GETZ https://plakativ.blackblogs.org recherche | antirepression | öffentlichkeitsarbeit zur Kriminalisierung von Adbusting Thu, 30 Jun 2022 12:34:01 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 Kleine Anfrage: Terrorzentrum GETZ beobachtet Geheimdienst-Kritik https://plakativ.blackblogs.org/2022/06/30/kleine-anfrage-terrorzentrum-getz-beobachtet-geheimdienst-kritik/ Thu, 30 Jun 2022 12:27:28 +0000 http://plakativ.blackblogs.org/?p=258 Continue reading Kleine Anfrage: Terrorzentrum GETZ beobachtet Geheimdienst-Kritik ]]> Wer den Geheimdienst „Verfassungsschutz“ kritisiert, wird Thema im Terrorabwehrzentrum. Das zeigt die Antwort auf eine kleine Anfrage der linken Bundestags-Abgeordneten Martina Renner. Die Abgeordnete fragte die Regierung, ob sich in den letzten beiden Jahren das „Gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum von Bund und Ländern (GETZ)“ mit dem Verändern von Werbepostern beschäftigt habe. Die Antwort der Bundesregierung zeigt: Ausgerechnet eine Poster-Aktion zum Jahrestag der Selbstenttarnung der rechten Terrorgruppe NSU war 2021 Thema im Terrorzentrum GETZ.

Die damalige Aktion der „Interventionistischen Linken“ kritisierte den Geheimdienst „Verfassungsschutz“, weil dieser die Aufklärung der Morde und Bombenattentate sabotierte und anschließend die Akten schredderte. „Sachliche Kritik am Geheimdienst reicht offenbar für eine Erwähnung im Terrorzentrum“ fasst Klaus Poster, Sprecher*in der Soligruppe plakativ die Kleine Anfrage zusammen. Die ganze Antwort der Bundesregierung finden Sie hier (Drucksache 20/2264).

Nicht strafbar- trotzdem Terrorzentrum?
Denn strafbar sind diese Aktionen nicht. Anlässlich anderer Adbusting-Aktionen sammelte die Soligruppe plakativ Entscheidungen von Staatsanwaltschaften. Das Ergebnis aus Berlin, Hamburg, Erlangen, München, Stuttgart: Das Hineinhängen eigener Plakate in Werbevitrinen im öffentlichen Raum ist nicht strafbar, wenn dabei nichts beschädigt oder gestohlen wird. „Aus genau diesem Grund scheiterte 2019 in Berlin der
allererste Adbusting-Gerichtsprozess in der Historie der Bundesrepublik nach der Wiedervereinigung“ erklärt Klaus Poster, Sprecher*in der Soligruppe plakativ. „Und wie die Bilder der Aktion zeigen, ist die IL genauso vorgegangen.“

https://10jahredanach.noblogs.org/

https://enough-is-enough14.org/2021/11/05/bundesweite-adbusting-und-plakat-aktion-verfassungsschutz-abschaffen/

https://twitter.com/iL_Hamburg/status/1456183966571106310/photo/4

Terrorzentrum guckt regelmäßig Adbustings
Laut vorherigen Kleinen Anfragen waren bereits 2018/19 unter dem damaligen Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) vier Adbusting-Aktionen Thema im Terrorzentrum GETZ. Die Bundesregierung weigerte sich damals, mitzuteilen, um welche vier Aktionen es sich
handele. Denn diese Information würden angeblich die Sicherheit der Bundesrepublik bedrohen. Wenige Wochen später machte der Berliner Innensenat drei der Aktionen bekannt. Eine davon kritisierte die Geheimdienste ebenfalls wegen ihrer Rolle im NSU-Skandal. „Wenigstens
gibt die Bundesregierung diesmal zu, dass die Geheimen Kritik stört und erfindet nicht wieder irgendeinen Bullshit“ sagt Klaus Poster, Sprecher*in der Soligruppe plakativ.

https://plakativ.blackblogs.org/2020/06/19/vs-berlin-meldet-adbustings-ans-terrorabwehrzentrum-weil-sie-fuer-angemeldete-demos-werben/

Terrorzentrum verfolgt Peng-Kollektiv
Auch 2021 stand das Terrorzentrum GETZ in der Kritik, weil eine parlamentarische Anfrage des Berliner Abgeordneten Niklas Schrader zeigte, dass das Terrorzentrum die Kleinkunstgruppe „Peng-Kollektiv“
beobachtete. Grund dafür war eine Website, welche die Standorte von Kolonialismus und Rassismus verherrlichenden Schandmalen zeigte. Durch das Label „Terror“ enthemmt, führte der Berliner Staatsschutz bei
Adbuster*innen und beim Kleinkunstkollektiv „Peng“ Hausdurchsuchungen und DNA-Analysen durch. Gestoppt wurde die Polizei erst durch die Empörung von Öffentlichkeit, Medien und Abgeordneten.

https://pen.gg/2021/offener-brief-der-vielen-an-den-berliner-senat/

Das Terrorzentrum GETZ wurde nach der Selbstenttarnung des NSU gegründet. Das Terrorabwehrzentrum GETZ sollte Geheimdienste und Polizei besser vernetzen und außerdem institutionellem Rassismus vorbeugen. „Wie der Rassismus verschwinden soll, weil mensch autoritäre Charaktere von
42 Behörden gemeinsam alle zwei Wochen in einem Raum sperrt, ist mir schleierhaft“ kommentiert dies Klaus Poster. „Kein Wunder, dass die sich da jetzt lieber über Kritik von links ärgern, statt Nazi-Terror zu verhindern.“

Kunstausstellung mit Adbustings
Wer jetzt auch mal Adbustings sehen möchte, muss dafür nicht ins Terrorzentrum GETZ. In Berlin eröffnete am Freitag, den 17. Juni 2022 „Werbepause: The Art of Subvertising“. Die Ausstellung im Künstler*innenhaus Kreuzberg zeigt Adbustings aus ganz Europa von über
50 Künstler*innen. Mit dabei: Adbustings, die den Geheimdienst kritisieren und 2019/20 Thema im Terrorzentrum GETZ waren und weitere Kunstwerke, wegen denen die Behörden DNA-Analysen und Hausdurchsuchungen
veranstaltete. Die vom Hauptstadt-Kulturfonds mit 75.000 Euro unterstützte Ausstellung ist noch bis zum 21.8.2022 zu sehen.

