21.12.2023
taz, Christian Rath
https://taz.de/Repressionen-gegen-Adbusting/!5977965/
Tagesspiegel, Anne-Sophie Schakat und Madlen Haarbach
nd.online, Nora Noll
Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), Marlene Grunert
netzpolitik.org, Markus Reuter
https://netzpolitik.org/2023/bundesverfassungsgericht-hausdurchsuchung-wegen-adbusting-war-ueberzogen-und-grundrechtswidrig/
Berliner Morgenpost, Hans Cord Hartmann
https://www.morgenpost.de/berlin/article240861910/Hausdurchsuchung-bei-Plakat-Aktivistin-war-unverhaeltnismaessig.html
Deutschlandfunk, Nachrichten um 12.30 Uhr
https://www.deutschlandfunk.de/wohnungsdurchsuchung-in-bestimmten-faellen-unverhaeltnismaessig-100.html
in den 12:30-Nachrichten: https://www.deutschlandfunk.de/nachrichten-dlf-de23b65c-100.html
Tagesschau.de
https://www.tagesschau.de/inland/regional/berlin/rbb-bundesverfassungsgericht-wohnungsdurchsuchung-wegen-adbusting-verdachts-ist-unangemessen-100.html
Legal Tribute Online
https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/bverfg-az2bvr174920-unverletzlichkeitderwohnung-grundrechte-adbusting-durchsuchung-wohnung/
dpa/ AFP, div. Medien mit copy&paste
https://www.bz-berlin.de/berlin/urteil-verfassungsgericht-wohnungs-durchsuchung-war-unzulaessig
https://www.zeit.de/news/2023-12/21/durchsuchung-wegen-satire-aktion-gegen-bundeswehr-unzulaessig
]]>Neue Erkenntnisse im Adbusting-Komplex: Das Bundesinnenministerium rückt von seiner Linie ab, dass veränderte Werbeposter dem gewalttätigen Linksextremismus zugeordnet werden können. Auch bei der Staatsanwaltschaft Berlin bezweifelt man zusehends die Strafbarkeit von Adbusting. In zwei Verfahren entschied die Behörde, dass es nicht strafbar sei, wenn Menschen ihre eigenen Poster in fremde Werbevitrinen hängen und lehnte u.a. Hausdurchsuchungen ab. Trotzdem beobachtet der MAD weiterhin das Bekleben von Werbepostern.
Innenministerium: Adbusting doch nicht gewalttätig
Noch im Verfassungsschutzbericht 2018 nannte das Bundesinnenministerium die Aktionsform des Adbustings, bei der die Aussage von Werbeplakaten mit Farbe oder Überklebern verändert wird, in einem Atemzug mit „physischen Angriffen auf Polizeikräfte“ und ärgerte sich über kritische Poster, die der Polizei „institutionellen Rassismus“ und „willkürliche Gewaltanwendung“ z.B. beim G20-Gipfel unterstellten. Die linke Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke fragte nun in einer aktuellen Fragestunde nach, warum Adbusting im neuen Verfassungsschutzbericht nicht mehr erwähnt werde. Die Antwort der Bundesregierung: „Im Berichtsjahr 2019 lag der Schwerpunkt vor allem auf der zunehmend enthemmter werdenden Gewaltanwendung durch Linksextremisten. Die Darstellung des „Adbustings“ entfiel daher aufgrund der anders gewählten inhaltlichen Gewichtung“ (Frage 68, S. 151 https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19191.pdf ).
Ulla Jelpke: „Lächerlich, Adbusting in die Nähe von Gewalt zu rücken“
„Offenbar hat selbst der Verfassungsschutz eingesehen, wie lächerlich der Versuch war, künstlerische Verfremdung von Werbeplakaten für Polizei und Bundeswehr auch nur in die Nähe gewalttätiger Übergriffe zu rücken“ sagt die Abgeordnete Ulla Jelpke dazu. Dass Adbusting überhaupt erfasst wurde, zeige allerdings, dass die Künstlerinnen und Künstler mit dieser Aktionsform einen Nerv bei den staatlichen Institutionen getroffen hätten, so die Obfrau der Linksfraktion im Innenausschuss weiter: „Es ist weiterhin notwendig, den strukturellen Rassismus bei der Polizei ebenso wie den Einsatz der Bundeswehr für die Sicherung der Profite des Kapitals mit geeigneten Mitteln aufzudecken und anzuprangern. Adbusting ist eine phantasievolle und gewaltfreie Form der politischen Aufklärung.“
https://www.ulla-jelpke.de/2020/11/mad-registriert-weiterhin-militaerkritische-plakate/
Adbusting ist Thema im Terrorabwehrzentrum
Ulla Jelpke hatte bereits im Frühjahr 2020 mit einer Kleinen Anfrage nachgefragt, warum der Geheimdienst das Bekleben von Werbepostern mit physischen Angriffen auf Polizeikräfte gleichsetze und wollte auch wissen, wie viele Beamte schon durch Adbusting-Aktionen zu Schaden gekommen sei. Die Bundesregierung musste zugegen: Niemand. Dafür hatte sich das Geheimsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum von Bund und Ländern (GETZ) in 2018/19 gleich vier Mal mit Adbusting beschäftigt:
https://dipbt.bundestag.de/doc/btd/19/172/1917240.pdf
Adbusting-Aktionen mit dem Geheimdienst
Dieser vom Bundesamt für Verfassungsschutz zu verantwortende „Adbusting-Skandal“ sorgte für breite Berichterstattung und Kommunikatonsguerilla-Gruppen namen den Geheimdienst nun erst Recht aufs Korn (eine Übersicht der Aktionen: https://plakativ.blackblogs.org/2020/07/09/adbusting-leider-nicht-mehr-i… ). Das Innenministerium dazu „Der Verzicht auf die Erwähnung sogenannter Adbusting-Aktionen im Berichtsteil „Linksextremismus“ im Verfassungsschutzbericht 2019 steht nicht im Zusammenhang mit Reaktionen auf deren Darstellung im Bericht für das Jahr 2018.“
„Auch unbequemes Adbusting ist grundrechtlich geschützt“
Die Aufführung von Adbusting im Verfassungsschutzbericht wurde auch von dem Bremer Staats- und Verfassungsrechtler Prof. Dr. Fischer Lescano in einem Gutachten kritisiert: „Insgesamt entsteht gerade vor dem Hintergrund des in aller Regel geringen Sachschadens durch Adbusting der Verdacht, dass der Ermittlungseifer vom Inhalt der Adbustings befeuert wird – gerade wenn diese sich kritisch mit Polizei, Geheimdiensten und Bundeswehr auseinandersetzen. (…) Das Vorgehen gegen spezifische Meinungsinhalte wird von Art. 5 GG grundsätzlich untersagt. Es wird Zeit, dass die deutschen Sicherheitsbehörden diesen Grundsatz auch dann beherzigen, wenn es um Adbusting geht, das sich kritisch mit ihren Praxen und Imagekampagnen auseinandersetzt. (…) Gleiches gilt etwa auch für eine Aufnahme in den Verfassungsschutzbericht, dessen Eingriffscharakter das BVerfG mit verallgemeinerungsfähigen Erwägungen in Bezug auf die Pressefreiheit betont (Rn. 50 ff.).“
https://verfassungsblog.de/adbusting-unbequem-aber-grundrechtlich-geschuetzt/
Staatsanwaltschaft Berlin: Adbusting nicht strafbar, wenn man eigene Poster mitbringt
Derweil sieht die Staatsanwaltschaft Berlin wohl bereits länger als bisher bekannt keinen Anlass mehr, Adbusting zu kriminalisieren; zumindest wenn bei dieser Aktionsform Aktivist*innen ihre eigene Plakate in Werbevitrinen hängen. Das stellte die Behörde in zwei Entscheidungen, die der Soligruppe plakativ zugespielt wurden, deutlich klar.
Am 1.5.2020 legte die Berliner Polizei eine Person in Handschellen, weil diese in eine Werbevitrine ein selbstgemachtes Poster hängte, dass die in Berlin geplante Ausrichtung des „Tags der Bundeswehr“ kritisierte. Kritik an der Bundeswehr, da versteht die Staatsschutzabteilung 521 keinen Spaß und beantragte sofort mit einem Dringlichkeitsbeschluss eine Hausdurchsuchung. Um die Verhältnismäßigkeit zu simulieren, behauptete das LKA, dass es sich um „Schweren Diebstahl“ handeln würde. Der Trick dabei: Bei besonders schwerem Diebstahl (also dem Diebstahl von besonders abgesicherten Gütern, man stelle sich zum Beispiel einen Tresor vor, der erstmal geknackt werden muss) liegt das Mindeststrafmaß bei drei Monaten Knast aufwärts.
Hausdurchsuchung abgelehnt
Doch der Staatsschutz beim LKA kassierte eine herbe Absage. Die Staatsanwaltschaft lehnte den Antrag ab und verfügte außerdem die sofortige Einstellung des Verfahrens: „Eine Strafbarkeit wegen versuchten Diebstahls durch das Abhängen der ursprünglich im Schaukasten befestigten Plakate scheidet bereits aus, da die Plakate hinter dem Kasten versteckt aufgefunden wurden. Eine Zueignungsabsicht kann daher nicht festgestellt werden“ (Staatsanwaltschaft Berlin, 18.5.2020, 231 Js 1331/20)
Der Trick mit dem Diebstahl
Ein neuer Aktenfund der Soligruppe plakativ zeigt: Der Staatsschutz-Abteilung lag im Mai 2020 bereits eine Entscheidung der Staatsanwaltschaft Berlin aus dem Dezember 2019 vor, die den Trick mit dem Schweren Diebstahl für illegal erklärte. Am 3.12.2019 stellte die Staatsanwaltschaft Berlin ein Verfahren gegen eine Adbuster*in ein. Die Betroffene hatte zusammen mit einer Freundin ein verändertes Bundeswehrposter in eine Werbevitrine gehängt, und war dabei von der Polizei gestellt worden. Im September 2019 veranstaltete das LKA 521 deswegen drei Hausdurchsuchungen im Umfeld der Betroffenen. Auch dabei verwendete das LKA den Trick, zu behaupten, dass es sich bei Adbusting um „Schweren Diebstahl“ handeln würde und rechtfertigte damit die Razzien.
Adbusting ist kein Diebstahl
Doch der Einstellungsbeschluss 231/Js1812/19 vom 3.12.2019 stellt klar, dass die Staatsanwaltschaft im Gesehen keinen Schweren Diebstahl erkennen kann: „Strafrechtlich ist der Sachverhalt vom 13.05.2019 wie folgt zu bewerten: Eine Strafbarkeit gemäß§ 243 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 StGB kommt nicht in Betracht: Zum einen ist die Anwendbarkeit wegen Abs. 2 StGB fraglich. Zum anderen käme hier nur Versuch in Betracht. Da aber aus anderen Fällen des sog. Adbusting bekannt ist, dass die ursprünglichen Plakate nicht immer mitgenommen, sondern teilweise auch in dem Werbekasten belassen werden, kann hier nicht unterstellt werden, dass die Beschuldigten das ursprüngliche Plakat mitnehmen wollten.“ Folgerichtig erfolgte die Einstellung wegen Geringfügigkeit (§153 StPO, Staatsanwältin Eppert, 231/Js1812/19).
