is – Soziale Befreiung https://sbefreiung.blackblogs.org Für die revolutionäre Selbstaufhebung des Proletariats! Sat, 26 Aug 2023 21:50:57 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 Der IS, der Imperialismus und der kurdische Nationalismus II https://sbefreiung.blackblogs.org/2015/01/21/der-is-der-imperialismus-und-der-kurdische-nationalismus-ii/ https://sbefreiung.blackblogs.org/2015/01/21/der-is-der-imperialismus-und-der-kurdische-nationalismus-ii/#comments Wed, 21 Jan 2015 15:14:21 +0000 http://sbefreiung.blogsport.de/?p=52 Wir veröffentlichen hier die Fortsetzung des Artikels „Der IS, der Imperialismus und der kurdische Nationalismus I“. Der erste Teil könnt ihr hier bei der Gruppe Sozialer Widerstand lesen.

Dschihadisten der ISIL-Miliz nach Eroberung der Verbindungsstraße zwischen Ninawa Provinz im Irak und der Stadt Al-Hasaka in Syrien. 11. Juni 2014. AFP

Das syrische Assad-Regime nutzte den Strategiewechsel der USA, um Versuche zu starten Teil der imperialistischen Allianz gegen den IS zu werden. So begrüßte die syrische Regierung die US-Luftangriffe auf ihrem Territorium. Aber der US-Imperialismus scheute bisher davor zurück, dass Assad-Regime direkt in seine imperialistische Allianz gegen den IS zu integrieren. So setzen die USA weiterhin auf die „moderate“ bewaffnete syrische Opposition, die Freie Syrische Armee (FSA), die jetzt nicht nur das Assad-Regime sondern auch den IS am Boden bekämpfen soll. Noch vor Beginn der US-Luftangriffe auf den IS in Syrien, beschloss das US-Repräsentantenhaus am 17. September 2014, dass die FSA mit 500 Millionen Dollar unterstützt werden soll. Während das Assad-Regime die US-Luftangriffe öffentlich billigte, lehnt es verständlicherweise die imperialistische Unterstützung der FSA ab.
Durch die strategische Umorientierung des US-Imperialismus, der die Bekämpfung des IS nun als Hauptziel in der Region ansah, kam es auch zu gewissen Differenzen mit dem NATO-Verbündeten Türkei. Die Regionalmacht sah weiterhin im Sturz des syrischen Assad-Regimes und in der Schwächung des syrisch-kurdischen Autonomiegebietes Rojava – auch weiterhin mit Hilfe des IS (siehe dazu weiter unten) – seine strategischen Hauptziele. So versuchte der türkische Imperialismus vor Beginn der US-Luftangriffe in Syrien vergeblich ihre NATO-Verbündeten für die Schaffung einer Pufferzone in Nordsyrien zu gewinnen, die auch eine Flugverbotszone für das Assad-Regime beinhaltet hätte. Die Türkei wiederum verweigerte den USA ihren Luftkrieg gegen den IS von türkischen Flughäfen aus zu führen. Mit diesem Kurs geriet die türkische Regierung sowohl unter den Druck des einheimischen kurdischen Nationalismus als auch unter den des US-Imperialismus –besonders in der Schlacht um Kobani, den der kurdische Nationalismus mit Unterstützung der imperialistischen Allianz und der kleinbürgerlichen politischen Linken gegen den IS führt und den wir weiter unten genauer unter die Lupe nehmen wollen. Die kurdischen NationalistInnen verlangten vom türkischen Imperialismus nicht länger den IS zu unterstützen, sondern Kämpfer und Rüstung zu ihren Gunsten und gegen die Islamisten über ihre Grenze zu lassen. Das führte im Herbst 2014 zu schweren Konflikten zwischen dem türkischen Staat und den kurdischen NationalistInnen.
Bei Wikipedia ist über den Konflikt zwischen der Türkei und der imperialistischen Allianz gegen den IS – einschließlich des kurdischen Nationalismus – zu lesen: „Auf Grund der Haltung der Türkei, weder selbst militärische Hilfe zu senden noch kurdische Kämpfer oder Waffen zur Unterstützung über die Grenze zu lassen, kam es zu Demonstrationen in der Türkei und in anderen Ländern. Laut türkischen Regierungsangaben kamen bei diesen Demonstrationen bis zum 10. Oktober 31 Menschen ums Leben. Cemil Bayık sah in der am 2. Oktober erteilten Ermächtigung des Parlaments seitens der Türkei eine Beendigung des Friedensprozesses mit der PKK. Der UN-Sondergesandte Staffan de Mistura forderte die Türkei am 11. Oktober auf, zumindest die freiwilligen kurdischen Kämpfer samt Waffen nach Kobanê zu lassen. Die Türkei lehnte diesen Vorschlag ab. Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu bezeichnete einen Korridor, über den von der Türkei aus Waffen und Kämpfer zur Unterstützung der Kurden in die Stadt gelangen könnten, als unrealistisch. Laut Susan Rice, der Sicherheitsberaterin von US-Präsident Obama, dürfe die internationale Allianz in Zukunft auch NATO-Stützpunkte in der Türkei nutzen; auch gestatte die Türkei die Ausbildung von gemäßigten syrischen Rebellen auf ihrem Gebiet.
Die Türkei stellte am 10. Oktober 2014 für die Entsendung von Bodentruppen konkrete Forderungen: Unterstützung bei der Entsendung von Bodentruppen und die Einrichtung einer Schutz- und Flugverbotszone auf syrischem Gebiet. Der Sturz des syrischen Machthabers Baschar al-Assad war schon einmal als Bedingung an die Anti-IS-Allianz von Ahmet Davutoğlu formuliert worden, um eine Beteiligung der Türkei zu erreichen.
Am 13. Oktober 2014 stand in der Presse, dass die Türkei ihre Flughäfen, insbesondere den in Incirlik, für alliierte Luftschläge gegen den IS zur Verfügung stelle. Stunden später folgte ein Dementi. Die Türkei hielt zudem daran fest, keinen Korridor für die Versorgung der eingeschlossenen Kurden zu eröffnen. Nachdem PKK-Rebellen seit drei Tagen einen Militärposten in der Provinz Hakkâri beschossen hätten, flog die Türkei am 14. Oktober Luftangriffe gegen PKK-Stellungen im Bezirk Dağlıca. Dies waren die heftigsten Angriffe seit Beginn des Friedensprozesses mit der PKK.
Am 19. Oktober gab Amnesty International (AI) bekannt, dass von 250 in der Türkei festgenommenen syrischen Flüchtlingen 107 die Abschiebung in die umkämpfte Stadt drohe. Die 250 syrischen Flüchtlinge waren wegen mutmaßlicher Verbindungen zur PYD festgenommen worden. Laut AI wurden Flüchtlinge, darunter auch Kinder, abgeschoben. Der Präsident der Türkei bekräftige den Willen zur Zusammenarbeit gegen die IS-Milizen, stellte aber auch klar, dass es keine Waffenlieferung an die Verteidiger von Kobanê geben werde, da diese zur PYD gehören würden und somit eine Terrororganisation wie die PKK wären.
Am 20. Oktober gab der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu auf einer Pressekonferenz bekannt, die Türkei sei bereit, Peschmerga aus der autonomen Kurdenregion im Irak nach Kobanê zu lassen. Kurden aus der Türkei solle es dagegen weiterhin nicht erlaubt werden, sich den YPG anzuschließen.“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Kampf_um_Koban%C3%AA)
Der irakisch-kurdische Nationalismus gehört zu den großen Gewinnern der imperialistischen Allianz gegen den IS, wie auch Joachim Guillard beschrieb: „Hauptnutznießer der Entwicklung sind die nach Unabhängigkeit strebenden irakischen Kurden, allen voran der Barsani-Clan und seine Demokratische Partei Kurdistans (KDP). Insbesondere die offene, an der Zentralregierung vorbei erfolgte militärische Aufrüstung ihrer Peschmerga-Verbände, die sie seit vielen Jahren vergeblich gefordert hatten, bedeutet einen weiteren großen Schritt in Richtung faktische staatliche Unabhängigkeit.
Auch das Zurückweichen der irakischen Armee vor dem ISIL und den aufständischen Gruppen kam den Kurdenparteien sehr gelegen. Die Peschmerga rückte sofort nach und besetzen nun weitere große Teile des bis zu 100 Kilometer breiten Landstreifens, den sie jenseits der Grenze der Autonomen Region Kurdistans beanspruchen. Unter kurdische Hoheit gerieten dabei auch die Hauptstadt der Nachbarprovinz, Kirkuk, und ihre Umgebung, wo die größten nordirakischen Ölfelder liegen.
Ein großer Teil dieser ,umstrittenen Gebiete‘ stand bereits seit 2003 unter ihrer Kontrolle, als sie zusammen mit den US-amerikanischen Invasionstruppen einmarschierten. Die kurdische Regionalregierung hat auch schon für Ölfelder, die in diesem Gebiet liegen, Konzessionen an ausländische Konzerne, darunter Total und die US-Multis Exxon-Mobile und Chevron, vergeben und damit die Spannungen mit der Zentralregierung extrem zugespitzt. Irakische Armee und Peschmerga standen sich jahrelang schussbereit an der Demarkationslinie gegenüber, mehrfach mussten die Besatzer dazwischen gehen. Mit dem Abschluss der für Exxon, Chevron und Total überaus lukrativen Geschäfte schufen die Kurden jedoch in den beanspruchten Gebieten harte Fakten und konnten darauf vertrauen, dass die Multis ihre erheblichen Investitionen schützen werden.
Dennoch hatten sich die Bemühungen der Kurden um größere Unabhängigkeit festgefahren. Sie hatten in den letzten Jahren zwar die Ölförderung auf ihrem Territorium mittels eigenmächtiger Abkommen mit ausländischen Konzernen deutlich ausgebaut und im Mai auch eine eigene in die Türkei führende Pipeline in Betrieb genommen, konnten das Öl aber aufgrund des Widerstandes der Zentralregierung nur schwer verkaufen. Washington, bemüht, das Auseinanderbrechen des Iraks zu vermeiden, unterstützte bisher Bagdads Sicht, dass solche eigenmächtigen Verkäufe illegal sind – trotz des Drucks der involvierten Ölkonzerne und der türkischen Regierung. Mit dem Vorrücken des ISIS im Irak und dem Kollaps der Regierungstruppen avancierten die irakischen Kurden jedoch plötzlich zur einzigen verlässlichen Kraft. Dies machte nicht nur den Weg frei für direkte Waffenlieferungen an Barsanis KDP und den Einsatz der US-Luftwaffe zur Unterstützung von deren Kämpfern in Gefechten um die ,umstrittenen Gebiete‘, sondern scheint auch die Tür für den Export kurdischen Öls zu öffnen. Ende Augst (2014) verwarf ein US-Gerichtshof das Urteil eines Distriktgerichtes, den vor der texanischen Küste liegenden Tanker ,United Kalavryta‘ mit einer Million Barrel kurdischen Rohöls im Wert von knapp 100 Millionen US-Dollar an Bord, zu beschlagnahmen. US-Experten erwarten nun bald auch die Erlaubnis, das Öl in einem texanischen Hafen entladen zu dürfen.
Kämpfer von Barsanis KDP hatten im Juni (2014) auch die Förderanlagen des Kirkuk- und des Bai-Hassan-Ölfeldes übernommen und die dort arbeitenden Angestellten der staatlichen ,Northern Oil Company‘ vertrieben. Diese Ölfelder haben zusammen eine Förderleistung von rund 500.000 Barrel pro Tag (bpd), das ist rund ein Fünftel der gesamten irakischen Kapazität. Mitte Oktober (2014) begannen die Kurden, daraus 200.000 Barrel täglich zu den Raffinerien zu pumpen, die unter ihrer Kontrolle stehen und damit Öl aus eigenen Ölfeldern für den Export freizumachen. Sie haben ihre Ausfuhr im Sommer (2014) von 180.000 auf 240.000 bpd ausbauen können. Wohin die illegalen Exporte gehen, bleibt im Nebel. Ein Teil floss im Sommer (2014) offenbar nach Ungarn, auch Österreich und Deutschland scheinen davon etwas erhalten zu haben.
Massud Al-Barsani, KDP-Chef und Präsident der Autonomen Region Kurdistan, kündigte auch unmittelbar nach der Übernahme von Kirkuk ein baldiges Referendum über die Unabhängigkeit der von KDP und der Patriotischen Union Kurdistans kontrollierten Gebiete an. Sukzessive werden die eroberten Regionen in die politischen Strukturen des kurdischen Autonomiegebietes eingebunden. 24.000 Peschmerga kontrollieren nun Kirkuk, und das kurdische Regionalparlament eröffnete Mitte Oktober (2014) bereits eine Repräsentanz in der Stadt, um deren ,kurdische Identität zu unterstreichen‘.
Kirkuk ist jedoch keineswegs überwiegend kurdisch geprägt. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war sie mehrheitlich turkmenisch, 1977 stellten schon Araber die größte Bevölkerungsgruppe. In der gesamten Provinz betrug deren Anteil 1997 rund 70 Prozent. Dies hat sich zwar infolge von Vertreibungsmaßnahmen von Seiten der Kurdenparteien seit 2003 zugunsten der Kurden verschoben, eine Mehrheit stellen sie jedoch noch immer nicht. Die neue irakische Verfassung sieht im Artikel 140 vor, dass der Status von Kirkuk per Referendum geklärt werden soll. Da dessen Durchführung die Gewalt zwischen den Bevölkerungsgruppen mit Sicherheit eskalieren ließe, wurde es auf unbestimmte Zeit verschoben.
