Presse – Stein 34 bleibt! https://stein34.blackblogs.org Widerstand gegen einen Entmietungsprozess in Halle (Saale). Fri, 09 Dec 2022 09:49:41 +0000 en-GB hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 Über Entmietungsprozesse in Halle (LIZ) https://stein34.blackblogs.org/2022/10/24/uber-entmietungsprozesse-in-halle-liz/ Mon, 24 Oct 2022 10:18:45 +0000 http://stein34.blackblogs.org/?p=281 Wir dokumentieren hier einen Artikel von Luca von Ludwig, der am 23.10.2022 in der Leipziger Internetzeitung erschienen ist. Der Artikel nimmt Bezug auf unsere Pressekonferenz und wirft einen Blick auf die allgemeine Problemlage in Halle (Saale). Einen Audiomitschnitt unserer Pressekonferenz werden wir in den nächsten Tagen veröffentlichen.

Sanierung, Teuerung, Rausschmiss: Über Entmietungsprozesse in Leipzigs Nachbarstadt

Die Wohnungsfrage betrifft alle, Fragen der Mietverhältnisse immerhin die meisten. Rund 54 % der Wohnungen in Deutschland sind Mietobjekt – wenn man Stadt und Land zusammen betrachtet. Bezogen auf Großstädte wie Leipzig und Halle sind es im Schnitt sogar gut drei Viertel des Wohnbestandes.

Wer in der Stadt eine Bleibe sucht, ist also besonders der jeweiligen Marktlage ausgeliefert. Unsicherheiten betreffen dabei aber nicht nur die, die gerade auf der Suche nach einem neuen Zuhause sind. Auch schon bestehende Mietverhältnisse können innerhalb weniger Wochen plötzlich ungewiss werden. Ein Bericht aus Halle.

Was heißt hier Entmietung?

„Entmietung“ hat sich als Oberbegriff für verschiedene Prozesse etabliert, mit denen sich Mieterinnen und Mieter plötzlich konfrontiert sehen können. Ein häufiges Muster: Das (oftmals alte und daher relativ günstige) Gebäude wird an einen neuen Eigentümer verkauft, der sich aus seiner Investition selbstverständlich einen Profit erwartet. Dazu will er die Wohnungen renovieren. Die Bewohner wollen aber nicht ausziehen.

Und wenn sich dann einfach kein rechtssicherer Kündigungsgrund auftreiben lässt, wird zu anderen Maßnahmen gegriffen. Die Kommunikation mit den Mietern wird abgebrochen, Baumaßnahmen ohne Vorwarnung begonnen oder für dringend notwendige Reparaturen ist niemand mehr zu erreichen; kurz: ein „softer Rausschmiss“ der Hausbewohner durch mindestens rücksichtslose Eingriffe in den privaten Rückzugsraum.

Der prominenteste Fall der letzten Jahre in Halle ist wohl das Eckhaus in der Großen Steinstraße 34, von seinen Bewohnern „Stein34“ genannt. Anders als viele andere Betroffene sind sie mit ihren Erfahrungen an die Öffentlichkeit gegangen, waren laut und haben protestiert.

Am Donnerstagabend fassten sie ihre Erfahrungen in einer Pressekonferenz mit anschließender Diskussionsrunde zusammen. Das inoffizielle Motto des Abends: Entmietung ist auch ein Gefühl. Diese Wahrnehmung – der psychische Stress, den der monate- oder jahrelange Kampf in und um den eigenen Wohnraum mit sich bringt – war immer wieder Bezugspunkt der Rednerinnen und Redner.

„Für uns war, als wir gehört haben, dass das Haus verkauft werden soll, schnell klar: Niemand kauft so eine Bruchbude, ohne zu planen, sie zu sanieren, und kein Vermieter saniert, ohne am Ende die Mieten zu erhöhen“ erklärt Lotte, eine (bald ehemalige) Bewohnerin der Stein34. Die angekündigten gesteigerten Mieten hätten sich die Bewohner sich nicht leisten können.

