21.12.2023
taz, Christian Rath
https://taz.de/Repressionen-gegen-Adbusting/!5977965/
Tagesspiegel, Anne-Sophie Schakat und Madlen Haarbach
nd.online, Nora Noll
Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), Marlene Grunert
netzpolitik.org, Markus Reuter
https://netzpolitik.org/2023/bundesverfassungsgericht-hausdurchsuchung-wegen-adbusting-war-ueberzogen-und-grundrechtswidrig/
Berliner Morgenpost, Hans Cord Hartmann
https://www.morgenpost.de/berlin/article240861910/Hausdurchsuchung-bei-Plakat-Aktivistin-war-unverhaeltnismaessig.html
Deutschlandfunk, Nachrichten um 12.30 Uhr
https://www.deutschlandfunk.de/wohnungsdurchsuchung-in-bestimmten-faellen-unverhaeltnismaessig-100.html
in den 12:30-Nachrichten: https://www.deutschlandfunk.de/nachrichten-dlf-de23b65c-100.html
Tagesschau.de
https://www.tagesschau.de/inland/regional/berlin/rbb-bundesverfassungsgericht-wohnungsdurchsuchung-wegen-adbusting-verdachts-ist-unangemessen-100.html
Legal Tribute Online
https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/bverfg-az2bvr174920-unverletzlichkeitderwohnung-grundrechte-adbusting-durchsuchung-wohnung/
dpa/ AFP, div. Medien mit copy&paste
https://www.bz-berlin.de/berlin/urteil-verfassungsgericht-wohnungs-durchsuchung-war-unzulaessig
https://www.zeit.de/news/2023-12/21/durchsuchung-wegen-satire-aktion-gegen-bundeswehr-unzulaessig
]]>Großer Erfolg für politische Plakatkünstler*innen: Wer Bundeswehrwerbung öffentlich umgestaltet, darf deswegen noch lange keine Hausdurchsuchung kassieren, so beschloss heute das Bundesverfassungsgericht (Aktenzeichen 2 BvR 1749/20). Das Gericht erklärte die vom LKA Berlin 2019 wegen antimilitaristisch verbesserter Bundeswehrwerbung durchgeführten Hausdurchsuchungen für illegal. Die Berliner Polizei begründete die Hausdurchsuchungen bei Adbusting-Aktivist*in Frida Henkel und ihrer Freundin damit, dass die Bundeswehr durch politisch veränderte Werbung (Adbusting) “gar lächerlich” gemacht werde. Dieses Vorgehen enstpreche “nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit”, so das Bundesverfassungsgericht: “Die Anordnung der Durchsuchung war unangemessen, da die Schwere des Eingriffs außer Verhältnis zu dem mit ihm verfolgten Zweck steht”. Das Urteil wurde auf der Seite des BVerfG veröffentlicht.
Kritik an Bundeswehr bleibt dringend
Adbuster*innen können sich über diese Entscheidung freuen, denn überzogene Repressionen bei Staatskritik stellten keine Seltenheit dar. „Dass Karlsruhe überhaupt darüber entscheiden musste, ob man wegen bundeswehrkritischen Postern Hausdurchsuchungen machen darf, ist ein Skandal! Das zeigt bereits, dass Kritik an Polizei und Bundeswehr dringend nötig ist!“ sagt Frida.
Soligruppe spricht von „Klatsche“
Die Lage von Adbuster*innen hatte sich bereits vor der heutigen Entscheidung des Verfassungsgerichts bedeutend verbessert. „Mit rotzfrecher Öffentlichkeitsarbeit machten Adbuster*innen auf die Behörden so viel Druck, dass die Staatsanwaltschaft in den letzten Jahren ein Adbusting-Verfahren nach dem anderen einstellte und sogar eine Straffreiheitseit feststellte, wenn man eigene Poster in Werbevitrinen aufhängt“, so Klaus Poster von der Soligruppe plakativ, die die juristische Auseinandersetzung von Anfang an begleitet hat. Ihn freue die Signalwirkung, die „diese Klatsche in den Repressionsbehörden auslösen wird.“ Schließlich komme es selten vor, dass derart eindeutig über die Unverhältnismäßigkeit polizeilichen Handelns gerichtet werde.
Solidarität auf Poster
Die Berliner Adbusting-Szene solidarisiert sich mit Frida: „Sowas von Feierabend für die Cops. Schluss mit Hausdurchsuchungen wegen Adbusting!“, heißt es auf einem umgebastelten Bier-Werbeposter, das Aktivist*innen heute in eine Bushaltestelle in der Innenstadt hängten.
Eine Dokumentation über die Vorgeschichte dieses Urteils findet sich bei der Soligruppe plakativ und im Buch „Mega Unerhört: Adbusting mit Polizei und Militär“ des Berlin Busters Social Club.
Für Fragen steht am Donnerstag, 21.12. von 9-12h Prof. Dr. El-Ghazi bereit:
Univ.-Prof. Dr. Mohamad El-Ghazi
Lehrstuhl für Deutsches und Europäisches Strafrecht, Strafprozessrecht und Wirtschaftsstrafrecht
Direktor des Trierer Instituts für Geldwäsche- und Korruptionsstrafrecht (TrIGeKo)
FB V – Rechtswissenschaft
Universität Trier
54296 Trier
Telefon: +49651-201-2592
Email: [email protected]
Frida Henkel, Betroffene und Klägerin: 017657869876
Klaus Poster, Soligruppe plakativ: [email protected]
Mehr Infos:
https://plakativ.blackblogs.org
Frida im Fernsehen:
https://www.youtube.com/watch?v=r5iWCHkyxm8
Prof. Dr. Fischer-Lescano erklärt das mit dem Adbusting:
https://verfassungsblog.de/adbusting-unbequem-aber-grundrechtlich-geschuetzt/
Adbusting-Buch „Mega unerhört: Adbusting mit Polizei und Militär“ kaufen:
https://black-mosquito.org/de/mega-unerhort-adbustings-mit-polizei-und-militar.html
Outdoor-Ausstellung in Karlsruhe zu kriminalisierten Adbusting von dies irae:
https://www.facebook.com/media/set/?set=a.1486216304896837&type=3
Das ist nicht unsere Headline, sondern die vom Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Denn wir haben gewonnen: Die Hausdurchsuchungen wegen Adbustings in Berlin sind rechtswidrig. Das hat die Polizei jetzt schwarz auf weiß.
