Suchergebnisse für „Der Marxismus und die Sowjetunion“ – Soziale Befreiung https://sbefreiung.blackblogs.org Für die revolutionäre Selbstaufhebung des Proletariats! Thu, 06 Feb 2025 16:30:36 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 Für die globale Vernetzung von revolutionären AnarchistInnen und antileninistischen KommunistInnen! https://sbefreiung.blackblogs.org/2024/07/30/fuer-die-globale-vernetzung-von-revolutionaeren-anarchistinnen-und-antileninistischen-kommunistinnen/ https://sbefreiung.blackblogs.org/2024/07/30/fuer-die-globale-vernetzung-von-revolutionaeren-anarchistinnen-und-antileninistischen-kommunistinnen/#respond Tue, 30 Jul 2024 22:27:17 +0000 https://sbefreiung.blackblogs.org/?p=1042 Die massenmörderische Krisen- und Kriegsdynamik des globalen Kapitalismus schreit geradezu nach einer planetaren Vernetzung der revolutionären AnarchistInnen und antileninistischen KommunistInnen. Das Weltproletariat wird erbarmungslos von der Weltbourgeoisie verheizt. Der Klassenkampf des Proletariats wird noch immer innerhalb des reproduktiven Rahmens des Kapitalismus geführt, dessen Perspektive für die ProletarierInnen nur Ausbeutung, Arbeitslosigkeit, staatliche Elendsverwaltung, eine sich vertiefende ökosoziale Kriese und Krieg beziehungsweise einen asozialen Frieden bedeuten kann.

Die globale institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung (Gewerkschaften und politische Parteien) ist der bürokratische Ausdruck der den Kapitalismus reproduzierenden Grenzen des proletarischen Klassenkampfes. Die bürgerlich-bürokratischen Partei- und Gewerkschaftsapparate integrierten sich mehrheitlich in den Kapitalismus und wurden Fleisch von seinem Fleische. Anarchosyndikalismus und Parteimarxismus (Linke Sozialdemokratie, Marxismus-Leninismus, Trotzkismus und Linkskommunismus) sind entweder selbst Teil des kapitalistischen Problems oder außerstande eine revolutionäre Alternative zu Kapital, Staat und institutionalisierter ArbeiterInnenbewegung zu entwickeln.

Letzteres trifft besonders auf den Linkskommunismus zu. Er ist aufgrund seines Antiparlamentarismus, seiner Gewerkschaftsfeindlichkeit und seiner Ablehnung der nationalen Befreiung/Selbstbestimmung zu radikal, um sich in den Kapitalismus zu integrieren, aber zu parteimarxistisch-ideologisch borniert, um den konterrevolutionären Charakter des staatstragenden Bolschewismus ab 1917 zu erkennen und zu begreifen, dass die politische Partei grundsätzlich eine bürgerlich-bürokratische Organisationsform ist, die nur den Kapitalismus reproduzieren, aber eben nicht revolutionär überwinden kann. Das peinliche Rumgeeiere in der Staatsfrage – der berühmt-berüchtigte „Halbstaat“, den die LinkskommunistInnen in der Revolution aufmachen wollen –, ist eine antirevolutionäre Tendenz. Erstens kann es nur ganze Staaten geben und zweitens sind die immer konterrevolutionär!

Eine globale Vernetzung der revolutionären AnarchistInnen und antileninistischen KommunistInnen als organisatorisch-inhaltliche Alternative zu Anarchosyndikalismus und Parteimarxismus ist also absolut notwendig. Die Antipolitisch-Sozialrevolutionäre Tendenz (AST) strebt mittelfristig eine globale Föderation dieser revolutionären Kräfte an.

Keine bürokratisch-zentralistische und ideologisch-dogmatische „Internationale“!

Wir streben keine bürokratisch-zentralistische Internationale an, mit einem riesigen globalen Apparat, der die einzelnen Sektionen in den verschiedenen Nationen anführt. Nein, die globale Vernetzung der revolutionären AnarchistInnen und antileninistischen KommunistInnen, die wir mittelfristig und geduldig mit euch zusammen aufbauen wollen, soll klar und eindeutig mit der bürokratisch-zentralistischen und ideologisch-dogmatischen Tradition der parteimarxistischen (sozialdemokratischen, marxistisch-leninistischen und trotzkistischen) vier Internationalen brechen. Selbstverständlich soll sie sich auch von internationalen anarchosyndikalistischen und linkskommunistischen Zusammenschlüssen unterscheiden.

Die globale Vernetzung soll die unterschiedlichen theoretisch-kulturellen Ursprünge und Traditionen nicht einebnen, sondern produktiv zusammenführen. Sie soll praktische Gemeinschaftserlebnisse von Individuen und Kleingruppen sowie die inhaltliche Diskussion zwischen ihnen ermöglichen und damit Vereinzelung überwinden. Ganz auf der kollektiven Solidarität der Individuen und Gruppen beruhen. Einzeln und frei wie ein Baum, dabei geschwisterlich wie ein Wald!

Natürlich ist dabei auch eine Beliebigkeit zu verhindern. Die Vernetzung von revolutionären Gruppen und Individuen kann kein Selbstzweck, sondern muss die gemeinsame praktisch-geistige Vorbereitung auf die mögliche Weltrevolution sein.

Diskussionsgrundlage für einen inhaltlichen Minimalkonsens einer globalen Föderation von revolutionären AnarchistInnen und antileninistischen KommunistInnen

Damit die globale Vernetzung der revolutionären AnarchistInnen und antileninistischen KommunistInnen eine klare organisatorisch-inhaltliche Alternative zu Parteimarxismus und Anarchosyndikalismus werden kann, muss sie auf klaren Grundprinzipien beruhen. Die AST schlägt zur Diskussion folgende Punkte vor.

1. Für die revolutionäre Aufhebung der Warenproduktion. Die Warenproduktion basiert auf global voneinander getrennten kleinbürgerlichen und kapitalistischen Wirtschaftseinheiten, die ihre Produkte mittels der Ware-Geld-Beziehung austauschen müssen. Das Geld ist der verselbständigte Ausdruck des Tauschwertes. Basis des Tauschwertes ist der Produktionswert, die durchschnittliche, gesellschaftlich notwendige Herstellungszeit einer Ware. Je höher der Produktionswert einer Ware ist, umso höher ist in der Regel auch ihr Tauschwert. Außerdem wird der Tauschwert auch durch die Marktkonkurrenz aus Nachfrage und Angebot bestimmt.

Indem das sich revolutionär selbst aufhebende Proletariat die Produktionsmittel und die soziale Infrastruktur in gesamtgesellschaftliche Verfügungsgewalt überführt und den Staat zerschlägt, schafft es die Voraussetzungen für die Aufhebung des Tauschwertes. Überwindung des Tauschwertes heißt, dass in der klassen- und staatenlosen Gemeinschaft die Produkte nicht getauscht – auch nicht durch einen Naturaltausch ohne Geld! – sondern gesamtgesellschaftlich kollektiv-solidarisch verteilt werden. Die Individuen sind keine passiven Objekte der gesamtgesellschaftlichen Leitung und Planung der Produktion sowie der Verteilung der Produkte, sondern deren aktive Subjekte.

RevolutionärInnen kritisieren jegliche „Vergesellschaftung“ innerhalb von Warenproduktion und Staat als Scheinalternative. GenossInnenschaften und „selbstverwaltete“ Betriebe innerhalb des Kapitalismus sind im besten Falle kleinbürgerlich-kollektive Formen der Warenproduktion und gehen fließend in Kapitalgesellschaften über.

2. Für die revolutionäre Zerschlagung aller Staaten. Staaten sind grundsätzlich sozialreaktionäre Gewaltapparate von Klassengesellschaften. Im Kapitalismus sind die Staaten die politischen Gewaltapparate der Kapitalvermehrung. Es kann keine „progressiven“ oder „sozialistischen“ Staaten geben. Das sich selbst revolutionär aufhebende Proletariat muss den Staat zerschlagen! Die „Halbstaaten“ einer angeblichen „Übergangsgesellschaft“, die der Linkskommunismus herbeiphantasiert, kann es nicht geben. Zwischen dem kapitalistischen Staat und der klassen- und staatenlosen Gemeinschaft gibt es keine staatsförmige „Übergangsgesellschaft“, sondern „nur“ die mögliche revolutionäre Zerschlagung des Staates! Den Staat zu zerschlagen, heißt die gesamtgesellschaftlich-kollektive Organisation des Lebens ohne Gewaltapparate und BerufspolitikerInnen.

Da das Proletariat eines Landes, einer Gruppe von Ländern, eines Kontinents unmöglich mit der sozialen Revolution warten kann, bis ihre Klassengeschwister weltweit so weit sind, kann die Weltrevolution nur eine permanente Kette der Zerschlagung der Nationalstaaten sein. In der Weltrevolution wird es also sowohl schon mögliche klassen- und staatenlose Gemeinschaften als auch noch kapitalistische Staaten geben. Der revolutionäre Kampf gegen die Konterrevolution – sowohl von marodierenden Banden als auch von Staaten – beruht auf der kollektiven Militanz des sich selbst revolutionär aufhebenden Proletariats beziehungsweise der klassen- und staatenlosen Gemeinschaft, aber nicht auf von der Gesellschaft getrennten Gewaltapparaten. Letztere wären der reproduzierte Staat. In der Praxis wird es schwer werden, notwendige revolutionäre Gewalt gegen die Konterrevolution auszuüben, ohne den Staat zu reproduzieren. Aber der reproduzierte Staat ist die Konterrevolution! Deshalb kompromissloser Kampf gegen die linkskommunistische Ideologie von dem „Halbstaat“ in der angeblichen „Übergangsperiode“ zwischen Kapitalismus und Kommunismus! Die Weltrevolution ist erst zu Ende, wenn alle kapitalistischen Staaten revolutionär zerschlagen sind.

3. Gegen die institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung (Gewerkschaften und politische Parteien). Gewerkschaften sind der bürokratisch entfremdete Ausdruck des reproduktiven Klassenkampfes des Proletariats innerhalb des Kapitalismus. Im frühen Kapitalismus ging die Bourgeoisie noch total repressiv gegen den proletarischen Klassenkampf vor. Streiks und Gewerkschaften waren absolut verboten. Doch große Teile der herrschenden Klasse erkannten in einem sozialen Lernprozess – auch aufgrund des Druckes des klassenkämpferischen Proletariats – dass in einer Klassengesellschaft der Klassenkampf nicht effektiv absolut zu verbieten ist. So wurde in den verschiedenen Staaten der reproduktive Klassenkampf und die Gewerkschafen unter bestimmten Bedingungen legalisiert. Der Klassenkampf wurde verrechtlicht und damit tendenziell entradikalisiert. Die Gewerkschaften wurden durch das durch staatliche Gesetze regulierte Tarifvertragssystem, gesetzlich-sozialpartnerschaftliche Betriebsräte und das Sitzen von Gewerkschaftsbonzen in den Aufsichtsräten der Konzerne zu Co-Managerinnen der kapitalistischen Ausbeutung.

Die meisten Gewerkschaften sind durch einen antagonistischen Klassengegensatz geprägt. Auf der einen Seite die bürgerlich-bürokratischen Apparate der hauptamtlichen FunktionärInnen – die sozial nicht (mehr) zum Proletariat gehören – und auf der anderen die ehrenamtlichen FunktionärInnen und die lohnabhängige Basis als Manövriermasse. Die Haupttendenz der Gewerkschaftsapparate ist es, sich vollständig in den kapitalistischen Staat zu integrieren.

Gewerkschaften können grundsätzlich nur einen reproduktiv-sozialreformistischen Klassenkampf um höhere Löhne, für kürzere Arbeitszeiten und eine geringere Arbeitsintensität sowie gegen die Angriffe von Kapital und Staat innerhalb des Kapitalismus, aber eben keinen revolutionären für die klassen- und staatenlose Gesellschaft führen. Selbstverständlich gibt es zwischen ihnen große Unterschiede. So gibt es total sozialreaktionäre Gewerkschaften, die völlig in die jeweiligen Staaten integriert sind und auch deren imperialistischen Kriege unterstützen, aber auch Basisgewerkschaften, die gegen Aufrüstung, Waffenhandel und Krieg einen pazifistisch-reformistischen Klassenkampf führen.

Die Behauptungen des Anarchosyndikalismus, es könne revolutionäre Gewerkschaften geben und er würde sie aufbauen, hat er durch seine eigene Praxis widerlegt. Durch seine Anpassung an das Tarifvertragssystem, gesetzlich-sozialpartnerschaftliche Betriebsräte und das reformistische Bewusstsein der Mehrheit des Proletariats wurde der Anarchosyndikalismus selbst zu einer Strömung des globalen Gewerkschaftsreformismus. Gewerkschaften sind die Organisationsform des reproduktiven Klassenkampfes innerhalb des Kapitalismus, aber eben keine revolutionären zur dessen Zerschlagung. Gewerkschaften können nicht revolutionär und revolutionäre Klassenkampforganisationen (siehe Punkt 5) keine Gewerkschaften sein!

In nichtrevolutionären Zeiten können RevolutionärInnen einfache Mitglieder von Gewerkschaften sein. Aber sie dürfen keine neben- oder hauptamtlichen Funktionen in ihnen übernehmen. Gewerkschaften müssen grundsätzlich durch revolutionäre Klassenkampforganisationen, die sich allerdings erst möglicherweise in der sozialen Revolution herausbilden können, ersetzt werden. Berits im reproduktiven Klassenkampf innerhalb des Kapitalismus entwickelt sich die proletarische Selbstorganisation als Alternative zur Gewerkschaftsbürokratie (siehe Punkt 5). Völlig in den kapitalistischen Staat integrierte Gewerkschaftsapparate, die auch imperialistische Kriege unterstützen, müssen aktiv in der sozialen Revolution zerschlagen werden!

Politische Parteien bildeten sich ab dem 19. Jahrhundert zu zwar nicht absolut notwendigen, doch weit verbreiteten Basiseinheiten der bürgerlichen Politik. Parlamentarische Demokratien sind pluralistische Mehrparteiendiktaturen. In ihnen konkurrieren die politischen Parteien in Form von freien Wahlen um die Beherrschung des Staatsapparates. Freie Wahlen machen aus ProletarierInnen Stimmvieh, dass ihre strukturellen KlassenfeindInnen, die BerufspolitikerInne,n dazu ermächtigt, entweder den kapitalistischen Staat zu regieren oder systemloyal zu opponieren. Neben den Demokratien gab und gibt es noch faschistische und marxistisch-leninistische (siehe Punkt 4) Einparteiendiktaturen.

Politische Parteien sind klassengespalten in bürgerlich-bürokratische Apparate aus hauptamtlichen FunktionärInnen sowie BerufspolitikerInnen und -ideologInnen auf der einen und der kleinbürgerlich-proletarischen Basis auf der anderen Seite. Mensch kann zwischen kleinbürgerlich-radikalen Protest-/Aufstandsparteien und großbürgerlichen Systemparteien unterscheiden.

Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bildeten sich sozialdemokratische Massenparteien als politischer Flügel der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung. Einige von ihnen betrogen sich selbst und das Proletariat mit einer „revolutionären“ Ideologie, die aber nicht mit ihrer Praxis des parlamentarischen Sozialreformismus übereinstimmte, sondern diese verschleierte. Sie nahmen an Wahlen teil und integrierten sich immer stärker in das parlamentarische System. Die bürgerlich-bürokratischen Apparate der sozialdemokratischen Parteien strebten als Haupttendenz an, von der Bourgeoisie voll anerkanntes Regierungspersonal des kapitalistischen Staates zu werden.

Für die europäische Sozialdemokratie kam dieser Moment im Jahre 1914, den Beginn des Ersten Weltkrieges und der europäischen revolutionären Nachkriegskrise (1917-1923). Die meisten europäischen sozialdemokratischen Parteien unterstützten den Ersten Weltkrieg auf der Seite ihres jeweiligen Nationalstaates. Nur pazifistische und radikale Teile der Sozialdemokratie waren gegen die Kriegsbeteiligung. Während der europäischen revolutionären Nachkriegskrise wurde die Sozialdemokratie – besonders die deutsche SPD – offen konterrevolutionär, die blutig das klassenkämpferisch-revolutionäre Proletariat niederschlug. Heute ist die Sozialdemokratie vollständig in den Kapitalismus integriert.

Infolge der europäischen revolutionären Nachkriegskrise spaltete sich der radikale Flügel der Sozialdemokratie weltweit sowohl als Partei-„Kommunismus“ als auch als Rätekommunismus ab. In einigen Nationen entstanden marxistisch-leninistische Parteidiktaturen (siehe Punkt 4). In hochentwickelten privatkapitalistischen Demokratien integrierten sich marxistisch-leninistische und trotzkistische Parteien in das parlamentarische System. Indem Marxismus-Leninismus und Trotzkismus an parlamentarischen Wahlen teilnehmen, helfen sie dabei die Demokratie als Diktatur des Kapitals praktisch-geistig zu reproduzieren und die ProletarierInnen zum Stimmvieh abzurichten und braven demokratischen StaatsbürgerInnen zu erziehen.

Die sich vernetzenden Gruppen des revolutionären Anarchismus und des antileninistischen Kommunismus lehnen die politische Partei als Organisationsform des klassenkämpferischen Proletariats und der revolutionären Minderheiten ab. Ihre Kleingruppen sind weder Gewerkschaften noch politische Parteien und sie streben es auch nicht an, es zu werden.

4. Revolutionärer Antileninismus. Die politische Machtübernahme der bolschewistischen Partei im Oktober 1917 – nach dem alten russischen Kalender – stellte keine „proletarische Revolution“ dar, wie der Parteimarxismus einschließlich des Linkskommunismus behauptet, sondern der Prologder staatskapitalistischen Konterrevolution. Das sozialreaktionäre Lenin-Trotzki-Regime zerschlug die Sowjets als Organe der klassenkämpferischen Selbstorganisation des Proletariats. Ab der Verstaatlichung der Großindustrie im Frühsommer 1918 war es staatskapitalistisch. Es folgten weitere sozialreaktionäre politische Machteroberungen von marxistisch-leninistischen Parteiapparaten und die Herausbildung staatskapitalistischer Regimes in Euroasien, Afrika und auf Kuba.

Die ultrazentralistischen und überbürokratischen staatskapitalistischen Produktionsverhältnisse begünstigten die ursprüngliche, nachholende und beschleunigte Industrialisierung von einstigen Agrarnationen, aber auf Dauer konnten sie nicht der Konkurrenz des hochentwickelten Privatkapitalismus standhalten, weshalb sich in den marxistisch-leninistischen Staatsparteien proprivatkapitalistische Reformfraktionen entwickelten und die politische Macht eroberten. Diese transformierten dann den Staats- in den Privatkapitalismus. In der Sowjetunion und in Osteuropa zerfielen die marxistisch-leninistischen Parteidiktaturen. In China, Vietnam und auf Kuba wurde und wird das Kapital unter der Herrschaft der marxistisch-leninistischen Parteien privatisiert.

5. Für die klassenkämpferische Selbstorganisation und die revolutionäre Selbstaufhebung des Proletariats. Das Proletariat kann nur in klassenkämpferischer Selbstorganisation seine Interessen und Bedürfnisse gegen Kapital und Staat durchsetzen. Die klassenkämpferische Selbstorganisation richtet sich bereits im reproduktiven Klassenkampf innerhalb des Kapitalismus gegen die bürgerlich-bürokratischen Gewerkschaftsapparate. Besonders in längeren Arbeitsniederlegungen, die offiziell von den Gewerkschaften geführt werden, entwickeln sich teilweise Formen der Doppelherrschaft. Auf der einen Seite die Selbstorganisation der Basis und auf der anderen die bürgerlich-bürokratischen Gewerkschaftsapparate. Die höchste Form nimmt die Selbstorganisation der Lohnabhängigen im reproduktiven Klassenkampf in gewerkschaftsunabhängigen wilden Streiks an. Ist die Arbeitsniederlegung relativ kurz und sind die Belegschaften verhältnismäßig klein, reicht oft bereits die informelle Selbstorganisation der Lohnabhängigen. Dauert der wilde Streik jedoch länger und/oder stehen größere beziehungsweise mehrere Belegschaften in ihm, dann werden offizielle Organe der klassenkämpferischen Selbstorganisation, gewerkschaftsunabhängige Streikkomitees, notwendig.

Revolutionäre Kleingruppen orientieren sich auf die klassenkämpferische Selbstorganisation des Proletariats, lehnen aber den Anspruch auf dessen „Führung“ ab. Ihre Funktion ist es praktisch-geistige Impulse zur Radikalisierung des Klassenkampfes zu geben. Wohl wissend, dass der Hauptimpuls zur Radikalisierung des Proletariats dessen eigener praktischer Kampf ist. RevolutionärInnen lehnen jede Stellvertreterpolitik gegenüber dem Proletariat einschließlich des Guerillakrieges getrennt vom Klassenkampf ab.

In außerordentlichen Situationen kann sich der proletarische Klassenkampf zur sozialen Revolution radikalisieren. Dann ist die revolutionäre Klassenkampforganisation notwendig. Wir verstehen darunter die Organisation der Revolution. Diese wird sowohl durch die informelle Aktion des Proletariats als auch durch offizielle Organe der klassenkämpferischen Selbstorganisation geprägt sein. Die Aufgabe der revolutionären Klassenkampforganisation wird die Aufhebung der Warenproduktion (Punkt 1) und die revolutionäre Zerschlagung des Staates (Punkt 2) sein. Gelingt dies, dann transformiert sich die revolutionäre Klassenkampforganisation in die klassen- und staatenlose Gemeinschaft. Die revolutionäre Klassenkampforganisation ist also die Selbstaufhebung des Proletariats als Prozess.

Diese revolutionäre Organisation des Proletariats kann nur die Warenproduktion aufheben und den Staat zerschlagen, wenn sie ganz auf der kollektiv-solidarischen Selbstorganisation der Klasse ohne bürokratische Apparate und BerufspolitikerInnen beruht. Hauptamtliche Gewerkschafts- und ParteifunktionärInnen sowie BerufspolitikerInnen haben in der revolutionären Klassenkampforganisation des Proletariats nichts zu suchen! Revolutionäre Kleingruppen der vorrevolutionären Zeit gehen in der revolutionären Klassenkampforganisation auf. Diese kann nur die klassen- und staatenlose Gesellschaft gebären, wenn sie bereits mit deren Organisationsprinzipien schwanger geht.

Wir wissen nicht, wie die zukünftige revolutionäre Klassenkampforganisation aussehen wird. Die ArbeiterInnen- und Soldatenräte der europäischen revolutionären Nachkriegskrise (1917-1923) waren nur potenziell und tendenziell revolutionär. Sie hatten sich noch nicht das klare Ziel der Aufhebung der Warenproduktion und der revolutionären Zerschlagung des Staates gestellt. Und sie wurden zum Beispiel in Russland zuerst von menschewistischen und „sozialrevolutionären“ BerufspolitikerInnen deformiert, die versuchten die Sowjets in den proprivatkapitalistischen Staat zu integrieren. Später wurden bolschewistische BerufspolitikerInnen in den Sowjets immer stärker. Die Bolschewiki forderten demagogisch: „Alle Macht den Sowjets!“ Als sie dann mit Hilfe der Sowjets die politische Macht erobert hatten, zerschlugen sie diese als Organe des selbstorganisierten Klassenkampfes. Daraus gibt es nur eine Lehre zu ziehen: BerufspolitikerInnen raus aus der revolutionären Klassenkampforganisation! Allen politischen Parteien – auch den linkskommunistischen – und Gewerkschaften einschließlich der anarchosyndikalistischen, die die Führung des revolutionären Proletariats anstreben, muss ordentlich auf die Finger geklopft werden!

6. Revolutionäre Kritik des Antifaschismus. SozialrevolutionärInnen bekämpfen die Demokratie kompromisslos – so wie alle anderen Staatsformen. Sie kämpfen gegen FaschistInnen, Nazis sowie Militärputsche und -diktaturen, aber verteidigen niemals die Demokratie. So wie der Antifaschismus im Zweiten Weltkrieg und im spanischen BürgerInnenkrieg demokratische Regimes gegen faschistische Staaten und Militärputsche unterstützte und damit das große kapitalistische Massaker am Weltproletariat mit organisierte, ist er auch heute in den verschiedenen Gemetzeln Teil der Rechtfertigungsideologien und Mobilisierung für die Demokratie. RevolutionärInnen lehnen Einheits- und Volksfronten mit bürgerlichen Kräften – einschließlich der Sozialdemokratie, des Marxismus-Leninismus und des Trotzkismus gegen den Neofaschismus ab. Sie bekämpfen ihn auf klassenkämpferisch-revolutionärer Grundlage.

Das ist die Lehre aus dem spanischen BürgerInnenkrieg (1936-1939), bei dem die institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung – von den StalinistInnen und SozialdemokratInnen über die linkssozialistische POUM bis zur anarchosyndikalistischen CNT – mit anderen bürgerlichen Kräften eine Volksfront bildete, gegen die die Generäle unter Franco putschten. Die Volksfront führte sowohl einen innerkapitalistischen und sozialreaktionären BürgerInnenkrieg gegen die putschenden Generale als auch einen Klassenkampf von oben gegen das Proletariat und den linken Flügel der Volksfront (POUM und Basis der CNT). Den Klassenkampf von oben gewann die Volksfront, während sie den BürgerInnenkrieg gegen Franco verlor. RevolutionärInnen mussten sowohl die Volksfront als auch die putschenden Generäle bekämpfen.

7. Gegen nationale „Befreiung“/Selbstbestimmung/Autonomie. Die Nationen sind Zwangs- und Scheingemeinschaften aus Kapital und Lohnarbeit. Ihr organisierender Kern ist der Nationalstaat. Nationen beruhen ökonomisch auf der erfolgreichen Vermehrung des Nationalkapitals, politisch auf der Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols und ideologisch auf den Nationalismus. Der Letztgenannte integriert die Lohnabhängigen in die jeweiligen Nationalstaaten und spaltet das Weltproletariat. Dieses wird in der globalen Interaktion der Nationen – sowohl kooperative Konkurrenz als auch konkurrenzförmige Kooperation – erbarmungslos verheizt. Die ProletarierInnen werden durch den Nationalismus in blutigen Gemetzeln aufeinandergehetzt – im Interesse des Weltkapitalismus.

RevolutionärInnen bekämpfen die nationalistische Benachteiligung und Unterdrückung von kulturellen, sprachlichen und religiösen Minderheiten sowie den Rassismus gegen Menschen mit bestimmten Hautfarben. Aber auch dagegen, dass aus diesen Minderheiten durch nationalistische Politik neue Nationen geformt werden. Für die dann entweder Autonomie in bestehenden Nationalstaaten verlangt und durchgesetzt (wie zum Beispiel „die KurdInnen“ im Nordirak und in Syrien) oder einen neuen unabhängigen Nationalstaat aufgemacht werden. Nationale „Befreiung“/Selbstbestimmung und Autonomie kann nur Kapital und Staat reproduzieren, aber eben nicht überwinden. Gegen nationalistische Unterdrückung hilft keine nationale „Befreiung“, sondern nur die soziale Befreiung von der Nation durch die mögliche Weltrevolution und die globale klassen- und staatenlose Gemeinschaft. In der globalen Konkurrenz der Nationen unterstützen die RevolutionärInnen keinen, sondern bekämpfen alle.

8. Gegen den Pazifismus. Der (klein)bürgerliche Pazifismus tritt für den bürgerlichen Frieden sowohl innerhalb der als auch zwischen den kapitalistischen Staaten ein. Doch dieser ist lediglich die nichtmilitärische Form der Konkurrenz aller gegen alle. Er ist asozial und gewalttätig. Im Inneren beruht er auf dem staatlichen Gewaltmonopol und in der Außenpolitik auf Aufrüstung. Der bürgerliche Frieden innerhalb des Kapitalismus ist nicht die Alternative zum Krieg, sondern dessen Quelle.

Der Pazifismus verlangt die freiwillige, kooperative und nennenswerte Abrüstung der kapitalistischen Staaten. Doch die ist aufgrund der globalen Konkurrenz illusorisch. Es kann nur eine wirkliche Abrüstung geben: die Zerschlagung aller Staaten durch die mögliche globale Revolution. Kompromissloser Klassenkrieg! Weltproletariat gegen Weltbourgeoisie!

9. Grundsätzliche Kritik sowohl des kapitalistischen Patriarchats als auch der bürgerlichen Frauenemanzipation im Kapitalismus. Für den revolutionären Kampf gegen das kapitalistische Patriarchat. Das kapitalistische Patriarchat ist sowohl klassenübergreifend als auch klassenspezifisch. Frauen sind innerhalb der Bourgeoisie (Kapitalistinnen, Managerinnen, Berufspolitikerinnen und Spitzenbeamtinnen) unterrepräsentiert, während die Proletarierinnen einer sexistischen Extrauausbeutung unterworfen werden. So sind zum Beispiel Frauenlöhne durchschnittlich niedriger als Männerlöhne. Ein Ausdruck des kapitalistischen Patriarchats ist auch, dass die meisten biosozialen Reproduktionstätigkeiten (einkaufen, reinigen der Wohnung, Pflege von kranken und/alten Menschen, Beaufsichtigung und Erziehung von Kindern…) sowohl innerfamiliär als auch durch Lohnarbeit durchschnittlich hauptsächlich von Frauen verrichtet werden. Weitere Aspekte des kapitalistischen Patriarchats sind die Degradierung der Frauenkörper zum Sexualobjekt – besonders in Pornographie und Prostitution –, patriarchal-sexistische Gewalt gegen Frauen einschließlich von Femiziden sowie staatliche Repression gegen Abtreibungen.

Der (klein)bürgerliche Feminismus kämpft für Gleichberechtigung von Frauen und Männern innerhalb des Kapitalismus und damit der Klassenspaltung. Er erkämpfte in seiner Geschichte das Frauenwahlrecht, die Zulassung von Frauen zu bestimmten Berufen und immer mehr Berufspolitikerinnen und Wirtschaftsmanagerinnen. Und auch die sexistische Extraausbeutung der Frauen konnte abgemildert werden. Die völlige Durchsetzung der bürgerlichen Frauenemanzipation innerhalb des Kapitalismus würde bedeuten, dass Frauen innerhalb der Bourgeoisie nicht mehr unterrepräsentiert und die Proletarierinnen nicht mehr sexistisch extra ausgebeutet werden sowie die biosozialen Reproduktionstätigkeiten gleichmäßig unter den Geschlechtern, aber ungleichmäßig zwischen den Klassen verteilt werden. Die Durchsetzung von Punkt eins ist wahrscheinlicher als der Punkte 2 und 3. Jedoch haben die Proletarierinnen nichts davon, wenn sie von mehr Politikerinnen regiert, von Kapitalistinnen ausgebeutet und von Chefinnen herumkommandiert werden. Der bürgerliche Feminismus führt geradewegs zur „feministischen Außenpolitik“ kapitalistisch-imperialistischer Staaten…

Auch wenn der (klein)bürgerliche Feminismus es noch so sehr leugnet: es gibt auch weiblichen Sexismus gegen Männer. Klar, die bürgerliche Kleinfamilie ist grundsätzlich – auch von ihrer Geschichte her – patriarchal und vom männlichen Sexismus geprägt. Aber es gibt auch zwischenmenschliche Beziehungen, in denen Frauen Männer unterdrücken. Und auch sexuelle Belästigung von Männern durch Frauen. Dieser weibliche Sexismus kommt auch teilweise im (klein)bürgerlichen Feminismus zum Ausdruck. Zum Beispiel wenn in der feministischen Ideologie teilweise unterschwellig anklingt, aber manchmal auch offen behauptet wird: Frauen sind die besseren Menschen. Oder wenn einige Feministinnen gegen trans Frauen als „Männer in Frauenkleidern“ hetzen. Das ist nicht „nur“ transfeindlich, sondern auch sexistisch gegen Männer. RevolutionärInnen bekämpfen den weiblichen Sexismus genauso konsequent wie den männlichen.

RevolutionärInnen stellen der bürgerlichen Frauenemanzipation im Kapitalismus grundsätzlich den revolutionären Kampf gegen das Patriarchat gegenüber. Durch die soziale Revolution sowie die klassen- und staatenlose Gemeinschaft können viele biosoziale Reproduktionstätigkeiten, die im Kapitalismus hauptsächlich innerfamiliär und von Frauen verrichtet werden, auf freiwilliger Grundlage vergesellschaftet und auf alle Geschlechter fair verteilt werden. Nur durch die revolutionäre Aufhebung der Ware-Geld-Beziehung sowie des sozialen und sexuellen Elends kann auch die Prostitution überwunden werden. Ihr staatliches Verbot, die Teile des Feminismus fordern, können diese nur in den Untergrund treiben und das Leben der Prostituierten erschweren.

10. Gegen heterosexuelle und geschlechtliche Normierungen – aber auch gegen die verlogene staatliche „Regenbogentoleranz“ und kleinbürgerliche Identitätspolitik. RevolutionärInnen bekämpfen sowohl die staatliche Repression gegen Menschen, die der heterosexuellen und binären Geschlechternorm nicht entsprechen – homo-/bisexuelle, nichtbinäre und trans Menschen – in jenen Ländern, wo diese besteht, als auch die verlogene „Regenbogentoleranz“ von in dieser Frage liberaleren Nationen und Staatenbündnisse. Grundsätzlich braucht der Kapitalismus keine heterosexuellen und geschlechtlichen Normierungen. Solange Schwule, Lesben, nichtbinäre und trans Menschen durch fleißige Produktion und aufgeschlossenem Konsum das Kapital vermehren sowie brave StaatsbürgerInnen sind, ist für den modernen Liberalismus alles in Ordnung. Liberale Staaten und Staatenbündnisse wie die Europäische Union (EU) machen auch die „Regenbogentoleranz“ zur imperialistischen Waffe gegen Staaten, mit denen sie aus anderen Gründen konkurrieren und die repressiv die heterosexuelle und geschlechtliche Normierung durchsetzen.

RevolutionärInnen unterschieden zwischen biologischen Geschlechtern, sozialen Geschlechterrollen und individuellen Geschlechtsidentitäten. Soziale Geschlechterrollen wollen sie durch die soziale Revolution aufheben (siehe Punkt 9), während sie alle individuelle Geschlechtsidentitäten tolerieren, solange die sich nicht gegen andere richten. Soll jede/r nach seiner/ihrer Fasson glücklich werden. Aber RevolutionärInnen wissen auch, dass im Kapitalismus alle Identitäten – unter anderem „Nation“, Hautfarbe, Religion, biologisches Geschlecht, soziale Geschlechterrolle und individuell Geschlechtsidentität sowie sexuelle Orientierung – zu Kostümen im Konkurrenzkampf aller gegen alle werden. Der rechtskonservativ-neofaschistische Konkurrenzchauvinismus gegen „AusländerInnen“, „Nichtweiße“, Homosexuelle, nichtbinäre und trans Menschen genau wie die linksliberale Hetze gegen „cis-Männer“ und „alte, weiße Männer“ – damit die jungen, „nichtweißen“ Frauen innerhalb von KleinbürgerInnentum und Bourgeoisie ordentlich Karriere machen können. RevolutionärInnen bekämpfen sowohl die rechtskonservativ-neofaschistische als auch die linksliberale Identitätspolitik als Konkurrenzchauvinismus und Spaltung des Weltproletariats.

11. Grundsätzliche Kritik des bürgerlichen „Umweltschutzes“ innerhalb des Kapitalismus. Für die Reinigung des Planeten von kapitalistischem Dreck! Das kapitalistische Produktionsverhältnis, in dem sich alles um die grenzenlose Vermehrung des Tauschwertes/Geldes dreht, ist absolut sozialreaktionär und zerstörerisch gegen die pflanzliche und tierische Mitwelt. Die massenhafte Vergiftung, Zubetonierung, Vermüllung und Entwaldung unseres Planeten, der Klimawandel und das massenhafte Artensterben sind lebensgefährliche Ausdrücke der vom Kapitalismus permanent produzierten sozialökologischen Krise. Die technokratischen Versuche der kapitalistischen Staaten den Klimawandel zumindest einzudämmen, verschärfen diese Krise nur. Elektromobilität statt Verbrennungsmotor! Auf dass der lebensgefährliche, ressourcenverschwenderische und zerstörerische, aber eben auch sehr profitable Individualverkehr weiter reproduziert wird. Und Wälder für neue Autobahnen weichen müssen. Eindämmung des Klimawandels durch Windräder in „Naturschutzgebieten“! So sehen die „Lösungen“ der kapitalistischen Technokratie aus.

Auch die klassenübergreifende Umweltbewegung ist aus sich heraus nicht in der Lage, die kapitalistische Vernichtung der pflanzlichen und tierischen Mitwelt sowie den Klimawandel aufzuhalten. Nur die mögliche Weltrevolution kann durch die Überwindung der kapitalistischen Produktions- und Konsumtionsverhältnisse die ökosoziale Krise eindämmen. Dies spricht nicht dagegen, dass RevolutionärInnen an lokalen Bewegungen gegen konkrete kapitalistische Naturzerstörungen teilnehmen, um radikalisierende Impulse zu geben. Aber sie müssen immer die strukturelle kleinbürgerliche Beschränktheit auch der radikalsten klassenübergreifenden Umweltbewegung kritisieren. In der institutionalisierten Umweltbewegung, also in den verschiedenen kleinbürgerlichen Vereinen, haben RevolutionärInnen grundsätzlich nichts verloren.

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Für eine revolutionäre Antikriegsposition! https://sbefreiung.blackblogs.org/2024/01/20/fuer-eine-revolutionaere-antikriegsposition/ Sat, 20 Jan 2024 00:17:53 +0000 https://sbefreiung.blackblogs.org/?p=987 Die extreme Verschärfung der zwischenstaatlichen Konkurrenz

Die internationale Staatengemeinschaft des Weltkapitalismus beruht auf der kooperativen Konkurrenz und der konkurrenzförmigen Kooperation der kapitalistischen Nationen. Letztere sind Zwangsgemeinschaften aus Kapital und Lohnarbeit, die durch die nationalistische Ideologie und die Praxis des Nationalstaates am Leben gehalten werden. Nationen sind also Scheingemeinschaften aus AusbeuterInnen und Ausgebeuteten, UnterdrückerInnen und Unterdrückten.

