Parlamentarische Anfrage https://plakativ.blackblogs.org recherche | antirepression | öffentlichkeitsarbeit zur Kriminalisierung von Adbusting Tue, 18 Jan 2022 15:40:32 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 Parl. Anfrage: Mit DNA-Analysen gegen veränderte Bundeswehr-Poster? https://plakativ.blackblogs.org/2021/01/12/parl-anfrage-mit-dna-analysen-gegen-veraenderte-bundeswehr-poster/ Tue, 12 Jan 2021 05:59:44 +0000 http://plakativ.blackblogs.org/?p=160 Continue reading Parl. Anfrage: Mit DNA-Analysen gegen veränderte Bundeswehr-Poster? ]]>

In einer parlamentarischen Anfrage stellten die Abgeordneten Helm und Schrader (Die Linke) dem Berliner Senat Fragen zur Analyse von DNA-Spuren, welche das Berliner Staatsschutz-LKA 521 in Ermittlungen zu veränderten Werbepostern der Bundeswehr durchführte. In seiner Antwort hält Staatssekretär Torsten Akmann (SPD) diese Vorgehensweise für gerechtfertigt. „Dass die Strafverfolgungsbehörden in solchen Fällen zur Aufklärung dieser Bagatellen zum Mittel der DNA-Analyse greifen, geht eindeutig zu weit“ sagt hingegen Prof. Dr. El-Ghazi von der Uni Trier. „Hier wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen.“

Breite Kritik an „Gas, Wasser, Schießen“-Werbung
Doch um was geht es? Die Bundeswehr warb 2019 mit dem Slogan „Gas, Wasser, Schießen“ um Personal. Diese Taktlosigkeit im Umgang mit der deutschen Vergangenheit sorgte für breite Kritik in der Öffentlichkeit. Unter anderem der Friedensbeauftragte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) Renke Brahms kritisierte die Werbung: „Das Wort Gas im Zusammenhang mit Schießen und Militär lässt wenig Fingerspitzengefühl und geschichtliches Bewusstsein bei den Verantwortlichen erkennen“. Er forderte daher den Stopp der Kampagne.

https://www.evangelisch.de/inhalte/156588/08-06-2019/kritik-bundeswehr-werbung-verteidigungsministerium-ueberwiegend-positive-kommentaren

„Gas, Shoa, Schießen“ statt „Gas, Wasser, Schießen“
In Berlin beließen es Aktivist*innen anlässlich des Tages der Bundeswehr nicht bei Kritik und schritten zur Tat. Sie bemalten und beklebten Bundeswehr-Poster rund um das Flugfeld Tempelhof. Hier sollte eine Flugshow mit Militärmaschinen stattfinden, die das Militär jedoch kurzfristig und kleinlaut mangels Genehmigungen absagte. Die Variante der Kommunikationsguerilla lautete dann: „Gas, Shoa, Schießen. Die Bundeswehr wurde von Nazigenerälen gegründet. Weiterhin entwickeln viele Soldat*innen ein rechtes Weltbild.“ Auf einem anderen Motiv stand im Original: „Bundeswehr macht den Meister“, auf der Adbusting-Version hingegen: „Bundeswehr macht den Franco A.“

https://de.indymedia.org/node/33870

LKA ermittelt, weil es Adbusting die Bundeswehr „lächerlich“ macht
Die Aktion sorgte für einigen Ärger bei der Berliner Staatsschutzabteilung 521, die im alten Flughafengebäude untergebracht ist. Die LKA-Abteilung 521 ist immer wieder Gegenstand der Berichterstattung der Hauptstadtpresse, weil sich die Beamt*innen zu Weihnachten Nazi-Grüße in ihre Chatgruppe posteten, den islamistischen Attentäter Anis Amri von der Observationsliste strichen, um Hausbesetzer*innen überwachen zu können, Daten von Linken an Nazis weitergaben oder „privat“ Drohbriefe mit „dienstlichen“ Informationen an Aktivist*innen schickten, ohne dass dies ernsthafte Folgen für die Beamt*innen gehabt hätte. Diese für ihren Rechtsdrall berüchtigte Abteilung sah angesichts der beklebten und bemalten Bundeswehr-Poster selbstverständlich dringenden Handlungsbedarf. Die Beamt*innen ließen die sichergestellten Poster auf DNA-Spuren untersuchen. Adbusting mache die Bundeswehr „lächerlich“, so laut Akte die dienstliche Begründung für die Maßnahme.

Parlamentarische Anfrage wegen DNA-Analyse
Die Abgeordneten Anne Helm und Niklas Schrader fragten nun den Innensenat: „Aus welchen Gründen hat das Berliner LKA 521 – Polizeilicher Staatsschutz in einem Ermittlungsverfahren (231 Ujs 1941/19) wegen eines Vorfalls von Adbusting, bei dem im Rahmen des „Tags der Bundeswehr“ Bundeswehrplakate mit verfremdenden politischen Botschaften in Schaufenstervitrinen gehängt wurden, eine DNA-Spurenanalyse zur Eingabe in die DNA-Analysedatei (DAD) angefordert?“

https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/18/SchrAnfr/s18-25890.pdf

DNA is ok sagt Staatssekretär Akmann
Der Staatssekretär des Innensenates, Torsten Akmann (SPD) gibt die DNA-Analyse gegen veränderte Werbeposter zu: „Eine kriminaltechnische Untersuchung, auch im Hinblick auf DNA-Spuren, wurde zur Ermittlung des oder der Tatverdächtigen in Auftrag gegeben. (…) Es wurde die kriminaltechnische Untersuchung von zehn Spurenträgern beauftragt. (…) Es liegen bislang keine Untersuchungsergebnisse vor.“ Die Maßnahme sei legal, gerechtfertigt und verhältnismäßig, da es sich um eine Maßnahme gemäß § 163 Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO) gehandelt habe.