Artikel 140 sei nun endlich umgesetzt, wenn auch durch besondere Umstände, erklärte Barsani im Juni (2014) auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem damaligen britischen Außenminister William Hague. Jegliche weitere Diskussion über diesen Artikel sei damit überflüssig. Der Widerstand gegen die Annexion ist jedoch keineswegs überwunden, auch wenn Bagdad aktuell wegen des Vormarsches des ISIL und wegen der Aufständischen die Hände gebunden sind. Die übrige Bevölkerung wird sich nicht mit der kurdischen Herrschaft abfinden, und keine arabische Organisation wird die kurdische Kontrolle über die annektierten Ölfelder akzeptieren.“ (Joachim Guillard, Gedungene Mörder, a.a.O., S. 12/13.)
Auch der bundesdeutsche Imperialismus nutzte den Strategiewechsel der USA, um seinen geopolitischen Einfluss in der Region zu verstärken. Schon zu Zeiten als die Hauptstrategie des US-Imperialismus darin bestand das Assad-Regime zu stürzen und dabei die Islamisten als kleineres Übel betrachtet wurden, nutzte das die BRD um als US-Verbündete in der Region ihren eigenen Einfluss zu stärken. So sichern die Bundeswehrsoldaten des Patriot-Raketenabwehrsystems in der Türkei die imperialistische Einmischung der letztgenannten Regionalmacht in den syrischen BürgerInnenkrieg ab. Auch der IS wird auch nach der US-Strategie-Modernisierung noch inoffiziell von der Türkei zur Destabilisierung des Assad-Regimes und des syrischen Kurdengebietes benutzt – was von der Bundeswehr mit abgesichert wird. Gleichzeitig beteiligt sich die BRD ab September 2014 an der imperialistischen Allianz gegen den IS. Das Merkel-Regime lieferte Waffen an die irakisch-kurdische Peschmerga – immerhin 600 Tonnen Kriegsgerät. Außerdem wurden irakisch-kurdische Soldaten an der deutschen Infanterieschule in Hammelburg ausgebildet. Doch dieser imperialistische Einfluss in den Irak reichte Berlin nicht aus. So begannen deutsche Armeeangehörige mit der Einrichtung eines „militärischen Verbindungselements“ in der Hauptstadt der kurdischen Autonomieregion im Irak, Erbil. Im Dezember 2014 teilte der bundesdeutsche Imperialismus offiziell mit, dass er 100 BundeswehrsoldatInnen zur Ausbildung von irakisch-kurdischen Kämpfern in den Irak senden wolle.
Auch der syrisch-kurdische Linksnationalismus nutzte den Strategiewechsel des US-Imperialismus, um Teil der von diesem geführten Allianz gegen den IS zu werden. Dabei forderte er offensiv die Hilfe der „internationalen Gemeinschaft“ der kapitalistisch-imperialistischen Staaten ein. Das ist typisch für ganz normale bürgerliche Nationalismen. Doch wäre die kurdisch-linksnationale Partei PYD wirklich eine antikapitalistische Kraft wie die linken KleinbürgerInnen auch in der BRD behaupten, würde sie keinen Unterstaat aufbauen, sondern versuchen die ersten Keime einer klassen- und staatenlosen Gesellschaft zu schaffen und an die Solidarität des Weltproletariats appellieren anstatt an die Hilfe imperialistischer Staaten. Aber politische Parteien können objektiv nur bürgerlich sein. So wurde die PYD als faktische Regierungspartei von Rojava Teil der imperialistischen Allianz gegen den IS. Nachdem der US-Imperialismus zuerst vorwiegend die Öl-Raffinerien, die sich in der Verfügungsgewalt des IS befanden, bombardierte, kam es bei den Gemetzeln um Kobani schließlich doch zu einer bewaffneten Allianz zwischen den militärischen Einheiten des syrisch-kurdischen Nationalismus, YPG und YPJ – die letztere eine bewaffnete Fraueneinheit – und den Streitkräften von Uncle Sam.
Der IS begann seinen Angriff auf den syrisch-kurdischen Kanton Kobani am 15. September 2014. Im Verlauf der ersten drei Wochen konnte der IS das Kanton Kobani unter seine Kontrolle bringen und die gleichnamige Stadt einkesseln. Die YPG und YPJ verteidigten die Stadt als wichtigen Posten des syrisch-kurdischen Nationalismus gegen den Islamismus. Dabei wurden sie von der PKK und der vom US-Imperialismus ausgehaltenen Freien Syrischen Armee (FSA) unterstützt. Seit dem Beginn der Kämpfe wurden bis zum 10. Dezember 2014 rund 300.000 ZivilistInnen der Stadt in die Türkei evakuiert. Bereits am 24. September 2014 unterstützte der US-Imperialismus den syrisch-kurdischen Nationalismus in Kobani durch Luftangriffe auf den IS 30 km vor der Stadt. Am 28. September begannen die islamistischen Dschihadisten einen Großangriff auf Kobani, worauf viele ZivilistInnen die Stadt verließen. Am 30. September griff die US-Luftwaffe zwei Stellungen der IS westlich und östlich von Kobani an. Bis zum 1. Oktober 2014 brachten die Islamisten 300 kurdische Dörfer unter ihre Gewalt. Am 3. Oktober 2014 nahm die Heftigkeit des islamistischen Angriffes auf Kobani noch zu. In der Nacht zum 6. Oktober gelang es den IS-Dschihadisten in das Stadtgebiet von Kobani einzudringen. Im Laufe dieses Tages kam es zu einem Häuserkampf zwischen Islamisten und kurdischen NationalistInnen. Die letzteren forderten an diesem Tag die Zivilbevölkerung auf, die Stadt zu verlassen. Auch aus sozialrevolutionärer Sicht war in diesem Falle eine Flucht aus der Stadt die richtige Wahl, um nicht völlig sinnlos auf dem Schlachtfeld zwischen kurdischen Nationalismus/US-Imperialismus und dem Islamismus massakriert zu werden. So überquerten in der Nacht vom 6. zum 7. Oktober rund 700 Flüchtlinge die türkische Grenze.
In der Nacht zum 13. Oktober konnten die kurdischen NationalistInnen im Kampf gegen den IS im Südwesten und im Nordosten von Kobani zwei Stadtviertel zurückerobern. Der US-Imperialismus unterstützte diese Rückeroberung durch Luftangriffe auf die Dschihadisten. In dieser Zeit wurde die Zusammenarbeit des kurdischen Nationalismus mit der vom US-Imperialismus geführten internationalen Koalition gegen den IS sehr intensiv. So sagte der Sprecher der kurdischen YPG, Polat Can, gegenüber der liberalen türkischen Zeitung Radikal: „Wir handeln nun gemeinsam mit den Kräften der internationalen Koalition. Wir haben eine direkte Partnerschaft im Bereich des Informationsaustausches im militärischen Bereich sowie bei den Luftangriffen.“ (Zitiert nach Nick Brauns, Unter einem Dach, in: junge Welt vom 17. Oktober 2014, S.7.) So saß dann auch ein YPG-Vertreter im Operationszentrum, in dem die Luftangriffe koordiniert wurden. Auch die indirekte Bodentruppe des US-Imperialismus, die Freie Syrische Armee (FSA) griff am 29. Oktober auf der Seite der syrisch-kurdischen NationalistInnen bei der Schlacht um Kobani mit der Ankunft von 50 bis 70 Kämpfern ein. Als dann schließlich am Morgen des 29. Oktober noch die irakisch-kurdische Peschmerga mit 70 Kämpfern Kobani erreichte, führte das geradezu zu einem kurdisch-nationalen Einheitstaumel.
Auch durch diese direkte Integration des kurdischen Nationalismus kann die imperialistische Allianz gegen den IS ihren Krieg auf Kosten der kleinbürgerlichen und proletarischen Zivilbevölkerung als humanitäre Befreiungsaktion verkaufen. „Wir können nicht tatenlos zusehen!“ heißt das zynisch-verlogene Kriegsgeschrei der westeuropäischen Imperialismen und des US-Imperialismus. Ob sie bei massenhaften Morden zuschauen oder mitmorden hängt bei den verschiedenen Imperialismen immer von den jeweiligen wirtschaftlichen und geostrategischen Interessen ab. Sowohl das Zusehen als auch das Mitmachen an den globalen Gemetzeln ist aus proletarischer Klassenperspektive nur grundsätzlich zu bekämpfen. Wir proletarischen RevolutionärInnen verlangen nicht wie die linken KleinbürgerInnen von den verschiedenen Imperialismen und Nationalismen eine „andere Politik“, sondern bereiten die Zerschlagung aller Nationalismen durch die revolutionäre Selbstaufhebung des Weltproletariats vor. Dass ist alles andere als SektierInnentum. Denn der bürgerliche „Frieden“ und der „nationale Befreiungskrieg“ als verschiedene Formen linker Realpolitik sind beide Momente des kapitalistischen Massakers am Proletariat. Auch der bürgerliche militärische Frieden zwischen den Nationalismen verheizt als Durchsetzungsform des ökonomischen Konkurrenzkampfes massenhaft die Gesundheit und das Leben unzähliger ProletarierInnen und bereitet den nächsten militärischen Krieg vor. Und der „nationale Befreiungskrieg“ ist eine Reproduktion der sozialen Ausbeutung und Unterdrückung des Proletariats.
Nein, wir verlangen von den Imperialismen und Nationalismen sowie von der kleinbürgerlichen politischen Linken nicht das Geringste. Wir verlangen von uns selbst und unseren KollegInnen und Klassengeschwistern, dass wir konsequent den bürgerlichen Frieden und den imperialistischen Krieg bekämpfen. Vor Ort muss der Selbstschutz der Zivilbevölkerung gegen den IS – und wenn nötig die Flucht – möglichst geistig und praktisch unabhängig von den Imperialismen und Nationalismen organisiert werden. SozialrevolutionärInnen müssen sich im notwendigen Kampf gegen bestimmte Fraktionen des Weltkapitals immer von den anderen Fraktionen des Weltkapitals geistig und praktisch getrennt halten. Das heißt, dass der notwendige sozialrevolutionäre Kampf gegen den IS unabhängig von der imperialistischen Allianz – einschließlich des kurdischen Nationalismus – zu führen ist.
Das imperialistische Gemetzel in Syrien und im Irak bezieht sich propagandistisch „auf die Menschen“, die vom IS gefoltert, eingeschüchtert und massakriert werden – um selbst auf Kosten der Zivilbevölkerung im Interesse des Rüstungskapitals, der sicheren Ölversorgung und einer gehobenen geostrategischen Position des jeweiligen Nationalstaates mit zu morden. Wie wir bereits ausführten, sind die Verbündeten des US-Imperialismus gegen den IS, die irakische Regierung und die schiitischen Milizen, ebenfalls asoziale Mordbuben und Folterknechte. Diese als „kleineres Übel“ zu den IS zu bezeichnen, kann nur das zynische Geschäft von ImperialistInnen und deren Kopf- und Handlangern sein. Die kleinbürgerlichen MenschenrechtsaktivistInnen appellieren hilflos an die imperialistischen Hauptmächte ihre regionalen Vasallen gegen den IS doch bitteschön anzuhalten, dass Völkerrecht und die Menschenrechte einzuhalten. Doch nur die soziale Weltrevolution kann den globalen Mordbuben und Folterknechten des Kapitalismus das Handwerk legen.
Diesen klaren proletarisch-revolutionären Klassenstandpunkt vertritt der kleinbürgerliche Intellektuelle Joachim Guillard selbstverständlich nicht, aber aus seinen Ausführungen über das Gemetzel der irakischen Regierung und der schiitischen Milizen geht ebenfalls eindeutig hervor, dass die imperialistische Allianz sich nicht nur gegen den IS richtet, sondern auch gegen unsere Klassengeschwister im Irak und Syrien. Aus der Sicht des sozialrevolutionären Universalismus ist also die imperialistische Allianz gegen den IS – einschließlich des kurdischen Nationalismus – ein Feind des Weltproletariats.
Guillard schrieb über das Gemetzel der irakischen Regierung und der Schiitenmilizen an der Zivilbevölkerung und die hilflosen Appelle der Menschenrechtsorganisationen an die Nationalismen und Imperialismen ihre Massaker innerhalb gewisser völkerrechtlicher Normen zu halten: „Amnesty International appelliert an den neuen irakischen Regierungschef, Haider Al-Abadi, den Verbrechen der Regierungstruppen und verbündeter Milizen ein Ende zu machen. Human Rights Watch (HRW) forderte Washington unlängst auf, die schweren Vergehen der Regierung in Bagdad und ihrer Milizen nicht länger zu unterstützen. ,Das ganze letzte Jahr über haben die USA ununterbrochen militärisches Material an Bagdad geliefert‘, so HRW, trotz vieler dokumentierter ,entsetzlicher Verbrechen durch Regierungskräfte‘, wie ,willkürliche Luftangriffe, die in sunnitischen Gebieten Tausende Zivilisten töteten, Folter und außergerichtliche Hinrichtungen‘ sowie ,ein Justizsystem, das häufig wesentlich missbräuchlich als gerecht erscheint‘. Die Eingliederung schiitischer Milizen in die Sicherheitskräfte habe ein Ausmaß erreicht, dass sie nun faktisch ununterscheidbar mache.