https://www.kunstraumkreuzberg.de/programm/werbepause-the-art-of-subvertising/

Das Interesse der Kunstwelt an Adbustings ist kein Einzelfall. In Hamburg zeigte das Museum für Kunst und Gewerbe bis vor Kurzem die Ausstellung „Poster und Papierkram. Ein Glossar des Sammelns“. Mit
dabei: Adbustings der Gruppe Dies Irae, wegen der es 2019 zu einem Gerichtsprozess kam. Und auch die NSU-Adbustings im Terrorzentrum waren 2021 bereits Teil der Ausstellung „Friendly Capitalism Lounge Vol. 17“ des Berlin Busters Social Club in der Berliner Galerie Neurotitan.

https://neurotitan.de/Galerie/Archiv/2021/20210327_neurotitan_2020.html

Mehr Infos:

Artikel auf netzpolitik.org zum letzten Mal, als Adbustings im GETZ
Thema waren:
https://netzpolitik.org/2020/mit-geheimdienst-polizei-und-terrorabwehrzentrum-gegen-ein-paar-veraenderte-plakate/

Wegen Adbustings gab es auch schon Hausdurchsuchungen. Eine
Jurastudentin klagt deswegen in Karlsruhe:
https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/hausdurchsuchung-nach-adbusting-jurastudentin-verfassungsbeschwerde-strafbar-diebstahl-sachbeschdigung-urheberrechtsverletzung/

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Parl. Anfrage: Mit DNA-Analysen gegen veränderte Bundeswehr-Poster? https://plakativ.blackblogs.org/2021/01/12/parl-anfrage-mit-dna-analysen-gegen-veraenderte-bundeswehr-poster/ Tue, 12 Jan 2021 05:59:44 +0000 http://plakativ.blackblogs.org/?p=160 Continue reading Parl. Anfrage: Mit DNA-Analysen gegen veränderte Bundeswehr-Poster? ]]>

In einer parlamentarischen Anfrage stellten die Abgeordneten Helm und Schrader (Die Linke) dem Berliner Senat Fragen zur Analyse von DNA-Spuren, welche das Berliner Staatsschutz-LKA 521 in Ermittlungen zu veränderten Werbepostern der Bundeswehr durchführte. In seiner Antwort hält Staatssekretär Torsten Akmann (SPD) diese Vorgehensweise für gerechtfertigt. „Dass die Strafverfolgungsbehörden in solchen Fällen zur Aufklärung dieser Bagatellen zum Mittel der DNA-Analyse greifen, geht eindeutig zu weit“ sagt hingegen Prof. Dr. El-Ghazi von der Uni Trier. „Hier wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen.“

Breite Kritik an „Gas, Wasser, Schießen“-Werbung
Doch um was geht es? Die Bundeswehr warb 2019 mit dem Slogan „Gas, Wasser, Schießen“ um Personal. Diese Taktlosigkeit im Umgang mit der deutschen Vergangenheit sorgte für breite Kritik in der Öffentlichkeit. Unter anderem der Friedensbeauftragte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) Renke Brahms kritisierte die Werbung: „Das Wort Gas im Zusammenhang mit Schießen und Militär lässt wenig Fingerspitzengefühl und geschichtliches Bewusstsein bei den Verantwortlichen erkennen“. Er forderte daher den Stopp der Kampagne.

https://www.evangelisch.de/inhalte/156588/08-06-2019/kritik-bundeswehr-werbung-verteidigungsministerium-ueberwiegend-positive-kommentaren

„Gas, Shoa, Schießen“ statt „Gas, Wasser, Schießen“
In Berlin beließen es Aktivist*innen anlässlich des Tages der Bundeswehr nicht bei Kritik und schritten zur Tat. Sie bemalten und beklebten Bundeswehr-Poster rund um das Flugfeld Tempelhof. Hier sollte eine Flugshow mit Militärmaschinen stattfinden, die das Militär jedoch kurzfristig und kleinlaut mangels Genehmigungen absagte. Die Variante der Kommunikationsguerilla lautete dann: „Gas, Shoa, Schießen. Die Bundeswehr wurde von Nazigenerälen gegründet. Weiterhin entwickeln viele Soldat*innen ein rechtes Weltbild.“ Auf einem anderen Motiv stand im Original: „Bundeswehr macht den Meister“, auf der Adbusting-Version hingegen: „Bundeswehr macht den Franco A.“

https://de.indymedia.org/node/33870

LKA ermittelt, weil es Adbusting die Bundeswehr „lächerlich“ macht
Die Aktion sorgte für einigen Ärger bei der Berliner Staatsschutzabteilung 521, die im alten Flughafengebäude untergebracht ist. Die LKA-Abteilung 521 ist immer wieder Gegenstand der Berichterstattung der Hauptstadtpresse, weil sich die Beamt*innen zu Weihnachten Nazi-Grüße in ihre Chatgruppe posteten, den islamistischen Attentäter Anis Amri von der Observationsliste strichen, um Hausbesetzer*innen überwachen zu können, Daten von Linken an Nazis weitergaben oder „privat“ Drohbriefe mit „dienstlichen“ Informationen an Aktivist*innen schickten, ohne dass dies ernsthafte Folgen für die Beamt*innen gehabt hätte. Diese für ihren Rechtsdrall berüchtigte Abteilung sah angesichts der beklebten und bemalten Bundeswehr-Poster selbstverständlich dringenden Handlungsbedarf. Die Beamt*innen ließen die sichergestellten Poster auf DNA-Spuren untersuchen. Adbusting mache die Bundeswehr „lächerlich“, so laut Akte die dienstliche Begründung für die Maßnahme.

Parlamentarische Anfrage wegen DNA-Analyse
Die Abgeordneten Anne Helm und Niklas Schrader fragten nun den Innensenat: „Aus welchen Gründen hat das Berliner LKA 521 – Polizeilicher Staatsschutz in einem Ermittlungsverfahren (231 Ujs 1941/19) wegen eines Vorfalls von Adbusting, bei dem im Rahmen des „Tags der Bundeswehr“ Bundeswehrplakate mit verfremdenden politischen Botschaften in Schaufenstervitrinen gehängt wurden, eine DNA-Spurenanalyse zur Eingabe in die DNA-Analysedatei (DAD) angefordert?“

https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/18/SchrAnfr/s18-25890.pdf

DNA is ok sagt Staatssekretär Akmann
Der Staatssekretär des Innensenates, Torsten Akmann (SPD) gibt die DNA-Analyse gegen veränderte Werbeposter zu: „Eine kriminaltechnische Untersuchung, auch im Hinblick auf DNA-Spuren, wurde zur Ermittlung des oder der Tatverdächtigen in Auftrag gegeben. (…) Es wurde die kriminaltechnische Untersuchung von zehn Spurenträgern beauftragt. (…) Es liegen bislang keine Untersuchungsergebnisse vor.“ Die Maßnahme sei legal, gerechtfertigt und verhältnismäßig, da es sich um eine Maßnahme gemäß § 163 Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO) gehandelt habe.