Die letzten Monate der „Stein34“

Der Eigentümerwechsel fand zum Jahresanfang 2022 statt. Vorher hatten die Bewohner des Hauses selbst versucht, das Gebäude für stolze 1,5 Mio. Euro zu kaufen. Doch der Vorbesitzer verkaufte an einen anderen Investor von der Firma iQ Invest. Dieser habe sich auch bald bei den Bewohnern erkundigt, ob sie denn im Haus wohnen bleiben wollten oder man sich anderweitig einigen könnte.

„Wir waren eigentlich immer auf dem Standpunkt, eigentlich wohnen bleiben zu wollen“, erzählt Lotte im Vorfeld der Pressekonferenz gegenüber LIZ. Doch dann sei der Kontakt abgebrochen worden – bis im März eine fristlose Kündigung im Briefkasten lag, Begründung: unerlaubte Untervermietung.

„Es war aber relativ schnell klar, dass das keine Substanz hatte“, erklärt Lotte weiter, „weil wir ja seit Jahren eine WG waren und einen entsprechenden Mietvertrag hatten“. Danach passierte ein paar Wochen nichts.

Plötzlich standen im April unvermittelt und unangekündigt Bauarbeiter im Haus. Lotte erinnert sich: „Einen Tag später haben die Bauarbeiter begonnen, die schon leerstehenden Wohnungen zu entkernen. Das war alles ziemlich laut. Und sie haben eben auch keine Schuttrutsche benutzt, sondern den Schutt aus allen Stockwerken ungesichert in den Lichthof geworfen.“

Der Fahrradschuppen sei ohne Vorwarnung abgerissen, die Fahrräder zusammen mit Schutt auf einen großen Haufen geschmissen worden. Ein Bewohner wäre beim Müll herausbringen beinahe von einer Latte getroffen worden. „Es war chaotisch, gefährlich, laut“, sagt Lotte.

Natürlich habe man versucht, mit Vermieter und Hausverwaltung in Kontakt zu kommen. Nur: Die nach dem Verkauf neu eingesetzte Hausverwaltung wollte von ihrer dazugewonnen Zuständigkeit gar nichts wissen – obwohl die Miete seit Monaten auf ihr Konto ging.

Einige Störungen konnten die Mieter mit einer einstweiligen Verfügung beseitigen, doch es kamen immer neue Probleme hinzu, von der herausgerissenen Klingelanlage über massive Verdreckung bis zu versperrten Keller- und Hofzugängen. Es sei so staubig gewesen, dass „man buchstäblich die Hand vor Augen nicht sehen konnte“, erzählt Lotte.

Schließlich konnten die Bewohner in einem zweiten Gerichtsverfahren einen Baustopp erzwingen – derartige Maßnahmen müssen nämlich drei Monate im Voraus angekündigt werden. Aber mittlerweile sind die Lagen im Haus sehr unterschiedlich.

Die verbliebenen Mietparteien seien in Verhandlungen, z. B. über ein Rückkehrrecht nach der Sanierung, aber Lotte wurde lange kein solches Angebot gemacht. Erst vor kurzem konnten sie sich mit dem Vermieter einigen. Über Details dürfen sie nicht öffentlich sprechen, jedoch scheint klar, dass sie ihr bisheriges Zuhause dennoch nur widerwillig verlassen.

Es ist kein Einzelfall

Die Geschichte der Großen Steinstraße 34 ist ohne Zweifel kein Einzelfall. Hört man sich in der Stadt um, gibt es ähnliche Vorkommnisse an allen Ecken.

Keine zehn Minuten Fußweg vom Eckhaus in der Steinstraße wohnte bis vor kurzem noch Paul. Das alte Haus, in dem er lange Zeit mit seiner WG wohnte, wurde von einer Leipziger Firma gekauft. Die neuen Eigentümer meldeten sich bei den verbliebenen Mietparteien an, um sie einmal kennenzulernen.