Die Pressemitteilung vom Gericht:
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2023/bvg23-121.html
Der Beschluss:
Und das Bild oben ist von Indymedia:
]]>Mit Spannung schauen Streetart-Künstler*innen, Polizei und die Bundeswehr am Donnerstag, den 21.12. nach Karlsruhe: Um 9:30 Uhr veröffentlicht das Bundesverfassungsgericht voraussichtlich einen Beschluss in Sachen Adbusting. „Verfassungsbeschwerde gegen die Durchsuchung einer Wohnung im Zusammenhang mit einer sogenannten „Adbusting-Aktion“ (2 BvR 1749/20)“ heißt es im Terminkalender des Gerichtes.
Die Berliner Polizei hatte 2019 wegen beklebter und bemalter Werbeposter der Bundeswehr Hausdurchschuchungen und DNA-Analysen veranstaltet, weil diese die Bundeswehr „gar lächerlich“ machen. Gegen diese willkürliche Kriminalisierung wehrte sich 2020 eine Betroffene. „Am Donnerstag ließt das Bundesverfassungsgericht der Berliner Polizei hoffentlich ordentlich die Leviten!“ freut sich Klaus Poster, Sprecher*in der Soligruppe plakativ.
Übermaltes Poster führt zu Hausdurchsuchungen
Seit Beginn der „Mach was wirklich zählt!“-Werbekampage der Bundeswehr im Jahr 2015 verfolgt das Berliner LKA Menschen, die Bundeswehrposter bemalten oder bekleben, um damit die Bundeswehr zu kritisieren. Laut LKA 521 mache Adbusting die Bundeswehr „gar lächerlich“, wie die Behörde in mehreren Anträgen für Hausdurchsuchungen und DNA-Analysen schrieb.
So auch im Fall von Frida Henkel, im Frühjahr 2019 änderte sie mit Farbe und Pinsel die Aufschrift eines Bundeswehr-Plakates in einer Werbevitrine. Es bewarb offene IT-Stellen der Bundeswehr mit der Frage: „Geht Dienst an der Waffe auch ohne Waffe?“ Daraus machte sie „Kein Dienst an der Waffe geht ohne Waffe!“
Beim Aufhängen des Posters wurden sie und eine Freundin von zwei Polizist*innen beobachtet. Die Polizeibeamten beschlagnahmten das Poster und den Rohrsteckschlüssel. Einige Monate später durchsuchte die Abteilung des LKAs „Extremismus-Links“ jeweils die Wohnungen bei Frida und ihren Elternteilen und die WG der Freundin.
Bundesverfassungsbeschwerde
Doch Frida wehrte sich. Mit der Soligruppe „plakativ“, startete sie eine Kampagne, die Betroffene von unverhältnismäßigen Polizeimaßnahmen sucht und unterstützt. Der Höhepunkt: Mit den Rechtswissenschaftlern Prof. Dr. Fischer-Lescano (Uni Kassel) und Prof. Dr. El-Ghazi (Uni Trier) reichte Frida 2020 Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein. Mehr als drei Jahre später steht nun der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts unmittelbar bevor.
Unverhältnismäßige Hausdurchsuchung?
Das Verfassungsgericht soll nun entscheiden, ob die Hausdurchsuchungen überhaupt rechtmäßig gewesen sind, denn die Soligruppe „plakativ“, Prof. Dr. Fischer-Lescano und Prof. Dr. El-Ghazi und Frida sind vom Gegenteil überzeugt.
Denn die Hausdurchsuchung fand nicht wegen einer schweren Straftat statt, sondern weil Adbusting die Bundeswehr „gar lächerlich“ mache. „Wenn mein Plakat nicht die Bundeswehr kritisiert, sondern nur die Bushaltestelle dekoriert hätte, wäre der Durchsuchungsbeschluss so nie ergangen. Dass die Polizei mich wegen meiner politischen Haltung kriminalisiert kann ich nicht schweigend hinnehmen!“
Zur Einordnung: Polizeiliche Maßnahmen dürfen nicht dem Zweck dienen, Meinungen zu verfolgen. „Das Vorgehen gegen spezifische Meinungsinhalte wird von Art. 5 GG grundsätzlich untersagt. Es wird Zeit, dass die deutschen Sicherheitsbehörden diesen Grundsatz auch dann beherzigen, wenn es um Adbusting geht, das sich kritisch mit ihren Praxen und Imagekampagnen auseinandersetzt“, schrieb dazu Prof. Dr. Andreas Fischer-Lescano 2020 auf dem „Verfassungsblog“.
Solikampagne ein großer Erfolg
„Unsere Kampagne ist ein massiver Erfolg ungeachtet des Ausgangs von Fridas Beschwerde“ sagt Klaus Poster, Sprecher*in der Soligruppe „plakativ“. Die Gruppe unterstützt politische Straßenkünstler*innen, die seit 2019 von überzogenenen Polizeimaßnahmen betroffen sind.
„Von 2015 bis 2019 musste man in Berlin wegen Adbusting noch mit Hausdurchsuchungen und DNA-Analysen rechnen. Die Verfassungsbeschwerde soll vor allem dafür sorgen, dass sich Polizei und Staatsanwaltschaft in Zukunft zweimal überlegen, ob sie wegen eines satirischen Posters Haustüren eintreten.“
Adbusting de facto straffrei
In der Zwischenzeit haben Adbuster*innen die Behörden mit rotzfrecher Öffentlichkeitsarbeit aber bereits derart zurückgedrängt, dass die Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden mittlerweile landauf landab beschließen, dass das Öffnen von Werbevitrinen und das Hineinhängen eigener Poster nicht strafbar sei.