Merkwürdige Rechtsgrundlage
§ 163 Abs. 1 Strafprozessordnung lautet: „Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes haben Straftaten zu erforschen und alle keinen Aufschub gestattenden Anordnungen zu treffen, um die Verdunkelung der Sache zu verhüten. Zu diesem Zweck sind sie befugt, alle Behörden um Auskunft zu ersuchen, bei Gefahr im Verzug auch, die Auskunft zu verlangen, sowie Ermittlungen jeder Art vorzunehmen, soweit nicht andere gesetzliche Vorschriften ihre Befugnisse besonders regeln.“

Prof. Dr. El-Ghazi: Vorgehen nicht gestattet
Doch an dieser Rechtfertigung gibt es Kritik. „Die Ermittlungsbehörden berufen sich auf eine Ermächtigungsgrundlage, die ihr Vorgehen nicht abdeckt“, sagt Prof. Dr. El-Ghazi von der Uni Trier: „Die allgemeine Ermittlungsgeneralklausel in § 163 StPO, auf die sich der Senat beruft, gestattet dieses Vorgehen nicht. Die Strafprozessordnung sieht für die grundsätzlich sehr eingriffsintensive Maßnahme der DNA-Analyse spezielle Regelungen wie § 81e oder § 81g StPO vor.“

„Nicht verhältnismäßig“
Prof. Dr. El-Ghazi bezweifelt außerdem die Verhältnismäßigkeit: „Ob diese Vorschriften die Durchführung der Analyse und die Speicherung der Daten in der DNA-Analyse-Datei beim BKA erlaubt hätten, hängt vom konkreten Einzelfall ab, insbesondere natürlich davon, ob sich die Maßnahme mit Blick auf die Schwere der zu verfolgenden Straftat als verhältnismäßig darstellt. Dies ist schon deshalb zweifelhaft, weil die Ermittlungsbehörden in vielen Fällen recht schnell zum Ergebnis hätten kommen können, dass die Aktionen überhaupt gar nicht strafbar oder geringfügig sind.“

„In vielen Fällen verwirklicht Adbusting überhaupt keinen Straftatbestand“, erklärt El-Ghazi weiter: „Natürlich ist nicht ausgeschlossen, dass es Konstellationen geben kann, in denen Adbuster*innen den Tatbestand der einfachen Sachbeschädigung erfüllen. Dies gilt dann, wenn sie das Originalplakat dauerhaft verändern. Mit Blick auf den geringen Wert der Plakate reden wir hier aber maximal von Bagatellkriminalität.“

Kritik auch aus Bremen vom ZERP
Auch Andreas Gutmann vom Zentrum für Europäische Rechtspolitik (ZERP) der Universität Bremen kritisiert im Juni 2020 in einem Kommentar auf verfassungsblog.de die Ermittlungen: „Dass hier unbewusst-bewusst die Unverhältnismäßigkeit in Kauf genommen wurde, zeigt schon ein Blick in die (den Verfassern vorliegende) Akte. (…) Die strafrechtliche Ermittlung selbst stellt einen Grundrechtseingriff dar, der selbstverständlich den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren muss. Daran bestehen aber im Tempelhof-Fall erhebliche Zweifel.“

https://verfassungsblog.de/adbusting-unbequem-aber-grundrechtlich-geschuetzt/

Sogar Staatssekretär Akmann zweifelt an der Strafbarkeit von Adbusting
Sogar Staatssekretär Akmann beschreibt in seiner aktuellen Antwort anhand eines konkreten eingestellten Verfahrens die mangelnde Strafbarkeit oder Geringfügigkeit von Adbusting-Aktionen (Im konkreten Fall hatte das LKA eine Hausdurchsuchung angeregt): „[Die Anregung zur Durchsuchung] wurde mangels Anfangsverdacht (…) sowie mangels Vorliegen von objektiven Anhaltspunkten für die Strafbarkeit des sog. ‚Adbustings‘ abgelehnt.“ Bereits in einer vorangegangenen parlamentarischen Anfrage vom November 2019 hatte der Staatssekretär das Verändern von Werbeplakaten lediglich als „minderschwere Kriminalität“ bezeichnet.

Zweifel auch beim LKA 521
Polizeiakten aus dem Archiv der Soligruppe plakativ zeigen, dass es selbst beim Staatsschutz 521 zunächst Zweifel an der Verhältnismäßigkeit von DNA-Analysen bei beklebten Werbepostern gab. In Bezug auf ein anderes Adbusting, bei dem es nicht um die Bundeswehr ging, schrieb der damalige Sachbearbeiter Kriminalkommissar Scholz am 19.4.2016 zur Strafanzeige 160409-1433-027709: „Insbesondere in Bezug auf die Sache erscheint eine Untersuchung auf möliche (sic) DNA-Spuren und Auswertung absolut unverhältnismäßig. Aus diesem Grund wurde hiervon abgesehen.“ Staatssekretär Akmann drückt sich in der aktuellen Antwort um eine Bewertung dieser Aussage. Die Senatsverwaltung könne die Akte nicht finden und suggeriert, das angegebene Aktenzeichen gäbe es nicht (für Rückfragen (z.B. wo die Akte liegt…) ist Kriminalkommissar Scholz vom LKA 521 dienstlich unter 030 4664 952119 erreichbar).

Gegen ‚Antirepression‘ und ‚Antimilitarismus‘
Sind DNA-Analysen an veränderten Werbeplakaten verhältnismäßig? Wenn es nach Staatssekretär Akmann geht, lautet die Antwort Ja. Bereits in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage vom November 2019 rechtfertigte Akmann den Fakt, dass der Staatsschutz 521 sich mit beklebten Werbepostern beschäftigt, folgendermaßen: „(…) wegen der überwiegend anzunehmenden Zusammenhänge mit den Themenkomplexen ‚Antirepression‘ und ‚Antimilitarismus‘ war das für politisch motivierte Kriminalität -links- zuständige Kommissariat mit der Bearbeitung betraut.“ Entscheidend scheint für Akmann nicht die Schwere oder die Strafbarkeit einer Aktion zu sein, sondern der Inhalt.

https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/18/SchrAnfr/S18-21553.pdf