„‚Zufälligerweise‘ war beide Male ein Architekt mit dabei“, erzählt Paul am Telefon. Dieser habe die Wohnungen vermessen und Skizzen anfertigen wollen, die Eigentümer selbst fragten die Bewohner aus, wie lange sie noch dort wohnen zu bleiben gedachten.

Schon bei Bekanntwerden des Verkaufs hatte sich Pauls WG eine Rechtsschutzversicherung zugelegt – zu bekannt war das Muster und zu hoch das Risiko, bald zwecks Aufwertung aus der Wohnung geschmissen zu werden.

„Es war ganz interessant, sie haben da auch versucht, Strohfeuer zu legen und mal zu gucken, wie wir so reagieren“, erinnert sich Paul. Mit „Strohfeuern“ meint er zum Teil völlig aus der Luft gegriffene Aussagen, bspw. dass der Mietvertrag ja ohnehin Ende des Jahres auslaufen würde und ob sich die Bewohner schon nach neuen Bleiben umgesehen hätten – bei einem stinknormalen unbefristeten Mietvertrag eine völlig hanebüchene Frage.

„Im Nachhinein stellte sich dann heraus, dass sie unseren Mietvertrag gar nicht kannten. Später haben sie dann gefragt, ob wir den Mietvertrag nicht mal schicken könnten“, erzählt Paul weiter. „Wir haben ihnen natürlich geantwortet, dass das gar nicht in unserem Interesse liegt. Als Mieter haben wir da erst mal gar keine Auskunftspflicht.“ Der neue Eigentümer hätte bei derlei Anfragen einfach auf die Naivität der Mieter gebaut und diese so auch austesten wollen.

Aber als studentische WG ist es schwierig, Kämpfe um Immobilien zu führen. Denn die meisten Studenten und Auszubildenden sind zwar auf billigen Wohnraum angewiesen, gleichzeitig bleiben sie selten auf Dauer in den Wohnungen. Schlussendlich, nach einer Menge juristischen Hin-und-Her, haben sie sich dann für eine außergerichtliche Einigung mit Abfindung entschieden.

Dennoch bedauert Paul, dass mit der WG weiterer erschwinglicher Wohnraum verloren geht. Aber er zieht auch ein zufriedenes Fazit: „Das deutsche Wohnrecht steht in vielen Fällen auf der Seite der Mieter. Wenn man nicht ohnehin ausziehen will, sollte man das nutzen und sich zur Wehr setzen. Und dann hat man auch gute Chancen, nicht kampflos gehen zu müssen“, ist er sich sicher.

Einen weiteren Fall findet man jenseits der Berliner Brücke, in Halle-Ost. In der Reideburger Straße 5 steht ein altes Haus, daneben ein Garten, dahinter ein Gebäude, das früher Ateliers und Proberäume beherbergte. Bis vor einiger Zeit gehörte das Gelände einer Gruppe von Privatpersonen, die das Haus vermieteten. Dann wurde es an die Immobiliengesellschaft ISIHOME verkauft.

„Mit vielen im Haus war es davor schon wackelig. Manche hatten gerade Kinder gekriegt und sind dann auch schnell gegangen“, erzählt Lizzy, eine der verbleibenden Bewohnerinnen. Die Firma würde mittlerweile auf die Mieter nicht mehr reagieren, der eigentlich vorhandene Hausmeisterservice würde nicht bezahlt werden, notwendige Reparaturen bleiben aus.

„Man hält uns in der Schwebe“, sagt Lizzy, „Sie wollen uns ja auf jeden Fall raus haben, denn so Mietern drin kann das Haus nicht restauriert werden. Man weiß einfach immer nicht genau: Was kommt heute wieder.“ Es sei ein Gefühl der dauerhaften Unsicherheit. Was den Bewohnern geholfen hat, war die Vernetzung: Bei einer Demonstration der Bewohner der „Stein34“ im Sommer haben die Mieter der Reideburger Straße einen Redebeitrag vor dem Büro von ISIHOME gehalten. Das war an einem Samstag.