Der Nationalismus nutzt der herrschenden kapitalistischen Klasse, der Bourgeoisie (KapitalistInnen, WirtschaftsmanagerInnen, hohe BerufspolitikerInnen und SpitzenbeamtInnen des Staates), um die Lohnabhängigen in der zwischenstaatlichen Konkurrenz gnadenlos zu verheizen.

Die zwischenstaatliche Konkurrenz basiert auf der kapitalistischen Ökonomie (der Kampf um Rohstoffquellen, billige Arbeitskräfte und Absatzmärkte), lässt sich aber nicht auf diese einengen. Staaten führen mitunter auch für ihre nationale Souveränität über ökonomisch nicht so bedeutungsvolle Territorien blutige Kriege.

Der bürgerliche Frieden ist lediglich die nichtmilitärische Form des zwischenstaatlichen Konkurrenzkampfes. Er ist keine Alternative zum imperialistischen Krieg, sondern dessen Quelle. Die friedliche Kooperation der kapitalistischen Staaten untereinander ist eine besondere Form des Klassenkrieges gegen das Weltproletariat. Das kapitalistische Pack schlägt und verträgt sich – aber immer auf unsere Kosten!

Frieden und Krieg sind innerhalb des Weltkapitalismus keine starren Gegensätze, sondern gehen dialektisch ineinander über. Die Staaten bereiten im Frieden den nächsten Krieg und im Krieg den kommenden Frieden vor. Das Proletariat wird in Frieden und Krieg verheizt. Proletarischer Klassenkrieg dem kapitalistischen Frieden, der auf der Ausbeutung der Lohnarbeit beruht!

Die kapitalistische Krisendynamik hat die Tendenz, die zwischenstaatliche Konkurrenz zu verschärfen und diese spitzt wiederum die kapitalistische Krise zu. Sowohl die Wirtschaftskriege als auch die verschiedenen militärischen Massaker sind die extremsten Ausdrücke der zwischenstaatlichen Konkurrenz. In beiden wird das Leben, die Gesundheit und das Glück von Abermillionen ProletarierInnen und KleinbürgerInnen auf dem Altar der nationalen Souveränität und den Interessen der Nation geopfert. Das Weltproletariat massakriert sich gegenseitig im permanenten kapitalistischen Weltkrieg. Es ist die Manövriermasse der friedlichen Kooperation und der kriegerischen Konflikte. Der kapitalistische Krieg ist die extremste Form des politischen Klassenkampfes von oben, den die Bourgeoisie gegen das Proletariat führt.

Egal ob im imperialistischen Stellvertreterkrieg zwischen NATO und Russland in der Ukraine ab Februar 2022, dem Massaker, das die islamistische Hamas und das zionistische Regime arbeitsteilig-konkurrenzförmig in Israel/Palästina organisieren, oder bei der militärischen Eroberung von Bergkarabach und Zerschlagung der Republik „Arzach“ als bisheriger Spielkarte des armenischen Imperialismus – die er schließlich preisgeben musste – durch Aserbaidschan im September 2023: ProletarierInnen werden in der zwischenstaatlichen Konkurrenz ermordet, verstümmelt, psychisch kaputtgemacht, vergewaltigt und vertrieben.

Es ist die Aufgabe der bürgerlichen Politik, Frieden und Krieg zu organisieren. Wir können dabei die Rechts- und die Linksreaktion sowie die extreme Mitte unterscheiden. All diese Kräfte wollen nur das eine: den Staat als politischen Gewaltapparat der Kapitalvermehrung regieren. Dazu müssen sie „regierungsfähig“ sein – das heißt, bereit zum totalen Klassenkrieg gegen das Proletariat. Der im Inland wird „Innenpolitik“ genannt und der im Ausland „Außenpolitik“.

Auch große Teile der linkspolitischen KleinbürgerInnen, die noch nicht völlig in den jeweiligen kapitalistischen Nationalstaat integriert sind, können mit ihrer Realpolitik nur den bürgerlichen Frieden und den imperialistischen Krieg reproduzieren.

Gegen NATO-„Anarchismus“ und Kreml-„Kommunismus“!

Auch der imperialistische Stellvertreterkrieg zwischen NATO und Russland in der Ukraine hat seine jeweiligen linken UnterstützerInnen. Die kapitalistisch-reaktionäre Fratze der globalen Linksreaktion ist unter „anarchistischen“ oder „kommunistischen“ Masken verhüllt.

So unterstützen weltweit einige „AnarchistInnen“ das Kiewer Regime und die NATO gegen den russländischen Imperialismus in der Ukraine. Sowohl ideologisch als auch praktisch, indem sie innerhalb der ukrainischen Streitkräfte für diesen Nationalstaat und den westlichen Imperialismus töten und getötet werden.

In Russland unterstützt die „Kommunistische“ Partei der Russländischen Föderation („K“PRF) den Krieg Moskaus in der Ukraine. Während das Verhalten der „K“PRF eindeutig national-chauvinistisch ist, können einige marxistisch-leninistische Parteien in der Ukraine und innerhalb der NATO-Nationen – in der BRD zum Beispiel die Deutsche „Kommunistische“ Partei (D„K“P) –, die bei diesem imperialistischen Gemetzel auf der Seite Russlands stehen, sich mit scheinradikalen Phrasen wie „Der Hauptfeind steht im eigenen Land!“ schmücken. Es gibt jedoch weder Haupt- noch NebenfeindInnen für RevolutionärInnen. Der Feind ist der Weltkapitalismus mit all seinen nationalen und politischen Charaktermasken – einschließlich der linken KriegstreiberInnen.

Kompromissloser Kampf gegen den NATO-„Anarchismus“ und Kreml-„Kommunismus“! Kann es etwas Ekelhafteres geben, als mit „kommunistischen“ und „anarchistischen“ Phrasen die Massaker des Weltkapitals am Weltproletariat mitzuorganisieren?! Reißen wir der globalen Linksreaktion, dieser widerlichen Eiterbeule des Weltkapitalismus, die „anarchistischen“ und „kommunistischen“ Masken herunter!

Gegen Sozialreformismus, Pazifismus und Nationalismus!

Aber auch unter jenen politischen Kräften, die sich im imperialistischen Gemetzel zwischen NATO und Russland in der Ukraine nicht offen auf eine der beiden Seiten stellen, sind die meisten bürgerlich-reformistisch und national.

Bürgerliche ReformistInnen und PazifistInnen stellen die Quelle des imperialistischen Krieges, den bürgerlichen Frieden innerhalb des Kapitalismus, als Alternative zum ersteren dar. Der von ihnen gewünschte Zustand ist die friedliche Kooperation der kapitalistischen Staaten – also der Ausbeuter und strukturellen Klassenfeinde des Weltproletariats. Diese friedliche Kooperation gibt es ja auch. Aber eben nur untrennbar zusammen mit dem Krieg, der militärischen Form der zwischenstaatlichen Konkurrenz. PazifistInnen wollen die Staaten erhalten, aber diese sollen bitte schön keine Kriege mehr untereinander führen. Das ist total unrealistisch.

PazifistInnen fordern die kooperative und freiwillige militärische Abrüstung der Staaten. Doch das werden diese niemals tun. Es kann nur eine wirkliche Abrüstung geben – die globale antipolitisch-sozialrevolutionäre Zerschlagung aller Staaten durch das Weltproletariat.

ReformistInnen und PazifistInnen werden jetzt sagen, dass diese mögliche globale soziale Revolution unrealistisch sei. Und jene ReformistInnen, die sich selbst und andere durch eine „revolutionäre“ Maske betrügen, stellen durch eine messerscharfe Analyse fest, dass ja jetzt keine revolutionäre Situation bestehe. Im hier und jetzt fordern alle ReformistInnen und PazifistInnen, dass die KriegstreiberInnen Waffenstillstände und Frieden schließen.

Das ist insofern realistisch, dass kein Krieg ewig dauern kann. Entweder siegt eine Seite militärisch, dann gibt es einen Siegfrieden zugunsten dieser Seite oder der Krieg wird wegen Erschöpfung beider Seiten durch einen Kompromissfrieden eingestellt. So endete zum Beispiel der Koreakrieg (1950-1953). Da im indirekten Krieg zwischen den Atomwaffenmächten NATO und Russland in der Ukraine keine Seite militärisch gewinnen kann, ohne den atomaren Overkill zu riskieren, wird es wahrscheinlich irgendwann einen Kompromissfrieden geben. Der Krieg ist schon jetzt ziemlich festgefahren, aber noch sind beide Seiten nicht zu einem Kompromissfrieden bereit.

Doch der Zyklus aus Frieden und Krieg kann durch Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen nicht überwunden werden. Der bürgerliche Frieden als Quelle des imperialistischen Krieges kann nur durch die soziale Weltrevolution überwunden werden. Diese stellt keine Gesetzmäßigkeit dar, sondern eine Möglichkeit, die sich aus der Radikalisierung des proletarischen Klassenkampfes ergeben kann. Auch in nichtrevolutionären Zeiten bekämpfen RevolutionärInnen Kapital und Staat konsequent. Einschließlich von Sozialreformismus und Pazifismus, die nur Kapital, Staat und Nation praktisch-geistig reproduzieren können.

Die (klein)bürgerlichen KriegsgegnerInnen sind national, während eine revolutionäre Antikriegsposition nur antinational sein kann. In Deutschland führt die extreme Mitte den indirekten militärischen Krieg in der Ukraine sowie den Wirtschaftskrieg der NATO und der EU gegen Russland mit viel Leidenschaft für den demokratischen Menschenrechtsfanatismus. Der deutsche Imperialismus kämpft für das globale Menschenrecht – besonders dort, wo er mit den Regierungen eine Rechnung offen hat.

Die völkisch-rechtsnationalistische Alternative für Deutschland (AfD) und das sozialdemokratisch-linksnationale „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) werfen der Bundesregierung vor, diese würde im Wirtschaftskrieg gegen Russland nicht deutsche, sondern US-amerikanische Interessen vertreten. Die Dummköpfe der Regierung würden durch den Boykott russländischen Gases „unsere Wirtschaft“ ruinieren. AfD und BSW vertreten objektiv die Interessen jener Einzelkapitale, deren ökonomischen Interessen durch den Wirtschaftskrieg gegen Russland unter die Räder kommen.

Die deutsche Industrie ist nicht „unsere“. Wir werden in ihr als Lohnabhängige ausgebeutet und im globalen Konkurrenzkampf verheizt. Das eint uns mit unseren globalen Klassengeschwistern. Revolutionäre ProletarierInnen fühlen sich nicht als „Deutsche“ „FranzösInnen“, „RussInnen“ „UkrainerInnen“, „Israelis“ oder „PalästinenserInnen“, sondern als Teil des Weltproletariats. Als Teil der Klasse, die potenziell den Kapitalismus zertrümmern, sich selbst revolutionär aufheben und dabei die klassen- und staatenlose Gesellschaft gebären kann!

Wir revolutionären ProletarierInnen müssen weltweit gegen die nationalistischen, rassistischen, religiösen und sexistischen Spaltungslinien kämpfen.

Unsere Solidarität ist antinational. Nationale „Befreiung“ und „Selbstbestimmung“ schaffen nur neue kapitalistische Staaten beziehungsweise nationale Autonomie innerhalb von bestehenden. Unsere Solidarität mit der jüdischen/israelischen und palästinensischen Zivilbevölkerung richtet sich gegen die zionistischen und islamistischen KriegstreiberInnen. SozialrevolutionärInnen müssen weltweit Prozionismus und die linksnationale Palästina-Solidarität bekämpfen. Das zionistische Israel muss wie alle Staaten antipolitisch-sozialrevolutionär zerschlagen werden, wenn wir ProletarierInnen uns weltweit aus kapitalistischer Ausbeutung und politischer Elendsverwaltung befreien wollen. Wer für einen palästinensischen Staat – der nur kapitalistisch sein kann – eintritt, ist ein struktureller Klassenfeind des Weltproletariats. Das Hamas-Regime im Gazastreifen gab und gibt uns ein Vorgeschmack darauf, wie sozialreaktionär ein palästinensischer Staat wäre!

Nicht nur die Hamas, sondern auch die marxistisch-leninistischen Kräfte Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) und Demokratische Volksfront zur Befreiung Palästinas (DFLP) sind Teil des nationalistischen Gemetzels, bei der die israelischen und palästinensischen Lohnabhängigen aufeinandergehetzt und massenweise abgeschlachtet werden. Keine Solidarität mit dem zionistischen Staat Israel und auch keine mit dem palästinensischen Nationalismus!

Wir bekämpfen auch mit aller Entschiedenheit die nationalpazifistische Phrase von der „Völkerverständigung“. Wer sind die „Völker“? Die klassengespaltenen – Bourgeoisie, KleinbürgerInnentum und Proletariat – Insassen der kapitalistischen Staaten. Hinter der ideologischen „Volksherrschaft“ (Demokratie), die jeder Staat beansprucht zu sein, verbirgt sich die reale Herrschaft der Bourgeoisie. „Völkerverständigung“ ist real nichts anderes als die Kooperation der Staaten im Frieden – eine nette Phrase für die Zeit vor dem Gemetzel. Und im Krieg heißt es praktisch: „Völker“, massakriert euch gegenseitig zum Wohle der kapitalistischen Nationen.

RevolutionärInnen treten dafür ein, dass sich das Weltproletariat klassenkämpferisch aus den klassenneutralen „Völkern“ herausschält und sich zur revolutionären Zerschlagung des globalen Kapitalismus vereint – sonst wird es ewig in der zwischenstaatlichen Konkurrenz Manövriermasse bleiben, die in unzähligen Gemetzeln verheizt wird. Weltweiter Klassenkrieg für die Zerschlagung aller Nationen statt „Völkerverständigung“!

Die institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung und der imperialistische Krieg

Die institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung in Form von Gewerkschaften und politischen „ArbeiterInnen“-Parteien ist der bürgerlich-bürokratisch entfremdete Ausdruck des reproduktiven Klassenkampfes der Lohnabhängigen.

Im „Normalfall“ der kapitalistischen Entwicklung entfaltet sich der Klassenkampf innerhalb der Grenzen des Kapitalismus. Das Proletariat kämpft für eine bessere biosoziale Reproduktion innerhalb des Kapitalismus – für höhere Löhne, kürzere Arbeitszeiten, eine geringere Arbeitsintensität und gegen den Klassenkampf von oben. Wir nennen diesen Klassenkampf reproduktiv. Nur eine nanokleine Minderheit der Lohnabhängigen und Intellektuellen strebt in nichtrevolutionären Zeiten bewusst eine soziale Revolution an.

Jedoch hat bereits der reproduktive Klassenkampf seine revolutionären Tendenzen und Potenzen. Im und durch ihn, besonders in branchenübergreifenden Massenstreiks, wird der Riss zwischen AusbeuterInnen und Ausgebeuteten innerhalb der Nationen deutlich. Es ist notwendig, dass das klassenkämpferische Proletariat die nationalistisch-rassistischen Spaltungslinien überwindet. Manchmal gelingt das dem Proletariat bereits im reproduktiven Klassenkampf, manchmal jedoch auch nicht.

Die Lohnabhängigen organisieren sich bereits im Ringen für höhere Löhne, kürzere Arbeitszeiten und gegen die Angriffe von oben klassenkämpferisch gegen die Interessen von Kapital und Staat selbst – für ihre eigenen Interessen und Bedürfnisse. Die klassenkämpferische Selbstorganisation der Lohnabhängigen ist eine gewaltige revolutionäre Tendenz und Potenz. Sie richtet sich tendenziell und potenziell auch gegen die bürgerlich-bürokratischen Gewerkschafts- und Parteiapparate der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung.

Im frühen Industriekapitalismus gingen auch die demokratischen Staaten absolut repressiv gegen das klassenkämpferische Proletariat, die Gewerkschaften und politische „ArbeiterInnen“-Parteien vor. Streiks sowie Gewerkschaften waren absolut verboten und das Proletariat hatte noch kein Wahlrecht.

Doch große Teile der Weltbourgeoisie lernte in einem längeren praktischen Prozess, dass in einer Klassengesellschaft der Klassenkampf nicht effektiv absolut zu verbieten war. Das war eine zu unflexible Keule, die auch der Bourgeoisie auf die eigenen Füße fiel. Der moderne Industriekapitalismus verwirklicht das allgemeine Wahlrecht, befriedet den Klassenkampf durch ein demokratisches Streikrecht und integriert Gewerkschaften sowie politische „ArbeiterInnen“-Parteien in die jeweiligen Nationalstaaten. Das sind wesentlich effektivere Waffen gegen das klassenkämpferische Proletariat.

Sehen wir uns das am Beispiel der BRD genauer an. Das demokratische Streikrecht in Deutschland erlaubt keine „politischen Streiks“ gegen den Staat als Gesetzgeber. Nur gegen den Staat als „Arbeitgeber“ (= Ausbeuter) im öffentlichen Dienst dürfen die Lohnabhängigen legal die Arbeit niederlegen. Und auch nur die Angestellten, BeamtInnen haben in der BRD kein Streikrecht. Lohnabhängige können in Deutschland nur unter zwei Bedingungen legal in den Ausstand treten: Erstens, wenn diese unter der offiziellen Führung von Gewerkschaften stehen und zweitens, wenn sie für Dinge (Löhne, Arbeitszeit…) geführt werden, die in einem Tarifvertrag zwischen Kapital/Staat auf der einen und den Gewerkschaften auf der anderen Seite münden können.

Das demokratische Streikrecht der BRD gibt also den bürgerlich-bürokratischen Gewerkschaftsapparaten – deren hauptamtliche FunktionärInnen objektiv sozial nicht zum Proletariat gehören, sondern eine besondere Schicht von ManagerInnen darstellen – ein Streikmonopol. Das ist eine sehr effektive Waffe gegen die klassenkämpferische Selbstorganisation des Proletariats. Durch das Tarifvertragssystem wurden die deutschen Gewerkschaftsapparte zu Co-Managerinnen der kapitalistischen Ausbeutung der Lohnarbeit.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und seine Einzelgewerkschaften sind tief in den deutschen Staat integriert. Der DGB ist der Hausgewerkschaftsbund des deutschen Imperialismus. Als solcher unterstützt er auch imperialistische Kriege. Zum Beispiel 1999 den NATO-Krieg unter deutscher Beteiligung gegen Jugoslawien. Und auch der Wirtschaftskrieg gegen Russland und die Aufrüstung der Ukraine durch Deutschland wird vom DGB-Apparat und den Führungen seiner Mitgliedsgewerkschaften unterstützt. Das ist „gute“ alte Gewerkschaftstradition: Die deutschen Gewerkschaften standen schon im Ersten Weltkrieg auf der Seite des deutschen Imperialismus.

Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften sind nicht sozialemanzipatorisch und klassenkämpferisch reformierbar, sie müssen langfristig durch die revolutionäre Klassenkampforganisation des Proletariats zerschlagen werden. Selbstverständlich können RevolutionärInnen in nichtrevolutionären Zeiten einfache Gewerkschaftsmitglieder sein, jedoch haben sie in neben- und hauptamtlichen Gewerkschaftsfunktion nichts zu suchen.

Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften sind klassengespalten in einem bürgerlich-bürokratischen Apparat auf der einen und der lohnabhängig-klassenkämpferischen Basis auf der anderen Seite. Dieser Klassengegensatz zwischen den Gewerkschaftsapparaten und den Lohnabhängigen kommt bereits im reproduktiven Klassenkampf zum Ausdruck. Besonders in längeren, offiziell noch unter Gewerkschaftskontrolle stehenden Arbeitsniederlegungen entwickelt sich eine Doppelherrschaft aus der informellen klassenkämpferischen Selbstorganisation der Lohnabhängigen auf der einen und den Gewerkschaftsapparaten auf der anderen Seite heraus. Der wilde Streik ohne und gegen die Gewerkschaftsapparate ist der Höhepunkt der Selbstorganisation der Lohnabhängigen im reproduktiven Klassenkampf. Sind die Ausstände kurz und sind die Streikbelegschaften relativ klein, reicht oft schon die informelle Form der klassenkämpferischen Selbstorganisation aus. Bei längeren Arbeitsniederlegungen und größeren und/oder mehreren streikenden Belegschaften sind gewerkschaftsunabhängige Streikkomitees nötig.

Selbstverständlich gibt es global radikalere Gewerkschaften als den DGB, die teilweise auch Antikriegsaktionen organisieren, wie zum Beispiel in Italien die USB, allerdings auf pazifistisch-reformistischer Grundlage. Gewerkschaften sind Organisationen des reproduktiven Klassenkampfes, können aber nicht revolutionär sein. Die Behauptung des Anarchosyndikalismus, es könne revolutionäre Gewerkschaften geben und er würde sie aufbauen, hat er selbst durch seine eigene Praxis widerlegt. Durch seine opportunistische Anpassung an das Tarifvertragssystem und das reformistische Bewusstsein der Mehrheit der Lohnabhängigen ist der Anarchosyndikalismus schon lange Teil des globalen Gewerkschaftsreformismus.

Mit den Gewerkschafen und ihren hauptamtlichen FunktionärInnen sind keine revolutionären Antikriegsbündnisse möglich.

Nicht nur die Gewerkschaftsapparate, sondern auch die politischen Parteiapparate der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung zeigten und zeigen im imperialistischen Krieg ihr sozialreaktionäres Gesicht. Bei den parlamentarisch-politischen „ArbeiterInnen“-Parteien können wir zwischen sozialdemokratischen, marxistisch-leninistischen und trotzkistischen unterscheiden. Alle „ArbeiterInnen“-Parteien sind klassengespalten in einen bürgerlich-bürokratischen Apparat und eine kleinbürgerlich-proletarische Basis. Die Haupttendenz der Parteiapparate ist es, sich in den Kapitalismus zu integrieren.

Sozialdemokratische Parteien wurden und werden durch den parlamentarischen Sozialreformismus – im Parlament für soziale Reformen ringen – in den Kapitalismus integriert. Die politische Macht wird für sozialdemokratische Parteien wichtiger als die sozialen Reformen. Aber auch letztere können nur Kapital und Staat reproduzieren, stehen also in einem sozialreaktionären Gesamtzusammenhang. Der parlamentarische Sozialreformismus reproduziert die Lohnabhängigen als Stimmvieh, die im politischen Wahlzirkus BerufspolitikerInnen ermächtigen den bürgerlichen Staat zu regieren oder systemloyal in ihm zu opponieren. Die Sozialdemokratie entwickelte sich weltgeschichtlich aus einem pseudorevolutionären BürgerInnen-Schreck zuerst zu einer objektiv systemloyalen Oppositions- und schließlich zu einer anerkannten Regierungskraft des Kapitalismus.

Die Sozialdemokratie hat als Regierungspartei schon viele Gemetzel mitorganisiert. Auch die deutsche. So organisierte die SPD auf Seiten des deutschen Imperialismus 1914 den Ersten Weltkrieg mit, 1999 den NATO-Krieg gegen Jugoslawien, die militärische Besetzung Afghanistans ab 2001 und den indirekten Stellvertreterkrieg gegen Russland in der Ukraine durch die Bewaffnung des Kiewer Regimes und die Mitausbildung seiner SoldatInnen.

In Deutschland gibt es noch zwei weitere sozialdemokratische Formationen, die Partei Die Linke und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Über das linksnationale Agieren der BSW haben wir schon oben geschrieben. Die Partei Die Linke unterstützt in großen Teilen – besonders dort, wo sie bereits Regierungsverantwortung übernimmt – den deutschen Imperialismus gegen Russland.

Aber auch die marxistisch-leninistischen und trotzkistischen Parteiapparate haben sich bereits als strukturelle Klassenfeinde des Proletariats erwiesen. In Agrarnationen konnten marxistisch-leninistische Parteiapparate durch Staatsstreiche (zum Beispiel der bolschewistische Oktoberstaatsstreich von 1917), durch siegreiche BürgerInnen- und Guerillakriege (beispielsweise: China, Kuba und Vietnam) die politische Macht erobern und die industriellen Produktionsmittel verstaatlichen. Das nannte und nennt der Marxismus-Leninismus „Sozialismus“. Wir nennen es Staatskapitalismus. Die von den marxistisch-leninistischen Politbonzen beherrschten Staaten beuteten die Lohnabhängigen kapitalistisch aus. Auch durch die Expansion des sowjetischen Imperialismus nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden in Osteuropa staatskapitalistische Regimes.

Der Staatskapitalismus ermöglichte einigen Agrarnationen sich ursprünglich, nachholend und beschleunigt zu industrialisieren, konnte aber langfristig nicht erfolgreich gegen den hochentwickelten Privatkapitalismus konkurrieren. Deshalb entwickelten sich in den marxistisch-leninistischen Staatsparteien proprivatkapitalistische Fraktionen, die das Kapital wieder privatisierten. Während die staatskapitalistische Sowjetunion nationalistisch in privatkapitalistische Nachfolgerstaaten zerfiel – einschließlich von Russland und der Ukraine – und sich die marxistisch-leninistischen Regimes Osteuropas in Demokratien umwandelten, entwickelte sich die Transformation vom Staats- zum Privatkapitalismus in China, Vietnam (in den beiden Ländern ist sie abgeschlossen) und auf Kuba (dort nimmt sie auch gewaltig an Fahrt auf) unter der Diktatur der „Kommunistischen“ Parteien.

In hochentwickelten privatkapitalistischen Nationen war und ist die selbständige politische Machteroberung von marxistisch-leninistischen Parteiapparaten unmöglich. Sie scheitert hier an der starken Macht der Bourgeoisie. Außerdem wäre der Staatskapitalismus in bereits industrialisierten Nationen auch kein ökonomisch-technischer „Fortschritt“ – der selbstverständlich im Kapitalismus immer sozialreaktionär sowie die tierische und pflanzliche Mitwelt zerstörend ist. Im Privatkapitalismus war für die marxistisch-leninistischen Parteien also nur die Reproduktion des parlamentarischen und gewerkschaftlichen Sozialreformismus in verbalradikaler Verpackung möglich.

Außerdem agierten sie als verlängerter Arm der Außenpolitik staatskapitalistischer Nationen – die untereinander auch konkurrierten und Kriege führten. Die prosowjetischen marxistisch-leninistischen Parteien unterstützten Moskau sowohl im Zweiten Weltkrieg als auch im ersten Kalten Krieg, die maoistischen das mit dem Kreml ab 1960 verfeindete Peking… Auf diese Weise wurden die marxistisch-leninistischen Parteien zu aktiven Kräften der zwischenstaatlichen Konkurrenz, die das Weltproletariat verheizt und spaltet. Die D„K“P unterstützte zwei Jahrzehntelang lang die staatskapitalistischen Nationen DDR und Sowjetunion, heute im zweiten Kalten Krieg die privatkapitalistischen Staaten Russland und China. Die maoistische Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) bekämpft zwar auch den russländischen und chinesischen Imperialismus, aber auf von uns oben kritisierten sozialreformistischen, pazifistischen und nationalistischen Grundlagen.

Der Trotzkismus entstand durch Machtkämpfe innerhalb der staatskapitalistischen „Kommunistischen“ Partei der Sowjetunion („K“PdSU). Trotzki war von 1918 bis 1923 in der staatskapitalistischen Sowjetunion neben Lenin der führende Staatsbourgeois, der aber später von Stalin schrittweise entmachtet und schließlich 1929 aus der Sowjetunion ausgewiesen und 1940 von einem Kremlagenten ermordet wurde. Der orthodoxe Trotzkismus bezeichnete die Sowjetunion und andere staatskapitalistische Regimes als „bürokratisch deformierte ArbeiterInnenstaaten“. Im Zweiten Weltkrieg, der von allen Seiten ein imperialistisches Abschlachten war, unterstützte der Trotzkismus den sowjetischen Imperialismus. Innerhalb des Privatkapitalismus vertritt der Trotzkismus ähnlich wie der Marxismus-Leninismus einen gewerkschaftlichen und parlamentarischen Sozialreformismus, der nur Kapital und Staat praktisch-geistig reproduzieren kann.

Wenn auch einige linkssozialdemokratische, marxistisch-leninistische und trotzkistische Gruppierungen in einzelnen heutigen imperialistischen Kriegen beide Seiten bekämpfen, nehmen sie jedoch grundsätzlich zum zwischenstaatlichen Konkurrenzkampf keinen revolutionären Standpunkt ein. Die meisten von ihnen unterstützen die nationale „Befreiung“ und „Selbstbestimmung“. Diese kann jedoch nur kapitalistisch-sozialreaktionär und Futter des globalen Konkurrenzkampfes der Nationen sein. Revolutionäre Kräfte können und dürfen deshalb grundsätzlich keine Antikriegsbündnisse mit der linken Sozialdemokratie, dem Marxismus-Leninismus und Trotzkismus eingehen.

Zu einem radikalen Bruch mit dem parlamentarischen und gewerkschaftlichen Sozialreformismus war und ist nur der Links- und Rätekommunismus, einige revolutionäre AnarchistInnen und unser antipolitischer Kommunismus fähig. Der gewerkschaftsfeindliche und antiparlamentarische, aber parteiförmige Linkskommunismus bildete sich während der europäischen revolutionären Nachkriegskrise (1917-1923) und danach besonders in Deutschland (die Kommunistische Arbeiterpartei Deutschlands (KAPD)), in den Niederlanden und in Italien heraus. Die konsequentesten LinkskommunistInnen lehnen auch die nationale „Befreiung“ und „Selbstbestimmung ab. Allerdings ideologisiert der Linkskommunismus den bolschewistischen Oktoberstaatsstreich von 1917 zur „proletarischen Revolution“. Die progressivste Tendenz des Linkskommunismus war und ist aber die konsequente Kritik des Antifaschismus und dass er sowohl im spanischen BürgerInnen- als auch im Zweiten Weltkrieg alle Seiten bekämpft hat.

Der noch radikalere Rätekommunismus brach mit dem Mythos der „proletarischen Oktoberrevolution“ in Russland 1917. Allerdings erkannten auch viele RätekommunistInnen nicht den absolut sozialreaktionären Charakter der politischen Machteroberung der leninistischen Parteiapparate und ideologisierten diese zur „bürgerlichen Revolution“, die zwar nicht proletarisch-revolutionär, aber doch irgendwie „fortschrittlich“ gewesen sei. Auch brachen nicht alle RätekommunistInnen grundsätzlich mit der politischen Partei als bürgerlich-bürokratischer Organisationsform (zum Beispiel Paul Mattick und Willy Huhn), im Gegensatz zu Cajo Brendel.

Während des Zweiten Weltkrieges zerbrachen die rätekommunistischen Organisationen in den Niederlanden und den USA. Die RätekommunistInnen bekämpften aber als Individuen sowohl die faschistische als auch die antifaschistische Seite des großen Massakers. Dies taten auch die LinkskommunistInnen und einige revolutionäre AnarchistInnen.

Die Antipolitisch-Sozialrevolutionäre Tendenz (AST) knüpft an den revolutionären Tendenzen von Links- und Rätekommunismus an, kritisiert aber auch deren objektiv sozialreaktionären. Im Gegensatz zum Parteimarxismus hält sie nicht die politische Machteroberung des Proletariats und die Verstaatlichung der industriellen Produktionsmittel für das Wesen der sozialen Revolution, sondern die antipolitische Zerschlagung des Staates und die Überwindung der Warenproduktion durch das sich selbst revolutionär aufhebende Proletariat. Die AST lehnt die Beteiligung an parlamentarischen Wahlen und die politische Partei als Organisationsform für das klassenkämpferische Proletariat sowie die revolutionären Kräfte grundsätzlich ab. Sie bekämpft sowohl den bürgerlichen Frieden als auch den imperialistischen Krieg.

Der Antifaschismus als Kriegsideologie

Revolutionärer Antikapitalismus heißt auch Kampf gegen Nazis/FaschistInnen und den prokapitalistischen Antifaschismus. Der Antifaschismus verteidigt die Demokratie als sozialreaktionäre kapitalistische Staatsform gegen andere kapitalistische Staatsformen wie die Militärdiktatur und den Faschismus. Im spanischen BürgerInnenkrieg (1936-1939) und dem Zweiten Weltkrieg (1936-1945) spielte der Antifaschismus eine wichtige Rolle als Kriegsideologie. Das tut er auch im Stellvertreterkrieg zwischen NATO und Russland in der Ukraine.

Nach der eurozentristischen bürgerlichen Geschichtsschreibung begann der Zweite Weltkrieg im Jahre 1939 mit dem Überfall des deutschen Imperialismus auf Polen. Eine materialistisch-dialektische Geschichtsbetrachtung hat guten Grund für die Ansicht, dass der Zweite Weltkrieg im Jahre 1936 begann. Zwei größere blutige Gemetzel begannen in diesem Jahr und 1937: der spanische BürgerInnenkrieg und der japanische Überfall auf China.

In Spanien regierte ab Januar 1936 eine prokapitalistisch-demokratische, antifaschistische Volksfrontregierung aus den Organisationen der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung – die sozialdemokratische, die stalinistische und die linkssozialistische Partei POUM sowie die anarchosyndikalistische Gewerkschaft CNT (die beiden letztgenannten Kräfte traten dem sozialreaktionären Volksfront-Regime erst nach dem Militärputsch bei) – und der liberaldemokratischen Mitte (Republikanische Union, Republikanische Linke, katalanische Esquerra Republicana des Catalunya). Dieses prokapitalistische und demokratisch-antifaschistisch-sozialreaktionäre Volksfrontregime geriet sowohl mit dem klassenkämpferischen Proletariat als auch mit der antidemokratischen Fraktion der spanischen Bourgeoisie aneinander. Letztere unterstützte den Militärputsch vom 17. Juli 1936. Gegen den Militärputsch entwickelte sich der reproduktive Klassenkampf des Proletariats, der durch starke prodemokratische Illusionen geprägt war. Eine sozialrevolutionäre Strömung, die es damals in Spanien nicht gab, hätte sich am Klassenkampf gegen den Militärputsch beteiligen und zugleich die prodemokratischen Illusionen und das Volksfront-Regime bekämpfen müssen. Sie hätte auf einen revolutionären Sturz des Volksfront-Regimes und auf einen revolutionären Klassenkrieg gegen das putschende Militär orientieren müssen.

Die institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung – StalinistInnen, SozialdemokratInnen, aber auch POUM und die anarchosyndikalistische CNT – überführte jedoch den reproduktiven Klassenkampf des Proletariats in einen innerkapitalistisch-sozialreaktionären BürgerInnenkrieg zwischen dem demokratischen Volksfront-Regime und den putschenden Militärs, zu deren führenden Gestalt sich immer stärker General Franco entwickelte. Dieser BürgerInnenkrieg wurde auch schnell internationalisiert. Während der italienische und deutsche Faschismus das putschende Militär unterstützten, Frankreich und Großbritannien offiziell „neutral“ blieben, was Franco begünstigte, griff der sowjetische Staatskapitalismus militärisch auf Seiten des Volksfrontregimes ein. Der sowjetische Imperialismus strebte damals ein Bündnis mit Frankreich und Großbritannien an, weshalb Moskau auch den demokratischen Privatkapitalismus in Spanien verteidigte. Die sowjetische Geheimpolizei ging in Spanien mit Folter und Mord gegen das klassenkämpferische Proletariat, den Trotzkismus und gegen den linken Flügel des Volksfront-Regimes, CNT und POUM, vor. CNT und POUM waren aber nichts anderes als das linke Feigenblatt des Volksfrontregimes, zu dessen bluttriefenden Schnauze sich immer stärker der sowjetische Imperialismus und die von ihm ausgehaltenen stalinistischen Mordbuben und Folterknechte entwickelten.

Der sowjetische Imperialismus führte den Klassenkampf von oben gegen das klassenkämpferische Proletariat, den Trotzkismus, und den linken Flügel der Volksfront wesentlich konsequenter als gegen Franco. Weshalb er auch den ersten Krieg gewann und den zweiten verlor. Im Mai 1937 provozierte der Stalinismus in Barcelona durch Repression gegen die CNT einen proletarischen Klassenkampf gegen ihn. CNT-Führung und POUM-Apparat bremsten das klassenkämpferische Proletariat und hinderten es daran mit dem Volksfront-Regime abzurechnen. So blieb dieses an der politischen Macht. Die StalinistInnen zerschlugen im Juni 1937 die POUM. Der Trotzkismus bekämpfte das Volksfront-Regime politisch, unterstützte aber dessen sozialreaktionären Krieg militärisch. Eine wirkliche sozialrevolutionäre Strömung durfte das demokratische Volksfront-Regime nicht gegen den Militärputsch verteidigen, sondern musste beide kompromisslos bekämpfen. Das taten damals der italienische Linkskommunismus – italienisch vom Entstehungsort her, international in der Orientierung – und die rätekommunistische Organisation in den USA, Groups of Council Communists. Nach dem Sieg im BürgerInnenkrieg 1939 errichtete Franco eine Militärdiktatur, die ab sein Tod 1975 wieder in eine Demokratie transformiert wurde.

Der Zweite Weltkrieg begann in Asien 1937 mit der Invasion des japanischen Imperialismus in China. Eine wirkliche sozialrevolutionäre Strömung in China hätte sowohl den japanischen Imperialismus als auch den chinesischen Nationalismus konsequent als Ausdrücke der kapitalistischen Zivilisationsbarbarei bekämpfen müssen. Doch eine solche sozialrevolutionäre Strömung gab es in China nicht, die verfeindeten partei-„kommunistischen“ Zwillingsbrüder Stalinismus-Maoismus und Trotzkismus wurden – wenn auch auf unterschiedliche Weise – zu Charaktermasken des chinesischen Nationalismus.