Ermittlungen wegen des Inhaltes der Aktion
Dass für das Handeln der Beamt*innen rechtliche Überlegungen im Vergleich zum Inhalt eher unbedeutend waren, vermutete bereits das Team um Andreas Gutmann vom Zentrum für Europäische Rechtspolitik (ZERP) der Universität Bremen im schon erwähnten Beitrag auf dem Verfassungsblog vom 2. Juni 2020: „Insgesamt entsteht gerade vor dem Hintergrund des in aller Regel geringen Sachschadens durch Adbusting der Verdacht, dass der Ermittlungseifer vom Inhalt der Adbustings befeuert wird – gerade wenn diese sich kritisch mit Polizei, Geheimdiensten und Bundeswehr auseinandersetzen. Ein solches Vorgehen gegen ein bestimmtes Meinungsspektrum ist jedoch grundrechtlich bedenklich.“

Legal, illegal scheißegal
„Das ein tief in Nazinetzwerke verstrickter Staatsschutz nach dem Motto „legal, illegal, scheißegal agiert, ist wenig überraschend“ sagt Klaus Poster, Sprecher*in der Soligruppe plakativ. „Und das ein sozialdemokratischer Senator das deckt, zeigt wie sehr man sich bei der Verteidigung demokratischer Institutionen auf die SPD verlassen kann.“ Die Soligruppe plakativ gründete sich im Herbst 2019 anlässlich eines Gerichtsprozesses wegen Adbusting, um solidarische Öffentlichkeitsarbeit zu dem Fall zu machen. Der Prozess endete mit einer Einstellung. In der Folge nervte die Gruppe mit Öffentlichkeitsarbeit und parlamentarischen Anfragen Geheimdienste und besonders den Staatsschutz 521.

Erfolgreiche Soli-Arbeit
Mit Erfolg: Seit dem Gerichtsprozess 2019 stellte die Staatsanwaltschaft Berlin fast alle Adbusting-Verfahren ein, weil in vielen Fällen keine Strafbarkeit erkennbar war. Auch erlaubte die Staatsanwaltschaft dem LKA Hausdurchsuchungen wegen beklebter Poster keine Hausdurchsuchungen mehr. Im aktuellen Verfassungsschutzbericht strich das Innenministerium den Absatz zu Adbusting, weil das Bekleben von Werbetafeln doch nicht gewalttätig sei. Die Berliner Behörden stoppten 2020 außerdem das Melden von Adbusting an das Terrorabwehrzentrum GETZ. „Wenn die Geheimen öffentlich rechtfertigen müssen, warum ein Staatsschutz oder ein Terrorabwehrzentrum bunte Werbebilder gucken statt rechten Terror zu verhindern, macht das die Verunsicherungsbehörden weit mehr lächerlich, als es Adbustings je könnten“ erklärt Klaus Poster.

Mehr Infos:

Bilder der Adbusting-Aktion mit „Gas, Shoa, Schießen“ und „Bundeswehr macht den Franco A.“ vom Tag der Bundeswehr 2019, dessen Poster das LKA 521 auf DNA-Spuren untersuchen ließ:
https://de.indymedia.org/node/33870

Die aktuelle parlamentarische Anfrage im Original:
https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/18/SchrAnfr/s18-25890.pdf

Die parlamentarische Anfrage vom November 2019 im Original:
https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/18/SchrAnfr/S18-21553.pdf

Der Beitrag zu DNA und Adbusting von Andreas Gutmann und seinem Team vom Zentrum für Europäische Rechtspolitik (ZERP) der Universität Bremen:
https://verfassungsblog.de/adbusting-unbequem-aber-grundrechtlich-geschuetzt/

Ein Artikel in der Legal Tribune Online, in der drei Uni-Profs die Rechtslage zu Adbusting ganz genau erklären:
https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/hausdurchsuchung-nach-adbusting-jurastudentin-verfassungsbeschwerde-strafbar-diebstahl-sachbeschdigung-urheberrechtsverletzung/

Die Kritik des Friedensbeauftragten der EKD, Remke Brams an den „Gas, Wasser, Schießen“-Postern der Bundeswehr:
https://www.evangelisch.de/inhalte/156588/08-06-2019/kritik-bundeswehr-werbung-verteidigungsministerium-ueberwiegend-positive-kommentaren

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VS Berlin meldet Adbustings ans Terrorabwehrzentrum, weil sie für angemeldete Demos werben https://plakativ.blackblogs.org/2020/06/19/vs-berlin-meldet-adbustings-ans-terrorabwehrzentrum-weil-sie-fuer-angemeldete-demos-werben/ Fri, 19 Jun 2020 16:21:17 +0000 http://plakativ.blackblogs.org/?p=79 Continue reading VS Berlin meldet Adbustings ans Terrorabwehrzentrum, weil sie für angemeldete Demos werben ]]>

Der Staatsschutz 521 beim Berliner LKA veranstaltet Hausdurchsuchungen wegen Adbusting. Deshalb stellten die Abgeordneten Helm und Schrader (Linke) eine Anfrage an den Berliner Innensenat. In der Antwort rechtfertigt Staatssekretär Akmann diese Praxis mit falschen Behauptungen. Außerdem gibt Akmann zu, dass der Berliner Verfassungsschutz drei Adbusting-Aktionen ans Terrorabwehrzentrum GETZ meldete, weil diese für angemeldete Demonstrationen warben. Diese Information hatte die Bundesregierung erst vor kurzen für geheim erklärt, weil sie angeblich die Sicherheit und Interessen der Bundesrepublik bedrohen würde.

 

Parlamentarische Anfrage nach Hausdurchsuchungen

Adbusting ist das neudeutsche Wort für das politisch motivierte Verändern von Werbung. Da Werbung überall den öffentlichen Raum vereinnahmt, ist es für politisch Engagierte naheliegend, sich diese anzueignen und für die eigene Botschaft zu nutzen. Die Sicherheitsbehörden reagieren hierauf zunehmend allergisch. Im Frühjahr wurde bekannt, dass die Staatsschutzabteilung 521 beim Berliner LKA wegen eines veränderten Bundeswehr-Posters gleich drei Hausdurchsuchungen veranstaltete (1).

 

Verhältnismäßigkeit?

„Antimilitaristische Meinungsäußerungen sind kein Terrorismus“ kommentiert die Abgeordnete Anne Helm (Die Linke): „Da stellt sich die Frage nach der Verhältnismäßigkeit.“ Deshalb stellte sie zusammen mit dem Abgeordneten Niklas Schrader eine schriftliche Anfrage an den Innensenat (2). In der nun veröffentlichten Antwort bestätigt Staatssekretär Akmann die Hausdurchsuchung. Leider sei die Anzahl der eingesetzten Dienstkräfte „retrograd nicht valide zu erfassen.“ Eine Sonderkommission gebe es nicht, doch seien „keine Dienstkräfte von anderen Ermittlungsverfahren abgezogen“ worden. Die Anzahl an aufgewendeten Arbeitsstunden erfasse man nicht.