Da es offensichtlich ist, dass die regressive, die Sunniten schwer benachteiligende Politik Malikis den Aufstand in den sunnitischen Provinzen provozierte und damit auch den Boden für das Vordringen des ISIL bereitete, hofft man nun im Westen, Al-Abadi werde die Interessen von Sunniten und anderer benachteiligter Bevölkerungsgruppen etwas besser berücksichtigen. Da den meisten Strategen in Washington bewusst ist, dass der ISIL nur im Bündnis mit sunnitischen Kräften zu besiegen ist, ist der Druck auf die neue Regierung groß, zu einem Ausgleich mit ,moderaten‘ sunnitischen Führern zu kommen. Der neue irakische Regierungschef versprach auch bei seinem Amtsantritt am 8. September (2014), die Bombardierung sunnitischer Städte einzustellen und die Forderungen der sunnitischen Opposition zu prüfen. Faktisch ist er bisher jedoch keinen Schritt auf die Aufständischen zugegangen. Sowohl die Luftwaffe als auch die Artillerie feuern weiterhin in Falludscha und anderen sunnitischen Städten auf zivile Ziele. Das Zentralkrankenhaus von Fallufscha wurde direkt am Tag nach der Ankündigung Al-Abadis erneut getroffen.
Eine grundsätzliche Änderung der Politik war von Malikis Nachfolger auch nicht ernsthaft zu erwarten. Wenn nach dem rasanten Aufstieg der ISIL die ,Unfähigkeit‘ Malikis und der irakischen Politiker in der ,Grünen Zone‘ Bagdads allgemein gegeißelt wurde, so wurde geflissentlich übersehen, dass die Praxis, die den Irak immer weiter in den Abgrund reißt, bereits unter US-Besatzung begonnen wurde. Vor 2003 gab es im Irak weder konfessionellen Proporz noch dschihadistische Gruppen. (Anmerkung von Nelke: Hier schwingt die für „AntiimperialistInnen“ wie Guillard typische Verharmlosung des Saddam-Hussein-Regimes als eines nationalistischen Gegenspielers des US-Imperialismus mit.) Die Besatzer setzten jedoch von Anfang an auf konfessionelle Spaltung. Sie installierten ein schiitisch-islamistisches Regime, förderten eine einseitig gegen Sunniten gerichtete ,Entbaathifizierung‘ und entfesselten schließlich zur Schwächung des Widerstands im Land einen schmutzigen Krieg gegen Sunniten und die unabhängige Intelligenz. Maliki führte diese Politik nur fort, ab 2009 mit Unterstützung Obamas.
Das Regime, das vor acht Jahren mit Maliki an der Spitze installiert wurde, beruht auf einem Kompromiss zwischen Washington und Teheran. Deren zentrales gemeinsames Ziel besteht in der dauerhaften Verhinderung jeglicher Wiederbelebung eines souveränen, arabisch-nationalistisch orientierten Staates. Die Inthronisierung Al-Abadis, der der gleichen Partei wie Maliki angehört, beruht auf demselben Kompromiss. (Anmerkung von Nelke: In der Formulierung von Guillard schwingt mit, dass das was der iranische und der US-Imperialismus verhindern wollen, nämlich einen „souveränen, arabisch-nationalistischen Staat“ im Irak, die „AntiimperialistInnen“ für etwas „Fortschrittliches“ zumindest aber für ein „kleineres Übel“ halten. Wir proletarischen RevolutionärInnen kämpfen dagegen gegen alle Staaten und Staatsformen auf dieser Welt!)
Ein solches gegen die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung gerichtetes Ziel lässt sich jedoch nur mit Gewalt durchsetzen, gestützt auf die Betonung religiöser Identitäten und die Mobilisierung ethnischer und konfessioneller Feindseligkeiten. Damit werden die bewaffneten Auseinandersetzungen anhalten, der ISIL und andere radikale Milizen weiterhin Rückenwind erhalten und das Land immer stärker zerfallen. Das militärische Eingreifen der USA auf Seiten der Regierungstruppen, schiitischer Milizen und kurdischer Peschmerga verschärft die Entwicklung weiter.“ (Joachim Guillard, Gedungene Mörder, a.a.O., S. 13.)
Die im Gewand der „internationalen Gemeinschaft“ auftretende imperialistische Allianz gegen den IS, die sich propagandistisch so rührend um die Opfer des IS sorgt, hat zwar sehr viel Geld für den Krieg als Subventionierung des Rüstungskapitals übrig, aber kaum für die syrischen Flüchtlinge, wie auch folgender Zeitungsartikel vom 5. Dezember 2014 aufzeigt:
„Das UN-Welternährungsprogramm (WFP) hat derweil erklärt, seine Nahrungsmittelhilfe für 1,7 Millionen Flüchtlinge in Syrien und in den Nachbarländern Irak, Türkei, Libanon, Jordanien sowie in Ägypten einstellen zu müssen, weil die Geberstaaten ihre finanziellen Zusagen nicht einhielten. Den UN fehlen nach eigenen Angaben umgerechnet 52 Millionen Euro. ,Insbesondere die Golfstaaten‘ könnten mehr tun, sagte der WFP-Koordinator für Deutschland, Ralf Südhoff, der ARD. Am Rande der NATO-Konferenz in Brüssel erklärte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, die Bundesregierung werde weitere 40 Millionen Euro an humanitärer Hilfe für die syrischen Flüchtlinge überweisen. Das WFP erhält davon 15 Millionen Euro für Nahrungsmittelprogramme in Syrien, Jordanien und der Türkei. 25 Millionen Euro werden für ,Winterhilfe, Polioimpfkampagnen und weitere Nothilfemaßnahmen‘ der UNO sowie des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz überwiesen. Im Jahr 2014 hat Berlin damit 162 Millionen Euro für die Flüchtlinge gezahlt.
Gegenüber den Kriegskosten ist das allerdings eine kleine Summe. Das Pentagon geht davon aus, dass die Angriffe der ,Anti-IS-Koalition‘ seit dem 8. August 2014 täglich mit rund zehn Millionen US-Dollar (8,1 Millionen Euro) zu Buche schlagen. Allein beim ersten Angriff auf Syrien Ende September (2014) hatte die US-Armee 47 ,Tomahawk‘-Raketen abgefeuert. Eine Rakete kostet mehr als eine Million US-Dollar. Im Magazin The New Yorker war kürzlich zu lesen, dass der Einsatz eines ,B-I‘-Bombers pro Stunde 85.000 US-Dollar und der eines ,F-15‘-Kampfjets stündlich mehr als 39.000 US-Dollar kostet. Das Internetnachrichtenportal The Intercept schlussfolgerte, dass die Kosten für einen Tag des Krieges in Syrien und im Irak ausreichen würden, um Millionen Flüchtlinge zu versorgen.“ (Karin Leukefeld, Friedensvorschlag, in: junge Welt vom 5. Dezember 2014, S. 6.)
Ja, das brutale Draufhauen ist sehr teuer, da bleibt für das nachträgliche Verteilen von Heftpflastern kaum noch Geld übrig. Sowohl das Kriegsgerät als auch die Heftpflaster werden aus dem Mehrwert bezahlt, den wir, das Weltproletariat, produzieren. Das humanitäre Mäntelchen der imperialistischen Allianz gegen den IS ist also eine einzige Kriegslüge! Diese Melodie ist nicht gerade neu. Das klassische Beispiel, imperialistische Eroberungen und Gemetzel in den Mantel einer „humanitären Befreiung“ zu hüllen, stellt der Zweite Weltkrieg dar. Noch heute hüllt der Antifaschismus die US-ImperialistInnen, die in Japan ein atomares Massaker organisierten, und den sowjetischen Imperialismus, der sich ganz Osteuropa unter dem Nagel riss und das Proletariat Osteuropas hart ausbeutete sowie brutal massakrierte, wenn es sich wehrte, in die Rolle der edlen antifaschistischen Befreier! Die antifaschistischen „Befreier“ bombardierten nicht die Zufahrtswege nach Auschwitz, sondern ZivilistInnen in Deutschland. Nein, für uns ist Hiroshima nicht das kleinere Übel zu Auschwitz. Auschwitz und Hiroshima sind beide nicht gegeneinander zu relativieren, sie sind beide ein Ausdruck für das imperialistische Massaker des Weltkapitals. Auch die zivilen Opfer des US-Luftkrieges gegen den IS in Syrien und im Irak sind für uns keine kleineren Übel gegenüber den Massakern des IS. Der US-Imperialismus ist mit seinen CIA-Folterknechten genauso ein Ausdruck der kapitalistischen Zivilisationsbarbarei wie die Islamisten. Gegenseitige Leichenaufrechnerei ist die ekelhafte Masche aller Fraktionen des Weltkapitals. Dieses widerliche Schauspiel soll nur davon ablenken, dass alle Toten des imperialistischen Krieges die Opfer des Weltkapitals bei dem konkurrenzförmigen Streben seiner verschiedenen Fraktionen nach Maximalprofit, polit-ideologischen Masseneinfluss und geostrategischen Positionen sind. Wer wirklich antikapitalistisch sein will, muss sowohl den IS als auch die mit dem US-Imperialismus kooperierenden PKK und PYD konsequent bekämpfen! Hier müssen wir in erster Linie gegen den bundesdeutschen Imperialismus kämpfen, der Teil der Allianz gegen den IS ist!
Da der kurdische Nationalismus Teil der gleichen imperialistischen Allianz ist wie der deutsche Nationalstaat, nutzen dies große Teile der prokurdischen politischen Linken in diesem Land dazu, um der deutschen Bourgeoisie richtig tief in den Arsch zu kriechen. Und wer führt in der Disziplin des Arschkriechens?! Richtig, nicht unerhebliche Teile der Linkspartei!
In der jungen Welt vom 18. Dezember 2014 konnten wir über die Reaktion der Linkspartei über den Plan des deutschen Imperialismus kurdische Peschmerga-Nationalisten im Irak durch BundeswehrsoldatInnen ausbilden zu lassen lesen: „Die Linke, größte Oppositionsfraktion im Bundestag, kritisiert die Waffenlieferungen aus der BRD in den Nordirak und die geplante Entsendung von 100 Soldaten ,als puren Aktionismus‘. Die Bundesregierung habe ,keinerlei Konzept‘ im Irak-Konflikt, so Jan von Aken, außenpolitischer Sprecher der Fraktion. ,Um den so genannten Islamischen Staat (IS) zu stoppen, haben Kanzlerin Merkel und Außenminister Steinmeier andere Möglichkeiten: die Finanzierungsquellen des IS austrocknen, den Zufluss von Kämpfern und Waffen stoppen und Druck auf die Türkei ausüben, damit diese endlich ihre doppelbödige Politik gegenüber dem IS beendet.‘ Soldaten in den Irak zu schicken sei ,brandgefährlich und unverantwortlich‘. Die Allianzen in dem Krieg seien ,brüchig‘ und ,schwerste Menschenrechtsverletzungen – auch bei den Gegnern des IS – sind an der Tagesordnung‘.
(Anmerkung von Nelke: Jemand, der dem deutschen Imperialismus „puren Aktionismus“ und „keinerlei Konzept“ vorwirft ist kein destruktiver Kritiker des Nationalstaates BRD wie wir proletarischen RevolutionärInnen, die diesen selbstverständlich zerschlagen wollen wie alle anderen Staaten auf dieser Welt. Nein, solche kleinbürgerlich-linken KritikerInnen sind konstruktiv. Deshalb geben sie dem deutschen Imperialismus gute Ratschläge wie er den IS stattdessen bekämpfen soll, was bis zur imperialistischen Einflussnahme auf die Türkei zugunsten des kurdischen Nationalismus reicht. Auch Gregor Gysi ist so ein konstruktiver Begleiter des deutschen Imperialismus, wie wir gleich sehen werden.)
Linksfraktionschef Gregor Gysi hält den Bundeswehreinsatz im Irak für verfassungswidrig. ,Die Bundesregierung kann sich weder auf einen Beschluss der UNO berufen, noch nicht einmal auf einen Beschluss der NATO, sie kann sich nicht auf ein Sicherheitssystem berufen, auf gar nichts‘, sagte er der Agentur dpa vor dem Kabinettsbeschluss zu der Mission am Mittwoch (17. Dezmebr 2014). Seine Fraktion behalte sich eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht vor.
Grundsätzlich will sich auch Gysi dem militärischen Training kurdischer Milizen durch deutsche Soldaten nicht verschließen. Das könne ja in Deutschland stattfinden, gibt dpa den Linke-Politiker wieder. Dann sollten aber Frauen und Männer aus allen Truppen ausgebildet werden, die in dem gesamten kurdischen Gebiet gegen den Islamischen Staat kämpfen.‘ Dem linken Flügel in der Partei macht er den Vorstoß schmackhaft mit dem Hinweis, dazu gehörten neben Christen und Jesiden auch die in Deutschland verbotene Arbeiterpartei Kurdistans PKK und die syrische Schwesterpartei PYD.“ (Rüdiger Göbel, Ausweitung der Kampfzone, in: junge Welt vom 18. Dezember 2014, S. 3.)
Gysi ist sehr geschickt darin, die Befindlichkeit linker KleinbürgerInnen dafür zu nutzen, um sich und seine Partei immer tiefer in den deutschen Nationalstaat zu integrieren. Ohne eine sehr konstruktive Anpassung an den deutschen Imperialismus wird die Linkspartei nicht regierungsfähig. Das weiß Herr Gysi ganz genau. Deshalb verhält er sich zur Unterstützung des kurdischen Nationalismus durch den deutschen Imperialismus sehr konstruktiv. Aber die kurdischen NationalistInnen müssen doch nicht unbedingt im Irak ausgebildet werden! Bildet sie doch in Deutschland aus und die PKK und die PYD gleich mit! Das ist die Botschaft von Herr Gysi, der sehr gut weiß, dass PKK und PYD im Gegensatz zu den Peschmerga sehr beliebt bei linken KleinbürgerInnen sind. Also spielt er sehr erfolgreich mit deren Befindlichkeiten, um den deutschen Imperialismus ganz konstruktiv in den Arsch zu kriechen.
