buch – Soziale Befreiung https://sbefreiung.blackblogs.org Für die revolutionäre Selbstaufhebung des Proletariats! Mon, 23 Jan 2023 01:05:32 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 Der spanische BürgerInnenkrieg als innerkapitalistischer Konflikt https://sbefreiung.blackblogs.org/2016/06/18/der-spanische-buergerinnenkrieg-als-innerkapitalistischer-konflikt/ https://sbefreiung.blackblogs.org/2016/06/18/der-spanische-buergerinnenkrieg-als-innerkapitalistischer-konflikt/#respond Sat, 18 Jun 2016 18:01:33 +0000 http://sbefreiung.blogsport.de/?p=71 Zum 80. Jahrestag des Beginns des spanischen BürgerInnenkrieges veröffentlichen wir hier den ersten einer ganzen Reihe von Texten. Dies geschieht unter der gemeinsamen Überschrift „Der spanische BürgerInnenkrieg als innerkapitalistischer Konflikt“. Im ersten Text wird die Entstehung und Entwicklung des spanischen Kapitalismus beschrieben. Die Broschüre „Der spanische BürgerInnenkrieg (1936-1939)“ könnt Ihr hier für 5-€ (inkl. Porto) über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de bestellen.

Der spanische Kapitalismus

Um den spanischen BürgerInnenkrieg zwischen 1936 und 1939 zu verstehen, muss mensch sich mit der Entwicklung des spanischen Kapitalismus bis zum „Ausbruch“ dieses innerkapitalistischen Konfliktes beschäftigen. Da sich die Entwicklung des spanischen Nationalkapitals nicht im luftleeren Raum, sondern im Rahmen des Weltkapitalismus vollzog, werden wir diese Wechselbeziehung im Auge behalten. Für SozialrevolutionärInnen ist das Kapital in erster Linie ein soziales Verhältnis zwischen Bourgeoisie (mehr oder weniger verbürgerlichte GroßgrundbesitzerInnen, KapitalistInnen, hohe WirtschaftsmanagerInnen, hohe BerufspolitikerInnen sowie hohe zivile und militärische StaatsbeamtInnen) und Proletariat (die lohnabhängige ArbeiterInnenklasse und die nichtlohnarbeitenden eigentumslosen Schichten), mit dem KleinbürgerInnentum (KleinbäuerInnen, HandwerkerInnen und KleinhändlerInnen als klassisches besitzendes KleinbürgerInnentum mit Privateigentum an Produktionsmitteln, durch Stellung und Bildung privilegiertes lohnabhängiges KleinbürgerInnentum [IngenieurInnen, PolizistInnen, ÄrztInnen, LehrerInnen…] sowie kleine BerufspolitikerInnen bzw. solchen von Strömungen, die noch nicht vollständig von der Bourgeoisie anerkannt sind) als Puffer. Wir geben also unseren Kurzeinblick in den spanischen Kapitalismus als eine Erzählung von Klassenkämpfen. Genau wie die sozialökonomische Entwicklung des spanischen Nationalkapitals nur in seiner Wechselwirkung mit den anderen Nationakapitalen – die zusammen das Weltkapital bilden – zu verstehen ist, ist die Entwicklung des Proletariats und der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung in Spanien nur im Verhältnis zum Weltproletariat und der internationalen institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung zu begreifen. Wir erzählen also die Geschichte des spanischen Proletariats als die eines Teiles des Weltproletariats.
Spanien gab durch die europäische „Entdeckung“ und Kolonialisierung Amerikas ab dem Ende des 15. Jahrhunderts sehr viel mehr Impulse für die Entwicklung des modernen Weltkapitalismus, als die spanische Bourgeoisie für sich selbst einheimsen konnte. Durch die großen europäischen „Entdeckungen“ – mit Spanien als ihrer großen Pionierin – wurden äußere Bedingungen für das Wachstum des kontinentalen Handels- und Finanzkapitals geschaffen. Die Produktion war zu dieser Zeit noch nicht kapitalistisch, sondern feudal-bäuerlich in der Landwirtschaft und kleinbürgerlich in den Städten. Doch die kleinbürgerlich produzierten Waren wurden durch das Handelskapital auf fernen Märkten vertrieben. Durch die koloniale Ausplünderung Amerikas gelangten durch die Handelsbourgeoisie auch amerikanische Produkte auf europäische Märkte. Doch Spanien als Beherrscherin Südamerikas machte nicht die glänzende kapitalistische Karriere durch wie die Niederlanden als ehemalige spanische Kolonie und erste Handelsnation oder Großbritannien als erste Industrienation durch. Das lässt sich nur dadurch erklären, dass durch eine Kombination aus inneren und äußeren Faktoren der Kapitalismus in Spanien geringer entwickelt war als in den Niederlanden oder in Großbritannien.
Ein wichtiger Faktor der kapitalistischen Entwicklung – zuerst im Rahmen des Feudalismus und dann diesen Rahmen sprengend – war die Eroberung der Staatsmacht durch die Bourgeoisie, wodurch die Politik zur bürgerlichen Politik wurde. Eine Übergangsform der feudalen – noch stark regional zersplitterten – Staatlichkeit zum modernen bürgerlichen Nationalstaat stellte der Absolutismus dar. Die regionale und provinzielle Adelsmacht wurde durch den Absolutismus zugunsten einer zentralen Macht der MonarchInnen enorm eingeschränkt. Dieser Zentralismus war eine wichtige Vorform des modernen bürgerlichen Nationalstaates, der selbstverständlich von Anfang an als Machtapparat der Bourgeoisie sozialreaktionär war. Doch die absolute Machtanmaßung der MonarchInnen richtete sich nicht nur gegen den alten Adel sondern auch gegen die aufstrebende Bourgeoisie, deshalb musste der Absolutismus als Zwischenstufe zwischen Feudalismus und Kapitalismus überwunden werden – durch bürgerliche Staatsformen wie konstitutionelle (also eine parlamentarisch kontrollierte) Monarchie, demokratische Republik oder Militärdiktatur. Die ersten bürgerlichen Staatsformen eroberten sich die holländische und die englische Bourgeoisie, wodurch sie die politischen Bedingungen für die ökonomische Entwicklung des Kapitalismus schufen.
Durch die Avantgardestellung Spaniens in der europäischen und globalen Politik ab Ende des 15. Jahrhunderts stärkte sich auch das Handelskapital in Spanien, doch konnte die spanische Bourgeoisie kein eigenes nationales und zugleich europaweites Handels- und Finanzzentrum hervorbringen. Die Edelmetalle, die der spanische Kolonialismus aus Südamerika herauspresste, waren die Tauschmittel für Handelswaren, die über Antwerpen – das Zentrum Europas während der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts – zirkulierten. Auch blieb Spanien trotz der amerikanischen Edelmetalle von großen ausländischen Geldhäusern als Kreditinstituten wie den Fuggern aus Augsburg abhängig. Die Nachfolgerin Antwerpens als europäisches Zentrum ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, Genua, war auch der Mittelpunkt des Handels und des Kredites. Ab 1627 wurde die holländische Metropole Amsterdam das europäische Handels- und Finanzzentrum. Ab ca. 1700 verlor Amsterdam seine Bedeutung als europäisches Handelszentrum an London, was Ausdruck und Bedingung der Entwicklung des englischen Handelskapitals war. Ende des 18. Jahrhunderts büßte Amsterdam auch den Status des europäischen Zentrums des Finanzkapitals gegenüber der englischen Hauptstadt London ein. Dass es der spanischen Bourgeoisie nicht gelang im eigenen Land während seiner Blütezeit ein nationales und zugleich kontinentales Handels- und Finanzzentrum zu schaffen, war ein Faktor der relativen Schwäche des spanischen Nationalkapitals.
Dadurch, dass sich die spanische Bourgeoisie kein bedeutendes nationales und europaweites Handels- und Finanzzentrum schaffen konnte, blieb die feudal-monarchistische Reaktion relativ stärker als die bürgerlich-kapitalistische Sozialreaktion. Schon die relativ starke englische Bourgeoisie lavierte im 17. Jahrhundert zwischen der monarchistischen Reaktion und der kleinbürgerlich-vorindustrieproletarischen Straßenbewegung als sozialer Triebfeder der antimonarchistischen Revolution. Doch brachte die englische Bourgeoise unter Cromwell einen relativ konsequenten antimonarchistischen Flügel hervor, unter dessen politischer Herrschaft England auch kurzzeitig Republik wurde. Die politische Machteroberung der bürgerlichen Republikaner war der Höhepunkt der antimonarchistischen Revolution und zugleich der Umschlagmoment in die bürgerliche Konterrevolution gegen die kleinbürgerlich-vorindustrieproletarische Straßenbewegung (Levellers und Diggers), gegen die sich Cromwell ebenfalls mit blutiger Konsequenz wendete (siehe zur antiabsolutistischen Revolution in England: Nelke, Antinationale Schriften I, Soziale Befreiung, Bad Salzungen 2014, S. 12-15).