Klaus Poster: „Der Verfolgung von Meinungen, die der Polizei und der Bundeswehr nicht passen, ist dank des öffentlichen Druckes ein Riegel vorgeschoben worden.“ Adbuster*innen müssten sich schon jetzt kaum noch Sorgen über einen frühmorgentlichen Überraschungsbesuch des Landeskriminalamts machen: „Eine passender Beschluss des Bundesverfassungsgericht wäre das Sahnehäubchen.“
Viel Aufmerksamkeit für Adbuster*innen
Unterm Strich führte das Vorgehen der Polizei und der Bundeswehr dazu, dass Adbusting noch bekannter wurde. Frida Henkel wurde für ihr mutiges Engagement sogar geehrt: Die Deutsche Friedensgesellschaft-Vereinigte Kriegsgegner*innen (DFG-VK) verlieh ihr 2022 den nach dem Deserteur benannten Ludwig-Baumann-Preis.
Der Berlin Busters Social Club verlegte 2023 das Buch „Mega Unerhört: Adbusting mit Polizei und Militär“ mit vielen Adbustings gegen Polizei und Militär und auch all den Informationen zur Soli-Kampagne.
Polizei und Bundeswehr schrecken vor Adbustings zurück
Auch in der nicht-juristischen Welt zeigten sich nicht unbedingt beabsichtigte Folgen des öffentlichen Druckes beim Thema Adbusting. Nach den ersten einschlägigen Beschlüssen der Berliner Staatsanwaltschaft stoppte die Polizei Berlin ihre Außenwerbung mit Citylight-Postern im Jahre 2020.
Seitdem macht die Berliner Polizei im öffentlichen Raum nur noch sehr begrenzt Werbung. „Die Behörde bucht nur noch sehr vereinzelt sogenannte Mega-Lights in videoüberwachten Bahnhöfen, wobei die Plakate hinterm Gleis und hinter der Stromschiene hängen, sodass für eventuelle Adbuster*innen Lebensgefahr besteht“, erklärt Klaus Poster.
Kein Tag der Bundeswehr wegen Adbusting
Auch die Bundeswehr reagierte. Wegen der viele Adbusting-Aktionen mit Plakaten (und der Erfolglosigkeit der Strafverfolgung) strich das Militär im Jahr 2023 der Hauptstadt den „Tag der Bundeswehr“ und veranstaltete das Propaganda-Event lieber auf dem platten Land, wo nicht besonders viel Protest zu erwarten war.
„Ob das Bundesverfassungsgericht die Hausdurchsuchungen für rechtswidrig erklärt oder nicht, dank des medialen Interesses sind sowohl Bundis als auch Polizei eingeschüchtert und Straßenkünstler*innen zur öffentlichen Meinungsäußerung ermutigt worden – die Solikampagne war in jedem Fall ein voller Erfolg!“ so Klaus Poster.
Ansprechpartner*innen
Für Fragen steht am Donnerstag, 21.12. von 9-12h Prof. Dr. El-Ghazi bereit:
Univ.-Prof. Dr. Mohamad El-GhaziLehrstuhl für Deutsches und Europäisches Strafrecht, Strafprozessrecht und WirtschaftsstrafrechtDirektor des Trierer Instituts für Geldwäsche- und Korruptionsstrafrecht (TrIGeKo)FB V – RechtswissenschaftUniversität Trier54296 TrierTelefon: +49651-201-2592Email: [email protected]
Frida Henkel, Betroffene und Klägerin: 017657869876
Klaus Poster, Soligruppe plakativ: [email protected]
Mehr Infos
Soligruppe Plakativ: plakativ.blackblogs.org
Frida im Fernsehen:https://www.youtube.com/watch?v=r5iWCHkyxm8
Prof. Dr. Fischer-Lescano erklärt das mit dem Adbusting:
https://verfassungsblog.de/adbusting-unbequem-aber-grundrechtlich-geschuetzt/
Adbusting-Buch „Mega unerhört: Adbusting mit Polizei und Militär“ kaufen:
https://black-mosquito.org/de/mega-unerhort-adbustings-mit-polizei-und-militar.html
Outdoor-Ausstellung in Karlsruhe zu kriminalisierten Adbusting von dies irae:
https://www.facebook.com/media/set/?set=a.1486216304896837&type=3
wir bitten eine Panne zu entschuldigen. Aufgrund fehlerhafter Kommunikation unsererseits untereinander in der Soligruppe fehlt in der Mitteillung zur Verfassungsbeschwerde ein „wohl“.
Der korrigierte Satz muss lauten:
„Jetzt hat das Bundesverfassungsgericht die Beschwerde WOHL tatsächlich zur Entscheidung angenommen (2 BvR 1749/20) UND der Senatsverwaltung für Justiz und der Generalbundesanwaltschaft Gelegenheit zur Stellungnahmen gegeben.“
Wir bitten die Panne zu entschuldigen. Wir sind keine Hauptamtlichen, die sowas täglich machen, sondern Freiwillige in einer Soli-Gruppe, die sich aus Überzeugung politisch engagieren. Trotzdem darf so eine Panne natürlich nicht passieren, und wir bedauern den Vorfall sehr.
Klaus Poster, Soligruppe plakativ
PS: Der korrigierte Text:
In der Auseinandersetzung um das politische motivierte Verändern von Bundeswehr-Plakaten (Adbusting) könnte den Berliner Ermittlungsbehörden die nächste Niederlage drohen. Nach einer Razzia bei einer Studentin klagte diese gegen die Hausdurchsuchung in Karlsruhe. Jetzt hat das Bundesverfassungsgericht die Beschwerde wohl tatsächlich zur Entscheidung angenommen (2 BvR 1749/20) und der Senatsverwaltung für Justiz und der Generalbundesanwaltschaft Gelegenheit zur Stellungnahmen gegeben. „Nur ca. 2% der Eingaben, die in Karlsruhe landen, werden vom Bundesverfassungsgericht überhaupt zur Entscheidung angenommen. Und unsere Beschwerde ist wohl eine davon!“, freut sich die Klägerin Frida Henkel. Die Polizei Berlin hat bereits reagiert: Um Adbustings und die mit der Repression einhergehenden Blamagen zu vermeiden, verzichtete die PR-Abteilung der Polizei die letzten zwei Jahre auf Werbeposter in Werbevitrinen.