 

Minderschwere Kriminalität oder Schwerer Diebstahl?

Spannend wird es bei der Frage, was Adbusting eigentlich für ein Straftatbestand sein soll. Im November hatte Niklas Schrader bereits schon einmal anlässlich eines letztlich eingestellten Gerichtsprozesses wegen Adbusting eine Anfrage gestellt (3). Damals schrieb Staatssekretär Akmann, dass es sich bei Adbusting um „minderschwere“ Kriminalität handle. Um trotzdem Hausdurchsuchungen, DNA-Proben, etc. rechtfertigen zu können, pflegt der Staatsschutz das Verändern von Werbepostern zum „Schweren Diebstahl“ aufzublasen. Diese Praxis rechtfertigt Akmann nun damit, dass die Plakate „durch ein Schloss gegen Wegnahmen besonders gesichert“ seien. „Das die simplen mit einem Rohrsteckschlüssel aus dem Baumarkt zu betätigenden Mechanismen ein Schloss sind, darf man getrost bezweifeln“ kommentiert Klaus Poster von der Soligruppe plakativ. „Als ob Herr Akmann sein Villa mit nem Rohrsteckschlüssel aus dem Baumarkt abschließen würde…“

 

Falsche Behauptungen?

Darüber hinaus enthält der Paragraph für Schweren Diebstahl eine Bagatellklausel. „Wenn es sich um Gegenstände von geringen Wert wie z.B. Einweg-Werbeposter handelt, kommt laut Strafgesetzbuch ein Schwerer Diebstahl nicht in Betracht“ erklärt Klaus Poster. Dieses Problem löst der Jurist Akmann ganz einfach. Er behauptet, dass die Werbefirma Wall gegenüber der Polizei keine Angaben zur Höhe des Schadens gemacht habe, weil nicht wegen Schweren Diebstahls ermittelt worden sei. „Ein Blick in die Akte zeigt: Beides ist unwahr“ wundert sich Klaus Poster. „In der Akte wird eine überhöhte Schadensumme genannt und es ist nachvollziehbar, dass auch wegen Sachbeschädigung ermittelt wurde.“

 

Keine Legitimation der Hausdurchsuchung

Zu der Frage der Legitimität und Rechtsmäßigkeit der Hausdurchsuchung äußert der Staatssekretär sich nicht. Es fehlen aber offensive Rechtfertigungsversuche: „Im Herbst hatte Akmann noch versucht, das völlig unverhältnismäßige Vorgehen damit zu rechtfertigen, dass ja gegen schlimme Linksextremist*innen gehe, die Militär und Polizei kritisieren“ erklärt Klaus Poster: „Derartige Kalte-Kriegs-Rhetorik fehlt diesmal.“

 

Weiterleitung an BKA-Datenbank

Die beiden Abgeordneten fragen auch, ob von den betroffenen Personen Daten in bundesweite Datenbanken weiter geleitet wurden. Akmann bestätigt, dass die Daten der Betroffenen an den „Kriminalpolizeilichen Meldedienst in Fällen Politisch motivierter Kriminalität (KTA-PMK)“ beim BKA übermittelt worden seien. Diese Daten seien nach der Verfahrenseinstellung jedoch bereits wieder gelöscht worden. „Das werden wir überprüfen“ verspricht Klaus Poster. „Akmanns Falschbehauptungen zu den Hausdurchsuchungen zeigen ja, wie sehr seine Angaben mit Vorsicht zu genießen sind.“

 

Adbustings als Staatsgeheimnis

Am Ende verrät Staatssekretär Akmann noch ein angebliches Staatsgeheimnis. Die Abgeordneten führen an, dass im „Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum von Bund und Ländern (GETZ)“ in 2018/19 viermal die Aktionsform Thema gewesen sei (4) und fragen, welche Fälle die Berlin Behörden dort eingebracht hätten. Die Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke hatte der Bundesregierung bereits eine ganz ähnliche Frage gestellt (5). In der Antwort der Bundesregierung aus dem Mai 2020 verweigert die Regierung die Auskunft: „Die Bundesregierung ist nach sorgfältiger Abwägung zu der Auffassung gelangt, dass eine weitergehende Beantwortung der Frage nicht erfolgen kann (…). Die Information (…) berühren derart schutzbedürftige Geheimhaltungsinteressen, dass der Schutz des Staatswohl dem parlamentarischen Informationsrecht überwiegt. Dies könnte einen Nachteil für die die Interessen der Bundesrepublik Deutschland (…) bedeuten.“

 

Die drei Berliner Adbustings im GETZ

Das angebliche Staatsgeheimnis um die Adbustings im GETZ lüftet Staatssekretär Akmann jetzt teilweise. Durch den Berliner Verfassungsschutz wurden in 2018/19 drei der vier im GETZ behandelten Adbustings auf die Tagesordnung gesetzt. Es handelt sich vermutlich um folgende Aktionen:

Adbustings zum Ende des NSU-Prozesses im Juli 2018

https://de.indymedia.org/node/25729

 

Adbustings gegen den Polizeikongress im Februar 2019

https://de.indymedia.org/node/29192

 

Adbustings gegen türkische Militäroperationen im türkisch-syrischen Grenzgebiet („Rojava“) im Oktober 2019

https://de.indymedia.org/node/39702

Diese Adustings seien ans GETZ gemeldet worden, weil „diese im Zusammenhang mit Aufrufen aus dem linksextremistischen Spektrum zu Demonstrationen (…) die jeweilige Mobilisierung unterstützen. “ Klaus Poster dazu: „Das in den Augen des Verfassungsschutz bestimmte Adbustings böse sind, weil sie zur Teilnahme an angemeldeten Demonstrationen aufrufen, und das Staatssekretär Akmann das für voll in Ordnung hält, sagt viel über das Demokratieverständnis dieser Leute aus.“

 

Auch unbequemes Adbusting ist grundrechtlich geschützt

Ähnlich sieht es der Bremer Staats- und Verfassungsrechtler Prof. Dr. Fischer-Lescano. Zusammen mit seinem Kollegen Andreas Gutmann kommt er in einer Analyse für den Verfassungsblog zu dem Schluss, das auch unbequemes Adbustings grundrechtlich geschützt sei (6). „Vor dem Hintergrund des in aller Regel geringen Sachschadens durch Adbusting entstünde der Verdacht, dass der Ermittlungseifer vom Inhalt der Adbustings befeuert werde, wenn diese sich kritisch mit Polizei, Geheimdiensten und Bundeswehr auseinandersetzten: „Das Vorgehen gegen spezifische Meinungsinhalte wird von Art. 5 GG grundsätzlich untersagt. Es wird Zeit, dass die deutschen Sicherheitsbehörden diesen Grundsatz auch dann beherzigen, wenn es um Adbusting geht, das sich kritisch mit ihren Praxen und Imagekampagnen auseinandersetzt.“

