21.12.2023
taz, Christian Rath
https://taz.de/Repressionen-gegen-Adbusting/!5977965/
Tagesspiegel, Anne-Sophie Schakat und Madlen Haarbach
nd.online, Nora Noll
Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), Marlene Grunert
netzpolitik.org, Markus Reuter
https://netzpolitik.org/2023/bundesverfassungsgericht-hausdurchsuchung-wegen-adbusting-war-ueberzogen-und-grundrechtswidrig/
Berliner Morgenpost, Hans Cord Hartmann
https://www.morgenpost.de/berlin/article240861910/Hausdurchsuchung-bei-Plakat-Aktivistin-war-unverhaeltnismaessig.html
Deutschlandfunk, Nachrichten um 12.30 Uhr
https://www.deutschlandfunk.de/wohnungsdurchsuchung-in-bestimmten-faellen-unverhaeltnismaessig-100.html
in den 12:30-Nachrichten: https://www.deutschlandfunk.de/nachrichten-dlf-de23b65c-100.html
Tagesschau.de
https://www.tagesschau.de/inland/regional/berlin/rbb-bundesverfassungsgericht-wohnungsdurchsuchung-wegen-adbusting-verdachts-ist-unangemessen-100.html
Legal Tribute Online
https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/bverfg-az2bvr174920-unverletzlichkeitderwohnung-grundrechte-adbusting-durchsuchung-wohnung/
dpa/ AFP, div. Medien mit copy&paste
https://www.bz-berlin.de/berlin/urteil-verfassungsgericht-wohnungs-durchsuchung-war-unzulaessig
https://www.zeit.de/news/2023-12/21/durchsuchung-wegen-satire-aktion-gegen-bundeswehr-unzulaessig
]]>Großer Erfolg für politische Plakatkünstler*innen: Wer Bundeswehrwerbung öffentlich umgestaltet, darf deswegen noch lange keine Hausdurchsuchung kassieren, so beschloss heute das Bundesverfassungsgericht (Aktenzeichen 2 BvR 1749/20). Das Gericht erklärte die vom LKA Berlin 2019 wegen antimilitaristisch verbesserter Bundeswehrwerbung durchgeführten Hausdurchsuchungen für illegal. Die Berliner Polizei begründete die Hausdurchsuchungen bei Adbusting-Aktivist*in Frida Henkel und ihrer Freundin damit, dass die Bundeswehr durch politisch veränderte Werbung (Adbusting) “gar lächerlich” gemacht werde. Dieses Vorgehen enstpreche “nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit”, so das Bundesverfassungsgericht: “Die Anordnung der Durchsuchung war unangemessen, da die Schwere des Eingriffs außer Verhältnis zu dem mit ihm verfolgten Zweck steht”. Das Urteil wurde auf der Seite des BVerfG veröffentlicht.
Kritik an Bundeswehr bleibt dringend
Adbuster*innen können sich über diese Entscheidung freuen, denn überzogene Repressionen bei Staatskritik stellten keine Seltenheit dar. „Dass Karlsruhe überhaupt darüber entscheiden musste, ob man wegen bundeswehrkritischen Postern Hausdurchsuchungen machen darf, ist ein Skandal! Das zeigt bereits, dass Kritik an Polizei und Bundeswehr dringend nötig ist!“ sagt Frida.
Soligruppe spricht von „Klatsche“
Die Lage von Adbuster*innen hatte sich bereits vor der heutigen Entscheidung des Verfassungsgerichts bedeutend verbessert. „Mit rotzfrecher Öffentlichkeitsarbeit machten Adbuster*innen auf die Behörden so viel Druck, dass die Staatsanwaltschaft in den letzten Jahren ein Adbusting-Verfahren nach dem anderen einstellte und sogar eine Straffreiheitseit feststellte, wenn man eigene Poster in Werbevitrinen aufhängt“, so Klaus Poster von der Soligruppe plakativ, die die juristische Auseinandersetzung von Anfang an begleitet hat. Ihn freue die Signalwirkung, die „diese Klatsche in den Repressionsbehörden auslösen wird.“ Schließlich komme es selten vor, dass derart eindeutig über die Unverhältnismäßigkeit polizeilichen Handelns gerichtet werde.
Solidarität auf Poster
Die Berliner Adbusting-Szene solidarisiert sich mit Frida: „Sowas von Feierabend für die Cops. Schluss mit Hausdurchsuchungen wegen Adbusting!“, heißt es auf einem umgebastelten Bier-Werbeposter, das Aktivist*innen heute in eine Bushaltestelle in der Innenstadt hängten.