September 2019: Das LKA Berlin durchsucht drei Wohnungen in Berlin, u.a. bei der nun klagenden Jura-Studentin Frida Henkel. Frida hatte ein Werbeplakat der Bundeswehr bemalt. Das Militär suchte mit dem Slogan „Geht Dienst an der Waffe auch ohne Waffe?“ nach IT-Kräften. Frida machte daraus: „Kein Dienst an der Waffe geht ohne Waffe!“ Diese Aktionsform nennt sie „Adbusting“. Eine Zivilstreife beobachtet Frida und eine Freundin dabei, wie sie das Poster wieder in eine Werbevitrinen hängen wollten und nahm die Personalien der beiden auf. Im Einsatzbericht schreiben die Cops, dass auch der von ihnen angerufene Hauptkommissar nicht wisse, ob das überhaupt strafbar sei.
Überraschende Hausdurchsuchung
Einige Monate später die überraschende Wendung: Nach Adbusting-Aktionen zum „Tag der Bundeswehr“ 2019 beschließt das LKA in Ermanglung besserer „Spuren“ die Plakate auf DNA Spuren zu untersuchen und bei ihnen bereits bekannten Adbusterinnen Hausdurchsuchungen durchzuführen. Das LKA erklärt im Antrag zur Erwirkung des Durchsuchungsbeschluss, warum ein bisschen Papier und Kleber ihrer Meinung nach einen Eingriff in das Grundrecht auf die Unverletzlichkeit der Wohnung rechtfertigen: Die Aktionsform sei geeignet, den ursprünglichen Sinn der Bundeswehrwerbung „gar lächerlich“ zu machen. „Der Grund für die Hausdurchsuchungen ist, dass ich die Bundeswehr kritisiert habe.“ sagt Frida. „Deshalb wehren wir uns dagegen vor dem Bundesverfassungsgericht!“
Beschwerde in Karlsruhe
Die Klage in Karlsruhe reichte Frida Henkel gemeinsam mit den Rechtswissenschaftlern Prof. Dr. Mohamad El-Ghazi (Universität Trier) und Prof. Dr. Andreas Fischer-Lescano (Universität Bremen) ein. Mit vorläufigem Zwischenerfolg: Das Bundesverfassungsgericht hat sich dem Fall angenommen. Das bedeutet, dass das Gericht beschlossen hat, dass Fridas Fall eine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung hat und in der Sache eine Entscheidung notwendig ist. „Doch bis es soweit ist, kann leider noch einige Zeit vergehen“, sagt Frida.
Unbequemes Adbusting ist grundrechtlich
geschützt Vom Landgericht Berlin war Fridas Klage gegen die Hausdurchsuchungen zuvor noch abgewiesen worden. Es urteilte 2020: „Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit war vorliegend (noch) gewahrt“. Das sieht Prof. Dr. Fischer-Lescano, einer der Unterstützer der Verfassungsbeschwerde, anders. Auf einem Beitrag im Verfassungsblog schreibt er: „Das Vorgehen gegen spezifische Meinungsinhalte wird von Art. 5 GG grundsätzlich untersagt. Es wird Zeit, dass die deutschen Sicherheitsbehörden diesen Grundsatz auch dann beherzigen, wenn es um Adbusting geht, das sich kritisch mit ihren Praxen und Imagekampagnen auseinandersetzt.“ https://verfassungsblog.de/adbusting-unbequem-aber-grundrechtlich-geschuetzt/
Ist Adbusting überhaupt strafbar?
Dank der Medienöffentlichkeit, die Frida und andere kriminalisierten Adbuster*innen erwirkten, sind die Ermittlungsbehörden beim Verfolgen von Adbuster*innen inzwischen vorsichtiger geworden. Sogar die Berliner Staatsanwaltschaft vertritt mittlerweise die Auffassung, dass das Hineinhängen von eigenen Postern in Werbevitrinen nicht strafbar ist.
Laut den Dokumentationen der Soligruppe plakativ wurden in Berlin bereits Verfahren wegen Diebstahl (231/js1331/20), schwerem Diebstahl, Sachbeschädigung (231/js1331/20), Beleidigung, Übler Nachrede, Störpropaganda gegen die Bundeswehr (gibts wirklich, https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/19/SchrAnfr/S19-10958.pdf) und Erschleichen von Leistungen1 eingestellt. Ahnliche Entscheidungen gibt es von Strafverfolgungsbehörden aus Hamburg, München, Erlangen, Erfurt (https://www.nd-aktuell.de/artikel/1128063.zentrum-fuer-politische-schoenheit-ermittlungen-die-es-nie-haette-geben-duerfen.html), Stuttgart, Bremen und anderen Städten.
Polizei mit neuer Strategie
Statt sich immer neue Paragrafen auszudenken, ist auf eine zuverlässigere Strategie gegen Adbustings an Polizeipostern gewechselt. „Zwar hat der Zoll, die Justiz oder Bundespolizei in Berlin Werbekampagnen durchgeführt, doch die Polizei Berlin verzichtet seit zwei Jahren auf Plakatkampagnen in Werbevitrinen im Nahverkehr“ bericht Klaus Poster von der Frida unterstützenden Soligruppe plakativ. Die wenigen Poster der Polizei Berlin im Megalight-Format hingen ausschließlich in videoüberwachten Stationen hinterm Gleis und der Stromschiene. „Schön, dass auch die Berliner Polizei ihren Umgang mit Adbustings letztlich zumindest teilweise überdacht hat.“ https://110prozentberlin.wordpress.com/
Auch die Bundeswehr ist auf dem Rückzug
Kein Einzelfall: Auch die Bundeswehr nahm von ihren Plänen Abstand, den Tag der Bundeswehr in Berlin zu veranstalten. Ein Grund: Kontinuierliche Proteste mit gefälschten Postern, Fake-Schreiben und anderem Kreativprotest: https://www.bild.de/regional/berlin/berlin-aktuell/gunnar-schupelius-mein-aerger-bundeswehr-weicht-in-berlin-vor-linksextremisten-z-83180440.bild.html
Hintergrundinfos: Analyse zum Fall von Prof. Dr. Fischer-Lescano: https://verfassungsblog.de/adbusting-unbequem-aber-grundrechtlich-geschuetzt/
In Legal Tribune Online erklären drei Profs die juristische Lage von Fridas Fall: https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/hausdurchsuchung-nach-adbusting-jurastudentin-verfassungsbeschwerde-strafbar-diebstahl-sachbeschdigung-urheberrechtsverletzung/
Frida berichtet dem Y-Kollektiv von ihrer Aktion und der Hausdurchsuchung: https://www.zdf.de/funk/ykollektiv-1059/funk-adbusting-kunst-protest-oder-gefaehrlicher-extremismus—y-kollektiv-102.html
Frida beim ZDF: https://www.zdf.de/nachrichten/video/panorama-adbusting-plakate-100.html
Die damalige Aktion der „Interventionistischen Linken“ kritisierte den Geheimdienst „Verfassungsschutz“, weil dieser die Aufklärung der Morde und Bombenattentate sabotierte und anschließend die Akten schredderte. „Sachliche Kritik am Geheimdienst reicht offenbar für eine Erwähnung im Terrorzentrum“ fasst Klaus Poster, Sprecher*in der Soligruppe plakativ die Kleine Anfrage zusammen. Die ganze Antwort der Bundesregierung finden Sie hier (Drucksache 20/2264).