Besonders die katholische Kirche Spaniens entwickelte sich zu einem Hort der feudal-monarchistischen Reaktion. Der kirchliche Repressionsapparat, die Inquisition, war in Spanien besonders mächtig und brutal. Sie sah in der Ausplünderung des spanischen BürgerInnentums ihre Haupteinnahmequelle. So gab es im frühen 16. Jahrhundert, 1520, zwar einen Aufstand der bürgerlichen Städte gegen die Monarchie, doch dieser wurde 1521 in der Schlacht bei Villalar von der monarchistischen Reaktion erfolgreich besiegt, weil ein Teil der Städte passiv geblieben war. Der relativ schwachen spanischen Bourgeoise gelang es nicht, wie der holländischen im nationalreaktionären Unabhängigkeitskrieg gegen Spanien sich im 16. Jahrhundert oder wie die englische im 17. Jahrhundert die politische Macht zu erkämpfen. Dadurch wurde der spanische Kapitalismus von der inneren feudal-monarchistischen Reaktion und der ausländischen kapitalistischen Konkurrenz in seiner weiteren Entwicklung behindert. Auch konnte sich in Spanien die handelskapitalistische Zentralisierung nicht absolut gegen die feudale Zersplitterung durchsetzen. Die Folge davon war, dass der spanische Nationalismus sich bis auf dem heutigen Tag nur schwer gegen Unternationalismen wie den baskischen und den katalonischen, die natürlich nicht weniger sozialreaktionär wie der spanische sind, durchsetzen kann. Doch ein schwacher Nationalstaat bleibt in der Konkurrenz mit anderen zurück.
Besonders die staatlich geförderte englische Seeräuberei, die dem spanischen Kolonialismus keinen geringen Teil der amerikanischen Beute wieder abnahm, machte dem spanischen Handelskapital im 16. Jahrhundert das Leben schwer. 1588 siegte England über die spanische Armada, damit ging die Seeherrschaft Spaniens unwiderruflich verloren. In den Jahren von 1581 bis 1621 trennten sich die handelskapitalistischen Niederlanden durch ihren nationalreaktionären Unabhängigkeitskrieg von Spanien. 1820 verlor Spanien endgültig die koloniale Kontrolle über Südamerika. Der aufstrebende US-Imperialismus versetzte Spanien 1898 einen schweren Schlag, indem der erstere die einstigen spanischen Kolonien Kuba, Puerto Rico und die Philippinen in sein Einflussgebiet brachte. Spanien versuchte dann in Marokko den Status einer Kolonialmacht zu behalten. Die Eroberung und Unterwerfung Marokkos dauerte von 1912 bis 1926 und schwächten Spanien sozialökonomisch. Spanien war also in den innerimperialistischen Konflikten seit dem Ende des 16. Jahrhundert eher Amboss als Hammer. Wegen der schwachen industriekapitalistischen Basis konnte sich Spanien gegen über andere, höher entwickelte kapitalistische Nationen nicht durchsetzen und weil Spanien sich nicht gegenüber der bürgerlichen Staatenkonkurrenz durchsetzen konnte, blieb die industriekapitalistische Basis schwach.
Aber nur durch die forcierte Entwicklung des Industriekapitalismus und seiner beiden Hauptklassen Bourgeoisie und Proletariat konnte die Dominanz der halbfeudalen Landwirtschaft gebrochen und die Monarchie mit der katholischen Kirche und den Offizierskorps als deren sozialen Hauptstützen überwunden werden. Bürgerliche RepublikanerInnen agierten in Spanien ohne starke industriekapitalistische Basis recht hilflos. In der antimonarchistischen Revolution von 1868, die durch einen Militärputsch ausgelöst und durch städtische Schichten getragen wurde, emigrierte Königin Isabella II. nach Frankreich und eine Koalition aus Generälen und Republikanern übernahm die politische Macht. Doch die Mehrheit im spanischen Parlament aus Liberalen und Monarchisten reproduzierte die politische Herrschaftsform der Monarchie. So wurde dem König von Aosta, Amadeo von Savoyen, einem Sohn des italienischen Regenten Victor Emanuel II., der spanische Thron angeboten. Unter dessen Herrschaft verschärften sich die sozialen Konflikte in Spanien weiter. Es wurden massenhaft die Ländereien der GroßgrundbesitzerInnen besetzt und auch das entstehende Proletariat erhob seine sozialen Forderungen. Darauf hatte der Monarch keinen Bock und so verzichtete er im Januar 1873 auf den spanischen Thron, woraufhin das spanische Parlament am 11. Februar die Erste Republik ausrief.
Doch diese Erste Republik, die selbstverständlich wie jede Staatsform grundsätzlich sozialreaktionär war, wurde im Klassenkampf zwischen Proletariat und Bourgeoisie sowie der monarchistischen Konterrevolution zerrieben. Nach parlamentarischen Wahlen, bei denen die bürgerlichen Republikaner 90 Prozent aller Stimmen erzielten, wurde dessen Vertreter Pi y Margall Regierungschef. Doch unter proletarisch-klassenkämpferischen und monarchistisch-sozialreaktionären Druck geratend, trat er am 18. Juli 1873 zurück. Seine Nachfolger setzten noch stärker auf die militärische Niederschlagung des bäuerlichen und proletarischen sozialen Widerstandes. Anfang 1874 löste das Militär das spanische Parlament, die Cordes, auf. Unter der provisorischen Militärdiktatur von General Serrano wurde im Dezember 1874 die Monarchie wieder restauriert. Der Sohn von Isabella II., Alfons XII., wurde neuer König von Spanien.
Die Hauptentwicklungsphase der spanischen Industrie währte zwischen 1898 und 1918, also zwischen dem spanisch-amerikanischen Krieg und dem Ersten Weltkrieg. Während des letzteren blieb Spanien neutral. Die spanische Ökonomie nahm durch Agrarexporte an die kriegführenden Staaten einen Aufschwung. Die durch diese Exporte eingenommenen Devisen wurden vom spanischen Nationalkapital dazu genutzt, um die industrielle Entwicklung zu finanzieren. Der Industriekapitalismus entwickelte sich vor allem in der Hauptstadt Kataloniens Barcelona, sowie in Santander und in Bilbao an der nordbaskischen Küste. Dadurch wurde auch das Industrieproletariat sozial gestärkt.
Auch die institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung entwickelte sich mit dem Kapitalismus in Spanien. Sie war in einen parteimarxistischen und anarchosyndikalistischen Flügel gespalten. 1879 wurde die in der Praxis parlamentarisch-sozialreformistische und in der Ideologie marxistisch-revolutionäre Sozialistische Arbeiterpartei Spaniens (PSOE) gegründet. 1913 zählte diese typisch sozialdemokratische Partei etwa 12.000 Mitglieder und hatte gewählte ParlamentarierInnen in knapp 40 Gemeinde- bzw. Stadträten und Provinzräten. 1888 wurde die sozialistische Gewerkschaft Union General de Trabajadores (UGT) gegründet. In Konkurrenz zum Parteimarxismus entwickelte sich in Spanien recht erfolgreich die anarchistische Gewerkschaftsbewegung, der Anarchosyndikalismus. Dieser schuf sich im Jahre 1911 den Gewerkschaftsbund Confederación Nacional del Trabajo (CNT) seinen institutionellen Ausdruck. Sowohl die UGT als auch die CNT hatten in den 1920er Jahren jeweils mehr als 1 Millionen Mitglieder. 1927 wurde auch der militante Flügel der CNT, die Federación Anarquista Ibérica (FAI) gebildet, die sich gegenüber der CNT oft als Gralshüterin der reinen anarchistischen Lehre aufspielte. Aber auch die FAI wurde wie CNT, UGT, PSOE, sowie die partei-„kommunistischen“ Formationen P„C“E und POUM während des BürgerInnenkrieges zu einer politischen Charaktermaske des Kapitals…
Die institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung war in Spanien wie international der bürokratisch und ideologisch entfremdete Ausdruck des reproduktiven Klassenkampfes des Proletariats. Als reproduktiven Klassenkampf bezeichnen wir einen solchen, den das Proletariat im Rahmen des Kapitalismus für eine verbesserte Lebenslage führt. Dieser Klassenkampf hat sowohl seine revolutionären als auch seine konservativen und sogar reaktionären Momente. Die revolutionärste Tendenz ist, dass sich in ihm die ProletarierInnen nicht einfach der Diktatur von Kapital und Staat unterwerfen, sondern selbstbewusst für ihre eigenen Interessen und Bedürfnisse kämpfen. Auch kommt es im Verlauf des Klassenkampfes dazu, dass das Proletariat in der Praxis das kapitalistische Eigentum an den Produktionsmitteln und die staatlichen Gesetze missachtet. Die objektiv konservative Seite des reproduktiven Klassenkampfes ist, dass er den Rahmen des Kapitalismus nicht sprengen kann. Dazu sind die revolutionäre Selbstaufhebung des Proletariats und die Herausbildung einer klassen- und staatenlosen Gesellschaft notwendig. Doch der reproduktive Klassenkampf ist eine notwendige praktische Schule für die mögliche soziale Revolution. Fast alles an sozialrevolutionärer Theorie ist verallgemeinerte Praxis des reproduktiven und revolutionären Klassenkampfes.
Der reproduktive Klassenkampf brachte und bringt Gewerkschaften und so genannte „ArbeiterInnenparteien“ als institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung hervor. Diese waren und sind mehr oder weniger ein Ausdruck der bürgerlichen Klassengesellschaft. Sie waren und sind gespalten in bürgerlich-bürokratische Partei- und Gewerkschaftsapparate und die proletarische Basis. Weil die institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung (Parteien und Gewerkschaften) die Klassengesellschaft reproduzierte und reproduziert, ist sie unfähig den Kapitalismus zu überwinden, auch wenn sich einige „marxistische“ Parteien oder „anarchistische“ Gewerkschaften sich dies ideologisch zum Ziel stellen. Parteimarxismus und Anarchosyndikalismus betrügen sich mit dieser Ideologie nur selbst und das Proletariat. Das ist die wichtigste Lehre, die SozialrevolutionärInnen in der bisherigen Schule des Klassenkampfes lernen konnten.
Auch der Klassenfeind, die Bourgeoisie, lernte und lernt in dieser harten Schule. Zu Beginn ging die herrschende kapitalistische Klasse global total repressiv gegen den proletarischen Klassenkampf vor. Doch nach und nach lernten immer größere Teile der Weltbourgeoisie, dass es effektiver ist, den Klassenkampf teilweise zu legalisieren und in geordnete Bahnen zu lenken. Dadurch sollte dem Klassenkampf die revolutionäre Spitze gebrochen werden. So wich die Repression gegen Gewerkschaften und „ArbeiterInnenparteien“ deren Integration in die Nationalkapitale. Sozialdemokratische und „kommunistische“ „ArbeiterInnenparteien“ wurden in hochentwickelten kapitalistischen Staaten in den herrschenden Parlamentarismus integriert. Die „ArbeiterInnenvertreterInnen“ waren und sind in Wirklichkeit nichts anderes als bürgerliche BerufspolitikerInnen, die wie alle PolitikerInnen vom politisch angeeigneten Mehrwert, den das Proletariat in der kapitalistischen Produktion herausgepresst wird, leben. Abgeordnetendiäten und Ministergehälter werden aus Steuern bezahlt – und Steuern sind nichts anderes als eine politische Form des Mehrwertes.
Im Verlauf der Integration in den Privatkapitalismus wurde der Marxismus zuerst zu einer Ideologie der Sozialdemokratie, die zu ihrer reformistischen und schließlich konterrevolutionären Rolle nicht wirklich passte, und dann zur Ideologie des Partei-„Kommunismus“, der sozialhistorisch nichts anderes war und ist als der radikale Flügel der Sozialdemokratie. Zuerst in Sowjetrussland, dann in anderen Ländern Osteuropas und im Trikont (Asien, Afrika und Lateinamerika) eroberte die „kommunistische“ Parteibürokratie die politische Staatsmacht und verstaatlichte die Wirtschaft. Doch die Verstaatlichung der Industriebetriebe war nur die Verstaatlichung des Kapitals, aber nicht deren Aufhebung. Die PrivatkapitalistInnen wurden zwar als Kern der Bourgeoisie entmachtet, aber die ArbeiterInnen mussten nun ihre Arbeitskraft an den Staat vermieten, der diese Arbeitskraft ausbeutete. Wir reden deshalb von Staatskapitalismus (siehe dazu: Nelke, Der sowjetische Staatskapitalismus und Imperialismus [1917-1991], Soziale Befreiung, Bad Salzungen 2012). Die „kommunistische“ Partei- und Staatsbürokratie wurde zur herrschenden Klasse des Staatskapitalismus und der Marxismus zur Herrschaftsideologie. Westliche moskauhörige „Kommunistische“ Parteien waren nichts anderes als verlängerte Arme des sowjetischen Staatskapitalismus. Darunter befand sich auch die 1920 gegründete „Kommunistische“ Partei Spaniens (P„C“E).
Der Marxismus-Leninismus ist eine grundsätzlich sozialreaktionäre Ideologie, die sich auf die reaktionären Tendenzen von Marx/Engels stützt. Das waren die Anpassung an den demokratischen Parlamentarismus und die Forderung nach Verstaatlichung der Produktionsmittel. Doch der Marxismus-Leninismus war und ist zugleich der Totengräber der revolutionären Tendenzen des Marxismus: die Schaffung der Grundlagen einer materialistisch-dialektischen Weltbetrachtung und revolutionären Kapitalismuskritik. Der Parteimarxismus zeigte in den Jahren zwischen 1914 und 1921 seinen grundsätzlich konterrevolutionär-sozialreaktionären Charakter. 1914 unterstützten die meisten sozialdemokratischen Parteien ihre Nationalstaaten im imperialistischen Ersten Weltkrieg. In der europäischen revolutionären Nachkriegskrise (1917-1923) half die Sozialdemokratie der Bourgeoisie dabei den proletarischen Klassenkampf mit Demagogie und Gewalt niederzuschlagen. Besonders die deutsche Sozialdemokratie war die Avantgarde der Konterrevolution. Dadurch wurde sie aus einer kleinbürgerlichen zu einer großbürgerlichen politischen Strömung. Der Bolschewismus unter Lenin und Trotzki eroberte in Russland die Staatsmacht und wurde dadurch aus einer kleinbürgerlich-radikalen zu einer staatskapitalistisch-konterrevolutionären Strömung. Das Lenin/Trotzki-Regime zerschlug die ArbeiterInnenräte (Sowjets) als Ausdruck des selbstorganisierten Klassenkampfes und metzelte im März 1921 den revolutionären Kronstädter Aufstand gegen den Staatskapitalismus nieder. Der Parteimarxismus ist grundsätzlich sozialreaktionär, weil er die Ideologie von Parteien ist und diese nichts anderes als der Ausdruck bürgerlicher Politik sein können. Parteien sind der politische Ausdruck der Kapitalvermehrung, Organe des Kampfes um die politische Staatsmacht. Doch diese politische Staatsmacht kann vom Proletariat nicht erobert, sondern muss von diesem zerschlagen werden.
Diese Erfahrungen des internationalen Klassenkampfes wurden vom ehemaligen radikalsten Flügel des Parteimarxismus reflektiert. Diese radikalen marxistischen ArbeiterInnen und Intellektuellen in Deutschland und Holland erkannten den konterrevolutionären Charakter von „ArbeiterInnen“-Parteien und Gewerkschaften und die Bedeutung des selbstorganisierten Klassenkampfes des Proletariats. Diese Organe des selbstorganisierten Klassenkampfes waren während der europäischen revolutionären Nachkriegskrise die ArbeiterInnenräte, weshalb sich diese radikalmarxistische Strömung Rätekommunismus nannte. Unser nachmarxistischer und nachanarchistischer Kommunismus knüpft besonders am Rätekommunismus und seiner radikalen Partei- und Gewerkschaftskritik an. Wir stützen uns auf die revolutionären Tendenzen von Marxismus und Anarchismus und bekämpfen konsequent die strukturell konterrevolutionären Ideologien Parteimarxismus und Anarchosyndikalismus.
Der Anarchosyndikalismus zeigte besonders während des spanischen BürgerInnenkrieges seinen konterrevolutionären und sozialreaktionären Charakter. Und zwar als eine Gewerkschaftsideologie. Gewerkschaften waren und sind nichts anderes als der bürokratisch entfremdete Ausdruck des reproduktiven Klassenkampfes um bessere Arbeitsbedingungen im Kapitalismus. Im Verlauf des internationalen Lernprozesses der Bourgeoisie wurden die Gewerkschaften durch das Tarif- und Betriebsratssystem zu Co-Managerinnen der kapitalistischen Ausbeutung. Durch das Tarifsystem bestimmen die Gewerkschaftsbürokratien die Lebensverhältnisse des Proletariats mit. Die hochbezahlten Bonzen müssen selbst nicht von den ausgehandelten Tarifen leben, für diese ist deshalb ihre „Tariffähigkeit“ wichtiger als die konkreten ausgehandelten Tarife. Während der Laufzeit eines Tarifvertrages herrscht in der Regel Friedenspflicht, die Gewerkschaftsbürokratie wird also durch das Aushandeln von Tarifverträgen zur Garantin einer weitgehend klassenkampffreien Zeit. Der Klassenkampf wird zur Tarifauseinandersetzung verniedlicht. Auch in Betriebsräten, die mehr oder weniger zur Sozialpartnerschaft verpflichtet sind, arbeiten die Gewerkschaftsbonzen konstruktiv mit der Bourgeoisie zusammen. Natürlich gibt es auch subjektiv ehrliche Gewerkschafts- und BetriebsratsaktivistInnen, doch sie reiben sich in diesem System auf, das von der Bourgeoisie und den Gewerkschaftsbürokratien grundsätzlich als lange Kette für das Proletariat geschmiedet wurde.
Wie verhielt und verhält sich der Anarchosyndikalismus zum Tarif- und Betriebsratssystem? Auf idealistische, sektiererische und reformistisch-opportunistische Art und Weise. Zuerst versuchten die AnarchosyndikalistInnen in Spanien künstlich eine „revolutionäre Gewerkschaft“ aufzubauen, die den reproduktiven Klassenkampf weitgehend ignorierte. Doch eine Gewerkschaft ist nun mal eine Organisationsform des reproduktiven Klassenkampfes. Wird eine Gewerkschaft zu einer Massenorganisation – und die anarchosyndikalistischen Gewerkschaften waren in Spanien Massenorganisationen – muss sie auch einen reproduktiven Klassenkampf führen und die Anpassung an diesen reproduktiven Klassenkampf führt zur praktischen Anpassung an den Kapitalismus. Es ist unmöglich revolutionäre Massenorganisationen in nichtrevolutionären Zeiten aufzubauen. So wich die anfänglich sektiererische Haltung des spanischen Anarchosyndikalismus zum reproduktiven Klassenkampf einer immer stärkeren Anpassung des globalen „Anarcho“-Syndikalismus an das Tarif- und Betriebsratssystem der Bourgeoisie. Die konterrevolutionäre Logik der Gewerkschaftsorganisation ist stärker als die anarchosyndikalistische Ideologie-Produktion. Es reicht nicht aus als Alternative zu bürokratisch-sozialdemokratischen Gewerkschaften anarcholibertäre Basisgewerkschaften aufzubauen –die sich dann doch an Tarif- und Betriebsratssystem anpassen wie die heutige „anarcho“-reformistische FAU in Deutschland… Durch diesen sozialreformistischen Opportunismus, der sich im Einklang mit den allgemeinen Entwicklungstendenzen der Gewerkschaften befindet, werden innerhalb des „Anarcho“-Syndikalismus die revolutionären Tendenzen des Anarchismus – seine antipolitisch-staatsfeindlichen Tendenzen und auch die richtige Kritik am parlamentarisch-sozialreformistischen und bürokratisch-staatskapitalistischen Charakter des Parteimarxismus – in der Praxis ausgelöscht. Denn wer sich an das bürgerliche Tarifrecht anpasst, akzeptiert praktisch Lohnarbeit und Staat, auch wenn er sich in der Ideologie-Produktion noch so anarchistisch gebärdet. Doch eine wirkliche sozialrevolutionäre Strömung ist unmöglich, die nicht auch – neben den progressiven Tendenzen des Marxismus – an den revolutionären Tendenzen des Anarchismus anknüpft.
Sozialrevolutionäre Individuen und Gruppen müssen natürlich am reproduktiven Klassenkampf des Proletariats teilnehmen – ohne sich an Gewerkschaften, Tarif- und Betriebsratssystem anzupassen. Dass ist natürlich eine schwierige Gratwanderung zwischen SektiererInnentum und Opportunismus, aber prinzipiell möglich. SozialrevolutionärInnen nehmen selbstverständlich an Klassenkämpfen für höhere Löhne und niedrigere Arbeitszeiten teil, ohne ehrenamtliche oder gar hauptamtliche Funktionen in den größeren Gewerkschaften zu übernehmen, oder sich an den kläglichen Versuchen der „anarcho“-reformistischen FAU tariffähig zu werden, zu beteiligen. Wir nutzen die tendenzielle Radikalisierung durch Klassenkampf, um mit unseren KollegInnen und Klassengeschwistern in einem interaktiven Dialog grundsätzlich Kapital, Lohnarbeit, Patriarchat und Staat zu kritisieren. An Hand des konkreten Klassenkampfes müssen selbstverständlich proletarische RevolutionärInnen auch immer die Gewerkschaftsbürokratie kritisieren und auch schon innerhalb des Gewerkschaftskampfes die proletarische Selbstorganisation stärken. Wenn die Empörung des Proletariats über die Gewerkschaftsbürokratie schon sehr groß ist, kann eine gut verankerte sozialrevolutionäre Strömung Impulse für einen wilden Streik ohne und gegen die Gewerkschaften geben – und für den Aufbau von Organen des selbstorganisierten Klassenkampfes wie unabhängige Streikkomitees, Vollversammlungen, Räte…
Doch kommen wir zur Geschichte des spanischen Kapitalismus vor 1921 zurück. Diese war auch eine Geschichte von Klassenkämpfen. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges brachen die Auslandsmärkte der spanischen Agrarproduktion zusammen, was mit einer sozialen Verelendung des Land- und Industrieproletariats und mit einer Radikalisierung des Klassenkampfes verbunden war. Das Militär, soziale Hauptstütze der spanischen GroßgrundbesitzerInnen und Bourgeois, forcierte daraufhin den Klassenkampf von oben. Im Jahre 1923 errichtete General Miguel Primo de Rivera eine Militärdiktatur. Doch mit der sozialen Verelendung der Weltwirtschaftskrise ab 1929, war auch der Versuch der herrschenden Klassen Spaniens durch eine eiserne Militärdiktatur jeden kleinbäuerlichen und proletarischen Widerstand zu ersticken, gescheitert. 1930 musste der Militärdiktator Rivera zurücktreten. Nachdem die Militärdiktatur mit nackter Gewalt nicht mehr in der Lage war, erfolgreich den Klassenkampf von oben zu führen, wurde durch parlamentarische Wahlen im April 1931 – die den Sieg der bürgerlichen Republikaner, einschließlich der sozialistischen PSOE, brachte – eine demokratische Zweite Republik geschaffen, die neben der Gewalt auch ein wenig demokratische Ideologie-Produktion in das Spiel brachte…
Da wir die Geschichte der kurzen Zweiten Republik in den nächsten drei Kapiteln noch ausführlicher als eine Geschichte des Klassenkampfes beschreiben, wollen wir uns am Schluss dieses Kapitels noch ein wenig mit der sozialökonomischen Situation Spaniens am Vorabend des BürgerInnenkrieges beschäftigen. In den 1930er Jahren bestand in Spanien ein Industrieproletariat aus zwei bis drei Millionen Menschen. 1932 waren – bedingt durch die Weltwirtschaftskrise – noch immer 650.000 Arbeitslose registriert. Spanien war in den 1930er Jahren noch im Wesentlichen ein Agrarstaat. So lebten 1936 noch 70 Prozent der spanischen Bevölkerung auf dem Lande. Das waren 200.000 GroßgrundbesitzerInnen, 3 Millionen arme und kleine BäuerInnen und zwei Millionen LandarbeiterInnen ohne jeglichen Besitz an Grund und Boden. Auch viele KleinbäuerInnen konnten von ihrem eigenen Land kaum leben, so dass sie ihre Arbeitskraft zusätzlich an die GroßgrundbesitzerInnen vermieten mussten. Die Ausbeutung des Landproletariats durch die GroßgrundbesitzerInnen müssen wir als halbfeudal-halbkapitalistisch bezeichnen, da die Auszahlung des Lohnes oft noch in Naturalien erfolgte und die GroßgrundbesitzerInnen noch nicht vollständig mit der städtischen Bourgeoise zur herrschenden kapitalistischen Klasse verschmolzen waren. Aber doch war die soziale Verbindung zwischen der städtischen Bourgeoisie und den GroßgrundbesitzerInnen schon so stark, dass erstere unfähig und unwillig zu einer radikalen Bodenreform war. Viele GroßgrundbesitzerInnen waren bei städtischen Banken verschuldet. Diese Kredite wären bei einer Enteignung des Großgrundbesitzes uneintreibbar, also „faul“ geworden. Auch besaßen einige städtische Bourgeois selbst Land.
Gerald Brenan schrieb über die Lebensbedingungen des spanischen Landproletariats: „1930 verdienten sie durchschnittlich 3 bis 3,5 Peseten (1 Peseta = 49 Pfennig) für einen Achtstundentag während vier oder fünf Monaten im Jahre. Im Sommer – unter der schrecklichsten Hitze der andalusischen Sonne – verdienten sie 4 bis 6 Peseten für einen Zwölfstundentag. (…) In der übrigen Zeit (…) (bis zu) sechs Monate lang (…) waren sie arbeitslos. (…) Mit Ausnahme der Erntezeit, wo man ihnen Bohnen gab, bestand ihre einzige Mahlzeit aus gazpacho, einer Suppe aus Öl, Essig und Wasser, auf der Brot schwamm. Zum Frühstück aßen sie sie warm, mittags kalt und abends wieder warm. (…) Viele dieser Familien besaßen keinen Hausrat außer einem Kochtopf und aßen ihre Mahlzeiten auf dem Boden hockend wie Tiere.“ (Gerald Brenan, The Spanish Labyrinth, Cambridge University Press, New York 1943, S. 120/121.)
Die Verschmelzung von Großgrundbesitz und Kapital brachte auch die katholische Kirche Spaniens zum Ausdruck. Als institutionelle Eigentümerin war diese sowohl Großgrundbesitzerin als auch Großkapitalistin. Die katholische Kirche besaß sehr viel Land, war an vielen Betrieben, Bergwerken, großen Warenhäusern und Banken beteiligt und für sie arbeiteten mehr Menschen, als der Staat an BeamtInnen beschäftigte. Felix Morrow schrieb über die Macht der katholischen Kirche zu Beginn der 1930er Jahre: „Ihre berobbten Horden waren eine wahre Armee, die der Republik gegenüberstand: achtzig bis neunzigtausend in 4.000 kirchlichen Ordenshäusern, und über 25.000 Gemeindepriestern –die Zahl allein in den religiösen Orden übertraf so die gesamten Oberschüler und war doppelt so hoch wie die Anzahl der Studenten im Land.“ (Felix Morrow, Revolution und Konterrevolution in Spanien, GERVINUS-Verlag, Essen 1986, S. 30.) Durch ihre christliche Ideologie-Produktion hielt die katholische Kirche das städtische und ländliche KleinbürgerInnentum und Proletariat in geistiger Abhängigkeit von GroßgrundbesitzerInnen und Bourgeoisie. Noch in den 1930er Jahren konnte ein Drittel der spanischen Bevölkerung weder lesen noch schreiben. Während die katholische Kirche ein wichtiger Ideologie-Apparat der herrschenden Klassen war, stellte die Armee der wichtigste Gewaltapparat des spanischen Staates dar.