Eine Dokumentation über die Vorgeschichte dieses Urteils findet sich bei der Soligruppe plakativ und im Buch „Mega Unerhört: Adbusting mit Polizei und Militär“ des Berlin Busters Social Club.
Für Fragen steht am Donnerstag, 21.12. von 9-12h Prof. Dr. El-Ghazi bereit:
Univ.-Prof. Dr. Mohamad El-Ghazi
Lehrstuhl für Deutsches und Europäisches Strafrecht, Strafprozessrecht und Wirtschaftsstrafrecht
Direktor des Trierer Instituts für Geldwäsche- und Korruptionsstrafrecht (TrIGeKo)
FB V – Rechtswissenschaft
Universität Trier
54296 Trier
Telefon: +49651-201-2592
Email: [email protected]
Frida Henkel, Betroffene und Klägerin: 017657869876
Klaus Poster, Soligruppe plakativ: [email protected]
Mehr Infos:
https://plakativ.blackblogs.org
Frida im Fernsehen:
https://www.youtube.com/watch?v=r5iWCHkyxm8
Prof. Dr. Fischer-Lescano erklärt das mit dem Adbusting:
https://verfassungsblog.de/adbusting-unbequem-aber-grundrechtlich-geschuetzt/
Adbusting-Buch „Mega unerhört: Adbusting mit Polizei und Militär“ kaufen:
https://black-mosquito.org/de/mega-unerhort-adbustings-mit-polizei-und-militar.html
Outdoor-Ausstellung in Karlsruhe zu kriminalisierten Adbusting von dies irae:
https://www.facebook.com/media/set/?set=a.1486216304896837&type=3
Antifa-Adbusting
Warum eigene Poster drucken, wenn man auch Adbusting machen kann? Das dachten sich auch einige Antifaschist*innen in Berlin-Adlershof im Juni 2020. An ihrem S-Bahnhof kaperten sie eine Werbefläche mittels Papier und Kleister. Statt auf einen Streaming-Dienst für Hörbücher aufmerksam zu machen, zeigte das Poster nach der Aktion ein großes Antifa-Logo. Außerdem bekam der Werbeslogan „Füll deinen Sommer mit Geschichten“ die Ergänzung „Support your local Antifa.“
Das verschönerte Plakat war kaum zu übersehen. Leider hielt das Adbusting nicht lange. Bereits gegen Nachmittag war es von besorgten Bürger*innen abgerissen worden. Kein Wunder: In Adlershof können Nazis* und besorgte Bürger*innen normalerweise ungestört völlig offen faschistische Symbole im Alltag in der Öffentlichkeit und im Feuerwehrhaus zeigen, ohne das die guten Deutschen und Demokrat*innen sich daran stören.
Polizei stellte zwei Personen
So wundert es nicht, dass das Adbusting bereits in der Nacht einer Streife vom Abschnitt 65 aus Johannisthal aufgefallen war. Laut Akte sah eine Streifenwagenbesatzung vier unbekannte Personen, welche das Plakat umgestalteten und daraufhin aus ihrem Sichtfeld flohen. Für die Beamten des Abschnitts 65, deren Rechtsdrall im Zusammenhang mit der Weitergabe von internen Details aus der Amri-Akte an Nazichatgruppen und dem Naziterror in Süd-Neukölln einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde, ging das natürlich gar nicht und sie begannen laut Akten mit einer Nahbereichsabsuchung. Dabei stellten die Beamten einige Straßen weiter zwei Personen.
Fahndung nach Terrororganisation
Die Beamten sagten den beiden, sie wären tatverdächtig, die Verschönerung am Bahnhof begangen zu haben. Zunächst mussten sich die Polizist*innen aber erst mal darüber austauschen, ob “Antifa” nun eine verbotene Terrororganisation wäre oder nicht. Derweil lagen die beiden Betroffenen zum Terrorverdacht passend mit Handschellen gefesselt auf dem Boden. Zur völligen Überraschung der Beamten stellten sie nach telefonischer Rücksprache mit dem LKA-Dauerdienst fest, dass es sich beim Antifa-Logo weder um ein verbotenes Symbol noch um das Zeichen einer Terrorgruppe handelt.