Nicht strafbar- trotzdem Terrorzentrum?
Denn strafbar sind diese Aktionen nicht. Anlässlich anderer Adbusting-Aktionen sammelte die Soligruppe plakativ Entscheidungen von Staatsanwaltschaften. Das Ergebnis aus Berlin, Hamburg, Erlangen, München, Stuttgart: Das Hineinhängen eigener Plakate in Werbevitrinen im öffentlichen Raum ist nicht strafbar, wenn dabei nichts beschädigt oder gestohlen wird. „Aus genau diesem Grund scheiterte 2019 in Berlin der
allererste Adbusting-Gerichtsprozess in der Historie der Bundesrepublik nach der Wiedervereinigung“ erklärt Klaus Poster, Sprecher*in der Soligruppe plakativ. „Und wie die Bilder der Aktion zeigen, ist die IL genauso vorgegangen.“
https://10jahredanach.noblogs.org/
https://twitter.com/iL_Hamburg/status/1456183966571106310/photo/4
Terrorzentrum guckt regelmäßig Adbustings
Laut vorherigen Kleinen Anfragen waren bereits 2018/19 unter dem damaligen Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) vier Adbusting-Aktionen Thema im Terrorzentrum GETZ. Die Bundesregierung weigerte sich damals, mitzuteilen, um welche vier Aktionen es sich
handele. Denn diese Information würden angeblich die Sicherheit der Bundesrepublik bedrohen. Wenige Wochen später machte der Berliner Innensenat drei der Aktionen bekannt. Eine davon kritisierte die Geheimdienste ebenfalls wegen ihrer Rolle im NSU-Skandal. „Wenigstens
gibt die Bundesregierung diesmal zu, dass die Geheimen Kritik stört und erfindet nicht wieder irgendeinen Bullshit“ sagt Klaus Poster, Sprecher*in der Soligruppe plakativ.
Terrorzentrum verfolgt Peng-Kollektiv
Auch 2021 stand das Terrorzentrum GETZ in der Kritik, weil eine parlamentarische Anfrage des Berliner Abgeordneten Niklas Schrader zeigte, dass das Terrorzentrum die Kleinkunstgruppe „Peng-Kollektiv“
beobachtete. Grund dafür war eine Website, welche die Standorte von Kolonialismus und Rassismus verherrlichenden Schandmalen zeigte. Durch das Label „Terror“ enthemmt, führte der Berliner Staatsschutz bei
Adbuster*innen und beim Kleinkunstkollektiv „Peng“ Hausdurchsuchungen und DNA-Analysen durch. Gestoppt wurde die Polizei erst durch die Empörung von Öffentlichkeit, Medien und Abgeordneten.
https://pen.gg/2021/offener-brief-der-vielen-an-den-berliner-senat/
Das Terrorzentrum GETZ wurde nach der Selbstenttarnung des NSU gegründet. Das Terrorabwehrzentrum GETZ sollte Geheimdienste und Polizei besser vernetzen und außerdem institutionellem Rassismus vorbeugen. „Wie der Rassismus verschwinden soll, weil mensch autoritäre Charaktere von
42 Behörden gemeinsam alle zwei Wochen in einem Raum sperrt, ist mir schleierhaft“ kommentiert dies Klaus Poster. „Kein Wunder, dass die sich da jetzt lieber über Kritik von links ärgern, statt Nazi-Terror zu verhindern.“
Kunstausstellung mit Adbustings
Wer jetzt auch mal Adbustings sehen möchte, muss dafür nicht ins Terrorzentrum GETZ. In Berlin eröffnete am Freitag, den 17. Juni 2022 „Werbepause: The Art of Subvertising“. Die Ausstellung im Künstler*innenhaus Kreuzberg zeigt Adbustings aus ganz Europa von über
50 Künstler*innen. Mit dabei: Adbustings, die den Geheimdienst kritisieren und 2019/20 Thema im Terrorzentrum GETZ waren und weitere Kunstwerke, wegen denen die Behörden DNA-Analysen und Hausdurchsuchungen
veranstaltete. Die vom Hauptstadt-Kulturfonds mit 75.000 Euro unterstützte Ausstellung ist noch bis zum 21.8.2022 zu sehen.
https://www.kunstraumkreuzberg.de/programm/werbepause-the-art-of-subvertising/
Das Interesse der Kunstwelt an Adbustings ist kein Einzelfall. In Hamburg zeigte das Museum für Kunst und Gewerbe bis vor Kurzem die Ausstellung „Poster und Papierkram. Ein Glossar des Sammelns“. Mit
dabei: Adbustings der Gruppe Dies Irae, wegen der es 2019 zu einem Gerichtsprozess kam. Und auch die NSU-Adbustings im Terrorzentrum waren 2021 bereits Teil der Ausstellung „Friendly Capitalism Lounge Vol. 17“ des Berlin Busters Social Club in der Berliner Galerie Neurotitan.