Bevor nach der bürgerlichen Geschichtsbetrachtung der Zweite Weltkrieg in Europa durch den Überfall des deutschen Imperialismus auf Polen am 1. September 1939 begann, machten alle späteren Hauptmächte der Antihitlerkoalition – Großbritannien, Frankreich, die USA und die Sowjetunion – noch ökonomische und politische Geschäfte mit den Nazis.

Das US-amerikanische Finanzkapital investierte in den italienischen und deutschen Faschismus. Großbritannien und Frankreich lieferten dem deutschen Imperialismus im Münchener Abkommen vom 29. September 1938 die tschechoslowakischen Grenzgebiete in Böhmen und Mähren aus. Und auch die staatskapitalistische Sowjetunion paktierte mit dem deutschen Faschismus – bis der letztere die erstgenannte im Sommer 1941 überfiel. Während des Nichtangriffspaktes mit Deutschland zwischen 1939 und 1941 versuchte sich die UdSSR in imperialistischer Politik gegen schwächere privatkapitalistische Nationen. In der Umarmung zwischen Hitler und Stalin von 1939 wurde Polen zerquetscht. Während Deutschland Westpolen annektierte, schluckte die UdSSR Ostpolen. Auch die imperialistische Einverleibung der baltischen Regimes Estland, Lettland und Litauen verlief erfolgreich.

Doch als Hitler dann am 22. Juni 1941 die UdSSR angreifen ließ, war wieder mal ein Bündnis mit den Demokratien angesagt. Kurz nach dem deutschen Angriff auf die UdSSR, signalisierte Washington Moskau Unterstützung. Die USA lieferten der Sowjetunion bis zum November 1941 Güter im Wert von rund 145 Millionen US-Dollar, um den Zusammenbruch des Staates während der faschistischen Offensive zu verhindern. Washington hielt zu diesem Zeitpunkt Nazideutschland für den gefährlicheren Feind. So kam es zu dem antifaschistischen und sozialreaktionären Bündnis zwischen den privatkapitalistischen Nationen USA, Großbritannien und später auch Frankreich mit der staatskapitalistischen Sowjetunion, nachdem davor alle vier Mächte ihre jeweils eigenen politischen Geschäfte mit den Nazis getätigt hatten.

Bis zum Überfall auf die Sowjetunion übte der deutsche Imperialismus seine Aggressionen in Form von Blitzkriegen aus. Das waren die Angriffe auf Polen, Dänemark, die Benelux-Länder und Frankreich, dem Balkan sowie in Nordafrika. Den imperialistischen Raubkrieg gegen die Sowjetunion ideologisierte der deutsche Faschismus zur Vernichtung des „jüdischen Bolschewismus“ und als Eroberung von „Lebensraum im Osten“ für die „arische Herrenrasse“. Hier gingen extremer Imperialismus und völkisch-rassistischer Wahnsinn eine untrennbare massenmörderische Synthese ein. Die Aggression gegen die Sowjetunion war als Vernichtungskrieg konzipiert. Der deutsche Faschismus organisierte den millionenfachen Hungertod sowjetischer Kriegsgefangener und ZivilistInnen, die Ermordung sowjetischer Offiziere und Kommissare. Dieser Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion war mit der industriellen Ermordung von sechs Millionen Juden und Jüdinnen sowie hunderttausenden Roma und Sinti verbunden.

Doch entgegen der antifaschistischen Ideologie führte auch der sowjetische Staatskapitalismus keinen „gerechten Krieg“, sondern ebenfalls einen imperialistischen, wie die Ausdehnung seiner Herrschaft über Osteuropa nach 1945 bewies. Die sowjetischen Soldaten wurden getötet und töteten für die sozialen Interessen der nationalen Staatsbourgeoisie. SozialrevolutionärInnen mussten sowohl den deutschen als auch den sowjetischen Imperialismus bekämpfen. Während der globale Stalinismus und Trotzkismus den sowjetischen Imperialismus unterstützten, bekämpften Links- und RätekommunistInnen sowie einige AnarchistInnen alle Seiten des imperialistischen Gemetzels.

Der Zweite Weltkrieg endete in Europa mit der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 8./9. Mai 1945. Doch das Gemetzel ging in Asien weiter. Am Ende des Zweiten Weltkrieges wendete der US-Imperialismus die Atombombe als Massenvernichtungswaffe gegen die japanische Zivilbevölkerung an, am 6. August in Hiroshima und am 9. August 1945 in Nagasaki, wodurch ungefähr 335.000 Menschen getötet und 400.000 verstümmelt wurden. Rund 100.000 Menschen wurden sofort bei den Atombombenabwürfen ermordet. An den Folgeschäden der atomaren Aggression starben bis Ende 1945 weitere 130.000 Menschen. Und in den Folgejahren ging das Sterben weiter. Das atomare Massaker des US-Imperialismus war bereits eine Warnung an und Bedrohung des antifaschistisch-imperialistischen Verbündeten des Zweiten Weltkrieges und Hauptgegners des beginnenden Kalten Krieges, den sowjetischen Staatskapitalismus. Der Zweite Weltkrieg endete mit der Kapitulation Japans am 2. September 1945.

Während des Zweiten Weltkrieges starben 80 Millionen Menschen – in Kampfhandlungen regulärer Truppen, als Opfer des industriellen Massenmordes des deutschen Faschismus an Juden und Jüdinnen sowie Roma und Sinti, Kriegshandlungen aller Seiten gegen ZivilistInnen sowie deren gewaltsamen Vertreibung und im antifaschistischen und objektiv prokapitalistischen Partisanenkampf. 80 Millionen Menschen starben in diesem massenmörderischen Konkurrenzkampf der Nationalstaaten, der zugleich ein getrennt-gemeinsamer Klassenkampf der Weltbourgeoisie gegen das Weltproletariat war und die blutige Grundlage für den kapitalistischen Nachkriegsaufschwung schuf.

Dieses imperialistische Gemetzel brachte Orte der Zivilisationsbarbarei wie Auschwitz und Hiroshima hervor. Nur Nazis können auf die Idee kommen, Auschwitz durch Hiroshima zu relativieren – aber auch nur völlig sozialreaktionäre AntifaschistInnen verharmlosen und relativieren Hiroshima durch Auschwitz und verklären den Zweiten Weltkrieg von Seiten der antifaschistischen Alliierten zu einer fortschrittlichen und gerechten Angelegenheit! Doch die antifaschistischen Alliierten haben zuvor die Nazis mitfinanziert (US-Finanzkapital), ihnen die Tschechoslowakei durch das Münchner Abkommen ausgeliefert (Großbritannien und Frankreich) und mit ihnen Polen aufgeteilt (Sowjetunion)! Sie haben nicht die Zufahrtswege nach Auschwitz bombardiert, aber massenhaft Wohnviertel in Deutschland. Haltet das Maul, ihr Nazis und demokratischen/partei-„kommunistischen“ AntifaschistInnen! Wir werden euch daran hindern, auch noch auf die Gräber der Menschen zu pissen, die eure politischen Eltern massenhaft umgebracht haben! Schweigt, ihr faschistischen und antifaschistischen Geschichtsfälscher! Der Zweite Weltkrieg war der blutigste Klassenkampf des Weltkapitalismus – einschließlich der staatskapitalistischen Sowjetunion – gegen das Weltproletariat, welches sich für die Ziele und Interessen seiner Klassenfeinde gegenseitig abschlachtete. Die ProletarierInnen haben sich nicht gegenseitig umgebracht für die „arische Rasse“ oder für die „Freiheit“, sondern für die Profite der IG Farben und von General Motors. Der letztgenannte Konzern rüstete während des Blutbades sowohl die USA als auch über seine deutsche Tochter Opel das Hitler-Regime auf und verdiente daran prächtig. USA und Sowjetunion waren die Hauptgewinner des imperialistischen Gemetzels. Und der sozialreaktionäre Antifaschismus ist so zynisch, den alliierten Bombenterror gegen die Zivilbevölkerung in Deutschland und die brutale Eroberung und Ausplünderung Osteuropas durch die Sowjetunion auch noch als „Befreiung“ zu feiern!

Auch im imperialistischen Stellvertreterkrieg zwischen NATO und Russland in der Ukraine spielt der Antifaschismus als Kriegsideologie auf beiden Seiten eine wichtige Rolle. Der Kreml begründet seinen imperialistischen Krieg gegen die Ukraine propagandistisch mit deren „Entnazifizierung“ und auch westliche Kriegshetzer sowie ihr kleinbürgerlicher Schwanz benutzen den Antifaschismus als Kriegsideologie gegen den russländischen Imperialismus. Wir haben es also mit einer Kreml- und einer NATO-Antifa zu tun. Selbstverständlich gibt es auch AntifaschistInnen, die im imperialistischen Krieg in der Ukraine keine Seite unterstützen. Aber grundsätzlich ist der Antifaschismus eine prokapitalistische und proimperialistische Ideologie und Praxis, die nicht das Geringste mit einem revolutionären Antikapitalismus zu tun hat.

Für die Radikalisierung des proletarischen Klassenkampfes!

Das kapitalistische Abschlachten kann nicht durch pazifistische Demonstrationen beendet werden. Dies kann nur durch eine mögliche Radikalisierung des globalen proletarischen Klassenkampfes zur sozialen Weltrevolution geschehen. Die Lohnabhängigen produzieren und reproduzieren im bürgerlichen Arbeitsprozess die Macht von Kapital und Staat. Sie sind es auch, die diese Macht potenziell zerstören können.

Es besteht nach wie vor die Möglichkeit, dass sich in extremen Situationen der globale proletarische Klassenkampf zur Weltrevolution radikalisiert. So ähnlich wie in der europäischen revolutionären Nachkriegskrise (1917-1923). Die kapitalistische Krisendynamik und der imperialistische Erste Weltkrieg führten zu einer extremen Verelendung des Proletariats und der unter Schichten des KleinbürgerInnentums. Das war die Ausgangssituation für die Zunahme des proletarischen Klassenkampfes am Ende des Ersten Weltkrieges in Europa, darunter auch Massenstreiks gegen das kapitalistische Großmassaker.

In Deutschland radikalisierte sich der proletarische Klassenkampf Ende 1918 zur Novemberrevolution, die das imperialistische Abschlachten beendete. Aber die Mehrheit des klassenkämpferischen Proletariats trat zwar gegen den imperialistischen Krieg ein, aber noch nicht gegen dessen Quelle, der bürgerliche Frieden innerhalb des Kapitalismus. Die Konterrevolution, zu dessen politischer Hauptkraft sich die SPD entwickelte, beendete den Krieg, der für den deutschen Imperialismus sowieso nicht mehr gewinnbar war, und nahm auf diese Weise dem proletarischen Klassenkampf schon viel Wind aus den Segeln. Das Proletariat hatte mehrheitlich die konstitutionelle Monarchie in Form des Deutschen Kaiserreiches satt, hatte aber noch starke parlamentarisch-demokratische Illusionen. So konnte die politische Konterrevolution das Kaiserreich in die Weimarer Republik transformieren, die konterrevolutionär gegen das klassenkämpferische Proletariat vorging. Dabei floss ArbeiterInnenblut in Strömen.

Doch in der Novemberrevolution von 1918 entwickelten sich auch die ArbeiterInnen- und Soldatenräte als Organe der klassenkämpferischen Selbstorganisation des Proletariats. Diese waren jedoch nur potenziell revolutionär. Um wirklich zu bewussten Organen der sozialen Revolution zu werden, hätten die Räte die Warenproduktion aufheben und den Staat antipolitisch zerschlagen und dabei die klassen- und staatenlose Gesellschaft gebären müssen.

Für den kapitalistischen Staat wiederum war es notwendig, die ArbeiterInnen- und Soldatenräte als praktische Beeinträchtigung seines Gewaltmonopols zu zerschlagen. Und dies gelang der Konterrevolution 1918/19. Dies hatte vorwiegend zwei Gründe. Erstens kämpfte die Mehrheit des Proletariats damals noch nicht bewusst für ein Rätesystem als Alternative zur kapitalistischen Demokratie. Nur eine große Minderheit der Klasse trat für „Alle Macht den Räten!“ ein. Und auch diese Minderheit war durch die parteimarxistische Ideologie verwirrt. Für viele subjektiv revolutionäre ProletarierInnen und Intellektuelle waren die ArbeiterInnenräte das organisatorische Gerüst eines „ArbeiterInnenstaates“ – ein ideologisches Konstrukt, das sich in der Praxis als Staatskapitalismus entpuppte. Zu der Zeit, wo sich die akute Phase (1918/19) der revolutionären Nachkriegskrise in Deutschland (1918-1923) entfaltete, war das bolschewistische Regime in „Sowjet“-Russland bereits staatskapitalistisch und hatte die wirklichen Sowjets (Räte) als Organe der klassenkämpferischen Selbstorganisation des Proletariats bereits konterrevolutionär liquidiert. Dennoch hegten noch viele SozialrevolutionärInnen in Deutschland Illusionen in das konterrevolutionäre Lenin-Trotzki-Regime, die radikalsten (Links- und RätekommunistInnen) überwanden diese 1920/21. Die Mehrheit des Proletariats kämpfte damals also noch nicht bewusst für das Rätesystem als Schwert gegen den Kapitalismus und Werkzeug für die klassen- und staatenlose Gesellschaft.

Zweitens wurden die ArbeiterInnen- und Soldatenräte von sozialdemokratischen BerufspolitikerInnen, die danach trachteten das potenziell revolutionäre Rätesystem konterrevolutionär zu zerschlagen, von innen deformiert. So beherrschten sozialdemokratische FunktionärInnen den 1. Reichsrätekongress Ende 1918 in Berlin. Dieser beschloss die Entmachtung der Räte zugunsten einer zu wählenden Nationalversammlung. Die sozialdemokratische Konterrevolution ging nach diesem Sieg ein festes Bündnis mit der Generalität und den Freikorps ein, um den klassenkämpferisch-revolutionären Proletariat blutige Niederlagen zu bereiten. Dadurch bereitete die konterrevolutionäre Sozialdemokratie den Faschismus in Deutschland vor, vor dem dann die institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung kampflos kapitulierte…

Die Hauptlehren, die proletarische RevolutionärInnen aus der Novemberrevolution von 1918 ziehen können, lauten: Erstens: Nur das klassenkämpferische Proletariat hat die Potenz imperialistische Kriege zu beenden. Zweitens wird aber die kapitalistische Konterrevolution neue Kriege vorbereiten, wenn nicht auch das sich selbst revolutionär aufhebende Proletariat den bürgerlichen Frieden innerhalb des Kapitalismus beendet. Der globale proletarische Klassenkrieg muss die klassen- und staatenlose Weltgemeinschaft gebären, um das kapitalistische Abschlachten von Menschen zu beenden.

Proletarische RevolutionärInnen nehmen bewusst am Kampf ihrer Klasse teil, um diesen über seine den Kapitalismus reproduzierenden Grenzen hinaus zu radikalisieren. Intellektuelle RevolutionärInnen unterstützen sie dabei. RevolutionärInnen geben also praktisch-geistige Impulse zur Radikalisierung des proletarischen Klassenkampfes. Dabei aber immer wissend, dass der Hauptimpuls zur Radikalisierung des proletarischen Seins und Bewusstseins immer ihr eigener kollektiver Kampf ist.

Das auf und ab des proletarischen Klassenkampfes ist in vorrevolutionären Zeiten stark durch die kapitalistische Krisendynamik, von Spontaneität und Instinkt der Lohnabhängigen sowie durch das Agieren der bürgerlich-bürokratischen Gewerkschaftsapparate geprägt.

Der kapitalistische Aufschwung schafft mit seiner relativ geringen Arbeitslosigkeit oder gar Vollbeschäftigung bessere Bedingungen für den reproduktiven Klassenkampf innerhalb des Kapitalismus. In der sich verschärfenden kapitalistischen Krise – die oft mit einer Zunahme und Zuspitzung der zwischenstaatlichen Konkurrenz verbunden ist –, verschlechtern sich die Kampfbedingungen der Lohnabhängigen, die Bourgeoisie geht im Klassenkampf von oben in die Offensive. Das klassenkämpferische Proletariat reagiert entweder auf diesen steigenden Druck durch eine Forcierung seiner Aktivität oder eben nicht. In der gegenwärtigen kapitalistischen Krisendynamik verschärfte sich der Klassenkampf der Lohnabhängigen besonders in Großbritannien und in den USA.

Die große Bedeutung von Spontaneität und Instinkt im Klassenkampf ergibt sich daraus, dass im Kapitalismus die sozialen Prozesse stärker die Menschen lenken, als das es andersherum ist. Das gesellschaftliche Gesamtkapital der einzelnen Staaten, das Nationalkapital, verlangt von jeder nationalen Bourgeoisie gebieterisch: Vermehre mich, komme was wolle, sonst wird die Nation untergebuttert im globalen Konkurrenzkampf. Die krisenhafte Kapitalvermehrung und die unerbittliche globale Konkurrenz in der Weltwirtschaft und in der Außenpolitik beherrscht die Bourgeoisie, aber sie bekommt diese Prozesse kaum unter Kontrolle.

Das Proletariat bekommt die wachsende kapitalistische Krisendynamik und die sich verschärfende zwischenstaatliche Konkurrenz zu spüren, beginnt sich zu wehren, oft instinktiv und spontan. Der proletarische Klasseninstinkt ist das Vorbewusste, das Bauchgefühl, was die Lohnabhängigen oft kollektiv zum Handeln drängt, noch bevor die möglichen Konsequenzen dieses Handelns klar durchdacht werden. Spontanes Handeln heißt, heute Dinge zu tun, die gestern kaum denkbar waren.

Spontaneität und Klasseninstinkt spielen im Klassenkampf eine große Rolle, dürfen aber nicht von RevolutionärInnen idealisiert werden. Spontan und instinktiv kann das Proletariat wild für höhere Löhne streiken, aber nicht Trägerin einer möglichen sozialen Revolution sein. Je bewusster und organisierter das Proletariat ist, umso besser ist es. Organisation und Bewusstsein der kämpfenden Lohnabhängigen dürfen aber nicht mit den bürgerlich-bürokratischen Gewerkschafts- und Parteiapparaten der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung gleichgesetzt werden. Die klassenkämpferische Selbstorganisation des Proletariats auch gegen die Partei- und Gewerkschaftsbonzen muss klarer und bewusster werden! Dafür müssen proletarische RevolutionärInnen praktisch-geistige Impulse geben!

Massenstreiks gegen die imperialistischen Massaker können nur auf der kollektiven Selbstorganisation der Lohnabhängigen beruhen. Gegen das gegenseitige Abschlachten, welches Russland und die NATO arbeitsteilig-konkurrenzförmig in der Ukraine organisieren, ist zum Beispiel ein unbefristeter, branchenübergreifender Massenstreik in Russland, Belarus, der Ukraine sowie in allen NATO und EU-Staaten notwendig, um es progressiv zu beenden.

Dass ein solcher Massenstreik bisher noch nicht materielle Gewalt geworden ist, hat wesentlich drei Ursachen: Erstens werden die Arbeit und das Leben der Lohnabhängigen in Russland und in den Ländern des kollektiven Westens noch nicht so extrem von diesem Krieg beeinträchtigt, wie es in den beiden Weltkriegen der Fall war. Zweitens lassen sich noch viel zu viel ProletarierInnen von der nationalistischen Praxis und Ideologie das Hirn vernebeln. Drittens organisieren die großen Gewerkschaften keinen Klassenkampf gegen den Krieg, ja ihre Apparate unterstützen oft das imperialistische Gemetzel und den Wirtschaftskrieg. Kleinere Gewerkschaften, die ein wenig gegen den Krieg mobilisieren, sind zu schwach, um einen branchenübergreifenden Massenstreik zu organisieren. Deshalb werden sich bei der weiteren Zuspitzung der zwischenstaatlichen Konkurrenz möglicherweise herausbildende Massenstreiks gegen imperialistische Kriege wild sein und auf der kollektiven Selbstorganisation des Proletariats beruhen.

Mögliche Massenstreiks gegen den Krieg werden starke revolutionäre Tendenzen und Potenzen haben. Wenn der Klassenkampf seine reproduktiven Grenzen sprengt und sich zur sozialen Revolution radikalisiert – dann ist die revolutionäre Klassenkampforganisation des Proletariats möglich und notwendig. Wir wissen heute noch nicht, wie die revolutionäre Klassenkampforganisation konkret aussehen wird. Wir wissen lediglich, dass politische Parteien und Gewerkschaften nicht revolutionär sein können. Sie stellen bürgerlich-bürokratische Apparate dar, deren Haupttendenz es ist, sich in den Kapitalismus zu integrieren. Auch müssen sie ganz anders sein als die ArbeiterInnenräte der europäischen revolutionären Nachkriegskrise (1917-1921). Diese waren von sozialdemokratischen und bolschewistischen BerufspolitikerInnen („Sowjet“-Russland) deformiert und wurden schließlich von der Konterrevolution liquidiert. Auch wird die konkrete Ausgangslage in einer zukünftigen revolutionären Situation eine ganz andere sein als damals.

Die mögliche revolutionäre Klassenkampforganisation des Proletariats wird wahrscheinlich sowohl in der informellen Aktion der ProletarierInnen als auch in offiziellen Organen zum Ausdruck kommen. Überall müssen Organe der klassenkämpferischen Selbstorganisation gebildet werden: An den Arbeitsplätzen (Privatwirtschaft und im Staatssektor) und in den Wohngebieten. Diese dürfen keine Herrschaft über das sich selbst revolutionär aufhebende Proletariat anstreben, sondern müssen sich zu dessen geschmeidigen Werkzeug zur Zerschlagung des Kapitalismus entwickeln. In den Organen der klassenkämpferischen Selbstorganisation des Proletariats darf kein Platz sein für hauptamtliche GewerkschaftsfunktionärInnen und BerufspolitikerInnen, da diese nur den Kapitalismus reproduzieren können. Nur wenn die revolutionäre Klassenkampforganisation mit den Organisationsprinzipien einer klassen- und staatenlosen Gemeinschaft schwanger geht, kann sie die letztere durch die Zerstörung des Kapitalismus gebären.

Die revolutionäre Klassenkampforganisation muss sich zu einem immer klareren und bewussteren Subjekt der sozialen Revolution entwickeln. Auch mit Hilfe von den revolutionären Kleingruppen aus der vorrevolutionären Zeit, die in der revolutionären Klassenkampforganisation aufgehen müssen. Entweder zerschlägt die revolutionäre Klassenkampforganisation den Kapitalismus oder sie wird von der Konterrevolution zerstört.

Indem das Proletariat antipolitisch den Staat zerschlägt, die Produktionsmittel in gesamtgesellschaftliche Verfügungsgewalt überführt und die Warenproduktion überwindet, hebt es sich selbst revolutionär auf und gebärt die klassen- und staatenlose Gemeinschaft. Da das Proletariat in einem Land, einer Ländergruppe, eines Kontinents unmöglich warten kann, bis ihre Klassengeschwister global dazu in der Lage sind, kann die Weltrevolution nur eine permanente Kette der Staatszerschlagung sein. In der Weltrevolution werden also noch existierende kapitalistische Staaten und bereits sich entwickelnde klassen- und staatenlose Gemeinschaften gegeneinander bestehen. Zwischen diesen kann und darf es aber keine friedliche Koexistenz geben, keinen Handel – auch keinen Naturaltausch.

Die kapitalistischen Staaten werden, wenn sie dazu noch in der Lage sind, versuchen die klassen- und staatenlosen Gemeinschaften militärisch von außen zu zerschlagen. Dagegen müssen sich die klassen- und staatenlosen Gemeinschaften kollektiv verteidigen, ohne besondere militärische Apparate herauszubilden – diese wären der reproduzierte Staat. Die sich herausentwickelnden klassen- und staatenlosen Gemeinschaften müssen während der möglichen Weltrevolution ein festes Bündnis mit dem klassenkämpferisch-revolutionären Proletariat der kapitalistischen Staaten eingehen. Die Weltrevolution ist erst zu Ende, wenn der letzte Staat antipolitisch-sozialrevolutionär zerschlagen ist. Dies wird die endgültige Geburt der klassen- und staatenlosen Weltgemeinschaft sein.

Wenn wir bedenken, dass die kapitalistische Sozialreaktion die zerstörerische Potenz hat, alles menschliche Leben auszulöschen, dann wissen wir, dass diese kein Spaziergang sein kann. Doch das Risiko eines atomaren Overkills besteht auch ohne globale soziale Revolution. Und dieses Risiko kann auch nur weltrevolutionär überwunden werden. Vielleicht ist auch eine siegreiche Weltrevolution im Atomwaffenzeitalter möglich, so ähnlich wie die Atomwaffenmächte ja auch bis jetzt ihre imperialistische Konkurrenz ohne Selbstmord austragen.

Wir wissen nicht, ob sich eine globale soziale Revolution entwickeln oder ob diese siegreich sein wird. Aber selbst, wenn dies nicht der Fall sein sollte, ist der kompromisslose Kampf gegen Kapital, Staat und Nation im hier und jetzt das einzig Richtige!

Unser Minimalkonsens für eine revolutionäre Antikriegsposition

Das Vertreten von revolutionären Antikriegspositionen ist für die Antipolitisch-Sozialrevolutionäre Tendenz (AST) ein wichtiger praktisch-geistiger Impuls zur Radikalisierung des proletarischen Klassenkampfes und -bewusstseins. Wir halten es für richtig, möglich und notwendig, im Kampf gegen das permanente kapitalistische Abschlachten ein Bündnis mit anderen revolutionären Kräften (zum Beispiel: Links- und RätekommunistInnen sowie revolutionäre AnarchistInnen) einzugehen.

Nach Meinung der AST ist dafür ein Minimalkonsens einer revolutionären Antikriegsposition notwendig, die sowohl ein Absinken in den Sumpf des Sozialreformismus, der grundsätzlich nur den Kapitalismus und damit auch die Quelle der zwischenstaatlichen Konkurrenz reproduzieren kann, verhindert als auch gegen das SektiererInnentum schützt.

Der von uns unten formulierte Minimalkonsens einer revolutionären Antikriegsposition ist nach unserer Meinung das praktisch-geistige Fundament für das gemeinsame Agieren von RevolutionärInnen in der Frage des Kampfes gegen den kapitalistischen Krieg. Diese Gemeinsamkeit kann in internationalen Treffen, das gemeinsame Agieren auf reformistisch-pazifistischen „Friedensdemonstrationen“ und in öffentlichen Diskussionsveranstaltungen zum Ausdruck kommen. Wichtig ist dabei auch, dass die Unterschiede zwischen den einzelnen revolutionären Kräften nicht verschwiegen oder unter den Teppich gekehrt werden. Also, dass die unterschiedlichen Subjekte in den verschiedenen praktischen revolutionären Antikriegsbündnissen ihre praktisch-geistige Eigenständigkeit bewahren können.

Unser Minimalkonsens für eine revolutionäre Antikriegsposition:

1. Der bürgerliche Frieden innerhalb des Kapitalismus ist keine Alternative zum imperialistischen Krieg, sondern dessen Quelle.

2. Nationale „Befreiung“ und „Selbstbestimmung“ sind Futter der zwischenstaatlichen Konkurrenz. Nationale „Befreiung“ führt nur zur Neugründung kapitalistischer Staaten beziehungsweise nationaler „Autonomie“ in bestehenden (zum Beispiel: kurdischer Nationalismus in Syrien und im Irak) und ist Spielzeug der Imperialismen. Im permanenten Konkurrenzkampf der Nationen unterstützen RevolutionärInnen keine Seite, sondern bekämpfen alle Seiten. Langfristig muss das Weltproletariat alle Nationen als Scheingemeinschaften aus Kapital und Lohnarbeit revolutionär zerschlagen und die klassen- und staatenlose Weltgemeinschaft gebären.

3. Gegen den prokapitalistischen und proimperialistischen Antifaschismus. SozialrevolutionärInnen bekämpfen die Demokratie kompromisslos – so wie alle anderen Staatsformen. Sie kämpfen gegen FaschistInnen, Nazis sowie Militärputsche und -diktaturen, aber verteidigen niemals die Demokratie. So wie der Antifaschismus im Zweiten Weltkrieg und im spanischen BürgerInnenkrieg demokratische Regimes gegen faschistische Staaten und Militärputsche unterstützte und damit das große kapitalistische Massaker am Weltproletariat mit organisierte, ist er auch heute in den verschiedenen Gemetzeln Teil der Rechtfertigungsideologien.

4. Nur das klassenkämpferisch-revolutionäre Proletariat hat die Potenz die imperialistischen Kriege progressiv durch die Zertrümmerung des Kapitalismus zu beenden.

Innerhalb dieses Minimalkonsenses sind wir zu Bündnissen mit anderen revolutionären Kräften bereit und solidarisch mit ihren Aktivitäten gegen den permanenten kapitalistischen Weltkrieg.

Antipolitisch-Sozialrevolutionäre Tendenz (AST)

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Annonce: Revolutionäre Kritik des Trotzkismus https://sbefreiung.blackblogs.org/2023/08/09/revolutionaere-kritik-des-trotzkismus/ https://sbefreiung.blackblogs.org/2023/08/09/revolutionaere-kritik-des-trotzkismus/#respond Wed, 09 Aug 2023 13:54:51 +0000 https://sbefreiung.blackblogs.org/?p=923 Unsere neue Broschüre „Revolutionäre Kritik des Trotzkismus“ (ca. 137 Seiten) von Soziale Befreiung ist da. Die Broschüre könnt Ihr hier für 5-€ (inkl. Porto) über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de oder direkt bei uns auch als E-Book bestellen.

Inhalt

Einleitung

Paul Mattick, Bolschewismus und Stalinismus

Konkurrenten um die Macht

Die Bolschewisten und die Spontaneität der Massen

Die Partei-„Maschinerie“

Trotzki, ein Apologet des Stalinismus

Das Resultat: Staatskapitalismus

Willy Huhn, Trotzki und die proletarische Revolution

Fabrikräte und Arbeiterkontrolle

Anmerkungen des Verfassers

Willy Huhn, Trotzkis Bonapartismus 1918 bis 1923

Anmerkungen des Verfassers

Willy Huhn, Zur Theorie des „Arbeiterstaates“ in Russland

Anmerkungen des Verfassers

Nelke, Der Trotzkismus – eine Ideologie der Kapitalvermehrung

1. Der klassische Marxismus zwischen antikapitalistischer Kritik und nationalkapitalistischer Politik

2. Revolution und Konterrevolution in „Sowjet“-Russland (1917-1921)

3. Der Marxismus-Leninismus als staatskapitalistische Ideologie und Praxis

4. Der Trotzkismus als oppositionelle staatskapitalistische Ideologie

5. Wie der Trotzkismus den Privatkapitalismus reproduziert

6. Trotzkismus und Krieg

Nelke, Über Paul Mattick und Willy Huhn

1. Die Entwicklung des Rätekommunismus in Deutschland und in den Niederlanden

2. Paul Mattick

3. Die Schrift Bolschewismus und Stalinismus

4. Willy Huhn

5. Huhns Schriften gegen den Trotzkismus

Einleitung

Der Trotzkismus kann noch immer subjektiv revolutionär gesinnte Menschen anziehen, obwohl er objektiv eine kleinbürgerliche Ideologie ist, die nur den Kapitalismus reproduzieren kann. Auch die Gründungsmitglieder der Antipolitisch-Sozialrevolutionären Tendenz hatten eine trotzkistische Vergangenheit, die sie aber schon lange hinter sich gebracht haben. Damit auch andere subjektiv revolutionär eingestellte Basismitglieder des Trotzkismus mit dieser objektiv sozialreaktionären Ideologie brechen können, haben wir diese Sammlung von Schriften von Paul Mattick, Willy Huhn und Nelke zusammengestellt.

Der Text Bolschewismus und Stalinismus von Paul Mattick macht deutlich, dass das Lenin/Trotzki-Regime (1917-1923) das Stalin-Regime (1924-1953) vorbereitet hatte. Im Unterschied zu Trotzki, der ab 1923 eine leninistische Opposition gegen den „Stalinismus“ aufbaute und einen totalen Gegensatz zwischen den beiden Regimen behauptete. Matticks Schrift verdeutlicht die gemeinsame staatskapitalistische ökonomische Basis von Bolschewismus, Stalinismus und Trotzkismus.

Willy Huhns Schrift Trotzki und die proletarische Revolution macht klar, dass das, was der Marxismus-Leninismus, Trotzkismus und der Linkskommunismus eine „proletarische Revolution“ nennen, also die Ereignisse im Oktober 1917 – nach dem alten russischen Kalender – in „Sowjet“-Russland, in Wirklichkeit ein Staatsstreich des bürgerlich-bürokratischen Apparates der bolschewistischen Partei war.

Der Text Trotzkis Bonapartismus 1918 bis 1923 von Willy Huhn zeigt das praktische Wirken dieses staatskapitalistischen Konterrevolutionärs auf, als er noch an der politischen Macht war.

In der Schrift Zur Theorie des „Arbeiterstaates“ in Russland nimmt Willy Huhn das zentrale Dogma des Trotzkismus auseinander, wonach die staatskapitalistische Sowjetunion angeblich einen „proletarischen“ Charakter hatte.

Wir haben die alten rätekommunistischen Texte der aktuellen Rechtschreibung angepasst.

Nelke setzt in seinem Text Der Trotzkismus – eine Ideologie der Kapitalvermehrung diese Strömung in einen Kontext mit der Geschichte des Marxismus. Er macht deutlich, dass schon Marx und Engels zwischen einer antikapitalistischen Kritik und einer nationalkapitalistischen Realpolitik schwankten. Auch Revolution und Konterrevolution in „Sowjet“-Russland (1917-1921) wird noch mal kurz analysiert. Weil der Umschlag von der Revolution in die bolschewistisch-staatskapitalistische Konterrevolution in den in dieser Broschüre versammelten Texten von Mattick und Huhn nicht klar genug auf den Punkt gebracht wird. Außerdem nimmt Nelke Tony Cliffs Analyse der Sowjetunion als staatskapitalistisches Regime unter die Lupe. Die Tatsache, dass die verschiedenen trotzkistischen Strömungen während der Todeskrise der marxistisch-leninistischen Regimes in der Sowjetunion und in Osteuropa hilflos zwischen Staatskapitalismus und Privatkapitalismus schwankten, wird ebenfalls in dieser Schrift aufgezeigt. Ebenso die Reproduktion des Privatkapitalismus durch den gewerkschaftlichen und parlamentarischen Sozialreformismus der trotzkistischen Politgruppen. Am Ende dieses Textes verdeutlicht Nelke, dass der Trotzkismus in den verschiedenen imperialistischen Gemetzeln – einschließlich des Krieges in der Ukraine – keine klare Antikriegshaltung einnehmen konnte und kann.

Nelkes Schrift Über Paul Mattick und Willy Huhn beschreibt den praktisch-geistigen Entwicklungsweg der zwei Rätekommunisten. Davor wird die Geschichte des Rätekommunismus aus antipolitisch-sozialrevolutionärer Perspektive kurz geschildert. Der antipolitische Kommunismus betrachtet den Rätekommunismus als seinen Vorgänger. Von dieser Grundlage aus erfolgt auch die kritische Würdigung der hier veröffentlichten Anti-Trotzki-Texte von Mattick und Huhn.

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Annonce: Der vorkapitalistische Kommunismus https://sbefreiung.blackblogs.org/2020/01/18/annonce-der-vorkapitalistische-kommunismus/ Sat, 18 Jan 2020 23:47:56 +0000 http://sbefreiung.blackblogs.org/?p=609 Unsere neue Broschüre „Der vorkapitalistische Kommunismus“ (ca. 128 Seiten) von Soziale Befreiung ist da. Die Broschüre könnt Ihr hier für 5-€ (inkl. Porto) über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de oder direkt bei uns auch als E-Book bestellen.