MAD sammelt weiter Daten zu Adbusting
Auch wenn Staatsanwaltschaften die Strafbarkeit von Adbusting mittlerweile immer mehr bezweifeln und auch das Bundesamt für Verfassungsschutz beim Adbusting keine Gewalttätigkeit mehr erkennen kann, sammelt der Militärische Abwehrdienst munter weiter Daten. Laut der Antwort der Regierung auf die aktuelle Frage der abgeordneten Jelpke hat der Militärgeheimdienst im Jahr 2020 schon dreizehn Adbusting-Aktionen registriert. Dabei sammelt der Geheimdienst weiter wie selbstverständlich Meinungsäußerungen: „ Aufhängen von selbstgestalteten Plakaten mit die Bundeswehr diffamierendem Inhalt.“
„Langsam wird’s eng für den Staatsschutz“
„Langsam wird’s eng für den Staatsschutz und die Geheimdienste“ sagt Klaus Poster, Sprecher*in der Soligruppe plakativ. „Nicht mal mehr das Innenministerium hält an der Story, das Adbusting gewalttätig sei, fest. Und immer mehr Staatsanwält*innen bezweifeln die Strafbarkeit. Nur der MAD und das Berliner LKA halten noch an der Rechtsauffasung fest, das Hausdurchsuchungen, DNA-Untersuchungen und geheimdienstliche Listen verhältnismäßig seien, weil Adbusting die Bundeswehr „gar lächerlich“ mache.“
Adbusting ist doch nicht gewalttätig:
Frage 68, S. 151 https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19191.pdf
Adbusting-Aktionen mit dem Geheimdienst:
https://plakativ.blackblogs.org/2020/07/09/adbusting-leider-nicht-mehr-im-verfassungsschutzbericht/
Gutachten zur Rechtswidrigkeit des Vorgehens des LKAs von Prof. Dr. Fischer-Lescano:
https://verfassungsblog.de/adbusting-unbequem-aber-grundrechtlich-geschuetzt/
Der Adbusting-Beschluss der Staatsanwaltschaft Berlin 231 Js 1331/20 vom 18.5.2020:
http://plakativ.blackblogs.org/2020/06/24/sta-berlin-adbusting-ist-straffrei-wenn-man-seine-eigenen-poster-mitbringt/
Am 21.11.20 erschien in der jungen welt ein Artikel von Felix Jota zur neuen Einschätzung des Bundesinnenministeriums bezüglich Adbusting.
https://www.jungewelt.de/artikel/390927.adbusting-adbusting-ist-politische-aufklärung.html
Das LKA Berlin ist so verzweifelt von überklebten Werbeplakaten, dass es linken Aktivist*innen mit Hausdurchsuchungen zu Leibe rückt. Dagegen klagt nun die Aktivist*in Frida vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe mit Unterstützung der Rechtswissenschaftler*innen Prof. Dr. Mohamad El-Ghazi (Universität Trier) und Prof. Dr. Andreas Fischer-Lescano (Universität Bremen). „Die Polizei macht sich lächerlich, wenn sie wegen veränderter Poster Hausdurchsuchungen machen“ sagt Frida. „Die brauchen da mal dringend Nachhilfe aus Karlsruhe.“
Beim Adbusting erwischt
Die Aktivistin Frida wurde zusammen mit einer anderen Person beim Aufhängen eines korrigierten Bundeswehrplakats von einer Zivilstreife beobachtet. Sie nahm die Personalien der zwei Aktivist*innen auf und beschlagnahmte das Plakat. Den scheinheiligen Satz „Geht Dienst an der Waffe auch ohne Waffe?“ verbesserten die beiden zu „Kein Dienst an der Waffe geht ohne Waffe!“
Ein Poster, drei Hausdurchsuchungen
Es folgten Hausdurchsuchungen in drei Wohnungen im Umfeld der Betroffenen. Gegen die Hausdurchsuchungen legt Frida nun Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ein. „Etwas Papier, Kleister und die Aussage ’Kein Dienst an der Waffe geht ohne Waffe’ reichen für Polizei und Landgericht also aus, um derart massiv in unsere Privatleben einzudringen“ meint Frida Henkel. „Dass das trotzdem passiert ist, kann ich mir nur damit erklären, dass wir inhaltlich diese Kritik geübt haben.“
https://www.zdf.de/nachrichten/video/panorama-adbusting-plakate-100.html
„Kritisches Adbusting ist grundrechtlich geschützt“
Auch Andreas Fischer-Lescano, Professor für Öffentliches Recht, Europa- und Völkerrecht, Rechtstheorie und Rechtspolitik, kritisiert: „Das Vorgehen gegen spezifische Meinungsinhalte wird von Art. 5 GG grundsätzlich untersagt. Es wird Zeit, dass die deutschen Sicherheitsbehörden diesen Grundsatz auch dann beherzigen, wenn es um Adbusting geht, das sich kritisch mit ihren Praxen und Imagekampagnen auseinandersetzt.“
https://verfassungsblog.de/adbusting-unbequem-aber-grundrechtlich-geschuetzt/
Eindeutig, dass Hausdurchsuchungen unverhältnismäßig sind
Mohamad El-Ghazi, Professor für Strafrecht und Strafprozessrecht an der Universität Trier ist ähnlicher Meinung: „Wir sprechen hier, wenn überhaupt, über einfachen Diebstahl, beziehungsweise über Sachbeschädigung. Bei Adbusting geht es maximal um Bagatellkriminalität. Ich glaube, es ist relativ eindeutig, dass hier Hausdurchsuchungsmaßnahmen, also Eingriffe in die Wohnung, unverhältnismäßig sind.“
https://www.sueddeutsche.de/kultur/adbusting-unverhaeltnismaessigkeit-der-mittel-1.5024488
Adbusting ist Thema im Terrorabwehrzentrum
Die harte Verfolgung von Adbustings ist kein Einzelfall: Im Gemeinsamen Extremismus- und Terrorabwehrzentrum von Bund und Ländern (GETZ) war Adbusting in 2018/19 gleich viermal Thema (https://dipbt.bundestag.de/doc/btd/19/172/1917240.pdf, S. 5). Das GETZ wurde 2012 zur Bekämpfung von Rechtsterrorismus nach dem Auffliegen des „Nationalsozialistischen Untergrundes“ gegründet. Im Jahr 2019 stand Adbusting im Verfassungsschutzbericht (https://www.verfassungsschutz.de/embed/vsbericht-2018.pdf, S. 127). Das Bundesamt für Verfassungsschutz nannte Adbusting-Aktionen, die Polizei und Militär kritisieren, in einem Atemzug mit Angriffen auf Beamte. Auch der Militärische Abschirmdienst (MAD) sammelt Informationen zu linken Adbustings (https://dipbt.bundestag.de/doc/btd/19/172/1917240.pdf, S. 7f), weil es seine Aufgabe sei, „die Sicherheit der Liegenschaften der Bundeswehr und ihrer Verbündeten zu gewährleisten.“
Fingerabdrücke und DNA-Spuren
Die Polizeien von Berlin, Bayern und Thüringen ließen gefundene Poster auf Fingerabdrücke und DNA-Spuren untersuchen. Dies ist nur bei „erheblichen“ Straftaten erlaubt. Die Verfahren zu Adbusting mit Werbevitrinen endeten bisher mit Einstellungen wegen Geringfügikeit. Der erste und bis jetzt größte Fall vor Gericht im Oktober 2019 wurde eingestellt (https://taz.de/Repression-gegen-Adbusting/!5693667/). Die Staatsanwaltschaften von Berlin, Erfurt und Hamburg stellten Adbusting ein, weil sie keine Strafbarkeit erkennen konnten.
Kritik aus der Politik
Ulla Jelpke, Abgeordnete der Linken im Bundestag unterstützt das Anliegen: „Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Sicherheitsbehörden womöglich deswegen gleich ‚Gewalt‘ und ‚Extremismus‘ rufen, weil die Plakatkünstler mit ihrer Kritik an Gewalt durch Polizei und Militär durchaus ins Schwarze getroffen haben. Getroffene Hunde bellen.“ (https://www.ulla-jelpke.de/2020/02/diskreditierung-kritischer-plakatkunst-durch-geheimdienst-ist-unverhaeltnismaessig/). Auch Anne Helm, Linksfraktion im Abgeordnetenhaus Berlin, sagt: „Adbusting ist kein Terrorismus.“
Landgericht lehnte eine Beschwerde ab
Frida hatte bereits eine Beschwerde beim Landesgericht eingereicht. Diese wurde abgelehnt. Klaus Poster von der Soligruppe plakativ dazu: „Sogar das Landesgericht muss anerkennen, dass Adbusting keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder sonst irgendwen bedeutet und in diesem Sinne eine ‚unerhebliche Straftat‘ sei.“ Doch weil LKA und Staatsanwaltschaft keinen ausreichenden Tatverdacht hatten, sagt das Landgericht, sie hätten durchsuchen müssen, um zu gucken, ob sie nicht doch einen Tatverdacht hätten finden können. Deshalb sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vorliegend „noch“ gewahrt gewesen. „Wer das jetzt gaga findet, hat es begriffen“ erläutert Klaus Poster.
Mehr Informationen zur abgelehnten Beschwerde:
https://plakativ.blackblogs.org/2020/09/11/hausdurchsuchungen-wegen-adbustings-berliner-lka-wiegt-sich-noch-in-sicherheit/
Solidarität aus der Kommunikationsguerilla
Mit Frida solidarisierten sich Adbusting-Gruppen. In Berlin hängte die Gruppe 110% subversiv gestern verbesserte Polizeiposter in Werbevitrinen. Statt „Wir schützen auch das Recht gegen uns zu sein“ hieß es auf den Postern „Wir scheißen auf das Recht gegen uns zu sein.“ Subversica Meyer, die Sprecher*in der Gruppe 110% subversiv sagte: „Außerdem sendet 110% subversiv mit ihrer Adbusting-Aktion Probs und viel Kraft an die Genossin*innen von der anarchistischen Bibliothek Kalabalik. Und an Frida, die gerade vor dem Bundesverfassungsgericht gegen eine Hausdurchsuchung wegen Adbusting klagt. Denn wir wissen ja alle: Ob friedlich oder militant – Wichtig ist der Widerstand!“
Mehr Infos und Bilder der Aktion in Berlin:
https://de.indymedia.org/node/106642
Mehr Infos:
StA Berlin: Adbusting straffrei, wenn man eigene Poster mitbringt:
Ein Plakat, drei Hausdurchsuchungen und eine Beschwerde
Im Mai 2019 wurden zwei Aktivist*innen von einer Zivilstreife beim Aufhängen eines inhaltlich korrigierten Bundeswehrplakats beobachtet. Statt „Geht Dienst an der Waffe auch ohne Waffe?“ stand dort „Kein Dienst an der Waffe geht ohne Waffe!“. Die Polizist*innen nahmen prompt die Personalien auf und beschlagnahmten das Plakat. Im September selben Jahres durchsuchte das Berliner LKA dann die Wohnungen der Aktivist*innen und ihrer Eltern – insgesamt wurden drei Objekte durchsucht. Im Dezember endete das Verfahren schließlich mit einer Einstellung wegen Geringfügigkeit. „Weil unsere Grundrechte mit den Hausdurchsuchungen verletzt wurden, habe ich danach mit der Soligruppe plakativ Beschwerde beim Landgericht Berlin eingelegt“, erklärt Frida Henkel, eine der Aktivist*innen. „Doch diese wurde als unbegründet verworfen. Etwas Papier, Kleister und die eigentlich selbstredende Aussage ‚Kein Dienst an der Waffe geht ohne Waffe‘ reichen für Polizei und Landgericht also aus, um derart massiv in unsere Privatleben einzudringen!“
Hausdurchsuchungen seien (noch) verhältnismäßig
Die Deklaration der Verhältnismäßigkeit im Beschluss des Landgerichts ist mehrdeutig: „Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit war vorliegend (noch) gewahrt.“ Doch das ’noch‘ lässt sich hier unterschiedlich interpretieren, die Soligruppe plakativ ist auf diese drei Möglichkeiten gekommen:
Hausdurchsuchung? Wenn’s weiter nix is.
Es lassen sich jeweils Belege für die Deutungen anführen. Der erste Ansatz wird durch folgendes Zitat aus der Entscheidung untermauert: „Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, da die formell- und materiellrechtlichen Voraussetzungen für eine Durchsuchung gemäß §§ 102, 105 StPO (noch) vorlagen.“ Das soll wohl soviel heißen, als dass es für die Durchsuchung zu Recht die Erwartung gegeben habe, weitere Beweismittel zur „Untermauerung des Tatverdachts“ zu finden und dass ferner ein richterlicher Beschluss vorgelegen habe. „Die Durchsuchung war auch erforderlich, da kein gleich wirksames milderes Mittel zur Verfügung stand. Weitere (grundrechtsschonendere) Ermittlungsansätze waren nicht ersichtlich.“
Schweinsgalopp durch Zeit- und Möglichkeitsformen
Für die zweite Lesart findet sich folgender Beleg: „Zum Zeitpunkt des Erlasses des Durchsuchungsbeschlusses lag kein hinreichender Tatverdacht bezüglich Sachbeschädigung und versuchtem Diebstahl vor. Dieser hätte ggf. erst durch Erkenntnisse aufgrund der Durchsuchung aufgenommen werden können. Nachdem die damaligen Beschuldigten von zwei Polizeibeamten beobachtet worden waren, stand die Anordnung der Durchsuchung auch in einem angemessenen Verhältnis zur Stärke des bestehenden Tatverdachts.“ Mit einer Auslassung offenbart sich die Widersprüchlichkeit der Argumentation: „Zum Zeitpunkt des Erlasses lag kein hinreichender Tatverdacht vor […]. […] [D]ie Anordnung [stand] in einem angemessenen Verhältnis zur Stärke des bestehenden Tatverdachts.“ Nochmal in eigenen Worten: Weil LKA und Staatsanwaltschaft keinen ausreichenden Tatverdacht hatten, mussten sie durchsuchen, um zu gucken, ob sie nicht doch einen Tatverdacht hätten haben sollen.