„Am Montag wurde auf unsere Beschwerden reagiert“, erzählt Lizzy nicht ohne Stolz. Aber natürlich können nicht alle Mieter, die Probleme mit Gebäudeeigentümern haben, jedes Mal erst einen Protestzug zusammentrommeln, um diese zu lösen.

David und Goliath?

Die Geschichten aus den verschiedenen Häusern zeigen: Mit diesen Prozessen sehen sich am ehesten die Mieter konfrontiert, die ohnehin in einer komplizierten Wohnsituation sind.

„Es sind ja meistens nicht die teuren Wohnungen, wo man glaubt, das kann man mit dem Mieter machen, sondern Altbauten oder Wohnblöcke, die nicht so gut saniert sind. Vermieter trauen sich sowas eben nicht in der Villensiedlung“, sagt dazu der Leipziger Mietrechtsanwalt Max Maltus, der auch die Bewohner der Großen Steinstraße 34 vertritt. Dort wohnende Milieus liefen daher eher Gefahr, entmietet zu werden.

Auf der anderen Seite haben Investoren in der Regel bereits viel Geld in die Hand genommen und sind daher eher bereit, einen langwierigen Rechtsstreit in Kauf zu nehmen. „Es ist einfach so, dass Vermieter ein Interesse daran haben, ihre Mieter herauszubekommen, bevor sie sanieren. Eine Sanierung mit Mietern im Haus ist schlicht viel teurer“, erklärt der Rechtsanwalt.

„Es gibt sehr redliche Vermieter, die dann mit Ausgleichswohnungen arbeiten, oder kooperative Prozesse. Aber eben auch diese Negativbeispiele, die dann in dem Moment für die Betroffenen krasse Erfahrungen sind.“

Dabei hätten Mieter oft gar nicht so schlechte Chancen, meint der Experte: „Das Wohnraummietrecht ist relativ strikt. Eine außerordentliche Kündigung ist nur in den seltensten Fällen gerechtfertigt.“ Oft würden Mieter aber auch solche Kündigungen schon deswegen akzeptieren, weil sie die Auseinandersetzung fürchteten, und zudem in ihrem privaten Wohnraum angegriffen seien.

Paradoxon Wohnraumverbesserung

Die Ankündigung von Sanierungen bringt Mieter in die widersprüchliche Situation, gegen Verbesserungen an ihren Wohnungen zu kämpfen – weil sie sich oftmals die höheren Preise nicht leisten können. Dabei ist es natürlich keine Lösung, auf alle Zeiten in verfallenden Häusern zu wohnen.

Lotte aus der „Stein34“ bezeichnete ihr Haus bei der abendlichen Pressekonferenz selbst als Bruchbude. Auch an den Häusern in der Reideburger Straße sind sichtlich Reparaturen notwendig, und das Heizen mit Kohleöfen hat sicher ebenfalls keine ewige Zukunft.

Anwalt Malkus dazu: „Modernisierungen sind ja notwendig. Und Kommunen freuen sich natürlich, wenn es einen Investor gibt, der da Geld in die Hand nimmt. Es darf aber eben nicht um jeden Preis sein.“ Es könne nicht sein, dass die Kommunen die Augen verschließen und es als privaten Rechtsstreit abtun, wenn solche – an sich wünschenswerten Maßnahmen – auf dem Rücken der aktuellen Mieter ausgetragen werden. „Städte müssen auf jeden Fall ein Konzept dafür haben, wie man mit Gentrifizierungsprozessen umgeht“, so der Mietrechtsexperte.

Was tun?