 

Geheimdienste auflösen

„Die Geheimdienste und Terrorabwehrzentren dieses Landes beschäftigen sich mit beklebten Werbepostern. Wenn Kritik daran laut wird, erklären sie ihre Peinlichkeiten zu Staatsgeheimnissen“ analysiert Klaus Poster. „ Derweil laufen hunderte verurteilte Neonazis frei rum, und Polizist*innen, Militärs und Schlapphüte verfassen als Nazi-Prepper Todeslisten. Kein Wunder, dass die Verunsicherungsbehörden sich weigern, sich mit institutionellen Rassismus auseinander zu setzen. Geheimdienste sind nicht reformierbar, sie gehören aufgelöst.“

 

Mehr Infos:

Die Anfrage im Volltext:

https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/18/SchrAnfr/s18-23510.pdf

Wie öffnet man Werbevitrinen mit Sachen aus dem Baumarkt:

http://maqui.blogsport.eu/2019/01/03/wie-oeffnet-man-werbevitrinen/

Fußnoten und Quellen:

(1) Drei Hausdurchsuchungen wegen eines veränderten Bundeswehr-Plakats. barrikade.info, 28.2.2010.

https://barrikade.info/article/3214

(2) Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Niklas Schrader und Anne Helm (LINKE) vom 18. Mai 2020 zum Thema:Staatsschutzdelikt Adbusting? (II). Drucksache 18 /23 510.

https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/18/SchrAnfr/s18-23510.pdf

(3) Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Niklas Schrader (LINKE) vom 11. November 2019 zum Thema: Staatsschutzdelikt Adbusting? Drucksache 18 /21 553.

https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/18/SchrAnfr/S18-21553.pdf

(4) Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. André Hahn, Gökay Akbulut, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Einordnung von Adbusting als linksextremes Gewaltdelikt durch das Bundesamt für Verfassungsschutz. Drucksache 19/16887

https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/172/1917240.pdf

(5) Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. André Hahn,Gökay Akbulut, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Arbeitsweise und Schwerpunkte des Gemeinsamen Extremismus- undTerrorismusabwehrzentrums (GETZ). Drucksache 19/18417.

https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/189/1918932.pdf

(6) Fischer-Lescano, Andreas; Gutmann, Andreas: Unbequemes Adbusting ist grundgesetzlich geschützt. Verfassungsblog, 6.6.2020.

https://verfassungsblog.de/adbusting-unbequem-aber-grundrechtlich-geschuetzt/

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Adbusting im Regierungsviertel gegen Geheimdienste https://plakativ.blackblogs.org/2020/06/01/adbusting-im-regierungsviertel-gegen-geheimdienste/ Mon, 01 Jun 2020 20:33:04 +0000 http://plakativ.blackblogs.org/?p=229 Continue reading Adbusting im Regierungsviertel gegen Geheimdienste ]]>

Das „Besondere Amt für Veralberung (BfV)“ hat am Wochenende Adbustings gegen Geheimdienste im Berliner Regierungsviertel aufgehängt. Dabei stützen sie sich auf die parlamentarische Anfrage „Arbeitsweise und Schwerpunkte des Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrums (GETZ)“ von Ulla Jelpke (Bundestag, 5.5.2020, Drucksache 19/18932). In ihrer Pressemitteilung auf Indymedia analysieren sie die Anfrage. Wir teilen die Analyse und haben ihr nichts hinzuzufügen, weswegen wir im Folgenden die PM des „Besonderen Amts für Veralberung“ auf unseren Blog kopieren.


Wer über das schöne Wetter am langen Wochenende für einen Spaziergang zwischen Kanzler*innenamt und Reichstag nutzen wollte, konnte dabei ungewöhnliches erleben. Denn die Kommunikationsguerilla-Gruppe „Besonderes Amt für Veralberung (BfV)“ kaperte Werbevitrinen zwischen Hauptbahnhof und Regierungsviertel, um mit Adbustings den deutschen Geheimdienst „Bundesamt für Verfassungsschutz“ zu kritisieren. „Wir haben mit unseren Plakaten ein Zitat aus einer aktuellen parlamentarischen Anfrage zur Beschäftigung des Terrorabwehrzentrums mit der Aktionsform Adbusting aufgegriffen und bis zur Kenntlichkeit verfremdet erklärt Cora Maaßen, Sprecher*in des BfV. „Damit wollen wir den Bürger*innen, die das Regierungsviertel besuchen, aufzeigen, wie sich die Geheimdienste systematisch jeder Kontrolle entziehen.“

Ist Adbusting Terror?

Nachdem der Bundesverfassungsschutzbericht der Aktionsform Adbusting eine Seite samt Foto widmete und semantisch in die Nähe von Angriffen auf Polizist*innen stellte, hatte die Abgeordnete Ulla Jelpke dazu eine Kleine Anfrage gestellt. Diese hatte im Februar ans Licht gebracht, dass der Verfassungsschutz (VS) und der Militärische Abschirmdienst (MAD) systematisch Daten zu Adbusting erheben. Doch damit nicht genug: Das „Gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum von Bund und Ländern (GETZ) hatte in 2018/19 so wenig mit der Jagd auf Terrorist*innen zu tun, dass viermal Zeit blieb, sich ausführlich mit Adbusting-Aktionen zu beschäftigen.

Welche Adbustings waren Thema im GETZ?

In einer erneuten Anfrage fragte die Abgeordnete nun, womit sich das GETZ ansonsten beschäftigt habe. Die jetzt öffentliche Antwort fassten die Aktionskünstler*innen des„Besonderen Amt für Veralberung“ in einem Adbusting zusammen. Auf den Postern ist groß zu lesen: „Geheimdienste kontrollieren?“ Wie sich der VS systematisch einer Kontrolle entzieht, zeigen anhand der Parlamentarische Anfrage zum GETZ (19/18932): „22. Welche vier Adbusting wurden 2018/19 im Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum (GETZ) besprochen?“

Keine Antwort

Die Antwort haben die Kommunikationsguerillas mit leichten Veränderungen bis zur Kenntlichkeit entstellt: „Die Bundesregierung ist nach sorgfältiger Abwägung zu der Auffassung gelangt, dass eine weitergehende Beantwortung der Frage nicht erfolgen kann (…). Die Information, über welche vier Adbustings wir uns im GETZ geärgert haben, berühren derart schutzbedürftige Geheimhaltungsinteressen, dass der Schutz des Staatswohl dem parlamentarischen Informationsrecht überwiegt. Dies könnte einen Nachteil für die die Interessen der Bundesrepublik Deutschland (…) bedeuten.“ Das Resümee des Adbustings: „Verfassungsschutz lösch dich.“

Sorgfältige Erwägungen?