Merkwürdige Rechtsgrundlage
§ 163 Abs. 1 Strafprozessordnung lautet: „Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes haben Straftaten zu erforschen und alle keinen Aufschub gestattenden Anordnungen zu treffen, um die Verdunkelung der Sache zu verhüten. Zu diesem Zweck sind sie befugt, alle Behörden um Auskunft zu ersuchen, bei Gefahr im Verzug auch, die Auskunft zu verlangen, sowie Ermittlungen jeder Art vorzunehmen, soweit nicht andere gesetzliche Vorschriften ihre Befugnisse besonders regeln.“

Prof. Dr. El-Ghazi: Vorgehen nicht gestattet
Doch an dieser Rechtfertigung gibt es Kritik. „Die Ermittlungsbehörden berufen sich auf eine Ermächtigungsgrundlage, die ihr Vorgehen nicht abdeckt“, sagt Prof. Dr. El-Ghazi von der Uni Trier: „Die allgemeine Ermittlungsgeneralklausel in § 163 StPO, auf die sich der Senat beruft, gestattet dieses Vorgehen nicht. Die Strafprozessordnung sieht für die grundsätzlich sehr eingriffsintensive Maßnahme der DNA-Analyse spezielle Regelungen wie § 81e oder § 81g StPO vor.“

„Nicht verhältnismäßig“
Prof. Dr. El-Ghazi bezweifelt außerdem die Verhältnismäßigkeit: „Ob diese Vorschriften die Durchführung der Analyse und die Speicherung der Daten in der DNA-Analyse-Datei beim BKA erlaubt hätten, hängt vom konkreten Einzelfall ab, insbesondere natürlich davon, ob sich die Maßnahme mit Blick auf die Schwere der zu verfolgenden Straftat als verhältnismäßig darstellt. Dies ist schon deshalb zweifelhaft, weil die Ermittlungsbehörden in vielen Fällen recht schnell zum Ergebnis hätten kommen können, dass die Aktionen überhaupt gar nicht strafbar oder geringfügig sind.“

„In vielen Fällen verwirklicht Adbusting überhaupt keinen Straftatbestand“, erklärt El-Ghazi weiter: „Natürlich ist nicht ausgeschlossen, dass es Konstellationen geben kann, in denen Adbuster*innen den Tatbestand der einfachen Sachbeschädigung erfüllen. Dies gilt dann, wenn sie das Originalplakat dauerhaft verändern. Mit Blick auf den geringen Wert der Plakate reden wir hier aber maximal von Bagatellkriminalität.“

Kritik auch aus Bremen vom ZERP
Auch Andreas Gutmann vom Zentrum für Europäische Rechtspolitik (ZERP) der Universität Bremen kritisiert im Juni 2020 in einem Kommentar auf verfassungsblog.de die Ermittlungen: „Dass hier unbewusst-bewusst die Unverhältnismäßigkeit in Kauf genommen wurde, zeigt schon ein Blick in die (den Verfassern vorliegende) Akte. (…) Die strafrechtliche Ermittlung selbst stellt einen Grundrechtseingriff dar, der selbstverständlich den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren muss. Daran bestehen aber im Tempelhof-Fall erhebliche Zweifel.“

https://verfassungsblog.de/adbusting-unbequem-aber-grundrechtlich-geschuetzt/

Sogar Staatssekretär Akmann zweifelt an der Strafbarkeit von Adbusting
Sogar Staatssekretär Akmann beschreibt in seiner aktuellen Antwort anhand eines konkreten eingestellten Verfahrens die mangelnde Strafbarkeit oder Geringfügigkeit von Adbusting-Aktionen (Im konkreten Fall hatte das LKA eine Hausdurchsuchung angeregt): „[Die Anregung zur Durchsuchung] wurde mangels Anfangsverdacht (…) sowie mangels Vorliegen von objektiven Anhaltspunkten für die Strafbarkeit des sog. ‚Adbustings‘ abgelehnt.“ Bereits in einer vorangegangenen parlamentarischen Anfrage vom November 2019 hatte der Staatssekretär das Verändern von Werbeplakaten lediglich als „minderschwere Kriminalität“ bezeichnet.

Zweifel auch beim LKA 521
Polizeiakten aus dem Archiv der Soligruppe plakativ zeigen, dass es selbst beim Staatsschutz 521 zunächst Zweifel an der Verhältnismäßigkeit von DNA-Analysen bei beklebten Werbepostern gab. In Bezug auf ein anderes Adbusting, bei dem es nicht um die Bundeswehr ging, schrieb der damalige Sachbearbeiter Kriminalkommissar Scholz am 19.4.2016 zur Strafanzeige 160409-1433-027709: „Insbesondere in Bezug auf die Sache erscheint eine Untersuchung auf möliche (sic) DNA-Spuren und Auswertung absolut unverhältnismäßig. Aus diesem Grund wurde hiervon abgesehen.“ Staatssekretär Akmann drückt sich in der aktuellen Antwort um eine Bewertung dieser Aussage. Die Senatsverwaltung könne die Akte nicht finden und suggeriert, das angegebene Aktenzeichen gäbe es nicht (für Rückfragen (z.B. wo die Akte liegt…) ist Kriminalkommissar Scholz vom LKA 521 dienstlich unter 030 4664 952119 erreichbar).