Einstellung nach einem halben Jahr
Trotzdem beschuldigte sie der Staatsschutz im Oktober 2020 der Sachbeschädigung(Straftat) sowie des Verstoßes gegen das Presserecht (Ordnungswidrigkeit). Dabei behaupten die Beamt*innen, dass das Überkleben von Papier mit noch mehr Papier und Kleister einen Schaden von 100 Euro versucht habe. Nach Vorladungen machten die Betroffenen den Fall öffentlich. Ein halbes Jahr nach der Verhaftung wurde das Verfahren mangels Gründe für eine Anklageerhebung von der Staatsanwaltschaft eingestellt (StPO § 170,2).
Bereits im Mai 2020 stellte die Staatsanwaltschaft Berlin klar, dass das Hineinhängen von eigenen Postern in Werbevitrinen nicht strafbar sei (den Beschluss gibt’s hier). „Und nun wird auch Quatsch mit Großflächen eingestellt.“ Klaus Poster von der Soligruppe plakativ weiß aktuell nur von zwei weiteren Verfahren. „Angesichts der Popularität von Adbusting ist das nicht besonders viel. Allerdings sollte man nicht beim Adbusting lachen. Das ist strafverschärfend.“
]]>Das LKA Berlin ist so verzweifelt von überklebten Werbeplakaten, dass es linken Aktivist*innen mit Hausdurchsuchungen zu Leibe rückt. Dagegen klagt nun die Aktivist*in Frida vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe mit Unterstützung der Rechtswissenschaftler*innen Prof. Dr. Mohamad El-Ghazi (Universität Trier) und Prof. Dr. Andreas Fischer-Lescano (Universität Bremen). „Die Polizei macht sich lächerlich, wenn sie wegen veränderter Poster Hausdurchsuchungen machen“ sagt Frida. „Die brauchen da mal dringend Nachhilfe aus Karlsruhe.“
Beim Adbusting erwischt
Die Aktivistin Frida wurde zusammen mit einer anderen Person beim Aufhängen eines korrigierten Bundeswehrplakats von einer Zivilstreife beobachtet. Sie nahm die Personalien der zwei Aktivist*innen auf und beschlagnahmte das Plakat. Den scheinheiligen Satz „Geht Dienst an der Waffe auch ohne Waffe?“ verbesserten die beiden zu „Kein Dienst an der Waffe geht ohne Waffe!“
Ein Poster, drei Hausdurchsuchungen
Es folgten Hausdurchsuchungen in drei Wohnungen im Umfeld der Betroffenen. Gegen die Hausdurchsuchungen legt Frida nun Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ein. „Etwas Papier, Kleister und die Aussage ’Kein Dienst an der Waffe geht ohne Waffe’ reichen für Polizei und Landgericht also aus, um derart massiv in unsere Privatleben einzudringen“ meint Frida Henkel. „Dass das trotzdem passiert ist, kann ich mir nur damit erklären, dass wir inhaltlich diese Kritik geübt haben.“
https://www.zdf.de/nachrichten/video/panorama-adbusting-plakate-100.html
„Kritisches Adbusting ist grundrechtlich geschützt“
Auch Andreas Fischer-Lescano, Professor für Öffentliches Recht, Europa- und Völkerrecht, Rechtstheorie und Rechtspolitik, kritisiert: „Das Vorgehen gegen spezifische Meinungsinhalte wird von Art. 5 GG grundsätzlich untersagt. Es wird Zeit, dass die deutschen Sicherheitsbehörden diesen Grundsatz auch dann beherzigen, wenn es um Adbusting geht, das sich kritisch mit ihren Praxen und Imagekampagnen auseinandersetzt.“
https://verfassungsblog.de/adbusting-unbequem-aber-grundrechtlich-geschuetzt/
Eindeutig, dass Hausdurchsuchungen unverhältnismäßig sind
Mohamad El-Ghazi, Professor für Strafrecht und Strafprozessrecht an der Universität Trier ist ähnlicher Meinung: „Wir sprechen hier, wenn überhaupt, über einfachen Diebstahl, beziehungsweise über Sachbeschädigung. Bei Adbusting geht es maximal um Bagatellkriminalität. Ich glaube, es ist relativ eindeutig, dass hier Hausdurchsuchungsmaßnahmen, also Eingriffe in die Wohnung, unverhältnismäßig sind.“
https://www.sueddeutsche.de/kultur/adbusting-unverhaeltnismaessigkeit-der-mittel-1.5024488
Adbusting ist Thema im Terrorabwehrzentrum