Der rechte Flügel der Partei hat es sich dort schon sehr gemütlich gemacht. Als die Schlacht zwischen dem syrisch-kurdischen Nationalismus und dem IS um Kobani tobte, nutzte dass der rechte Flügel der Linkspartei für einen Versuch aus, die Partei direkt in die imperialistische Allianz gegen den IS zu integrieren. Der offen das syrische Assad-Regime unterstützende „Antiimperialist“ Rüdiger Göbel schrieb über die Versuche des rechten Flügels der Linkspartei diese direkt zum Lautsprecher des westlichen Imperialismus in Syrien zu machen:
„Mit ihrem Aufruf ,Kobani retten!‘ haben 14 prominente Linke-Politiker, darunter zwölf Bundestagsabgeordnete, in der vergangenen Woche (Anfang Oktober 2014) einen erneuten Versuch gestartet, die friedenspolitischen Grundsätze ihrer Partei zu entsorgen. Gegen den ,barbarischen Feldzug‘ der Miliz ,Islamischer Staat‘ (IS) in Syrien und im Irak sei ein militärisches Vorgehen notwendig und richtig, bekunden die Unterzeichner – zu denen die stellvertretenden Vorsitzenden der Linksfraktion im Bundestag, Dietmar Bartsch und Jan Korte, der Obmann im Auswärtigen Ausschuss, Stefan Liebich, sowie Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau gehören.
An der ,Basis‘ wird jetzt Unterstützung organisiert. Der Aufruf ,Solidarität mit den Kurden und religiösen Minderheiten in Syrien und im Irak. Ja zu militärischer Hilfe und Waffenlieferungen‘ versucht, dem Ganzen ein linkes Mäntelchen umzuhängen. Die Initiative werde im Internet bereits von 160 Einzelpersonen unterstützt, ,hinzu kommen 40 weitere Einzelpersonen, die dies offline uns mitgeteilt haben‘, erklärte am Wochenende der Berliner Linke Sascha Schlenzig. Ziel der Kampagne sei, noch im Oktober über 1000 Unterstützen zu gewinnen, ,vornehmlich aus dem Spektrum der Mitgliedschaft und Sympathisanten der Partei Die Linke‘. Damit solle der Druck verstärkt werden, ,sich unserer Position anzuschließen‘ – die da lautet: ,Die Linke soll ihre pazifistische Grundhaltung überdenken.‘ Schlenzig, im Internet ob der Vielzahl seiner Kommentare berüchtigt und gefürchtet als ,Power-Poster‘, ist Vorsitzender des Ortsverbandes der Linken in Pankow-Nordost. Früher agierte er als Sascha Kimpel im ,Revolutionär-Sozialistischen Bund‘ (RSB) und der ,Internationalen Sozialistischen Linken‘ (ISL), die beide zur trotzkistischen ,Vierten Internationale‘ gehören, jetzt macht er Werbung für Parteirechte. ,Stefan Liebich steht auf der richtigen Seite. An der Seite der Kurden‘, wird da etwa per Facebook das Mitglied der elitären ,Atlantik-Brücke‘ gefeiert. (…)
Die Linke sei in ihrem Programm keineswegs auf eine pazifistische Grundhaltung festgelegt, behauptet Schlenzig, und rechtfertigt damit seinen Vorstoß für Waffenlieferungen und ,Militärhilfe‘ an kurdische Gruppen im Irak und in Syrien. ,Der Krieg gegen den IS‘ stehe erst am Anfang, und es gebe bisher ,kein überzeugendes Szenario‘ wie die Dschihadisten ,ohne Waffengewalt und Unterstützung des Westens zurückgedrängt und besiegt werden‘ können. ,Die kurdischen Organisationen fordern eine Intensivierung des Engagements des Westens‘, heißt es beim Pankower Interventen weiter. (Anmerkung von Nelke: Prokurdisch und zugleich pro-westlich-imperialistisch zu sein ist seit der kurdisch-imperialistischen Allianz gegen den IS kein Widerspruch, im Gegensatz zu dem unsäglichen Spagat zwischen einer prokurdischen und einer gleichzeitigen angeblichen „antiimperialistischen“ Haltung, wie wir weiter unten noch ausführen werden.) Und: ,Die Linke erklärt sich zwar solidarisch mit dem Kampf der Kurden, schreckt jedoch vor der Unterstützung der militärischen Aktionen der USA und der Anti-IS-Koalition zurück. Dieser Widerspruch wird sich mit zunehmender Dauer gegen die Partei Die Linke wenden.‘
,Appell der 200‘ hat Fitness-Lehrer Schlenzig hochtrabend den Versuch übertitelt, das Linke-Programm mit Verweis auf den Kampf und das Leiden der Kurden zu schleifen und die Partei auf Regierungstauglichkeit zu trimmen. Den Wankenden in der eigenen Partei wird erklärt: ,Die Tatsache, dass die Mitverursacher dieser Situation im Irak, die USA und Großbritannien wieder Kriegsparteien sind, lässt viele zweifeln, ob es richtig ist, sich mit dem Kampf der Kurden zu solidarisieren. Wir alle wissen, welche Rolle die USA und Großbritannien in den letzten zehn Jahren im Irak gespielt haben. Und dass viele westliche Länder, einschließlich Deutschland, in vielen Regionen dieser Welt aufgrund ihrer militärischen Präsenz, ihrer Rüstungsexporte und ökonomischen Interessen eine Politik betreiben, die wir ablehnen. Doch wir nehmen zur Kenntnis, dass die USA, Großbritannien, Frankreich und viele andere Länder der Anti-IS-Koalition in der konkreten Situation der Bedrohung durch den IS etwas Richtiges machen: den Kurden und der irakischen Bevölkerung beiseite zu stehen. Denn auch wir finden es richtig, den IS militärisch aus der Luft und am Boden zu bekämpfen.‘
Mit der Mehrheit der Rüstungsexporte würden in der Regel Unterdrückung und das Töten unschuldiger Menschen legitimiert. In diesem Fall sei das nicht so. ,Aus diesen Gründen sind wir der Auffassung, dass es richtig ist, dass die CDU-SPD-Regierung sich für Waffenlieferungen an die Kurden entschieden hat. Diese Waffen sollen den von dem IS-Terror bedrohten Menschen helfen. (…) Ein Erfolg der Kurden und der mit ihnen Verbündeten FSA (Freie Syrische Armee, jW) gegen den IS kann auch das Assad-Regime ins Wanken bringen. Denn es war nicht zuletzt Assad, der nicht nur sein Volk massakriert und Millionen in die Flucht geschlagen hat, sondern auch den IS so stark hat werden lassen.‘ (…)
Der letztgenannte Unsinn wird auch von Christine Buchholz, verteidigungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag und Mitglied des Parteivorstands, vertreten. (Anmerkung von Nelke: Rüdiger Göbel meint mit „Unsinn“ die Anti-Assad-Haltung und die Unterstützung der bewaffneten syrischen Opposition – außer dem IS und andere offen islamistische Gruppierungen – durch Frau Buchholz. Doch die Unterstützung von angeblich „gemäßigten“ bewaffneten syrischen oppositionellen Gruppierungen wie der FSA ist eine indirekte Unterstützung des US-Imperialismus durch Buchholz. Zu einer direkten Unterstützung des Imperialismus kann sie sich allerdings nicht durchringen. Als „Antiimperialist“ nimmt der Autor Rüdiger Göbel selbst eine Pro-Assad-Haltung ein. Nun, wir unterstützen weder das Assad-Regime noch die syrische (klein)bürgerliche Opposition – nicht die bewaffnete und auch nicht die nationalpazifistisch-demokratische. Wir stehen an der Seite des syrischen Proletariats, was zurzeit leider Objekt des imperialistischen Krieges aber noch nicht Subjekt des Klassenkampfes ist. Damit morgen das Proletariat in Syrien und weltweit zu einem bewussten klassenkämpferischen Subjekt wird, müssen wir heute alle Nationalismen – also auch den kurdischen –kompromisslos bekämpfen. Und in diesem Fall ist es kein Unsinn, wenn Frau Buchholz und auch der offen proimperialistische Flügel der Linkspartei behaupten, dass die Repression des Assad-Regimes auch den IS stark gemacht hat.) Am Wochenende hatte die Linke-Politikerin (Buchholz), deren Netzwerk ,Marx 21‘ in der Vergangenheit in der Partei ganz im Sinn der Aufständischen argumentiert hatte, allerdings nicht deshalb für Negativschlagzeilen gesorgt, denn mit der ,linken‘ Sicht liegt sie ja ganz im Mainstream. Häme, Hohn und Hass erntete die Linke (Buchholz), weil sie –im Gegensatz zu Bartsch, Liebich, Schlenzig und Co. – ein Ende der Luftangriffe in Syrien und im Irak gefordert hatte. ,Über Sieg und Niederlage im Krieg entscheidet nicht die bloße militärische Stärke‘, so Buchholz. ,Es handelt sich um eine soziale Frage. Die US-Luftbombardements haben den IS politisch gestärkt. Denn zahlreiche Syrer, die in den vom Assad-Regime befreiten Gebieten leben, fühlen sich durch sie bedroht.‘ Die US-Luftbombardements hätten in Syrien allein in der ersten Woche mindestens 22 Zivilisten getötet und die Getreidespeicher der Stadt Manbidsch in der Provinz Aleppo zerstört. In derselben Woche habe der IS 200 neue Kämpfer gewinnen können. ,Diese Entwicklung droht die Reste der Revolution zu zerstören, die 2011 gegen das Assad-Regime begann.‘ Der ,Islamische Staat‘ könne nur geschlagen werden, ,wenn er innerhalb der sunnitischen Bevölkerung im Irak und Syrien auf massiven Widerstand stößt‘. ,Luftangriffe durch imperialistische Staaten sind diesbezüglich kontraproduktiv.‘ Hingegen helfe der Widerstand der Kurden. Denn damit ermutigen sie alle, gegen Unterdrückung zu kämpfen – ob durch den IS oder die Regime in Syrien und Irak.
(Anmerkung von Nelke: Frau Buchholz eiert herum, weil sie den bewaffneten kurdischen Nationalismus unterstützt, genauso wie sie davor die bewaffnete syrische Opposition unterstützt hatte – und dennoch nicht direkt die westlichen Imperialismen in Syrien unterstützen will. Nun, Kräfte direkt zu unterstützen, die mit dem westlichen Imperialismus direkt verbündet sind, heißt indirekt mit dem einheimischem Imperialismus verbündet zu sein. So kann Frau Buchholz natürlich nicht den US-Krieg als imperialistischen grundsätzlich kritisieren. Sie bezeichnet ihn schwammig als „kontraproduktiv“ und mäkelt an ihm herum, dass er seinen eigenen propagandistisch verkündeten Zielen nicht gerecht wird. Für den mit dem US-Imperialismus verbündeten kurdischen Nationalismus hat sie dagegen warme Worte. Progressiv zerschlagen werden kann der IS genau wie der kurdische Nationalismus – den letzteren will Frau Buchholz natürlich nicht zerschlagen – nur durch das klassenkämpferisch-revolutionäre Proletariat und nicht durch eine klassenneutrale „Bevölkerung“, wie Frau Buchholz meint. Interessant ist auch, dass sie den BürgerInnenkrieg in Syrien, in dem das Proletariat und das KleinbürgerInnentum im Konkurrenzkampf verschiedener Fraktionen des syrischen und des Weltkapitals verheizt werden, als „Revolution“ bezeichnet. Die junge Welt nahm dagegen eine ablehnende Haltung gegen die bewaffnete syrische Opposition ein, die verschiedenen AutorInnen dieser linksbürgerlichen Zeitung schwankten zwischen einer Pro-Assad-Haltung und der Unterstützung der nationalpazifistisch-demokratischen Opposition in Syrien. Doch beide Kräfte waren und sind bürgerlich, verschiedene politische Fraktionen des syrischen Nationalkapitals. Aber mit dieser Haltung konnte sich die junge Welt noch stark vom einheimischen Imperialismus abgrenzen. Seid jedoch auch der von der Zeitung unterstützte kurdische Linksnationalismus Teil der imperialistischen Allianz gegen den IS ist, geriet auch die junge Welt im Verhältnis zum westlichen Imperialismus auf die schiefe Bahn, wie wir weiter unten noch ausführen werden.)