Gegen ‚Antirepression‘ und ‚Antimilitarismus‘
Sind DNA-Analysen an veränderten Werbeplakaten verhältnismäßig? Wenn es nach Staatssekretär Akmann geht, lautet die Antwort Ja. Bereits in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage vom November 2019 rechtfertigte Akmann den Fakt, dass der Staatsschutz 521 sich mit beklebten Werbepostern beschäftigt, folgendermaßen: „(…) wegen der überwiegend anzunehmenden Zusammenhänge mit den Themenkomplexen ‚Antirepression‘ und ‚Antimilitarismus‘ war das für politisch motivierte Kriminalität -links- zuständige Kommissariat mit der Bearbeitung betraut.“ Entscheidend scheint für Akmann nicht die Schwere oder die Strafbarkeit einer Aktion zu sein, sondern der Inhalt.

https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/18/SchrAnfr/S18-21553.pdf

Ermittlungen wegen des Inhaltes der Aktion
Dass für das Handeln der Beamt*innen rechtliche Überlegungen im Vergleich zum Inhalt eher unbedeutend waren, vermutete bereits das Team um Andreas Gutmann vom Zentrum für Europäische Rechtspolitik (ZERP) der Universität Bremen im schon erwähnten Beitrag auf dem Verfassungsblog vom 2. Juni 2020: „Insgesamt entsteht gerade vor dem Hintergrund des in aller Regel geringen Sachschadens durch Adbusting der Verdacht, dass der Ermittlungseifer vom Inhalt der Adbustings befeuert wird – gerade wenn diese sich kritisch mit Polizei, Geheimdiensten und Bundeswehr auseinandersetzen. Ein solches Vorgehen gegen ein bestimmtes Meinungsspektrum ist jedoch grundrechtlich bedenklich.“

Legal, illegal scheißegal
„Das ein tief in Nazinetzwerke verstrickter Staatsschutz nach dem Motto „legal, illegal, scheißegal agiert, ist wenig überraschend“ sagt Klaus Poster, Sprecher*in der Soligruppe plakativ. „Und das ein sozialdemokratischer Senator das deckt, zeigt wie sehr man sich bei der Verteidigung demokratischer Institutionen auf die SPD verlassen kann.“ Die Soligruppe plakativ gründete sich im Herbst 2019 anlässlich eines Gerichtsprozesses wegen Adbusting, um solidarische Öffentlichkeitsarbeit zu dem Fall zu machen. Der Prozess endete mit einer Einstellung. In der Folge nervte die Gruppe mit Öffentlichkeitsarbeit und parlamentarischen Anfragen Geheimdienste und besonders den Staatsschutz 521.

Erfolgreiche Soli-Arbeit
Mit Erfolg: Seit dem Gerichtsprozess 2019 stellte die Staatsanwaltschaft Berlin fast alle Adbusting-Verfahren ein, weil in vielen Fällen keine Strafbarkeit erkennbar war. Auch erlaubte die Staatsanwaltschaft dem LKA Hausdurchsuchungen wegen beklebter Poster keine Hausdurchsuchungen mehr. Im aktuellen Verfassungsschutzbericht strich das Innenministerium den Absatz zu Adbusting, weil das Bekleben von Werbetafeln doch nicht gewalttätig sei. Die Berliner Behörden stoppten 2020 außerdem das Melden von Adbusting an das Terrorabwehrzentrum GETZ. „Wenn die Geheimen öffentlich rechtfertigen müssen, warum ein Staatsschutz oder ein Terrorabwehrzentrum bunte Werbebilder gucken statt rechten Terror zu verhindern, macht das die Verunsicherungsbehörden weit mehr lächerlich, als es Adbustings je könnten“ erklärt Klaus Poster.

Mehr Infos:

Bilder der Adbusting-Aktion mit „Gas, Shoa, Schießen“ und „Bundeswehr macht den Franco A.“ vom Tag der Bundeswehr 2019, dessen Poster das LKA 521 auf DNA-Spuren untersuchen ließ:
https://de.indymedia.org/node/33870

Die aktuelle parlamentarische Anfrage im Original:
https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/18/SchrAnfr/s18-25890.pdf

Die parlamentarische Anfrage vom November 2019 im Original:
https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/18/SchrAnfr/S18-21553.pdf

Der Beitrag zu DNA und Adbusting von Andreas Gutmann und seinem Team vom Zentrum für Europäische Rechtspolitik (ZERP) der Universität Bremen:
https://verfassungsblog.de/adbusting-unbequem-aber-grundrechtlich-geschuetzt/

Ein Artikel in der Legal Tribune Online, in der drei Uni-Profs die Rechtslage zu Adbusting ganz genau erklären:
https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/hausdurchsuchung-nach-adbusting-jurastudentin-verfassungsbeschwerde-strafbar-diebstahl-sachbeschdigung-urheberrechtsverletzung/

Die Kritik des Friedensbeauftragten der EKD, Remke Brams an den „Gas, Wasser, Schießen“-Postern der Bundeswehr:
https://www.evangelisch.de/inhalte/156588/08-06-2019/kritik-bundeswehr-werbung-verteidigungsministerium-ueberwiegend-positive-kommentaren

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Bundesinnenministerium: Adbusting doch nicht gewalttätig https://plakativ.blackblogs.org/2020/11/20/bundesinnenministerium-adbusting-doch-nicht-gewalttaetig/ Fri, 20 Nov 2020 17:00:25 +0000 http://plakativ.blackblogs.org/?p=147 Continue reading Bundesinnenministerium: Adbusting doch nicht gewalttätig ]]>

Neue Erkenntnisse im Adbusting-Komplex: Das Bundesinnenministerium rückt von seiner Linie ab, dass veränderte Werbeposter dem gewalttätigen Linksextremismus zugeordnet werden können. Auch bei der Staatsanwaltschaft Berlin bezweifelt man zusehends die Strafbarkeit von Adbusting. In zwei Verfahren entschied die Behörde, dass es nicht strafbar sei, wenn Menschen ihre eigenen Poster in fremde Werbevitrinen hängen und lehnte u.a. Hausdurchsuchungen ab. Trotzdem beobachtet der MAD weiterhin das Bekleben von Werbepostern.