Die harte Verfolgung von Adbustings ist kein Einzelfall: Im Gemeinsamen Extremismus- und Terrorabwehrzentrum von Bund und Ländern (GETZ) war Adbusting in 2018/19 gleich viermal Thema (https://dipbt.bundestag.de/doc/btd/19/172/1917240.pdf, S. 5). Das GETZ wurde 2012 zur Bekämpfung von Rechtsterrorismus nach dem Auffliegen des „Nationalsozialistischen Untergrundes“ gegründet. Im Jahr 2019 stand Adbusting im Verfassungsschutzbericht (https://www.verfassungsschutz.de/embed/vsbericht-2018.pdf, S. 127). Das Bundesamt für Verfassungsschutz nannte Adbusting-Aktionen, die Polizei und Militär kritisieren, in einem Atemzug mit Angriffen auf Beamte. Auch der Militärische Abschirmdienst (MAD) sammelt Informationen zu linken Adbustings (https://dipbt.bundestag.de/doc/btd/19/172/1917240.pdf, S. 7f), weil es seine Aufgabe sei, „die Sicherheit der Liegenschaften der Bundeswehr und ihrer Verbündeten zu gewährleisten.“
Fingerabdrücke und DNA-Spuren
Die Polizeien von Berlin, Bayern und Thüringen ließen gefundene Poster auf Fingerabdrücke und DNA-Spuren untersuchen. Dies ist nur bei „erheblichen“ Straftaten erlaubt. Die Verfahren zu Adbusting mit Werbevitrinen endeten bisher mit Einstellungen wegen Geringfügikeit. Der erste und bis jetzt größte Fall vor Gericht im Oktober 2019 wurde eingestellt (https://taz.de/Repression-gegen-Adbusting/!5693667/). Die Staatsanwaltschaften von Berlin, Erfurt und Hamburg stellten Adbusting ein, weil sie keine Strafbarkeit erkennen konnten.
Kritik aus der Politik
Ulla Jelpke, Abgeordnete der Linken im Bundestag unterstützt das Anliegen: „Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Sicherheitsbehörden womöglich deswegen gleich ‚Gewalt‘ und ‚Extremismus‘ rufen, weil die Plakatkünstler mit ihrer Kritik an Gewalt durch Polizei und Militär durchaus ins Schwarze getroffen haben. Getroffene Hunde bellen.“ (https://www.ulla-jelpke.de/2020/02/diskreditierung-kritischer-plakatkunst-durch-geheimdienst-ist-unverhaeltnismaessig/). Auch Anne Helm, Linksfraktion im Abgeordnetenhaus Berlin, sagt: „Adbusting ist kein Terrorismus.“
Landgericht lehnte eine Beschwerde ab
Frida hatte bereits eine Beschwerde beim Landesgericht eingereicht. Diese wurde abgelehnt. Klaus Poster von der Soligruppe plakativ dazu: „Sogar das Landesgericht muss anerkennen, dass Adbusting keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder sonst irgendwen bedeutet und in diesem Sinne eine ‚unerhebliche Straftat‘ sei.“ Doch weil LKA und Staatsanwaltschaft keinen ausreichenden Tatverdacht hatten, sagt das Landgericht, sie hätten durchsuchen müssen, um zu gucken, ob sie nicht doch einen Tatverdacht hätten finden können. Deshalb sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vorliegend „noch“ gewahrt gewesen. „Wer das jetzt gaga findet, hat es begriffen“ erläutert Klaus Poster.
Mehr Informationen zur abgelehnten Beschwerde:
https://plakativ.blackblogs.org/2020/09/11/hausdurchsuchungen-wegen-adbustings-berliner-lka-wiegt-sich-noch-in-sicherheit/
Solidarität aus der Kommunikationsguerilla
Mit Frida solidarisierten sich Adbusting-Gruppen. In Berlin hängte die Gruppe 110% subversiv gestern verbesserte Polizeiposter in Werbevitrinen. Statt „Wir schützen auch das Recht gegen uns zu sein“ hieß es auf den Postern „Wir scheißen auf das Recht gegen uns zu sein.“ Subversica Meyer, die Sprecher*in der Gruppe 110% subversiv sagte: „Außerdem sendet 110% subversiv mit ihrer Adbusting-Aktion Probs und viel Kraft an die Genossin*innen von der anarchistischen Bibliothek Kalabalik. Und an Frida, die gerade vor dem Bundesverfassungsgericht gegen eine Hausdurchsuchung wegen Adbusting klagt. Denn wir wissen ja alle: Ob friedlich oder militant – Wichtig ist der Widerstand!“
Mehr Infos und Bilder der Aktion in Berlin:
https://de.indymedia.org/node/106642
Mehr Infos:
StA Berlin: Adbusting straffrei, wenn man eigene Poster mitbringt: