1. Mai – prisonsociety https://prisonsociety.blackblogs.org Sun, 14 Apr 2019 12:51:10 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 Ein anarchistischer Monat im Mai https://prisonsociety.blackblogs.org/2019/04/13/ein-anarchistischer-monat-im-mai/ Sat, 13 Apr 2019 21:01:24 +0000 http://prisonsociety.blackblogs.org/?p=262 Continue reading Ein anarchistischer Monat im Mai ]]> Einige Leute denken, dass der 1. Mai ein reformistischer Feiertag ist. Tatsächlich wurde dieses Datum von der Linken und sogar von vielen Staaten wiedererlangt. Der 1. Mai ist offiziell der Tag der Arbeit, und als solcher ist er in vielen Ländern ein Tag in dem die harte Arbeit (im positiven Sinne) gefeiert wird, und Gewerkschaftsorganisationen (ob anarchistisch oder nicht) haben ihn zu ihrem Haupttermin des Jahres gemacht, an dem jeder mit seiner Flagge und seinem Banner auf die Straße geht, um im linken Karneval durch die Straßen zu ziehen.

Es ist eigentlich ziemlich lustig, dass Reformisten ein solches Datum feiern, denn der erste Mai ist für Anarchisten nicht der Tag der Arbeit, sondern das Gedenken an das, was im Mai 1886 in Chicago (USA) geschah, als Arbeiter, Anarchisten, häufig Migranten (aus Deutschland, Irland, Italien, etc.) einen massiven Streik begannen, um weniger Stunden zu arbeiten (die berühmten Streiks, um den achtstündigen Arbeitstag). In den Zeitungen dieser Anarchisten (einige davon in deutscher Sprache, wie z.B. Arbeiter-Zeitung) gab es Aufrufe, die Waffen gegen die Bosse und die Polizei zu erheben, Aufrufe zum Bombenbau. Und das ist in der Tat passiert, die Worte waren damals nicht nur Tinte, und während einer Kundgebung am Haymarket, die von der Polizei sehr gewaltvoll unterdrückt wurde (damals bedeutete dies, dass es Tote gab), wurde eine Bombe auf Polizisten geworfen, ein Polizist wurde getötet, und sieben Weitere wurden in dem folgenden Kampf getötet.

Infolgedessen wurden 8 Anarchisten vor Gericht gestellt und 5 zum Tode verurteilt. Einer von ihnen, ein Experte für Dynamit, beging Selbstmord in seiner Zelle, und vier wurden gehängt. Entgegen dem Mythos der linken Propaganda sind die Anarchisten vom Haymarket jedoch weder unschuldige Opfer, noch Märtyrer (Märtyrertum ist ein religiöses Konzept). Sie alle waren aktiv an der anarchistischen Propaganda beteiligt, sie schrieben in jenen Zeitungen, die den Griff nach Waffen und Bomben forderten und selbst Bomben bauten, und sie wurden verhaftet, weil ihre Tätigkeit als anarchistische Propagandisten sie für die Augen des Staates sichtbar machte, und sie versteckten sich nicht vor ihm. Damals wurde der Anarchismus als echte Bedrohung für die bestehende Herrschaft angesehen, wie dieses Zitat des Staatsanwalt zum Haymarket-Prozess zeigt: „Es ist nur ein Schritt von der Republik zur Anarchie. Das Gesetzt klagt die Anarchie an! Diese Männer wurden wurden anstelle von Tausenden vor Gericht gestellt, nicht etwa weil sie schuldiger sind, sondern weil sie deren Anführer waren. Gentlemen! Statuiert ein Exempel an ihnen, hängt sie! Nur so retten wir unsere Institutionen, unsere Gesellschaftsordnung! Es ist ihre Entscheidung, ob wir diesen Schritt zur Anarchie machen, oder nicht.

Dieser kurze Rückblick auf die Ereignisse von Haymarket soll nicht dazu dienen, Nostalgie zu provozieren oder uns zu sagen, dass die heutigen Anarchisten so handeln sollten wie 1886. Wir leben im Jahr 2019, in Deutschland, in einer äußerst befriedeten Gesellschaft, in der anarchistische Ideen oft in einer bitteren Suppe der linken Ideologie verwässert werden. Denn die heutige Erklärung gegen alle Götter, Herrscher oder Nationen ist nicht mehr so einvernehmlich wie im 19. Jahrhundert, als Nationalismus, Religion oder der Chef von Anarchisten eindeutig als Feinde der Freiheit angesehen wurden, und nicht als Details, bei denen wir tolerant sein können, je nachdem, wer diese reaktionären Konzepte trägt.

Es ist auch nicht so, dass wir unbedingt Jahrestage verteidigen müssen, die uns gehören würden. Schließlich ist der 1. Mai nur ein Datum im Kalender, und wir können andere finden, wenn wir uns nicht mit der Linken vermischen wollen, und wir können uns auch für unsere eignen Momente entscheiden, ohne einem festen, vorhersehbaren Kalender zu folgen.

Nichtdestotrotz beschlossen einige Berliner Anarchist*innen in diesem Jahr, die Idee eines „subversiven“ 1. Mai auf den ganzen Monat Mai auszudehnen. Sowohl durch Ideen als auch durch Taten soll die anarchistische Praxis, die bereits 1886 existierte, fortgesetzt werden, und daran erinnert werden, dass die Repression auch heute noch Anarchisten hart trifft, überall auf der Welt, und dass wir diese Gefährt*innen nicht im Stich lassen dürfen. Ob in Italien, Frankreich, Argentinien, Spanien, Griechenland, Mexiko, Kanada, Chile, der Schweiz, der Tschechischen Republik, Deutschland, Russland und anderswo, Anarchist*innen handeln weiter, verbreiten ihre Liebe zur Freiheit und werden aus diesem Grund unterdrückt. Und während es wichtig ist, an die Weggesperrten hinter Gittern zu denken oder an diejenigen, die zur Flucht gezwungen sind, um dem Gefängnis zu entgehen, ist es auch wichtig, selbst zu handeln, in Zeiten, die wir wählen, und nicht nur als Reaktion auf das, was der Staat gegen einen von uns tun könnte, denn wir sind keine Automaten, die aus einem konditionierten Reflex handeln.

Der Anarchismus versteht sich außerhalb des politischen Schachbretts, auf der linke und rechte Aktivist*innen spielen, oft mit dem Ziel, auf aktuelle Ereignisse zu reagieren. Die Anarchie ist ein freies Leben, und Anarchist*innen tun, was möglich ist, um sich darauf zuzubewegen. Und das wird nur geschehen, indem man sich weigert, kleine Soldaten zu sein, die im Namen von etwas Überlegenem handeln, und indem man sich von der Linken emanzipiert, was uns daran hindert, uns voll zu entwickeln, was uns Sauerstoff kostet. Lasst uns die Leidenschaft, den Hass, die Wut, all die gefährlichen Emotionen wiederentdecken, wie die Anarchist*innen seit dem 19. Jahrhundert überall in der Welt.

So wird die Idee für einen Monat des anarchistischen Mai in Berlin gestartet, in der Hoffnung, dass die Anarchist*innen in der Lage sein werden, die Ideen nach und nach zurückzugewinnen, die unsere Vorgänger ohne Zugeständnisse trugen und welche die Gefährt*innen heute noch tragen, manchmal trotz jahrzehntelanger Gefangenschaft in den Knästen der Demokratie.

„Die Zeit wird kommen, in der unser Schweigen stärker sein wird als die Stimmen, die ihr heute erwürgt“ (August Spies, Angeklagter im Haymarket-Prozess, während er das Seil um den Hals hatte)

Für einen Monat Mai der anarchistischen Praxis!

Ein*e Berliner Anarchist*in

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Anarchistischer Aufruf zur 1. Mai Demo in Friedrichshain https://prisonsociety.blackblogs.org/2019/03/22/anarchistischer-aufruf-zur-1-mai-demo-in-friedrichshain/ Fri, 22 Mar 2019 19:50:36 +0000 http://prisonsociety.blackblogs.org/?p=44 Continue reading Anarchistischer Aufruf zur 1. Mai Demo in Friedrichshain ]]>
Nach einer mehrjährigen Phase der Stagnation und des verlorenen Kräftemessens mit Berlins widerlichstem Straßenfest, dem „Myfest“, weicht das Spektakel nach Friedrichshain aus und ermöglicht damit seine Wiedergeburt als rebellisches Datum. Warum die diesjährige Revolutionäre 1. Mai Demonstration aus anarchistischer Perspektive unterstützenswert ist, soll hiermit zur Diskussion gestellt sein.
Die antagonistische Szene in Berlin, gelegentlich als autonom, postautonom, linksradikal etc. bezeichnet, findet über das Jahr verteilt wenige Momente des Agierens. Meistens wird sich auf das Reagieren beschränkt, zwischen Erdogan Besuchen, Naziaufzügen, Polizeikongressen und Repression fehlt oft Zeit und Kraft selbstbestimmt anzugreifen.