Offensichtlich unerheblich
Das Landgericht geht (noch) weiter: „Schließlich waren die Durchsuchungsanordnungen zum Zeitpunkt ihres Erlasses auch im Hinblick auf die Schwere der Straftat und der zu erwartenden Strafe (noch) angemessen im engeren Sinne. […] Die Kammer verkennt auch nicht, dass es sich bei den Straftaten nicht um solche von erheblicher Bedeutung handelt.“ Hier darf jetzt eigentlich gejubelt werden, die doppelte Verneinung heißt: Adbusting ist eine minderschwere Straftat. Dann schränken die Richter*innen allerdings ein: „Jedoch sind auch diese Straftaten mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafen bis zu zwei bzw. fünf Jahren bedroht und von den Ermittlungsbehörden mit den zur Verfügung stehenden Mitteln aufzuklären. […] Dies steht auch nicht im Widerspruch zu der späteren Einstellung wegen Geringfügigkeit, da diese erst erfolgte, nachdem alle Ermittlungsansätze ausgeschöpft waren.“
Schlingerkurs
Klaus Poster von der Soligruppe plakativ kommentiert: „Man erkennt, wie schwierig die Argumentation für das Landgericht ist. Einerseits müssen sie anerkennen, dass Adbusting keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder sonst irgendwen bedeutet und in diesem Sinne eine ‚unerhebliche Straftat‘ ist. Andererseits greift die Aktionsform die öffentliche Wahrnehmung der kritisierten Institutionen an und nimmt ihnen ein Stück Deutungshoheit. Deswegen besteht ein politisches Interesse an der Verfolgung der Aktivist*innen. Um dabei die Rechtsstaatlichkeit zu bewahren, muss argumentiert werden, dass Adbusting eben doch prinzipiell ein gefährliches und demnach mit harten Mitteln zu verfolgendes Verbrechen ist.“
Professoren legen Verfassungsbeschwerde ein
Rechtswissenschaftler*innen sind von dieser Argumentation genauso wenig überzeugt wie Klaus Poster. So schrieb Andreas Fischer-Lescano (Universität Bremen) auf Verfassungsblog.de: „Das Vorgehen gegen spezifische Meinungsinhalte wird von Art. 5 GG grundsätzlich untersagt. Es wird Zeit, dass die deutschen Sicherheitsbehörden diesen Grundsatz auch dann beherzigen, wenn es um Adbusting geht, das sich kritisch mit ihren Praxen und Imagekampagnen auseinandersetzt.“ Mohammad El-Ghazi (Universität Trier) schließt sich Lescanos Meinung an. Deswegen unterstützen die beiden eine Verfassungsbeschwerde gegen die durchgeführten Hausdurchsuchungen, über die dann am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschieden werden muss.
Nächster Halt: Karlsruhe
Falls das ominöse ‚(noch)‘ der Richter*innen also bedeutet, dass sich das Landgericht Berlin eine Entscheidung über die Sache in höherer Instanz wünscht: Darum kümmern sich jetzt die Soligruppe plakativ und die zwei Rechtswissenschaftler.
]]>Große Überraschung anlässlich der heutigen Veröffentlichung des sogenannten „Bundesverfassungsschutzberichtes“ durch Heimatminister Horst Seehofer. Die Aktionsform des Adbustings wird in dem geheimdienstlichen Machwerk mit keinen Wort erwähnt. Im letzten Jahr war das anders. Laut des Geheimdienstes waren damals von Linken veränderte Werbeplakate eine zentrale Bedrohung für die Demokratie und das Terrorabwehrzentrum GETZ beschäftigte sich viermal mit Adbusting. Im aktuellen Bericht ist davon nichts mehr zu hören. „Kein Wunder“ sagt Klaus Poster, Sprecher*in der Soligruppe plakativ: „Geheimdienstliche Hetze ist ein stumpfes Schwert gegen Kommunikationsguerilla.“ Die Nennung im Bericht habe den Adbusting-Aktionen mehr Aufmerksamkeit als je zuvor gegeben. „ Das hat viele Kollektive angestachelt, sich ebenfalls mit einer Aktion für einen prestigeträchtigen Platz auf dieser „most-wanted-Liste“ zu bewerben.“
Mehr Adbusting als je zuvor
Neben den kritischen Nachfragen von Abgeordnet*innen und Medien dürfte den Geheimen aber auch aufgefallen sein, dass ihre Kriminalisierungsstrategie kontraproduktiv ist. Die Repression war nicht nur wirkungslos. Im Gegenteil: „Es gibt mehr Adbusting-Aktionen als in den letzten 10 Jahren jemals zuvor“ sagt Klaus Poster. „Und gerade der Geheimdienst ist in 2020 ein beliebtes Ziel der Kommunikationsguerilla geworden“.
Adbusting mit dem Verfassungsschutz
Highlights, die die Geheimen nicht gefreut haben dürften, sind z.B. eine großangelegte Adbusting-Aktionsserie zum Polizeikongress 2020 im Februar. Zu diesem Termin begrüßte eine gefälschte Personalwerbekampagne die für den Kongress in die Hauptstadt gereisten Agent*innen.
https://taz.de/Fake-Verfassungsschutz-Plakate-in-Berlin/!5662099/
Im März kritisierten Adbustings direkt neben der Wache des Innenministeriums die Verfolgung von Adbusting und die Politik der Behörde.
https://blogs.taz.de/streetart/2020/03/11/gegen-geheimdienst-und-rassismus/
Im Mai klärten Adbustings im Regierungsviertel die Passant*innen über die mangelnde Geheimdienstkontrolle am Beispiel Adbusting und Kleine Anfragen auf:
https://www.jungewelt.de/artikel/379763.adbusting-in-berlin-geheimdienste-haben-daran-keinen-spa%C3%9F.html
Zum ersten Versuch der Vorstellung des VS-Berichts traf es die Geheimdienstkaserne in Berlin Treptow. Die dort stationierten Agent*innen und Spitzel mussten sich Kritik auf Werbeplakaten direkt dem Haupteingang gefallen lassen.
https://emrawi.org/?Adbusting-zur-Vorstellung-des-Verfassungsschutzberichts-973
Noch mehr Adbusting-Aktionen mit dem Geheimdienst:
https://emrawi.org/?Adbusting-mit-dem-Verfassungsschutzbericht-1012
Großes Medieninteresse
Doch damit nicht genug: „Erst die Repression hat ein großes Medieninteresse geweckt. Und mit jedem Bericht über die Repressionen wurden die Bilder der Poster, die Polizei und Militär lächerlich machen, einem noch größerem Publikum zugänglich“ analysiert Klaus Poster.
Geheimdienste machen sich selbst lächerlich
Darüber hinaus mache die ganze Adbusting-Affäre der Öffentlichkeit deutlich, wie blind Behörden auf dem rechten Auge seien, die lieber linke Adbustings verfolgen, als sich kritisch mit institutionellem Rassismus oder Nazis in ihren eigenen Reihen auseinander zu setzen. „Das delegitimiert die Polizeibehörden in der Öffentlichkeit auf eine Art und Weise, wie es Adbusting und Kommunikationsguerilla ohne die tatkräftige Hilfe des Geheimdienstes und seines lächerlichen Berichtes nie könnten.“
Adbustings diskreditieren Polizeibehörden
2018/19 sah die Welt für Adbuster*innen noch recht bitter aus. Der Geheimdienst „Bundesamt für Verfassungsschutz, der selten in der Lage ist, Nazis oder Rassist*innen in den Sicherheitsbehörden zu erkennen, behaupteten, folgendes heraus gefunden zu haben: „Neben physischen Angriffen auf Polizeikräfte versuchen Linksextremisten gezielt, die Polizeibehörden allgemein in der Öffentlichkeit zu diskreditieren. Dazu bedienen sie sich neben den klassischen Verbreitungsformen wie Printmedien auch der Aktionsform des „Adbustings“ (Bundesverfassungsschutzbericht 2018, S. 127).
Werbeplakate verfremden
Das BfV glaubte sogar zu wissen, wie Adbusting funktioniert: „Dabei verfremden Linksextremisten Werbeplakate der Polizei und anderer Sicherheitsbehörden im öffentlichen Raum, indem sie diese mit Parolen versehen, welche Polizeibeamte oder Angehörige der Sicherheitsbehörden als Verbrecher oder die Polizei als Instrument eines willkürlich agierenden Unrechtsregimes darstellen. So wurden im Vorfeld des am 6. und 7. Februar 2018 in Berlin veranstalteten Europäischen Polizeikongresses Werbeplakate der Berliner Polizei so verfremdet, dass damit der Polizei willkürliche Gewaltausübung, „institutioneller Rassismus“ und die Absicherung bestehender „Ausbeutungsverhältnisse“ unterstellt wurden“ (ebenda).
Viermal Thema im Terrorabwehrzentrum
Die Folgen der geheimdienstlichen Hetze ließen nicht lange auf sich warten. Derart angestachelt waren die bundesweiten Repressionsbehörden sich nicht zu doof, in 2018/19 sogar im 2012 angeblich u.a. gegen institutionellen Rassismus eingerichteten „Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum von Bund und Ländern (GETZ)“ in Adbusting gleich viermal zu thematisieren.
Zum Vergleich: Die im letzten Jahr verbotene nationalsozialistische Terrorgruppe „Wolfsbrigade, gegen die die Bundesstaatsanwaltschaft ermittelt, bringt es laut einer parlamentarischen Anfrage auf gerade mal sechs Erwähnungen.
Hausdurchsuchungen und DNA, weil es die Bundeswehr „lächerlich“ macht
Und auch auf lokaler Ebene gings ab. Seit 2017 veranstaltete das Berliner LKA mindestens fünf Hausdurchsuchungen wegen Adbusting. Akten aus 2019 zeigen, dass das LKA bei Adbusting wie selbstverständlich DNA-Spuren sammelt, obwohl dies eigentlich nur bei „erheblichen Straftaten“ vorgesehen ist. Begründung für all diese Maßnahmen: Adbusting mache die Bundeswehr „gar lächerlich“.
Verfolgung der Meinung
Die Gerichte und Staatsanwaltschaften ließen diesen zustimmungspflichtigen Maßnahmen durchsegeln, obwohl diese explizit politisch begründet waren und sich gegen Meinungsäußerungen richteten („macht die Bundeswehr lächerlich“). Das zeigt, wie wenig rechtsstaatliche Begründungen die Verunsicherungsbehörden liefern müssen, wenn sich erst einmal herum gesprochen hat, dass bestimmte Aktionsformen vom Geheimdienst für genauso schlimm wie Terror gehalten werden.
HH: Polizei bewacht Werbeplakate im Hbf
Auch in anderen Bundesländern gingen Polizei und Staatsschutz gegen die Werbeplakate verbessernde Kommunikationsguerilla vor. In Hamburg stellte der Staatsschutz während des G20-Gipfels Polizist*innen ab, um im Hauptbahnhof Terroranschläge mittels Adbusting zu verhindern. Als es dann doch zu Adbustings kam, wertete der Staatsschutz umfangreich Videoaufnahmen aus und überprüfte Menschen, die auf Social Media Bilder von Adbustings mit ihren Followern teilten:
http://maqui.blogsport.eu/2019/11/11/bedroht-kommunikationsguerilla-den-staat/
DNA-Abgabe wegen Höcke-Kritik
In Thüringens Landeshauptort Erfurt ärgerte sich die Polizei über Adbustings, die den Faschisten Bernd Höcke als „nationalistischen Rattenfänger“ bezeichneten. Sie nahmen DNA-Spuren von beschlagnahmten Postern und Mitarbeiter*innen der Werbefirma und ließen diese auswerten, obwohl die Staatsanwaltschaft dies verboten hatte. Aus dem bayrischen Bamberg ist ein weiterer Fall dokumentiert, bei dem die Polizei einen aufgefundenen Rohrsteckschlüssel auf DNA-Spuren untersuchen ließ:
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1128063.zentrum-fuer-politische-schoenheit-ermittlungen-die-es-nie-haette-geben-duerfen.html?sstr=haak
Soko in Dortmund
Nachdem in mehreren Städten Adbuster*innen die verlogene und heuchlerische Politik der SPD gegenüber Refugees thematisierten, gründete die nordrhein-westfälische Polizei eine Sonderkommission gegen Adbusting in Dortmund. Und auch die Hildesheimer Polizei fandet nach Adbuster*innen. Besonders besorgniserregend ist in den Augen der Cops, dass diese bei der Begehung der Taten vermutlich Warnwesten tragen…
https://www.freitag.de/autoren/lfb/wir-zuerst-spd
Gegenwind mit Öffentlichkeitsarbeit
Derweil gibt es auch Gegenwind für die Verunsicherungsbehörden. Angesichts eines bevorstehenden Gerichtsverfahren wegen Adbusting gründete sich um den Betroffenen die Soligruppe plakativ. In dieser Soligruppe versammelten sich größtenteils Menschen aus dem Umfeld der Betroffenen, die das unverhältnismäßige Vorgehen der Behörden nicht einfach hinnehmen wollten. Anlässlich des Gerichtsprozesses versuchten sie, mittels Öffentlichkeitsarbeit Medien für das skandalöse Vorgehen der Behörden zu sensibilisieren.