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Vortrag bei der Literatrurmesse https://sbefreiung.blackblogs.org/2013/11/08/vortrag-bei-der-literatrurmesse/ https://sbefreiung.blackblogs.org/2013/11/08/vortrag-bei-der-literatrurmesse/#respond Fri, 08 Nov 2013 00:44:22 +0000 http://sbefreiung.blogsport.de/?p=32 Wir veröffentlichen hier den Vortrag, der auf der Literaturmesse im Rahmen der Vorstellung der Broschüre „Der Kampf des jüdischen Proletariats (1900-1945)“ in Nürnberg, den 2. November 2013 gehalten wurde.

strassen Bewegung
Mit wehenden Fahnen: Protest in Tel Aviv, Juli 2o11 dpa

Der Titel dieser Broschüre „Der Kampf des jüdischen Proletariats“ ist bewusst gewählt. Er macht deutlich, dass Juden im 20. Jahrhundert nicht nur Opfer waren, sondern auch selbstbewusste Subjekte des proletarischen Klassenkampfes. Die Broschüre zeichnet sich durch zwei Besonderheiten aus. Erstens wird in ihr nicht der Begriff „Antisemitismus“ benutzt, sondern der ältere Begriff „Antijudaismus“. Wir unterscheiden weiterhin zwischen religiösen und rassistischen Antijudaismus. Der „Antisemitismus“-Begriff wird von uns aus zwei Gründen verworfen. Erstens ist er ungenau. So sind die Juden und Jüdinnen nicht die einzigen Semiten, aber der Begriff „Antisemitismus“ umfasst nur die chauvinistische Feindseligkeit gegen Juden. Zweitens ist der Antisemitismusbegriff zu einer politischen Waffe zionistischer und prozionistischer Kräfte geworden. So gilt im bundesdeutschen Politmainstream bereits eine „unangemessene“ Kritik an Israel als „antisemitisch“. Wie viel Kritik an Israel angemessen ist, entscheiden dann die zionistischen und prozionistischen Kräfte. Die deutsche Bourgeoisie, also die demokratisch gewendete Bourgeoisie von Auschwitz, ist heutzutage fast hundertprozentig prozionistisch, so wie sie zwischen 1933 und 1945 fast hundertprozentig antijüdisch war. „Solidarität mit Israel!“ ist für die deutsche Bourgeoisie taktisch klug und eine gute Waschanlage, um sich vom Dreck und Blut ihrer faschistischen Vergangenheit reinzuwaschen. Doch inzwischen sind die Hände der demokratischen deutschen Bourgeoisie reichlich beschmiert mit neuem Dreck und neuem Blut, wozu auch die mordbübische Solidarität mit Israel gehört. Die so genannten „Antideutschen“ sind in dieser Frage der Lautsprecher der deutschen Bourgeoisie.
Wir SozialrevolutionärInnen üben an Israel und am Zionismus die einzig angemessene Kritik, die für uns möglich ist: Wir sind für die Zerschlagung des Staates Israel durch die soziale Revolution, so wie alle Nationalstaaten als Machtapparate des Kapitals vom Weltproletariat zerschlagen werden müssen, wenn es sich von Ausbeutung und Unterdrückung befreien will. Die soziale Revolution ist die Zerschlagung von Nationalstaaten, aber nicht deren Neugründung. Deshalb bekämpfen wir auch den palästinensischen Nationalismus konsequent antinational. Denn jede bürgerliche Nation ist die Zwangsgemeinschaft aus Kapital und Arbeit. Für Lohnabhängige ist der Staat somit die politische Verlängerung der kapitalistischen Fabrik. Nationale Befreiung reproduziert die kapitalistische Ausbeutung und Unterdrückung des Proletariats. So werden jetzt die schwarzen ArbeiterInnen in Südafrika nicht mehr von den Bullen des Apartheit-Regimes massakriert, sondern von den Bullen des ANC-Regimes. Diese grundsätzliche antinationale Haltung ist eine weitere Besonderheit dieser Broschüre. Sie unterscheidet sich eindeutig vom nationalistischen Krampf, der auch von einem Großteil der kleinbürgerlichen politischen Linken produziert wird.
Bevor in der Broschüre der Kampf des jüdischen Proletariats im zaristischen Russland und im unabhängigen Zwischenkriegspolen beschrieben wird, stellen wir die so genannte „jüdische Frage“ in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts dar. Das alte Judentum stellte historisch ein vorindustriekapitalistisches Handelsvolk dar, dessen sozialökonomische Basis sich auch in der jüdischen Religion widerspiegelte, so ähnlich wie die materielle Lebensweise der christlichen Handelsbourgeoisie sich im Calvinismus ideologisch widerspiegelte. In der ständischen Gesellschaft des europäischen Feudalismus wurde der Charakter des Judentums als vorindustriekapitalistischem Handelsvolk verrechtlicht und zementiert. Die jüdische Religionsgemeinschaft hob sich durch ihre wachsende Isolation immer stärker von den von ihnen umgebenden Gesellschaften ab. Zwischen 1099 und 1291 wurde die jüdische Bevölkerung in Palästina durch Kreuzfahrer und Seldschuken dezimiert. Seit dem 13. Jahrhundert erfolgte die zwangsweise Ansiedlung in geschlossene Stadtviertel (Judengasse, Judenviertel, Judenquartier, Ghetto) Im feudalen Westeuropa waren die Juden im Mittelalter aus dem Wirtschaftsleben ausgeschlossen. Sie durften kein Land kaufen und wurden den Handwerkszünften ferngehalten. Da es den ChristInnen von der Kirche verboten war Zins für geliehenes Geld einzutreiben, betrieben die Juden auch im Auftrag und Interesse der Feudalherren und der Kirche Geldspekulationen. Zum „Dank“ wurden die Juden dann von der damaligen herrschenden Klasse zum Sündenbock für die Misswirtschaft gemacht. Das Herrschaftssystem wurde reingewaschen, indem auf den gierigen, „schmutzigen“ Juden hingewiesen wurde. Die Judenverfolgung hatte also auch schon damals einen rationalen, herrschaftssichernden Charakter.
Schon im jungen BürgerInnentum entwickelte sich ein zunehmender Konkurrenzkampf zwischen einheimischen StädterInnen und den Juden. In dem Maße, wie sich in den feudal-bürgerlichen Gesellschaften eine christliche Handelsbourgeoisie, welche auch den Geldhandel betrieb, entwickelte, konnten die Juden aus dem Handel verdrängt und vorübergehend vertrieben werden. Vorher nicht, weil das schwerwiegende sozialökonomische Folgen gehabt hätte. So wurden die Juden in den Jahren 1182, 1268 und 1306 aus Frankreich vertrieben. Die Juden wurden also als vorindustriekapitalistisches Handelsvolk mit der Entwicklung einer christlichen Handelsbourgeoisie zunehmend verdrängt und nach Osteuropa vertrieben. Die Pest von 1348-51 wurde in ganz Europa zu einer barbarischen Judenverfolgung zum Anlass genommen. Sie forderte Zehntausende von Opfern und führte zu einer starken Auswanderung, besonders von Deutschland nach Polen.
Selbstverständlich gab es große Unterschiede zwischen dem feudalen und dem kapitalistischen Antijudaismus. Doch die ideologische Verknüpfung zwischen beiden schuf der Kirchenreformator und Judenhasser Luther. Luther war bekannt für seine Polemiken gegen den (jüdischen) Wucher. Der Herausgeber der Nazizeitung Der Stürmer, Julius Streicher, berief sich also nicht zu Unrecht vor dem internationalen Militärgerichtshof 1946 auch auf Luther.
Die Französische Revolution enthielt mit der verwirklichten rechtlichen Gleichheit bei sozialer Ungleichheit, bei der also ein Milliardär und ein Obdachloser beide das gleiche Recht haben, unter einer Brücke zu schlafen, auch die Möglichkeit der Integration des Judentums in den modernen Kapitalismus. Bei dieser Integration musste sich das alte Judentum als vorindustriekapitalistisches Handelsvolk in die drei Hauptklassen der bürgerlichen Gesellschaft –Bourgeoisie, KleinbürgerInnentum und Proletariat – auflösen. Diese Integration fand auch mehr oder weniger stark ausgeprägt im Westeuropa des 19. Jahrhunderts statt. Der Antijudaismus behinderte diese Integration.