(…) Klartext kam da am Wochenende vom früheren Linke-Vorsitzenden Oskar Lafontaine in einem Gastbeitrag des Tagesspiegel (,Gegen den globalen Interventionismus von USA und NATO!‘). (Anmerkung von Nelke: Jetzt folgt eine Lobesarie auf den alten Sozialdemokraten Lafontaine, zu der wir nur einen Kommentar abgeben wollen: Lafontaine kritisiert Deutschland hauptsächlich als Vasal des US-Imperialismus, der eigenständige Imperialismus der BRD bleibt bei ihm weitgehend ausgeblendet.) ,Wer heute US-geführte Militäreinsätze in der Welt mit eigenen Truppen oder mit Waffenlieferungen unterstützt, lässt sich in eine US-Außenpolitik einbinden, die seit dem Zweiten Weltkrieg eine Blutspur mit Millionen Toten um den Erdball gezogen hat. Es geht bei den Diskussionen um die Beteiligung der Bundeswehr an den Militärinterventionen der letzten Jahre nicht in erster Linie darum, Menschenleben zu retten, sondern im Kern um die Frage, ob die Bundeswehr diese Außenpolitik der USA zur Sicherung von Rohstoffen und Absatzmärkten unterstützt.‘ Das immer wieder vorgebrachte Argument, man könne nicht tatenlos zusehen, wenn Menschen leiden und sterben – auch im ,Appell der 200‘ und in ,Kobani retten!‘ ist davon die Rede – sei, so Lafontaine, ,heuchlerisch und verlogen‘. Die ,westliche Wertegemeinschaft‘ sieht täglich mehr oder weniger tatenlos zu, wie Menschen verhungern und an Krankheit sterben.‘
Lafontaine erinnert an die Maxime im Grundsatzprogramm: ,Die Linke ist eine internationalistische Friedenspartei, die für Gewaltfreiheit eintritt.‘ Diese gelte, auch wenn ,seit Jahren Gregor Gysi und einige von den Medien als ,Reformer‘ gewürdigte Politiker der Linken‘ versuchten ,das Vermächtnis von Karl Liebknecht aus der Programmatik zu entsorgen‘. Dabei schielten sie auf eine Regierungsbeteiligung in einer rot-rot-grünen Regierung.
Für eben dieses Ziel, muss man zugespitzt sagen, würde so mancher in der Linken bis zum letzten Kurden kämpfen. Am Ende wäre die einzige Friedens- dann auch Systempartei.“ (Rüdiger Göbel, An der Seite der Kurden?, in: junge Welt vom 15. Oktober 2014, S. 3.)
Nun ja, „Friedenspartei“ ist die Linkspartei nur deshalb noch, weil sie es noch nicht geschafft hat auf Bundesebene regierungsfähig zu sein, woran der rechte Flügel aber tagtäglich arbeitet. Außerdem ist der bürgerliche Frieden, den die Linkspartei hochhält, keine Alternative zum imperialistischen Krieg sondern Teil des Klassenkrieges der Bourgeoisie gegen das Proletariat, wie wir weiter oben schon ausführten. Die einzige Alternative zu bürgerlichen Frieden und imperialistischen Krieg ist der revolutionäre Klassenkampf des Proletariats. Doch der BürgerInnenkrieg und die imperialistische Einmischung in Syrien haben das dortige Proletariat zwischen dem Hammer des Assad-Regimes und den Amboss der Islamisten weitgehend als handlungsfähige Klasse zerschlagen. Die militärische Zerstörung und Plünderung vieler syrischer Betriebe hat auch die sozialökonomische Grundlage des Klassenkampfes stark verschlechtert. SozialrevolutionärInnen bleiben auch in solchen Situationen von allen (klein)bürgerlichen Kräften, zu denen PazifistInnen, alle NationalistInnen und alle Imperialismen gehören, unabhängig. Proletarische RevolutionärInnen können sich nur im sich radikal verschärfenden Klassenkampf wie Fische im Wasser fühlen, im blutigen Amoklauf der Nationalismen sind sie wie einsame Rufer in der Wüste. Doch auch dieser Zustand muss aus- und durchgehalten werden.
Nun, auch diejenigen nichtpazifistischen Teile der kleinbürgerlichen Linken, die den syrisch-kurdischen Nationalismus unterstützen aber auch weiterhin so tun wollen, als würden sie den einheimischen bundesdeutschen Imperialismus konsequent bekämpfen, haben es natürlich nicht leicht in einer Zeit, in der die BRD, die PKK und die PYD objektiv Verbündete in einer von den USA geführten imperialistischen Allianz gegen den IS und das Weltproletariat sind. Eine Zeitlang konnten sie auf dem Unterschied zwischen dem politisch-konservativen irakisch-kurdischen Nationalismus und den kurdischen Linksnationalismus in der Türkei und Nordsyrien herumreiten. Doch als sich die kurdischen Nationalismen aus Nordsyrien und dem Nordirak im imperialistischen Konflikt gegen den IS tatkräftig-bewaffnet vereinten, war auch dieser Gaul totgeritten. Zurzeit besteht der radikalere Teil der zugleich prokurdischen und „antiimperialistischen“ Linken darauf, dass die westeuropäischen Imperialismen und der US-Imperialismus außer den Luftschlägen nicht unmittelbar-direkt mit Bodentruppen in Nordsyrien eingreifen sollen, sondern der PYD bei ihrem Kampf helfen soll. Die kleinbürgerliche politische Linke sammelt auch selbst fleißig Geld für „Waffen für Rojava“.
Geld einsammeln für die weitere Bewaffnung des syrisch-kurdischen Nationalismus – dass ist also die reale Politik jener linken KleinbürgerInnen, die nicht ganz so offensichtlich die imperialistische Allianz gegen den IS für die Integration in das deutsche Nationalkapital ausnutzen wollen. Schön, dass die linken KleinbürgerInnen nicht nur meckern, sondern auch konstruktiv den Absatzmarkt für das Rüstungskapital erweitern! Die Bewaffnung der staatsförmigen Strukturen des syrisch-kurdischen Nationalismus ist aber nicht gelichbedeutend mit der bewaffneten Selbstorganisation der kleinbürgerlichen und proletarischen Zivilbevölkerung gegen den Terror des IS. Bis jetzt hat sich noch jeder Nationalismus gegen das klassenkämpferische Proletariat gewandt. Das Proletariat muss sich auf seinem langen und harten Weg der Selbstbefreiung selbständig bewaffnen gegen alle bürgerlichen Nationalismen. Doch die linken KleinbürgerInnen in den kapitalistischen Metropolen helfen immer wieder dabei, Nationalismen im Trikont zu bewaffnen. Damals unterstützten sie solche Nationalismen, die vorübergehend gegen westeuropäische Imperialismen und den US-Imperialismus kämpften – aber von Anfang an absolute Klassenfeinde des Proletariats waren, die nichts anderes anstrebten als einen eigenständigen privat- oder staatskapitalistischen Nationalstaat zu schaffen, um die nationale Lohnarbeit ausbeuten zu können. Heute unterstützt die kleinbürgerliche politische Linke den kurdischen Linksnationalismus – der sich in die von den USA geführte imperialistische Allianz gegen den IS einreihte. Damit steht die „antiimperialistische“ und zugleich prokurdische Linke indirekt mit dem Imperialismus in einer gemeinsamen Front gegen den IS – und das Weltproletariat. Um vor sich selbst und den ProletarierInnen die reaktionäre Rolle, die sie spielt, zu verbergen, färbt sie den stinknormalen bürgerlichen syrisch-kurdischen Nationalismus knallrot, wie wir weiter oben schon dargestellt haben.

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Der kurdische Nationalismus als ein Feind des Weltproletariats https://sbefreiung.blackblogs.org/2015/01/04/der-kurdische-nationalismus-als-ein-feind-des-weltproletariats/ https://sbefreiung.blackblogs.org/2015/01/04/der-kurdische-nationalismus-als-ein-feind-des-weltproletariats/#respond Sun, 04 Jan 2015 21:11:16 +0000 http://sbefreiung.blogsport.de/?p=51 Wir veröffentlichen hier den ersten Teil einer Reihe von Texten unter der gemeinsamen Überschrift „Der kurdische Nationalismus als ein Feind des Weltproletariats“. Im zweiten Teil wollen wir das imperialistische Gerangel und die Zusammenarbeit zwischen den demokratischen Großmächten, ihren Verbündeten in der arabischen Welt, der IS-Terromilliz und der kurdische NationalistInnen untersuchen. Der dritte Teil besteht aus einer vernichtenden Kritik am Internationalismus der kleinbürgerlichen politischen Linken in Westeuropa und in Nordamerika und unserer sozialrevolutionär-antinationalen Position zur Kurdischen Frage.

Kinder mit �calanbilder
Kinder halten bei einer Demonstration im Libanon Bilder von Öcalan, 2012 AFP/Getty

Der kurdische Nationalismus

Bevor wir uns den kurdischen Nationalismus in der Türkei, sowie im Nordirak und in Nordsyrien als eine besondere Form des Nationalismus ansehen, werden wir dessen allgemeine Form analysieren und kritisieren. Diese Herangehensweise empfiehlt sich auch deshalb, weil der kurdische Linksnationalismus entgegen den Behauptungen seines linksbürgerlichen Lautsprechers in Deutschland ein ganz normaler Nationalismus ist.
Die Nation ist nicht älter als der Kapitalismus. Ihre ersten Ansätze entstanden in der Übergangszeit zwischen Feudalismus und Kapitalismus mit dem Absolutismus, der Ideologie und Praxis eines starken Zentralstaates gegen die feudalen Lokalmächte. Der entstehende Zentralstaat stärkte auch das Handelskapital, was zur weiteren Entwicklung einheitliche Maße, Gewichte, Zölle und Geldeinheiten brauchte. Auch unterstützten einige MonarchInnen mehr oder weniger die Entwicklung des Kapitalismus. Doch ab einem bestimmten Entwicklungsmoment behinderte der feudale Zentralstaat die weitere kapitalistische Entwicklung. Holland erkämpfte sich zum Beispiel im Konflikt mit Spanien (1581-1621) die nationale Unabhängigkeit. Der Kampf um nationale Selbstbestimmung der holländischen Bourgeoisie war zugleich der Kampf um die erste vollständig handelskapitalistische Nation in Europa. Die nationale Ideologie formte aus den holländischen Bourgeois, KleinbürgerInnen und LohnarbeiterInnen eine scheinbare Schicksalsgemeinschaft, die holländische Nation. Als Teil der spanischen Monarchie waren die HolländerInnen nicht mehr als eine Sprach- und Religionsgemeinschaft, der Unabhängigkeitskrieg formierte sie zur Nation, diesem wahren Schein und dieser scheinbaren Wahrheit einer Schicksalsgemeinschaft aus Oben und Unten, AusbeuterInnen und Ausgebeuteten, UnterdrückerInnen und Unterdrückten. Indem der holländische Unabhängigkeitskampf die erste kapitalistische Nation hervorbrachte, die auf Ausbeutung und Unterdrückung beruhte, war er selbstverständlich objektiv sozialreaktionär. Wenn die bürgerliche Ideologie und auch viele MarxistInnen den ersten nationalen Unabhängigkeitskrieg in der Geschichte als „fortschrittlich“ anpreisen, dann müssen wir SozialrevolutionärInnen nach dem Klassencharakter dieses „Fortschrittes“ fragen. Dass Kapitalismus und Bourgeoisie ursprünglich mal revolutionär gewesen sein sollen, ist ein marxistischer Geschichtsmythos, den unser nachmarxistischer und nachanarchistischer Kommunismus unbarmherzig zerstören muss. Genauso sieht es mit Nation und nationaler Befreiung aus. Der nationale Befreiungskrieg, den die holländische Bourgeoisie mit dem Ergebnis einer ersten kapitalistischen Nation in Europa führte, war durch und durch sozialreaktionär. Der Kolonialismus und die Ausbeutung des Proletariats durch die holländische Bourgeoisie waren die Folgen dieser Herausbildung der Nation der Niederlande.
England folgte Holland bald als erste kapitalistische Industrienation. Im 17. Jahrhundert eroberte sich die Bourgeoisie in England durch die antimonarchistische Revolution gegen den Absolutismus, die bürgerliche Konterrevolution gegen die kleinbürgerlich-vorindustrieproletarische Bewegung (Levellers und Diggers) und letztendliche Niederschlagung der monarchistischen Konterrevolution die politische Staatsmacht. Durch die sozialreaktionäre industrielle Revolution am Ende des 18. Jahrhunderts wurde England zur ersten kapitalistischen Industrienation. Die industrielle Bourgeoisie mietete die Arbeitskraft von Menschen an, die sowohl frei von Produktionsmitteln waren als auch über eine freie Persönlichkeit verfügten – und beutete diese Menschen gnadenlos aus. Denn der Reichtum der kapitalistischen Nation beruht auf der Ausbeutung des Proletariats. Die englische Nation wurde durch den Zentralstaat verkörpert. Die sich in England tummelnden Kapitale wurden zum Nationalkapital. Die Vermehrung des Nationalkapitals wurde zur obersten Pflicht des englischen Staates.
Aufgrund ihrer überlegenen Arbeitsproduktivität und Technologie wurde die erste Industrienation der Welt auch die alles dominierende Weltmacht – bis sie von den USA nach dem Zweiten Weltkrieg abgelöst wurde. England und später die anderen kapitalistischen Industrienationen stellte alle rückschrittlichen Staaten bzw. Sprach-, Kultur- und Religionsgemeinschaften überall auf der Welt vor die Alternative: Entweder selbst zu einer kapitalistischen Industrienation zu werden oder im internationalen Konkurrenzkampf gnadenlos unterzugehen. So wurden viele Gegenden im Trikont (Asien, Afrika und Lateinamerika) direkt oder indirekt von den europäischen kapitalistischen Industrienationen und den USA kolonialisiert. Sowohl durch die Kolonialisierung, die mit einem gewissen Kapitalexport der Kolonialländer verbunden war, als auch die Entkolonialisierung, die neue Nationalstaaten/Nationalkapitale hervorbrachte, entwickelte sich der Kapitalismus auch im Trikont. Der Kolonialismus schuf die ersten Keime der kapitalistischen Entwicklung, die nationale Unabhängigkeit ließ die Blüten des Kapitalismus sprießen – mit Reichtum auf der einen Seite und Elend auf der anderen.