Parlamentarische Anfragen
Außerdem dazu kontaktierten sie Abgeordnete. Diese starteten parlamentarische Anfragen. Dadurch wurden noch mehr Informationen öffentlich. Parallel dazu versuchte die Soligruppe plakativ Kontakt zu anderen Betroffenen aufzubauen, um diese zu unterstützen. Zentral war dabei die Vermittlung des Wissens, wie man an die Verfahrensakte kommt und der Aufbau des Kontaktes zu Anwält*innen.
Juristisches Gutachten
Angeregt von der Soligruppe plakativ fertigten die Bremer Staats- und Verfassungsrechtler*innen Pr.of. Dr. Andreas Fischer-Lescano und Andreas Guthmann ein Gutachten zur Verfolgung von Adbusting:
https://verfassungsblog.de/adbusting-unbequem-aber-grundrechtlich-geschuetzt/
Das Resümee der Jurist*innen: „Auch unbequemes Adbusting ist grundrechtlich geschützt“. Dies gelte auch für eine Aufnahme in den Verfassungsschutzbericht, dessen Eingriffscharakter das BVerfG mit verallgemeinerungsfähigen Erwägungen in Bezug auf die Pressefreiheit betone. Dabei würden die Sicherheitsbehörden offenbar gerade durch den Inhalt der durch die Adbustings geäußerten Meinung getriggert: „Warum sonst sollte das BfV Adbustings, die sich etwa kritisch mit Polizeigewalt befassen, pauschal dem gewaltorientierten Linksextremismus zuordnen? (..) Das Vorgehen gegen spezifische Meinungsinhalte wird von Art. 5 GG grundsätzlich untersagt. Es wird Zeit, dass die deutschen Sicherheitsbehörden diesen Grundsatz auch dann beherzigen, wenn es um Adbusting geht, das sich kritisch mit ihren Praxen und Imagekampagnen auseinandersetzt.“
Gerichtsprozess in Berlin
Im Oktober 2019 stand in Berlin die erste Adbuster*in vor Gericht. Das LKA hatte sich ausgedacht, dass Adbusting mit Werbevitrinen den Straftatbestand des „Schweren Diebstahls“ erfüllen täte. Trotz fast dreistündiger Verhandlung konnten die Cops leider nicht darlegen, warum die Vitrinen „besonders gesichert“ seien, wenn man sie doch mit Rohrsteckschlüsseln aus dem Baumarkt öffnen könne. Und auch, warum billig gedruckte Einwegposter aus Papier einen „nicht geringfügigen Wert“ darstellen sollen konnten die Cops nicht erklären. Die Verhandlung endete mit einer Verfahrenseinstellung. Angesicht der dank der Öffentlichkeitsarbeit der Soligruppe breit vertretenden Hauptstadtpresse gab die verurteilungswillig wirkende Richter*in dem Angeklagten ein entnervtes Statement mit auf den Weg: „Wenn ich Ihnen einen Tipp geben darf: Wenn man schon Plakate austauscht, dann nimmt man die Originale nicht mit!“
StA Berlin: Nicht strafbar, wenn man eigene Poster mitbringt
Diese Rechtsauffassung scheint sich mittlerweile am Kriminalgericht Moabit durchzusetzen. Am 1. Mai 2020 wurde in Berlin eine Person mit eigenem Poster an einer geöffneten Vitrine von der Polizei umgerissen und sofort in Handschellen gelegt. Das Ansuchen des LKAs bei der Betroffenen* eine Hausdurchsuchung zu veranstalten und Kommunikationsmittel zur Ausforschung möglicher Mittäter*innen zu beschlagnahmen, lehnte die Staatsanwaltschaft ab (StA Berlin, 15.5.2020, 231 Js 1331/20). Begründung: „Eine Strafbarkeit wegen versuchten Diebstahls durch das Abhängen der ursprünglich im Schaukasten befestigten Plakate scheidet bereits aus, da die Plakate hinter dem Kasten versteckt aufgefunden wurden. Eine Zueignungsabsicht kann daher nicht festgestellt werden.“
Keine Sachbeschädigung
Auch eine Sachbeschädigung kann die Staatsanwaltschaft nicht erkennen: „Auch waren die ursprünglich befestigten Plakate noch intakt, sodass eine Sachbeschädigung allein im Sinne des Abs. 2 nicht in Betracht kommt. Dieser ist grundsätzlich weit gefasst, sodass es unter Umständen noch vom Tatbestand umfasst sein dürfte, dass die entfernten Plakate der optischen Wahrnehmbarkeit entzogen sind. Jedenfalls scheitert die Strafbarkeit jedoch daran, dass die Plakate kurzfristig und ohne großen Aufwand wieder in dem Kasten hätten befestigt werden können, sodass es sich um eine unerhebliche Veränderung der Sache handelt.“
StA Berlin: Ohne weitere Ermittlungen einzustellen
Doch die Hausdurchsuchungs- und DNA-geile Staatsschutzabteilung 521 bekommt noch einen Seitenhieb ab: „Das Verfahren gegen den Beschuldigten war daher ohne weitere Ermittlungen einzustellen.“ Damit erteilt die Staatsanwaltschaft dem LKA eine klare Grenze. Sie lehnt den Antrag auf Hausdurchsuchung ab und verbietet die Entnahme von DNA-Proben. Ob sich das LKA daran hält, wird die Zukunft zeigen.
Kein Schwerer Diebstahl
Auch die Kriminalisierung mittels des Vorwurfes des „Schweren Diebstahls“ halten Gutmann und Fischer-Lescano für „hanebüchen“. Zwar entstünde an den Plakaten (wenn überhaupt) ein geringer Sachschaden. Dass „unbewusst-bewusst“ die Unverhältnismäßigkeit in Kauf genommen werde, zeige schon ein Blick in die in Rede stehende Verfahrensakte: „Besonders schwerer Fall des Diebstahls strafbar gem. §243 II StGB“ wird dort das Delikt genannt (…) doch der hier fälschlich (Freud?) genannte § 243 Abs. 2 StGB bedeutet gerade das Gegenteil von einem Ermittlungsanlass wegen eines „besonders schweren Falls des Diebstahls“. Gerade die vom LKA in der Akte zitierte Norm ordne an, dass ein besonders schwerer Fall entfalle, wenn wie im Fall der vermeintlich entwendeten Plakate, die gestohlene Sache geringwertig sei.
Strafverfahren versanden
Damit hat sich die Situation für Adbuster*innen seit 2018/19 deutlich verbessert. Die bundesweiten Repressionsversuche gegen die Plakate verändernde Kommunikationsguerilla sind in der Regel versandet. Aus Thüringen und Berlin gibt es staatsanwaltschaftliche Einstellungsbeschlüsse, die keine Strafbarkeit feststellen können, wenn Adbuster*innen ihre eigenen Poster in Werbevitrinen hängen. „Geheime hassen Öffentlichkeit und kritische Fragen“ erläutert das Klaus Poster. „Das macht sie nervös. Die sind gewohnt, dass sie sich mit „alles geheim“ aus jeder Affäre ziehen können.“
Am Donnerstag, den 9. Juli 2020 werden Heimatschutzminister Seehofer und Geheimdienstchef Haldenwang den sogenannten „Verfassungsschutzbericht 2019“ der Öffentlichkeit präsentieren. Im letzten Verfassungsbericht hatte der Geheimdienst die Aktionsform des Adbustings mit einer halben Seite und einem schönen Farbfoto geehrt. Dafür revanchierte die Kommunikationsguerilla-Szene sich bundesweit mit vielen Adbusting-Aktionen.
Gefälschte Personalwerbung zum Polizeikongress
Bereits im Februar erlebten die aus Köln zum Polizeikongress in der Hauptstadt gereisten Geheimdienst-Schergen eine böse Überraschung. Zur Begrüßung in der Hauptstadt spendierte eine Kommunikationsguerilla eine Serie gefälschter Personalwerbe-Poster für das „Bundesamt für Verfassungsschutz“ , die quer durch die Stadt hingen. So fand sich z.B. vor dem Bundestag ein Poster mit folgender Aufschrift: „Willkürliche Gewalt schützen? Bewirb Dich beim Verfassungsschutz: Um Ausbeutung und Ungerechtigkeit zu erhalten, tun wir alles: Spitzeln, Einschüchtern, Hetzen, beim Töten zusehen.“
https://taz.de/Fake-Verfassungsschutz-Plakate-in-Berlin/!5662099/
Weitere Poster warben ähnlich. „Rassismus schützen? Bewirb Dich beim Verfassungsschutz: Unsere Behörde wurde von Alt-Nazis gegründet. Diese autoritäre, rassistische und sexistische Kultur pflegen wir bis heute“ und „Bock auf Männerbund? Bewirb Dich beim Verfassungsschutz: Leute bespitzeln, in Privatem von Anderen nach Belieben rumschnüffeln, staatliche Gewalt legitimieren.“ Neben der taz, der Jungen Welt und der Berliner Zeitung berichtete auch das Boulevardblatt Berliner Kurier überraschend positiv über die Aktion. Ein Auswertung der Aktion einschließlich Pressespiegel:
https://de.indymedia.org/node/66315
Adbusting in der U-Bahn
Besonders perfide: Die Gestaltung der Poster lehnte sich an echte Personalwerbung des Geheimdienstes an, die zeitgleich in den Fahrzeugen der BVG hing. Der originale Slogan lautete: „Im Verborgenen Gutes tun!“ Sehr häufig konnte man sehen, dass dies mit Stift um den Satz „Komm zur Antifa“ ergänzt wurde. Unbekannte änderten auch häufig das Wort „Gutes tun“ in Verbindung mit dem VS in „Schlechtes tun“ um. Beliebt waren auch Aufkleber, die den Slogan in „ImVerborgenen Nazis unterstützen“ oder „Im Verborgenen NSU unterstützen“ umwandelten. Dabei ging es teilweise durchaus staatstragend zu, wenn es „Im Verborgenen Persönlichkeits- & Grundrechte missachten“ hieß. Mehr Bilder:
https://de.indymedia.org/node/55243
Adbustings am Innenministerium
Praktischerweise hängt auch direkt neben dem Wachhaus von Horst Seehofers Heimatministerium Plakatwände. Hier funktionierten Adbuster*innen Werbung für Hörbücher über ein rebellisches Känguru um. Statt dem Slogan eines Hörbuchvertriebs lautete der neue Slogan: „Mit dem Känguru Zähne putzen, zur Arbeit gehen, den Haushalt schmeißen, an der Spree spazieren, einschlafen. Lustige Adbustings für jeden Geheimdienst.“ Umso deutlich ist der Warnhinweis, den die Kommunikationsgerilla zusätzlich anbrachte: „Statt Nazis zu jagen, verfolgen die Behörden im Terror-Abwehrzentrum linke Adbustings“.
Ein Plakat einer Krankenversicherung diente als Vorlage für weitere Kritik an Horst und seinem Heimatmuseum: „Für unsere Gesundheit und die aller anderen: Grenzen öffnen. Abschiebungen stoppen. Polizeigewalt ächten. Adbustings statt Innenpolitik!“
https://blogs.taz.de/streetart/2020/03/11/gegen-geheimdienst-und-rassismus/
GTA-Adbustings in Kassel
Die Künstler*innen-Gruppe „Dies Irae“ knüpfte sich ebenfalls den Verfassungsschutz vor. Dazu nutze sie Poster, die das Computerspiel „GTA“ mit einem harten Typen voller toxischer Männlichkeit und Knarre bewarben. Zu diesem Bild eines schießwütigen Trottels montierten sie die Frage „Was will man schon von einer Behörde erwarten, die von Nazis gegründet, dem NSU Waffen finanzierte und zuletzt von einem AfD-Symphatisanten geführt wurde?“ Dieses hängten sie in Kassel am Halitplatz auf:
https://business.facebook.com/nervtjeden/posts/1336817383170064?__tn__=-R
Intervention in Bayern
Die Gruppe versuchte außerdem in einen lokalen Konflikt in Bayern hinein zu intervenieren. Der dortige Geheimdienst sabotierte die Kandidatur des linken Stadtrats Stephan Kettner, weil dieser in der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/ Bund der Antifaschist*innen (VVN-BdA) Mitglied ist. Deshalb kaperte „Dies Irae“ mehrere Vitrinen in der Stadt.
https://zh-cn.facebook.com/nervtjeden/photos/pcb.1293800547471748/1293799700805166/?type=3&theater
Statistik in Leipzig
Auch in Leipzig wurden Adbuster*innen aktiv. Die dortige Filiale der Kommunikationsguerilla verwandelte ein komplettes Megalight. Statt Werbung zeigten sie Zahlen aus dem VS-Bericht. Selbst die Statistiken der selbst latent rechts drehenden Geheimen zeigen, wie viel gewalttätig Nazis zur Zeit sind.