Diese weitgehende Assimilation war in Osteuropa auf Grund der sozialökonomischen Schwäche des dortigen Kapitalismus nicht möglich. Die in Osteuropa nichtmögliche Assimilation der Jüdinnen und Juden machte diese zum Hassobjekt einer feudal-kapitalistischen Sozialreaktion, besonders im zaristischen Russland und später im „unabhängigen“ Zwischenkriegspolen. Pogrom ist ein russisches Wort, das in die Weltkultur einging. In diesen Pogromen wurden jüdische Geschäfte geplündert, jüdische Frauen vergewaltigt und jüdische Menschen ermordet. Für den Zarismus war die Organisation von Pogromen auch ein Blitzableiter, um die soziale Wut der Bauern, die durch feudale Ausbeutung und durch Unterdrückung des zaristischen Staates geschürt wurde, auf die Juden zu lenken. Auch Dank antijüdischer Pogrome konnte sich der überlebte Zarismus noch bis 1917 halten.
Die Juden in Osteuropa waren in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wegen ihrer Nichtassimilation durch den ökonomisch noch zu schwachen Kapitalismus weitgehend auf die jüdische Kleinindustrie bzw. dem jüdischen Kleinhandel angewiesen – die immer weniger in der Lage waren, die Menschen zu ernähren und zunehmend von der großkapitalistischen Konkurrenz vernichtet wurde, was zu einer wachsenden Emigration osteuropäischer Jüdinnen und Juden führte. Das führte in Westeuropa bereits vor 1914, aber besonders zwischen den beiden Weltkriegen überwiegend im KleinbürgerInnentum zu einem massiven Anwachsen des Antijudaismus. Der Antijudaismus des 20. Jahrhunderts war nicht mehr vorwiegend religiös geprägt, sondern er wurde rassistisch. Aber nach wie vor war er an den negativen Geldfetischismus geknüpft. Dadurch wurde der Antijudaismus im 20. Jahrhundert zu einer bewusst-unbewussten Form der Sozialdemagogie, da im modernen Kapitalismus das zinstragende Kapital schon lange nicht mehr vorwiegend jüdisch war und ist. Unbewusst nennen wir diese antijüdische Sozialdemagogie insofern, weil den antijüdischen KleinbürgerInnen der sozialpsychologische Mechanismus des Antijudaismus nicht bewusst war –auch den hauptberuflichen DemagogInnen nicht. Alle Menschen sind im Kapitalismus gezwungenermaßen mehr oder weniger „geldgierig“, da in der alles andere dominierenden Ware-Geld-Beziehung das Geld das unmittelbare Tauschmittel ist, mit dem der stoffliche Reichtum der Gesellschaft eingetauscht werden kann und muss. Durch den Antijudaismus können nichtjüdische KleinbürgerInnen ihre eigene notwendigerweise existierende Geldgier auf „die Geldjuden“ projizieren.
Auch der fanatische und massenmörderische Judenhass der Nazis wurde unter anderem vom negativen Geldfetischismus genährt. Obwohl im damaligen Kapitalismus das Finanzkapital schon lange nicht mehr ausschließlich jüdisch war, wurde es von den Nazis in ihrer sozialen Demagogie so dargestellt und rassistisch begründet. Für die Nazis waren die Juden eine geldgierige Rasse.
Aber auch DemokratInnen betrieben im Westeuropa in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine massive antijüdische Politik, die sich gegen die osteuropäisch-jüdische Emigration richtete. So beschloss zum Beispiel das britische Parlament im Jahre 1902 das Aliens Exclusion Bill.
Der jüdische Nationalismus, der Zionismus, mit dem Ziel in Palästina einen jüdischen Staat aufzubauen, war eine Reaktion des bürgerlichen Teils des Judentums auf dessen Nichtassimilation in Osteuropa und den wachsenden Antijudaismus in Westeuropa. Wie jeder bürgerliche Nationalismus, der sich noch keinen Staat schaffen konnte, strebte der Zionismus als Ideologie und Politik der jüdischen Bourgeoisie danach, das „eigene“ Kapital und die „eigene“ Arbeit erst noch ursprünglich zu einer nationalen Schicksalsgemeinschaft zu verschmelzen. Er war das Ziel der zionistischen Bourgeoisie das jüdische Proletariat selbstverantwortlich in einem „eigenen“ Staat auszubeuten. Damit war der Zionismus wie jeder Nationalismus objektiv der Hauptfeind des „eigenen“, in diesem Fall des jüdischen Proletariats, und für das Weltproletariat ein Feind unter vielen.
Wie jeder Nationalismus erzeugte der Zionismus den realen Schein und die Scheinrealität einer nationalen Schicksalsgemeinschaft, in diesem Fall zwischen jüdischer Bourgeoisie und jüdischem Proletariat. Der Zionismus hatte für den Weltkapitalismus die wichtige Funktion jüdische ArbeiterInnen überall auf der Welt von der Perspektive des gemeinsamen Klassenkampfes mit ihren nichtjüdischen KollegInnen abzulenken und das jüdische Proletariat für die Neugründung eines zionistischen Nationalstaates zu mobilisieren. Auch so genannte linke Strömungen im Zionismus, wie zum Beispiel die Hashomer Hatzair predigten vor dem nationalsozialistischen Massenmord an den europäischen Juden den jüdischen ArbeiterInnen in der kapitalistischen Welt, dass sie sich vom Klassenkampf fernhalten sollten – und auch vom aktiven Kampf gegen den Antijudaismus.
Durch die ideologische Offensive geistig total verwirrt, ist es bei einem nicht geringen Teil der kleinbürgerlichen politischen Linken in Deutschland Mode, den Zionismus gegen revolutionäre Kritik in Schutz zu nehmen. Er sei eine natürliche Reaktion auf den Antijudaismus. Das ist aufgrund der Tatsache, dass der Zionismus mit den schlimmsten Judenschlächtern systematisch paktierte, um seinen Judenstaat zu verwirklichen, eine sehr grobe Geschichtsfälschung. Der Zionismus trat manchmal in Worten gegen die rassistische Judenfeindschaft auf, aber in der Praxis wurde der erste durch den letzteren gestärkt. Der Judenhass diente den ZionistInnen als Beweis dafür, dass die Assimilation der jüdischen Bevölkerung in die bestehenden Staaten unmöglich wäre und deshalb ein besonderer jüdischer Staat gebraucht würde. So waren der „proletarische Internationalismus“ der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung und die bürgerliche Assimilation der jüdischen Bevölkerung in den westeuropäischen Nationalstaaten die beiden Hauptfeinde des Zionismus. Das sprachen die führenden ZionistInnen auch offen aus. So formulierte der ehemalige Präsident des Jüdischen Weltkongresses und der Zionistischen Weltorganisation, Nahum Goldmann: „Die Gefahr der Assimilation der jüdischen Gemeinschaft unter den Völkern, in deren Mitte sie leben, ist sehr viel ernster als die äußere Bedrohung durch den Antisemitismus.“ (Le Monde, 13.1.1966, zitiert nach Nathan Weinstock, Le sionisme contre israel, Paris 1966, S. 38.) Auch der Gründungsvater des Zionismus, Herzl, kämpfte nicht gegen den Antijudaismus, sondern predigte bereits 1895 die passive Anpassung an ihn, was dann später zum praktischen Programm des Zionismus wurde.
Die ZionistInnen stimmten vor der Staatsgründung Israels mit den Judenhassern darin überein, dass Jüdinnen und Juden in Deutschland keine Deutschen, in Frankreich keine Franzosen usw. seien. Nun, als proletarische RevolutionärInnen fühlen wir uns auch nicht als Deutsche, Franzosen usw., sondern als Teil des globalen Proletariats, und wir bekämpfen sowohl die Integration von ProletarierInnen in den jeweiligen Nationalstaat, als auch die rassistische Ausgrenzung „ausländischer“ Klassengeschwister. Doch als der Zionismus als jüdischer Nationalismus in der Vergangenheit gegen die Assimilation der jüdischen Bevölkerung in die jeweiligen Nationalstaaten zu Felde zog, begünstigte er eindeutig den Antijudaismus. Ja, einige ZionistInnen paktierten offen mit den Judenhassern. Die Broschüre belegt eindeutig den grundsätzlich sozialreaktionären Charakter des Zionismus und dass dieser bereit war mit dem reaktionärsten Pack zusammenzuarbeiten, angefangen über den Zarismus, dem britischen Imperialismus und den italienischen Faschismus bis hin zu den deutschen Nazis.