Bisher sind Mieterinnen und Mieter aber eher auf sich allein gestellt. Bei der Pressekonferenz erzählen die Bewohner der „Stein34“ von Problemen mit dem halleschen Ableger des Mieterbunds, der dringende Dokumente gar nicht erst weitergeleitet hätte. Ebenso habe man das Ordnungsamt über die widerrechtlichen Baumaßnahmen verständigt – ohne Erfolg.

Aber die Bewohner der „Stein34“ waren gut vernetzt, hatten das Wissen und die Ressourcen, ihr Problem in die Öffentlichkeit zu tragen. Das können nicht alle. Lukas Bärlauch, ein Unterstützer der Hausbewohner, macht bei Pressekonferenz deutlich: „Es zeigt sich ja genau daran: Lohnarbeit und das Mietverhältnis sind zwei Seiten des Problems.“

Eigentlich müsste man daher für eine Verringerung der Arbeitszeit bei gleichem Lohn kämpfen. Das mag etwas hochtrabend sein. Als etwas realistischeren Vorschlag bringt er das Konzept einer Mietergewerkschaft ins Spiel. Diese würde sich von Vereinen wie dem Mieterbund durch tatsächliche Mobilisierung ihrer Mitglieder unterscheiden.

Diese könnten füreinander auf die Straße gehen und proaktiv für mehr Mieterrechte eintreten. Ein Beispiel dafür gibt es in Schweden: Die dortige Mietergewerkschaft Hyresgastforeningen, die seit 1915 existiert. Nach eigenen Angaben verhandelt sie über die Mieten von etwa drei Mio. Mietern.

Ob das Konzept in Deutschland umsetzbar wäre, ist fraglich. Selbstorganisation stellt eine wesentliche Hürde dar. Klar ist dennoch, dass die Wohnungsfrage Land und Leute auch in der Zukunft beschäftigen wird. In den Großstädten wird die Versorgungslage mit Wohnraum nicht besser. Es wird sich zeigen, wie der kommende Winter und die aktuelle Krise die Lage verändern werden.

Die Vermieterfirma der Großen Steinstraße 34 war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Hinweis: Die Mieterinnen und Mieter, die im Artikel zu Wort kamen, haben um Anonymisierung gebeten. Daher werden sie hier nur unter fiktiven Vornamen genannt.

 

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Artikel über die Schließung des Bistro Lorraine https://stein34.blackblogs.org/2022/07/06/artikel-uber-die-schliesung-des-bistro-lorriane/ Wed, 06 Jul 2022 14:05:03 +0000 http://stein34.blackblogs.org/?p=241 Am 27. Juni musste der Betreiber des Bistro Lorraine in der Großen Steinstraße 34 seinen Schlüssel abgeben. Damit musste der letzte verbliebene Laden im Haus schließen. Die Schlüsselüergabe wurde von einer Kundgebung begleitet. Wir dokumentieren im Folgenden einen Artikel der Mitteldeutschen Zeitung.

Kündigung: Mit dem Bistro Lorraine schließt der letzte Laden in der Stein34 in Halle

Geräuschlos ging die Schlüsselübergabe nicht über die Bühne: Die Räumung des letzten Geschäfts im Erdgeschoss in der Großen Steinstraße 34 in Halle wurde von einer Demonstration begleitet. (Foto: Mitteldeutsche Zeitung)

Halle (Saale)/MZ – Der neue Hauseigentümer ist nicht gekommen. Eine Vertreterin übernimmt stattdessen an diesem Dienstagnachmittag die Schlüsselübergabe. Die Polizei ist auch da, außerdem knapp 50 Demonstranten, die sich zum Termin um 16 Uhr rund um die Eingangstür des Bistros Lorraine in der Großen Steinstraße 34 positioniert haben. Sie sind gekommen, um sich solidarisch mit den Mietern und den nunmehr ehemaligen Gewerbetreibenden in dem Gebäude zu zeigen. Oder wie es ein Demonstrant sagt: „Wir wollen hier ein bisschen wütend sein.“

Die Demonstranten hindern die Frau nicht, in die leeren Räumlichkeiten des Bistros zu gelangen, drücken aber lautstark ihren Protest aus. Aus den Boxen dringen dazu die Liedzeilen: „Das ist unser Haus. Ihr kriegt uns hier nicht raus.“ Die Übergabe läuft ansonsten ohne Zwischenfälle. Kurz nach Betreten kommt die Vertreterin schon wieder raus, schließt die Tür ab und geht.