https://twitter.com/x_xjochen/status/1230768615927861250/photo/1
Politische Bildung mit Adbusting
Im Berliner Regierungsviertel probierten sich Adbuster*innen derweil an politischer Bildung. Auf den pink gerahmten Postern ist groß zu lesen: „Geheimdienste kontrollieren?“ Dann folgt eine parlamentarische Anfrage: „22. Welche vier Adbusting wurden 2018/19 im Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum (GETZ) besprochen?“ Die Antwort lautet: „Die Bundesregierung ist nach sorgfältiger Abwägung zu der Auffassung gelangt, dass eine weitergehende Beantwortung der Frage nicht erfolgen kann (…). Die Information, über welche vier Adbustings wir uns im GETZ geärgert haben, berühren derart schutzbedürftige Geheimhaltungsinteressen, dass der Schutz des Staatswohl dem parlamentarischen Informationsrecht überwiegt. Dies könnte einen Nachteil für die die Interessen der Bundesrepublik Deutschland (…) bedeuten.“ Das Resümee des Adbustings: „Verfassungsschutz lösch dich.“
https://de.indymedia.org/node/85508
Adbustings an der Geheimdienst-Kaserne
Zum verpatzten ersten Versuch der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2019 beehrte die Kommunikationsguerilla-Szene die Geheimdienst-Kaserne am Treptower Park mit Adbustings. Hier hat neben dem BKA und dem BfV das GTAZ seinen Sitz. Das Logo der Feuersozietät tauschten die Adbuster*innen gegen Logos des Geheimdienst und ergänzten es um den Buchstaben M. Nun lautete der Behördenname zutreffenderweise „Verfassungsschmutz.“ Den Slogan änderten die Adbuster*innen von „Wir sind da, wenn es um ihre Vorsorge geht“ in „Wir sind da, wenn es um Repression geht“ um. Den abgebildeten Personen legt das BfV mittels Sprechblasen einen neuen Slogan in den Mund: „Wir fördern Rassismus und Naziterror. Und alle glauben, wir sind die Guten.“ Dazu gibt es den Warnhinweis „Geheimdienste sind nicht reformierbar. Verfassungsschutz abschafften.“
Ein zweites Poster hat den neuen Slogan „Wir sind da, wenn es um Überwachung geht.“ Das dort abgebildete Pärchen sagt „Yeah, statt was gegen Rassismus zu tun, überwachen wir Adbusting“ in den Mund. Der Warnhinweis lautet ebenfalls „Geheimdienste sind nicht reformierbar. Verfassungsschutz abschafften.“
https://de.indymedia.org/node/90551
Mit Schere und Papier in den VS-Bericht?
Doch womit gelang es dem Geheimdienst, die Kommunikationsguerilla derart zu provozieren? Stein des Anstoßes ist die Seite 127 im Verfassungsschutzbericht 2018. Diese Seite zeigt ein Bild eines Adbustings. Es handelt sich um ein verändertes Propaganda-Plakat der Berliner Polizei. Der originale Slogan lautete: „Da für 5003 Demonstrationen pro Jahr und die Freiheit der Meinung. Da für Berlin.“ Anlässlich des sogenannten „Polizeikongress“ 2018 änderten Unbekannte die Aufschrift in „Da für 5003 Schlagstockeinsätze und die beste G20-Party. Da für Gewalt.“
Genauso schlimm wie physische Angriffe?
Für die Autor*innen des Geheimdienst-Berichtes ist klar: Das ist so schlimm wie Angriffe auf Beamte: „Neben physischen Angriffen auf Polizeikräfte versuchen Linksextremisten gezielt, die Polizeibehörden allgemein in der Öffentlichkeit zu diskreditieren. Dazu bedienen sie sich (…) auch der Aktionsform des „Adbustings“. Dabei verfremden Linksextremisten Weerbeplakate der Polizei und anderer Sicherheitsbehörden im öffentlichen Raum, indem sie diese mit Parolen versehen, welche Polizeibeamte oder Angehörige der Sicherheitsbehörden als Verbrecher oder die Polizei als Instrument eines willkürlich agierenden Unrechtsregime darstellen. So wurden im Vorfeld des (…) Polizeikongresses Werbeplakate der Berliner Polizei so verfremdet, dass damit der Polizei willkürliche Gewaltausübung, „institutioneller Rassismus“ und die Absicherung bestehender „Ausbeutungsverhältnisse“ unterstellt wurden.“
Kleine Anfrage im Bundestag
„Mit der Einstufung von Adbusting in den Bereich des ‚gewaltorientierten Linksextremismus‘ macht sich der Verfassungsschutz wieder einmal absolut lächerlich – und die Bundesregierung gleich mit“, kommentiert die innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Ulla Jelpke. Deshalb konfrontierte sie die Regierung mit einer Kleinen Anfrage. In der Antwort rechtfertigt Horst Seehofers Heimatmuseum äh Ministerium den Quatsch: „Das BfV nennt eine konkrete Aktion in zeitlichem Zusammenhang zum im Februar 2018 in Berlin stattgefundenen Polizeikongress als Beispiel für die Versuche von Linksextremisten, Vertreter des Staates zu diskreditieren. Die Urheberschaft von Linksextremisten ergibt sich aus einer begleitenden Veröffentlichung auf dem Internetportal de.indymedia.org vom 6. Februar 2018 (…). Darin heißt es verallgemeinernd und über eine sachliche Kritik deutlich hinausgehend: „In unserer Gesellschaft steht Polizei für Gewaltausübung und institutionellen Rassismus. Und wer ein Problem mit sexistischen Übergriffen hat, sollte sich gar nicht erst bewerben.“
Rassismus leugnen
Leider ist es ein Fakt, dass die deutsche Polizei ein krasses Problem mit Rassismus in ihren Reihen hat. Sogar die EU und die UNO sind dieser Meinung. Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz äußert sich in ihrem fünften Bericht über Deutschland (https://rm.coe.int/fifth-report-on-germany-german-translation-/16808b5682) besorgt über „diskriminierende Praktiken“ der deutschen Polizei bei anlasslosen Personenkontrollen, die durch ein fehlendes Verbot des „racial profiling“befördert würden. Weiter heißt es in dem Bericht wörtlich: „Weitere Informationen legen nahe, dass rassistische Gedanken und Sympathien für rechtsextreme Organisationen bei der Polizei weit verbreitet sind.“ Der UN-Ausschuss gegen Rassismus zeigt sich im Staatenbericht 2015 ebenfalls „besorgt“ über die deutsche Gesetzgebung und polizeiliche Praxis solcher anlasslo-ser Kontrollen, die „de facto zu rassistischer Diskriminierung“ führten (CERD/C/DEU/CO/19-22).
Ist Polizeigewalt keine Gewalt?
Das deutsche Polizist*innen verprügeln können wen sie wollen, ohne Folgen fürchten müssen, zeigt die nicht vorhandene Aufarbeitung der massiven Polizeigewalt in Hamburg zum G20-Gipfel. Wenn es sich um von der Gesellschaft rassistisch diskriminierten Personen handelt, kann die Polizei in Dessau diese sogar erschlagen und anzünden ohne Konsequenzen fürchten zu müssen.
Was ist das GETZ?
Aber all dies leugnet man beim Geheimdienst und in Horst seinem Heimatmuseum. Dieses muss in der Kleinen Anfrage ebenfalls zugegen, dass sich das „Gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum von Bund und Ländern“ (GETZ) in 2018/19 gleich viermal mit linken Adbustings beschäftigt hat. Dabei wurde das GETZ in 2012 aufgebaut. Damit reagierten die Verunsicherungsbehörden auf die Kritik angesichts der Selbstenttarnung des „Nationalsozialistischen Untergrundes“, dass von diversen Behörden unterstützt und verschleiert wurde, während andere Ermittler*innen von rassistischen Projektionen ausgehend die Opfer schikanierten. Wie es gegen institutionellen Rassismus helfen soll, wenn man 40 rassistisch tickenden Behörden verlinkt, könnte damals schon niemand erklären. Und so ist es kein Wunder, wenn 40 autoritäre Charaktere statt Nazis zu jagen sich lieber über linke Adbustings ärgern.
„Kritische Adbustings sind grundrechtlich geschützt“
Das sieht auch der Bremer Staats- und Verfassungsrechtler Andreas Fischer-Lescano so: „Insgesamt entsteht gerade vor dem Hintergrund des in aller Regel geringen Sachschadens durch Adbusting der Verdacht, dass der Ermittlungseifer vom Inhalt der Adbustings befeuert wird – gerade wenn diese sich kritisch mit Polizei, Geheimdiensten und Bundeswehr auseinandersetzen. (…) Dabei werden die Sicherheitsbehörden offenbar gerade durch den Inhalt der durch die Adbustings geäußerten Meinung getriggert. Warum sonst sollte das BfV Adbustings, die sich etwa kritisch mit Polizeigewalt befassen, pauschal dem gewaltorientierten Linksextremismus zuordnen? Und auch die Antwort der Bundesregierung anlässlich einer Kleinen Anfrage im Bundestag macht keinen Hehl daraus, dass zwischen Staatskritik und Linksterrorismus eine Art Wahlverwandtschaft bestehen soll. (…) Unbequemes Adbusting ist grundrechtlich geschützt. (…) Es wird Zeit, dass die deutschen Sicherheitsbehörden diesen Grundsatz auch dann beherzigen, wenn es um Adbusting geht, das sich kritisch mit ihren Praxen und Imagekampagnen auseinandersetzt.“
Geheimdienstkontrolle?
Wie weit es derweil mit der so gerne behaupteten Geheimdienstkontrolle her ist, zeigte eine erneute Anfrage der Abgeordneten Jelpke. Sie wollte u.a. wissen, welche vier Adbustings Thema im GETZ waren. Die Antwort: „„Die Bundesregierung ist nach sorgfältiger Abwägung zu der Auffassung gelangt, dass eine weitergehende Beantwortung der Frage nicht erfolgen kann (…). Die Information (…) berühren derart schutzbedürftige Geheimhaltungsinteressen, dass der Schutz des Staatswohl dem parlamentarischen Informationsrecht überwiegt. Dies könnte einen Nachteil für die die Interessen der Bundesrepublik Deutschland (…) bedeuten.“ Es ist zwar völlig absurd, dass es die Sicherheit und die Interessen des Staates gefährden würde, aber da niemand weiter nachhakt, können sich die Geheimdienste mit dieser Floskel ganz easy jeder Kontrolle entziehen.
Geheimdienstverrat?
Diese Strategie scheitert regelmäßig nur an den eigenen Leuten. In diesem Fall gab zwei Wochen später der Berliner Innensenator Akmann zu, dass sein Landesgeheimdienst drei der vier Adbustings im GETZ thematisiert habe. Begründung: Diese hätten zu (legalen und angemeldeten) Demonstrationen mobilisiert (bei denen es nicht mal Krawall gab). Eine genaue Analyse und Bilder der drei Aktionen finden sich hier:
https://de.indymedia.org/node/89794
Bumerang für den Geheimdienst
Die Hetze gegen Adbustings dürfte sich für den Geheimdienst als Bumerang erwiesen haben. Erst durch das öffentliche Interesse der Geheimen bekamen viele Adbusting-Aktionen die Aufmerksamkeit, die ihnen gebürt. Und die prestigeträchtige Notierung im bundesweiten VS-Bericht scheint viele Kommunikationsguerilla-Kollektive erst motiviert zu haben, sich mit den Geheimdiensten auseinander zu setzen. Sowohl die öffentliche Kritik mit den Adbustings als auch die Anfragen von Medien zum Thema dürften den Geheimen viele Nerven gekostet haben. Wir dürfen also gespannt sein, wie viele Seiten der Geheimdienst dieses Jahr der Kommunikationsguerilla-Szene widmet.
Mehr Infos:
StA Berlin: Adbusting straffrei, wenn man eigene Poster mitbringt:
https://de.indymedia.org/node/91134
Unbequemes Adbusting ist grundrechtlich geschützt:
https://verfassungsblog.de/adbusting-unbequem-aber-grundrechtlich-geschuetzt/
Wie gehen die Werbevitrinen auf?
http://maqui.blogsport.eu/2019/01/03/wie-oeffnet-man-werbevitrinen/
Poster selber machen?
https://de.indymedia.org/node/87378
Adbusting mit Papier und Kleister:
http://www.projektwerkstatt.de/media/text/kalender_2004_kal_kleben.pdf
Anleitung von Brandalism:
https://www.spellingmistakescostlives.com/blm?pgid=kbrw2rq4-da874062-856e-4da8-bd14-cd1d51658456
Das wird der Wall AG und dem Staatsschutz überhaupt nicht gefallen: Die Staatsanwaltschaft Berlin hat erneut ein Ermittlungsverfahren wegen Adbusting eingestellt. Eine Person war in der Walpurgisnacht beim Aufhängen selbst gemachter Poster, die den Reinickendorfer Bezirksbürgermeister Frank Balzer wegen der Ausrichtung des Tags der Bundeswehr kritisierten, verhaftet worden. Die überraschende Begründung der Verfahrenseinstellung: Das Aufhängen von eigenen Postern in Werbevitrinen ist nicht strafbar.