Inhalt

Einleitung

Vorkapitalistischer Kommunismus
1. Der Urkommunismus als klassen- und staatenlose Gesellschaft
2. Dorfgemeinden und AgrargenossInnenschaften in Klassengesellschaften („Agrarkommunismus“)

Die kapitalistische Vernichtung beziehungsweise Integration des vorkapitalistischen Kommunismus
I. Die kapitalistische Vernichtung des Urkommunismus
1. Allgemeine Betrachtung
2. Nordamerika/USA
3. Australien
II. Die kapitalistische Aufhebung beziehungsweise Integration des „Agrarkommunismus“
1. Allgemeine Betrachtung
2. England/Irland
3. Russland/Sowjetunion
4. Mexiko

Einleitung

Vor- und nachkapitalistischer Kommunismus: Gemeinsamkeiten und Unterschiede
1. Große soziale Gleichheit beziehungsweise gleiche soziale Ausgangsbedingungen
2. Unmittelbare Produktion für den Bedarf
3. Geschichtliche Tatsache und zukünftige Möglichkeit
4. Werdende und aufzuhebende Klassengesellschaft
5. Niedrige und hohe Produktivität
6. Stamm und Weltgemeinschaft

Einleitung

Proletarische RevolutionärInnen stoßen auch in ihrer Klasse auf weitverbreitete Skepsis und Resignation: „Der Kommunismus mag ja als eine klassen- und staatenlose Gesellschaft eine ganz gute Idee sein, aber leider total utopisch und undurchführbar. Der Mensch ist zu egoistisch für den Kommunismus.“ Diese weitverbreitete sozialpsychologische Reaktion auf den modernen Kommunismus als Befreiungsbewegung hat natürlich eine materielle Basis. Erstens ist dies ein relativ niedriges Niveau des Klassenkampfes in diesem Land. Denn der Klassenkampf hat die Tendenz den bürgerlichen Individualismus im Proletariat zurückzudrängen. Der Klassenkampf schmilzt tendenziell die ProletarierInnen zu einer kollektiv-solidarischen Gemeinschaft zusammen, die auch ansatzweise religiöse, sexistische, nationalistische und rassistische Spaltungen zu überwinden vermag. So erscheint in der klassenkämpferischen Selbstorganisation des Proletariats eine Gemeinschaftlichkeit, die im Alltag unmöglich ist. Im Alltag sind auch ProletarierInnen zuweilen recht ekelhafte Konkurrenzsubjekte. Wenn der nichtklassenkämpferische Alltag den Klassenkampf weit überwiegt, dann ist auch das Proletariat stark kleinbürgerlich geprägt. Skepsis und Resignation breiten sich aus. Der Kommunismus kann nur in einer Zeit des extrem verschärften Klassenkampfes zu einer materiellen Gewalt werden.
Auch ist die Skepsis gegenüber dem Kommunismus mit der Tatsache verwoben, dass der Marxismus als unreifer Kommunismus in leninistischer Form in rotlackierten Antikommunismus umgeschlagen ist. Das Proletariat wurde in den so genannten „sozialistischen Ländern“ (Sowjetunion, DDR…) von den Staaten, die von marxistisch-leninistischen Politbonzen regiert wurden, in Wirklichkeit kapitalistisch ausgebeutet. Diese Länder waren staatskapitalistisch. Sowohl der Marxismus-Leninismus als auch der bürgerliche Antikommunismus leugnen den staatskapitalistischen Charakter des „Sozialismus“. Der erstgenannte setzte und setzt sich eine „kommunistische“ Maske auf, damit die kapitalistische Fratze nicht gesehen wird, während der bürgerliche Antikommunismus die weit verbreitete proletarische Abscheu gegen den Partei-„Kommunismus“ und seine elendig verreckten scheinbaren Paradiese zur Rechtfertigung von „Marktwirtschaft und Demokratie“ benutzt.
Und doch war der Kommunismus als eine klassen- und staatenlose Gesellschaft eine geschichtliche Tatsache. Weltgeschichtlich hat die Menschheit viel länger in urgesellschaftlichen Zuständen gelebt als in denen, die von Klassenspaltung, Ausbeutung, sozialer Ungleichheit, staatlicher Gewalt sowie Egoismus als psychologischen und mentalen Überbau des permanenten Konkurrenzkampfes aller gegen aller geprägt waren und sind. Die Tatsache, dass die Menschen im Urkommunismus überwiegend gemeinschaftlich-solidarisch, statt egoistisch-individualistisch handelten, zeigt, dass das kollektive menschliche Bewusstsein vom gesellschaftlichen Sein bestimmt wird. In einer klassen- und staatenlosen Gesellschaft ist das Alltagsbewusstsein notwendig überwiegend kollektiv-solidarisch. Und in einer kapitalistischen Klassengesellschaft ist es notwendig überwiegend konkurrenzförmig-egoistisch. Doch auch der Klassenkampf zwischen Proletariat und Bourgeoisie ist eine nicht zu leugnende Tatsache. In diesem Klassenkampf entwickelt sich ansatzweise eine kollektiv-solidarische Gemeinschaftlichkeit des Proletariats heraus, die tendenziell über die kapitalistische Asozialität hinausweist. Es ist eine zukünftige Möglichkeit, dass sich in einer extremen objektiv-subjektiven Ausnahmesituation der Klassenkampf zur sozialen Revolution zuspitzt. Und dass die soziale Revolution irgendwann einmal nach einer scheinbar endlosen Kette von Niederlagen den Weltkapitalismus zerschlägt und die Bedingungen für die zukünftige globale klassen- und staatenlose Gesellschaft schafft.
Der Kommunismus war also eine geschichtliche Tatsache und ist eine zukünftige Möglichkeit. In dieser Broschüre beschreiben wir den Urkommunismus als eine klassen- und staatenlose Gesellschaft und die Entstehung von Klassengesellschaften. Wir zeichnen nach, wie auch in Klassengesellschaften in Form von Dorfgemeinden und AgrargenossInnenschaften Restbestandteile des Urkommunismus weiterexistierten. Allerdings war dieser „Agrarkommunismus“ bereits der aufgehobene Urkommunismus und wirkte innerhalb von sozialer Ungleichheit, Ausbeutung und staatlicher Verwaltung. Der Kapitalismus kann diesen „Agrarkommunismus“ in Form von GenossInnenschaften als kleinbürgerlich-kollektive Form der Warenproduktion integrieren. Wo der Urkommunismus sich nicht aus sich selbst heraus zu einer Klassengesellschaft entwickelt hat, wurde er von außen entweder vernichtet oder im Konflikt mit fremden Klassengesellschaften durch innere Kräfte selbst aufgehoben. In dieser Broschüre beschreiben wir die kapitalistische Vernichtung beziehungsweise Integration des vorkapitalistischen Kommunismus in Nordamerika/den USA, Australien, England/Irland, Russland und Mexiko. Auch vergleichen wir den vor- und den möglichen nachkapitalistischen Kommunismus.

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Annonce: Kritik des Linksnationalismus https://sbefreiung.blackblogs.org/2019/07/31/annonce-kritik-des-linksnationalismus/ https://sbefreiung.blackblogs.org/2019/07/31/annonce-kritik-des-linksnationalismus/#respond Wed, 31 Jul 2019 08:02:10 +0000 http://sbefreiung.blogsport.de/?p=107 Unsere neue Broschüre „Kritik des Linksnationalismus“ (ca. 126 Seiten) von Soziale Befreiung ist da. Die Broschüre könnt Ihr hier für 5-€ (inkl. Porto) auch als E-Book über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de bestellen.

Inhalt

Einleitung

1. Nationalkapitalistische Demokratien als politische Diktaturen

2. Nationalkapitalistischer „Sozialismus“

3. Globale Kooperation und Konkurrenz zwischen privat- und
staatskapitalistischen Nationen

4. Die mühsame Herausbildung des antinationalen Kommunismus

5. LinksdemokratInnen sind strukturelle NationalistInnen

6. Nationaldemokratischer Antifaschismus

7. Nationalkapitalistischer „Antiimperialismus“

8. Linksnationale Hetze gegen unsere migrantischen Klassengeschwister

9. „Weltoffenheit“ als politisch korrekter Nationalismus

10. EU-Patriotismus und nationale Austrittsbewegungen

Einleitung

Die Nation ist eine kapitalistische Scheingemeinschaftlichkeit aus AusbeuterInnen und Ausgebeuteten. Alle Nationalstaaten sind objektiv strukturelle Klassenfeinde des Weltproletariats. Der Nationalismus spaltet das Weltproletariat und integriert es in die globalen Nationalstaaten des Weltkapitalismus. Aus diesen drei Tatsachen ergibt sich zwangsläufig: SozialrevolutionärInnen müssen antinationale Positionen vertreten. Antinational sein heißt, die kapitalistische Scheingemeinschaftlichkeit der Nation durch die soziale Revolution zu sprengen beziehungsweise dies langfristig anzustreben. Wenn die soziale Befreiung von Ausbeutung und Unterdrückung materiellen Gewalt werden soll, dann müssen alle globalen Nationalstaaten zerschlagen werden! Sie müssen einer weltweiten klassen- und staatenlosen Gesellschaft Platz machen.
Die politische Linke ist in ihrer übergroßen Mehrheit national bis auf die Knochen. Aber natürlich auch internationalistisch. Der Internationalismus der LinkssozialdemokratInnen und der meisten LeninistInnen erschöpft sich darin, regierenden LinksnationalistInnen in anderen Ländern – zum Beispiel Maduro in Venezuela – hinterherzurennen. Natürlich muss der westliche Imperialismus bekämpft werden – genau so wie der russische und der chinesische. Imperialismus ist die sozialökonomische, politisch-diplomatische, ideologisch-propagandistische und militärisch-kriegerische Expansion der Nationalkapitale und -staaten. Der linksnationale „Antiimperialismus“ unterstützte und unterstützt nur einen vermeintlich „guten“ Imperialismus (Sowjetunion/Russland und China) und angeblich „fortschrittliche“ Nationalstaaten wie Kuba und Venezuela gegen den bösen US- und EU-Imperialismus. Während der antinationale Antiimperialismus selbstverständlich alle Staaten bekämpft.
Der Linksnationalismus ist genau so ein struktureller Klassenfeind des Weltproletariats wie der Rechtsnationalismus. Der antinationale Kommunismus will und kann als proletarische Befreiungsbewegung keine Bündnisse mit dem Linksnationalismus gegen den Rechtsnationalismus eingehen, er muss beide kompromisslos bekämpfen.
Diese Broschüre analysiert die Entwicklung des Linksnationalismus vom 19. Jahrhundert bis 2019. Sie weist nach, dass staatsförmige Realpolitik im Industriezeitalter nur nationalkapitalistisch sein kann, aber eben nicht antikapitalistisch. Die so genannten „sozialistischen“ Länder wie zum Beispiel die Sowjetunion und die DDR waren in Wirklichkeit staatskapitalistische Nationen. Einige von ihnen machten (China und Vietnam) und machen (Kuba) unter der Herrschaft der „Kommunistischen“ Partei die Transformation zum Privatkapitalismus durch. Die Broschüre analysiert den staatskapitalistischen „Sozialismus“ als einen wichtigen historischen Sozialbiotop des Linksnationalismus.
Doch der Staatskapitalismus ist heute eine vergangene Periode der Kapitalvermehrung. Während die leninistischen Politsekten, die leider noch immer subjektiv-ehrlich antikapitalistisch eingestellte Intellektuelle und ProletarierInnen anziehen und binden können, die keine Realpolitik machen können und/oder wollen, nostalgisch dem untergegangen Staatskapitalismus nachtrauern, integrieren sich die LinkssozialdemokratInnen – auch jene, die sich „KommunistInnen“ nennen – in die parlamentarischen Demokratien des Privatkapitalismus. Doch da die Demokratie als kapitalistische Realpolitik nur national zu haben ist, sind LinksdemokratInnen strukturelle LinksnationalistInnen. Die meisten von ihnen huldigen einem „weltoffenen“ Nationalismus, einige hetzen jedoch auch gegen MigrantInnen (Sahra Wagenknecht). Wieder andere, wie zum Beispiel die „Antideutschen“, setzen sich als Blockwarte des Zionismus in Szene – dabei auch nicht- und antizionistische Juden/Jüdinnen mit Dreck bewerfend. Der palästinensische Nationalismus, den viele andere linke KleinbürgerInnen unterstützen, ist selbstverständlich auch total sozialreaktionär. Propalästinensisch-linksnationaler Antizionismus geht sehr fließend in Antijudaismus über.
Die LinksdemokratInnen waren und sind natürlich auch bereit dazu, die reaktionäre Demokratie als kapitalistische Staatsform gegen den Faschismus und Militärdiktaturen zu verteidigen. Der nationaldemokratische Antifaschismus hat mit dem revolutionären Kampf gegen Nazis, FaschistInnen und Militärdiktaturen nichts zu tun, er ist selbst sozialreaktionär. Linksnationaler Antifaschismus terrorisierte, folterte und ermordete zum Beispiel im spanischen BürgerInnenkrieg und im Partisanenkampf in Italien klassenkämpferische ProletarierInnen und RevolutionärInnen. Noch heute richtet sich der Antifa-Gesinnungsterror auch gegen RevolutionärInnen.
Die Broschüre zeigt aber auch auf, wie sich der antinationale Kommunismus im Kampf gegen diese nationalistische Linksreaktion mühsam herausbildete. Wie der Marxismus als unreifer Kommunismus in nationalkapitalistischen Antikommunismus umschlug – und sich die wirkliche kommunistische Bewegung mühsam zu einer konsequent antinationalen Haltung hin entwickelte. Der antinationale Kommunismus reifte auf einem harten und steinigen Weg im Kampf gegen die Rechts- und Linksreaktion. Dabei ging es nicht immer nur voran, sehr oft folgten zwei Schritten vorwärts ein Schritt zurück. Unsere Broschüre beschreibt die Etappen auf dem Weg zu einem antipolitischen und antinationalen Kommunismus – kommunistischer Anarchismus sowie marxistischer Links- und Rätekommunismus – sowohl mit geschwisterlicher Empathie als auch mit der notwendigen Kritik.
ProletarierInnen aller Länder, vereinigt euch!
Nieder mit den Rechts- und LinksnationalistInnen!
Hoch die antinationale Solidarität!

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Von der Februar- zur Oktoberrevolution Teil 2 https://sbefreiung.blackblogs.org/2017/08/31/von-der-februar-zur-oktoberrevolution-teil-2/ https://sbefreiung.blackblogs.org/2017/08/31/von-der-februar-zur-oktoberrevolution-teil-2/#respond Thu, 31 Aug 2017 19:40:39 +0000 http://sbefreiung.blogsport.de/2017/08/31/von-der-februar-zur-oktoberrevolution-teil-2/ Wir veröffentlichen hier den zweiten Teil des Kapitels „Von der Februar- zur Oktoberrevolution“. Die gesamte Broschüre „Schriften zur russischen Revolution (1917-1921)“ könnt Ihr hier für 5-€ (inkl. Porto) über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de bestellen.

Doch kehren wir zum Kampf des Proletariats und der kleinbürgerlichen Parteien gegen Kornilow zurück. Eine große Rolle im Kampf gegen den Militärputsch spielten die EisenbahnarbeiterInnen und die Angestellten der Telegrafie. Die russische Generalität ging bei ihren Putschplänen einfach von einer funktionierenden Infrastruktur aus, ohne in Betracht zu ziehen, dass diese Infrastruktur von Lohnabhängigen getragen wurde und diese Lohnabhängigen nicht mehr einfach funktionierten, sondern durch und mit der russischen Revolution zu selbständigen Subjekten geworden waren. Und diese lohnabhängig-revolutionären Subjekte sabotierten objektiv die Infrastruktur der Konterrevolution. Die Angestellten des Telegrafenamtes informierten die Sowjets über die Pläne der Putschisten.
Die EisenbahnarbeiterInnen verhinderten die Ankunft des 3. Korps unter seinem Befehlshaber Krymow in Petrograd. Diese konterrevolutionäre Einheit hätte nach den Plänen der Putschisten schon am Abend des 27. August in der Hauptstadt der russischen Revolution sein sollen. Am Morgen des 28. August trafen die 8 Züge des 3. Korps in Luga ein. Doch dann konnten sie nicht weiterfahren, da die EisenbahnarbeiterInnen zuvor die Gleise beschädigt hatten. Der erzwungene Aufenthalt der konterrevolutionären Truppe wurde von den AgitatorInnen der Sowjets dazu genutzt, um die Soldaten von den Offizieren zu trennen. Dazu brauchten die ersteren den völlig desinformierten Soldaten nur die Wahrheit zu sagen: dass sie die Drecksarbeit eines Militärputsches verrichten sollten. Die Offiziere hatten ihren Soldaten gesagt, dass in Petrograd deutsche AgentInnen die Macht ergriffen hätten. Als die letzteren jetzt die Wahrheit erfuhren, waren sie nicht mehr bereit die Fußtruppen der Konterrevolution zu sein. Am Abend des 28. August waren Kornilows Truppen durch die Sabotage der EisenbahnarbeiterInnen und den Schutz Petrograds durch Armeetruppen und den Roten Garden besiegt.
Kornilow hatte sein Spiel verloren. Große Teile der russischen Bourgeoisie hatten die Alternative gestellt: Kornilow oder Lenin. Doch das russische Militär war schon zu dekadent, um eine stabile Diktatur gegen BäuerInnen, Proletariat und den kleinbürgerlichen Radikalismus zu errichten. Als dies im August deutlich wurde – blieb nur noch der staatskapitalistische Bolschewismus als Löser der Krise des russischen Staates übrig. Ja, die damaligen russischen Verhältnisse begünstigten den Bolschewismus. Bevor wir dessen Machteroberung im September/Oktober 1917 etwas genauer unter die Lupe nehmen, müssen wir uns mit der Agrarrevolte, der kleinbäuerlich-landproletarischen Bewegung der russischen Bevölkerungsmehrheit beschäftigen.
Die Bourgeoisie und die Provisorische Regierung waren unfähig und unwillig zu einer sofortigen und radikalen Agrarreform von oben, um einer kleinbäuerlich-landproletarischen Agrarrevolte von unten das Wasser abzugraben. Die Unfähigkeit und der Unwille der russischen Bourgeoisie zur radikalen Bodenreform, welche den feudalen Großgrundbesitz mit der Wurzel für immer vernichtet hätte, ergaben sich aus der engen politischen und sozialökonomischen Verschmelzung zwischen Privatkapital und landwirtschaftlichen Grundbesitz. Zum Teil besaßen auch städtische bürgerliche Schichten Landbesitz. Außerdem waren die GrundbesitzerInnen beim russischen Bankkapital verschuldet. Bei einer entschädigungslosen Enteignung des landwirtschaftlichen Großgrundbesitzes wäre das russische Bankkapital auf einen Haufen fauler Kredite sitzen geblieben. Die Verschleppung der Bodenreform wurde von der Bourgeoisie, der Provisorischen Regierung und den kleinbürgerlich-demokratischen Menschewiki und „SozialrevolutionärInnen“ durch die Delegation dieser Aufgabe auf die noch zu wählende Konstituierende Versammlung und der immer wieder verschobenen Durchführung von Wahlen zu dieser parlamentarischen Institution erreicht. Außerdem schuf die Provisorische Regierung bürokratisch-hierarchisch organisierte Landkomitees, welche offiziell eine Bodenreform vorbereiten sollten, diese aber in Wirklichkeit verschleppte. Die oberste Spitze dieser Institution war ein williges Werkzeug in den Händen des russischen Privatkapitals und des Grundbesitzes zur Verhinderung einer radikalen Agrarreform.
Doch die russischen KleinbäuerInnen und LandproletarierInnen ließen sich immer weniger vom politischen Personal der Bourgeoisie und des Großgrundbesitzes hinhalten. Wie wir bereits weiter oben schon dargelegt haben, gelang es dem Zarismus durch die Beteiligung am imperialistischen Weltkrieg und die massenhafte Verwandlung von BäuerInnen in Kanonenfutter die Agrarbewegung für eine gewisse Zeit zu ersticken. Doch nach der Februarrevolution begann sie wieder Ende März 1917 zaghaft ihr Haupt zu erheben. Bei dem halblegalen Erwachen der Agrarrevolte spielten die Sowjets kaum eine Rolle, da sie sich auf dem Lande nur sehr schwach entwickelten. Dafür wurden die unteren örtlichen Organe der Landkomitees von den KleinbäuerInnen in der sich langsam entwickelnden Agrarbewegung als legale Deckungsschilde benutzt. Unter dem Druck der kleinbäuerlichen Basis mussten die örtlichen unteren Landkomitees oft in die Verfügungsgewalt der GroßgrundbesitzerInnen über ihr Privateigentum an Grund und Boden eingreifen. So beschlagnahmten sie oft Ernten und Holzvorräte von großen Gütern um die sozialökonomische Reproduktion der KleinbäuerInnen zu gewährleisten. Auch gingen die örtlichen Landkomitees nicht selten durch Waffenbeschlagnahmungen bei GroßgrundbesitzerInnen gegen die feudal-bürgerliche Konterrevolution vor.
Doch die halblegale Deckung der bäuerlichen Agrarbewegung durch die Landkomitees währte nicht lange. Die Bewegung radikalisierte sich und ging im Sommer/Herbst 1917 zum offenen BäuerInnenkrieg gegen den Großgrundbesitz und die letzten Überreste der Leibeigenschaft über. Güter wurden verbrannt, vernichtet und geplündert, ihre BesitzerInnen verjagt und teilweise ermordet. Die großbäuerlichen Kulaken begannen eine bremsende Stellung im BäuerInnenkrieg gegen die Reste des Feudalismus einzunehmen, doch sie konnten von den KleinbäuerInnen und den lohnabhängigen LandproletarierInnen noch einmal in die Aktionen gegen den Großgrundbesitz mit hineingezogen werden, zumal sie in den Plünderungen den Löwenanteil für sich monopolisieren konnten. Noch einmal kämpfte das gesamte russische Dorf gegen den Großgrundbesitz, die soziale Differenzierung innerhalb der Dorfgemeinschaft zwischen GroßbäuerInnen einerseits und den von ihnen ausgebeuteten Landproletariat war zu schwach, um einen gesamtbäuerlichen Kampf gegen die Reste des Feudalismus zu verhindern. Die Agrarbewegung strebte die Aufteilung des Großgrundbesitzes in massenhaftes kleines Privateigentum an. Sie war also im Wesentlichen kleinbürgerlich und noch in der Lage den Klassengegensatz in sich zwischen GroßbäuerInnen und LandproletarierInnen durch den gemeinsamen Kampf weitgehend zu kaschieren und zu entspannen. Das russische Dorf kämpfe noch einmal geschlossen gegen die gemeinsamen Feinde: GroßgrundbesitzerInnen, Bourgeoisie und Provisorische Regierung, welche alle drei durch diese Agrarbewegung erheblich geschwächt wurden. Die kleinbürgerliche Agrarbewegung fand in der Periode des offenen BäuerInnenkrieges ihr organisatorisches Zentrum in der traditionellen Dorfversammlung. Denn auch die lokalen unteren Landkomitees waren durch ihren offiziellen und staatlichen Charakter für die Organisation des offenen BäuerInnenkrieges ungeeignet, während die Sowjets zu städtisch und die LandarbeiterInnengewerkschaften zu proletarisch für eine kleinbäuerliche Bewegung für Privateigentum waren.
Fazit: Die in ihrem Wesen nach antifeudale und kleinbürgerliche Agrarbewegung schwächte und destabilisierte die zur Bodenreform unwillige und unfähige Bourgeoisie und deren Provisorische Regierung. Die kleinbürgerlich-demokratischen Parteien der Menschewiki und der „SozialrevolutionärInnen“ klammerten sich an die Rockschöße der Bourgeoisie und verbündeten sich mit ihr gegen die kleinbäuerlich-landproletarische Agrarbewegung. Die rechten „SozialrevolutionärInnen“ widerriefen dadurch in der Praxis ihren kleinbürgerlichen Narodniki-Sozialismus. Dieser bestand darin, das kleinbürgerliche Intellektuelle dem bäuerlichen Kleineigentum irgendwelche „sozialistischen“ Tendenzen andichteten und die vorkapitalistische Mir, die traditionelle dörfliche Gemeinschaft der bäuerlichen KleineigentümerInnen zur Basis eines nichtkapitalistischen Entwicklungsweges für Russland herbeizuphantasieren. Wenn auch der Großteil der kleinbürgerlichen PolitikerInnen der „sozialrevolutionären“ Partei die Narodniki-Tradition in der Praxis widerrief, spalteten sich doch die „linken SozialrevolutionärInnen“ ab, welche die ideologische Schwärmerei für die BäuerInnen reproduzierten. Auch der russische Anarchismus idealisierte stark die russische BäuerInnenschaft. In ihm verschmolzen sich die progressive Tendenz seiner prinzipiellen Staatsfeindlichkeit untrennbar mit der sozialreaktionären Tendenz der Ideologisierung des bürgerlichen Individualismus – wozu auch der kleinbäuerliche gehörte –untrennbar zu einer im Großen und Ganzen nichtrevolutionären Ideologieproduktion.
Menschewiki und Bolschewiki standen in der Tradition der marxistischen Kritik am bäuerlichen Kleineigentum, der darauf basierenden kleinbürgerlichen Warenproduktion als Embryo von Kapital und Lohnarbeit. Auch wir stehen in dieser Tradition und haben diese Kritik schon weiter oben ausführlich dargelegt. Doch da die führenden Menschewiki und Bolschewiki selbst kleinbürgerliche BerufspolitikerInnen waren, verkörperten sie die reaktionäre Tendenz des Marxismus. Die Menschewiki klammerten sich an die Ideologie „der führenden Rolle der Bourgeoisie in der bürgerlichen Revolution“ – und halfen in der Praxis der privatkapitalistischen Sozialreaktion dabei eine antifeudale BäuerInnenbewegung zu ersticken.
Die Bolschewiki versprachen politisch eine kleinbürgerliche Bodenreform, um die Agrarbewegung gegen ihre groß- und kleinbürgerlichen GegnerInnen auszunutzen – ohne jegliche theoretische Illusionen in die Agrarbewegung zu hegen. Sie waren gezwungen sich dem bäuerlichen Kleineigentum eine gewisse Zeit anzupassen, wenn sie die politische Macht erobern und erhalten wollten. Und das wollten sie wie alle politischen Strömungen. So gedachten die bolschewistischen PolitikerInnen eine Bewegung kleinbäuerlicher PrivateigentümerInnen, welche die Aufteilung des Großgrundbesitz in noch mehr Kleineigentum anstrebte, und der sie im Prinzip feindlich gegenüberstanden, für das sozialreaktionäre Ziel der Eroberung der Staatsmacht auszunutzen. Für sozialrevolutionäre Ziele – die Zerschlagung des Staates und der Aufhebung der Warenproduktion – ließ sich die kleinbäuerlich-landproletarische Bewegung auch nicht nutzen. Das Landproletariat kämpfte zwar innerhalb der Agrarbewegung für seine Aufhebung –aber auf kleinbürgerlich-individualistischer Weise als zukünftige BodenbesitzerInnen oder auf kleinbürgerlich-kollektive Art mit der objektiven Tendenz genossenschaftliche Formen der Warenproduktion zu schaffen.
Die machtopportunistische Anpassung der Bolschewiki an die kleinbürgerliche Agrarbewegung kommt auch in Leo Trotzkis Geschichte der russischen Revolution recht gut zum Ausdruck. Wir zitieren:
„Das Programm der Sozialrevolutionäre hatte stets viel Utopisches enthalten: sie wollten den Sozialismus auf der Basis der kleinen Warenwirtschaft errichten. Doch die Grundlage ihres Programms war demokratisch-revolutionär: Enteignung der Gutsbesitzer. Vor die Notwendigkeit gestellt, das Programm zu erfüllen, verstrickte sich die Partei in Koalitionen (mit der Bourgeoisie, Anmerkung von Nelke). Gegen eine Bodenkonfiskation erhoben sich unversöhnlich nicht nur die Gutsbesitzer, sondern auch die kadettischen Bankiers: im Bodenbesitz waren nicht weniger als vier Milliarden Rubel der Banken investiert. Da sie planten, in der Konstituierenden Versammlung mit den Gutsbesitzern um den Preis zwar zu handeln, aber friedlich abzuschließen, waren die Sozialrevolutionäre eifrigst bemüht, den Muschik (den Bauern, Anmerkung von Nelke) nicht an den Boden heran zu lassen. Sie scheiterten somit nicht an dem utopischen Charakter ihres Sozialismus, sondern an ihrer demokratischen Unzulänglichkeit. Die Nachprüfung ihres Utopismus hätte Jahre erfordert. Ihr Verrat am Agrardemokratismus offenbarte sich im Laufe weniger Monate: unter einer Regierung der Sozialrevolutionäre mussten die Bauern den Weg des Aufstandes beschreiten, um das Programm der Sozialrevolutionäre zu verwirklichen.“ (Leo Trotzki, Geschichte der Russischen Revolution, Zweiter Teil: Oktoberrevolution (1), a.a.O., S. 705/706.)
Dieses Zitat belegt eindeutig, dass der 1917 zweitwichtigste Bolschewik nach Lenin nicht die geringsten Illusionen in die antifeudal-kleinbürgerliche Agrarbewegung hatte. Doch war diese Illusionslosigkeit in Bezug auf die kleinbäuerliche Agrarbewegung bei Trotzki mit der Idealisierung der bolschewistischen PolitikerInnen verbunden, welche nach ihrer politischen Machteroberung eine kleinbürgerliche Bodenreform durchführten: „Damit der Bauer den Boden säubern und von Zäunen befreien konnte, musste an die Spitze des Staates der Arbeiter treten: dies ist die einfachste Formel der Oktoberrevolution.“ (Ebenda, S. 720.) Ja, was Trotzki auch als „antistalinistischer“ Oppositioneller lieferte, war die ideologische Grundlüge über die Oktoberrevolution, mit der er sich selbst und das Weltproletariat betrog. Nein, an die Spitze des Staates traten bolschewistische BerufspolitikerInnen und nicht der/die Arbeiter/in. So diente der Kampf der KleinbäuerInnen und LandarbeiterInnen gegen den Großgrundbesitz dem kleinbürgerlichen Radikalismus, weil er die Kerenski-Regierung erheblich schwächte.

…..

Nach dem gescheiterten Kornilow-Putsch, einigten sich die Bourgeoisie und die kleinbürgerlich-demokratische Sowjetführung darauf, den unfähigen Kerenski weiterwirtschaften zu lassen. Doch das konnte nur noch eine kurze Zeit sein, da sich dieses Regime und mit ihm die ganze politische Herrschaft der Bourgeoisie hoffnungslos überlebt hatte. Die kleinbürgerlich-demokratischen Menschewiki und „SozialrevolutionärInnen“ verloren immer mehr Einfluss auf das Proletariat – und damit auch jegliche Bedeutung für die russische Bourgeoisie. Diese kleinbürgerlichen DemokratInnen wollten an der Seite der russischen Bourgeoisie großbürgerliche Strömungen werden, doch wegen der Schwäche des russischen Privatkapitals wurden sie gemeinsam mit diesem vom staatskapitalistischen Bolschewismus hinweggefegt.
Die proletarische Basis der Menschewiki und „SozialrevolutionärInnen“ begann nach dem gescheiterten Kornilow-Putsch sich immer stärker den Bolschewiki zuzuwenden. Die Bolschewiki beherrschten politisch und ideologisch große Teile des subjektiv revolutionären Proletariats. Menschewiki und „SozialrevolutionärInnen“ beherrschten zwar noch die gesamtrussische Führung der Sowjets, aber immer mehr lokale Sowjets konnten von den Bolschewiki politisch erobert werden. Anfang September gelang es den bolschewistischen PolitikerInnen auch die lokalen Sowjets von Petrograd und Moskau unter ihre Kontrolle zu bekommen. Führer des Petrograder Sowjets wurde der bolschewistische Politiker Trotzki, welcher von der Provisorischen Regierung gegen Kaution aus der Haft entlassen wurde. Die kleinbürgerlich-demokratischen Menschewiki und „SozialrevolutionärInnen“ versuchten gegen die Opposition des kleinbürgerlich-radikalen Bolschewismus die Einberufung eines gesamtrussischen Sowjetkongresses zu verhindern, weil ihnen auf diesem die völlige Entmachtung drohte. „Alle Macht den Sowjets!“ hieß nun objektiv: alle Macht den bolschewistischen Sowjets beziehungsweise den bolschewistischen PolitikerInnen innerhalb der Sowjets. Nach einigen Hin und Her wurde der Termin für den kommenden Sowjetkongress von der alten menschewistisch-„sozialrevolutionären“ gesamtrussischen Führung der Sowjets auf den 25. Oktober 1917 gelegt.
Die kleinbürgerlichen DemokratInnen von der menschewistischen und „sozialrevolutionären“ Partei schufen allerdings auch im September 1917 eine „Demokratische Versammlung“, auf der sich groß- und kleinbürgerliche Organisationen tummelten und aus der ein Vorparlament hervorging. Diese Demokratische Versammlung und das Vorparlament waren von Anfang an parlamentarische Gegenorganisationen zu den sich bolschewisierenden Sowjets. Lenin und Trotzki kämpften für den Boykott des Vorparlaments durch die bolschewistische Partei, konnten sich am Anfang aber damit nicht innerhalb des kleinbürgerlich-radikalen BerufspolitikerInnentums durchsetzen. Doch schließlich gelang es den zwei führenden Bolschewiki sich im internen Machtkampf durchzusetzen. Dabei konnten sie sich auch auf die subjektiv proletarisch-revolutionäre Massenbasis des Bolschewismus stützen. Am 7. Oktober 1917 verließ die bolschewistische Partei das Vorparlament.
Lenin und Trotzki hielten nun die Zeit für die politische Machtübernahme der bolschewistischen Partei im Gewand der Sowjets für gekommen. Doch innerhalb der bolschewistischen Parteibürokratie gab es eine starke Opposition, welche aktiv oder passiv gegen den Kurs der politischen Machtübernahme in Form eines Staatsstreiches im Namen der Sowjets und des Proletariats opponierten. Diese Opposition, welche von Sinowjew und Kamenjew geführt wurde, war im Wesentlichen kleinbürgerlich-demokratisch und wollte weiterhin die legalen Spielregeln innerhalb der groß- und kleinbürgerlichen Demokratie einhalten. Sie zeigte deutlich, dass der Bolschewismus nur eine inkonsequente kleinbürgerlich-radikale Abspaltung von der Demokratie war, aber nicht deren konsequente sozialrevolutionäre Kritik. Doch der kleinbürgerlich-radikale Charakter der bolschewistischen Partei konnte sich im Oktober 1917 gegen die kleinbürgerlich-demokratische Tradition und Opposition durchsetzen. Am 10. Oktober 1917 beschloss das bolschewistische Zentralkomitee gegen die Opposition von Sinowjew und Kamenjew den Kurs auf den bewaffneten Staatsstreich.
Organisatorische Basis dieses Staatsstreiches wurde das Militärische Revolutionskomitee des Petrograder Sowjets. Im Hintergrund zog die Militärische Organisation der bolschewistischen Partei die Fäden des Staatsstreiches. Allerdings hatte der bolschewistische Staatsstreich eine solide proletarische und soldatische Massenbasis und es beteiligten sich auch einige „linke SozialrevolutionärInnen“ und AnarchistInnen aktiv an der Oktoberrevolution. Ausgangspunkt der Oktoberrevolution wurde der Versuch der Provisorischen Regierung die Armeeeinheiten Petrograds an die Front zu verlegen. Das Militärische Revolutionskomitee des Petrograder Sowjets ernannte KommissarInnen für die Truppenteile und gab an die Soldaten die Anweisung künftig nur Befehle zu befolgen, die auch von den KommissarInnen der Sowjets akzeptiert würden. Damit verhinderte das Militärische Revolutionskomitee nicht nur die Verlegung der Petrograder Soldaten an die Front, sondern es streckte auch die Hand zur politischen Eroberung der größten Teile der Petrograder Truppenteile aus. Bereits vor der Oktoberrevolution wurde die Armee in der Hauptstadt der Revolution politisch in drei Teile gespalten: probolschewistische, regierungstreue und neutrale Einheiten.
Neben bestimmten militärischen Einheiten verfügte das Militärische Revolutionskomitee des bolschewistisch beherrschten Petrograder Sowjets auch über das bewaffnete Proletariat, die Roten Garden, welche auch aktiv an der Oktoberrevolution teilnahmen. Weiter oben haben wir die Roten Garden als Keimform einer Diktatur des Proletariats bezeichnet. Nach unseren heutigen Erfahrungen kann die Diktatur des Proletariats keine Staatsform, sondern nur die gewaltsame Zerschlagung des Staates durch das Proletariat sein. Die Diktatur des Proletariats kann also objektiv nur antipolitisch wirksam werden. Indem die Roten Garden während der Oktoberrevolution sich bolschewistischen BerufspolitikerInnen unterordneten, welche durch einen Staatsstreich sich die politische Macht eroberten, handelten sie objektiv nicht als Diktatur des Proletariats, wenn auch ihre Basis subjektiv ehrlich und sozialrevolutionär war. Durch ihre eigenen politischen Illusionen gegen die bolschewistischen BerufspolitikerInnen entwaffnet wurden die bewaffneten ProletarierInnen zur Manövriermasse des kleinbürgerlichen Radikalismus als Keimform der kommenden staatskapitalistischen Sozialreaktion. Als diese sich weiter entwickelte, brauchte sie natürlich eine „richtige“, das heißt eine bürgerlich-bürokratische, Armee, welche natürlich rot gestrichen wurde. Die Integration der Roten Garde in der „Rote Armee“ war die Entwaffnung des Proletariats zu Gunsten eines staatskapitalistischen Militarismus (siehe dazu auch das Kapitel Staatskapitalistische Reaktion gegen privatkapitalistische Reaktion im Text Der BürgerInnen- und imperialistische Interventionskrieg (1918-1921)).
Doch kehren wir in den Oktober 1917 zurück. Das Militärische Revolutionskomitee des Petrograder Sowjets tarnte auch noch während der Oktoberrevolution, welche am 24. Oktober 1917 begann, seinen offensiven Kampf um die politische Macht mit defensiven öffentlichen Erklärungen. Die hilflosen Reflexe zur Selbstverteidigung, welche von dem sterbenden privatkapitalistischen Regime ausging, stellte der Führer des Petrograder Sowjets, Trotzki, als Beginn der Konterrevolution dar, gegen die sich der Sowjet nur verteidige. Am Morgen des 24 Oktober 1917 verfügte die Provisorische Regierung in der Tat die Entmachtung der sowjetischen KommissarInnen in der Armee, das Verbot der bolschewistischen Presse und die Verhaftung des Militärischen Revolutionskomitees. Doch an der Offensive des Petrograder Sowjets, des bewaffneten Proletariats und der offen den Gehorsam verweigernden Armeeeinheiten zerbrach der schwächliche Widerstand der privatkapitalistischen Sozialreaktion.
In der Nacht vom 24. zum 25. Oktober ging das Militärische Revolutionskomitee zur offensiven Machteroberung über. Es ließ durch probolschewistische Soldaten, Matrosen und Roten Garden die Bahnhöfe Petrograds, die Elektrizitätszentrale, das Militär- und das Proviantlager, die Wasserleitung, die Schlossbrücke, die Telefonzentrale und die großen Druckereien besetzen. Dies geschah im Wesentlichen ohne Gegenwehr des alten Regimes und ohne Blutvergießen. Die einzige Schwierigkeit war die Einnahme des Winterpalais, dem Sitz der Provisorischen Regierung, welches durch die letzten regierungstreuen bewaffneten Einheiten des Kerenski-Regimes gegen den bolschewistischen Staatsstreich gehalten wurde. Dieser letzte militärische Widerstand des sterbenden Regimes konnte erst durch den Sturm der ArbeiterInnen, Soldaten und Matrosen in der Nacht zum 26. Oktober 1917 erfolgreich gebrochen werden.
Als am 25. Oktober 1917 der gesamtrussische Sowjetkongress zu tagen begann, war der bolschewistische Staatsstreich noch nicht beendet, das Winterpalais noch nicht eingenommen. Der bewaffnete Aufstand hatte sich verspätet, der Sowjetkongress sollte nach den ursprünglichen bolschewistischen Plänen mit dem vollendeten Sturz der Provisorischen Regierung konfrontiert werden, um die alte gesamtrussische Sowjetführung aus Menschewiki und „SozialrevolutionärInnen“ von Anfang an geschwächt zu entmachten. Die Bolschewiki konnten aber trotz der verspäteten Beendigung ihrer Oktoberrevolution Dank ihrer Mehrheit ihr Ziel erreichen: die Sanktion ihres Staatsstreiches durch den Sowjetkongress.
Die rechten Menschewiki und „SozialrevolutionärInnen“ verließen nach einigen antibolschewistischen Erklärungen den Sowjetkongress. Die linken Menschewiki versuchten die Bolschewiki von der Idee zu überzeugen, eine Koalitionsregierung zusammen mit Menschewiki und „SozialrevolutionärInnen“ zu bilden. Mal abgesehen davon, dass auch diese Regierung so wie jede andere Staatsführung objektiv nur sozialreaktionär sein konnte, war diese Idee vollkommen hilflos und utopisch. Für eine Koalition zwischen der kleinbürgerlichen Demokratie als linker Flanke der bereits vollkommen überlebten privatkapitalistischen Sozialreaktion und dem kleinbürgerlich-radikalen Bolschewismus als Keimform der beginnenden erfolgreichen staatskapitalistischen Sozialreaktion gab es keine materielle Basis. Als die linken Menschewiki von den Bolschewiki die Abfuhr erhielten, verließen auch sie nach und nach den Sowjetkongress. Die linken „SozialrevolutionärInnen“ hegten zu diesem Zeitpunkt ähnliche Illusionen über eine objektiv unmögliche Koalition zwischen kleinbürgerlicher Demokratie und kleinbürgerlichem Radikalismus. Doch sie verließen den Sowjetkongress nicht, allerdings beteiligten sie sich auch nicht am 26. Oktober an der Regierungsbildung der Bolschewiki. Sie wollten weiterhin zwischen der künftigen bolschewistischen Regierung und den kleinbürgerlichen DemokratInnen vermitteln. Das war nicht gerade sehr sozialrevolutionär. Auch die kurze Beteiligung der „linken SozialrevolutionärInnen“ an der bolschewistischen Regierung vom Dezember 1917 bis in den März 1918 war es nicht, weil objektiv jede Staatsführung nur sozialreaktionär sein kann, unabhängig davon ob eine klassen- und staatenlosen Gesellschaft in einer geschichtlich konkreten Situation objektiv möglich ist oder nicht. Das bolschewistische Lenin/Trotzki-Regime, was am 26. Oktober 1917 auf dem Sowjetkongress gebildet wurde, war also von Anfang an sozialreaktionär, auch wenn im damaligen Russland objektiv nicht „mehr“, also eine klassen- und staatenlose Gesellschaft, möglich war.
Außerdem wurden am 26. Oktober 1917 zwei wichtige Dekrete beschlossen, nämlich das „Dekret über Grund und Boden“, über dessen Bedeutung wir noch weiter unten schreiben werden, und das „Dekret über den Frieden“. Dieses richtete sich sowohl an die Staaten wie an die „Völker“ der privatkapitalistischen Nationen mit dem Aufruf den imperialistischen Krieg ohne Annexionen und Kontributionen zu beenden. Dieses Dekret war objektiv nicht sozialrevolutionär, weil ein Frieden zwischen bürgerlichen Nationalstaaten nur ein Frieden gegen das Weltproletariat sein konnte, der ein neues globales Gemetzel vorbereitete. Objektiv war das „Dekret über den Frieden“ nur ein Ausfluss des sozialreaktionären Nationalpazifismus. Genau wie der Krieg, den das junge bolschewistische Regime zwischen 1918 und 1921 gegen die russische und internationale privatkapitalistische Sozialreaktion führte, als der Krieg eines Staates objektiv nicht revolutionär und auch nur ein Krieg gegen das Proletariat sein konnte. Dass sich das „Dekret über den Frieden“, auch an die „Völker“ der privatkapitalistischen Nationen wandte – nicht an die ProletarierInnen! – machte diese Erklärung nicht sozialrevolutionär. Denn was die Bolschewiki damals verschwommen unter Weltrevolution verstanden, war ganz bestimmt nicht das, was wir heute unter einer globalen revolutionären Selbstaufhebung des Proletariats verstehen. Die von ihnen 1919 gegründete „Kommunistische“ Internationale richtete sich damals schon gegen die fortgeschrittensten sozialrevolutionären ArbeiterInnen und Intellektuellen, war also auch von Anfang an objektiv sozialreaktionär.
Natürlich war noch sehr viel praktische Erfahrung nötig, bis die oben genannten Objektivitäten auch subjektiv so klar erkannt werden konnten. 1917 war diese subjektive Reife des sozialrevolutionären Bewusstseins objektiv noch nicht möglich. Aber heute ist sie möglich und auch notwendig! Diese subjektive Klarheit stellen wir gegen alle partei-„kommunistischen“ Märchenbücher über den angeblich „proletarischen“ Bolschewismus und den von ihn beherrschten Staat!
Die Oktoberrevolution war ein Staatsstreich der kleinbürgerlich-radikalen bolschewistischen Partei. Allerdings konnte dieser sich am Anfang auf eine gewaltige proletarische und kleinbäuerliche Massensympathie stützen, die aber wiederum nur aus Illusionen bestand. Die Oktoberrevolution war ein höchst widersprüchlicher sozialer Prozess. Ja, es ist wahr, dass im Oktober 1917 kleinbürgerlich-radikale BerufspolitikerInnen die Staatsmacht eroberten, um kurze Zeit später ein staatskapitalistisches Regime zu errichten. Aber es ist genau so wahr, dass im Oktober 1917 nicht wenige ehrliche und subjektiv sozialrevolutionäre ProletarierInnen – wenn auch mit bolschewistischen Illusionen im Kopf – die Gelegenheit nutzten, um mit dem verhassten demokratischen Regime Schluss zu machen, welches sich innerhalb von acht Monaten im damaligen Russland schon völlig überlebt hatte. Nicht wenige subjektiv ehrliche proletarische RevolutionärInnen überwanden nach Erfahrungen mit dem sozialreaktionären bolschewistischen Regime ihre Illusionen in die Partei und den Staat von Lenin/Trotzki und begannen auch gegen den Staatskapitalismus zu kämpfen – am klarsten und bewusstesten im Kronstädter Aufstand von März 1921.
Noch einmal in aller Deutlichkeit: die sozialrevolutionäre Kritik am Bolschewismus hat nicht das Geringste mit dem Gewimmer kleinbürgerlicher DemokratInnen, welches mit der bolschewistischen Machtübernahme einsetzte, gemeinsam. Ja, unsere theoretische und praktische Kritik an der Demokratie ist wesentlich radikaler und konsequenter als die des Bolschewismus in seiner radikalsten Entwicklungsphase. Wir möchten daran erinnern, dass die bolschewistische Partei während der gesamten Zeit vor der Oktoberrevolution durch ihre Beteiligung an den Stadtdumas an den Hokuspokus des demokratischen Regimes teilnahm und ebenfalls die Einberufung der parlamentarischen Konstituierenden Versammlung von der Provisorischen Regierung verlangte. Ja, die Bolschewiki ließen sogar nach ihrem Sturz der Provisorischen Regierung Wahlen zu diesem Parlament durchführen. Allein diese Tatsache bewies schon hinlänglich, dass weder die bolschewistische Partei noch ihr Staatsstreich im Oktober 1917 wirklich sozialrevolutionär war.
Doch bei den Wahlen zur Konstituierenden Versammlung gewann am 5. Januar 1918 (nach alten russischen Kalender) nicht die bolschewistische Partei, sondern die bäuerliche Bevölkerungsmehrheit wählte massenhaft rechte „SozialrevolutionärInnen“, gegen deren Politik sie doch im Herbst 1917 eine Agrarrevolte durchgeführt hatte. Vielleicht hatte sich bei den BäuerInnen der Unterschied zwischen rechten und linken „SozialrevolutionärInnen“ noch nicht herumgesprochen… Nun ja, die Gründe, warum ProletarierInnen und KleinbürgerInnen bestimmte PolitikerInnen durch demokratische Wahlen legitimieren in ihrem Namen und gegen ihre Interessen zu regieren, sind eigentlich immer irrational. Rational kann nur die Zerschlagung des demokratischen Parlamentarismus durch die Diktatur des Proletariats sein. Allerdings war die Sprengung der Konstituierenden Versammlung durch das bolschewistische Regime nach nur einer Sitzung objektiv nicht sozialrevolutionär, weil sie der Herausbildung eines staatskapitalistischen Regimes diente.