Innenministerium: Adbusting doch nicht gewalttätig
Noch im Verfassungsschutzbericht 2018 nannte das Bundesinnenministerium die Aktionsform des Adbustings, bei der die Aussage von Werbeplakaten mit Farbe oder Überklebern verändert wird, in einem Atemzug mit „physischen Angriffen auf Polizeikräfte“ und ärgerte sich über kritische Poster, die der Polizei „institutionellen Rassismus“ und „willkürliche Gewaltanwendung“ z.B. beim G20-Gipfel unterstellten. Die linke Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke fragte nun in einer aktuellen Fragestunde nach, warum Adbusting im neuen Verfassungsschutzbericht nicht mehr erwähnt werde.  Die Antwort der Bundesregierung: „Im Berichtsjahr 2019 lag der Schwerpunkt vor allem auf der zunehmend enthemmter werdenden Gewaltanwendung durch Linksextremisten. Die Darstellung des „Adbustings“ entfiel daher aufgrund der anders gewählten inhaltlichen Gewichtung“ (Frage 68, S. 151 https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19191.pdf ).

Ulla Jelpke: „Lächerlich, Adbusting in die Nähe von Gewalt zu rücken“
„Offenbar hat selbst der Verfassungsschutz eingesehen, wie lächerlich der Versuch war, künstlerische Verfremdung von Werbeplakaten für Polizei und Bundeswehr auch nur in die Nähe gewalttätiger Übergriffe zu rücken“ sagt die Abgeordnete Ulla Jelpke dazu. Dass Adbusting überhaupt erfasst wurde, zeige allerdings, dass die Künstlerinnen und Künstler mit dieser Aktionsform einen Nerv bei den staatlichen Institutionen getroffen hätten, so die Obfrau der Linksfraktion im Innenausschuss weiter: „Es ist weiterhin notwendig, den strukturellen Rassismus bei der Polizei ebenso wie den Einsatz der Bundeswehr für die Sicherung der Profite des Kapitals mit geeigneten Mitteln aufzudecken und anzuprangern. Adbusting ist eine phantasievolle und gewaltfreie Form der politischen Aufklärung.“
https://www.ulla-jelpke.de/2020/11/mad-registriert-weiterhin-militaerkritische-plakate/

Adbusting ist Thema im Terrorabwehrzentrum
Ulla Jelpke hatte bereits im Frühjahr 2020 mit einer Kleinen Anfrage nachgefragt, warum der Geheimdienst das Bekleben von Werbepostern mit physischen Angriffen auf Polizeikräfte gleichsetze und wollte auch wissen, wie viele Beamte schon durch Adbusting-Aktionen zu Schaden gekommen sei. Die Bundesregierung musste zugegen: Niemand. Dafür hatte sich das Geheimsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum von Bund und Ländern (GETZ) in 2018/19 gleich vier Mal mit Adbusting beschäftigt:
https://dipbt.bundestag.de/doc/btd/19/172/1917240.pdf

Adbusting-Aktionen mit dem Geheimdienst
Dieser vom Bundesamt für Verfassungsschutz zu verantwortende „Adbusting-Skandal“ sorgte für breite Berichterstattung und Kommunikatonsguerilla-Gruppen namen den Geheimdienst nun erst Recht aufs Korn (eine Übersicht der Aktionen:  https://plakativ.blackblogs.org/2020/07/09/adbusting-leider-nicht-mehr-i… ). Das Innenministerium dazu „Der Verzicht auf die Erwähnung sogenannter Adbusting-Aktionen im Berichtsteil „Linksextremismus“ im Verfassungsschutzbericht 2019 steht nicht im Zusammenhang mit Reaktionen auf deren Darstellung im Bericht für das Jahr 2018.“

„Auch unbequemes Adbusting ist grundrechtlich geschützt“
Die Aufführung von Adbusting im Verfassungsschutzbericht wurde auch von dem Bremer Staats- und Verfassungsrechtler Prof. Dr. Fischer Lescano in einem Gutachten kritisiert: „Insgesamt entsteht gerade vor dem Hintergrund des in aller Regel geringen Sachschadens durch Adbusting der Verdacht, dass der Ermittlungseifer vom Inhalt der Adbustings befeuert wird – gerade wenn diese sich kritisch mit Polizei, Geheimdiensten und Bundeswehr auseinandersetzen. (…) Das Vorgehen gegen spezifische Meinungsinhalte wird von Art. 5 GG grundsätzlich untersagt. Es wird Zeit, dass die deutschen Sicherheitsbehörden diesen Grundsatz auch dann beherzigen, wenn es um Adbusting geht, das sich kritisch mit ihren Praxen und Imagekampagnen auseinandersetzt. (…) Gleiches gilt etwa auch für eine Aufnahme in den Verfassungsschutzbericht, dessen Eingriffscharakter das BVerfG mit verallgemeinerungsfähigen Erwägungen in Bezug auf die Pressefreiheit betont (Rn. 50 ff.).“
 https://verfassungsblog.de/adbusting-unbequem-aber-grundrechtlich-geschuetzt/

Staatsanwaltschaft Berlin: Adbusting nicht strafbar, wenn man eigene Poster mitbringt
Derweil sieht die Staatsanwaltschaft Berlin wohl bereits länger als bisher bekannt keinen Anlass mehr, Adbusting zu kriminalisieren; zumindest wenn bei dieser Aktionsform Aktivist*innen ihre eigene Plakate in Werbevitrinen hängen. Das stellte die Behörde in zwei Entscheidungen, die der Soligruppe plakativ zugespielt wurden, deutlich klar. 