Mieter gegen Vermieter: Streit um Haus “Stein 34” in Halle

Zu Ende des Monats hat der Hauseigentümer den drei Gewerbetreibenden im Erdgeschoss gekündigt. Ein Uhrmacher und ein Imbissbetreiber sind bereits ausgezogen. Eine Mieterin im Haus hatte derweil Erfolg mit ihrer Verfügungsklage. Im Mai entschied das Amtsgericht Halle, dass die Bauarbeiten im Haus vorerst gestoppt werden müssen, da sie nicht fristgerecht angekündigt wurden und es sich nach Auffassung der Richterin bereits um Modernisierungsarbeiten handelte.

Der Hauseigentümer und seine Anwältin hatten dagegen argumentiert, es handelte sich lediglich um eine Instandsetzung des Hauses. Die Mieterin wie auch die sie unterstützende Aktionsgruppe „Stein 34 bleibt“ werfen dem Hauseigentümer indes vor, er betreibe eine Entmietung und wolle die Mieter aus dem Haus drängen.

Große Steinstraße 34 in Halle: Wird das Haus gezielt entmietet?

Das Bistro Lorraine war Freitag letztmals geöffnet. Es hat vergangene Woche noch einmal viel Zulauf gegeben, so der Inhaber. Allerdings sei es ihm „nicht immer gelungen, die Fassade des freundlichen Gastronomen aufrecht zu erhalten“. Je näher das Ende rückte, umso realer wurde es. „Es ist traurig, zumal ich nichts falsch gemacht habe.“ Bei der Kündigung habe er kein Wort mitzureden gehabt. Und über eine Fortsetzung des Mietverhältnisses habe der neue Hauseigentümer mit dem 36-Jährigen nie gesprochen. Ab August ist er als Koch angestellt. „Selbstständigkeit ist nicht mehr drin.“ Das Geld, das er in den vergangenen drei Jahren in sein Bistro gesteckt hat, habe er noch nicht wieder raus.

Am Schaufenster steht nun der zynische Satz: Freuen Sie sich auf Halle-typischen Leerstand.

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Erneute Besetzung des „Schiefen Hauses“ (Bericht) https://stein34.blackblogs.org/2022/05/17/erneute-besetzung-des-schiefen-hauses-bericht/ Tue, 17 May 2022 15:14:46 +0000 http://stein34.blackblogs.org/?p=166 Wir dokumentieren hier einen weiteren Bericht über die erneute Besetzung des Schiefen Hauses. Der Bericht von Luca von Ludwig ist ursprünglich am 17.05.2022 in der “Leipziger Internet Zeitung” erschienen.

Versuch Zwei: Erneute Besetzung des „Schiefen Hauses“ in Halle

Nur zwei Tage nach einer ersten Scheinbesetzung ist das „Schiefe Haus“ in Halle erneut durch Aktivistinnen und Aktivisten okkupiert worden. Diesmal verschanzten sich aber tatsächlich Personen im Gebäude, die auch dauerhaft bleiben wollten. Die Besetzung wurde in der Nacht auf Montag bekannt. Neben einigen Unterstützenden vor dem Haus war schnell auch ein größeres Aufgebot der Polizei vor Ort. Die Hausbesetzer wurden am Montagnachmittag durch Einsatzkräfte geräumt.