…..

Die Oktoberrevolution war aus proletarischer Sicht nicht sozialrevolutionär. Sie war die politische Machtübernahme des bolschewistischen kleinbürgerlichen Radikalismus gegen die Bourgeoisie und die GroßgrundbesitzerInnen – aber auch gegen die BäuerInnen und das Proletariat. Die ideologischen Verrenkungen des Partei-„Kommunismus“ in all seinen Schattierungen, um die Oktoberrevolution als „proletarisch“ oder „sozialistisch“ erscheinen zu lassen, halten der historischen Wirklichkeit nicht stand. Die politische Eroberung des bürgerlichen Machtapparates, des Staates, kann objektiv niemals sozialrevolutionär sein. Auch die bolschewistische Partei war nicht die „Avantgarde des Proletariats“, sondern das Machtzentrum kleinbürgerlich-radikaler PolitikerInnen, welche durch die Eroberung der Staatsmacht großbürokratisch wurden.
Denn der „ArbeiterInnenstaat“, welcher in der Wirklichkeit nichts anderes sein kann als der rot gefärbte bürgerliche Staat, kann nur in der marxistischen Ideologieproduktion absterben. In der sozialen Realität versucht jeder Staat seine Machtbasis auszuweiten. Die Organisationsweise des Staates ist bürokratisch, er ordnet sich auch das Proletariat unter. Das Proletariat kann den Staat nur möglicherweise zerschlagen, aber unmöglich ihn politisch erobern. In dieser grundlegenden Frage hat der Anarchismus gegenüber dem Marxismus Recht, doch stellte der erstere kaum ein tragfähiges theoretisches Fundament zur sozialrevolutionären Zerschlagung des Staates dar, sondern oft nur eine ideologische Verzierung des kleinbürgerlichen Individualismus. Die bürgerliche Gesellschaft besteht auf der einen Seite aus Marktsubjekten – einschließlich der LohnarbeiterInnen, welche ihre Arbeitskraft an Kapital und Staat vermieten und Konsumgüter kaufen –, die gegeneinander einen gnadenlosen Konkurrenzkampf führen und einem bürokratischen Machtapparat mit Namen Staat, der als scheinbar neutraler Schiedsrichter dafür sorgt, dass dieser Konkurrenzkampf nach gewissen Regeln geführt wird. Staat und vereinzelte Individuen als konkurrierende Marktsubjekte reproduzieren sich gegenseitig. Indem ein Großteil der AnarchistInnen die „Freiheit der Persönlichkeit“ gegen den Staat verteidigt, verteidigt er in Wirklichkeit den bürgerlichen Individualismus gegen den Staat, aber nicht die Perspektive der proletarischen Staatszerschlagung. Am stärksten sind diese sozialreaktionären Tendenzen im Individualanarchismus und Anarchokapitalismus sichtbar. Aber auch in scheinbar linkeren Varianten des Anarchismus gibt es starke kleinbürgerlich-individualistische Tendenzen, welche zum Beispiel in der Verklärung der KleinbäuerInnen zum Ausdruck kommen.
Schon allein wegen der KleinbäuerInnen, welche nach Kleineigentum strebten – also nach kleinbürgerlicher Warenproduktion und damit Individualismus und den Staat als Schiedsrichter reproduzierend –, war eine Zerschlagung des russischen Staates objektiv nicht möglich. Die bolschewistischen PolitikerInnen schufen mit ihrer Bodenreform sofort nach der Oktoberrevolution die soziale Basis zur Entfaltung der kleinbäuerlichen Warenproduktion. Per Dekret wurde der Grundbesitz des Adels, der Krone und der Klöster entschädigungslos enteignet. Mit dieser Maßnahme war die politische Machtübernahme durch den Bolschewismus zugleich der Höhepunkt der antifeudalen Revolution. Dieser Höhepunkt der antifeudalen Revolution durch die bolschewistische Bodenreform konnte nur durch die vorherige politische Entmachtung der liberalen Bourgeoisie durchgesetzt werden, während die Machtübergabe an die Liberalen durch die kleinbürgerlich-demokratischen Menschewiki und „SozialrevolutionärInnen“ im März 1917 die endgültige Beseitigung des Feudalismus in Russland nur verzögerte. Entgegen dem menschewistischen Dogmengebäude von der „logischen Führung der Bourgeoisie in der bürgerlichen Revolution“, wurde der kleinbürgerlich-radikale Bolschewismus zum politischen Subjekt der antifeudalen Revolution – gegen die Bourgeoisie.
Doch zugleich bekämpfte das bolschewistische Regime schon unter Lenin und Trotzki unerbittlich die selbständige kleinbäuerlich-landproletarische Machno-Bewegung in der Ukraine (siehe dazu das Kapitel Sowjetrussischer Imperialismus in der Ukraine im Text Der BürgerInnen- und imperialistische Interventionskrieg (1918-1921)) und das Stalin-Regime liquidierte dann später die kleinbäuerlich-individuelle Warenproduktion auf dem Land und verwandelte alle BäuerInnen in Staatsknechte und -mägde. Die kapitalistische Stadt –hier ein staatskapitalistisches Regime – ordnete sich das bäuerliche Dorf unter. Dies war eine unerbittliche Folge der sozialen Schwerkraft des Industriekapitals, gegen die keine kleinbäuerliche Bewegung ankommen kann. Während in der privatkapitalistischen Ökonomie die kleinbäuerlichen Wirtschaften durch die „unsichtbare Hand des Marktes“ schleichend untergehen, sorgte in der Sowjetunion die nur allzu sichtbare Faust des Staates für die Beseitigung der kleinbürgerlichen Warenproduktion auf dem Lande. So ging der Höhepunkt der antifeudalen Revolution folgerichtig in die staatskapitalistische Sozialreaktion gegen die KleinbäuerInnen über.
Nur die revolutionäre Selbstaufhebung des Landproletariats als Teil des globalen Gesamtproletariats kann die kapitalistische Landwirtschaft aufheben, während die kleinbäuerlich-landproletarische Bewegung während der russischen Revolution objektiv nur die Landwirtschaft vom alten Plunder des Feudalismus reinigen konnte – aber niemals die soziale Basis für eine nachkapitalistische klassenlose Gesellschaft schaffen konnte. Dass ein Teil der kleinbäuerlich-landproletarischen Bewegung – AnarchistInnen und „linke SozialrevolutionärInnen“ – ihren grundsätzlich kleinbürgerlichen Charakter ideologisch mit viel Sozialromantik etwas schmückten und noch heute verklären, ändert ebenfalls nichts an den historischen Tatsachen.
Außerdem war die Oktoberrevolution der Höhepunkt der antiprivatkapitalistischen Revolution und zugleich der Umschlagmoment in die siegreiche staatskapitalistische Sozialreaktion gegen das Proletariat. Der sowjetische Staat wurde schon unter Lenin und Trotzki objektiv zum sozialökonomischen Ausbeuter und zum politischen Unterdrücker des Proletariats. Die Umwandlung der Sowjets in Staatsorgane konnte objektiv nur deren Transformation von Mischformen aus embryonalen Keimformen der proletarischen Selbstorganisation und Organen der kleinbürgerlichen „ArbeiterInnendemokratie“ in Werkzeuge der bolschewistischen Parteidiktatur gegen das Proletariat bedeuten.
In der Industrie experimentierte der Bolschewismus eine Weile mit der „ArbeiterInnenkontrolle“. Die industrielle Bourgeoisie behielt ein paar Monate ihr Eigentum an industriellen Produktionsmitteln, doch die Bourgeoisie sollte vom Industrieproletariat kontrolliert werden. Es wurden dazu ArbeiterInnenkontollorgane geschaffen, dessen Entscheidungen für das Betriebsmanagement verbindlich waren. Das Geschäftsgeheimnis wurde aufgehoben. Die „ArbeiterInnenkontrolle“ institutionalisierte also die Doppelherrschaft zwischen Bourgeoisie und Organen der proletarischen Selbstorganisation beziehungsweise der kleinbürgerlichen „ArbeiterInnendemokratie“. Ja, auch diese ArbeiterInnenkontrollorgane stellten wieder eine typische Mischform zwischen Klassenkampforganen und Instanzen einer kleinbürgerlichen Demokratie dar. Durch diese Institutionalisierung der Doppelherrschaft im privatkapitalistischen Betrieb war die Kraft, welche den Rahmen vorgab, nämlich das bolschewistische Regime, die sozial stärkste Kraft im Dreiecksverhältnis zwischen Bourgeoisie, Proletariat und Staat. Die letztgenannte Kraft intervenierte von Anfang an stark in die – noch! –privatkapitalistische Wirtschaft. Bereits im Dezember 1917 wurde das Organ der zentralbürokratischen Planwirtschaft, der „Oberste Volkswirtschaftsrat“ errichtet. Er sollte die Volkswirtschaft organisieren und die Staatsfinanzen beaufsichtigen.
Der bürgerliche Historiker Helmut Altrichter beschrieb das Regime der „ArbeiterInnenkontrolle“ in der russischen Wirtschaft: „Bei der Einführung der Arbeiterkontrolle war offen geblieben, welche Rechte künftig noch dem Unternehmer zustehen sollten, und die politische Führung hatte dazu auch keine einheitliche Meinung. Die Arbeiterkontrollorgane legten ihre neuen Befugnisse extensiv aus, zeigte sich Widerstand, so griff man sehr schnell zum Mittel der Enteignung. Die Zahl der ,sozialisierten‘, ,kommunalisierten‘ Betriebe ging schon im Winter 1917/18 in die Hunderte. Nicht nur Großunternehmen waren davon betroffen, nein, auch und vor allem Klein- und Kleinstbetriebe.
Wie sollten diese Betriebe künftig geführt werden? Dazu gab es keine einheitlichen Richtlinien. Was durften die Wirtschaftsorgane vor Ort, was mussten sie den übergeordneten Stellen überlassen? Nirgends waren die Kompetenzen abgegrenzt, und der Oberste Volkswirtschaftsrat befand sich erst im Aufbau. Sollte, musste die ,Attacke auf das Kapital‘ fortgesetzt werden? Es gab viele in der Partei, allen voran die ,linken Kommunisten‘, die das forderten. Oder war bereits mehr ,nationalisiert, konfisziert, zerschlagen und zerbrochen‘ als man erfassen und verwalten konnte. Lenin war im Frühjahr 1918 dieser Meinung, und er forderte die Rückkehr zu Disziplin und Ordnung, wenn man nicht in Anarchie und Chaos versinken wolle. (Helmut Altrichter, Kleine Geschichte der Sowjetunion 1917-1991, Verlag C.H.Beck, München 2007, S. 34.)
Wir sehen hier deutlich: Das ungeklärte Dreiecksverhältnis zwischen Bourgeoisie, „ArbeiterInnenkontrollorganen“ und dem bolschewistischem Staat führte zu ökonomischem Chaos. Außerdem war zu befürchten, dass die ArbeiterInnenklasse ohne Eingreifen des Staates genossenschaftliche Eigentumsformen, also kleinbürgerlich-kollektive Formen der Warenproduktion, in der Industrie durchsetzen würde. Doch das war nicht im Interesse des bolschewistischen Regimes.
Die „ArbeiterInnenkontrolle“ war also unhaltbar. Die sozial stärkste Kraft im Dreiecksverhältnis, der bolschewistische Staat, holte im Frühsommer 1918 mit der Verstaatlichung der wichtigsten industriellen Produktionsmittel zum entscheidenden Schlag aus – sowohl gegen die Bourgeoisie als auch gegen das Proletariat. Die Verstaatlichung der industriellen Produktionsmittel war der Höhepunkt der antiprivatkapitalistischen Revolution des kleinbürgerlichen Radikalismus gegen die Bourgeoisie – und zugleich der Umschlagmoment in die staatskapitalistische Sozialreaktion gegen das Proletariat. Denn die Verstaatlichung der industriellen Produktionsmittel war nicht die Aufhebung des Kapitals, sondern dessen Verstaatlichung. Die Partei/Staatsbürokratie verfügte praktisch über das staatliche Eigentum an Produktionsmitteln, dies hieß, sie bestimmte was und wie produziert wurde, während die ArbeiterInnenklasse ihre kollektive Arbeitskraft an den Staat – also an dessen Bürokratie – vermieten musste. Die Partei/Staatsbürokratie verfügte über den proletarisch produzierten Mehrwert. Einen Teil davon eignete sie sich legal und illegal als Konsumtionsfonds an, den anderen Teil investierte sie in die ursprüngliche staatskapitalistische Industrialisierung.
Der Bolschewismus war keine abenteuerlich-sozialromantische oder gar anarchistische Kraft, wie der Menschewismus es darstellte. Er war die einzige Kraft zur kapitalistischen Lösung der Krise des russischen Staates. Die russische Bourgeoisie war schon vor der Revolution von 1917 zu schwach dazu, um die politische Macht zu erobern. Sie verbündete sich vor der Februarrevolution mit GroßgrundbesitzerInnen und Zarismus für den imperialistischen Krieg und gegen Proletariat, KleinbäuerInnen und den kleinbürgerlich-radikalen Bolschewismus. Nach der Februarrevolution reproduzierte sie die gleiche Sozialreaktion – ohne den Zaren. Die gewaltige soziale Sprengkraft der russischen Revolution fegte die schwache Bourgeoisie hinweg, doch das subjektiv revolutionäre Proletariat war sozial (es war noch eine Minderheit in der russischen Gesellschaft) und geistig (keine bewusste Kritik der Warenproduktion und der Politik) zu schwach um sich selbst aufzuheben. Also löste der kleinbürgerlich-radikale Bolschewismus die Krise des russischen Staates in dem er das Kapital verstaatlichte und sich dadurch objektiv selbst zu einer staatskapitalistisch-sozialreaktionären Kraft transformierte, der sich selbst und das Proletariat mit einer antikapitalistisch-„kommunistischen“ Ideologieproduktion betrog.

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Kronstadt und die Dekadenz des Parteimarxismus https://sbefreiung.blackblogs.org/2016/03/04/kronstadt-und-die-dekadenz-des-parteimarxismus/ https://sbefreiung.blackblogs.org/2016/03/04/kronstadt-und-die-dekadenz-des-parteimarxismus/#respond Fri, 04 Mar 2016 17:18:01 +0000 http://sbefreiung.blogsport.de/2016/03/04/kronstadt-und-die-dekadenz-des-parteimarxismus/ Zum 95. Jahrestag des Kranstädter Aufstandes veröffentlichen wir das Kapitel „Kronstadt und die Dekadenz des Parteimarxismus“ aus der Broschüre „Schriften zur russischen Revolution“. Der Aufstand der Kronstädter Matrosen bleibt immer noch für viele SozialrevolutionärInnen ein Leuchtturm des revolutionäres Kampfes.