Der faschistische Antijudaismus nahm, nachdem er von der deutschen Bourgeoisie 1933 an die politische Macht gebracht wurde, die relativ weitgehende Assimilation der deutschen Juden und Jüdinnen zurück und organisierte während des Zweiten Weltkrieges einen kapitalistisch-industriellen Massenmord an den europäischen Juden. Im Gegensatz zur groß- und kleinbürgerlichen Ideologieproduktion, für die Auschwitz die Symbolisierung des unerklärlichen Bösen darstellt, erläutern wir in dieser Broschüre wie die faschistische Irrationalität, die am brutalsten am industriellen Massenmord an den europäischen Juden und Jüdinnen zum Ausdruck kommt, sich durchaus mit der Rationalität der Kapitalvermehrung verband und sowohl mit dem innerkapitalistischen Konkurrenzkampf als auch mit dem Klassenkampf von oben in enger Verbindung stand. So konnten sich deutsche „arische“ KapitalistInnen und KleinbürgerInnen bei der so genannten Arisierung der deutschen Wirtschaft jüdisches Kapital aneignen. Der faschistische Massenmord an den osteuropäischen Juden beendete auch deren Klassenkampf gegen den Antijudaismus.
Denn eine andere Folge der Nichtassimilation der Jüdinnen und Juden Osteuropas war neben der Entstehung des Zionismus die Herausbildung eines besonderen jüdischen Proletariats in Osteuropa, welches vor und während der russischen Revolution von 1905 oft militante Kämpfe gegen kapitalistische Ausbeutung, staatliche Unterdrückung und mörderischen Antijudaismus in Form der Pogrome führte. Besonders in jenen Gebieten Osteuropas, welche sich der russische Zarismus einverleibt hatte, lebte ein besonders großes und klassenkämpferisches jüdisches Proletariat. Dieses jüdische Proletariat lebte, arbeitete und kämpfte in einem Gebiet, das sich von Litauen im Norden bis zum Schwarzen Meer im Süden und von Polen im Westen bis nach Weißrussland und der Ukraine im Osten erstreckte. Den Kampf dieses Proletariats beschreiben wir in der Broschüre genauer.
Ein bürokratisch und ideologisch entfremdeter Ausdruck dieses jüdischen klassenkämpferischen Proletariats im zaristischen Russland und später im „unabhängigen“ Zwischenkriegspolen war die Existenz einer besonderen jüdischen institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung, des Bundes. Wir kritisieren den Bund als eine sozialdemokratische Partei, die auf der einen Seite einen bürgerlich-bürokratischen Apparat und auf der anderen Seite eine proletarische Basis hervorbrachte, also die Klassenspaltung in den eigenen Reihen reproduzierte. Wir erkennen aber an, dass der Bund einen militanten Kampf gegen alle reaktionären Judenhasser führte: gegen den russischen Zarismus, gegen polnische Chauvinisten und gegen den deutschen Faschismus. Der Bund wurde jedoch auch immer jüdisch-nationaler im Verlauf seiner Entwicklung, was wir aus einer antinationalen Haltung heraus klar kritisieren. Auch muss beachtet werden dass auch jüdische Intellektuelle und ProletarierInnen Russlands und Polens außerhalb des Bundes in der russischen und polnischen ArbeiterInnenbewegung wirkten. Es ist bemerkenswert, dass die bekanntesten osteuropäisch-jüdischen Intellektuellen der internationalen institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung, Rosa Luxemburg und Leo Trotzki, nicht Teil des Bundes waren. Das lehnten beide auf Grund ihres „proletarischen Internationalismus“ ab. Beide versuchten sich in die jeweiligen institutionalisierten ArbeiterInnenbewegungen zu assimilieren. Aber beide blieben wegen ihrer Radikalität Außenseiter dieser institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung – und beide waren auch unfähig diese wirklich zu verlassen wie die rätekommunistischen ArbeiterInnen und Intellektuellen. So blieben Luxemburg und Trotzki der kleinbürgerlich-radikale Rand der institutionalisierten Arbeiterinnenbewegung, eines Apparates, der schließlich auch sie ausspuckte und blutig zermalmte.
Der „proletarische Internationalismus“ der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung, welcher natürlich von heutigen SozialrevolutionärInnen scharf dafür kritisiert werden muss, dass er nicht konsequent antinational war, wurde wegen ihrer Nichtintegration in die osteuropäischen Nationen besonders von osteuropäischen jüdischen ArbeiterInnen und Intellektuellen getragen. Bei diesen war der „proletarische Internationalismus“ eine relativ progressive sozialpsychologische Verarbeitung ihrer Nichtassimilation. Bürgerliche NationalistInnen projizierten ihren Hass auf die „vaterlandslosen Gesellen“ zunehmend auf das ganze Judentum. Auch Hitler gehörte zu ihnen. In seiner ersten „großen“ Rede vom 13. August 1920 teilte Hitler seinen ZuhörerInnen mit, dass er ein Judenfeind sei, weil „die Juden international sind, die Gleichheit aller Völker und die internationale Solidarität predigen, (und) es ihr Ziel ist, die Rassen zu entnationalisieren“ (siehe: E. Jäckel, Hitler als Ideologe, Calmann Levy 1973). Damit projizierte Hitler seinen Hass auf die jüdischen InternationalistInnen auf das gesamte Judentum, also auch auf Menschen, die sich in die jeweiligen bürgerlichen Nationalstaaten assimiliert hatten und sich auch in den jeweils herrschenden Nationalismus integriert hatten oder einem jüdischen Nationalismus (Zionismus) frönten. Der kapitalistisch-industrielle Massenmord an den europäischen Jüdinnen und Juden richtete sich auch gegen den proletarischen Internationalismus. Durch die Staatswerdung des Zionismus und dessen Dominanz im Judentum geriet auch die progressive Tradition jüdischer InternationalistInnen in Vergessenheit. Wir verteidigen kritisch das progressive Erbe der jüdischen InternationalistInnen gegen Antijudaismus und Zionismus.
Nein, die Nazis haben die Ideologie vom „jüdischen Bolschewismus nicht erfunden. Die Führung der deutschen Sozialdemokratie ließ am 15. Januar 1919 Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg durch die Freikorps ermorden. Als ideologische Vorbereitung dieses Mordes veröffentlichte die sozialdemokratische Zeitung Vorwärts am 12. Januar 1919 ein antikommunistisches, rassistisches und antijüdisches Gedicht, in dem die Ideologie vom „jüdischen Bolschewismus“ hochgekocht wurde, indem die beiden bolschewistischen Funktionäre Trotzki und Radek bei ihren kaum bekannten jüdischen Namen benannt wurden: „Ich sah der Massen mörderischer Streife,/ sie folgten Karl, dem blinden Hödur nach,/ sie tanzten nach des Rattenfängers Pfeife,/ die ihnen heuchlerisch die Welt versprach./ Sie knieten hin vor blutigen Idolen,/ bauchrutschend vor der Menschheit Spott und Hohn,/ vor Russlands Asiaten und Mongolen,/ vor Braunstein (Trotzki), Luxemburg und Sobelsohn (Radek)./ O, kehret um ihr aufgehetzten Horden!/ Ihr ruft nach Freiheit, nur um sie zu morden.“ (Vorwärts Nr. 34, 12.1.1919.) Die deutsche Sozialdemokratie als Wegbereiterin des faschistischen Antijudaismus!
Viele jüdische RevolutionärInnen fielen der kapitalistischen Konterrevolution und dem deutschen Faschismus als deren ultrafanatischen Höhepunkt zum Opfer. Ihnen haben wir unsere Broschüre gewidmet. Ihr Kampf gegen Kapitalismus, Antijudaismus und Zionismus ist auch unser Kampf. Nieder mit dem Bündnis aus deutscher Bourgeoisie und dem zionistischen Regime Israels! Hoch, die antinationale Solidarität!