Die Kundgebung vor dem Gebäude selbst verlief die Nacht hindurch ohne nennenswerte Zwischenfälle; es beteiligten sich in der Spitze bis zu 70 Personen. Gegen Mitternacht fing allerdings der Reifen eines in der Nähe geparkten Einsatzfahrzeugs Feuer. Man darf wohl von versuchter Brandstiftung ausgehen, die Polizei ermittelt in dieser Richtung. Der Entstehungsbrand wurde gelöscht, bevor größerer Schaden entstand.

Ab den Morgenstunden wurde den Demonstrierenden sogar gestattet, den Besetzern Nahrungsmittel durch ein Fenster im ersten Stock zukommen zu lassen. Fotos auf dem Twitteraccount der Besetzung zeigten einen am Vormittag bereits recht beträchtlichen Vorrat, mit dem es die Besetzer wohl eine Zeit lang aushalten hätten können.

Zweck der Besetzung sei es nach wie vor gewesen, im Haus eine selbstorganisierte und unabhängige Unterstützungsstruktur für Mieterinnen und Mieter aufzubauen, so der Versammlungsleiter der Unterstützerkundgebung vor Ort. Aus dem Haus sprach man zudem von einem „interkulturellen Begegnungsraum“, der dort entstehen hätte sollen.

Daraus wird jedoch, zumindest bis auf Weiteres, nichts werden: Gegen 14 Uhr am Montagnachmittag positionierten sich Kräfte der polizeilichen Beweis- und Festnahmeeinheit vor dem Gebäude, die drei Besetzer kamen nach einer entsprechenden Aufforderung selbstständig heraus.

Es folgte eine Begehung des Gebäudes durch die Polizei, der auch Landtagsabgeordnete Henriette Quade (Linke) als parlamentarische Beobachterin beiwohnte. Ihre Partei solidarisierte sich im Verlaufe der Besetzung mit den Aktivistinnen und Aktivisten und wies auch nach der Räumung darauf hin, dass „das politische Problem“ in Form von Entmietungsprozessen, steigender Mieten und Luxussanierungen bestehen bleibe.

Ähnlich äußerte sich einer der Besetzer, nachdem er aus der polizeilichen Maßnahme entlassen wurde. Das Haus habe die Aufmerksamkeit bekommen, die es verdiene. Auch sei es „ein Symbol für alle anderen Häuser, in denen mit Gewalt, Drangsalierung und Repression entmietet und bewohnbarer, dringend benötigter Wohnraum den Menschen weggenommen wird“, so der junge Mann nach der fast achtzehnstündigen Aktion.

Das Haus in der Breiten Straße ist nur eines von mehreren Beispielen für den Kampf von Mieterinnen und Mietern in Halle. Aufgrund des wachsenden Drucks auf dem Wohnungsmarkt und der zunehmenden Organisation zwischen Betroffenen darf man wohl davon ausgehen, in Zukunft weitere solcher und ähnlicher Aktionen zu sehen.

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“Häuser dürfen nicht der Profitlogik unterliegen!” (Bericht) https://stein34.blackblogs.org/2022/05/16/hauser-durfen-nicht-der-profitlogik-unterliegen-bericht/ Mon, 16 May 2022 15:03:31 +0000 http://stein34.blackblogs.org/?p=162 Nachdem sich die Besetzung der Breiten Straße 28 am 13.05.2022 als Scheinbesetzung herausgestellt hatte, wurde das Haus am späten Sonntag Abend erneut besetzt. Dieses mal schien es sich um eine richtige Besetzung zu handeln. Wir dokumentieren einen Bericht, der ursprünglich am 16.05.2022 bei “Du bist Halle” erschienen ist.

“Wohnen ist ein Grundrecht, Häuser dürfen nicht der Profitlogik unterliegen!” – so begründen die Hausbesetzer in der Breitestraße ihre Aktion – Gebäude ist erneut besetzt

Am späten Freitagabend ist zwischenzeitlich das sogenannte “Schiefe Haus” in der Breitestraße in Halle (Saale) besetzt worden. Es gab eine Kundgebung mit dutzenden Teilnehmern. Noch in der Nacht wurde die Besetzung wieder beendet. Doch am späten Sonntagabend gab es erneut eine Besetzung, die noch andauert.