Kronstadt und die Dekadenz des Parteimarxismus

Der Aufstand der Kronstädter Matrosen im März 1921 war der tragische Höhepunkt der russischen Revolution, der notwendigerweise in einer Niederlage enden musste, weil für einen revolutionären Sieg jede Voraussetzung fehlte. In ihm kämpfte die soziale Avantgarde der russischen Revolution, die Matrosen von Kronstadt, gegen die bolschewistisch-staatskapitalistische Konterrevolution. Es war das letzte Aufbäumen der proletarisch-revolutionären Selbstorganisation im Klassenkampf, bevor sie im Blut erstickt worden ist. „Kronstadt!“ ist und bleibt der Stachel im Arsch des Parteimarxismus.
Red Devil schrieb über die Entwicklung des Kronstädter Aufstandes: „Kronstadt selbst war eine befestigte Insel, die – vor Petrograd gelegen – zum Schutz der Hauptstadt gedacht war und deren Befestigungsanlagen dementsprechend zur Land abgewandten Seite ausgerichtet waren. Die Bevölkerung Kronstadts umfasste ungefähr 50.000 Menschen, darunter befanden sich die Mannschaften der baltischen Flotte, Soldaten der Garnisonen und einige Tausend Angestellte, Beamte, Handwerker, Offiziere, Werftarbeiter und deren Angehörige.
Die Kronstädter waren stets an der Spitze der revolutionären Bewegung gewesen. Das beweisen Meutereien und Revolten der Kronstädter gegen den Zaren (z.B. im Juli 1906 und im Jahr 1910) und später dann gegen die Regierung unter Kerenski als sie die Kommune von Kronstadt ausriefen. Es war der Kronstädter Panzerkreuzer ,Aurora‘, der das Signal zum Anfang der Oktoberrevolution gab und es waren ebenfalls die Kronstädter Matrosen, die das Telegrafenamt, die Staatsbank und weitere strategische Punkte der Hauptstadt besetzten. All dies hatte Trotzki dazu veranlasst zu schreiben: ,Die Matrosen von Kronstadt sind der Stolz und Ruhm der russischen Revolution.‘ Und Matrosen galten schlechthin als die fortgeschrittensten Elemente der Gesellschaft, da sie sich zumeist aus der Arbeiterklasse rekrutierten und meist auch schon vor 1917 Kontakt zu revolutionären Gruppen unterhielten. (…)
In ganz Russland brodelte es und der Unmut über die soziale Lage und Willkürherrschaft der Bolschewiki wuchs. Viele hatten erwartet, dass nach der Beendigung des Bürgerkrieges (…) die Einschränkungen (z.B. die politischen Rechte betreffend) aus der Kriegszeit abgeschafft und die wirtschaftliche Versorgung verbessert würden. Aber die alte Politik wurde fortgesetzt. Die Rechtlosigkeit der Arbeiter verdeutlicht der Bericht des enttäuschten Anarchisten Augustin Souchy, der 1920 auf Einladung Lenins nach Russland gefahren war: ,Die Putilow-Werke waren ähnlich wie in Deutschland die Krupp-Werke, die größte Waffenfabrik in Russland. Als ich da hinging und mir das angesehen habe – die Arbeiterräte in den Putilow-Werken hatten überhaupt keine Rechte. Ihre Rechte bestanden darin, Lebensmittel zu verteilen, nach hygienischen Bedingungen zu sehen, dass das in Ordnung ist.‘ Jeder Arbeiter konnte beim Versuch, seine Rechte zu verteidigen von jedem beliebigen Parteimitglied als ,konterrevolutionär‘ diskriminiert werden. Und die Macht geriet immer mehr in die Hände von Karrieristen, so dass ein Proletarier ohne Parteibuch bald schon geringer geschätzt wurde als ein Angehöriger des alten Adels mit ebensolchem. Die kommunistische Partei schien ein größeres Interesse an der politischen Macht als an der Rettung der Revolution und der Umsetzung ihrer Forderungen zu haben. (…)
Auslöser der Kronstädter Rebellion waren Streiks in Petrograd. Da sehr viele Angehörige der Kronstädter in Petrograd wohnten und aufgrund der Nähe hatten die Kronstädter enge Beziehungen zu Petrograd. Für die Petrograder Arbeiter wurde die Versorgungslage immer schlechter, so dass ihre Rationen um die Hälfte gekürzt wurden. Viele Fabriken und Werke waren geschlossen worden und viele Familien hungerten. Versammlungen in den Betrieben (die ersten gab es am 22. Februar 1921) wurden von der Regierung unterdrückt. Zur gleichen Zeit wurde allerdings bekannt, dass Parteimitglieder in den Betrieben mit frischem Nachschub an Kleidern und Schuhen versorgt worden waren. Ebenso wurden ausländischen Kapitalisten Zugeständnisse gemacht, dem Proletariat hingegen nicht.
So wuchs der Unmut und es gab am 24. Februar 1921 erste Streiks in den Patronny-Munitionswerken, den Trubotschny- und Baltiyskiwerken und der Fabrik Laferne. Die ,Arbeiter- und Bauernregierung‘ setzte ein Verteidigungskomitee ein und beantworte die Demonstrationen der Arbeiter mit einem großen Militäraufgebot, das die Arbeiter zerstreute, in der Art wie der Zar die Forderungen der Arbeiter oft genug beantwortet hatte. Allerdings weigerte sich ein beträchtlicher Teil der Petrograder Garnison auf ihre Klassenbrüder zu schießen und wurde deswegen entwaffnet. Aus Empörung über ihre Behandlung nahmen die Arbeiter am nächsten Tag Kontakt zu den Arbeitern anderer Betriebe auf. Die erneuten Versuche Demonstrationen durch die Straßen Petrograds durchzuführen, wurden erneut durch bewaffnete Soldaten unterdrückt. Am 26. Februar wurde die Streikbewegung während der Sitzung des Petrograder Sowjet von Rednern angegriffen und die Arbeiter der Trubotschny-Werke ,selbstsüchtige Arbeitsschinder‘ und ,Gegenrevolutionäre‘ genannt, die andere zur Unzufriedenheit aufhetzen würden. Die Arbeiter der Trubotschny-Werke wurden ausgesperrt, die Fabrik geschlossen und somit war die Belegschaft ihrer Lebensmittelrationen beraubt, was dem Hungertod gleichkam. Und das von einer Regierung, die im Namen der Arbeiterklasse herrschte.
Dies führte zu noch mehr Verbitterung und Feindschaft der Arbeiter gegen die Partei der Bolschewiki und es tauchten erste Proklamationen in den Straßen Petrograds auf. Dort hieß es u.a. in einer am 27. Februar verklebten: ,Eine vollständige Änderung der Regierungspolitik ist notwendig. Zu allererst brauchen die Arbeiter und Bauern Freiheit. Sie wollen nicht nach den Dekreten der Bolschewiki leben, sie wollen selbst über sich verfügen. Genossen, bewahrt revolutionäre Ordnung! Verlangt entschieden und auf organisierte Weise: Freilassung aller verhafteten Sozialisten und parteilosen Arbeiter. Abschaffung des Kriegsrechts; Rede-, Presse- und Versammlungsfreiheit für alle Arbeitenden. Freie Wahl von Werkstatt- und Fabrikkomitees und von Arbeitergesellschafts- und Sowjetvertretern.‘
Die Regierung antwortete auf diese Forderungen der Petrograder Arbeiter mit Verhaftungen und Repression gegen mehrere Arbeiterorganisationen. Petrograd wurde am 28. Februar unter ,außerordentliches Kriegsrecht‘ gestellt und der ,Ausnahmezustand‘ verhängt. Große Mengen an Militär, vor allem regierungstreue und zuverlässige Truppen, wurden von der Front nach Petrograd abkommandiert und wurden zur Einschüchterung der Arbeiter eingesetzt.
Nach Bekanntwerden der Streiks in Kronstadt hatten die Matrosen von Kronstadt eine Delegation nach Petrograd geschickt, um sich aus erster Hand über die dortige Lage zu informieren. Aufgrund der Schilderung der Delegation verfassten und verabschiedeten die Besatzungen der Panzerschiffe ,Petropawlowsk‘ und ,Sewastopol‘ eine Protestresolution, in der sie sich mit den Forderungen der streikenden Petrograder Arbeiter solidarisierten. Von der bolschewistischen Parteipresse wurde behauptet, die Resolution atme den Geist der reaktionären Schwarzhunderter (Wie reaktionär bitte sind Forderungen nach Freiheit aller politischen Gefangenen der sozialistischen Parteien und Arbeiter, Rede- und Pressefreiheit für Arbeiter, Bauern, Anarchisten und andere Linke, Abschaffung der Bevormundung durch die Partei, Neuwahlen zu freien Sowjets ohne Vorherrschaft irgendwelcher Parteien, etc.? ). Am 1. März wurde eine öffentliche Versammlung einberufen, um über den Bericht der Delegation zu beraten. An dieser Versammlung nahmen über 16.000 Kronstädter teil und ebenfalls der Präsident der Russischen Sozialistischen Föderativrepublik, Kalinin, und der Kommissar der Ostseeflotte, Kusmin, welche auch zur versammelten Menge sprachen. Kusmin drohte den versammelten Arbeitern und Matrosen: ,Ich bin eurer Gnade ausgeliefert, ihr könnt mich erschießen, wenn ihr wollt. Aber wenn ihr es wagt, die Hand gegen die Regierung zu erheben, werden die Bolschewiki euch bis zum Äußersten bekämpfen.‘
Die Delegation erstattete Bericht über die Ereignisse und Lage in Petrograd. Die Reden der Parteioffiziellen machten keinen Eindruck auf die Versammelten und die Petropawlowsk-Resolution wurde einstimmig angenommen. Es wurde auch beschlossen, erneut Delegierte nach Petrograd zu schicken und die Petrograder aufzufordern, parteilose Delegierte nach Kronstadt zu entsenden. Die Delegation, die nach Petrograd abreiste, wurde verhaftet und über ihr weiteres Schicksal ist bis heute nichts bekannt.“ (Red Devil, Die Kronstadt-Rebellion. Alle Macht den Sowjets, nicht den Parteien!, Bibliothek des Widerstandes, Lübeck Januar 2001, S. 4-7.)
Von einigen Formulierungen, die Red Devil heute auch nicht mehr verwenden würde, wie zum Beispiel der positive Verweis auf „politische Rechte“, welche nur von einem Staat garantiert werden können, mal abgesehen, war das eine gute Analyse.
Analysieren wir die von den KronstädterInnen beschlossene Resolution auf der Versammlung der Mannschaften der ersten und zweiten Brigade der Schlachtschiffe vom 1. März 1921 etwas genauer. Deshalb hier ihr vollständiger Wortlaut:
„Nachdem wir den Bericht der Vertreter der Mannschaften gehört haben, die von der Vollversammlung der Schiffsmannschaften nach Petrograd entsandt worden waren, um sich über die Lage in Petrograd Klarheit zu verschaffen, haben wir beschlossen:
1. Angesichts der Tatsache, dass die bestehenden Sowjets nicht den Willen der Arbeiter und Bauern zum Ausdruck bringen, unverzüglich Neuwahlen zu den Sowjets unter den Bedingungen geheimer Stimmabgabe und freier vorhergehender Wahlagitation für alle Arbeiter und Bauern durchzuführen.
2. Rede- und Pressefreiheit für Arbeiter und Bauern, Anarchisten und linkssozialistische Parteien.
3. Versammlungsfreiheit, Freiheit der Gewerkschaften und Bauernvereinigungen.
4. Spätestens bis zum 10. März 1921 eine nichtparteigebundene Konferenz von Arbeitern, Rotarmisten und Matrosen aus den Städten Petrograd und Kronstadt sowie aus dem Petrograder Gouvernement einzuberufen.
5. Alle politischen Gefangenen, die sozialistische Parteien angehören, zu befreien ebenso wie alle Arbeiter und Bauern, Rotarmisten und Matrosen, die in Verbindung mit Arbeiter- und Bauernbewegungen eingesperrt wurden.
6. Eine Kommission zur Überprüfung der Prozessakten aller in Gefängnissen und Konzentrationslagern Eingeschlossenen zu wählen.
7. Jegliche Politischen Abteilungen abzuschaffen, da nicht eine einzige Partei Privilegien für die Propagierung ihrer Ideen beanspruchen und vom Staat zu diesem Zweck Geld erhalten darf. An ihre Stelle sollen von den örtlichen Organisationen gewählte Kultur- und Bildungskommissionen treten, für die Mittel vom Staat bewilligt werden müssen.
8. Unverzüglich alle Kontrollabteilungen [gegen den Schleichhandel] abzuschaffen.
9. Gleiche Lebensmittelrationen für alle Werktätigen mit Ausnahme derjenigen in gesundheitsschädlichen Berufen.
10. Die kommunistischen Kampfgruppen in allen Truppeneinheiten sowie auch die verschiedenen kommunistischen Aufsichtsdienste in den Fabriken und Betrieben aufzulösen. Sollten aber solche Aufsichtsdienste und Kampfgruppen benötigt werden, können sie beim Militär aus den Kompanien bestimmt und in den Fabriken und Betrieben nach Gutdünken der Arbeiter eingesetzt werden.
11. Den Bauern das volle Recht zu geben, über ihr eigenes Land so zu verfügen, wie sie es wünschen, und auch Vieh zu besitzen, sofern sie es mit eigenen Kräften halten, d.h. sich keiner Lohnarbeit bedienen.
12. Wir ersuchen alle Militäreinheiten ebenso wie unsere Kameraden, die Kadetten, sich mit unserer Resolution solidarisch zu erklären.
13. Wir fordern, dass alle Resolutionen durch die Presse weitesgehend bekanntgemacht werden.
14. Ein mobiles Kontrollbüro einzusetzen.
15. Freie handwerkliche Produktion auf der Basis eigener Hände Arbeit zu gestatten [d.h. ohne Lohnarbeit].
Die Resolution wurde von der Brigadenversammlung einstimmig bei zwei Enthaltungen angenommen Der Vorsitzende der Brigadenversammlung: Petritschenkow, Sekretär: Perepelkin. Die Resolution wurde von der überwältigenden Mehrheit der ganzen Kronstädter Garnison angenommen. Der Vorsitzende: Vasil’ev. Zusammen mit dem Genossen Kusmin stimmt Vasil’ev gegen die Resolution.“ (Mitteilungen des Provisorischen Revolutionskomitees der Matrosen, Rotarmisten und Arbeiter der Stadt Kronstadt, Nr. 1 , vom 3. März 1921, in Anhang von Freies Russland, Die Wahrheit über Kronstadt, in: Arbeiterdemokratie oder Parteidiktatur, Band 2: Kronstadt, Herausgegeben von Fritz Kool und Erwin Oberländer, Juni 1972, Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München, S. 343/344. )
Diese Resolution richtete sich also gegen die bolschewistische Parteidiktatur und gegen ihre Repression gegen ArbeiterInnen, BäuerInnen und linkssozialistische Parteien. Sie war ein Bekenntnis zur proletarischen Selbstorganisation, ohne sich grundsätzlich gegen den Staat zu wenden. Das letztere war eine Inkonsequenz. Gleichzeitig richtete sich die Resolution gegen den bolschewistischen „Kriegskommunismus“ (siehe zu diesem das gleichnamige Kapitel im Text Der BürgerInnen- und imperialistische Interventionskrieg (1918-1921)), der auf Zwangswegnahme von Nahrungsmitteln bei den BäuerInnen beruhte. Indem die Kronstädter Matrosen für die kleinbäuerliche Agrarwirtschaft ohne Lohnarbeit eintraten, brachten sie auch bäuerlichen Protest gegen den bolschewistischen Staatskapitalismus zum Ausdruck. „Viele von ihnen, die selbst in den Dörfern gewesen waren, hatten sich an Ort und Stelle davon überzeugt, wie grausam die bolschewistische Regierung mit den Bauern umgeht, wie feindlich sie dem Dorf gegenüber eingestellt ist. Zu Hause in den Heimatorten und Dörfern sahen die Matrosen, dass die Bolschewiki den Bauern mit Gewalt das letzte Stück Brot und Vieh wegnahmen und mitleidlos mit allen umsprangen, die sich ihnen nicht widerspruchslos folgen. Abgerechnet wird mit Hilfe von Erschießungen, Verhaftungen und Sondermaßnahmen… Auf Grund ihrer eigenen Erfahrung und auf Grund der Erfahrung ihrer Verwandten überzeugten sich die Kronstadter Matrosen, dass die Bolschewiki, die sich selbst als Bauernmacht bezeichnen, in Wirklichkeit die allerschlimmsten Feinde der Bauern sind. Feinde der Bauern und der Arbeiter.“ (Freies Russland, Die Wahrheit über Kronstadt, in: Arbeiterdemokratie oder Parteidiktatur, Band 2: Kronstadt, a.a.O., S. 303.)
Doch das Programm einer kleinbäuerlichen Agrarproduktion ohne Lohnarbeit war utopisch. Denn die kleine Warenproduktion beruht auf Konkurrenz, welche schließlich zur sozialökonomischen Ausdifferenzierung führen muss. Einige bäuerliche Besitztümer werden größer, während andere KleinbäuerInnen der Konkurrenz nicht standhalten können, und daraus folgt schließlich die Lohnarbeit der ruinierten KleinbäuerInnen. Die kleinbürgerliche Warenproduktion ist die Grundlage der Lohnarbeit, aber nicht die Alternative zu ihr.
Die kleinbürgerlichen Wirtschaftsforderungen des Kronstädter Aufstandes war Ausdruck der sozialökonomischen Rückständigkeit Russlands, in der eine klassenlose Gesellschaft, die sowohl auf der Verneinung der staatskapitalistischen Diktatur der Bolschewiki als auch der kleinbürgerlichen Warenproduktion beruhen musste, objektiv nicht möglich war. Durchsetzen konnte sich nur die staatskapitalistische Zwangskollektivierung der Landwirtschaft oder die weitere Entwicklung der kleinbäuerlichen Agrarwirtschaft zum Privatkapitalismus auf dem Lande. Auch wenn die Kronstädter Resolution die kapitalistische Lohnarbeit ablehnte, die Forderung nach kleinbäuerlicher Freiheit konnte objektiv nur privatkapitalistische Verhältnisse in der Landwirtschaft reproduzieren. Das Wirtschaftsprogramm des Kronstädter Aufstandes war deshalb utopisch-sozialrevolutionär, weil die objektiven sozialökonomischen Bedingungen der kleinen Agrarwirtschaften keine reale soziale Revolution erlaubten. Außerdem waren die Kronstädter Matrosen selbst noch nicht sozial vom KleinbäuerInnentum emanzipiert. So kamen im Kronstädter Aufstand sowohl proletarisch-sozialrevolutionäre als auch kleinbäuerliche, und damit objektiv privatkapitalistische Forderungen zum Ausdruck.
Mit der propagandistischen Bündelung von kleinbäuerlich-privatkapitalistischen und proletarisch-sozialrevolutionären Forderungen, kam ja auch der staatskapitalistische Bolschewismus an die Macht, aber er konnte weder die kleinbäuerlich-privatkapitalistischen Forderungen noch die proletarisch-sozialrevolutionären Forderungen erfüllen, sondern sich nur taktisch zu beiden verhalten und letztendlich beide durch bürokratischen Terror ersticken. Indem die Kronstädter Matrosen im März 1921 sowohl kleinbäuerliche als auch proletarisch-sozialrevolutionäre Forderungen stellten, forderten sie nicht mehr aber auch nicht weniger vom Bolschewismus, dass dieser seine eigenen Versprechungen vom Oktober 1917 erfüllen solle. Doch dass konnte der Bolschewismus als staatskapitalistische Kraft nicht tun. Damit war das Programm des Kronstädter Aufstandes eine Reproduktion der sozialrevolutionären Illusionen, welche die Matrosen im Oktober 1917 zu Verbündeten des Bolschewismus gemacht hatten. „Ihr Programm war unter den gegebenen Umständen zweifellos utopisch, da sie die Losungen des Oktobers proklamierten, die sich in der Praxis als nicht durchführbar erwiesen hatten. Ihnen war eine Wirtschaftsordnung auf kleinster Stufenleiter vertraut geworden; der Aufbau einer modernen Industrie vertrug sich nicht mit der Kombination von Tauschhandel und lokaler Autonomie. Ihr Programm war durchaus nicht ,ausgesprochen bäuerlicher Art‘, wie Schapiro meint (Leonard Schapiro, The Orgin of the communist Autocracy. Political opposition in the Soviet State. First phase 1917-1922, London 1955, S. 306), aber unter den spezifischen Bedingungen Kronstadts war das Verständnis für Bauernwünsche leichter aufzubringen als etwa bei den Arbeitern Petrograds, die weniger Gelegenheit hatten, die Möglichkeiten des primitivsten Handelsverkehrs auszunutzen als die Bewohner des soviel kleineren Hafenstadt.“ (Einführung zu Arbeiterdemokratie oder Parteidiktatur, Band 2: Kronstadt, a.a.O., S. 289/90.)
Als der Bolschewismus sich konterrevolutionär gegen den Kronstädter Aufstand stellte, erhoben die Matrosen die Parole von der „dritten Revolution“ gegen den Bolschewismus: „Als die Arbeiterklasse die Oktoberrevolution zum Erfolg führte, hoffte sie, ihre Befreiung zu erlangen. Das Ergebnis aber war eine noch größere Versklavung der menschlichen Persönlichkeit.
Die Macht des Polizeimonarchismus ging in die Hände der kommunistischen Eindringlinge über, die den Werktätigen statt der Freiheit ständige Furcht vor der Folterkammer der Tscheka brachten, deren Greueltaten die der Gendarmerieverwaltung des zaristischen Regimes um ein Vielfaches übertrafen.
Nach den vielen Kämpfen und Leiden erntete der Werktätige Sowjetrusslands nur Bajonettstiche, Kugeln und grobe Anschnauzer der Opricniki der Tscheka. Das ruhmreiche Wappen des Arbeiterstaates – Hammer und Sichel – ersetzte die kommunistische Regierung in Wirklichkeit durch Bajonett und Kerkergitter, um der neuen Bürokratie, den kommunistischen Kommissaren und Beamten, ein ruhiges, sorgloses Leben zu sichern.
Am schändlichsten und verbrecherischsten ist jedoch die moralische Versklavung durch die Kommunisten: sie machten auch vor der inneren Einstellung der Werktätigen nicht halt, sondern zwangen sie, nur so zu denken wie sie selbst.
Mit Hilfe der staatlichen Gewerkschaften fesselten sie die Arbeiter an ihre Werkbänke und machten so die Arbeit nicht zur Freude, sondern zu einer neuen Sklaverei. Auf die Proteste der Bauern, die in spontanen Aufständen zum Ausdruck kamen, und der Arbeiter, die schon durch die Lebensbedingungen selbst zu Streiks gezwungen waren, antworteten sie mit Massenerschießungen und mit einer Blutgier, die sie sich nicht erst bei den zaristischen Generälen auszuborgen brauchten.
Das werktätige Russland, das als erstes die rote Fahne der Befreiung der Arbeit erhoben hatte, wurde vollkommen überflutet vom Blut derjenigen, die zum Ruhm der kommunistischen Herrschaft zu Tode gequält wurden. In diesem Meer von Blut ertränkten die Kommunisten alle großen und leuchtenden Verheißungen und Losungen der Arbeiterrevolution.
Immer klarer zeichnete sich das ab was jetzt offenbar wurde, nämlich dass die RKP nicht, wie sie vorgab, für die Werktätigen eintritt; die Interessen des werktätigen Volkes sind ihr fremd, und einmal an die Macht gelangt, kennt sie nur die Sorge, sie nicht wieder zu verlieren, und deshalb sind alle Mittel erlaubt: Verleumdung, Gewalt, Betrug, Mord und Rache an den Familienangehörigen der Aufständischen. (…)
Im Kampf mit der Unterdrückung und Gewalt flammte hier und dort im Land das Feuer des Aufstandes auf. Arbeiterstreiks brachen aus, aber die bolschewistischen Spitzel schliefen nicht und ergriffen alle Maßnahmen, um die unvermeidliche Dritte Revolution zu verhüten und zu unterdrücken. (…)
Das aufständische arbeitende Volk hat begriffen, dass man im Kampf mit den Kommunisten und gegen die von ihnen wieder hergestellte Leibeigenschaft nicht auf halbem Wege stehenbleiben kann. Man muss bis zum Ende gehen. Sie täuschen Konzessionen vor: sie beseitigen die Kontrollabteilungen [gegen den Schleichhandel] im Petrograder Gouvernement, und zehn Millionen Goldrubel werden für den Kauf von Lebensmitteln im Ausland bewilligt. Man täusche sich aber nicht: hinter diesem Köder verbirgt sich die eiserne Faust des Herrn, des Diktators, der nur die Wiederherstellung der Ruhe abwartet, um sich seine Zugeständnisse hundertfach vergelten zu lassen. (…)
Hier in Kronstadt wurde der Grundstein zur dritten Revolution gelegt, die die letzten Ketten des Arbeiters zerbrechen und ihm den neuen und breiten Weg des sozialistischen Aufbaus eröffnen wird. Diese neue Revolution wird die arbeitenden Massen in Ost und West aufrütteln. Sie wird das Beispiel eines neuen sozialistischen Aufbaues im Gegensatz zum mechanischen und regierungsmäßigen bolschewistischen ‚Aufbau‘ geben. (…) Die Arbeiter und Bauern gehen unaufhaltsam voran. Sie lassen hinter sich die Konstituante mit ihrem bürgerlichen Regime und die kommunistische Parteidiktatur mit ihrer Tscheka und ihrem Staatskapitalismus, der die Schlinge um den Hals der Arbeiter warf und sie zu erwürgen drohte. Die nunmehr vollzogene Änderung gibt den arbeitenden Massen endlich die Möglichkeit, frei gewählte Räte zu verwirklichen, die ohne gewaltsamen Druck einer Partei funktionieren. Diese Änderung wird ihnen auch die Möglichkeit geben, die verstaatlichten Gewerkschaften in freie Organisationen der Arbeiter, Bauern und Intellektuellen zu verwandeln …“ (Leitartikel Wofür wir kämpfen der Mitteilungen des Provisorischen Revolutionskomitees der Matrosen, Rotarmisten und Arbeiter der Stadt Kronstadt, Nr. 6, vom 3. März 1921, vom 8. März 1921, a.a.O., S. 386-388.)
Die ökonomische Herrschaftsform der bolschewistischen Partei- und Staatsbürokratie wird hier ganz klar als staatskapitalistisch analysiert. In Kronstadt entwickelte sich im März 1921 also jene Verschmelzung von Klasseninstinkt mit der materialistischen Analyse zum revolutionären Massenbewusstsein, das revolutionäre Proletariat stieß mit dem bolschewistischen Staatskapitalismus zusammen. Das Bündnis zwischen Bolschewiki und Kronstädter Matrosen aus dem Jahre 1917 war zerbrochen. Die Kronstädter Matrosen waren neben einigen AnarchistInnen die ersten Kräfte der internationalen Revolution, welche den konterrevolutionären Charakter des Bolschewismus aussprachen, die westeuropäischen RätekommunistInnen folgten ihnen. Die proletarischen RevolutionärInnen in Ost und West begannen das taktische Verhältnis, welches die Partei Lenins und Trotzkis zur proletarischen Selbstorganisation einnahm, zu verstehen. So analysierte die GIK in ihren Thesen über den Bolschewismus: „Indem die Bolschewiki die Räte vorwiegend als Aufstandsorgane betrachteten, statt als die Organe der Selbstverwaltung der proletarischen Klasse zeigen sie um ein übriges, dass es sich für sie in den Räten nur um ein Werkzeug handelt, mit dessen Hilfe ihre Partei die Macht an sich zieht. Praktisch hat der Bolschewismus das nicht nur mit der Organisierung des Sowjetstaates nach der Machteroberung allgemein bewiesen, sondern auch im speziellen Fall der blutigen Niederschlagung der Kronstadtrebellion. Die bäuerlich-kapitalistischen Forderungen dieses Aufstandes wurden durch die NEP-Politik erfüllt, seine proletarisch-demokratischen aber in Strömen von Arbeiterblut erstickt.“ (Gruppe Internationaler Kommunisten Hollands, Thesen über den Bolschewismus, a.a.O., S. 31.)
Für Partei-„KommunistInnen“ ist es undenkbar, dass sie ihren kalten und heißen Krieg gegen die proletarische Selbstorganisation jemals einstellen werden – im Gegensatz dazu war und ist ihnen eine friedliche Koexistenz mit der privatkapitalistischen Reaktion vorübergehend oder auch langfristig möglich. So verwirklichten die Bolschewiki die kleinbäuerlichen Forderungen des Kronstädter Aufstandes zwischen 1921 und 1928 durch die Neue Ökonomische Politik (NEP) mit einer vorübergehenden Reproduktion des Privatkapitalismus in der Landwirtschaft als Folgeerscheinung.
Die Bolschewiki verwirklichten also vorübergehend die kleinbäuerlichen Forderungen des Kronstädter Aufstandes, bevor sie Ende der 1920er und zu Beginn der 1930er Kurs auf die Zwangskollektivierung der Landwirtschaft und die staatskapitalistische Industrialisierung nahmen. Aber ob nun die Bolschewiki oder die Kronstädter Matrosen sich zum Fürsprecher bäuerlicher Forderungen machten, objektiv konnte das nur zur Reproduktion privatkapitalistischer Strukturen in der Landwirtschaft führen. Die bäuerlichen Forderungen des Kronstädter Aufstandes waren also objektiv privatkapitalistisch-reaktionär, trotz der subjektiven Ablehnung der Lohnarbeit. Ein Industrieproletariat, das noch nicht die Mehrheit der Bevölkerung ausmacht und sich auch noch nicht praktisch und geistig vom KleinbäuerInnentum befreit hat, ist weder objektiv noch subjektiv zu seiner sozialrevolutionären Selbstaufhebung fähig. Die bäuerlichen Forderungen der Kronstädter waren subjektiv utopisch-revolutionär, aber objektiv reaktionär. Doch die privatkapitalistische NEP und später die staatskapitalistische Zwangskollektivierung der Landwirtschaft der Bolschewiki waren noch nicht mal subjektiv utopisch-revolutionär, sondern die reale Konterrevolution. Die Kronstädter konnten im Jahre 1921 die kleine Warenproduktion objektiv nicht aufheben, und deshalb auch nicht die Lohnarbeit. Ihre utopische Lösung dieses Dilemmas war ein Ja zur kleinbürgerlichen Warenproduktion und ein Nein zur Lohnarbeit und staatskapitalistischer Zwangskollektiverung der Landwirtschaft. Auch wenn diese Forderung objektiv nicht durchsetzbar war, so blieb sie dennoch subjektiv die einzige sozialrevolutionäre Forderung für die russische Landwirtschaft. Eine harte Nuss für die materialistische Dialektik: Auch die einzig subjektiv sozialrevolutionäre Forderung in der Landwirtschaft war objektiv reaktionär. Nur DogmatikerInnen können den Kronstädter Matrosen für ihre utopisch-revolutionären Losungen verantwortlich machen, wo objektiv keine reale Revolution machbar war.
In der Tat blieb den Kronstädter Matrosen nichts anderes übrig, als das, was sie schon vier Jahre an der Seite der Bolschewiki getan hatten: Für revolutionäre Illusionen zu kämpfen, die allerdings einen harten materialistischen Kern besaßen: Ihre Interessen und Bedürfnisse, die sie sowohl von der privatkapitalistischen als auch von der staatskapitalistischen Konterrevolution unterschied. Auch im Todeskampf mit dem Staatskapitalismus distanzierten sie sich von der privatkapitalistischen Konterrevolution: „Die Kronstädter Matrosen und die schwielenbedeckten Hände der Arbeiter haben den Kommunisten das Steuer aus den Händen gerissen und sich selbst ans Steuerrad gestellt.
Kraftvoll und sicher lenken sie das Schiff der Sowjetmacht nach Petrograd, von wo sich die Herrschaft der schwieligen Hände über das ganze leidgeprüfte Russland ausdehnen soll.
Aber seid auf der Hut, Genossen.
Verstärkt eure Wachsamkeit: eure klippenreiche Strecke führt euch ins offene Fahrwasser.
Eine einzige unbedachte Drehung des Steuerrades, und das Schiff mit seiner euch so teuren Ladung – mit der Ladung des sozialen Aufbaus – kann auf einen Felsen auflaufen.
Habt ein wachsames Auge auf die Kommandobrücke, Genossen, denn schon schleichen sich die Feinde an sie heran. Ein einziger Fehler, und sie entreißen euch das Steuerrad, und das sowjetische Schiff sinkt unter dem schadenfrohen Gelächter der zaristischen Lakaien und der Handlanger der Bourgeoisie.
Genossen, ihr feiert in diesem Augenblick einen großen und unblutigen Sieg über die Diktatur der Kommunisten, und mit euch feiern auch eure Feinde.
Aber die Motive der Freude sind bei euch und bei ihnen völlig verschieden.
Ihr seid beseelt von dem heißen Verlangen, die echte Macht der Sowjets wiederherzustellen, und getragen von der edlen Hoffnung, dem Arbeiter freie Arbeit und dem Bauern das Recht zu verschaffen, über sein Land und die Früchte seiner Arbeit frei zu verfügen; sie aber hegen die Hoffnung, die zaristische Peitsche und die Privilegierung der Generäle zu erneuern.
Eure Interessen sind verschieden, und daher sind sie keine Weggenossen für euch.
Ihr musstet die Macht der Kommunisten brechen, um friedlichen Aufbau und schöpferische Arbeit leisten zu können; sie aber brauchen den Sturz der Kommunisten, um die Arbeiter und Bauern zu versklaven.
Ihr sucht Freiheit, sie wollen euch erneut die Ketten der Knechtschaft anlegen.
Seid auf der Hut. Lasst keine Wölfe im Schafspelz nahe an die Kommandobrücke heran. („Herren“oder „Genossen“, in: Mitteilungen des Provisorischen Revolutionskomitees der Matrosen, Rotarmisten und Arbeiter der Stadt Kronstadt, Nr. 4 vom 6. März 1921, a.a.O., S. 359/360.)
Der Kronstädter Aufstand war also subjektiv für die proletarische Selbstorganisation, für die Sowjetmacht, für das Weitertreiben der russischen Revolution über seine bolschewistisch-staatskapitalistische Etappe hinaus. Allerdings erlaubten die objektiven Bedingungen eine solche „dritte Revolution“ nicht. Deshalb kann es auch kaum verwundern, dass sich die Unzufriedenheit der russischen ArbeiterInnen und besonders der BäuerInnen bereits an anderen Orten in demokratisch-parlamentarischen und antisowjetischen Losungen ausdrückte. Die Warnungen der Kronstädter Matrosen vor der privatkapitalistischen Konterrevolution waren also alles andere als übertrieben.
So tauchten bereits bei den streikenden ArbeiterInnen Petrograds parlamentarisch-demokratische und antisowjetische Parolen auf. So hieß es in einer „Proklamation der sozialistischen Nevski-Arbeiter“ vom 28. Februar 1921: „Wir wissen, wer die Verfassungsgebende Versammlung fürchtet. Das sind diejenigen, die dann nicht mehr plündern können, sondern sich vielmehr von den gewählten Volksvertretern für ihren Betrug, ihre Plünderei und alle Verbrechen verantworten müssen.
Fort mit den verhassten Kommunisten! Nieder mit der Sowjetmacht! Es lebe die Verfassungsgebende Versammlung des ganzen Volkes!“ (Zitiert nach Freies Russland, Die Wahrheit über Kronstadt, in: Arbeiterdemokratie oder Parteidiktatur, Band 2: Kronstadt, a.a.O., S. 302.)
Doch die Kronstädter stellten sich den demokratischen Illusionen, die auch weniger klare und revolutionsmüde gewordene Teile des Proletariats erfassten, entgegen: „Nicht eine Konstituierende Versammlung, sondern Sowjets sind das Bollwerk der Werktätigen.“ (Mitteilungen des Provisorischen Revolutionskomitees der Matrosen, Rotarmisten und Arbeiter der Stadt Kronstadt, Nr. 11 vom 6. März 1921, a.a.O., S. 447.) Ihre Hauptlosung „Alle Macht den Sowjets, nicht den Parteien!“ richtete sich sowohl gegen die bolschewistische Parteidiktatur als auch gegen die demokratische Parteiendiktatur, in dem das Übel zwar nicht monopolisiert, sondern pluralisiert, aber eben noch immer da ist: Die politische Herrschaft der Parteien als Ausdruck der sozialen Diktatur des Kapitals.
Allerdings muss daran erinnert werden, dass wir die Sowjets der russischen Revolution als Mischformen aus proletarischen Klassenkampforganen und einer kleinbürgerlichen „ArbeiterInnendemokratie“ bezeichneten. Der Kronstädter Aufstand reproduzierte objektiv teilweise die kleinbürgerliche Sowjetdemokratie vor der Oktoberrevolution, doch die Sowjetdemokratie war in dieser Zeit nur eine kleinbürgerliche Ergänzung der großbürgerlichen Demokratie. Die Forderung nach Freiheit für die kleinbürgerlich-demokratischen Parteien (Menschewiki und „SozialrevolutionärInnen“) entsprach objektiv nicht den Interessen des russischen Proletariats. Auch dem Kronstädter Aufstand fehlte ein grundsätzlich antipolitisches Bewusstsein.
Doch diese Kritik an der kleinbürgerlichen „ArbeiterInnendemokratie“ und deren tendenzieller Reproduktion durch die Kronstädter Matrosen hindert uns nicht daran, den Kronstädter Aufstand gegen alle Lügen des Parteimarxismus zu verteidigen. All die TrotzkistInnen, welche die staatskapitalistische Niederschlagung des Kronstädter Aufstandes als „tragische Notwendigkeit“ verteidigen, aber andere ArbeiterInnenaufstände im Staatskapitalismus (1953 in der DDR, 1956 in Ungarn und 1956, 1970, 1976 und 1980 in Polen), die subjektiv viel stärkere proletarische Illusionen in „Marktwirtschaft und Demokratie“ zum Ausdruck brachten, als „beginnende politische Revolutionen gegen den Stalinismus“ abfeiern, geben sich als erbärmliche ZentristInnen erkennen, die hilflos zwischen staatkapitalistischer und privatkapitalistischer Konterrevolution schwanken. Ihre Verteidigung des „ArbeiterInnenstaates“, war staatskapitalistisch-reaktionär, und ihr Eintreten für die „Arbeiterdemokratie“ stärkte die privatkapitalistisch-demokratischen Illusionen in der ArbeiterInnenklasse. Die trotzkistischen Herren und Damen sind ein Ausdruck des konterrevolutionären Charakters des Parteimarxismus.
Anders die Kronstädter Matrosen, sie lösten sich aus der reaktionären Umklammerung des Bolschewismus und gaben subjektiv alles –ihr Leben– in einem Kampf, der objektiv nicht gewinnbar war. Sie stellten sich bewusst in die Tradition der russischen Revolution um diese weiterzutreiben. Dies geht ganz klar aus dem Artikel Die Etappen der Revolution hervor:
„Vier Jahre sind bereits vergangen, seitdem das dreihundert Jahre alte Joch der Autokratie stürzte.
Das unterjochte, von den Gendarmen und der Polizei Nikolaus‘ bevormundete Volk stieß den verfaulten Thron des Zaren um.
Ganz Russland, ob reich oder arm, freute sich über die Freiheit.
Die Kapitalisten und Gutsbesitzer waren zufrieden, weil sie endlich, ohne mit dem Zaren und seinen Helfershelfern teilen zu müssen, noch mehr in ihre Taschen sammeln konnten, indem sie wie früher den Arbeiter und Bauern um die Früchte ihrer Arbeit betrogen.
Sie hofften sich fest in den Rücken der Werktätigen einzunisten, nachdem sie letztere in der Verfassungsgebenden Versammlung, auf die Kerenski langsam aber sicher zusteuerte, übers Ohr gehauen hatte.
Die Bourgeoisie war überzeugt, dass es ihr auch weiterhin gelingen werde, den Bauern und Arbeiter zu rupfen.
Unerfahrene Bauern und Arbeiter strebten ebenfalls nach der Konstituante, ohne zu wissen, was sie dem Werktätigen verhieß.
Die Losung der Konstituierenden Versammlung beherrschte ganz Russland.
Das war nur vorübergehend. Aber der Bauer war wieder am Ausgangspunkt angelangt und wartete, wann die Konstituante wohl die Landfrage entscheiden werde; der Arbeiter jedoch wurde nach Kräften ausgebeutet. Wie zuvor hatte er kein Recht auf die Früchte seiner Arbeit.
Schließlich begriffen aber die Werktätigen Russlands, dass sie der Hörigkeit der Gutsbesitzer und Kapitalisten nicht entronnen waren und dass ihnen eine neue Form der Sklaverei –die Herrschaft der Bourgeoisie – bevorstand.
Die Geduld hatte ein Ende, und im vereinten Ansturm der Matrosen, der Armee, der Arbeiter und Bauern wurde die Bourgeoisie im Oktober 1917 zurückgeschlagen.
Es schien, als ob das werktätige Volk nun in seine Rechte eintreten werde.
Aber die kommunistische Partei, voll von Egoisten, ergriff die Macht, nachdem sie die Bauern und Arbeiter, in deren Namen sie handelte, beiseite geschoben hatte. Sie beschloss, das Land mit Hilfe ihrer Kommissare nach dem Vorbild des von den Gutsbesitzern beherrschten Russland zu regieren.
Drei Jahre lang stöhnten die Werktätigen Sowjetrusslands in den Folterkammern der Tscheka. Überall herrschte ein Kommunist über Arbeiter und Bauern.
Eine neue kommunistische Knechtschaft entstand. Der Bauer wurde zum Knecht auf den Sovchosen, der Arbeiter zum Lohnempfänger einer staatlichen Fabrik. Die schaffende Intelligenz verschwand. Wer zu protestieren zu versuchte, wurde von der Tscheka gefoltert. Mit demjenigen, der sich auch weiterhin auflehnte, machte man kurzen Prozess… Sie wurden an die Wand gestellt.
Die Atmosphäre war zum Ersticken. Sowjetrussland verwandelte sich in ein allrussisches Zuchthaus.
Arbeiterunruhen und Bauernaufstände bezeugten jedoch, dass die Geduld zu Ende ging. Ein Aufstand der Werktätigen rückte näher. Es kam der Zeitpunkt, an dem die Herrschaft der Kommissare gestürzt werden musste.
Als aufmerksame Wächter über die Errungenschaften der sozialen Revolution verschlief Kronstadt diesen Zeitpunkt nicht. Schon während der Februar- und der Oktoberrevolution hatte es in den ersten Reihen gestanden. Jetzt erhob es als erstes das Banner des Aufstandes zur Dritten Revolution der Werktätigen.
Die Autokratie stürzte. Die Konstituante versank ins Reich der Legenden.
Auch die Herrschaft der Kommissare wird zusammenbrechen.
Die Zeit der echten Macht der Werktätigen, der Macht der Sowjets ist angebrochen.
Ihr seid als Opfer des großen Kampfes gefallen.
Eure unvergesslichen Namen werden im edlen Andenken des werktätigen Volkes, für dessen Glück ihr im Kampf umgekommen seid, nicht vergehen.
Inmitten der Schlacht habt ihr nicht an euch selbst gedacht
Als Kämpfer für eine Idee seid ihr nicht von der Bande der Tyrannen zurückgewichen.
Ihr seid die ersten Opfer der Dritten Revolution, der Revolution der Arbeit; ihr habt ein Beispiel für unerschütterliche Standhaftigkeit im Kampf für das eigene Recht gegeben.
Unter der Losung: ,Siegen oder sterben‘ seid ihr angetreten. Ihr seid gefallen.
Wir, die wir leben, werden den Kampf zu Ende führen.
Wir geloben über euren frischen Gräbern, zu siegen oder an eurer Seite begraben zu werden.
Schon ist die Morgenröte der Großen Befreiung der Werktätigen angebrochen.“ (Die Etappen der Revolution, in: Mitteilungen des Provisorischen Revolutionskomitees der Matrosen, Rotarmisten und Arbeiter der Stadt Kronstadt, Nr. 11 vom 6. März 1921, a.a.O., S. 440-442.)
Doch außerhalb Kronstadts drückte sich der antagonistische Klassengegensatz zwischen bolschewistischer Partei/Staatsbürokratie auf der einen Seite und den bäuerlichen und proletarischen auf der anderen bei letzteren vorwiegend in bürgerlich-demokratischen Forderungen aus. „Freies Russland“ schrieb über diese Isolation der Kronstädter Matrosen in ihrem Kampf für die proletarische Selbstorganisation: „Die Kronstädter hatten eine klare Vorstellung vom Charakter ihres Aufstandes. Sie ließen sich nicht dadurch irremachen, dass in demselben Petrograd die Arbeiter die Konstituante forderten, dass in der Umgebung Moskaus und Petroggrads der Feuerschein der Aufstände unter der Losung einer neuen Konstituante aufloderte und dass im fernen Sibirien diese Losung schon verwirklicht worden war… (Anmerkungen der Buchherausgeber: Nach dem Zusammenbruch Kolcaks im April 1920 hatte sich in Transbaikalgebiet eine unabhängige demokratische Fernostrepublik konstituiert. Es wurden Wahlen zu einer Konstituierenden Versammlung abgehalten, die im Januar 1921 eine Verfassung verabschiedete, die sich bürgerlich-demokratischer Formen bediente.“ (Freies Russland, Die Wahrheit über Kronstadt, in: Arbeiterdemokratie oder Parteidiktatur, Band 2: Kronstadt, a.a.O., S. 332.)
Wie gesagt, objektiv war diese „dritte Revolution“ nicht durchführbar, objektiv war nur der Sieg der staatskapitalistischen oder der privatkapitalistischen Reaktion möglich, wie auch der deutsch-amerikanische Rätekommunist Paul Mattick erkannte: „Die Rebellionen richteten sich nicht gegen das Sowjetsystem, sondern gegen die bolschewistische Partei-Diktatur. Für alle Missstände der sozialen Situation wurde die Regierung verantwortlich gemacht; aber die Regierung war durch das System der Räte nicht länger beeinflussbar. Um dieses System demokratisch zu nutzen, musste man das bolschewistische Regierungsmonopol sprengen. Das Verlangen nach ,freien Sowjets‘ bedeutete Sowjets, die frei waren von der bolschewistischen Bevormundung, was praktisch nur heißen konnte: Sowjets ohne Bolschewisten. Es bedeutete politische Freiheit für alle Organisationen und Tendenzen, die an der russischen Revolution teilgenommen hatten, also auch für die Anhänger der bürgerlichen Demokratie, die nicht über den Kapitalismus hinausstrebten. Kurz: die Rebellen forderten die Rückkehr zu den Zuständen, die vor der Machtübernahme der Bolschewiki bestanden hatten, d.h. die Zurücknahme der bolschewistischen Revolution.
Es war unvermeidlich, dass der Kronstadter Aufstand den Beifall aller Feinde des Bolschewismus fand und damit auch den der Reaktion und der Bourgeoisie. Das erlaubte den Bolschewiki, den Aufstand in die Kategorie ,Gegenrevolution‘ einzureihen, was aber nichts an der Tatsache ändert, dass die Aufständischen der Macht der Partei die der Sowjets entgegensetzten. Die Kronstadter Rebellen hatten nicht die Absicht, die zerfallene bürgerliche Demokratie erneut aufzurichten, sondern versuchten, die Selbstbestimmung der Sowjets zurückzugewinnen. Allerdings blieb objektiv nach wie vor die Alternative bestehen: entweder liberaler Kapitalismus oder autoritärer Staatskapitalismus, da die besonderen Umstände Russlands, der Widerspruch zwischen den bäuerlichen und den proletarischen Interessen und die überwiegende Masse der Landbevölkerung jedes demokratische Regime zum Kapitalismus zu führen drohte.
Der Kronstadter Aufstand überzeugte Lenin jedoch davon, dass die Partei den autoritären Bogen überspannt hatte, und er übernahm einige der wirtschaftlichen Forderungen der Aufständischen, um auf politischem Gebiet zugleich die Zügel noch straffer anzuziehen. Mit der Neuen Ökonomischen Politik begann ein teilweiser Rückzug zur kapitalistischen Marktwirtschaft, um die Bauern auszusöhnen und die Städte besser zu versorgen.“ (Paul Mattick, Der Leninismus und die Arbeiterbewegung des Westens, in: Anton Pannekoek, Paul Mattick u. a., Marxistischer Antileninismus, a.a.O., S. 190-191.)
Wir müssen also feststellen, dass die Kronstädter Matrosen subjektiv eine sozialrevolutionäre Kraft waren, die aber objektiv keine Chance hatte im Kampf zwischen privat- und staatskapitalistischer Reaktion ihre Vorstellungen einer „dritten Revolution“ zu verwirklichen. So wie sie vorher in ihrem Bündnis mit den Bolschewiki objektiv der staatskapitalistischen Reaktion dienten, was sie subjektiv eindeutig nicht taten, sondern wie alle SozialrevolutionärInnen sich über den wirklichen Charakter des Bolschewismus täuschten, diente objektiv der antibolschewistische Aufstand der Kronstädter Matrosen im März 1921 der privatkapitalistischen Reaktion, auch wenn sie subjektiv für die soziale Revolution eintraten.
Aus heutiger Sicht hätte das richtige Verhalten von SozialrevolutionärInnen außerhalb von Kronstadt aber innerhalb Russlands darin bestanden, die bolschewistische Niederschlagung des Kronstädter Aufstandes als staatskapitalistische Konterrevolution gegen das Proletariat zu geißeln und bloßzustellen. Dies wäre natürlich nur in konspirativer Organisation gegen die Tscheka möglich gewesen. Gleichzeitig hätten RevolutionärInnen auch die Tagträume einer bevorstehenden „dritten Revolution“ zurückweisen, und die Perspektive einer längerfristigen revolutionären Opposition gegen Privat- und Staatskapitalismus aufzeigen müssen.
Nun, uns sind keine RevolutionärInnen bekannt, die eine solche Position damals in Russland bezogen haben. Wir dürfen auch nicht unsere heutigen Analysen zum Maßstab des Verhaltens damaliger RevolutionärInnen machen, weil die Dialektik des Kronstädter Aufstandes sehr kompliziert war. Außerhalb von Kronstadt traten AnarchistInnen entweder revolutionsromantisch für die „dritte Revolution“, oder „realistische“ Linksbolschewiken für die konterrevolutionäre Niederschlagung des Kronstädter Aufstandes ein, auch wenn sie den Kronstädtern teilweise inhaltlich recht gaben, weil sie die Unmöglichkeit dieser „dritten Revolution“ erkannten, und die staatskapitalistische Reaktion, die sie noch nicht völlig durchschauten, einer privatkapitalistischen Reaktion (sei diese nun monarchistisch oder demokratisch) vorzogen. Die RevolutionsromantikerInnen dienten objektiv der privatkapitalistischen Reaktion, standen uns aber näher als die Linksbolschewiken, die subjektiv glaubten, die privatkapitalistische Konterrevolution revolutionär zu bekämpfen, aber in Wirklichkeit der staatskapitalistischen Reaktion dabei halfen, mit der privatkapitalistischen und sozialrevolutionären Opposition fertig zu werden. Die Linksbolschewiken handelten im März 1921 objektiv konterrevolutionär, aber nicht wenige von ihnen bekamen einen immer besseren Einblick in den staatskapitalistischen Charakter der Sowjetunion und bezahlten ihre revolutionäre Opposition in den 1930er Jahren mit ihrem Leben. Unser heutiger revolutionärer Realismus war also damals aufgespalten in anarchistische Revolutionsromantik und einen marxistischen konterrevolutionären „Realismus“. Beide waren Ausdruck des Dilemmas, dass in Sowjetrussland im Jahre 1921 eine soziale Revolution objektiv nicht durchführbar war. Aber subjektiv stehen wir den anarchistischen RevolutionsromantikerInnen näher als den marxistischen „RealistInnen“ der staatskapitalistischen Konterrevolution.
Ein bekanntes Beispiel für konterrevolutionären „Realismus“: Der russisch-französische Anarchist Viktor Serge, der während der Revolution sich „kritisch“ den Bolschewiki anschloss und bei der „Kommunistischen“ Internationale arbeitete, versuchte während des Kronstädter Aufstandes zwischen den bolschewistischen Konterrevolution und dem letzten Aufbäumen der subjektiv sozialrevolutionären KronstädterInnen zu vermitteln, trug aber nach dem unvermeidlichen Scheitern dieser Versuche auch die staatkapitalistische Konterrevolution gegen die Kronstädter Matrosen „kritisch“ mit. So schrieb er in seinen Erinnerungen: „Der Gedanke einer Vermittlung bildete sich im Verlauf der Unterhaltungen, die ich jeden Abend mit amerikanischen Anarchisten hatte, die kürzlich angekommen waren: Emma Goldman, Alexander Bergman und dem jungen Sekretär der Union der russischen Arbeiter in den Vereinigten Staaten, Perkus. Ich sprach mit einigen Genossen in der Partei darüber. Sie antworteten mir: ,Das wird nichts helfen, und wir sind durch die Parteidisziplin gebunden, und du auch.‘ Ich erregte mich: ,Man kann aus einer Partei austreten!‘ Sie erwiderten mir kalt und traurig: ,Ein Bolschewik verlässt seine Partei nicht. Und du, wo willst du denn hin? Wir sind trotz allem die einzigen.‘ Die Gruppe der anarchistischen Vermittlung versammelte sich bei meinem Schwiegervater, Alexander Russakow. Ich wohnte dieser Zusammenkunft nicht bei, denn es war beschlossen worden, nur die Anarchisten sollten die Initiative ergreifen, wegen des Einflusses, den sie im Schoße des Kronstädter Sowjets hatten, und nur die amerikanischen Anarchisten sollten gegenüber der Sowjetregierung die Verantwortung übernehmen. Emma Goldman und Alexander Bergman wurden von Sinowjew sehr freundlich empfangen und konnten das Machtwort einer immer noch bedeutenden Fraktion des internationalen Proletariats aussprechen. Ihre Vermittlung scheiterte total. Sinowjew bot ihnen im Gegenteil alle Erleichterungen an, damit sie in einem Sonderwaggon ganz Russland besichtigen könnten. ,Sehen Sie selbst und Sie werden verstehen…‘
Von den russischen ,Vermittlern‘ wurde die Mehrzahl verhaftet, ich ausgenommen. Ich verdanke diese Nachsicht der Sympathie Sinowjews, Sorins und einiger anderer, und auch meiner Eigenschaft als Aktiver der französischen Arbeiterbewegung.
Nach langem Zögern und mit unaussprechlicher Herzensangst erklärten wir, meine kommunistischen Freunde und ich, uns schließlich für die Partei. Hier die Gründe. Kronstadt war im Recht. Kronstadt begann eine neue befreiende Revolution, die der Volksdemokratie. ,Die III. Revolution!‘, sagten einige Anarchisten, die mit kindlichen Illusionen vollgestopft waren. Allein, das Land war völlig erschöpft, die Produktion stand fast völlig still, es gab keine Reserven irgendwelcher Art mehr, nicht einmal Reserven an Nervenstärke in der Seele der Massen. Die Elite des Proletariats, die in den Kämpfen mit dem Zarenregime geprägt worden war, war buchstäblich dezimiert. Die Partei, die durch den Zulauf derer, die sich mit der Macht ausgesöhnt hatten, angewachsen war, flößte wenig Vertrauen ein. Von den anderen Parteien waren nur noch winzig kleine Kader von mehr als zweifelhafter Fähigkeit vorhanden. Sie konnten sich natürlich im Laufe von ein paar Wochen neu bilden, aber nur dadurch, dass sie Verbitterte, Unzufriedene und Aufgebrachte aufnahmen – und nicht mehr wie 1917 Enthusiasten der jungen Revolution. Der sowjetischen Demokratie fehlte es an Schwung, an Köpfen, an Organisation, und hinter sich hatte sie nur ausgehungerte und verzweifelte Massen.
Die Konterrevolution des Volkes übersetzte die Forderung freigewählter Sowjets durch die der ,Sowjets ohne Kommunisten‘. Wenn die Diktatur fiel, so bedeutete das in Kürze das Chaos, und durch das Chaos hindurch das Vordringen der Bauern, das Massaker der Kommunisten, die Rückkehr der Emigranten und am Ende durch die Macht der Umstände eine andere, antiproletarische Diktatur. Die Nachrichten aus Stockholm und Tallinn bestätigten, dass die Emigranten dieselben Aussichten in Betracht zogen. Nebenbei gesagt, diese Nachrichten bestärkten die Führer in ihrem Willen, Kronstadt schnell zu erledigen, koste es, was es wolle. Wir überlegten nicht ins Blaue hinein. Wir wussten, dass es allein im europäischen Russland an die fünfzig Herde bäuerlicher Aufstände gab. Im Süden Moskaus rief der rechtssozialrevolutionäre Lehrer Antonow die Abschaffung des Sowjetregimes und die Wiederherstellung der Verfassungsversammlung aus; er verfügte in der Gegend von Tambow über eine vollständig organisierte Armee von mehreren Zehntausenden von Bauern. Er hatte mit den Weißen verhandelt. (Tuchatschewski schlug diese Vendee um die Mitte des Jahres 1921 nieder.) Unter diesen Bedingungen musste die Partei nachgeben und einräumen, dass das wirtschaftliche Regime unerträglich sei. Aber sie konnte nicht die Macht aufgeben. ,Trotz ihrer Fehler und Missbräuche‘, habe ich geschrieben, ,ist die bolschewistische Partei in diesem Augenblick die große organisierte, intelligente und sichere Macht, zu der wir trotz allem Vertrauen haben müssen. Die Revolution hat kein anderes Gerüst, und ist nicht mehr fähig, sich von Grund auf zu erneuern.‘
Das Politbüro beschloss mit Kronstadt zu verhandeln, dann ein Ultimatum zu stellen und als letztes die Festung und die eingefrorenen Panzerschiffe der Flotte anzugreifen. In Wirklichkeit kam es nicht zu Verhandlungen. Ein in aufreizenden Wendungen abgefasstes Ultimatum, von Lenin und Trotzki unterzeichnet, wurde angeschlagen: ,Ergebt Euch oder Ihr werdet zusammengeknallt wie Kaninchen.‘ (…)
Anfang März eröffnete die Rote Armee auf dem Eis den Angriff gegen Kronstadt. Die Artillerie der Schiffe und der Forts feuerte auf die Angreifer. Das Eis brach an verschiedenen Stellen unter der Infanterie ein, die, weiß gekleidet, in mehreren Wellen vorging. Riesige Schollen kenterten und stürzten ihre menschliche Last in die schwarzen Fluten. Das war der Anfang des schlimmsten Brudermordes.
Der X. Parteikongress, der inzwischen in Moskau zusammengetreten war, hob auf Lenins Antrag das Regime der Requisationen auf, das heißt den ,Kriegskommunismus‘, und verkündete die neue Wirtschaftspolitik; alle wirtschaftlichen Forderungen Kronstadts waren erfüllt! Damit wies der Kongress die Opposition zurecht. Die Arbeiteropposition wurde als ,anarcho-syndikalistische Abweichung‘ bezeichnet, die ,mit der Partei unvereinbar sei‘, obgleich sie nicht das geringste mit dem Anarchismus zu tun hatte und nur die Leitung der Produktion durch die Gewerkschaften verlangte (ein großer Schritt zur Arbeiterdemokratie). Der Kongress machte seine Mitglieder und unter ihnen viele Oppositionelle – gegen Kronstadt mobil! Der ehemalige Kronstädter Matrose Dybenko, von der äußersten Linken, und der Führer der Gruppe der ,Demokratischen Zentralisation‘ (eine linksbolschewistische Oppositionsströmung, Anmerkung von Nelke), Bubnow, Schriftsteller und Soldat, kämpften auf dem Eis gegen Aufständische, denen sie innerlich recht gaben. Tuchatschewski bereitete den letzten Angriff vor. (…)
Es galt, vor dem Tauwetter zu Ende zu kommen. Der abschließende Angriff wurde am 17. März von Tuchatschewski eingeleitet und durch einen kühnen Sieg auf dem Eis beendet. Da die Kronstädter Matrosen keine guten Offiziere hatten, wussten sie ihre Artillerie nicht richtig zu verwerten. (Es gab unter ihnen tatsächlich einen ehemaligen Unteroffizier namens Koslowski, aber er leistete nichts besonderes und hatte keine Autorität.) Ein Teil der Rebellen entkam nach Finnland, andere verteidigten sich von Fort zu Fort und von Straße zu Straße. Sie ließen sich erschießen und riefen: ,Es lebe die Weltrevolution!‘ Andere starben mit dem Ruf: ,Es lebe die kommunistische Internationale!‘ Hunderte von Gefangenen wurden nach Petrograd gebracht und der Tscheka übergeben, die sie, noch Monate später, in kleinen Partien dumm und verbrecherisch erschoss. Diese Besiegten gehörten mit Leib und Seele der Revolution, sie hatten das Leiden und den Willen des russischen Volkes ausgedrückt, die NEP (die neue Wirtschaftspolitik) gab ihnen recht, sie waren schließlich Gefangene des Bürgerkrieges, und die Regierung hatte ihnen seit langem die Amnestie versprochen, wenn sie sich ihr anschlössen. Dserschinski leitete dieses lange Massaker oder ließ es geschehen.
Die Führer des Kronstädter Aufstandes waren noch tags zuvor Unbekannte gewesen, die von der Pike auf gedient hatten. Einer von ihnen, Petritschenko, ist vielleicht noch am Leben: er floh nach Finnland. Ein anderer, Perepelkin, war mit einem meiner Freunde in Haft, den ich in dem alten Gefängnis in der Schpapalernaja-Straße besuchte, das so viele Revolutionäre von einst passiert hatten, unter ihnen auch Lenin und Trotzki. Aus seiner Zelle ließ uns Perpelkin, bevor er für immer verschwand, einen Bericht über die Ereignisse zukommen.
Düsterer 18. März! Die Morgenzeitungen waren mit flammenden Schlagzeilen erschienen, die den proletarischen Jahrestag der Pariser Kommune feierten. Und die Geschütze, die vor Kronstadt donnerten, ließen die Fenster dumpf erbeben. In den Büros des Smolny herrschte ein böses Unbehagen. Man vermied es miteinander zu sprechen, wenn man nicht gerade sehr eng miteinander befreundet war, und was man sich unter intimen Freunden sagte, war bitter. Nie erschien mir die weite Newalandschaft fahler und trostloser.“ (Victor Serge, Erinnerungen eines Revolutionärs, Edition Nautilus, Hamburg 1990, S. 147-151.)
Was Victor Serge erlebte, war der endgültige Übergang des Bolschewismus von einer kleinbürgerlich-radikalen zu einer staatskapitalistisch-reaktionären Strömung. Serge selbst schloss sich ab 1923 der trotzkistischen Linksopposition gegen den „Stalinismus“ an, wurde dafür verbannt, konnte aber durch internationale Solidarität Russland verlassen und dadurch der staatlichen Vernichtung der revolutionären Kräfte entgehen.
Durch Victor Serges Erinnerungen wird die opportunistische Inkonsequenz des Linksbolschewismus deutlich. Gefangen in einer mystischen Parteireligion folgten nicht wenige Linksbolschewiken während des Kronstädter Aufstandes Lenin und Trotzki in die staatskapitalistische Konterrevolution. Dadurch stärkten sie jene Macht, der schließlich auch sie zum Opfer fielen. Serge idealisierte diese linksbolschewistische Opposition total. Die „Arbeiteropposition“ war nichts anderes als die Opposition bolschewistischer GewerkschaftsbürokratInnen, welche gegen die vollständige Unterordnung der Gewerkschaften unter die bolschewistische Partei ankämpfte. Die proletarische Basis dieser Opposition war nichts anderes als Kanonenfutter im innerbürokratischen Machtkampf. Gewerkschaftliche Kontrolle über die Produktionsmittel mag vielleicht „ein großer Schritt zur Arbeiterdemokratie“ sein, aber mit proletarisch-revolutionärer Selbstorganisation die zur klassen- und staatenlosen Gesellschaft strebt, hat sie nichts zu tun. Die ArbeiterInnendemokratie und ihre Organe, Parteien und Gewerkschaften, sind ein Hauptfeind der proletarischen und klassenlosen Selbstorganisation. Doch zu dieser Erkenntnis konnte sich Serge nicht durchringen. So blieb er ein kleinbürgerlicher Radikaler mit starken staatskapitalistisch-reaktionären Tendenzen.
Natürlich hatte Serge darin recht, die Möglichkeit einer drittem Revolution im rückständigen, bäuerlichen und durch den BürgerInnenkrieg völlig zerstörten und zerrüttelten Russland abzustreiten. Die AnarchistInnen, die davon träumten waren die Don Quichotes der Revolution, hoffnungslose Romantiker. Aber aus sozialrevolutionärer Sicht ist ein Revolutionsromantiker ein Genosse, während ein „kritischer, aber dennoch realistischer“ Anhänger der Konterrevolution auf der anderen Seite der Barrikade steht! Auch muss gesagt werden, dass jene AnarchistInnen, die für eine „dritte Revolution“ eintraten, doch noch realistischer waren als jene AnarchistInnen und Serge, die versuchten zwischen den Kronstädter Matrosen und dem staatskapitalistischen Regime zu vermitteln. Zwischen Revolution und Konterrevolution gibt es nichts zu vermitteln!
Dass AnarchistInnen in der Regel keine Kritik an den kleinbürgerlich-ökonomischen Forderungen der Kronstädter Matrosen äußern, liegt am ebenfalls kleinbürgerlichen Charakter des Anarchismus. Die anarchistische Idealisierung der kleinbäuerlichen Machno-Bewegung passt da ganz gut in das Bild. Der anarchistische Historiker und ehemalige Mitkämpfer der Machno-Bewegung, Arschinoff, musste zugeben, dass diese Bewegung zwischen 1917 und 1921 keine gesellschaftlichen Veränderungen zuwege brachte. Er gab aber den ständigen Kampf gegen ausländische Intervention, Weiße und Bolschewiki die Schuld daran. Unserer Meinung nach lag dies aber am kleinbäuerlichen Charakter dieser Bewegung. KleinbäuerInnen sind allein auf sich gestellt nicht in der Lage die Warenproduktion zu überwinden, sie neigen zur kleinbürgerlich-individuellen oder kleinbürgerlich-kollektiven Warenproduktion am Rande der kapitalistischen Warenproduktion.
Dass Serge sich übrigens auch positiv auf die kleinbäuerlich-ökonomischen Forderungen der Kronstädter Matrosen bezieht, zeigt dass seine ganz private Ideologieproduktion eine reaktionäre Synthese aus Anarchismus und Marxismus darstellte. Bei seinem Vermittlungsversuch zwischen Revolution und Konterrevolution hegte er die sentimentalen Vorurteile des Anarchismus, dass es vordergründig auf Ideen, Gefühle und Moral ankommt, und nicht auf Interessen und Bedürfnisse, die letztendlich die Ideen, Gefühle und Moral der handelnden Subjekte bestimmen. Und da wo die Interessen und Bedürfnisse von subjektiv revolutionären Matrosen und denen von objektiv konterrevolutionären staatskapitalistischen BürokratInnen gegenüberstanden, musste dieser Konflikt mit aller tödlichen Konsequenz ausgefochten werden. Das ist die grausame Dialektik des Kronstädter Aufstandes. Beide Seiten kämpften aus objektiv-subjektiver Notwendigkeit. Die Kronstädter Matrosen kämpften für die proletarische Selbstorganisation, die staatskapitalistische Bürokratie für deren endgültige Zerschlagung. Die Kronstädter Matrosen waren weder objektiv noch subjektiv in der Lage den Übergang von der proletarischen zur klassenlosen Selbstorganisation zu erkämpfen, denn dass hätte die Zerschlagung des bolschewistischen Staates und die Aufhebung der Warenproduktion erfordert. Der einen Notwendigkeit der sozialen Revolution, der Zerschlagung des bolschewistischen Staatsapparates konnten sie auf Grund des Kräfteverhältnisses objektiv nicht entsprechen, und die zweite Notwendigkeit, die Überwindung der Warenproduktion, war weder objektiv möglich, noch stellten sie es sich subjektiv zum Ziel. Die Notwendigkeiten einer siegreichen Konterrevolution verlangten von den Bolschewiki die Zerschlagung der proletarischen Selbstorganisation und die vorübergehende Förderung kleinbürgerlich-privatkapitalistische Interessen, um die bäuerliche Mehrheit zu beruhigen. Deshalb auf der einen Seite die blutige Niederschlagung des Kronstädter Aufstandes und erbarmungslose Vernichtung auch der schon geschlagenen Matrosen, und auf der anderen Seite die „Neue Ökonomische Politik“ (NEP) als vorübergehendes Nachgeben gegenüber den bäuerlichen und anderen kleinbürgerlichen Schichten. Die objektiven Bedingungen sorgten dafür, dass sich die Notwendigkeiten der staatskapitalistischen Konterrevolution gegen den proletarischen Klassenkampf durchsetzten
Serge begriff die innere Notwendigkeit und die grausame Dialektik des Kronstädter Aufstandes nicht, und fiel in typisch anarchistische Sentimentalität, wo eine materialistische Analyse notwendig gewesen wäre. Er leugnete die revolutionäre Notwendigkeit des Sturzes des bolschewistischen Regimes, und benutzte die kleinbürgerlich-ökonomischen Vorstellungen der Kronstädter Matrosen, die ja von der bolschewistischen Bürokratie durch die NEP quasi verwirklicht wurden, um sie moralisch zu rechtfertigen, nachdem er sich zuvor „kritisch“ auf die Seite ihrer Mörder gestellt hatte. Hier verschmolz typische anarchistische Sentimentalität mit dem marxistischen Pseudo-„Realismus“, Hinweise auf „objektive Bedingungen“ für die Rechtfertigung der eigenen konterrevolutionären Subjektivität zu benutzen.
Die Kronstädter Matrosen kämpften für ihre Interessen und Bedürfnisse unter objektiven Bedingungen, in denen sie nicht siegen konnten. Sie verkörperten eine subjektive Voraussetzung der sozialen Revolution, nämlich jene, die für ArbeiterInnen darin besteht, kompromisslos für die eigenen Bedürfnisse und Interessen zu kämpfen, auch wenn die objektiven Bedingungen noch so schlecht sind. Denn wer unter schlechten objektiven Bedingungen nicht kämpft, wird auch unter besseren objektiven Bedingungen nicht siegen. Die Matrosen von Kronstadt fielen als heroisches Vorbild für alle sozialrevolutionären ArbeiterInnen und als Zerstörer der revolutionären Phrasen des Parteimarxismus, der bei der Niederschlagung ihres Aufstandes gezwungen war seine konterrevolutionäre Fratze zu zeigen. Überlieferte marxistisch-staatskapitalistische Ideologie und die irrationale Parteidisziplin hinderten viele damalige Linksbolschewiken daran, auf der richtigen Seite der Barrikade zu stehen. Nach dem Kronstädter Aufstand ist die Weiterexistenz eines marxistischen Kommunismus eine Unmöglichkeit geworden. Der Kommunismus muss seine marxistische Vergangenheit abstreifen, denn die staatskapitalistischen Tendenzen des Marxismus schlugen im März 1921 sichtbar in Antikommunismus um, der sich selbst und andere mit kommunistischen Phrasen betrog und noch immer betrügt.
Während der sowjetische Partei-„Kommunismus“ seine Dekadenz als sozialrevolutionäre Theoriebildung im März 1921 offensichtlich zeigte, war er auch als Ideologie der staatskapitalistischen Sozialreaktion ab den 1970er Jahren überlebt. In dieser Zeit begann nämlich die Arbeitsproduktivität im sowjetischen Staatskapitalismus zu sinken. Die ökonomische Dekadenz durchdrang auch die Ideologieproduktion. Gorbatschows Perestroika ging in die privatkapitalistische Lösung der staatskapitalistischen Krise über. Doch die Privatisierung des Kapitals in den nachsowjetischen Nationalstaaten brachte dem dortigen Proletariat kein Friede, Freude, Eierkuchen. Nur die soziale Revolution führt aus dem Elend der kapitalistischen Zivilisationsbarberei heraus. Ein nachmarxistischer und nachanarchistischer Kommunismus als Theoriegebäude dieser sozialen Revolution war und ist notwendig. Der blutgetränkte Boden von Kronstadt war sein Geburtsort.