Am 1.5.2020 legte die Berliner Polizei eine Person in Handschellen, weil diese in eine Werbevitrine ein selbstgemachtes Poster hängte, dass die in Berlin geplante Ausrichtung des „Tags der Bundeswehr“ kritisierte. Kritik an der Bundeswehr, da versteht die Staatsschutzabteilung 521 keinen Spaß und beantragte sofort mit einem Dringlichkeitsbeschluss eine Hausdurchsuchung. Um die Verhältnismäßigkeit zu simulieren, behauptete das LKA, dass es sich um „Schweren Diebstahl“ handeln würde. Der Trick dabei: Bei besonders schwerem Diebstahl (also dem Diebstahl von besonders abgesicherten Gütern, man stelle sich zum Beispiel einen Tresor vor, der erstmal geknackt werden muss) liegt das Mindeststrafmaß bei drei Monaten Knast aufwärts.

Hausdurchsuchung abgelehnt
Doch der Staatsschutz beim LKA kassierte eine herbe Absage. Die Staatsanwaltschaft lehnte den Antrag ab und verfügte außerdem die sofortige Einstellung des Verfahrens: „Eine Strafbarkeit wegen versuchten Diebstahls durch das Abhängen der ursprünglich im Schaukasten befestigten Plakate scheidet bereits aus, da die Plakate hinter dem Kasten versteckt aufgefunden wurden. Eine Zueignungsabsicht kann daher nicht festgestellt werden“ (Staatsanwaltschaft Berlin, 18.5.2020, 231 Js 1331/20)

Der Trick mit dem Diebstahl
Ein neuer Aktenfund der Soligruppe plakativ zeigt: Der Staatsschutz-Abteilung lag im Mai 2020 bereits eine Entscheidung der Staatsanwaltschaft Berlin aus dem Dezember 2019 vor, die den Trick mit dem Schweren Diebstahl für illegal erklärte. Am 3.12.2019 stellte die Staatsanwaltschaft Berlin ein Verfahren gegen eine Adbuster*in ein. Die Betroffene hatte zusammen mit einer Freundin ein verändertes Bundeswehrposter in eine Werbevitrine gehängt, und war dabei von der Polizei gestellt worden. Im September 2019 veranstaltete das LKA 521 deswegen drei Hausdurchsuchungen im Umfeld der Betroffenen. Auch dabei verwendete das LKA den Trick, zu behaupten, dass es sich bei Adbusting um „Schweren Diebstahl“ handeln würde und rechtfertigte damit die Razzien.

Adbusting ist kein Diebstahl
Doch der Einstellungsbeschluss 231/Js1812/19 vom 3.12.2019 stellt klar, dass die Staatsanwaltschaft im Gesehen keinen Schweren Diebstahl erkennen kann: „Strafrechtlich ist der Sachverhalt vom 13.05.2019 wie folgt zu bewerten: Eine Strafbarkeit gemäß§ 243 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 StGB kommt nicht in Betracht: Zum einen ist die Anwendbarkeit wegen Abs. 2 StGB fraglich. Zum anderen käme hier nur Versuch in Betracht. Da aber aus anderen Fällen des sog. Adbusting bekannt ist, dass die ursprünglichen Plakate nicht immer mitgenommen, sondern teilweise auch in dem Werbekasten belassen werden, kann hier nicht unterstellt werden, dass die Beschuldigten das ursprüngliche Plakat mitnehmen wollten.“ Folgerichtig erfolgte die Einstellung wegen Geringfügigkeit (§153 StPO, Staatsanwältin Eppert, 231/Js1812/19).

 

MAD sammelt weiter Daten zu Adbusting
Auch wenn Staatsanwaltschaften die Strafbarkeit von Adbusting mittlerweile immer mehr bezweifeln und auch das Bundesamt für Verfassungsschutz beim Adbusting keine Gewalttätigkeit mehr erkennen kann, sammelt der Militärische Abwehrdienst munter weiter Daten. Laut der Antwort der Regierung auf die aktuelle Frage der abgeordneten Jelpke hat der Militärgeheimdienst im Jahr 2020 schon dreizehn Adbusting-Aktionen registriert. Dabei sammelt der Geheimdienst weiter wie selbstverständlich Meinungsäußerungen: „ Aufhängen von selbstgestalteten Plakaten mit die Bundeswehr diffamierendem Inhalt.“

„Langsam wird’s eng für den Staatsschutz“
„Langsam wird’s eng für den Staatsschutz und die Geheimdienste“ sagt Klaus Poster, Sprecher*in der Soligruppe plakativ. „Nicht mal mehr das Innenministerium hält an der Story, das Adbusting gewalttätig sei, fest. Und immer mehr Staatsanwält*innen bezweifeln die Strafbarkeit. Nur der MAD und das Berliner LKA halten noch an der Rechtsauffasung fest, das Hausdurchsuchungen, DNA-Untersuchungen und geheimdienstliche Listen verhältnismäßig seien, weil Adbusting die Bundeswehr „gar lächerlich“ mache.“

Adbusting ist doch nicht gewalttätig:
Frage 68, S. 151 https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19191.pdf

Adbusting-Aktionen mit dem Geheimdienst:
https://plakativ.blackblogs.org/2020/07/09/adbusting-leider-nicht-mehr-im-verfassungsschutzbericht/

Gutachten zur Rechtswidrigkeit des Vorgehens des LKAs von Prof. Dr. Fischer-Lescano:
https://verfassungsblog.de/adbusting-unbequem-aber-grundrechtlich-geschuetzt/

Der Adbusting-Beschluss der Staatsanwaltschaft Berlin 231 Js 1331/20 vom 18.5.2020:
http://plakativ.blackblogs.org/2020/06/24/sta-berlin-adbusting-ist-straffrei-wenn-man-seine-eigenen-poster-mitbringt/