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Buschvorstelung!!! https://sbefreiung.blackblogs.org/2013/10/22/buschvorstelung/ https://sbefreiung.blackblogs.org/2013/10/22/buschvorstelung/#respond Tue, 22 Oct 2013 21:15:36 +0000 http://sbefreiung.blogsport.de/?p=31 Eine Folge der Nichtassimilation der Juden und Jüdinnen Osteuropas war die Herausbildung eines besonderen jüdischen Proletariats in Osteuropa, welches vor und während der russischen Revolution von 1905 oft militante Kämpfe gegen kapitalistische Ausbeutung, staatliche Unterdrückung und mörderischen Antijudaismus in Form der Pogrome führte. Aus dem Kapitel „Die jüdische Emigration aus Osteuropa“

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Am Samstag, den 2. November um 15:00 Uhr im Rahmen der Linken Literaturmesse in Nürnberg Künstlerhaus K 4, Königsstraße 93, wollen wir gemeinsam mit der Gruppe Sozialer Widerstand die Broschüre „Der Kampf des jüdischen Proletariats (1900-1945)“ vorstellen. Ihr seid herzlich eingeladen zu kommen.

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Diskussionsveranstaltung!!! https://sbefreiung.blackblogs.org/2013/04/27/diskussionsveranstaltung/ https://sbefreiung.blackblogs.org/2013/04/27/diskussionsveranstaltung/#respond Sat, 27 Apr 2013 21:34:16 +0000 http://sbefreiung.blogsport.de/?p=24 Diskussionsveranstaltung der Gruppe Sozialer Widerstand. Thema: Der eine bekommt einen Scheißjob und der andere eben nicht!

likj

Jeder von uns kennt den Druck, der uns Tag für Tag von außen aufgezwungen wird. Gleichgültig, ob wir uns am Fließband blöd schuften oder im Büro geistig verausgaben. Überall spüren wir den stillen Zwang der Verhältnisse, welcher uns zwingt, unsere Haut zu Markte zu tragen. Denn ohne den Besitz von Produktionsmitteln sind wir Lohnabhängige dazu verdammt uns den Launen derer zu beugen, die über sie verfügen. Falls wir keinen Käufer für unsere Arbeitskraft finden bzw. aufgrund unserer körperlichen und geistigen Schwächen nicht dazu in der Lage sind, uns zu verkaufen, müssen wir von Almosen der jeweiligen Ämter leben. In unserer tollen Demokratie wird natürlich keine/r zum Arbeiten gezwungen, nein es werden einem bei Nichtannahme ihrer Angebote „nur“ die Almosen gekürzt, die sowieso schon vorne und hinten nicht ausreichen.
Die Sachzwänge der Kapitalvermehrung sollen von uns als „Preis der Freiheit“ akzeptiert werden! Doch da, wo Märkte frei sind, sind Fabriken und Büros Orte der Unfreiheit, wo wir uns dafür abschuften, damit wir in den Supermärkten uns und unsere „Träume“ verwirklichen können – und ganz nebenbei auch dem Handelskapital den Profit ermöglichen. Träumen wir wirklich von einem Leben, das aus Lohnarbeit und Konsum besteht? Gibt es wirklich keine Alternativen zum Kapitalismus?

Eine Diskussion über das Leben jenseits von Markt und Staat

Wo? Im Nachbarschaftshaus Gostenhof, Adam-Klein Str. 6
90429 Nürnberg
Wann? Am Samstag den 4. Mai 2013 um 19.00 Uhr

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Der Terror des Kapitals – eine rätekommunistische Streitschrift https://sbefreiung.blackblogs.org/2012/02/10/nelke-der-terror-des-kapitals-eine-raetekommunistische-streitschrift/ https://sbefreiung.blackblogs.org/2012/02/10/nelke-der-terror-des-kapitals-eine-raetekommunistische-streitschrift/#respond Fri, 10 Feb 2012 12:10:32 +0000 http://sbefreiung.blogsport.de/?p=4
Mit der Beschreibung des ganz „normalen Terrors des Kapitals“ beginnt Nelke seinen Einstieg in die vorliegende umfassende und streitlustige Schrift. Fundiert schildert er die Funktionsweise der kapitalistischen Verwertung, unterzieht gewerkschaftliche Herangehensweisen und marxistische, aber auch anarchistische Politikverständnisse einer radikalen Kritik und setzt sich mit den diversen sozialen Bewegungen wie der Frauen-, Ökologie- oder auch Friedensbewegung auseinander. In solider rätekommunistischer Tradition wird der „reale Sozialismus“ als banaler Staatskapitalismus demaskiert. Eine grundsätzliche Aufarbeitung der jüngeren Reprivatisierungsgeschichte wird an den Beispielen des „blutigen Zerfalls Jugoslawiens“ und der „friedlichen Annexion der DDR“ geleistet.
Erhältlich ist das Buch im Buchhandel, 250 S., 12,90 Euro, ISBN: 3-00-015468-X oder direkt bei Syndikat-A.

Einleitung

Wir sind uns sehr wohl dessen bewußt, was der Autor p.m. zur Geschichte sagte: „Geschichte sind die Schichten unserer Gegenwart. Nichts ist erledigt, alles wird noch dreimal hochkommen.“ (p.m. im Interview: Von der Notwendigkeit aus der Geschichte zu ändern, statt sie immer zu wiederholen in Revolution Times Nr. 12, S. 36.) Deshalb besteht VOM KAPITALISMUS ZUR KLASSENLOSEN GESELLSCHAFT aus kritischen Beiträgen zur Geschichte und Gegenwart des Kapitalismus und der bürgerlichen Ideologie sowie des Klassenkampfes und der revolutionären Theorie. Die klassenlose Gesellschaft ist für uns eine mögliche Variante der Zukunft, aber keine Gesetzmäßigkeit. Auch halten wir den Kommunismus nicht für ein weltliches Paradies, es wird auch in ihm Widersprüche zwischen Gesellschaft und Individuum geben –allerdings werden sie ganz anders gelöst werden als wir es aus der Klassengesellschaft gewöhnt sind.

Die scharfe Kritik des Kapitalverhältnisses in allen seinen Erscheinungsformen (Privatkapitalismus, Staats-kapitalismus) und ideologischen Verkleidungen (Nationalsozialismus, Demokratie, „realer Sozialismus“) ist Lebenselixier des historischen Materialismus. Für uns sozialrevolutionäre ArbeiterInnen ist der Bruch mit dem kleinbürgerlichen Radikalismus (Parteimarxismus, Anarchismus, Mittelstandsfeminismus Antiglobalisierungs-bewegung…) besonders wichtig, da er in seinen Hauptströmungen nicht fähig ist mit der Klassengesellschaft zu brechen und nicht selten schon zu einer wichtigen politischen und ideologischen Stütze eben dieser Klassen-gesellschaft wurde. Marx/Engels sind als Pioniere des wissenschaftlichen Kommunismus noch immer dem Großteil ihrer parteimarxistischen Epigonen, aber auch den meisten ihrer anarchistischen KritikerInnen geistig weit überlegen. Aber wir halten dennoch auch eine kommunistische Kritik an Marx/Engels für notwendig. Unser Weg führt nicht zurück zu Marx, sondern vorwärts zum nachmarxistischen Kommunismus. Auch unsere Bezugnahme auf den historischen Rätekommunismus ist alles andere als unkritisch. Die selbstkritische Reflexion unserer bisherigen Arbeit kommt ebenfalls nicht zu kurz.

Selbstkritik ist bei unserer linksbürgerlichen Vergangenheit (Trotzkismus) bitter notwendig um wirklich konsequent mit ihr abzuschließen. Das ist alles andere als leicht. Wer unsere bisherige Arbeit (Soziale Befreiung Nr. 1-5) kritisch beleuchtet, wird neben vernünftigen Ansätzen auch inhaltliche Fehler, begriffliche Unklarheiten unscharfe Formulierungen und nur halb zu Ende Gedachtes finden. Deshalb haben wir uns aus Gründen der theoretischen Klarheit dazu entschlossen, den Vertrieb der Sozialen Befreiung Nr. 1-5 einzustellen. Aber unsere Arbeit war nicht umsonst. Die selbstkritische Überarbeitung von Beiträgen in bisherigen Ausgaben der Sozialen Befreiung bildet auch einen wichtigen Bestandteil von Der Terror des Kapitals.

NELKE (3. 11. 2002)

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