Der 1. Mai hingegen ist ein Ereignis, bei dem lange Zeit die Bullen und ihre politische Führung vor uns her getrieben worden. Diese Phase ist vorbei, seitdem vom Ursprung 1987 lediglich als Fehlinterpretation die Krawallfixiertheit übrig geblieben ist. Dabei war der Aufstand vor zweiunddreißig Jahren mehr als das hingebungsvolle Umfallen der Bullen im Steinhagel. Er war vor allem das gemeinsame Handeln von Menschen, die irgendeinen, wenn auch nur minimalen Bezug zueinander verspürten. Das existiert in dieser Form heute nicht mehr, die verbliebenen autonomen oder Antifagruppen wursteln vor sich hin, weitgehend ohne Bezug zu den immer noch vorhandenen Gang-Jugendlichen und anderen Frustrierten, Wütenden und Marginalisierten, die es mit dem Gesetz nicht so genau nehmen und die trotzdem kein revolutionäres Subjekt sein können. Der Kontakt scheint so dünn wie lange nicht zu sein, jedochhaben einige der vorbereitenden Gruppen vergangener Revolutionärer 1. Mai Demonstrationen, die Kritik an dem Kreuzberger Ritual angenommen und/oder neue Perspektiven für den Tag vorgestellt. Die Situation in dieser Stadt erlaubt ein Ignorieren dieser Entwicklung nicht. Vielmehr werden wir nicht nur in naher Zukunft weitere Abwehrkämpfe führen müssen (Liebig34 … ), sondern wollen wieder selbst zum Angriff auf die Ordnung übergehen. Dafür sind Gelegenheiten der Sichtbarkeit, des Kennenlernens und des Ausprobierens der Organisierungsfähigkeit elementare Voraussetzung. Dabei gilt es, sich freizumachen von den Bewertungen der Presse und der Innenpolitiker*innen im Abgeordnetenhaus, die uns als feige Idioten beschimpfen wenn es geknallt hat und die uns als schwachen Haufen verlachen wenn ihre Bullenarmee die Kontrolle behält.

Stattdessen werden unsere Koordinaten andere sein: wer in dieser Stadt bereit ist sich in Konflikte einzumischen und sie anzufachen, ob es gelingt über den Tag hinaus Verbindungen aufzubauen um weitere Aktionen entstehen zu lassen, wie wir uns einen Raum jenseits des betäubenden Konsums in Kreuzberg 36 nehmen können und wie wir diesen Raum nutzen. Das die Wahl auf Friedrichshain gefallen ist, um die Charakteristiken des anarchistischen Projekts (für einige auch des kommunistischen, sozialrevolutionären oder antiimperialistischen) als Vorschlag zu unterbreiten, ist doch logisch. Hier sind in den letzten Jahren die Feindschaften mit dem Staat handgreiflich geworden, hier ist die Verdrängung fast abgeschlossen und hier wird es irgendwann ein Inferno geben, wenn die Herrschenden die angeblichen letzten Bastionen der „linksextremen Gewalt“ zugunsten der Investoren schleifen werden.

Die Demonstration, zu der hiermit aufgerufen wird, wird groß sein aber im Vergleich zu den letzten Jahren mit weniger Party Publikum als gaffenden Statist*innen. Sie wird Bezug nehmen auf die Kämpfe der Mieter*innen der Karl-Marx-Allee und der bedrohten Projekte im Nordkiez. Mit dem Versuch der Raumnahme jenseits des sozialen Kannibalismus wird das Terrain geöffnet, auf dem in diesem Sommer die Utopie von Freiheit und Selbstermächtigung mit der Arroganz der geistigen Armut und der künstlich erzeugten Bedürfnisse der Herrschenden und ihrer Diener, zusammenstoßen wird. Die Anarchie, die im Moloch Berlin bereits täglich klauend, schwarzfahrend, sachbeschädigend oder Ämter bescheißend unterwegs ist, wird neue Wege finden, wenn sie den vermeintlichen Rahmen der aufgezwungenen Normalität verlässt und gegenüber der brachialen Gewalt des Staates, kollektive Erlebnisse der Solidarität ermöglicht. Das Datum 1. Mai ist dabei nur ein Vehikel zu dem, was uns an anderen Tagen schwerer fällt: diejenigen Menschen zusammenbekommen, die mit der Faust in der Tasche durch die Stadt laufen und auf eine Gelegenheit zur Vergeltung warten, die die nichts zu verlieren haben ausser der Bevormundung durch irgendwelche Chefs und Bullen. Der 1. Mai 2019 wird sicher nicht der Tag der Revolution werden, er ist jedoch immerhin der geeignete Zeitpunkt um die Stimmung für die kommenden Kämpfe zu entfachen. Die Berliner Bullenführung hat zusammen mit der Bezirksverwaltung den Knochen Myfest in SO36 komplett abgenagt. Jetzt sollen sie den Kadaver bewachen, während wir sie gleichzeitig an anderen Orten in Konflikte verwickeln können. 

Autonome Gruppen

[von: https://de.indymedia.org/node/29779]

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