 

Am 21.11.20 erschien in der jungen welt ein Artikel von Felix Jota zur neuen Einschätzung des Bundesinnenministeriums bezüglich Adbusting.

https://www.jungewelt.de/artikel/390927.adbusting-adbusting-ist-politische-aufklärung.html

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Adbusting im Regierungsviertel gegen Geheimdienste https://plakativ.blackblogs.org/2020/06/01/adbusting-im-regierungsviertel-gegen-geheimdienste/ Mon, 01 Jun 2020 20:33:04 +0000 http://plakativ.blackblogs.org/?p=229 Continue reading Adbusting im Regierungsviertel gegen Geheimdienste ]]>

Das „Besondere Amt für Veralberung (BfV)“ hat am Wochenende Adbustings gegen Geheimdienste im Berliner Regierungsviertel aufgehängt. Dabei stützen sie sich auf die parlamentarische Anfrage „Arbeitsweise und Schwerpunkte des Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrums (GETZ)“ von Ulla Jelpke (Bundestag, 5.5.2020, Drucksache 19/18932). In ihrer Pressemitteilung auf Indymedia analysieren sie die Anfrage. Wir teilen die Analyse und haben ihr nichts hinzuzufügen, weswegen wir im Folgenden die PM des „Besonderen Amts für Veralberung“ auf unseren Blog kopieren.


Wer über das schöne Wetter am langen Wochenende für einen Spaziergang zwischen Kanzler*innenamt und Reichstag nutzen wollte, konnte dabei ungewöhnliches erleben. Denn die Kommunikationsguerilla-Gruppe „Besonderes Amt für Veralberung (BfV)“ kaperte Werbevitrinen zwischen Hauptbahnhof und Regierungsviertel, um mit Adbustings den deutschen Geheimdienst „Bundesamt für Verfassungsschutz“ zu kritisieren. „Wir haben mit unseren Plakaten ein Zitat aus einer aktuellen parlamentarischen Anfrage zur Beschäftigung des Terrorabwehrzentrums mit der Aktionsform Adbusting aufgegriffen und bis zur Kenntlichkeit verfremdet erklärt Cora Maaßen, Sprecher*in des BfV. „Damit wollen wir den Bürger*innen, die das Regierungsviertel besuchen, aufzeigen, wie sich die Geheimdienste systematisch jeder Kontrolle entziehen.“

Ist Adbusting Terror?

Nachdem der Bundesverfassungsschutzbericht der Aktionsform Adbusting eine Seite samt Foto widmete und semantisch in die Nähe von Angriffen auf Polizist*innen stellte, hatte die Abgeordnete Ulla Jelpke dazu eine Kleine Anfrage gestellt. Diese hatte im Februar ans Licht gebracht, dass der Verfassungsschutz (VS) und der Militärische Abschirmdienst (MAD) systematisch Daten zu Adbusting erheben. Doch damit nicht genug: Das „Gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum von Bund und Ländern (GETZ) hatte in 2018/19 so wenig mit der Jagd auf Terrorist*innen zu tun, dass viermal Zeit blieb, sich ausführlich mit Adbusting-Aktionen zu beschäftigen.

Welche Adbustings waren Thema im GETZ?

In einer erneuten Anfrage fragte die Abgeordnete nun, womit sich das GETZ ansonsten beschäftigt habe. Die jetzt öffentliche Antwort fassten die Aktionskünstler*innen des„Besonderen Amt für Veralberung“ in einem Adbusting zusammen. Auf den Postern ist groß zu lesen: „Geheimdienste kontrollieren?“ Wie sich der VS systematisch einer Kontrolle entzieht, zeigen anhand der Parlamentarische Anfrage zum GETZ (19/18932): „22. Welche vier Adbusting wurden 2018/19 im Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum (GETZ) besprochen?“

Keine Antwort

Die Antwort haben die Kommunikationsguerillas mit leichten Veränderungen bis zur Kenntlichkeit entstellt: „Die Bundesregierung ist nach sorgfältiger Abwägung zu der Auffassung gelangt, dass eine weitergehende Beantwortung der Frage nicht erfolgen kann (…). Die Information, über welche vier Adbustings wir uns im GETZ geärgert haben, berühren derart schutzbedürftige Geheimhaltungsinteressen, dass der Schutz des Staatswohl dem parlamentarischen Informationsrecht überwiegt. Dies könnte einen Nachteil für die die Interessen der Bundesrepublik Deutschland (…) bedeuten.“ Das Resümee des Adbustings: „Verfassungsschutz lösch dich.“

Sorgfältige Erwägungen?

„Na klar wäre es sehr schmeichelhaft, wenn Heimat-Horst und Merkel und der Rest der Regierung jedes Adbusting sorgfältig abwägen würden“ sagt Cora Maasen. „Aber wenn bei so einer sorgfältigen Abwägung am Ende allein bei der aktuellen Anfrage gleich fünf mal der gleiche Satzbaustein rauskommt, dann handelt es sich wohl doch nur um eine Ausrede, um zu rechtfertigen dass sie keine Lust haben, zu antworten.“

Unfreiwillig peinlich

„Vermutlich kann sich sogar der VS an drei Fingern ausrechnen, dass sie mit der Beobachtung von Adbusting im GETZ Mist gebaut haben, und dass eine ehrliche Antwort wieder unfreiwillig komisch werden würde“ analysiert Cora: „Das es die Sicherheit der Republik bedroht, wenn das GETZ sagen muss, über welche vier Adbustings sie sich geärgert haben, ist nur mit guten Rauschmitteln vorstellbar. Herr Haldenwang, wo kaufen ihre Leute das Zeug?“