Was ist Adbusting?
Adbusting nennt sich eine Aktionsform, bei der Werbeplakate mittels Aufklebern verändert werden und so eine neue politische Aussage bekommen. Sehr häufig passiert dies bei Wahlen, gerne auch bei rassistischer Spendenwerbung. Auch sexistische Werbung wird gerne mittels Adbusting bis zur Kenntlichkeit entstellt. Seitdem staatliche Stellen wir Bundeswehr, Polizei und Geheimdienste Image- und Personalwerbung im öffentlichen Raum nötig haben, sind auch die Poster der staatlich bezahlten Gewalttäter*innen ein gern genutztes Ziel der Adbusting-Kommunikationsguerilla.
Hausdurchsuchung abgelehnt
Beim Verändern von Werbung kommt es immer wieder zu Festnahmen und Strafverfahren. In der Walpurgisnacht 2020 hatte eine „namenlose Bezugsgruppe“ versucht, in Tegel antimilitaristische Adbustings aufzuhängen. Dabei dieser Gruppe von der Polizei verhaftet. Wie aus der Akte zum Verfahren hervorgeht, versuchte daraufhin der wegen rechter Vorfälle berüchtigte LKA-Staatsschutz 521 einen Hausdurchsuchungsbeschluss zu erwirken. Die Staatsanwaltschaft lehnte dies jedoch ab (1).
StA: Eine Strafbarkeit wegen Diebstahls scheidet aus
In dem Beschluss vom 15.5.2020 schreibt die Staatsanwältin: „Eine Strafbarkeit wegen versuchten Diebstahls durch das Abhängen der ursprünglich im Schaukasten befestigten Plakate scheidet bereits aus, da die Plakate hinter dem Kasten versteckt aufgefunden wurden. Eine Zueignungsabsicht kann daher nicht festgestellt werden.“
StA: Sachbeschädigung kommt nicht in Betracht
Auch den Vorwurf der Sachbeschädigung lehnt die Staatsanwältin ab: „Auch waren die ursprünglich befestigten Plakate noch intakt, sodass eine Sachbeschädigung allein im Sinne des Abs. 2 nicht in Betracht kommt.“ Strafgesetzbuch §303 Absatz 2 ist der sogenannte Graffiti-Paragraph. Er regelt, dass auch das dauerhafte Verändern des Erscheinungsbildes einer Sache strafbar ist, und nicht nur eine Substanzverletzung. Doch dieser greife laut der Staatsanwältin ebenfalls nicht: „Dieser ist grundsätzlich weit gefasst, sodass es unter Umständen noch vom Tatbestand umfasst sein dürfte, dass die entfernten Plakate der optischen Wahrnehmbarkeit entzogen sind. Jedenfalls scheitert die Strafbarkeit jedoch daran, dass die Plakate kurzfristig und ohne großen Aufwand wieder in dem Kasten hätten befestigt werden können, sodass es sich um eine unerhebliche Veränderung der Sache handelt.“ Das haben die Polizist*innen ja auch kurzerhand und aktenkundig in der Nacht der Verhaftung selbst erledigt.
StA: Ohne weitere Ermittlungen einzustellen
Doch die Hausdurchsuchungs- und DNA-geile Staatsschutzabteilung 521 bekommt noch einen Seitenhieb ab: „Das Verfahren gegen den Beschuldigten war daher ohne weitere Ermittlungen einzustellen.“ Damit erteilt die Staatsanwältin dem LKA eine klare Grenze, und sie lehnt den Antrag auf Hausdurchsuchung ab und verbietet die Entnahme von DNA-Proben. Ob sich das LKA daran hält, wird die Zukunft zeigen.
Geheimdienstüberwachung, weil Adbusting die Bundeswehr lächerlich macht
Dem Staatsschutz dürfte dieser aktuelle Beschluss zur Nichtstrafbarkeit von Adbusting kaum gefallen. Denn Polizei und Geheimdienste reagieren allergisch auf diese Aktionsform. Der Geheimdienst „Verfassungsschutz“ und der Militärische Abschirmdienst sammeln systematisch Informationen zu Adbusting (2). Im Verfassungsschutzbericht 2019 stellt das Bundesinnenministerium das Verändern von Werbung in einen Zusammenhang mit Angriffen auf Beamt*innen (3). Im Gemeinsamen Extremismus und Terrorismusabwehrzentrum von Bund und Ländern (GETZ) war in 2018/19 Adbusting gleich viermal Thema (4). Das LKA Berlin veranstaltete bereits mindestens fünf Hausdurchsuchungen wegen veränderter Werbung (5) und sucht die beschlagnahmten Kunstwerke systematisch nach DNA-Spuren ab (6). Die Begründung: Adbusting mache die Bundeswehr „lächerlich“.
Fischer-Lescano: „Unbequemes Adbusting ist grundrechtlich geschützt“
Doch bei der Kriminalisierung von kritischen Meinungsäußerungen mussten die Verunsicherungsbehörden bereits mehrere Rückschläge hinnehmen. Mehrere Abgeordnete fragten mit parlamentarischen Anfragen nach (7). Diverse Medien berichteten über das lächerliche Vorgehen der Behörden (8). Der Bremer Staats- und Verfassungsrechtler Prof. Dr. Fischer-Lescano veröffentlichte ein Gutachten, das die Strafbarkeit von Adbusting bezweifelt (9):
„Unbequemes Adbusting ist grundrechtlich geschützt.“ Vor dem Hintergrund des in aller Regel geringen Sachschadens durch Adbusting entstünde der Verdacht, dass der Ermittlungseifer vom Inhalt der Adbustings befeuert werde, wenn diese sich kritisch mit Polizei, Geheimdiensten und Bundeswehr auseinandersetzten: „Das Vorgehen gegen spezifische Meinungsinhalte wird von Art. 5 GG grundsätzlich untersagt. Es wird Zeit, dass die deutschen Sicherheitsbehörden diesen Grundsatz auch dann beherzigen, wenn es um Adbusting geht, das sich kritisch mit ihren Praxen und Imagekampagnen auseinandersetzt.“
„Wenn man schon Plakate austauscht, dann nimmt man die Originale nicht mit.“
Diese Einsicht scheint sich jetzt auch in der Berliner Justiz herumzusprechen. Bereits im Oktober 2019 musste ein mit großem Aufwand organisierter Gerichtsprozess wegen Adbusting eingestellt werden. Damals scheiterte die Kriminalisierung des LKAs schlicht an der Frage, was genau eigentlich der Sachschaden beim Entfernen eines Plakates aus einer Werbevitrine sei. Die sichtlich genervte verurteilungswillige Richter*in pöbelte damals der Angeklagten nach Ende der Verhandlung folgendes hinterher: „Wenn ich Ihnen einen Tipp geben darf: Wenn man schon Plakate austauscht, dann nimmt man die Originale nicht mit.“ (10)
Kein Abschreckungseffekt
Die autoritären Charaktere beim LKA 521 dürften derweil ziemlich kochen. Die Berliner Kommunikationsguerilla-Szene macht die Bundeswehr weiterhin bei jeder Gelegenheit lächerlich. Erst am letzten Wochenende hing anlässlich des wegen der Pandemie abgesagten „Tags der Bundeswehr“ die Berliner Innenstadt voll mit nachgemachten Postern im Design der Bundeswehr, die das Militär kritisieren und den Tag ohne Bundeswehr feierten (11). Man darf also gespannt sein, welche Tricks sich der Staatsschutz als nächstes ausdenkt.
Alle Fälle eingestellt
Auch die Werbefirma WallDecaux, der die meisten Werbevitrinen in Berlin gehören, dürfte das nicht witzig finden. Gerade erst hat der Berliner Senat beschlossen, das Volksbegehren „Berlin Werbefrei“, das sich für den Abbau der Werbevitrinen einsetzt, abzulehnen. „Und nun muss WallDecaux sich damit auseinander setzen, dass es de facto straffrei sein soll, eigene Poster in die Werbevitrinen der Firma zu hängen“ sagt Klaus Poster, Sprecher*in der Soligruppe plakativ. „Alle Fälle, die wir betreut haben, sind mittlerweile auf die eine oder andere Art in der Einstellung gelandet. Also falls ihr Stress wegen Adusting bekommt, meldet euch. Wir sind sehr gespannt, wie das alles weiter geht.“
Alte Fälle?
Die Soligruppe interessiert sich auch für alte Fälle. Ist das mit der Kriminalisierung echt alles ganz neu, oder hat es ähnliche Kämpfe in den 90zigern oder 2000er Jahren auch schon gegeben? Und wie ist das damals abgelaufen? Wer was darüber weiß oder alte Akten hat, darf sich auch gerne bei uns melden: [email protected]
Tipps fürs Adbusting:
Wie gehen Werbevitrinen auf?
http://maqui.blogsport.eu/2019/01/03/wie-oeffnet-man-werbevitrinen/
Wie macht man Poster für Citylights selbst?
https://de.indymedia.org/node/87378
Adbusting mit Kleister und Papier auf Megalights?
https://www.projektwerkstatt.de/media/text/kalender_2004_kal_kleben.pdf
Fußnoten und Quellenverweise:
(1) Eine namenlose Bezugsgruppe: „Strafbarkeit scheidet aus“: Adbusting-Verfahren in Tegel eingestellt, de.indymedia.org, 20.6.2020
https://de.indymedia.org/node/90218
(2) Joswig, Gareth: Auf die linke Tour. In: taz, 24.2.2020.
https://taz.de/Kriminalisierung-von-Adbusting/!5664706/
(3) Nowak, Peter: Dünnhäutige Schutzleute. In: Neues Deutschland, 3.10.2019.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1126663.adbusting-duennhaeutige-schutzleute.html
(4) Kleine Anfrage der der Abgeordneten Ulla Jelpke u. a. und der Fraktion DIE LINKE. Einordnung von Adbusting als linksextremes Gewaltdelikt durch das Bundesamt für Verfassungsschutz. BT-Drucksache 19/16887.
https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/172/1917240.pdf
(5) Soligruppe plakativ: Drei Hausdurchsuchungen wegen eines veränderten Bundeswehr-Plakats.
barrikade.info, 28.2.2020. https://barrikade.info/article/3214
(6) DNA-Analyse wegen veränderter Bundeswehrwerbung unverhältnismäßig. de.indymedia.org, 9.6.2020.
https://de.indymedia.org/node/87283
(7) Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Niklas Schrader (LINKE)vom 11. November 2019 zum Thema: Staatsschutzdelikt Adbusting? https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/18/SchrAnfr/s18-21553.pdf
Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Niklas Schrader und Anne Helm (LINKE) vom 18. Mai 2020 zum Thema: Staatsschutzdelikt Adbusting? (II). https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/18/SchrAnfr/s18…
Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. André Hahn, Gökay Akbulut, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Arbeitsweise und Schwerpunkte des Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrums (GETZ). Drucksache 19/18417.
https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/189/1918932.pdf
(8) Stoltzenberg, Henning von: »Geheimdienste haben daran keinen Spaß«. Junge Welt, 8.6.2020.
https://www.jungewelt.de/artikel/379763.adbusting-in-berlin-geheimdienste-haben-daran-keinen-spa%C3%9F.html
Nowak, Peter: Polizei mit »Kackbratze« beschäftigt. Neues Deutschland, 27.11.2019.
(9) Fischer-Lescano, Andreas; Gutmann, Andreas: Unbequemes Adbusting ist grundgesetzlich geschützt. Verfassungsblog, 6.6.2020.
https://verfassungsblog.de/adbusting-unbequem-aber-grundrechtlich-geschuetzt/
(10) Frank, Marie: Adbusting: Unschuldige Protestkunst. Neues Deutschland, 9.10.2019.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1126842.adbusting-unschuldige-protestkunst.html
(11) Adbustings zum Tag ohne Bundeswehr in der Berliner Innenstadt. de.indymedia.org, 13.6.2020.