https://neurotitan.de/Galerie/Archiv/2021/20210327_neurotitan_2020.html
Mehr Infos:
Artikel auf netzpolitik.org zum letzten Mal, als Adbustings im GETZ
Thema waren:
https://netzpolitik.org/2020/mit-geheimdienst-polizei-und-terrorabwehrzentrum-gegen-ein-paar-veraenderte-plakate/
Wegen Adbustings gab es auch schon Hausdurchsuchungen. Eine
Jurastudentin klagt deswegen in Karlsruhe:
https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/hausdurchsuchung-nach-adbusting-jurastudentin-verfassungsbeschwerde-strafbar-diebstahl-sachbeschdigung-urheberrechtsverletzung/
Update vom 30. März 2022
Netzpolitik.org
Für Netzpolitik.org recherchierte Markus Reuter. Er veröffentliche am 9. März 2022 „Einschüchternde Ermittlungen wegen Seehofer-Plakat“:
https://netzpolitik.org/2022/satire-zu-polizeiproblem-einschuechternde-ermittlungen-wegen-seehofer-plakat/
Außerdem schrieb er den Kommentar „Kleinkarierte Demonstration der Macht“
https://netzpolitik.org/2022/ermittlungen-wegen-satire-plakat-kleinkarierte-demonstration-der-macht/
Golem
Am 10. März 2022 schrieb Moritz Tremmel bei Golem über „Ermittlungen wegen „verfassungsfeindlichem“ Seehofer-Plakat“:
https://www.golem.de/news/polizei-ermittlungen-wegen-verfassungsfeindlichem-seehofer-plakat-2203-163763.html
Tag24.de
Am 11. März berichtete Eric Hofmann für Tag24 aus Dresden, weil da die Augenklappen-Poster nochmal aufgetaucht sind und erwähnt auch das Strafverfahren:
https://www.tag24.de/dresden/polizeiproblem-mit-rechts-extremisten-kuriose-seehofer-plakate-in-dresden-aufgetaucht-2367334
Heise.de
Am 12. März 2022 veröffentlichte Peter Nowak den Bericht „Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Aktion „Augenklappe Korpsgeist“:
https://www.heise.de/tp/features/Staatsanwaltschaft-ermittelt-wegen-Aktion-Augenklappe-Korpsgeist-6547277.html
Neues Deutschland
Am 14. März 2022 berichtete Peter Nowak über „Seehofers Rache“ im Neuen Deutschland“:
https://peter-nowak-journalist.de/2022/03/14/seehofers-rache/
Junge Welt
Am 14. März 2022 interviewte Jan Grewe das Adbusting-Kollektiv Dies Irae:
https://www.jungewelt.de/artikel/422534.adbusting-wir-berufen-uns-auf-die-meinungs-und-kunstfreiheit.html
Dooflandfunk Kultur
Am 16. März 2022 berichtete Massimo Maio im Dooflandfunk Kultur über eine „Peinliche Posse für den Staat“:
https://www.deutschlandfunkkultur.de/adbusting-mit-polizei-gegen-veraenderte-plakate-100.html
Social Media
Bei Social Media lief die Story recht gut. Sowohl Netzpolitik.org als auch Dies Irae hatten auf ihren Plattformen viele Reaktionen. Hervorheben möchten wir dieses Youtube-Video von „Nik so Wichtig“, weil wir die Kritik an der Aktion recht gelungen finden. Außerdem hat das Video lediglich knapp über 900 Views, aber fast 50 Kommentare:
Känguru-Comic von Marc-Uwe Kling
Der täglich erscheinende Känguru-Comic vom 30. März 2022 auf Zeit-Online verdichtet die Seehofer-Aktion auf den Streisandeffekt: „…die ungeliebte Botschaft jetzt überall ist?“ Gelungen, für vier Kacheln Comicstrip und wie aufwendig is das bidde, da das Adbusting nachzuzeichnen?!
In Frankfurt/Main, Berlin, Köln, München und über 20 weiteren Städten waren sie bereits zu sehen: Vermeintliche Werbeplakate mit dem Gesicht des damaligen Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und einer Augenklappe über dem rechten Auge. Mit der groß angelegten Plakat-Aktion kritisierte das Adbusting-Kollektiv DIES IRAE die Politik des Ministers. Nachdem zahlreiche rechte Vorfälle in der Polizei bekannt wurden, weigerte sich Seehofer, untersuchen zu lassen, wie weit rechte Einstellungen in der Polizei verbreitet sind. Die Plakate kritisieren dies mit dem Text: „NEU NEU NEU: Augenklappe „Korpsgeist“. Die einfache Lösung gegen Rechtsextremismus! Der rechte Rand verschwindet sofort! 100% blickdicht! Undurchlässig für Aufklärung! Macht Studie zu rassistischer Polizei überflüssig!“
Anzeige gegen den üblichen Verdächtigen
Mit den Plakaten beschäftige sich nun der Staatsschutz, erklärt das Adbusting-Kollektiv DIES IRAE: „Wir wurden von Tobias kontaktiert. Er hat eine Vorladung der Polizei wegen Verunglimpfung der Regierung bekommen“. Tobias stand schon im Herbst 2019 vor Gericht. Der Staatsschutz des LKA Berlin warf ihm nach einer Hausdurchsuchung vor, Plakate der Gruppe DIES IRAE unerlaubt in Werbevitrinen aufgehängt zu haben. [Der Prozess endete mit einer Einstellung, da das Gericht keine Strafbarkeit erkennen konnte, wenn man eigene Plakate in Werbevitrinen hängt).
„Aber als Revanche-Foul hat die Polizei mich beim BKA in eine Datenbank eingetragen“, sagt Tobias. Trotz der Einstellung des Verfahrens stünde nun in der Datenbank, dass Tobias das Adbusting-Kollektiv DIES IRAE sei. „Ich bin also der übliche Verdächtige…“
Tobias erhielt die Vorladung bereits im August 2021 (Staatsanwaltschaft Wiesbaden Geschäftszeichen: 1848 UJs 57700/21). „Ich habe so lange mit der Veröffentlichung gewartet, weil ich nach dem anstrengendem Gerichtsverfahren und der traumatisierenden Hausdurchsuchung vor allem meine Ruhe haben wollte“, erklärt Tobias. Doch die Hausdurchsuchungen beim Peng-Kollektiv und dem Zentrum für Politische Schönheit in den letzten Wochen hätten ihm gezeigt, dass die Ermittlungen gegen ihn kein Einzelfall sind: „In diesem Land läuft was gehörig schief, wenn laufend gegen satirische und politische Kunst vorgegangen wird.“
Ansehen des Staates gefährdet?