Das Besondere Amt für Veralberung

Das Besondere Amt für Veralberung (BfV) ist eine hauptstädtische Kommunikationsguerilla aus Berlin. Die Gruppe ist bereits Anfang Februar aufgefallen, als sie den zum Polizeikongress aus Köln angereisten Geheimdienst-Schergen des Bundesverfassungsschutzes eine bis zur Kenntlichkeit entstellte Personalwerbekampagne spendierte.
https://taz.de/Fake-Verfassungsschutz-Plakate-in-Berlin/!5662099/

Anfang März konfrontiere das BfV das Innenministerium mit kritischen Adbustings, die thematisierten, dass sich das „Gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum von Bund und Ländern (GETZ) in 2018/19 viermal mit Adbusting beschäftigte, statt gesuchte Nazis zu jagen.
https://blogs.taz.de/streetart/2020/03/11/gegen-geheimdienst-und-rassismus/

Mehr Infos:

Die aktuelle Kleine Anfrage „Arbeitsweise und Schwerpunkte des Gemeinsamen Extremismus- undTerrorismusabwehrzentrums (GETZ)“, Nr. 19/18932:
https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/189/1918932.pdf

Adbusting treibt Geheimdienste um:
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1133356.adbusting-satire-treibt-geheimdienste-um.html

„Aus Neugier auf Technik wird Neugier auf Morden. Welche Adbustings waren Thema im Terrorsabwehrzentrum? Ein Interview mit Carolin Überklebdenstuss vom Berlin Busters Social Club und Klaus Poster, Soligruppe plakativ:
https://de.indymedia.org/node/82352

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Staatsschutzdelikt Adbusting? Kleine Anfrage an den Innensenat https://plakativ.blackblogs.org/2019/12/09/staatsschutzdelikt-adbusting-kleine-anfrage-an-den-innensenat/ Mon, 09 Dec 2019 23:36:58 +0000 http://plakativ.blackblogs.org/?p=118 Continue reading Staatsschutzdelikt Adbusting? Kleine Anfrage an den Innensenat ]]>

Nach dem Gerichtsprozess im Oktober wegen des kreativen Veränderns von Werbeplakaten hat der Berliner Abgeordnete Niklas Schrader eine Kleine Anfrage gestellt. In der Verhandlung war öffentlich geworden, dass offenbar mehrere Polizist*innen aus verschiedenen Städten an dem Fall arbeiteten. „Der Prozess zeigte, dass Ermittler*innen Fingerabdrücke von einem Plakat in Erfurt abglichen, zahlreiche Adbusting-Videos auswerteten und Mitarbeiter*innen der Firma Wall befragten. Sogar eine Hausdurchsuchung folgte (…) weil jemand ein Werbeplakat überklebt hat“ schrieb die taz (1). Der Prozess endete ohne Urteil mit Einstellung. Unter der Frage „Staatsschutzdelikt Adbusting?“ konfrontierte Schrader den Innensenat mit Fragen zu dem unverhältnismäßigem Ressourcenaufwand der Ermittlungsbehörden. Jetzt ist die Antwort der Regierung da (2).

Legitimationsdruck auf Behörden

Die Antworten zeigen, dass die für den Fall erzeugte Öffentlichkeit die Innenbehörde unter Legitimationsdruck setzt. „Die Polizei versucht dem mit einer Doppelstrategie zu begegnen“ Auf der einen Seite versucht die Polizeibehörde den Fall klein zu reden“ sagt Klaus Poster, Mitglied der informellen Soligruppe um den Angeklagten. „Und auf der anderen verschanzen sie sich hinter dem Vorwurf der Staatsgefährdung.“

„Minderschwere Kriminalität“ oder „Schwerer Diebstahl“?

Die Anklage damals hatte noch unter anderen behauptet, bei Adbusting handle es sich um „Schweren Diebstahl“. Jetzt schreibt die Innenbehörde, dass sie leider keine validen Daten zu Adbusting habe, weil es sich um „minderschwere Kriminalität“ handle. „Adbusting ist kein deliktischer Erfassungsgrund“. Deshalb habe das LKA leider auch kaum Daten. Gleichzeitig suggeriert die Polizeibehörde, dass es eine Notwendigkeit gäbe, gegen diese Form der politischen Straßenkunst vorzugehen: „Im vorliegenden Fall war wegen der überwiegend anzunehmenden Zusammenhänge mit den Themenkomplexen „Antirepression“ und „Antimilitarismus“ das für politisch motivierte Kriminalität – Links  zuständige Kommissariat mit der Bearbeitung betraut.“

Verfahren gegen Polizeikritik

„Hier verrät das LKA, „Abteilung politisch motivierte Kriminalität – Links“, wann ihm Adbusting so richtig auf den Zeiger geht“ bemerkt Klaus Poster: „Im Klartext: Es stört sie, wenn Polizei und Militär kritisiert werden“. Angesichts dessen, dass von der Abteilung politisch motivierte Kriminalität der Attentäter Amri von der Observationsliste gestrichen wurde, um Linke zu überwachen, von dort Daten an Nazis weitergegeben wurden und es niemand schlimm fand, wenn Kolleg*innen rechtsextreme Weihnachtsgrüße verschicken, sollte sich die Polizei Kritik stellen. „Statt dessen leitet man bei der Polizei bei Kritik Verfahren ein“. 

Widersprüchliche Behauptungen

Auch den massiven Ermittlungsaufwand, bei dem laut Antwort zur Kleinen Anfrage drei Kriminalbeamte vier Jahre lang eine riesige Akte („drei Bände Akten, zwei Sonderbände „Beweismittel“ und eine Beiakte“) produzierten, redet der Innensenat gleichzeitig klein: „Eine Aufschlüsselung der Arbeitsstunden nur für dieses Verfahren kann jedoch nicht erfolgen, weil jede Dienstkraft zeitgleich mehrere Ermittlungsverfahren führt“, nur um dann ein paar Sätze weiter zu betonen, dass von dieser immerhin vier Jahre währenden Prioritätensetzung „andere Ermittlungsverfahren (…) nicht betroffen“ waren. Auch eine „Bündelung“ der Fälle bei einer zuständigen ermittelnden Stelle habe angeblich nicht stattgefunden.