Angefangen mit der UdSSR und anderen folgenden Staaten in Osteuropa und im Trikont machten einige Nationen eine besondere Etappe der kapitalistischen Entwicklung durch. Zuerst in Sowjetrussland und dann überall dort im Trikont, wo sich nur eine schwache Bourgeoisie entwickeln konnte, übernahmen marxistisch-leninistische Parteibürokratien im Kampf mit einheimischen GroßgrundbesitzerInnen und KapitalistInnen sowie mit ausländischen Imperialismen/Kolonialmächten die politische Herrschaft und verstaatlichten die Wirtschaft. Der Staat mietete die Arbeitskraft eigentumsloser Menschen an und beutete sie gnadenlos aus. Es entwickelte sich also ein Staatskapitalismus, dessen überzentralistischen und ultrabürokratischen Produktionsverhältnisse eine rasche Industrialisierung begünstigten, aber ab einem bestimmten Punkt bei der Intensivierung der industriellen Entwicklung ein Hemmnis darstellten. Nun hing die weitere Produktion von nationalem Reichtum und das internationale Gewicht des Staates von der Privatisierung des Kapitals ab. Ein Musterbeispiel dieser Entwicklung des Nationalkapitals bietet das chinesische. Zuerst bildete sich mit der politischen Machtübernahme der „kommunistischen“ Parteibürokratie im Jahre 1949 ein verstaatlichtes Nationalkapital, das sich ab 1979 in der Transformation zum Privatkapitalismus und in einem rasanten Aufstieg befindet – auf Kosten des Proletariats.
Die nationale Befreiung im Trikont war und ist also wie der nationale Unabhängigkeitskrieg der Niederlande sozialreaktionär, weil sie nur den ausbeuterischen und zerstörerischen Kapitalismus hervorbringen konnte und kann. Zwar brachte sie auch durch die nachholende Industrialisierung ein Proletariat hervor, welches ein potenzieller Totengräber des Kapitalismus ist, doch will sich das Proletariat weltweit von Ausbeutung und Unterdrückung befreien, dann kann es sich nur revolutionär selbst aufheben, indem es in einer permanenten Kette alle Nationalstaaten zerschlägt, die kapitalistische Warenproduktion aufhebt und sozialen Raum für eine globale klassen- und staatenlose Gesellschaft schafft. Es gibt keine guten und bösen Nationalstaaten, alle Nationen sind Durchsetzungsformen des Kapitalismus. Zwischen kapitalistischem Nationalismus und sozialrevolutionär-antinationalen Positionen gibt es kein Drittes. Dass es einige „fortschrittliche“ Nationalismen gäbe, können nur kleinbürgerliche linke Intellektuelle behaupten, die hilflos zwischen Bourgeoisie und Proletariat schwanken. Sie schüren dadurch Illusionen in bestimmte privat- oder staatskapitalistische („sozialistische“) Nationalismen, die aber praktisch nichts anderes sein können als Klassenfeinde des Weltproletariats.
Der kurdische Nationalismus kann also nur eine Durchsetzungsform des Weltkapitalismus sein und er ist auch nichts anderes. Schauen wir uns diese Realität zuerst an, um dann die ideologischen Zerrbilder der kleinbürgerlichen politischen Linken zu zerstören. Der kurdische Nationalismus versucht aus der kurdischen Sprach- und Kulturgemeinschaft, die in den Nationalstaaten Türkei, Syrien, Irak und Iran verstreut lebt, eine moderne kapitalistische Staatsnation oder mehre Staatsnationen zu formen. Nationen sind im Gegensatz zu Sprach- und Kulturgemeinschaften nichts Natürliches, sondern immer etwas Künstliches, etwas von der kapitalistischen Politik Geschaffenes. Die kapitalistische Politik schafft entweder aus vorkapitalistischen Sprach- und Kulturgemeinschaften Nationalstaaten oder assimiliert solche mehr oder weniger zwanghaft als sprachlich-kulturell-religiöse Minderheiten in bestehende Nationalstaaten. Die wirtschaftlichen und/oder geistigen Eliten dieser „nationalen“ Minderheiten kämpfen entweder für Gleichberechtigung bzw. sprachlich-kulturelle und territoriale Autonomie innerhalb der bestehenden Nationalstaaten oder für neue Staaten mit den ehemaligen unterdrückten Minderheiten als staatsbildenden Subjekten. In der Ideologie, dem Nationalismus, wird das auch den Unterschichten einer ehemaligen unterdrückten sprachlich-kulturell-religiösen Minderheit als Befreiung verkauft – in der Praxis bleiben sie in der Regel ökonomisch ausgebeutete und politisch verwaltete Objekte, nur dass jetzt ihre AusbeuterInnen und VerwalterInnen der gleichen Nation angehören.
Es liegt auf der Hand, dass der Versuch der kurdischen NationalistInnen, auch aus der kurdischen Sprach- und Kulturgemeinschaft ein modernes staatsbildendes Subjekt als ideologisierte Praxis zu formen, erstens sozialreaktionär war und ist und zweitens zu Konflikten mit den schon bestehenden Nationalstaaten führen musste. In der Türkei zum Beispiel wurden die KurdInnen jahrelang repressiv unterdrückt. Ihnen wurde verboten kurdisch zu sprechen und sie wurden vom staatstragenden türkischen Nationalismus als „Bergtürken“ ideologisch assimiliert. Der türkische Nationalstaat ging gegen die kurdische Minderheit ultrabrutal vor und hielt sie in bitterster Armut. Wir SozialrevolutionärInnen kämpfen gegen die zwangsweise Assimilation und die nationalistische Repression gegen Sprachen und kulturelle Traditionen von Minderheiten innerhalb von bestehenden Nationalstaaten. Allerdings kämpfen wir auch gegen alle „unterdrückten“ Nationalismen, die aus Sprach- und Kulturgemeinschaften innerhalb der alten Nationen neue Nationalstaaten und Nationalkapitale formen wollen. Denn dieser Nationalismus „unterdrückter“ Nationen dient nur den wirtschaftlichen und kulturellen Eliten dieser sich neu formierenden Nation. Gelingt die Gründung von neuen Nationalstaaten können diese nur das werden, was die alten schon sind: Durchsetzungsformen des Kapitalismus. Es waren auch die ideologischen Auswirkungen des europäischen Kapitalismus, die aus den Kurden eine „Nation“ machten. Wikipedia formulierte dies so: „Unter dem Einfluss europäischer Ideen entwickelten sie dann ein eigenes Nationalgefühl.“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Kurden) Sowohl unterdrückende als auch „unterdrückte“ Nationalismen spalten das Weltproletariat, das sich nur sozial befreien kann, indem es global alle Nationen aufhebt. So mussten und müssen SozialrevolutionärInnen überall auf der Welt sowohl gegen den türkischen als auch gegen den kurdischen Nationalismus kämpfen.
Die PKK wurde als militanter Arm des kurdischen Nationalismus in der Türkei am 27. November 1978 im Dorf Fiss (Provinz Diyarbakir) gegründet. Ihre Gründungsmitglieder waren Abdullah Öcalan, Mazlum Dogan und 21 weitere StudentInnen, deren Ziel es war in Türkisch-Kurdistan dem „türkischen Kolonialismus“ ein Ende zu bereiten, aber natürlich nicht auf sozialrevolutionär-antinationale Weise sondern auf reaktionär-nationalistischer. Öcalan war von Anfang an der unumstrittene autoritäre Führer der PKK. „Öcalan beherrschte die PKK autoritär, ging brutal gegen Dissidenten vor und ließ viele vermeintliche Rivalen oder Verräter hinrichten.“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Abdullah_%C3%96calan) Die PKK orientierte sich anfangs an der marxistisch-leninistischen Ideologie und an der Praxis staatskapitalistischer Regimes wie das sowjetische, chinesische, nordkoreanische und das kubanische. Um die globale Schlagkraft der staatskapitalistischen Nationalismen zu erhöhen, appellierte die PKK an die sowjetische und an die chinesische Regierung, die damals aus praktisch-imperialistischen und vorgeschobenen ideologischen Gründen über Kreuz lagen, sich wieder zu versöhnen. Die Orientierung der PKK auf den staatskapitalistischen Block erfolgte weniger aus ideologischen Gründen als aus den praktischen Erfordernissen heraus, dass sie für die Gründung eines kurdischen Nationalstaates mächtige imperialistische Verbündete brauchte.
Am 15. August 1984 griff die PKK die Polizeistationen in den Dörfern Eruh (Siirt) und Schemdinli (Hakkari) an, wobei zwei Polizisten getötet wurden. Dies war der Beginn eines Guerilla-Krieges, der mit dem proletarischen Klassenkampf nicht das Geringste zu tun hatte. Der türkische Staat mietete als Gegenreaktion tausende Kurden und bewaffnete sie als Dorfschützer gegen die PKK. Die letztere führte ihren nationalistischen bewaffneten Kampf mit dem Ziel zu einem Frieden zu gelangen, der in einem von ihr dominierten kurdischen Nationalstaat gipfeln würde. Der bewaffnete Kampf zwischen der PKK und dem türkischen Staat wurde von beiden Seiten auf Kosten der ländlichen Zivilbevölkerung geführt. Zwischen 1984 und 1999 starben mindestens 35.000 Menschen durch die blutigen Amokläufe des türkischen und kurdischen Nationalismus. Das Ziel, die Mittel – der bewaffnete Guerilla-Kampf sowohl gegen den türkischen Staat als auch gegen verfeindete kurdischen Parteien – sowie der globale Staatskapitalismus als Bezugspunkt und Bündnispartner der PKK machten diese zu einem Feind des Proletariats. Denn der angestrebte kurdische Nationalstaat hätte sich nur im internationalen Gerangel der Staaten halten können, wenn er eine ursprüngliche kapitalistische Industrialisierung durchgezogen hätte. Und bisher entwickelte sich noch jede nachholende ursprüngliche kapitalistische Industrialisierung – egal ob privat- oder staatskapitalistisch – auf Kosten des Proletariats. Der damals von der PKK angestrebte Nationalstaat wäre mit Sicherheit keine Ausnahme gewesen.
Doch der globale Staatskapitalismus transformierte sich zunehmend zum Privatkapitalismus, damit ging der ideologische und praktische Bezugspunkt der PKK vor die Hunde – es war also Zeit für eine praktische und ideologische Neuorientierung der kurdisch-nationalistischen Guerilla-Organisation. So kam es auch schon in den frühen 1990er Jahren zwischen der PKK und dem türkischen Staat zu Friedensdialogen. Besonders der türkische Präsident Turgut Özal war ein Anhänger der Aussöhnung mit der PKK. Als dieser unter mysteriösen Umständen am 17. April 1993 ums Leben kam, wurde die Friedenstaube wieder durch den Kriegsfalken als Maskottchen der türkischen Politik gegenüber den Kurden ersetzt. Im Juni 1993 rief auch Öcalan aus seinem syrischen Exil – in diesem befand er sich seit 1979 – wieder zum „totalen Krieg“ auf. Als der Krieg dann auch immer intensiver und härter wurde, wurde auch der Druck des türkischen Imperialismus auf Syrien immer größer Öcalan auszuweisen. Die Türkei drohte Syrien sogar mit Krieg. Daraufhin wies Syrien Öcalan am 9. September 1998 aus.
Nun begann die türkische Jagt nach Öcalan. Am 12. September 1998 wurde der oberste kurdische Nationalist in Italien aufgrund eines deutschen Haftbefehls verhaftet. Doch die regierenden Charaktermasken des deutschen Nationalismus hatten Angst vor dem Nationalismus der in der BRD lebenden KurdInnen. So verzichteten sie darauf, Öcalan in Deutschland einzusperren. Italien ließ also den autoritären Boss des türkisch-kurdischen Linksnationalismus am 16. Dezember 1998 wieder frei. Im Januar 1999 verließ Öcalan Rom. Der PKK-Boss ersuchte nun in verschiedenen Staaten – unter anderem in Italien und Griechenland – um politisches Asyl, was aber abgelehnt wurde. Am 15. Februar 1999 wurde Öcalan schließlich vom türkischen Geheimdienst in Kenia festgenommen, als er die griechische Botschaft verließ. Nach der Verhaftung des PKK-Bosses lief der kurdische Nationalismus in ganz Europa Amok. So demolierten zum Beispiel 400 bis 500 KurdInnen die griechische Botschaft in Frankfurt am Main. Der türkische Nationalismus wollte Öcalan zuerst rechtsstaatlich durch die Todesstrafe umbringen lassen, verzichtete aber dann auch wegen des imperialistischen Druckes der EU darauf und wandelte 2002 die Todesstrafe in lebenslange Haft um.
Öcalan leitete auch in türkischer Haft über seine Anwälte die PKK weiter autoritär. Während einfache kurdische NationalistInnen in türkischer Haft grausam gefoltert wurden, konnte Herr Öcalan Friedensgespräche mit Regierungsstellen führen und mehrere Bücher schreiben. In diesen Schinken organisierte der PKK-Boss auch die ideologische Umorientierung des kurdischen Linksnationalismus. Der Marxismus-Leninismus war durch die Transformation des globalen Staatskapitalismus in den Privatkapitalismus nicht mehr zeitgemäß. Wikipedia schreibt über die aktuelle Ideologie-Brühe, die Herr Öcalan in türkischer Haft zusammenpanschte: „In den letzten Jahren lässt er sich durch Murray Bookchins Konzept des confederalism zum sogenannten Demokratischen Konföderalismus inspirieren. Weitere Inspirationsquellen sind Immanuel Wallerstein, Fernand Braudel, Max Horkheimer und Theodor W. Adorno.“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Abdullah_%C3%96calan) Das ist eine krude Mischung aus Linksliberalismus und libertär weichgespülten Marxismus und Anarchismus, die nichts anderes als eine ideologische Kapitulation gegenüber Privatkapitalismus und Demokratie als Staatsform bedeutet – aber gerade deshalb beim kleinbürgerlich-linken Publikum im Westen gut ankommt. Demokratischer Konföderalismus in der Türkei bedeutet nichts anderes, als dass die Kurden innerhalb des türkischen Nationalstaates eine Art Unternation bilden sollen. Doch das Einigeln in bestehende Nationalstaaten ist nicht weniger sozialreaktionär wie die Gründung von neuen. Sozialrevolutionär ist nur die Vorbereitung der weltweiten Zerschlagung aller Nationalstaaten.
