der Ökolandbau verzichtet u.a. auf Pestizide und mineralische Düngemittel und nutzt Zwischenfrüchte und Untersaaten, um Monokulturen zu vermeiden. Auch für die Tierhaltung gibt es hier deutlich strengere Regelungen, sodass durch extensive Tierwirtschaft der Ausstoß von Treibhausgasen begrenzt werden kann. In Deutschland werden aktuell rund 1,6 Millionen Hektar von circa 35.000 Höfen ökologisch bewirtschaftet. Das entspricht nur 10% der Gesamtmenge. Um die Klimaschädlichkeit der Landwirtschaft nachhaltig einzudämmen, muss der Anteil der ökologischen Landwirtschaft deutlich größer werden, und zwar besser heute als morgen. Warum jetzt also für eine zu diesem Zwecke völlig ungeeignete Reform der GAP gestimmt wird, ist ein Mysterium.

Viel nötiger als wahllos verteilte Flächenpremien wären für die Umwelt Direktzahlungen, die an konkrete Umwelt- und Klimaschutzauflagen geknüpft sind. Denn nur durch solche Anreize lässt sich die Landwirtschaft zu größeren Teilen umbauen, hin zu einer ursprünglicheren, nachhaltigeren Wirtschaftsweise. Aber ohne diesen Wandel bleibt ein entscheidender Punkt im Bezug auf den Kampf gegen die Klimakrise offen. Eins sollte jedoch klar sein: Wenn die Landwirtschaft nicht mitzieht, wird er Kampf gegen die Klimakrise um einiges härter, als er es jetzt ohnehin schon ist.

 

Link zur Inititive "Bauern und Bienen retten" https://www.savebeesandfarmers.eu/deu/

 

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Sorry Klimaschutz, Wirtschaft geht halt vor! Über die Klima- und Freihandelspolitik der EU https://perspectivegreen.blackblogs.org/2020/09/14/sorry-klimaschutz-wirtschaft-geht-halt-vor-ueber-die-klima-und-freihandelspolitik-der-eu/ Mon, 14 Sep 2020 13:51:18 +0000 http://perspectivegreen.blackblogs.org/?p=208 Continue reading Sorry Klimaschutz, Wirtschaft geht halt vor! Über die Klima- und Freihandelspolitik der EU ]]> Bis 2030 will die Europäische Union ihre Klimaziele, die im Pariser Abkommen von 2015  festgeschrieben wurden, erreichen. Doch anstatt die europäische Wirtschaft im Sinne einer nachhaltigen und klimafreundlichen Entwicklung zu fördern und zu subventionieren, setzt die EU sich lieber für Freihandelsabkommen ein, die das genaue Gegenteil bewirken.

CETA und TTIP sind bereits lange im Gespräch und wurden von vielen EU-Bürger*innen scharf kritisiert. Aber anstatt sich die Bedenken von Bürger*innen und Vertreter*innen nationaler Parlamente zu Herzen zu nehmen, debattiert die EU nun über ein neues Freihandelsabkommen mit dem südamerikanischen Wirtschaftsraum, MERCOSUR.

Hinter MERCOSUR stehen die Staaten Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay. Mit dem neuen Abkommen sollen die internationalen wirtschaftlichen Verbindungen gestärkt werden. Das heißt, dass fast 90% der eigentlich anfallenden Zölle abgeschafft und die Im- bzw. Exportquoten deutlich erhöht werden sollen. Solch eine Verbesserung der wirtschaftlichen Beziehungen mag nun auf den ersten Blick nach einer positiven Entwicklung für alle Beteiligten klingen. Spätestens auf den zweiten Blick sollten aber jedem die sich häufenden kleinen und weniger kleinen Haken offenbaren.

Sowohl für die Mitglieder der Europäischen Union, als auch für die Mitglieder des „Mercado Cómun do Sul“ birgt das Freihandelsabkommen immense Gefahren für Wirtschaft, Klima und Umwelt. Um diese zu erkennen, muss man sich nur die größten Exportgüter der südamerikanischen Staaten vor Augen führen. Ganz oben mit dabei sind hier Agrarprodukte, vor allem Rindfleisch, Soja und Weizen. Wer in seinem bisherigen Leben mit offenen Augen durch die Welt gewandert ist wird nun feststellen: All diese Produkte sind auch aus europäischer, die meisten sogar regionaler Landwirtschaft erhältlich.

Der ein oder andere mag nun argumentieren, dass Sojaimport ja aber vor allem aufgrund der steigenden Zahl an Personen, die sich vegetarisch/vegan ernähren nötig sei. Doch das ist keinesfalls der Grund, warum Soja aus Südamerika nach Europa importiert wird. Denn nicht wir bekommen dieses Soja in Form von Tofu-Schnitzeln oder einer Milchalternative vorgesetzt, sondern die Rinder, Schweine und Hühner, die damit gemästet werden, bis sie irgendwann in der Fleischtheke des lokalen Supermarktes oder Discounters landen. Mit einer steigenden Importquote für Soja wird also die Tierhaltung innerhalb der Europäischen Union intensiviert, da durch die höhere Verfügbarkeit von Futtermitteln eine größere Anzahl an Tieren gleichzeitig gehalten werden kann. Das wiederum würde zu einem steigenden Methanausstoß und einem größeren Bedarf an Fläche für die Landwirtschaft führen.