„Unbequemes Adbusting ist grundrechtlich geschützt.“ Das schreibt der Bremer Professor für Staatsrecht Andreas Fischer-Lescano in einen aktuellen Beitrag für Verfassungsgblog.de. Vor dem Hintergrund des in aller Regel geringen Sachschadens durch Adbusting entstünde der Verdacht, dass der Ermittlungseifer vom Inhalt der Adbustings befeuert werde, wenn diese sich kritisch mit Polizei, Geheimdiensten und Bundeswehr auseinandersetzten: „Das Vorgehen gegen spezifische Meinungsinhalte wird von Art. 5 GG grundsätzlich untersagt. Es wird Zeit, dass die deutschen Sicherheitsbehörden diesen Grundsatz auch dann beherzigen, wenn es um Adbusting geht, das sich kritisch mit ihren Praxen und Imagekampagnen auseinandersetzt.“
DNA-Analyse gegen veränderte Bundeswehr-Werbung
Hintergrund für diese Einschätzungen ist das Vorgehen der Berliner Polizei gegen das Verändern von Werbeplakaten. So veränderten zum Tag der Bundeswehr Unbekannte Bundeswehr-Poster. So hieß es nun: „Gas, Shoa, Schießen“ statt „Gas, Wasser, Scheiße“ und „Bundeswehr macht den Franco A.“ statt „Bundeswehr macht den Meister“. Bilder davon gibts hier: https://de.indymedia.org/node/33870 Weil dabei die Bundeswehr „gar lächerlich“ gemacht wird (Zitat Polizeiakte), setzt das Berliner LKA dazu auch auf Hausdurchsuchungen und DNA-Analysen.
Adbustings machen Bundeswehr „lächerlich“
Als DNA-Analysen im Strafverfahren eingeführt wurden, war sich die Öffentlichkeit und der Gesetzgeber einig, dass ein solcher tiefer Eingriff in die Privatsphäre ledig bei erheblichen Straftaten wie Mord, Totschlag, Vergewaltigung angewendet werden solle. Ein Blick in jetzt öffentlich gewordene Polizeiakten zeigt, dass der Berliner Staatsschutz DNA-Analysen wie selbstverständlich einsetzt, um das Verändern von Plakatwerbung der Bundeswehr zu verfolgen. „Ist ein Verfolgungsinstrument erst einmal da, zeigt die Erfahrung, dass die Hürde, es anzuwenden, in polizeilichen Praxis immer niedriger wird“ sagt Klaus Poster, Sprecher*in der Soligruppe plakativ, die die besagten Polizeiakten zugespielt bekam. Bei der Verwendung von DNA-Spuren kommt es laut Gesetzgeber auch auf die Frage der Verhältnismäßigkeit an. „Daran bestehen aber im Tempelhof-Fall erhebliche Zweifel“ schreibt Professor Fischer-Lescano in seinem Artikel weiter.
Mindestens fünf Hausdurchsuchungen wegen Adbustings in Berlin
Ein Gerichtsprozess wegen Adbusting im letzten Jahr und eine Anfrage des Abgeordneten Niklas Schrader brachten in letzten Herbst ans Licht, dass der Staatsschutz mit massiven Mitteln gegen das Verändern von Bundeswehr-Postern vorgeht. Seit Ende 2015 ermitteln mindestens drei Polizist*innen in diesen Fällen. Wegen veränderter Werbeplakate kam es in Berlin bereits zu mindestens 5 Hausdurchsuchungen. Die Verfahren endeten bisher mit Einstellungen wegen Geringfügigkeit. Auch der Berliner Innen-Staatssekretär Ammon spricht in der Antwort auf die parlamentarische Anfrage von Adbusting als „minderschwerer Kriminalität.“
Zugespielte Polizeiakten
Doch das hält das Berliner LKA nicht davon ab, auch das eigentlich für schwere Straftaten vorgesehene Instrument der DNA-Analyse gegen Adbuster*innen einzusetzen. Das zeigt eine Akte, die vor wenigen Tagen der Soligruppe plakativ zugespielt wurde. In der Akte mit den Aktenzeichen 231 Ujs 1941/19 und 190615-1600-022283 werden die Ermittlungen anlässlich eines des „Tag der Bundeswehr“ im Juni 2019 geschildert. Da die Bundeswehr aus diesem Anlass Plakatwerbung schaltete, kam es auch zu zahlreichen antimilitaristischen Plakatveränderungen (Bilder damaligen Aktion finden sich hier: https://de.indymedia.org/node/33870 ).
DNA-Analysen gegen Adbustings
Die Akte zeigt, die zum Einsammeln der veränderten Poster eingesetzten Streifenpolizist*innen diese wie selbstverständlich nur mit Gummihandschuhe anfassen und gleich in luftdichte Plastikbeute stecken. Weiter findet sich in der Akte ein am 27.6.2019 erstellter „KT Antrag mit U-Material“. Unter der Rubrik „Art der Maßnahme“ heißt es: „Um Analyse der Spur(en) zur Eingabe in die DNA-Analyse-Datei (DAD) wird gebeten. Bitte DNA Spuren sichern und verwertbare Spuren in die DAD einstellen.“ Darüber hinaus ordnet das LKA auch an, die Poster auf Fingerabdrücke zu überprüfen. Dies erfolgt auch. Am 10.1.2020 lag ein Bericht des lKA KTI 53 vor: „Nch kriminaltechnischer Untersuchung der zehn sichergestellten Plakate, weisen diese keine für eine Identifizierung der verursachenden Person geeignete daktyloskopische Spur auf“. Ein Ergebnis der DNA-Analyse findet sich in der Akte leider nicht.
Kleine Anfrage bringt Geheimdienst-Infos ans Licht
Das LKA Berlin ist nicht die einzige staatliche Behörde, die angesichts von veränderten Werbeplakaten völlig unverhältnismäßig überreagiert. Eine Kleine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke brachte ans Licht, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und der Militärische Abschirmdienst (MAD) systematisch Informationen zu Adbusting sammeln. Der Link zur Kleinen Anfrage: https://www.ulla-jelpke.de/wp-content/uploads/2020/02/KA-19_16887-Adbusting-komprimiert-1.pdf
Staatsanwaltschaft kann keine Strafbarkeit erkennen
In Thüringen jagten übereifrige Polizist*innen aus Erfurt Adbuster*innen ebenfalls mittels DNA-Analyse. Nach einer parlamentarischen Anfrage musste Staatsanwalt Grüneisen kleinlaut mitteilen: „Wir haben das eingestellt. Wir könnten keine Strafbarkeit erkennen.“ Quelle:
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1128063.zentrum-fuer-politische-schoenheit-ermittlungen-die-es-nie-haette-geben-duerfen.html
Terror oder lächerlich?
Den Vogel schießt aber das Gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum von Bund und Ländern (GETZ) ab. Dort war Adbusting in 2018/19 gleich viermal Thema. Auch dieser Beschäftigung der Geheimdienste erteilt Prof. Fischer-Lescano eine Absage: „Dabei werden die Sicherheitsbehörden offenbar gerade durch den Inhalt der durch die Adbustings geäußerten Meinung getriggert. Warum sonst sollte das BfV Adbustings, die sich etwa kritisch mit Polizeigewalt befassen, pauschal dem gewaltorientierten Linksextremismus zuordnen? (…) All das verkennt aber die Bedeutung der Meinungsfreiheit, die verallgemeinernde Äußerungen ebenso wie die Kritik am Staat und seinen Institutionen schützt.“
Lächerlich
„Warum die Behörden angesichts von veränderten Werbepostern so überreagieren, zeigt beispielhaft ein Blick in die Akte“ sagt Klaus Poster, Sprecher*in der Soligruppe plakativ. Dort steht auf Seite 50: „Unter Adbusting versteht man das Verfremden bzw. Umgestalten von Werbung im öffentlichen Raum in einer Art und Weise, dass deren ursprünglicher Sinn verändert oder gar lächerlich gemacht wird.“ Klaus Poster weiter: „Und das mögen autoritäre Charaktere überhaupt nicht. Dabei machen sie sich selbst mit ihrer Reaktion lächerlich“.
Mehr Infos:
Diese veränderte Bundeswehr-Werbung verfolgt das LKA mit DNA-Analyen:
https://de.indymedia.org/node/33870
Der Gerichtsprozess im Oktober 2019:
https://taz.de/Ermittlungen-gegen-Adbusting-in-Berlin/!5628984/
Voll normal in Berlin: 1 Poster, 3 Hausdurchsuchungen:
https://barrikade.info/article/3214
Kleine Anfrage im Bundestag zu GETZ, VS, MAD:
https://www.ulla-jelpke.de/wp-content/uploads/2020/02/KA-19_16887-Adbusting-komprimiert-1.pdf
Im heute veröffentlichten Berliner Verfassungsschutzbericht 2019 spielen linke Adbustings keine Rolle. Diese Lücke ist überraschend. Denn das Berliner LKA, das Bundesamt für Verfassungsschutz und der Militärische Abschirmdienst kreierten in den letzten Monaten den Eindruck, dass von Linken veränderte Werbung eine ernsthafte Gefahr für die Legitimation der Polizei sei und die Sicherheit der Bundeswehr bedrohe. Dafür nutzt der Berliner Geheimdienst rechte Adbustings, um zu unterstreichen, wie gefährlich die Nazis von der Identitären Bewegung seien.
Keine Erwähnung von Adbusting?
„Linke Adbustings werden im frisch der Öffentlichkeit präsentierten Berliner Verfassungsschutzbericht 2019 mit keinem Wort erwähnt“ sagt Klaus Poster, Mitglied der Soligruppe plakativ. Die Soligruppe plakativ gründete sich im Herbst 2019. Damals versuchte das Berliner LKA eine konsumkritische Adbusting-Aktivist*in wegen angeblichem „Schweren Diebstahls“ von Werbepostern und „Sachbeschädigung“ an denselben letztlich ergebnislos zu kriminalisieren. Seitdem macht sie auch auf die willkürliche Kriminalisierung von politischer Straßenkunst durch Polizei und Geheimdienste aufmerksam.
Ist die Nicht-Nachricht eine Nachricht?
Doch warum ist das Nicht-Vorhandensein linker Adbustings im Berliner Bericht eine Nachricht? „Das liegt an LKA und BfV“ erklärt Klaus Poster weiter. „Glaubt man der Seite 127 im aktuellen Bundesverfassungsschutzbericht, dann sind linke Adbustings, die Imagewerbung des Militärs oder der Polizei verfremden, eine ernste Bedrohung für den Staat.“ Im VS-Bericht gehe der Geheimdienst sogar so weit, zu behaupten, dass die delegitimierende Wirkung von Adbustings genauso so bedrohlich sei, wie Angriffe auf Beamte. „Wäre ja schön, wenn es so einfach wäre, dass bereits ein paar Adbustings diesen Staat mit seinen auf dem rechten Augen blinden Behörden, der ständigen Reproduktion von Sexismus und seinem ungerechten, die Umwelt zerstörenden Wirtschaftssystem ernsthaft gefährlich werden könnten“, lächelt Klaus Poster bei dem Gedanken.
Bedroht Adbusting den Staat?
In der Antwort auf eine Kleine Anfrage der linken Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke zu Adbusting im VS-Bericht rechtfertigt das Heimatministerium diesen Quatsch, obwohl es zugeben muss, dass es von keinem Fall wisse, bei dem jemand durch veränderte Werbung zu Schaden gekommen sei. Darüber hinaus muss das Ministerium zugeben, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz Adbusting systematisch beobachtet, und eine Liste mit Vorfällen führt. Noch länger ist allerdings die Liste des Militärischen Abwehrdienst (MAD). Dieser schützt Einrichtungen der Bundeswehr und ihrer Verbündeten vor Gefahren. Deshalb erscheint es dem MAD unerlässlich, veränderte Bundeswehr-Werbung zu überwachen.
Ermittlungen der Nicht-Sonderkommission
„Auf beiden Adbusting-Listen der Geheimdienste ist Berlin eindeutig mit klaren Vorsprung das am häufigsten genannte Bundesland“ erläutert Klaus Poster. „Umso überraschender ist es, dass der Berliner Verfassungsschutz von der unglaublichen Bedrohung des Staates durch von Linken veränderte Werbeposter noch nichts mitbekommen hat.“ Laut der Soligruppe plakativ könne dies nicht an mangelnder Ermittlungstätigkeit liegen. Eine Anfrage der Berliner Abgeordneten Niklas Schrader und Anne Helms im Abgeordnetenhaus brachte ans Licht, dass das Berliner LKA seit Ende 2015 Ermittlungen zu Adbustings führt. Hierfür seien drei Beamte eingesetzt gewesen. Eine Sonderkommission oder eine Bündelung der Fälle habe es aber nicht gegeben. „Und diese Nicht-Sonderkommission hat in einem Fall 1200 Seiten Akte zusammen geschrieben, deutschlandweit DNA-Proben genommen und wegen überklebten Werbeplakaten mindestens fünf Hausdurchsuchungen durchgeführt“.