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Annonce: Der chinesische Kapitalismus 1. Teil von den Anfängen bis 1978 https://sbefreiung.blackblogs.org/2015/11/16/annonce-der-chinesische-kapitalismus-1-teil-von-den-anfaengen-bis-1978/ https://sbefreiung.blackblogs.org/2015/11/16/annonce-der-chinesische-kapitalismus-1-teil-von-den-anfaengen-bis-1978/#respond Sun, 15 Nov 2015 23:22:11 +0000 http://sbefreiung.blogsport.de/?p=64 Unsere neue Broschüre: „Der chinesische Kapitalismus 1. Teil von den Anfängen bis 1978“ (ca. 124 Seiten) von Soziale Befreiung (Hg.) ist da. Die Broschüre könnt Ihr hier für 5-€ (inkl. Porto) über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de bestellen.

Einleitung

Unsere zwei Broschüren über den chinesischen Kapitalismus unterscheiden sich in einer wesentlichen Frage von den geistigen Ergüssen sowohl des ideologischen Personals der Bourgeoisie als auch des größten Teils der kleinbürgerlichen politischen Linken: In ihr wird die „Kommunistische“ Partei Chinas („K“PCh) von Anfang an als eine politische Charaktermaske des Kapitals analysiert und beschrieben. In den 1920er Jahren agierte diese noch als total von Moskau abhängige Kraft, die den Interessen des sowjetischen Staatskapitalismus verpflichtet war. Auf Geheiß des Kremls flirtete sie mal mit der chinesischen Bourgeoisie, mal vertrat sie einen extremen staatskapitalistischen Putschismus. Doch die „K“PCh konnte sich schließlich vom Gängelband Moskaus lösen und wurde immer stärker zur politischen Charaktermaske des sich entwickelnden chinesischen Nationalkapitals – zuerst in seiner staatskapitalistischen Form (1949-1978) und dann als Organisatorin der Transformation zum Privatkapitalismus.
Für die IdeologInnen des demokratischen Antikommunismus hat die „K“PCh ab Ende 1978 nach und nach begriffen, dass die „freie Marktwirtschaft“ die einzig vernünftige Art des Wirtschaftens ist. Nun muss sie aber auch noch endlich begreifen, dass zur aufklärerischen Vernunft auch noch eine pluralistische Mehrparteien-Demokratie gehört. Solange sie das nicht begreift, wird der mächtige Konkurrent aus Asien mit Vorträgen über Menschenrechte und Demokratie genervt – allerdings auch nicht so sehr, dass das die lukrativen Geschäfte mit ihm stört.
Die kleinbürgerliche politische Linke streitet sich heftig über die Beurteilung der chinesischen Geschichte und Gegenwart. Für die MaoistInnen ist die Zeit zwischen 1949 und 1978 natürlich die Zeit des „Sozialismus“, die sie gegen alle Einwände verteidigen. Der Großteil der nichtmaoistischen linken Konkurrenz ist da etwas „kritischer“. Für die TrotzkistInnen war China in der Zeit des Staatskapitalismus ein „bürokratisch deformierte ArbeiterInnenstaat“, für die verfeindeten IdeologInnen der moskauhörigen Variante des Marxismus-Leninismus war in China die Basis – also die verstaatlichte Wirtschaft – schon noch irgendwie „sozialistisch“, aber der Überbau, also die maoistische Politik und Ideologie wären bürgerlich-nationalistisch und antisowjetisch-antikommunistisch gewesen. Außer diesen großen Grundströmungen gab und gibt es noch einige „kritische“ Geister dazwischen, deren „Kritik“ aber nicht so weit ging oder geht, um zu erkennen, dass China zwischen 1949 und 1978 eine staatskapitalistische Nation war. Ja, die Erkenntnis, dass die Verstaatlichung der Produktionsmittel auch in China nicht deren Kapitalcharakter aufhob, vertrat damals wie heute nur eine radikalmarxistische Minderheit. An diese Tradition knüpft auch der nachmarxistische und nachanarchistische Kommunismus an.
Im 1. Teil Von den Anfängen bis 1978 unserer Schrift Der chinesische Kapitalismus beschreiben wir im I. Abschnitt die ersten Keime des Kapitalismus im alten China. Dabei analysieren wir den vorindustriellen Kapitalismus im alten China und vergleichen ihn mit seinen anderen globalen Formen. Aus diesem Vergleich wird deutlich, warum sich der Kapitalismus in seiner industriellen Form zuerst in Europa als herrschendes Produktionsverhältnis durchsetzte und nicht im alten China.
China wurde im Verlauf der industriekapitalistischen Entwicklung in Westeuropa, Russland und Japan zur Beute ausländischer Imperialismen und als solche zur Halbkolonie. Diese Entwicklung beschreiben wir im II. Abschnitt. Gegen diesen halbkolonialen Status entwickelten sich ein privatkapitalistischer und ein staatskapitalistischer Nationalismus. Der proprivatkapitalistische Nationalismus schuf sich in der Guomindang (GMD) und der staatskapitalistische in der „K“PCh die entscheidenden politischen Werkzeuge. Diese kooperierten mal und mal schlugen sie sich heftig. Dieses Dreiecksverhältnis aus ausländischen Imperialismen, GMD und „K“PCh und warum sich am Ende gerade die „K“PCh als regierende politische Charaktermaske des chinesischen Nationalkapitals durchsetzte, analysieren wir im III. Abschnitt.
Der IV. Abschnitt beschreibt die Entwicklung des chinesischen Staatskapitalismus. Auch die maoistischen Kampagnen –von „Lasst hundert Blumen blühen“, über den „Großen Sprung nach vorn“ bis zur „Großen proletarischen Kulturrevolution“ – werden als Teil des politideologischen Überbaues des Staatskapitalismus analysiert und kritisiert. Mit der Funktion und Begrenztheit der staatskapitalistischen Produktionsverhältnisse sowie deren Todeskrise wird auch der politische Sieg der proprivatkapitalistischen „Reformfraktion“ nach Maos Tod begründet.
Im V. Abschnitt beschäftigen wir uns mit der Stellung Chinas im Weltkapitalismus zwischen 1949 und 1978. Der „proletarische Internationalismus“ des staatskapitalistischen Blockes war ja in Wirklichkeit nur schlecht kaschierter Nationalismus. Deshalb trennten sich auch in den 1960er Jahren die Wege der Sowjetunion und die Chinas. Auch das Verhältnis zwischen der asiatischen Großmacht und dem globalen Privatkapitalismus änderte sich. Während Peking und Washington im Koreakrieg und im Konflikt um Tibet noch heftig die Klingen kreuzten, näherten sich China und der Westen ab 1972 politisch an. Das war sozusagen der geopolitische Auftakt der chinesischen Transformation zum Privatkapitalismus, dem wir im II. Teil Von 1979 bis heute beschreiben werden.

Nelke, im November 2015

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Vortrag bei der Literatrurmesse https://sbefreiung.blackblogs.org/2015/11/09/vortrag-bei-der-literatrurmesse-2/ https://sbefreiung.blackblogs.org/2015/11/09/vortrag-bei-der-literatrurmesse-2/#respond Mon, 09 Nov 2015 20:42:52 +0000 http://sbefreiung.blogsport.de/2015/11/09/vortrag-bei-der-literatrurmesse-2/ Wir veröffentlichen hier den Vortrag, der auf der Literaturmesse im Rahmen der Vorstellung der Broschüren „Schriften zum Klassenkampf“ in Nürnberg, den 31. Oktober 2015 gehalten wurde.