Gab es 400, 600 oder 1000 geklaute Poster?

„Das widerspricht unserem Eindruck aus dem Gerichtsprozess“ sagt Klaus Poster. „Im Prozess sprach Kriminalkommissar Bähmisch, der zuständige Sachbearbeiter beim LKA Linksextremismus eindeutig von „wir“, als er über die Besuche der Cops in der Wall-Zentrale sprach“. Auch werde die Anzahl der bei der Hausdurchsuchung gefundenen und angeblich geklauten Poster immer höher: „Laut Akte waren es noch 400, im Prozess waren wir bei 600, nun sollen es 1000 gewesen sein.“ Und auch der angeblich nicht vorhandenen Bündelung widerspricht Klaus Posters: „Dank des Gerichtsprozesses hatten wir viel Aufmerksamkeit. Danach haben uns Leute kontaktiert, weil sie beim Adbusting erwischt wurden. Sie berichten, dass die anschließenden Vernehmungsbögen immer von Herrn Bähmisch kommen“.

PR mit doppelten Boden

Betrachtet man sich die Seite der „Geschädigten“, tauchen weitere Fragen auf. Denn bei der Bundeswehr behauptete man bisher, antimilitaristische Adbustings locker zu sehen:  „Wir sehen bislang keinen Anlass, Strafanzeigen zu erstatten“, sagte der Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums, Jörg Franke, im Jahr 2016 auf Anfrage von Peter Nowak vom Neuen Deutschland (3). Die Bundeswehrplakate hätten zum Ziel gehabt, „provokative Denkanstöße“ auszulösen. Die Adbusting-Aktionen würden für Kontroversen sorgen, die wiederum dazu beitrügen, „die Bundeswehrkampagne bekannter zu machen“.
Klaus Poster dazu: „Es scheint nicht weit her zu sein mit dem Kampagnenslogan „Wir kämpfen auch dafür dass ihr gegen uns seid“, denn das LKA begründet seinen Ermittlungsaufwand u.a. mit antimilitaristischen Adbustings. Entweder lügt die Bundeswehr und betreibt PR mit doppelten Boden oder das LKA ermittelt, obwohl es keinen Strafantrag gab.“

Das LKA gibt sich ahnungslos

Das LKA weiß also weder, wie viele Adbusting es gab, noch wie viele Anzeigen deswegen gestellt worden sind, oder wie viele Arbeitsstunden die Polizei darauf verwendet hat, die Kommunikationsguerillas zu fangen. Aber es ist sich sicher, dass das eine ganz schlimme Sache ist, wenn damit das Militär oder die Polizei kritisiert werden. „Dann muss man auch damit rechnen, das die Cops „minderschwere Kriminalität“ als „schweren Diebstahl“ zur Anklage bringen“ spöttelt Klaus Poster.

Mehr Infos zum Gerichtsprozess und Verfahren wegen Adbusting:
http://maqui.blogsport.eu/2019/11/11/bedroht-kommunikationsguerilla-den-staat/

(1) Gareth, Joswig: Vollkommen überzogen. In taz, 12.10.2019
https://taz.de/Ermittlungen-gegen-Adbusting-in-Berlin/!5628984/

(2) Staatsschutzdelikt Adbusting? Kleine Anfrage des Abgeordneten Niklas Schrader, Drucksache 18 /21 553
http://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/18/SchrAnfr/S18-21553.pdf

(3) Nowak, Peter: Kommunikationsguerilla rückt Bundeswehr zu Leibe. In: Neues Deutschland, 24.4.2016
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1009179.kommunikationsguerilla-rueckt-der-bundeswehr-zu-leibe.html

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StA Erfurt: Adbusting nicht strafbar https://plakativ.blackblogs.org/2019/11/03/sta-erfurt-adbusting-nicht-strafbar/ Sun, 03 Nov 2019 15:01:39 +0000 http://plakativ.blackblogs.org/?p=50 Continue reading StA Erfurt: Adbusting nicht strafbar ]]>

Das nd berichtet heute über eine parlamentarische Anfrage im Landtag von Thüringen. Die Polizei von Erfurt hat offensichtlich eine AfD-Betriebskampfgruppe. Und die war beleidgt, als ihr Führer Bernd Höcke auf selbstgemachten Plakaten in Werbevitrinen als „nationalistischer Rattenfänger“ kritisiert wurde. Deshalb nahmen sie DNA-Proben von den Plakaten und einem Mitarbeiter der Werbefirma. Staatsanwalt Grüneisen dazu: »Wir haben das eingestellt, weil das nicht strafbar ist«.

3.11.2019 „Ermittlungen die es nie hätte geben dürfen“ im Neuen Deutschland von Sebastian Hauk:
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1128063.zentrum-fuer-politische-schoenheit-ermittlungen-die-es-nie-haette-geben-duerfen.html

Die parlamentarischen Anfragen im Original:

Teil 1:
http://www.parldok.thueringen.de/ParlDok/dokument/71877/ermittlungen_gegen_kuenstlergruppe_dies_irae_und_dna_proben_wegen_beleidigungsverfahren_teil_i.pdf

Teil 2:
http://www.parldok.thueringen.de/ParlDok/dokument/71878/ermittlungen_gegen_kuenstlergruppe_dies_irae_und_dna_proben_wegen_beleidigungsverfahren_teil_ii.pdf

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