Auch das importierte Fleisch wirkt sich auf den europäischen Markt aus. Die Waren aus Südamerika sind in der Regel günstiger als solche, die in der EU produziert werden. Dadurch könnten viele Konsument*innen dazu animiert werden, die MERCOSUR-Produkte zu kaufen. Dass damit eine Absatzminderung für die europäischen Landwirte hervorgehen würde, ist offensichtlich. Europäische Landwirte befürchten zu Recht, dem Wettbewerb mit den südamerikanischen Produzenten nicht gewachsen zu sein. Die Produktionsmaßstäbe der MERCOSUR-Staaten sind oft größer als die europäischen, zudem gibt es dort weniger Regulierungen in Bezug auf Pflanzenschutzmittel und Gentechnik. Dadurch erhöht sich der Ertrag der südamerikanischen Landwirte, aber unter massiver Beschädigung der Umwelt.

Von europäischer Seite aus sollen vor allem Autos nach Südamerika transportiert werden. Das hätte zur Folge, dass die Absatzzahlen der Autoindustrie wieder deutlich ansteigen würden. Inwiefern das mit der Reduzierung des Autoverkehrs- bzw. der Autoproduktion, die für die Einhaltung der Klimaziele von großer Relevanz ist, vereinbar ist, ist fraglich. Natürlich ist in der Abkommensvorlage ein Nachhaltigkeitskapitel vorhanden. Doch das ist eher der berüchtigte zahnlose Tiger als ein wirksamer Wächter über die Einhaltung der Nachhaltigkeitskriterien, denn bei einem Verstoß gegen Letztere sieht das Kapitel keinerlei Möglichkeiten für Sanktionen vor.

Für die Umwelt wäre dieses Szenario eine Katastrophe. Zwischen dem europäischen und dem südamerikanischen Festland liegen 10.000 Kilometer. Diese gilt es zu überbrücken – mit Schiffen oder Flugzeugen. Also den Topkandidaten, wenn es um den CO2 -Ausstoß geht. Bei einer Einigung über den MERCOSUR-Vertrag würde durch den verstärkten Warnverkehr also auch die CO2-Emmission deutlich ansteigen. Gut, dass die Europäische Union im Pariser Klimaabkommen angekündigt hat, den CO2-Ausstoß in Europa verringern zu wollen. Dafür ist ein steigender Warenaustausch zwischen zwei Kontinenten sicher der richtige Weg.

Jetzt aber mal im Ernst, nicht nur für die CO2-Bilanz der EU wäre das Freihandelsabkommen mit Südamerika katastrophal – auch die Natur in den MERCOSUR –Staaten würde noch stärker in Mitleidenschaft gezogen, als sie es ohnehin schon ist. Anfang des Jahres war die ganze Welt bestürzt über die massiven Brände im Amazonasgebiet, einem der größten CO2-Kompensatoren unserer Erde. Damals schien es so, als wäre endlich klar geworden, wie wichtig die Regenwälder für uns und den Kampf gegen die Klimakrise sind. Das scheint nun vergessen, zumindest in Brüssel. Wenn durch das Freihandelsabkommen die Nachfrage nach südamerikanischen Agrarprodukten steigt, wird auch die Produktion dort steigen. Doch wohin mit all den Rindern und Sojafeldern? Richtig, dorthin, wo jetzt ungünstigerweise ein Regenwald im Weg steht. Aber das ist natürlich kein Problem, den kann man schließlich abholzen.

Ein Wachstum der Landwirtschaft in Südamerika führt zwangsläufig dazu, dass Teile des Regenwaldes abgeholzt werden, gerade in den Ländern, in denen der Amazonas einen Großteil der Landfläche einnimmt. Der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro ist bekannt dafür, sich für das wirtschaftliche Wachstum in seinem Land stark zu machen, auf Kosten des Amazonas und somit auch des Klimas. Seit seinem Amtsantritt im Jahr 2019 ist die Zahl an Rodungen und Angriffen auf Menschen, die versuchen ihre Lebensgrundlage zu schützen, immens angestiegen. Durch einen Freihandelsvertrag unterstützt die Europäische Union dieses Verhalten durch Toleranz und Förderung der Wirtschaft. Wie das mit dem Ziel, den Klimawandel nachhaltig zu bekämpfen, vereinbar ist, ist anscheinend nur als EU-Politiker*in zu erkennen. Schade, dass der Großteil unserer Gesellschaft nicht zu dieser Gruppe an Menschen gehört.

Wenn die Europäische Union nun das Abkommen mit den MERCOSUR-Staaten abschließt, wird erneut eine Entscheidung für das Wachstum der Wirtschaft und zugunsten der großen Konzerne und gegen die selbst gesetzten Klimaziele getroffen.

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