Adbusting war 4x Thema im Terrorabwehrzentrum
Ausgerechnet das von der heutigen Berliner Polizeipräsidentin aufgebaute „Gemeinsame Extremismus- und Terroristmus-Abwehrzentrum von Bund und Ländern (GETZ) sorgte aber für den Hammer in diesem als „Adbusting- Affäire“ bezeichneten Geheimdienst-Skandal. Denn im GETZ war in 2018/19 das Verändern von Werbung gleich viermal Thema. „Vermutlich wollen die eigentlich schon irgendwie auch Nazis jagen“ meint Klaus Poster. „Aber wenn die nach rechts gucken, dann steht da leider niemand mehr…“
Adbustings von Rechts
Auf den Seiten über die Nazis kommt Adbusting im aktuellen Berliner VS-Bericht jedoch vor. Auf Seite 73 wird über die „Identitäre Bewegung“ berichtet. Um die Gefährlichkeit dieser Nazis zu zeigen, greift der VS ausgerechnet auf zwei Adbusting-Aktionen der Rechten zurück. „In diesem Land kommt es aktuell pro Tag zu fünf rechten Angriffen. Und Nazis sollen schlimm sein, weil sie Poster fälschen?“ fragt Klaus Poster. „Allein diese Einschätzung zeigt, wie durchgeknallt die Verunsicherungsbehörden dieser Republik immer noch drauf sind!“ Einen lesenswerten Text zur Vereinnahmung linker Kommunikationsguerilla durch Rechte hat der Berlin Busters Social Club in seinem Buch „Unerhört: Adbusting gegen die Gesamtscheiße“ (Unrast-Verlag) zu bieten. Dieser findet sich mit dem Titel „Rechte Adbustings oder die Ambivalenz des Verstehens“ auch im Inzeitungsartikelternet unter: https://www.untergrund-blättle.ch/politik/deutschland/rechte-adbustings-oder-die-ambivalenz-des-verstehens-1729.html
Dem Berliner VS mal eine Posterserie spendieren?
„Klar ärgern sich die Berliner Cops, wenn ihre Poster verändert werden. Klar ärgert man sich beim MAD, wenn Militärwerbung veralbert wird. Klar ärgert sich das BfV, wenn sie mit einer gefälschten Personalwerbung vorgeführt werden“ führt Klaus Poster aus. Wenn man mächtigen Leuten mit Protest vors Schienbeim tritt, dann würden diese dazu neigen, ihre Macht gegen den Protest zu missbrauchen. „Um auch im Berliner VS-Bericht zu landen, sollten die Berliner Kommunikationsguerill@s vielleicht mal dem Berliner VS ein paar Poster spendieren“ lacht Klaus Poster. „Gründe gäbe es mit den geschredderten NSU-Akten, den Geschehnissen um die Nazi-Morde in Rudow, oder den Angriffen auf Antifaschist*innen in der Hufeisensiedlung ja genug.“
Mehr Infos:
Kleine Anfrage von Ulla Jelpke, in der die Listen und das mit dem GETZ steht:
https://taz.de/Kriminalisierung-von-Adbusting/!5664706/
https://dipbt.bundestag.de/doc/btd/19/172/1917240.pdf
Anfrage von Niklas Schrader zu dem Gerichtsprozess wegen Adbusting:
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1129263.werbeplakate-polizei-mi…
http://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/18/SchrAnfr/s18-…
Rechte Adbustings oder die Ambivalenz des Verstehens:
https://www.untergrund-blättle.ch/politik/deutschland/rechte-adbustings-oder-die-ambivalenz-des-verstehens-1729.html
Gefälschte Personalwerbe-Kampagne des BfV:
https://taz.de/Fake-Verfassungsschutz-Plakate-in-Berlin/!5662099/
Polizei-Adbustings zum Polizeikongress, die es bis in den bundesweiten VS-Bericht geschafft haben:
http://maqui.blogsport.eu/2019/09/27/mit-adbusting-in-den-verfassungssch…
Adbustings am Innenministerium:
https://blogs.taz.de/streetart/2020/03/11/gegen-geheimdienst-und-rassismus/
Mit der Aktionsform Adbusting verändern Aktivist*innen Werbeplakate bis zur Kenntlichkeit. Wie jetzt bekannt wurde, führte das LKA Berlin wegen eines verbesserten Werbeplakates der Bundeswehr drei Hausdurchsuchungen durch. Der Grund: Das Poster mache die Bundeswehr lächerlich. Die Frage der Verhältnismäßigkeit ignorierte die Behörde. Dabei sagt sogar der Innensenat, dass das Verbessern von Werbeplakaten „minderschwer“ sei. Zudem stellte das Amtsgericht Tiergarten bereits einen Prozess und mehrere Verfahren wegen Adbusting sang- und klanglos ein. „Antimilitaristische Meinungsäußerungen sind kein Terrorismus“ kommentiert die Abgeordnete Anne Helm (Die Linke): „Da stellt sich die Frage nach der Verhältnismäßigkeit.“
Ein Poster, drei Hausdurchsuchungen
Nach Informationen der Soligruppe Plakativ veranstaltete das für Drohbriefe an Linke und Datenweitergabe an Nazis berüchtigte LKA 521 erneut zwei Hausdurchsuchungen wegen Adbusting. Genauer: Wegen eines (!) entstellten Werbeplakats der Bundeswehr. Im Mai 2019 wurden zwei Personen durch eine Zivilstreife gestellt, während sie sich nahe einer Bushaltestellen-Werbefäche aufhielten. Statt „Geht Dienst an der Waffe auch ohne Waffe?“ hieß es auf dem veränderten Plakat „Kein Dienst an der Waffe geht ohne Waffe!“ Außerdem rief eine Ergänzung zur Teilnahme an einer Demonstration in der folgenden Woche gegen die Aktionärsversammlung von Rheinmetall auf: „Mach was wirklich zählt: Rheinmetall blockieren!“
„Straftat nicht eindeutig“
Die Zivilbeamt*innen beschlagnahmten das verbesserte Bundeswehrposter und einen Sechskant-Rohrsteckschlüssel, von dem sie annahmen, dass damit die Vitrine geöffnet worden sei. Laut Akte verzichteten sie auf weitere Maßnahmen, weil auch nach Rücksprache mit dem zuständigen Hauptkommissar beim LKA5 DD „die Straftat noch nicht eindeutig war“.
Aufregung nach dem Tag der Bundeswehr
Danach passierte laut Akte erstmal lange nichts. Erst nach dem „Tag der Bundeswehr“ hatte es der Staatsschutz auf einmal ganz eilig, eine Strafanzeige zu fertigen: „Am 15. Juni wurden im Stadtgebiet diverse, auf die oben bereits beschriebene Weise veränderte Werbeplakate der Bundeswehr festgestellt. Eine erste Inaugenscheinnahme lässt durchaus Parallelen zu den hier in rede stehenden Veränderungen erkennen.“
Bundeswehr „gar lächerlich“ gemacht
In der folgenden Begründung des Antrags auf Hausdurchsuchung schreiben die LKAler*innen ganz offen, was ihre Motivation ist: „Unter Adbusting versteht man das Verfremden bzw. Umgestalten von Werbung im öffentlichen Raum in einer Art und Weise, dass deren ursprünglicher Sinn verändert oder gar lächerlich gemacht wird“. Klaus Poster, Sprecher der auf solche Fälle spezialisierten Soligruppe Plakativ, analysiert: „Im Vordergrund für dieses Behördenhandeln steht also nicht das Verfolgend von Straftaten, sondern Repression und Vergeltung dafür, dass das deutsche Militär mit einem Plakat lächerlich gemacht wurde. Denn das mögen die autoritären Charaktere beim Staatsschutz überhaupt nicht.“
Straftatbestände willkürlich aufgebauscht
Um einen Durchsuchungsbeschluss wegen eines einzigen Posters zu erreichen, bauschte der Staatsschutz darüber hinaus wie auch im Prozess im Oktober 2019 den Vorwurf von Sachbeschädigung (der übliche Strafrahmen ist eine Geldstrafe) zu „Besonders schwerer Diebstahl“ auf (hier geht’s mit Knast auf Bewährung los). Dabei steht im Einsatzbericht der Bereitschaftspolizei eindeutig, dass das durch das verbesserte Bundeswehr-Poster ersetzte Poster wieder in den Werbekasten gehängt werden konnte.
Verhältnismäßigkeit?
Auch die Politik interessiert sich für diesen Fall. Die Berliner Abgeordnete Anne Helm (Die Linke) sagte zum Fall: „Antimilitaristische Meinungsäußerungen sind kein Terrorismus. Das sieht der Staatsschutz scheinbar anders und wertet „Adbusting“ nicht nur als schweren Diebstahl, sondern auch als politisch motivierte Kriminalität – natürlich von links! Gegen Menschen die mit „Adbusting“ lediglich kritisch auf gesellschaftliche Verhältnisse aufmerksam machen wollen, werden allumfassende Ermittlungen, Hausdurchsuchungen und Gerichtsverfahren angestrebt. Da stellt sich die Frage nach der Verhältnismäßigkeit.“
Blamagen fürs LKA
Doch es hilft, sich offensiv gegen die Angriffe von autoritären Polizist*innen zu wehren. Am 6. September 2019 vollstreckte das LKA noch selbstbewusst den unverhältnismäßigen Durchsuchungsbeschluss wegen eines völlig haltlosen Vorwurfs. Am 8. Oktober 2019 kippte dann die Stimmung. An diesen Tag verhandelte das Kriminalgericht Moabit gegen eine*n Aktivist*in wegen des Veränderns von Werbeplakaten. Nachdem die Verteidigung monierte, dass die im Verfahren durchgeführten Hausdurchsuchungen unverhältnismäßig seien und die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens bedrohten, endete der Prozess mit einer Einstellung. Die Richterin sagte damals zum Abschied: „Wenn ich Ihnen ein Tipp gegen darf: Wenn man schon Plakate austauscht, dann nimmt man die Originale nicht mit.“ Klaus Poster von der Soligruppe Plakativ schätzt ein, dass der Prozess vor allem deshalb eingestellt wurde, weil die Anklage die Höhe des Schadens nicht beziffern konnte – oder wollte.
„Vollkommen überzogen“
Nach dem Prozess war sich die Hauptstadtpresse dann auch erstaunlich einig: „Vollkommen überzogen“. Wegen der offensichtlichen Unverhältnismäßigkeit stellte der Abgeordnete Niklas Schrader im November eine Kleine Anfrage an den Innensenat. Sein Büro erklärte: „Insgesamt kann man sich über den großen Ermittlungsaufwand wundern. Schließlich handelt es sich bei einem entfernten oder veränderten Plakat um einen geringen Schaden.“
„Minderschwer“
Das sah der Staatssekretär des Innensenates, Thorsten Akmann auch so. In der Antwort auf die Kleine Anfrage schreibt er, Adbustings seien „Gegenstand der minderschweren Kriminalität“. Deshalb erfasse das LKA diese Einzelfälle auch nicht gesondert, und könne keine weiteren Angaben zu weiteren Hausdurchsuchungen wegen des Veränderns von Werbung machen.
Bundeswehr erstattet keine Anzeige
Die Bundeswehr sieht das mit der öffentlichen Kritik auf ihren eigenen Plakaten übrigens auch entspannter als der Staatsschutz. „Wir sehen bislang keinen Anlass, Strafanzeigen zu erstatten“, sagte der Sprecher der Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums, Jörg Franke, im April 2016 gegenüber dem „Neuen Deutschland“. Die Bundeswehrplakatkampagne habe zum Ziel gehabt, „provokative Denkanstöße“ auszulösen. Nun sorgten die Adbusting-Aktionen für Kontroversen, die wiederum dazu beigetragen haben, die Bundeswehrkampagne bekannter zu machen.
Gericht hat keine Lust mehr auf Adbusting
Angesichts der unterhaltsamen Blamage um den Gerichtsprozess im Oktober und der eindeutigen Reaktionen der Öffentlichkeit scheint man zumindest am Kriminalgericht keine Lust mehr auf Adbusting-Prozesse zu haben. Denn auch das hier beschriebene Verfahren wurde am 3. Dezember 2019 trotz der Hausdurchsuchung eingestellt. „Leider darf man nicht erwarten, dass das den Staatsschutz in seinem Hass auf Linke irgendwie beschwichtigt“ kommentiert Klaus Poster. „Aber es dürfte deutlich schwerer für sie werden, in weiteren Verfahren unverhältnismäßige Ermittlungsmaßnahmen, wie Hausdurchsuchungen zu rechtfertigen.“
Die Adbusting-Aktion zum Tag der Bundeswehr, die das LKA überhaupt nicht lustig fand:
https://de.indymedia.org/node/33870
Gerichtsprozess wegen Adbusting nach Hausdurchsuchungen:
https://taz.de/Ermittlungen-gegen-Adbusting-in-Berlin/!5628984/
Kleine Anfrage zu Adbusting im Abgeordnetenhaus:
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1129263.werbeplakate-polizei-mi…
Bundeswehr erstattet keine Anzeige:
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1009179.kommunikationsguerilla-…
Übersicht über Repression gegen Adbusting im Jahr 2019:
http://maqui.blogsport.eu/2019/11/11/bedroht-kommunikationsguerilla-den-…