Air_FranceAir-France-Manager flieht vor den wütenden MitarbeiterInnen. 2. Dez. 2015. AFP
Schriften zum Klassenkampf ist eine unregelmäßig erscheinende Serie der Sozialen Befreiung mit Texten über die globalen Auseinandersetzungen des Proletariats mit Kapital, Staat und Patriarchat vom Ende des 18. bis ins 21. Jahrhundert. Bisher sind vier Ausgaben erschienen.
Der Klassenkampf im Kapitalismus wird zwischen den EigentümerInnen der Produktionsmittel und dem eigentumslosen Proletariat geführt. Beim kapitalistischen Eigentum an den Produktionsmitteln kann zwischen Privateigentum und institutionellem Eigentum (z. B. das von Kirchen, Parteien, Gewerkschaften und Staaten) unterschieden werden. Es ist innerhalb der kleinbürgerlichen politischen Linken weit verbreitet, den Kapitalismus auf Privatunternehmen zu reduzieren. Aber auch wenn der Staat die Mehrheit der Produktionsmittel besaß, wie in der Sowjetunion, in der DDR, in China bis 1978 oder auf dem heutigen Kuba bis heute besitzt, reden wir von Kapitalismus, von Staatskapitalismus. Wir reden also Klartext gegenüber dem Parteichinesisch aller Schattierungen, das die staatskapitalistischen Regimes als Sozialismus beziehungsweise als „bürokratisch deformierte ArbeiterInnenstaaten“ verklärt. Im Staatskapitalismus war und ist der Staat der Eigentümer der wichtigsten Produktionsmittel, das eigentumslose Proletariat vermietet die Arbeitskraft ähnlich wie im Privatkapitalismus an den staatlichen Produktionsmittelbesitzer. Den Klassenkämpfen im staatskapitalistischen Osteuropa und den in von der BRD friedlich annektierten Ostdeutschland, beschreiben wir ausführlicher in Schriften zum Klassenkampf II.
Wenn die proletarischen Einzelmenschen jeder für sich ihre Arbeitskraft erfolgreich an KleinbürgerInnen, PrivatkapitalistInnen, Aktiengesellschaften oder Institutionen vermietet haben, treten sie in den Produktionsprozess ein und der Klassenkampf von oben beginnt. Denn der kapitalistische Produktionsprozess ist die Einheit aus Arbeits- und Ausbeutungsprozess. Der kapitalistische Produktionsapparat saugt durch die Anmietung der Arbeitskräfte die einzige Kraft in sich auf, die aus Geld mehr Geld produzieren kann. Das Proletariat produziert für das Kapital mehr Geld, als deren Anmietung kostet. Die Arbeitszeit des Proletariats wird durch eine unsichtbare Grenze zerteilt. In der selbstreproduktiven Arbeitszeit produziert das Proletariat so viel Produkt oder Dienstleistungen, deren Preis dem Lohn entsprechen, während es in der Mehrarbeitszeit den Profit produziert, den das Kapital sich aneignet. Dieses Herauspressen des Profites aus der lebendigen Arbeitskraft ist das Wesen der kapitalistischen Ausbeutung und des Klassenkampfes von oben im Produktionsprozess.
Das Proletariat ist im kapitalistischen Produktionsprozess nicht nur ein ausgebeutetes, sondern auch ein entfremdetes Wesen. Es ist entfremdet von der eigenen Arbeitskraft, die es an das Kapital vermietet hat, jetzt menschliches produktives Kapital darstellt, das Profit für andere, für die BesitzerInnen der Produktionsmittel, produziert. Von diesen Produktionsmitteln ist das Proletariat als Kapitaleigentum, also als sachliches produktives Kapital von Anfang an entfremdet. Auch das Produkt, was das Proletariat herstellt, ist fremdes Eigentum, eine Ware oder eine warenförmige Dienstleistung. Das Proletariat ist entfremdet vom gesamten kapitalistischen Produktionsprozess.
Deshalb ist dieser auch mehr oder weniger autoritär-hierarchisch organisiert, mit den Chefs und Bossen als Offizieren und Unteroffizieren des Kapitals. Auch wenn der Arbeitsprozess mit so genannten flachen Hierarchien und „Selbstverantwortung“ der MitarbeiterInnen geprägt sein soll – ist das erstens mehr kapitalistische Propaganda als Realität und zweitens ändert das gar nichts an der Ausbeutung der Lohnabhängigen durch das Kapital. Selbstverantwortlich fremdes Eigentum vermehren – das ist der Widerspruch zwischen Ideologie und Wirklichkeit des bürgerlichen Ideals der Selbstverwirklichung durch Lohnarbeit. Auch wenn sich Chefs und MitarbeiterInnen auf Arbeit noch so locker alle Duzen, bei nachlassender Leistung des Einzelnen oder in Krisensituationen heißt es dann doch: Du, ich muss Dich leider entlassen.
Die Produktionsmittel sind im Kapitalismus die Waffen des Kapitals gegen die lohnarbeitenden Menschen. Kapitalistische Produktionsmittel sind also auch immer Zerstörungsmittel gegen Mensch und Natur. Unzählige Arbeitsunfälle, die nichts anderes als Mord durch Arbeit darstellen, vergiftete Flüsse und verseuchte Luft sowie der kapitalistisch-industrielle Klimawandel zeugen davon. Im imperialistischen Krieg wird die massenmörderische Potenz der kapitalistischen Produktivkraftentwicklung besonders deutlich. Auschwitz und Hiroshima waren keine Zivilisationsbrüche, sondern die bisher extremsten Ausdrücke der kapitalistischen Zivilisationsbarbarei.
Viele linke KleinbürgerInnen haben die Atomkraftwerke lange Zeit als angebliche friedliche Alternative zur Atombombe verteidigt. Gab es doch damals angeblich „sichere“ Atomkraftwerke in angeblich „sozialistischen“ Ländern. Nun, das hat sich seit Tschernobyl als Mythos erwiesen, aber noch heute feiern die Idole großer Teile der politischen Linken, wie zum Beispiel Evo Morales in Bolivien Atomkraftwerke und hetzen reaktionär gegen dessen GegnerInnen. Aber zumindest für die BRD ist es Konsens innerhalb der kleinbürgerlichen politischen Linken für den Ausstieg aus der Atomkraft zu sein. Aber die meisten verbinden das nicht mit einer revolutionären Kritik an der kapitalistischen Produktivkraftentwicklung überhaupt, die grundsätzlich sozialreaktionär und absolut schädlich bis tödlich für die Hauptproduktivkraft Mensch ist.
Wir schrieben in Schriften zum Klassenkampf III über die Atomkraft: „Atomkraft ist das Symbol dafür, das der technologische Fortschritt im Kapitalismus gleichzeitig sozialreaktionär ist. Mensch und Natur werden immer unerbittlicher ausgebeutet, vergiftet und verstrahlt. Die Hauptproduktivkraft des Kapitalismus, der proletarische lohnabhängige Mensch, wird durch die kapitalistischen Produktionsverhältnisse zu einem Wesen, was von den Produktionsmitteln, der eigenen Arbeitskraft und den Produkten seiner Arbeit entfremdet ist. Produktive Tätigkeit ist für die Menschen lebensnotwendig, doch Lohnarbeit in Atomkraftwerken ist (selbst)mörderisch (…). Die Hauptproduktivkraft, der proletarische lohnabhängige Mensch, wird zur Selbstzerstörungskraft. Lohnarbeit heißt Selbstzerstörung. Revolution ist die Rebellion der menschlichen Hauptproduktivkraft – des lohnabhängigen Proletariats – gegen die zerstörende Macht der kapitalistischen Produktionsverhältnisse.“
Die soziale Revolution auch als Rebellion gegen die zerstörerische Kraft der kapitalistischen Produktivkraftentwicklung. Doch so weit sind wir noch lange nicht. Der heutige Klassenkampf wird noch weitgehend im Rahmen des Kapitalismus geführt, deshalb nennen wir ihn reproduktiven Klassenkampf. Dieser ist sehr widersprüchlich. Es gibt in ihm sowohl revolutionäre als auch konservative bis reaktionäre Tendenzen. Mit dieser Widersprüchlichkeit haben wir uns in Schriften zum Klassenkampf IV ausführlich auseinandergesetzt. Die revolutionärste Tendenz des reproduktiven Klassenkampfes ist, dass er überhaupt existiert. Die proletarisierten Menschen zeigen durch ihn, dass sie mehr sind als menschliches produktives Kapital, welches für die Bourgeoisie den Profit produziert. Sie sind Menschen mit Bedürfnissen und diese Bedürfnisse stellen sie individuell und kollektiv den Bedürfnissen der Kapitalvermehrung gegenüber.
Das Ringen für die eigenen Bedürfnisse beginnt mit dem konspirativ-illegalen Alltagsklassenkampf. In diesem eignet sich das Proletariat zum Beispiel kleinere Produktionsmittel und Produkte an, wodurch das kapitalistische Privateigentum in der Praxis angegriffen und der Lohn etwas aufgebessert wird. Wo es der konkrete Produktionsprozess zulässt, stellen ArbeiterInnen mit den Produktionsmitteln auch Dinge für den Eigenbedarf her, wenn der Chef mal nicht richtig hinsieht. Dies geht zum Beispiel in handwerklichen Berufen und an einem Computerarbeitsplatz. Durch diese produktive Aneignung der Produktionsmittel hören diese für den Moment der Aktion faktisch auf sachliches produktives Kapital zu sein, so wie die wirkende Arbeitskraft kein menschliches produktives Kapital mehr ist, dass für andere Profit produziert. Zu diesen Angriffen auf das kapitalistische Privateigentum gehört auch die Sabotage, bei der die Lohnabhängigen phantasievoll die Produktionsmittel für eine gewisse Zeit außer Gefecht setzen, um auf diese Weise einen technischen Defekt vorzutäuschen. Dadurch erkämpfen sie sich ein wenig Ruhe Diese Angriffe auf das kapitalistische Privateigentum gehören mit zu den revolutionärsten Tendenzen des reproduktiven Klassenkampfes. Außerdem pfeifen die ProletarierInnen in solchen Aktionen auf das bürgerliche Recht, das nur der juristische Ausdruck der Bedürfnisse der Kapitalvermehrung ist. Allerdings sind den meisten ProletarierInnen die revolutionären Tendenzen ihres Klassenkampfes nicht bewusst. Es ist die Aufgabe von proletarischen RevolutionärInnen, die un- beziehungsweise vorbewussten revolutionären Tendenzen des Klassenkampfes bewusst zu machen und nicht abstrakt wie eine rote Ausgabe der Zeugen Jehovas die Revolution zu predigen.
Eine weitere revolutionäre Tendenz des reproduktiven Klassenkampfes ist die proletarische Militanz gegen Bosse, StreikbrecherInnen, Bullen und andere Repressivorgane. Einen Eindruck dieser proletarischen Militanz gaben uns erst vor kurzem die Lohnabhängigen bei Air France. Bei einem Treffen des Konzernmanagements mit dem Betriebsrat, bei dem die Wirtschaftsbosse den Abbau von 2.900 Arbeitsplätzen ankündigten, mussten diese Charaktermasken des Kapitals ihre Beine in die Hand nehmen. Die wütenden ArbeiterInnen rissen ihnen die Klamotten vom Leib. Die Politschranzen und Medien schrien sich heißer über Gewalt. Nun müssen sich einige AktivistInnen vor Gericht verantworten. Wer redet von der strukturellen Gewalt des Kapitals, die das Proletariat zu Scheißjobs und Arbeitslosigkeit zwingt? Nein, wir rufen wirklich nicht dazu auf, die Wut an den Charaktermasken des Kapitals abzureagieren, aber militante ProletarierInnen brauchen die Solidarität von uns allen gegen die kapitalistische Klassenjustiz!
Der militante Klassenkampf, bei dem das Proletariat Gewalt und Zwang gegen Bosse, Bullen und Streikbrecher ausübt, ist die wirkliche Diktatur des Proletariats. Der Marxismus-Leninismus behauptete, dass auch seine ausgeübten Parteidiktaturen proletarische Diktaturen verkörpert hätten. Das ist Demagogie, die Parteidiktaturen waren staatskapitalistische Regimes gegen das Proletariat. Die wirkliche proletarische Diktatur ist der militante Klassenkampf gegen Kapital und Staat, die bereits ansatzweise im reproduktiven Klassenkampf ausgeübt wird.
Die konservative Tendenz des reproduktiven Klassenkampfes ist, dass er faktisch im Rahmen des Kapitalismus geführt wird, auch wenn dessen revolutionären Tendenzen eindeutig über diesen Rahmen hinaus weisen. Der reproduktive Klassenkampf war historisch und auch ist heute noch in vielen Ländern sowie im Niedriglohnsektor eine Notwendigkeit, um das nackte Überleben zu sichern. Das Kapital ist in seinem Streben nach Maximalprofit maßlos. Wer zählt die Millionen Menschen, die es in Form von Hungerlöhnen, überlangen Arbeitszeiten und regelrecht tödlichen Arbeitsbedingungen hingemordet hat? Ja, der reproduktive Klassenkampf des Proletariats ist eine Lebensnotwendigkeit, mit dem es die eigene biosoziale Reproduktion durchsetzt, die der massenmörderische Kapitalismus gefährdet. Doch indem das Kapital bei der konkurrenzförmigen Jagt nach Maximalprofit die biosoziale Reproduktion des Proletariats gefährdet, vergiftet es seine eigene Quelle. Das Kapital kann ohne das Proletariat nicht existieren. Indem das Proletariat gegen Hungerlöhne, mörderisch lange Arbeitszeiten und eine in den Wahnsinn treibende Arbeitsintensität ankämpft, kämpft es paradoxerweise objektiv auch für die Erhaltung des Kapitalismus, der durch die Überausbeutung des Proletariats seine eigene Existenz gefährdet.
Der reproduktive Klassenkampf war auch für die Bourgeoisie und deren politisches Personal ein sozialer Lernprozess. Am Anfang war Streik grundsätzlich verboten und Gewerkschaften wurden illegalisiert und kriminalisiert. Doch das Kapital lernte, dass in einer Klassengesellschaft der Klassenkampf nicht grundsätzlich effektiv zu verbieten ist. So legalisierte es den Streik und die Gewerkschaften im eigenen Interesse. Deutschland ist das beste Beispiel dafür, dass ein demokratisches Streikrecht viel effektiver den Klassenkampf eindämmen kann, als es ein absolutes Streikverbot je vermocht hätte. Das bundesdeutsche Streikrecht ist sehr repressiv. So sind so genannte politische Streiks gegen die Maßnahmen der Regierung verboten. Streiks sind nur legal im Rahmen der Tarifautonomie. Gerade in Deutschland erzog das demokratische Streikrecht die ProletarierInnen im Geist eines abtötenden Legalismus. Viele ProletarierInnen in Deutschland fragen sich mehr was sie dürfen, als was sie wollen. In China gibt es kein demokratisches Streikrecht, aber der Klassenkampf wird dort viel härter, konsequenter und militanter geführt als in Deutschland. Das demokratische Streikrecht in der BRD hat sich also bewährt – für Kapital und Staat.
Durch das Tarifvertragssystem entwickeln sich die bürgerlich-bürokratischen Gewerkschaftsapparate, die eindeutig nicht zum Proletariat gehören, zu Co-Managern von Kapital und Staat. Zu gut erzogenen Untertanen, die der Bourgeoisie schon in den Hintern kriechen, noch bevor diese ihn hinhält. Gerade in imperialistischen Auseinandersetzungen stehen deutsche GewerkschaftsbürokratInnen fest zur herrschenden Klasse. So trugen deutsche Gewerkschaftsbonzen den Ersten Weltkrieg mit, krochen vergeblich vor Hitler bevor dieser die Gewerkschaften zerschlug und waren auch im Kalten Krieg dem bundesdeutschen Staat durch Ausschlüsse von Linken behilflich. In der letzten Zeit sind besonders die IG-Metall-Bonzen durch standortnationalistische reaktionäre Sprüche aufgefallen. Sie stellten sich grundsätzlich auf die Seite der bundesdeutschen Außenpolitik, die ganz Europa einen Sparkurs gegen das Proletariat aufzwang.
Im Tarifvertragssystem sind die Lohnabhängigen nicht mehr als Statisten im Schacher zwischen Kapital, Staat und Gewerkschaftsbürokratie. Erst wenn sich die Bosse und Bonzen am Verhandlungstisch nicht einigen, werden sie zu Streiks aufgefordert – von der Gewerkschaftsbürokratie. Damit liegt das Streikmonopol in den Händen von bürgerlich-bürokratischen Gewerkschaftsapparaten – und damit eindeutig nicht in der Hand des streikenden Proletariats. Das wurde beim Poststreik im Sommer dieses Jahres besonders deutlich. Die ver.di-Bürokratie begann den Streik ohne Urabstimmung der lohnabhängigen Basis, um ihn auch ohne Urabstimmung wieder beenden zu können. Der Streik endete mit einer totalen Niederlage und einer demoralisierten Basis. Die Gewerkschaftsbürokratie ist der verlogenste und heimtückischste Klassenfeind des Proletariats.
Durch das Tarifvertragssystem ist die Bourgeoisie vor Überraschungen hinsichtlich des Klassenkampfes weitgehend geschützt. Denn während der Laufzeit von Tarifverträgen herrscht für die den Tarifvertrag unterzeichnende Gewerkschaft die Friedenspflicht. In der letzten Zeit bekamen die DGB-Gewerkschaften durch Berufsgewerkschaften einige Konkurrenz. Das gefiel weder Staat und Kapital, noch großen Teilen des DGB-Apparates. Deshalb beschloss der Staat das so genannte Gesetz zur Tarifeinheit. Jetzt soll nur noch der Tarifvertrag jener Gewerkschaft gelten, welche die meisten Mitglieder im Betrieb hat. Der DGB und einige Einzelgewerkschaften – unter ihnen auch die IG Metall – haben diese repressive Verschärfung des Streikrechtes unterstützt. Um nicht missverstanden zu werden: Auch die bürgerlich-bürokratischen Apparate der Berufsgewerkschaften gehören objektiv zu den Klassenfeinden des Proletariats. Indem zum Beispiel die GDL die besonders durchsetzungsfähigen LokführerInnen von den anderen Bahnbeschäftigten tarifvertrags- und klassenkampfmäßig trennt, trägt sie zur Spaltung des Proletariats bei. Denn es ist gerade das Hauptprinzip innerproletarischer Solidarität, dass die durchsetzungsfähigsten Teile der ArbeiterInnenklasse diesen Vorteil nicht nur für sich, sondern für alle nutzen.
Die Gewerkschaften stellen also als institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung den bürokratisch entfremdeten Ausdruck des reproduktiven Klassenkampfes dar. Doch gegen diese Gewerkschaftsbürokratie regt sich schon im reproduktiven Klassenkampf der proletarische Widerstand. So sind gerade längere gewerkschaftsgeführte Streiks von der Doppelherrschaft aus Gewerkschaftsbürokratie einerseits und der proletarischen Selbstorganisation andererseits geprägt. Wir haben diese Doppelherrschaft in unserem Text Gewerkschaftsbürokratie und proletarische Selbstorganisation ausführlich analysiert. Dabei beziehen wir uns besonders auf den halbjährlichen Streik bei Gate Gourmet Düsseldorf 2005/2006. In wilden Streiks ohne und gar gegen den Willen der Gewerkschaftsbürokratie wird das gewerkschaftliche Streikmonopol schon ansatzweise im reproduktiven Klassenkampf in Frage gestellt. Die Gewerkschaftsapparate sind nicht im Sinne des Proletariats reformierbar, sondern sie müssen in der möglichen sozialen Revolution wie Kapital und Staat zerschlagen werden.
Auch der politische Arm der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung, die so genannten sozialdemokratischen und sich „kommunistisch“ nennenden „ArbeiterInnenparteien“ sind objektiv strukturell sozialreaktionär. Parteien sind Organisationsformen der bürgerlichen Politik, die untereinander um die Regierungsmacht konkurrieren. Sie sind klassengespalten zwischen einer bürgerlich-bürokratischen Führung auf der einen Seite und einer kleinbürgerlichen und proletarischen Basis auf der anderen. In sozialdemokratischen und sich „kommunistisch“ nennenden Parteien war und ist das nicht anders. Kapitalistische Produktionsweise und bürgerliche Politik reproduzieren sich gegenseitig. Sozialdemokratie und der Partei-„Kommunismus“ reproduzierten und reproduzieren in entwickelten bürgerlichen Staaten den Privatkapitalismus, während leninistische Parteien in Osteuropa und in einigen Ländern des Trikont, also in Asien, Afrika und Lateinamerika, die schwache Bourgeoisie enteigneten und staatskapitalistische Regimes errichteten. Doch die ultrazentralistischen und überbürokratischen staatskapitalistischen Produktionsverhältnisse taugen nur zu einer ursprünglichen beschleunigten Industrialisierung. Nach dieser ist der Staatskapitalismus nicht in der Lage mit dem Privatkapitalismus in der globalen Konkurrenz weiter mit zu halten. Deshalb entstehen in den marxistisch-leninistischen Parteien nach der ursprünglichen Industrialisierung proprivatkapitalistische Fraktionen, die schließlich siegen und langsam oder schnell das Kapital privatisieren. In Osteuropa – besonders in Ostdeutschland – führte die Privatisierung zu Produktionsrückgang, Deindustrialisierung und Massenarbeitslosigkeit. In China, Vietnam und auf Kuba organisierten und organisieren die marxistisch-leninistischen Parteien diese Transformation zum Privatkapitalismus. In China ist der Prozess so gut wie abgeschlossen, aber auch auf Kuba, was das Paradies vieler linker KleinbürgerInnen darstellt, hat er längst begonnen.
Auch politisch linke Parteien und Regierungen gehören also zu den strukturellen Klassenfeinden des Proletariats. Die kleinbürgerliche politische Linke produziert unaufhörlich Illusion, ihre Tagträume entwickeln sich nicht selten zum blutigen Alptraum für das Proletariat. Die kleinbürgerliche politische Linke schürte Illusionen in das ANC-Regime in Südafrika, doch der schwarze Bulle geht nicht weniger mörderisch gegen das Proletariat vor wie der weiße Bulle. Die kleinbürgerliche Linke schürte Illusionen in Syriza, die jetzt genau wie ihre Vorgänger im Interesse des ausländischen Imperialismus und der einheimischen Bourgeoisie die massenhafte Verelendung des Proletariats organisiert. Wir proletarischen RevolutionärInnen warnten bereits vor Syriza, als diese noch die Oppositionsbank drückte. So schrieben wir im Jahre 2013: „Sollte Syriza in ,Regierungsverantwortung´ gelangen, hätte die globale und griechische Bourgeoisie es wahrscheinlich nicht allzu schwer, diese Partei zu disziplinieren.“ Heute unterstützt die große Mehrzahl der linken KleinbürgerInnen in Nordsyrien kurdische Politbonzen, die unterstaatliche Strukturen aufbauen und Verbündete des US-Imperialismus sind. Die politische Linke sorgt sich rührend sogar für die Bewaffnung der syrisch-kurdischen NationalistInnen. Heute mögen diese Waffen gegen den IS eingesetzt werden – und morgen vielleicht gegen das Proletariat. So werden Konterrevolutionen vorbereitet. Die kleinbürgerliche Linke ist hier in ihrer Mehrheit Teil des imperialistischen Bündnisses gegen den IS, nichts anderes als die linke Fraktion des Kapitals. Als solche ist sie objektiv ein struktureller Klassenfeind des Proletariats.
Deshalb müssen proletarische RevolutionärInnen mit dem linken KleinbürgerInnentum konsequent brechen. Sie müssen sich mit den wenigen revolutionären Intellektuellen zu sozialrevolutionären Gruppen zusammenschließen, die bereits heute eine Alternative zu den Parteien und Gewerkschaften darstellen. Proletarische RevolutionärInnen haben keine Angst vor so genannter „Isolation“ gegenüber den Gewerkschaftsapparaten und den armseligen sozialdemokratischen Wahlvereinen, um die die linken KleinbürgerInnen herumschlawenzeln wie die Katze um den heißen Brei. Klar, Partei- und Gewerkschaftsapparate bedeuten sichere Jobs für linke Intellektuelle – aber für das Proletariat die Verewigung der kapitalistischen Ausbeutung. Also müssen sich SozialrevolutionärInnen von der linken Fraktion des Kapitals trennen. Sie konzentrieren sich ganz auf den real existierenden Klassenkampf und die bereits weiter oben genannten revolutionären Tendenzen.
In außergewöhnlichen Situationen kann sich der reproduktive Klassenkampf zur sozialen Revolution zuspitzen. Einen Ansatz dazu erlebten wir während der europäischen revolutionären Nachkriegskrise von 1917 bis 1923, besonders in Russland und in Deutschland. In und mit der Revolution entwickelten sich die Organe der proletarischen Selbstorganisation, die ArbeiterInnenräte, die in Deutschland und in Sowjetrussland mit Demagogie und Gewalt zerschlagen wurden. In Deutschland höhlten die sozialdemokratischen Politbonzen von innen die Räte aus, so dass diese sich zu Gunsten des bürgerlichen Parlamentarismus selbst auflösten. Doch hunderttausende revolutionäre ArbeiterInnen und Intellektuelle kämpften konsequent gegen die Konterrevolution, ein großer Teil spaltete sich auch von der moskauhörigen „K“PD ab. Diese RevolutionärInnen werden noch heute von SozialdemokratInnen und LeninistInnen als „SektiererInnen“ und „Ultralinke“ diffamiert. In Russland eroberte die bolschewistische Partei im Namen der ArbeiterInnenräte die Macht, um eine Parteidiktatur zu errichten und die Räte zu entmachten. Als die Kronstädter Matrosen 1921 für die Rätemacht und gegen die Parteidiktatur kämpften, wurden sie von den Bolschewiki konterrevolutionär niedergemetzelt. Alles schon unter Lenin und Trotzki, und nicht erst unter Stalin!
Es gibt kein Zurück in die Zukunft. Die ArbeiterInnenräte waren eine konkrete Form der proletarischen Selbstorganisation in einer bestimmten Periode. Doch in außergewöhnlichen Situationen ist eine Zuspitzung des Klassenkampfes zu einer sozialen Revolution weiterhin möglich. Auch da werden sich Organe der proletarischen Selbstorganisation bilden müssen, dessen konkrete Formen heute noch nicht vorherzusagen sind. Diese Organe der proletarischen Selbstorganisation werden entweder von der Konterrevolution zerschlagen wie damals die ArbeiterInnenräte, oder sie heben die Warenproduktion auf und zerschlagen den Staat. Dass ist dann die mögliche revolutionäre Diktatur des Proletariats, die die kapitalistische Diktatur zerschlägt und dann prozesshaft in die klassen- und staatenlose Gesellschaft übergehen muss.

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Hoch die antinationale Solidarität! https://sbefreiung.blackblogs.org/2015/02/12/hoch-die-antinationale-solidaritaet/ https://sbefreiung.blackblogs.org/2015/02/12/hoch-die-antinationale-solidaritaet/#comments Wed, 11 Feb 2015 23:43:18 +0000 http://sbefreiung.blogsport.de/?p=53 Wir veröffentlichen hier „Hoch die antinationale Solidarität“ als den letzten Teil unseres Textes „Der kurdische Nationalismus als ein Feind des Weltproletariats“. Den vorletzten Teil des Textes „Der IS, der Imperialismus und der kurdische Nationalismus III“ könnt ihr hier bei der „Gruppe Sozialer Widerstand“ nachlesen.

antionalina solidarty

Auch in Nürnberg solidarisierte sich ein großer Teil der kleinbürgerlichen politischen Linken mit dem kurdischen Nationalismus und damit indirekt mit dem westlichen Imperialismus. Für den 1. November 2014 rief der kleinbürgerlich-internationalistische Lautsprecher des kurdischen Nationalismus in dieser Stadt zu einer Solidaritätsdemonstration auf. Dabei wurde der kurdische Nationalismus in Nordsyrien wieder mal idealisiert und ideologisiert. Diese Idealisierung und Ideologisierung haben wir schon weiter oben hart kritisiert. Schauen wir uns hier an, wie viele kleinbürgerliche politische Linke Nürnbergs mit dem Imperialismus in einem Bett lagen – aber offiziell nicht zur Paarung bereit waren.
So schrieben die linken KleinbürgerInnen Nürnbergs über das Verhältnis aus Imperialismus und kurdischen Nationalismus: „In deutschen Medien wurde die Meldung verbreitet, die YPG/YPJ erbitten die Unterstützung der Türkei durch Bodentruppen. Dies ist falsch! Die KurdInnen fordern von der Türkei ausschließlich eine Ende der Zusammenarbeit mit dem IS und einen freien Zugang für KämpferInnen und Waffen nach Kobane. Die türkische Regierung bekämpft den kurdischen Aufbau einer freien, geschlechtergerechten und demokratischen Gesellschaft seit jeher. Die kurdische Selbstverwaltung in Rojava wäre durch einen Einmarsch der türkischen Streitkräfte stark gefährdet.
Während die Menschen zu Hunderttausenden vor dem Terror fliehen müssen, erklärt die türkische Regierung die YPJ/YPG zu einer vergleichbar großen “terroristischen Gefahr“, während die deutsche Regierung durch ihr Handeln dieser Position der türkischen Regierung Rückendeckung gibt. Die CDU/SPD Bundesregierung äußert sich nicht und liefert weiterhin Waffen in die Türkei, die damit wieder den beginnenden kurdischen Widerstand in der Türkei bekämpft. Ebenso beliefert die BRD Waffen an weitere IS-Unterstützer wie Saudi Arabien und Katar. Gleichzeitig hält die deutsche Regierung am PKK-Verbot fest und kriminalisiert weiterhin jegliches Engagement für den kurdischen Freiheitskampf. Dabei waren es die KämpferInnen der YPG/YPJ und PKK, die den IS im Irak maßgeblich aufgehalten und tausende ezîdischen KurdInnen in Şengal gerettet haben. Mit der widerwärtigen Gleichsetzung von IS und den kurdischen Organisationen offenbaren Ankara wie Berlin ihre wahren Interessen im Nahen Osten. Alle Lippenbekenntnisse den KurdInnen gegenüber, gegen den IS-Terror praktische Hilfe zu leisten, sind nichts als Lügen-Märchen. Die deutsche Regierung verfolgt allein wirtschaftspolitische Interessen und steht in geopolitischen Fragen an der Seite ihres NATO-Bündnispartners Türkei.
Das PKK-Verbot kriminalisiert und stigmatisiert die politische Arbeit der kurdischen AktivistInnen in Deutschland seit 1993 und lässt keinen Raum für demokratische Prozesse. Genauso werden auch fortschrittliche, linke AktivistInnen mit den Gummiparagraphen 129a, 129b StGB (Unterstützung/Mitgliedschaft einer (ausländischen) terroristischen Vereinigung unter Verdacht gestellt und ebenso kriminalisiert.
HANDELN!
Es gilt nun, die Errungenschaften der kurdischen Revolution zu verteidigen. Denn vernichtet werden soll eine Perspektive, die nicht nur in Kurdistan die Menschen begeistert; – die Idee eines gesellschaftlichen Modells der demokratischen autonomen Selbstverwaltung hat längst alle Grenzen Kurdistans überwunden. Halt stand, Kobanê!
Angesichts dieser Situation ist die Unterstützung für Rojava und die Entwicklung politischer Beziehungen zur kurdischen Freiheitsbewegung sehr wichtig für die internationale Linke und alle, die die Menschlichkeit verteidigen wollen – so wie in den 1930er Jahre die Solidarität mit der spanischen Linken im Kampf gegen den Faschismus wichtig war.
– Bildet Solidaritätskomitees zur Verteidigung der Revolution in Rojava
oder schließt euch bestehenden an!
– Keine Waffenlieferungen an Länder, die den IS unterstützen!
– Stoppt alle direkten und indirekten Unterstützungen der
terroristischen Organisation Islamischer Staat!
– IS-Strukturen überall zerschlagen!
– Grenzen für Flüchtlinge öffnen! Das Embargo um Rojava stoppen!
– Humanitäre Hilfe für die Menschen in Rojava!
– PKK-Verbot sofort aufheben!
– Spendet Geld für die Selbstverteidigungskräfte Rojavas!“
Schauen wir uns den ideologischen Spagat der kleinbürgerlichen politischen Linken etwas genauer an und vergleichen wir ihn mit der Rolle des Antifaschismus während des Zweiten Weltkrieges und des spanischen BürgerInnenkrieges. Den Vergleich zieht die kleinbürgerliche politische Linke selbst, wie wir weiter oben sehen konnten. Dass der kurdische Nationalismus in Nordsyrien keinen Einmarsch der türkischen Armee will, ist klar. Dann wäre es aus mit den unabhängigen staatlichen Strukturen, die er sich geschaffen hatte. Weil diese staatlichen Strukturen so politisch korrekt daherkommen, fällt den linken KleinbürgerInnen natürlich nicht ein, diese wie alle Staaten dieser Welt revolutionär zu kritisieren. Nein, die staatlichen Strukturen des kurdischen Nationalismus werden von diesen Leuten als „revolutionär“ verklärt. Damit bereitet die kleinbürgerliche politische Linke wieder einmal eine staatliche Konterrevolution gegen das Proletariat mit vor. Und dass kann sie ja richtig gut, eigentlich das Einzige was sie wirklich kann!
Der Antifaschismus der mittleren 1930er und frühen 1940er Jahre des moskauhörigen Partei-„Kommunismus“ und der Sozialdemokratie beschränkte sich damals auch darauf eine Form des Staates – die Demokratie – gegen eine andere Form – den Faschismus –zu verteidigen. Links- und RätekommunistInnen kämpften damals gegen den Kapitalismus, also gegen Demokratie und Faschismus und gegen den Zweiten Weltkrieg, der von allen Seiten ein imperialistisch-reaktionärer war. So wie wir heutigen RevolutionärInnen gegen alle Seiten des imperialistischen Gemetzels in Syrien und Irak – einschließlich des kurdischen Nationalismus – kämpfen und für die Selbstverteidigung der ZivilistInnen – besonders des Proletariats! – unabhängig von staatlichen Strukturen und Nationalismen eintreten!
Wir kämpfen gegen den Weltkapitalismus und gegen die internationalen Beziehungen als nackte Gewaltverhältnisse der Nationalstaaten, die allesamt in Frieden und Krieg die Gesundheit und das Leben des globalen Proletariats auf das Spiel setzen. Die kleinbürgerliche politische Linke ist nur in ihren Phrasen antikapitalistisch. Ihr „Antiimperialismus“ erschöpft sich darin, kapitalistische Nationalismen gegen andere zu unterstützen. Doch der kurdische Nationalismus ist Teil der imperialistischen Allianz gegen den IS, den auch der deutsche Imperialismus angehört. So wie die meisten kleinbürgerlichen AntifaschistInnen im Zweiten Weltkrieg auf der Seite des demokratischen und sowjetischen Imperialismus standen und damit das Gemetzel des Weltkapitals am Weltproletariat unterstützten. Nein, wir relativieren nicht Auschwitz, ihr kleinbürgerlichen AntifaschistInnen relativiert das Gulag-System des sowjetischen Imperialismus und das atomare Massaker des US-Imperialismus in Hiroshima!
Ja klar, die BRD und die Türkei haben indirekt und direkt den IS mit groß gemacht, so wie damals das US-Finanzkapital Hitler mitfinanzierte, der sowjetische Imperialismus zusammen mit dem NS-Faschismus Polen aufteilte und der französische und britische Imperialismus Berlin die Tschechoslowakei zum Fraß vorwarf. Aber das hinderte den kleinbürgerlichen Antifaschismus nicht daran, sich im Zweiten Weltkrieg auf die Seite der USA, der Sowjetunion, Großbritanniens und Frankreichs zu stellen. Die BRD unterstützt jetzt den irakisch-kurdischen Nationalismus gegen den IS, so wie die kleinbürgerliche politische Linke den syrisch-kurdischen Nationalismus gegen den IS unterstützt. Irakisch-kurdischer und syrisch-kurdischer Nationalismus sind zurzeit verbündet und Teil der imperialistischen Allianz gegen den IS – so wie die BRD und faktisch die kleinbürgerliche politische Linke als Lautsprecher des syrisch-kurdischen Nationalismus. Ihr könnt noch so viele abstrakte „antikapitalistische“ Phrasen von euch geben, ihr erbärmlichen linken KleinbürgerInnen! In eurer konkreten Funktion als Anhängsel des kurdischen Nationalismus seid ihr nichts anderes als eine politische Fraktion des Weltkapitals! Und als solche bekämpfen wir euch kompromisslos!
Die kleinbürgerliche politische Linke in diesem Lande ist dazu fähig ausländische staatliche Strukturen oder kleinbürgerlich-reaktionäre NationalistInnen überall auf der Welt zu unterstützen, aber sie ist unfähig, wirklich gegen staatliche Repression in Deutschland zu kämpfen – außer ein paar pseudorevolutionäre Phrasen kommt da nichts. Wenn FaschistInnen gegen MigrantInnen vorgehen, fordert sie nach der tatkräftigen Hilfe der demokratischen Polizei, derselben Bullen, welche im Staatsauftrag repressiv gegen das migrantische Proletariat vorgehen! Deshalb ist die Aufforderung der linken KleinbürgerInnen Nürnbergs gegen die Strukturen des IS vorzugehen in der Praxis nichts weiter als die Aufforderung an den deutschen Staat: „Hör auf die liebe PKK zu unterdrücken! Nimm dir mal lieber den böse IS vor!“ So wie die linken KleinbürgerInnen ja auch die staatliche Repression von sich auf die Nazis lenken wollen. Wir SozialrevolutionärInen sind noch sehr schwach in diesem Land, aber wir beteiligen uns nicht an diesem schmutzigen Spiel, die staatliche Repression grundsätzlich anzuerkennen, ja sie auf bestimmte politische Fraktionen wie den IS oder die Nazis lenken zu wollen. Der Kampf gegen den deutschen Staat, die Nazis, die PKK, den IS und die kleinbürgerliche politische Linke ist Aufgabe der proletarischen RevolutionärInnen und kann an keine andere Kraft delegiert werden. Noch sind wir RevolutionärInnen schwach, weil auch der Klassenkampf in diesem Land noch sehr unterentwickelt ist. Aber wir bereiten den militanten Klassenkampf gegen alle bürgerlichen Kräfte schon heute praktisch und geistig mit vor und warten nicht passiv auf die Revolution, wie uns die linken KleinbürgerInnen vorwerfen. Diese warten übrigens auch nicht passiv auf die potenzielle Konterrevolution des kurdischen Nationalismus gegen das Proletariat, sondern bereiten sie bereits heute geistig und praktisch aktiv mit vor.
Der Verweis auf den spanischen BürgerInnenkrieg ist verräterisch. Auch damals stellte sich die politische Linke – sowohl die größten Teile des Parteimarxismus als auch der offizielle Anarchosyndikalismus – auf die Seite der privatkapitalistisch-demokratischen Republik und der staatskapitalistischen Sowjetunion gegen den putschenden Franco sowie den deutschen und italienischen Faschismus – und gegen das klassenkämpferische Proletariat Spaniens. Denn die politische Linke kämpfte damals nicht gegen Demokratie und Faschismus als zwei verschiedene politische Formen der kapitalistischen Herrschaft, sondern verteidigte die Demokratie gegen den Faschismus. Doch wer die Demokratie gegen den Faschismus verteidigt, muss den Kapitalismus gegen das Proletariat verteidigen. So war es auch in Spanien. Das demokratische Volksfrontregime in Spanien und der sowjetische Imperialismus gingen gegen das klassenkämpferische Proletariat und den linken Flügel der Volksfront (die linkssozialdemokratische Partei der Marxistischen Einheit [POUM] und die anarchosyndikalistische CNT) wesentlich konsequenter vor als gegen Franco und den italienischen und deutschen Faschismus. Weshalb sie auch den Kampf gegen das Proletariat gewann und den Kampf gegen Franco verlor.
Der spanische BürgerInnenkrieg (1936-1939) war von beiden Seiten ein imperialistisch-reaktionärer Krieg, so wie es auch im heutigen Syrien und Irak beim blutigen Amoklauf der Nationalismen keine fortschrittliche Seite gibt. Die internationale politische Linke leistete damals auch mit bürgerlich-humanistischen Phrasen Solidarität –mit der Demokratie Spaniens und der sowjetischen Geheimpolizei NKWD, die unzählige klassenkämpferische ProletarierInnen folterte und ermordete – und entwaffnet heute das Weltproletariat gegen einen seiner Feinde, den kurdischen Nationalismus (siehe zu Spanien: Nelke, Der spanische BürgerInnenkrieg (1936-1939), Soziale Befreiung, Bad Salzungen 2014).
Wie gesagt, der Verweis auf den spanischen BürgerInnenkrieg ist verräterisch. Der kurdische Nationalismus ist genauso eine Fraktion des Weltkapitals, wie es damals der sowjetische Imperialismus und das antifaschistisch-sozialreaktionäre Volksfront-Regime im spanischen BürgerInnenkrieg waren. Damit ist der kurdische Nationalismus ein Feind des Weltproletariats. Als solcher muss er von proletarischen RevolutionärInnen überall auf der Welt hart bekämpft werden. Wie wir gesehen haben, ist die kleinbürgerliche politische Linke in ihrer Mehrheit ein Lautsprecher des kurdischen Nationalismus und schürt gefährliche Illusionen in ihn. Sie nennt das Internationalismus. Der Internationalismus der kleinbürgerlichen politischen Linken in Westeuropa und in Nordamerika erschöpft sich darin, Nationalismen im Trikont (Asien, Afrika und Lateinamerika) hochzujubeln, zu idealisieren und zu ideologisieren.
Wir erinnern hier kurz an zwei Leistungen des kleinbürgerlichen Internationalismus. So unterstützte die kleinbürgerliche politische Linke den staatskapitalistischen vietnamesischen Nationalismus („Sozialismus“) gegen den US-Imperialismus. Selbst der massenhafte Mord ihrer GenossInnen durch die vietnamesische nationale Befreiungsbewegung ließ auch die TrotzkistInnen überall auf der Welt an der „kritischen“ Unterstützung des staatskapitalistischen Vietnams nicht zweifeln. Auch die Ausbeutung des Proletariats durch den nordvietnamesischen Staat und die Tatsache, dass die ArbeiterInnen nichts weiter als Schachfiguren im internationalen Krieg zwischen Privat- und Staatskapitalismus waren, machte die kleinbürgerliche politische Linke in ihrer Funktion als Lautsprecher des vietnamesischen Nationalismus nicht irre. Der Vietnamkrieg diente zur Herausbildung eines eigenständigen vietnamesischen Nationalstaates, der auf staatskapitalistischer Grundlage die ursprüngliche Industrialisierung organisierte. Inzwischen sind die vietnamesischen „KommunistInnen“ dabei den Staatskapitalismus in einen Privatkapitalismus umzuwandeln. Zu diesem Zweck bieten sie „ihre“ ArbeiterInnen als besonders lukrative Ausbeutungsobjekte auch dem ausländischen Kapital – unter anderem dem US-Kapital – an. Dafür sind die ProletarierInnen im Vietnamkrieg gefallen! Für die Vermehrung des vietnamesischen und des globalen Kapitals! Und die kleinbürgerliche politische Linke war im Vietnamkrieg eine Fraktion des Weltkapitals gegen das vietnamesische und das globale Proletariat!
In Südafrika herrschte jahrzehntelang bis 1994 das weiße Apartheid-Regime, welche das schwarze Proletariat ultrarepressiv ausbeutete und unterdrückte. Doch das schwarze Proletariat führte einen militanten Klassenkampf gegen seine Ausbeutung, welcher der weißen Bourgeoisie und dem in Südafrika investierenden Auslandskapital das Leben immer schwerer machte. Der weiße Bulle konnte nicht mehr effektiv den rassistischen Kapitalismus in Südafrika verteidigen. Doch mit dem ANC, der Organisation des schwarzen Nationalismus in Südafrika, entwickelte sich zum Glück für den Kapitalismus ein zukünftiger politisch korrekter Bulle. Der Weltkapitalismus sorgte durch seine diplomatisch-politischen Kanäle dafür, dass der weiße rassistische Bulle durch den politisch korrekten schwarzen Bullen ersetzt wurde. Der ANC war und ist auch mit der Südafrikanischen „Kommunistischen“ Partei (SA„C“P und dem Gewerkschaftsbund COSATU verbunden. Die letzteren zwei sorgten und sorgen für eine proletarische Massenbasis des schwarzen Nationalismus. Dieser erweist sich zunehmend als verlogene Ideologie und blutige Praxis einer entstehenden schwarzen Bourgeoisie gegen das südafrikanische Proletariat. Der schwarze Bulle mag politisch korrekt sein – aber er ist ein brutaler Klassenfeind des südafrikanischen und globalen Proletariats. Während proletarische RevolutionärInnen schon vor 1994 gegen Kapitalismus, weißen Rassismus und schwarzen Nationalismus kämpften, unterstützte die kleinbürgerliche politische Linke den schwarzen Nationalismus, unter anderem in Südafrika. Ihr Internationalismus war Solidarität mit dem heutigen schwarzen Bullen in Südafrika! Sie half dabei das südafrikanische und das globale Proletariat gegen das ANC-Regime zu entwaffnen!
Die kleinbürgerliche politische Linke hilft heute dabei den kurdischen Nationalismus gegen das Proletariat zu bewaffnen. Die Waffen, die sich heute in der internationalen Koalition aller Gutmenschen gegen den IS richten sollen, können morgen schon Mordinstrumente gegen klassenkämpferische ProletarierInnen sein! Solidarität mit dem „kurdischen Volk“ ist Solidarität mit den kurdischen Politbonzen und einer entstehenden kurdischen Bourgeoisie gegen das Proletariat!
Unsere Klassensolidarität gilt dem Proletariat in Syrien und im Irak, die in einem blutigen Amoklauf der Nationalismen abgeschlachtet werden. Noch lassen sich ProletarierInnen – nicht nur in Syrien und im Irak – vom Kapital politisch, religiös und national spalten. Der kurdische Nationalismus ist eine politisch korrekte Spaltungslinie! Doch die politische Korrektheit ist nur eine Maske des Kapitalismus. Ja, der IS muss von RevolutionärInnen bekämpft werden, aber niemals unter dem Banner des kurdischen Nationalismus, da sich unter diesem Banner auch nur eine Fraktion des Weltkapitals verbirgt. Die nationalen und politischen Fraktionen des Weltkapitals schlagen und vertragen sich – und zwar immer auf unsere Kosten. Bürgerlicher Frieden und imperialistischer Krieg richtet sich gleichermaßen gegen uns, die ausgebeuteten, unterdrückten, gefolterten und ermordeten ProletarierInnen überall auf der Welt. Wie lange wollen wir uns noch vom Kapital spalten und gegeneinander aufhetzen lassen?!
Wir proletarischen RevolutionärInnen in Deutschland kämpfen gegen den herrschenden Nationalismus und Imperialismus – aber auch gegen den Internationalismus der kleinbürgerlichen politischen Linken. Wir kämpfen gegen den deutschen Imperialismus, der den nordirakischen kurdischen Nationalismus bewaffnet. Der Kampf gegen den deutschen Nationalismus, welcher im Inland repressiv gegen MigrantInnen vorgeht, die auch vor Kriegen flüchten, die der deutsche Imperialismus mit organisiert, muss noch wesentlich konsequenter werden! Keine Illusionen in die deutschen PolitikerInnen. Sie werden unsere migrantischen Klassengeschwister weiterhin in Lager einsperren und sie in Elend, Folter und Tod abschieben – bis sie von uns allen, vom „inländischen“ und „ausländischen“ Proletariat entmachtet werden, indem wir den deutschen Nationalstaat als Teil der Weltrevolution zerschlagen!
Das ist noch ein verdammt langer Weg. Aber die ersten Schritte müssen jetzt gegangen werden. Proletarische RevolutionärInnen müssen sich von der kleinbürgerlichen politischen Linken abspalten, die in Deutschland nur einen abgestandenen Sozialreformismus bieten kann – aber ihre „revolutionären“ Hoffnungen in Linksnationalismen überall auf der Welt projiziert. Doch auch der Linksnationalismus kann genau wie der Rechtsnationalismus nur Kapital und Staat reproduzieren und damit Elend, Ausbeutung und Tod organisieren.

Nieder mit allen Nationalismen und dem elenden Internationalismus der kleinbürgerlichen politischen Linken! Hoch die antinationale Solidarität! Klasse gegen Klasse! Weltproletariat gegen Weltbourgeoisie!

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