Herr Öcalan strebt also für die Türkei etwas an, was die kurdischen NationalistInnen im Nordirak und in Nordsyrien sich im 21. Jahrhundert schon faktisch-praktisch erkämpft haben: die nationale Autonomie mit kurdischen Unterstaaten innerhalb anderer bestehender Nationalstaaten. Im Irak nutzte der kurdische Nationalismus 2003 den imperialistischen Konflikt zwischen den USA und dem Saddam-Hussein-Regime um sich eine nationale Autonomie im sich neuformierenden irakischen Staat zu erobern. Beim imperialistischen Sturz des Hussein-Regimes diente sich der irakisch-kurdische Nationalismus den USA als Verbündeter an, dafür bekam er seine eigene politisch-territoriale Spielwiese zugewiesen.
Im syrischen Nationalstaat bilden die KurdInnen die größte sprachlich-kulturelle Minderheit. Syrien entstand durch die imperialistische Zerstörung des Osmanischen Reiches durch die Siegermächte des Ersten Weltkrieges und war zuerst ein französisches Mandatsgebiet. Doch im Jahre 1946 wurde Syrien durch die politische Unabhängigkeit ein eigenständiges Nationalkapital mit starken staatsinterventionistischen und staatskapitalistischen Tendenzen. 1957 gründete Osman Sabri zusammen mit anderen kurdischen NationalistInnen die Demokratische Partei Kurdistan-Syrien (DPKS). Das Ziel dieser Partei war eine größere kulturell-nationale Autonomie der KurdInnen in einem demokratisierten Syrien. Der kurdische Nationalismus war also in Syrien von Anfang an ein Motor der kapitalistischen Modernisierung. Doch für die linken TraumtänzerInnen stellt ja nationale und demokratische Autonomie nicht eine Durchsetzungsform des Kapitalismus und damit etwas grundsätzlich Reaktionäres dar, sondern irgendwie etwas emanzipatorisch-fortschrittliches. Aber die syrischen NationalistInnen unterdrückten die kurdischen National-DemokratInnen von der DPKS.
Nach dem Scheitern einer staatlichen Union mit Ägypten 1961 erklärte sich Syrien zu einer arabischen Republik. Die KurdInnen wurden schnell als „Fremdkörper“ der arabisch-syrischen Nation ausgemacht. Als Ergebnis einer außergewöhnlichen Volkszählung im nordsyrischen Kurdengebiet (Dschazira) von 1962 wurden 120.000 KurdInnen (das waren rund 20 Prozent dieser Sprach- und Kulturgemeinschaft in Syrien) zu AusländerInnen erklärt. Diese Sortierung der KurdInnen durch die syrischen NationalistInnen in „InländerInnen“ und „AusländerInnen“ war sehr willkürlich, so gab es in den einzelnen Familien plötzlich „InländerInnen“ und „AusländerInnen“. Das war eine ultrarepressive Demonstration der Tatsache, dass eine Nation nichts Natürliches ist und der kapitalistische Zentralstaat darüber entscheidet, wer dazugehört und wer nicht. Die zu „AusländerInnen“ erklärten KurdInnen mussten ihre Pässe abgeben, damit die Behörden diese angeblich erneuern könnten. Doch die zu „AusländerInnen“ abgestempelten KurdInnen bekamen diese nicht zurück. Begleitet wurde die Ausbürgerungsaktion durch eine nationalistische Kampagne mit Parolen wie „Rettet das Arabertum in der Dschazira!“ und „Bekämpft die kurdische Bedrohung!“. Staatenlose KurdInnen waren in Syrien gefangen, da sie keine Papiere hatten und deshalb nicht legal ausreisen durften.
1965 entschloss sich der syrische Staat dazu in Dschazira einen arabischen Gürtel entlang der türkischen Grenze zu errichten. Dieser nationalistische Gürtel war 350 km lang und 10-15 km breit und er reichte von der irakischen Grenze im Osten bis nach Ra’s al-‚Ayn im Westen. Ab 1973 wurde diese nationalistische Veränderung der Bevölkerung in Dschazira praktisch umgesetzt. Dabei wurden arabische Beduinen in den kurdischen Gebieten angesiedelt. Nach dem ursprünglichen Plan wallten die arabisch-syrischen NationalistInnen etwa 140.000 Kurden in die südlichen nahen Wüsten bei Al-Raad deportieren, doch die kurdischen BäuerInnen weigerten sich zu gehen, obwohl sie enteignet worden waren. Kurdische BäuerInnen, die der syrische Staat zu „AusländerInnen“ gemacht hatte, durften keinen Besitz haben, keine alten Häuser reparieren und keine neuen Häuser bauen.
Die herrschenden Kreise – ein starkes BerufspolitikerInnentum und relativ schwache PrivatkapitalistInnen, große Teile der syrischen Wirtschaft waren verstaatlicht – definierten ihren arabisch-syrischen Nationalismus also in Abgrenzung zur kurdischen Sprach- und Kulturgemeinschaft. Jede Nation ist real-praktisch in Oben und Unten, in AusbeuterInnen und Ausgebeutete gespalten. Die nationalistische Ideologie soll ja gerade die Klassenspaltung verschleiern. Als Kitt der Nation – also als eine Verhinderung, dass sich der reproduktive Klassenkampf zur sozialen Revolution zuspitzt – dienen sehr gut innere und äußere „Feinde“. Der syrische Nationalismus und damit die herrschende Klasse stärkten sich also auf Kosten der kurdischen Sprach und Kulturgemeinschaft. Besser als auf diese Weise konnte der arabisch-syrische Nationalismus gar nicht den syrisch-kurdischen Nationalismus stärken und aufladen.
So gab es mehrere kurdisch-nationalistische Unruhen und Aufstände in Syrien. Wie schon gesagt, formt der moderne bürgerliche Nationalismus aus vorbürgerlichen Sprach-, Kultur- und Religionsgemeinschaften kapitalistische Nationalstaaten. Der syrische Staat formte aus der arabischen Sprach- und Kulturgemeinschaft die arabisch-syrische Nation und ging repressiv gegen die kurdische Sprach- und Kulturgemeinschaft vor. Der kurdische Nationalismus stützte sich nun auf seine angebliche „Tradition“, die in Wirklichkeit seine vornationale Vorgeschichte war, um gegen die Repression des syrischen Staates zu kämpfen. So versammelten sich im März 1986 im kurdischen Viertel von Damaskus KurdInnen in traditioneller Kleidung, um das Frühlingsfest Nouruz zu feiern. Der kurdische Nationalismus musste die vornationale Tradition bewahren, um mit dieser einen Anspruch entweder auf einen eigenen Nationalstaat oder auf Unterstaaten in den bestehenden Ländern zu begründen. Doch der syrische Staat musste die kurdische Kulturtradition bekämpfen, weil er sie zuvor als für den arabisch-syrischen Nationalismus nicht dazugehörig und damit potenziell feindlich definiert hatte. Aus diesem Grunde hatte er auch das Tragen kurdischer Trachten verboten. Diese nationalistische Repression gegen die KurdInnen war eine besondere Form der sozialen Unterdrückung. Die KurdInnen taten also im März 1986 etwas vom Staat Verbotenes, als sie sich im kurdischen Viertel von Damaskus in ihre traditionelle Trachten hüllten, weshalb die Bullen repressiv gegen sie vorgingen. Als bezahlte Hooligans des syrischen Staates schossen sie in die Menge und töteten dabei einen Menschen.
Bei Wikipedia heißt es über die Unruhen von 2003: „Nach einem Zwischenfall in einem Fußballstadion in Qamischli starben bei Unruhen, die am 12. März begannen, 30 Menschen und 160 wurden verletzt. Kurdische Quellen deuteten an, dass syrische Sicherheitskräfte nach Zusammenstößen während eines Fußballspieles zwischen örtlichen kurdischen Fans der Heimmannschaft und arabischen Fans der Mannschaft aus der Stadt Deir ez-Zor scharfe Munition gegen Zivilisten einsetzten. Die internationale Presse berichtete über neun Tote am 12. März. Laut Amnesty International wurden hunderte Menschen, überwiegend Kurden, nach den Unruhen verhaftet. Kurdische Häftlinge berichteten über Folter und Misshandlungen. Einige kurdische Studenten wurden von ihren Universitäten verwiesen, weil sie an friedlichen Protesten teilgenommen hatten.“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Syrien)
Auch in Syrien nutzte der kurdische Nationalismus unter der Führung der Partei der demokratischen Union (PYD) – eine linksnationale Schwesterpartei der PKK – ab 2011 die Destabilisierung des bestehenden Nationalstaates durch BürgerInnenkrieg und imperialistische Einmischung anderer Staaten, um sich eine faktische nationale Autonomie im Norden des Landes zu erkämpfen. Diese nationale Autonomie wurde dann von der islamistischen Terrorbande IS bedroht. Zu dem syrischen BürgerInnenkrieg und die imperialistische Eimischung in diesem schreiben wir alles Notwendige im nächsten Kapitel. Hier wollen wir die eindeutig bürgerlich-staatlichen Strukturen des kurdischen Nationalismus in Nordsyrien beschreiben und die ideologischen Luftschlösser, welche die deutschen linken KleinbürgerInnen daraus geistig formen, hart kritisieren.
Manchmal sind ganz normale bürgerliche IdeologInnen an der Realität näher dran als die linken KleinbürgerInnen. Deshalb wollen wir hier Wikipedia über die staatlichen Strukturen des kurdischen Linksnationalismus in Nordsyrien (Rojava) zitieren: „Als Rojava (im Deutschen auch Rodschawa; kurdisch ‏رۆژاڤایا کوردستانێ‎, Rojavaya Kurdistanê; arabisch ‏كردستان السورية‎, DMG Kurdistān assūriyya) oder Westkurdistan wird von Kurden der Anteil Syriens am kurdischen Siedlungsgebiet bezeichnet.
Teile dieses nicht klar abzugrenzenden Gebiets stehen als de facto autonome Gebiete unter kurdischer Kontrolle, diese wurden einseitig von der kurdischen Partiya Yekitîya Demokrat (PYD), der christlichen Suryoye Einheitspartei (einer Assyrisch/Aramäischen Partei) und weiteren Kleinparteien während des syrischen Bürgerkrieges proklamiert. Die Kantone sind (von West nach Ost): Efrîn, Kobanê und Cizîrê (nördlicher Teil der syrischen Provinz al-Hasaka mit Qamischli als Hauptort). Am 12. November 2013 beschloss die PYD, gemeinsam mit anderen Gruppierungen im Norden Syriens eine Übergangsverwaltung aufzustellen, um den durch den Krieg entstandenen Missständen in Verwaltung und Versorgung der Bevölkerung zu begegnen. Am 21. Januar 2014 folgte die Etablierung der Verwaltung in Cizîrê, am 27. Januar in Kobanê und einige Tage später auch in Efrîn. Die Verwaltung soll die multiethnische und -religiöse Situation in Nordsyrien widerspiegeln und besteht jeweils aus einem kurdischen, arabischen und christlichen-assyrischen Minister pro Ressort. Insgesamt wird der Plan verfolgt, ein demokratisches System aufzubauen, so wird beispielsweise auch eine Frauenquote von 40 % in der Verwaltung angepeilt. Laut PYD ist der längerfristige Plan, alle drei Kantone unter einer Verwaltung zu vereinen. Die PYD stieß mit diesem Schritt jedoch sowohl innerhalb Syriens als auch international auf Kritik. Ein Kritikpunkt ist, dass die PYD für den angestrebten zusammenhängenden Landstrich „Rojava“ in Nord-Syrien auch überwiegend nicht-kurdisch besiedelte Gebiete beansprucht, was v.a. bei der arabisch-sunnitischen Mehrheit in diesen Gebieten auf Widerstand stößt.“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Rojava)
Mit Hilfe der stinknormalen bürgerlichen IdeologInnen von Wikipedia können wir also Rojava als typische staatliche Durchsetzungsform der kapitalistischen Modernisierung charakterisieren. Filtern wir also die Informationen von Wikipedia durch die materialistisch-dialektische Geschichtsbetrachtung. Der kurdische Nationalismus ist ein moderner Nationalismus, der andere Sprach- Religions- und Kulturgemeinschaften nicht unterdrücken, sondern integrieren will. Alle politischen Parteien, egal ob linke oder rechte, sind bürgerlich. Sie reproduzieren die Klassenspaltung in Form von BerufspolitikerInnen an der Spitze und der von ihr verwalteten kleinbürgerlichen und proletarischen Mitglieder an der Basis der Parteien. Parteien sind Basiseinheiten der bürgerlichen Politik, die konkurrenzmäßig-kooperativ oder monopolartig die politische Regierungsmacht anstreben. An die Regierungsmacht kommen politische Parteien durch Staatsstreiche, BürgerInnenkriege oder parlamentarische Wahlen. Die von den Parteien beherrschten Staaten schützen das bürgerliche Eigentum an den Produktionsmitteln –egal ob Privat-, Genossenschafts- oder Staatseigentum. Politische Partei, Staat, Nation und Kapital reproduzieren sich gegenseitig. So war es bei der NSDAP und „K“PdSU, so ist es bei CDU, SPD und Linkspartei – und so wird es auch bei der kurdisch-linksnationalen Partei PYD sein.