Seda Başay-Yıldız, Rechtsanwältin aus Frankfurt/Main, erklärt: „Der §90b StGB sagt, dass mit mindestens drei Monaten Gefängnis bestraft wird, wer öffentlich durch Verbreiten eines Inhalts die Regierung oder eines ihrer Mitglieder in dieser Eigenschaft in einer das Ansehen des Staates gefährdenden Weise verunglimpft.“ Aus Absatz 2 gehe hervor, dass die Tat nur mit Ermächtigung des betroffenen Regierungsmitglieds verfolgt wird. „Hier wird das Strafgesetz für eine Strafverfolgung wegen satirischer Plakate missbraucht!“
Jörg Schindler, Bundesgeschäftsführer der Partei DIE LINKE, erklärt dazu: „Das Plakat ist keine Verunglimpfung von Verfassungsorganen, sondern berechtigte Kritik an Innenminister Seehofer, die durch die Meinungs- und Kunstfreiheit gedeckt ist. Die neue Innenministerin Nancy Faeser hat bei ihrer Vorstellung deutlich gemacht, dass sie es anders machen und den Kampf gegen rechts aufnehmen will. Nun soll sie sich für die Einstellung des Verfahrens einsetzen und damit zeigen, dass es ihr damit ernst ist. Wir sind solidarisch mit dem Adbusting-Kollektiv DIES IRAE. Wir brauchen gerade in diesen Zeiten mehr und nicht weniger engagierte politische Kunst. Politische Aktionskunst vom Verfassungsschutz und dem ,Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum‘ verfolgen zu lassen ist einer Demokratie eine dramatische Fehleinschätzung.“
Zur Strafverfolgung bezieht Klaus Staeck, Ehrenpräsident der Berliner Akademie der Künste, wie folgt Stellung: „Kritik von Kulturschaffenden in der Kunstform der Satire wird immer wieder versucht zu kriminalisieren. Ich hatte als Künstler über 40 juristische Auseinandersetzungen wegen meiner satirischen Plakate, die ich alle gewonnen habe. Schon Heinrich Böll hat mit Blick auf meine künstlerisch-politische Arbeit erklärt: ‚Satire ist kein Himbeerwasser’“.
Die Stuttgarter Polizei kam bei einer Prüfung zu einer ganz anderen juristischen Einschätzung. Dort hingen die Augenklappen-Plakate bereits im Juli 2021. Der Stuttgarter Zeitung sagte die Pressesprecher*in der Polizei: „Es liegt keine Straftat vor.“
Nicht das erste Mal
Das Innenministerium und Horst Seehofer ärgern sich nicht zum ersten Mal über Adbustings. Bereits 2019 erschien mit einem persönlichen Vorwort des Ministers Hetze gegen Adbusting im Bundesverfassungsschutzbericht. Die Geheimen aus Heimat-Horsts Ministerium stellten in ihrem Bericht das Verändern von Werbeplakaten auf eine Stufe mit Angriffen auf Beamte: „Neben physischen Angriffen auf Polizeikräfte versuchen Linksextremisten gezielt, die Polizeibehörden allgemein in der Öffentlichkeit zu diskreditieren. Dazu bedienen sie sich neben den klassischen Verbreitungsformen wie Printmedien auch der Aktionsform des ,Adbustings‘“ (Bundesverfassungsschutzbericht 2018, S. 127).
Ein Fall fürs Terrorabwehrzentrum?
Die geheimdienstliche Hetze hatte konkrete Folgen. [2018/19 war Adbusting viermal Thema im in der Verantwortlichkeit des Innenministerium liegendem Terrorabwehrzentrum GETZ->https://netzpolitik.org/2020/mit-geheimdienst-polizei-und-terrorabwehrzentrum-gegen-ein-paar-veraenderte-plakate/]. „Dass sich ein Terrorabwehrzentrum statt mit Terror mit veränderten Werbeplakaten beschäftigt, zeigt, wie sehr das Innenministerium unter Horst aus dem Ruder gelaufen ist“, kommentiert Klaus Poster von der Soligruppe plakativ. „Wir fordern von der neuen Ministerin Faeser, dass sie die Verfolgung von Adbusting durch das BMI, das Terrorabwehrzentrum und das BfV sofort unterbindet!“
Alles Einzelfälle?
„Fast jede Woche werden neue Fälle bekannt, in denen sich Polizist*innen Nazibilder schicken, Gewalt gegen migrantisierte Personen verüben oder ,Racial-Profiling‘ als normale Polizeiarbeit deklarieren“, sagt eine Sprecher*in von DIES IRAE. Rechte Netzwerke werden bei der Polizei systematisch geduldet. Institutionalisierter Rassismus in der Polizei sei vom Innenminister Seehofer billigend hingenommen worden. „Statt etwas gegen institutionellen Rassismus zu unternehmen, ärgern sich Leute wie Seehofer lieber über Adbustings. Um die neue Regierung an den bestehenden Handlungsbedarf zu erinnern, werden wir auch weiter Plakate aufhängen.“
Mehr Informationen:
Aktenzeichen der Staatsanwaltschaft Wiesbaden: 1848 UJs 57700/21
Einstellung des Prozesses gegen Tobias im Herbst 2019
https://taz.de/Ermittlungen-gegen-Adbusting-in-Berlin/!5628984/?goMobile2=1576972800052
„Die Stuttgarter Polizei rechnet bei den Plakaten mit Horst Seehofer nicht mit juristischen Konsequenzen für die Urheber der Aktion. Es liege keine Straftat vor.“
https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.adbusting-in-stuttgart-plakat-aktion-gegen-polizei.22abfcda-af5c-4aef-af8d-c88b858c7be6.html?utm_term=Autofeed&utm_campaign=Echobox&utm_medium=Social&utm_source=Twitter#Echobox=1627302156
Mit dem Terrorabwehrzentrum gegen Adbusting
https://netzpolitik.org/2020/mit-geheimdienst-polizei-und-terrorabwehrzentrum-gegen-ein-paar-veraenderte-plakate/
Soligruppe plakativ:
https://plakativ.blackblogs.org
Die Themen und Termine im einzelnen:
Workshop: Aussage verweigern und Polizeikontakttraining, Sa. 13.11.21, 16h
Sich nicht selbst zu belasten ist ein demokratisches Grundrecht. Die Praxis zeigt jedoch, das nichts sagen gar nicht so einfach ist. Deswegen üben wir das gemeinsam. Wir machen einen theoretischen Teil und einen praktischen Teil. Im theoretischen Teil machen wir die Teilnehmenden mit der Rechtsgrundlage vertraut (Information hilft beim selbstbewussten Auftreten) und zeigen anhand von unserer Aktensammlung, wie sehr es die Cops frustriert, dass die Chaot*innen immer die Aussage verweigern. Im zweiten Teil üben wir individuelle Taktiken der Aussageverweigerung.