„Na klar wäre es sehr schmeichelhaft, wenn Heimat-Horst und Merkel und der Rest der Regierung jedes Adbusting sorgfältig abwägen würden“ sagt Cora Maasen. „Aber wenn bei so einer sorgfältigen Abwägung am Ende allein bei der aktuellen Anfrage gleich fünf mal der gleiche Satzbaustein rauskommt, dann handelt es sich wohl doch nur um eine Ausrede, um zu rechtfertigen dass sie keine Lust haben, zu antworten.“

Unfreiwillig peinlich

„Vermutlich kann sich sogar der VS an drei Fingern ausrechnen, dass sie mit der Beobachtung von Adbusting im GETZ Mist gebaut haben, und dass eine ehrliche Antwort wieder unfreiwillig komisch werden würde“ analysiert Cora: „Das es die Sicherheit der Republik bedroht, wenn das GETZ sagen muss, über welche vier Adbustings sie sich geärgert haben, ist nur mit guten Rauschmitteln vorstellbar. Herr Haldenwang, wo kaufen ihre Leute das Zeug?“

Das Besondere Amt für Veralberung

Das Besondere Amt für Veralberung (BfV) ist eine hauptstädtische Kommunikationsguerilla aus Berlin. Die Gruppe ist bereits Anfang Februar aufgefallen, als sie den zum Polizeikongress aus Köln angereisten Geheimdienst-Schergen des Bundesverfassungsschutzes eine bis zur Kenntlichkeit entstellte Personalwerbekampagne spendierte.
https://taz.de/Fake-Verfassungsschutz-Plakate-in-Berlin/!5662099/

Anfang März konfrontiere das BfV das Innenministerium mit kritischen Adbustings, die thematisierten, dass sich das „Gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum von Bund und Ländern (GETZ) in 2018/19 viermal mit Adbusting beschäftigte, statt gesuchte Nazis zu jagen.
https://blogs.taz.de/streetart/2020/03/11/gegen-geheimdienst-und-rassismus/

Mehr Infos:

Die aktuelle Kleine Anfrage „Arbeitsweise und Schwerpunkte des Gemeinsamen Extremismus- undTerrorismusabwehrzentrums (GETZ)“, Nr. 19/18932:
https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/189/1918932.pdf

Adbusting treibt Geheimdienste um:
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1133356.adbusting-satire-treibt-geheimdienste-um.html

„Aus Neugier auf Technik wird Neugier auf Morden. Welche Adbustings waren Thema im Terrorsabwehrzentrum? Ein Interview mit Carolin Überklebdenstuss vom Berlin Busters Social Club und Klaus Poster, Soligruppe plakativ:
https://de.indymedia.org/node/82352

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Kleine Anfrage: Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum beschäftigt sich mit Adbustings https://plakativ.blackblogs.org/2020/02/24/kleine-anfrage-extremismus-und-terrorismusabwehrzentrum-beschaeftigt-sich-mit-adbustings/ Mon, 24 Feb 2020 23:30:09 +0000 http://plakativ.blackblogs.org/?p=116 Continue reading Kleine Anfrage: Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum beschäftigt sich mit Adbustings ]]>

Adbusting-Skandal beim Verfassungsschutz: Beim sogenannten Adbusting verfremden Aktivist*innen Werbeposter z.B. der Polizei, der Bundeswehr oder des Verfassungsschutz bis zur Kenntlichkeit. Diese politische Freizeitbeschäftigung hält der Geheimdienst für so bedrohlich, dass im aktuellen Verfassungsschutzbericht davor gewarnt wird. Doch damit nicht genug: Eine Kleine Anfrage der Linken Ulla Jelpke zeigt, dass sich das „Gemeinsame Extremismus und Terrorabwehrzentrum von Bund und Ländern (GETZ)“ in den letzten zwei Jahren viermal mit dem Überkleben von Werbung beschäftigt hat.

„Es wäre ganz herrlich mit anzusehen, wie die Überwachungsbehörden sich hier lächerlich machen“ findet Klaus Poster von der Soligruppe Plakativ. „Doch leider brauchen wir angesichts von rechten Prepper-Mörder*innen, die sich teilweise aus den Magazinen von Polizei und Militär bedienen, eine gesellschaftliche Debatte, ob wir uns weiter Behörden leisten wollen, die auf dem rechten Augen blind sind.“

Mit Adbusting in den VS-Bericht

Der aktuelle Verfassungsschutzbericht 2018 des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) führt als Bedrohung für den Staat auch veränderte Werbeplakate an. Als Beleg dient dem BfV das Bild einer Adbusting-Aktion, bei der Imagewerbung der Berliner Polizei mit dem Slogan „Da für 5003 Schlagstockeinsätze pro Jahr und die beste G20-Party“ bis zur Kenntlichkeit entstellt wurde. Die erwähnte Aktion zum Polizeikongress 2018 kritisierte darüber hinaus auf weiteren Postern institutionellen Rassismus, sexistisches Macker*innentum und Überwachung.  Dazu stellte die Linksfraktion im Bundestag eine Kleine Anfrage: „Nicht Adbusting, das polizeiliches Fehlverhalten anprangert, ist das Problem, sondern das polizeiliche Fehlverhalten selbst. Hierüber wäre eine Debatte nötig“, begründeten die Abgeordnet*innen ihre Anfrage.

Ist Adbusting Terror?

Die deutschen Geheimdienste beschäftigen sich noch weitaus häufiger mit dem Überkleben von Werbeplakaten, als bisher angenommen. In der Antwort auf die Kleine Anfrage muss Staatssekretär Günther Krings (Innenministerium) zugeben: „Darüber hinaus wurden 2018 und 2019 vier Sachverhalte als Adbusting-Aktion im Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum Links (GETZ-L) eingebracht“. „Das GETZ wurde 2012 gegründet, um rechte Mörderbanden wie den „Nationalsozialistischen Untergrund“ zu jagen“, erklärt Klaus Poster von der Soligruppe Plakativ. „Und nun beschäftigen die sich mit dem Verändern von Werbeplakaten durch Linke.“ Auch der Militärische Abschirmdienst (MAD) hat laut Antwort auf die Kleine Anfrage eine ausführliche Datensammlung zu veränderten Werbeplakaten der Bundeswehr angelegt. Der MAD erfasst Zeit, Ort, Art und Urheber*innen der Adbustings in seinen Datenbanken.