Das zu verschleiern ist der Job der linken DemagogInnen. So nannte der Marxist-Leninist und großer Fan des kurdischen Linksnationalismus, Nick Brauns, die Rojava regierenden BerufspolitikerInnen „Räteregierung“. Das ist ein alter Trick des Marxismus-Leninismus, seit dem die Bolschewiki 1917 mit Hilfe der ArbeiterInnenräte die politische Macht in Russland eroberten – und dann ganz gezielt durch ihre staatskapitalistische Konterrevolution die ArbeiterInnenräte zerstörten. Alles schon unter Lenin und Trotzki, und nicht erst unter Stalin. Ihren neuen Nationalstaat nannten die partei-„kommunistischen“ PolitikerInnen dann demagogisch „Sowjetunion“ (Räteunion). Doch die neuen Sowjets waren nur Mäntel für die „kommunistische“ Parteiherrschaft und die staatskapitalistische Ausbeutung des Proletariats. Sie hatten mit ArbeiterInnenräten als Organe des selbstorganisierten proletarischen Klassenkampfes nicht das Geringste zu tun. Auch die Räte in Rojava sind ganz normale demokratische Staatsorgane, die selbstverständlich nur die politische Verwaltungsform einer kapitalistischen Warenproduktion sein können.
Die kleinbürgerlich-linke Zeitung junge Welt stellte dem Vorstandsmitglied des Verbandes der Studierenden aus Kurdistan (YXK), Thomas Marburger die Frage: „Ist der Kapitalismus in Kobani (Kanton und Stadt in Rojava, die von der IS bedroht war, siehe nächstes Kapitel –Anmerkung von Nelke) abgeschafft?“ Seine Antwort: „Nein, es gibt noch arm und reich, die Produktionsmittel sind noch nicht komplett vergesellschaftet. Staatliches Land wurde an die Kommunen zur Selbstverwaltung übergeben, um Kooperativen und Landwirtschaftsprojekte aufzubauen. Parallel dazu wurde eine Übergangsregierung gebildet – eine davon ist die Partei der demokratischen Union (PYD). Zu Wahlen ist es aufgrund der zugespitzten Kämpfe nicht gekommen.“ („Demokratische Autonomie mitten im Krieg ausgebaut, Gespräch mit Thomas Marburger, in: junge Welt vom 27. Oktober 2014, S. 8.)
Hier haben wir alle politische Kategorien, die eine normale Demokratie als eine kapitalistische Staatsform auszeichnen, auch für Rojava genannt: Parteien, Regierung, kommunale Selbstverwaltung und Wahlen. Doch was ist mit den landwirtschaftlichen Kooperativen? Die können im Rahmen eines kapitalistischen Staates nichts anderes sein als Genossenschaften, also kleinbürgerlich-kollektive Formen der Warenproduktion als Nischen innerhalb einer kapitalistischen Ökonomie. Manche Genossenschaften wurden schon zu normalen kapitalistischen Firmen, aber noch nirgendwo wurden Genossenschaften im Rahmen von Nationalstaaten zu Keimen einer klassen- und staatenlosen Gesellschaft. Dies trifft übrigens auch für die Kollektivwirtschaften im Rahmen von Staat und Kapital zu, welche die anarchosyndikalistische CNT während des spanischen BürgerInnenkrieges betrieb, und mit denen auch noch heutige AnarchosyndikalistInnen „kritisch“ hausieren gehen… Eine wirkliche Vergesellschaftung der Produktionsmittel ist nur bei Zerschlagung des Staates und bei Aufhebung der Ware-Geld-Beziehung möglich. In den ökonomisch schwach entwickelten Kurdengebieten wären Genossenschaften im Rahmen von demokratischer Autonomie ein Entwicklungsmoment der kapitalistischen Warenproduktion. Der kurdische Linksnationalismus ist also in Nordsyrien eine Durchsetzungsform des Kapitalismus und nicht antikapitalistisch.
Außerdem leistet er der bürgerlichen Frauenemanzipation Vorschub. Die kapitalistische Klassenstruktur ist auch in modernen Nationen wie Deutschland mit der patriarchalen Diskriminierung der Frauen verbunden. Es gibt weltweit verhältnismäßig wenig Kapitalistinnen, Managerinnen, Politikerinnen, aber die proletarischen Frauen werden besonders hart ausgebeutet. Arbeiterinnen bekommen immer noch viel weniger Lohn als ihre männlichen Kollegen. Außerdem lastet der größte Teil der biosozialen Reproduktionsarbeit innerhalb der Familien auf den Schultern der Frauen. Der (klein)bürgerliche Feminismus kann nur eine Gleichberechtigung innerhalb der Klassenspaltung bieten, also eine Gleichberechtigung von Kapitalmanagern und Kapitalmanagerinnen sowie von Proletariern und Proletarierinnen. Wir SozialrevolutionärInnen gehen mit einem klaren Klassenstandpunkt an die Frauenemanzipation heran. Während wir den Kampf der Proletarierinnen um gleiche Löhne von Männern und Frauen der ArbeiterInnenklasse als Teil des reproduktiven Klassenkampfes kritisch unterstützen, geht uns das Eintreten der (klein)bürgerlichen Damen für die Frauenquote für die Chefposten in Politik und Wirtschaft glatt am Arsch vorbei. Doch auch der reproduktive Klassenkampf der Proletarierinnen gegen die Frauenunterdrückung kann nur zu einer bürgerlichen Frauenemanzipation führen – wenn er sich nicht zur sozialen Revolution radikalisiert. Deshalb strebt der Kommunismus die Zerschlagung von Kapital, Staat und Patriarchat durch die soziale Revolution an, während der (klein)bürgerliche Feminismus Kapital und Staat durch die bürgerliche Frauenemanzipation reformieren will. Kommunismus und (klein)bürgerlicher Feminismus sind unvereinbar miteinander, sie verhalten sich gegeneinander wie Feuer und Wasser. SozialrevolutionärInnen kämpfen nicht für ein frauenquotiertes Kapitalmanagement, sondern dafür, dass die ArbeiterInnen auch die Chefinnen entmachten, während der (klein)bürgerliche Feminismus die Chefinnen vermehren möchte. Es liegt auf der Hand, dass wir in Rojava (klein)bürgerlichen Feminismus vor uns haben. Innerhalb von Staatsstrukturen kann Frauenemanzipation nur bürgerlich sein.
In Rojava haben wir also eine ungleichzeitige Entwicklung vor uns. Während die Ökonomie noch sehr unterentwickelt ist, können wir einen ultramodernen politischen Überbau sehen: einen multiethnischen und frauenemanzipativen Staat. Doch alle Nationalstaaten, also auch die politisch korrekten, sind strukturelle Klassenfeinde des Weltproletariats. Alle BerufspolitikerInnen leben auf Kosten des Proletariats. Sie eignen sich über Steuern einen Teil des vom Proletariat produzierten Mehrwertes an. BerufspolitikerInnen verwalten überall auf der Welt die kapitalistische Ausbeutung des Proletariats und gehen gegen es repressiv vor, wenn es in den Klassenkampf tritt. Das Weltproletariat hat noch immer mit bitteren Niederlagen dafür gezahlt, wenn es bestimmte Nationalstaaten und Staatsformen gegen andere Nationen und Staatsformen verteidigte. Deshalb bekämpfen wir SozialrevolutionärInnen den kurdischen Nationalismus in Nordsyrien so wie jeden anderen auch, und verteidigen ihn nicht gegen andere politische Fraktionen des Weltkapitals. Im Gegensatz zu sozialrevolutionären Positionen stehen die marxistischen und anarchistischen KleinbürgerInnen, die den kurdischen Linksnationalismus verklären und verteidigen – und damit neue Niederlagen des Proletariats vorbereiten. Solidarität mit PKK und PYD ist Solidarität mit kurdischen Politbonzen gegen das kurdische Proletariat! Auch wenn keine revolutionäre Situation besteht, kann das für wirkliche SozialrevolutionärInnen kein Alibi dafür sein, die Konterrevolution aktiv vorzubereiten. Solidarität mit dem kurdischen Linksnationalismus ist aktive Vorbereitung der Konterrevolution!
Die PKK konnte und kann nur den Kapitalismus reproduzieren. Sie war und ist eine politische Fraktion des Weltkapitals. Die staatskapitalistische Option wurde ihr verbaut. Jetzt bleibt ihr nur noch durch „demokratische Autonomie“ in den Kurdengebieten der Türkei den türkisch-kurdischen Privatkapitalismus auf erneuerter Stufenleiter zu reproduzieren. Und die kleinbürgerliche Linke im Westen hat als Lautsprecher des kurdischen Linksnationalismus den tollen Job den kapitalistischen Inhalt knallrot zu verpacken. So sagte der kurdische Linksnationalist Mehmit Derik von der Münchner Initiative „Solidarität mit Rojava: „Die PKK nimmt (…) eine fortschrittliche, sozialistische Perspektive ein.“ („Den Kampf der Kurden legitimieren“, Gespräch mit Mehmet Derik, in: junge Welt vom 28. November 2014, S. 2.) Ja, dem Kapitalismus sozialistische Masken aufsetzen, das ist das, was die kleinbürgerlichen politischen Linken am besten können!
Auch die „Radikale Linke“ aus Nürnberg, behauptet auf ihrer Homepage über die kurdisch-linksnationale Durchsetzungsform des Kapitalismus in Nordsyrien: „Rojava steht für ein sozialistisches Projekt, das versucht alle Ethnien und Religionen zu vereinen und die Gleichstellung von Frauen und Männern im Alltag und in der politischen Praxis umzusetzen, um eine neue Gesellschaft aufzubauen. Trotz der katastrophalen Auswirkungen des syrischen Bürgerkrieges haben die Menschen in der Region Rojava seit 2011 begonnen, eine politische und soziale Revolution durchzuführen, die eine alternative Entwicklung in allen gesellschaftlichen Bereichen angestoßen hat. Inspiriert vom Modell des Demokratischen Konföderalismus wurde eine kommunale und regionale Selbstverwaltung durch Rätedemokratie, Frauenräte und eigene demokratisch organisierte Sicherheitskräfte geschaffen. Die Räte orientieren sich an einer multiethnischen, multireligiösen und antipatriarchalen Vision jenseits des bürgerlich-kapitalistischen Staates.“ (http://www.redside.tk/rl/?p=1772) Das ist schon eine Meisterleistung der linksbürgerlichen Demagogie! Wenn Rojava eine „Rätedemokratie“ ist, dann ist die BRD auch eine!
Der globale Anarchismus, der in seinen Hauptströmungen genauso kleinbürgerlich war und ist wie der Marxismus, lässt sich teilweise von den neuesten libertär-demokratischen Phrasen des kurdischen Linksnationalismus in der Türkei und in Nordsyrien genauso berauschen wie früher viele Partei-„KommunistInnen“ von den marxistisch-leninistischen Absonderungen der PKK. Warum ist die politische Linke so anfällig gegenüber kapitalistischen Staaten? Weil es sich um eine durch und durch kleinbürgerliche Szene handelt, die hauptsächlich aus StudentInnen, Intellektuellen und ein paar verirrten ProletarierInnen – die innerhalb der linken Szene jegliches Klassenbewusstsein verloren haben – besteht. Aus hauptberuflichen ProfessorInnen, die natürlich auch bei ihrem marxistischen Hobbie, was sie nebenberuflich pflegen nicht den lukrativen Job verlieren wollen – also bloß nicht zu radikal sein! Aus StudentInnen, die noch mal alternativ das Leben genießen wollen, bevor sie sich völlig dem BildungsspießbürgerInnen-Milieu anpassen, aus ParlamentarierInnen der sozialdemokratischen Linkspartei, und JournalistInnen linker Zeitungen, die natürlich ihre Ideologieware auch nicht zu radikal gestalten dürfen, weil dafür gegenwärtig kein Markt da ist. Und selbstverständlich besteht die linke Szene auch aus AntifaschistInnen, AntirassistInnen und Frauenrechtlerinnen, deren Engagement von der BRD und der EU mitfinanziert wird sowie aus hauptamtlichen IdeologInnen der Linkspartei-nahen Rosa-Luxemburg-Stiftung und des Bildungsapparates des DGB. Ach ja, antiautoritäre Libertäre, die sich in ihren selbstverwalteten Cafés im Rahmen des bundesdeutschen Staates und der kapitalistischen Warenproduktion pudelwohl fühlen und deshalb viel Verständnis für die demokratische Autonomie des kurdischen Linksnationalismus aufbringen, gibt es auch noch. Die linke Szene besteht also zum großen Teil aus Intellektuellen und PolitikerInnen, die tief in die Warenproduktion, die bundesdeutsche Zivilgesellschaft und das parlamentarisch-demokratische Staatssystem integriert sind. Das macht sie unfähig und unwillig dazu den Kapitalismus wirklich zu bekämpfen – aber verdammt anpassungsfähig-opportunistisch gegenüber den verschiedenen nationalen und politischen Fraktionen des Weltkapitals.

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