Mehr Infos zum Ablauf, Teilnahmebedingungen und Anmeldung und so:
https://plakativ.blackblogs.org/2021/10/26/workshop-aussage-verweigern-und-polizeikontakttraining-sa-13-11-21-16h/
Online-Workshop: Chaot*innen und Kleine Anfragen, Do. 18.11.21, 19h
Kleine Anfragen sind ein wichtiges parlamentarisches Recht. Aus kulturellen Gründen nutzt die radikale Linke diese Möglichkeit kaum. Wir zeigen am Beispiel unserer Soli-Kampagne, wie wir in Zusammenarbeit mit Abgeordneten und ihren Mitarbeiter*innen parlamentarische Anfragen genutzt haben, um ein Politikum zu erzeugen, über das in den Medien berichtet wird. Und wie wir manchmal neues herausgefunden haben. Und wir diskutieren, wie Aktivist*innen mit Abgeordneten zusammen arbeiten können.
Mehr Infos zum Ablauf, Teilnamebedingungen und Anmeldung und so:
https://plakativ.blackblogs.org/2021/10/28/online-workshop-chaotinnen-und-kleine-anfragen-do-18-11-21-19h/
Online-Workshop: Verfassungsbeschwerde und Akteneinsicht und Akteneinsicht leicht gemacht! Sa. 20.11.2021, 16h
Karlsruhe: Das bloße Wort ist respekteinflößend, denn dort sitzt das Bundesverfassungsgericht. Doch da zu klagen ist gar nicht so schwer. Unsere Beschwerde gegen die Hausdurchsuchung haben wir für die erste Instanz mit Unterstützung durch RA Jonas Ganz selbst geschrieben. War gar nicht so schwer. Wir diskutieren, welche Möglichkeiten eine Verfassungsbeschwerde rechtlich und für Öffentlichkeitsarbeit bietet und wie man sowas vielleicht am besten angehen sollte. Voraussetzung dafür war, Betroffene dazu zu bringen, sich ihre Akte klar zu machen. Das war gar nicht so leicht, denn die meisten Linken halten das für Raketenwissenschaft, das man sich Polizeiakten anschauen könnte. Wir diskutieren über die Möglichkeiten der Akteneinsichtnahme und unter welchen Bedingungen man diese veröffentlichen darf.
Mehr Infos zum Ablauf, Teilnahmebedingungen und Anmeldung und so:
Leider muss der Workshop krankheitsbedingt ausfallen.
Hyprid-Workshop: Rotzfreche Öffentlichkeitsarbeit, Sa. 27.11.21, 16h
29. Oktober 2021 plakativ
Die tollste Aktion ist in ihrer Reichweite doch arg begrenzt, wenn man keine Öffentlichkeitsarbeit dazu macht. Und während sich viele linke Gruppen einigeln, wenn sie mit Repression konfrontiert sind, möchten wir hingegen aufzeigen, das selbst unter Repressionsdruck der Schritt an die Öffentlichkeit sehr vielversprechend sein kann. Denn die Geheimen von VS und LKA scheuen das Licht der Öffentlichkeit wie der Teufel das Weihwasser. Wir reden außerdem über Missverständnisse zwischen Aktivismus und Journalismus.
Mehr Infos zum Ablauf, Teilnahmebedingungen und Anmeldung und so:
Und falls jemand Bock hat, unsere Werbung zu supporten, gibts hier die A3-Datei (pdf) zum Ausdrucken auf dem Bürodrucker des Vertrauens
Veranstaltungsreihe Rotzfreche ÖA
Die Veranstaltungsreihe wird unterstützt von der Rosa-Luxemburg-Stiftung
Findet wegen der Seuche nur online statt!
Ablauf
1. Erwartungshaltung/Vorstellungsrunde
2. Warum PR? Eine ganz kurze Runde Angeberei, wo wir zeigen, wie es möglich war, dass 2018/19 noch wegen Adbusting Hausdurchsuchungen stattfanden, die Cops DNA-Spuren suchten und das Terrorabwehrzentrum GETZ ermittelte, während jetzt Adbusting de facto entkriminalisiert ist und sich die Polizei Berlin nicht mehr traut, Werbeposter aufzuhängen (zusammen mit Punkt 1 30min.).
3. Wie sieht eine Pressemitteilung aus?
Kleingruppenarbeit mit echten Pressemitteilungen und anschließender Auswertung des Presse-feedbacks (60 min)
Pause
4. PR praktisch
Wie erreiche ich Journalist*innen? (90 min)
5. Feedback/Auswertung
Ende gegen 20h
Wann?
Samstag, den 27.11.2021 um 16h
Wo?
Findet wegen der Seuche nur online statt!
Den Link zur Online-Veranstaltung schicken wir nach der Anmeldung rum.
Anmeldungen?
Bitte an [email protected]. Dann bekommt ihr den Link.
Kosten?
Keine- dank der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Vielen Dank dafür.
Barrierefreiheit?
Geht so. Und wir sind auch nur so semi sensibilisiert. Bitte schreib uns, was Du brauchst und wir versuchen es einzurichten.
Die Veranstaltung wird unterstützt von der Rosa-Luxemburg-Stiftung