Gewalttaten?

Um die Einordnung von Adbusting in den Bereich „Linksextremismus“ zu rechtfertigen, behauptet das BfV in der Antwort zudem mehrmals – genau wie im VS-Bericht – dass eine linksextremistische Gesinnung mit „physischer Gewalt“ gegen Vertreter*innen des Staates einher ginge. Deshalb fragten die Abgeordnet*innen auch, wie viele Personen bei Adbustings bisher zu Schaden kamen. In der Antwort muss das Ministerium wenig überraschend kleinlaut zugeben: „Keine der als Adbusting bekannt gewordenen Straftaten ist als Gewaltdelikt eingestuft. Bei den hier bekannt gewordenen Taten kamen keine Personen zu Schaden“.

Ist unsachliche Kritik linksextrem?

Dazu führt das BfV aus, dass „selbstverständlich“ nicht alle Adbustings und auch nicht jede Kritik an Polizei und Staats „linksextrem“ seien. Für die im VS-Bericht erwähnte Adbusting-Aktion zum Polizeikongress ergäbe sich diese Zuordnung jedoch aus einem Bekenner*innenschreiben. Darin hieß es angeblich „verallgemeinernd“ und über eine „sachliche Kritik deutlich hinausgehend“: „In unser Gesellschaft steht Polizei für Gewaltausübung und institutionellen Rassismus. Und wer ein Problem mit sexistischen Übergriffen hat, sollte sich gar nicht erst bewerben.“ 

Polizei ist ausführende Gewalt

„Also ich hab in der Schule gelernt, dass in der Demokratie letztlich die Polizei die Exekutive als ausführende Gewalt vertrete“ wundert sich Klaus Poster von der Soligruppe Plakativ. „Der Staat hat Verstrickungen in den NSU, Polizist*innen schreiben Drohbriefe, arbeiten mit Racial Profilings und Angehörige von Polizei und Militär bilden faschistische Prepper-Netzwerke. Angesichts dessen abzustreiten, dass die Polizei ein Problem mit institutionellem Rassismus habe, ist lächerlich. Und wer das mit dem Sexismus nicht glaubt, möge sich bitte einmal mit einer ganz normalen Streife der Berliner Bereitschaftspolizei unterhalten“. Es sei außerdem sehr unterhaltsam, dass das BfV nicht einmal einen unsachlichen Satz a la „kapitalistisches Schweinesystem“ oder „faschistische Fratze“ präsentieren könne, um den Vorwurf der Unsachlichkeit zu belegen. „Das BfV sollte sich statt immer mehr Überwachungstechnik, lieber mal mehr Politische Bildung und Medienkompetenz zulegen“ empfiehlt Klaus Poster von der Soligruppe Plakativ.

Ist Adbusting strafbar?

Das BfV behauptet außerdem, dass Adbusting immer strafbar sei. Das ist hoch umstritten. Gerade erst im Dezember stoppte das Kriminalgericht Moabit einen Prozess gegen Adbusting und stellte das Verfahren ein: „Wenn ich Ihnen einen Tipp geben darf: Wenn man schon Plakate austauscht, dann nimmt man die Originale nicht mit“ sagte die Richterin abschließend. Mindestens ein weiteres Verfahren wegen Adbustings stellte das Gericht im Dezember ohne Prozess sang- und klanglos ein.

Minderschwer

„Es handelt sich um minderschwere Kriminalität“ betonte dann auch der Berliner Innenstaatssekretär Akmann angesichts der Angewohnheit der Polizei, wegen überklebter Werbeplakate Hausdurchsuchungen zu veranstalten. Die Thüringer Staatsanwaltschaft positionierte sich in der Vergangenheit noch deutlicher: „Wir haben das eingestellt, weil das nicht strafbar ist“. Auch die Hamburger Staatsanwaltschaft stellte im Jahr 2018 Verfahren wegen Adbustings ein.

Gesellschaftliches Kopfschütteln

Doch die Kommunikationsguerilla gibt sich auch nachdenklich: „Wenn die Bundesregierung es nicht selbst geschrieben hätte, würde einem das kaum jemand glauben: Rechte Politiker*innen von Grünen bis AfD hetzen das Land auf, bei Bundeswehr, Polizei und Militär bereiten sich Nazi-Prepper auf den Tag X vor und angesichts mehrerer rechter Anschläge beschäfftigt sich das Extremismus-und Terrorabwehrzentrum mit überklebten Postern“ entrüstet sich Klaus Poster.

Knallende Sektkorken bei der Kommunikationsguerilla

In der Adbusting-Szene dürften derweil die Sektkorken knallen. „Was kann sich eine Kommunikationsguerilla mehr wünschen, als dass ein staatlicher Gewaltapparat gleich bei ein paar kritischen Plakaten das Extremismus- und Terrorabwehrzentrum anruft?“ fragt sich Klaus Poster von der Soligruppe Plakativ. Genau so eine Überreaktion angesichts von Papier und Kleister delegitimiere die Überwachung einer Gesellschaft durch Geheimdienste viel nachhaltiger, als es eine Adbusting-Aktion je könnte. „Hier zeigt sich die faschistische Fratze des kapitalitischen Schweinesystems!“ schließt Klaus Poster die Bewerbung für einen Eintrag im nächsten Verfassungschutzberich ab.

Mehr Infos:

Passende Bilder von einer Adbusting Aktion mit dem Verfassungsschutz:
https://de.indymedia.org/node/63532

Die Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag:
https://www.linksfraktion.de/nc/parlament/parlamentarische-initiativen/detail/einordnung-von-adbusting-als-linksextremes-gewaltdelikt-durch-das-bundesamt-fuer-verfassungsschutz/

Gerichtsprozess wegen Adbusting im Oktober 2019 in Berlin eingestellt:
https://taz.de/Ermittlungen-gegen-Adbusting-in-Berlin/!5628984/

Berliner Innensenat: Adbusting ist minderschwer:
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1129263.werbeplakate-polizei-mit-kackbratze-beschaeftigt.html

Adbusting-Verfahren in Thüringen eingestellt:
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1128063.zentrum-fuer-politische-schoenheit-ermittlungen-die-es-nie-haette-geben-duerfen.html

Bekenner*innenschreiben Adbustings zum Polizeikongress 2018:
http://maqui.blogsport.eu/2018/02/07/b-polizeikongress-protest-mit-adbusting-am-alex/

Adbustings mit dem Verfassungsschutz:
https://taz.de/Fake-Verfassungsschutz-Plakate-in-Berlin/!5662099/

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