Wie ein Polizeisprecher sagte, sei kurz vor 23 Uhr eine Eilversammlung vor Ort angemeldet worden, die derzeit noch andauert. In der Spitze hätten sich daran rund 50 Personen beteiligt. Zudem gehe man davon aus, dass sich vier Personen in dem Gebäude befinden. Derzeit ist die Polizei mit einigen Kräften vor Ort, die Zusammenkunft wird beobachtet, weitere Maßnahmen gibt es derzeit nicht. Weil aus der Versammlung heraus zu nächtlicher Stunde laute Musik und Redebeiträge abgespielt worden, sei es wegen der dadurch einhergehenden Lärmbelästigung zu Beschwerden der Anwohner gekommen.

Die Akteure haben sich zu Wort gemeldet. “Egal ob ein Haus einer Privatperson oder einem großen Unternehmen gehört, wir fordern langfristig: Wohnraum darf keine Ware sein! Guter Wohnraum ist Grundrecht und keine Kapitalanlage!”, heißt es in einer Erklärung auf einem linken Internetportal. “Mietende aller Häuser vereinigt euch! Kampf dem Kapitalismus in Halle und überall! Für die befreite Gesellschaft!”

Im Fokus steht auch der neue Eigentümer des Gebäudes, der das Haus 2018 erworben hatte. Als Mitglied des Arbeitskreises Innenstadt und Sprecher der Anwohnerinitiative August-Bebel-Platz lege diese Wert auf sein gutes Image. “Als Vermieter zeigt er ein anderes Gesicht”, heißt es von den Besetzern. Er habe über Jahre versucht, “die Bewohner*innen aus dem Haus zu ekeln. Im Frühjahr 2019 ließ er sie monatelang mit einer kaputten Heizung frieren, im Herbst 2020 ließ er illegal für zwei Wochen das Wasser abstellen. Er überzog sie mit Abmahnungen und willkürlichen Kündigungen.”

Im weiteren Verlauf habe er dann „Eigenbedarf“ für seine Töchter angemeldet, Es folgten Gerichtsprozesse. “Der zähe Rechtsstreit zwischen den Bewohner*innen endete damit, dass sie schließlich entschieden zu gehen. Sie hatten keine Kraft mehr, andauernd um das eigene Zuhause zu kämpfen. Von Freiwilligkeit kann da keine Rede sein.”

Eine autonome Mieter*innenberatung ist geplant. „Alle, die Stress mit der Vermietung haben, sollen dort beraten und unterstützt werden“, heißt es.
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“Noch nicht aufgegeben” (Bericht) https://stein34.blackblogs.org/2022/05/15/noch-nicht-aufgegeben-bericht/ Sun, 15 May 2022 15:10:33 +0000 http://stein34.blackblogs.org/?p=164 Wir dokumentieren hier einen Bericht über die Besetzung des Schiefen Hauses in der Breiten Straße. Der Bericht von Luca von Ludwig ist ursprünglich am 15.05.2022 in der “Leipziger Internet Zeitung” erschienen.

Noch nicht aufgegeben: „Schiefes Haus“ in Halle kurzzeitig besetzt

Totgeglaubte leben bekanntlich länger: Mehrere Aktivistinnen und Aktivisten besetzten am Freitag Abend das sogenannte „Schiefe Haus“ in der halleschen Innenstadt. Das Gebäude war viele Jahre von einer Projekt-WG bewohnt worden, bevor es vergangene Woche nach mehrjährigem Rechtsstreit verlassen werden musste. Ein Fall, der die steigenden Gentrifizierungsprobleme und bekannte Entmietungspraktiken in Leipzigs Nachbarstadt illustriert.

Auch über den Kreis seiner Bewohner hinweg war das Haus in der Breiten Straße wohlbekannt, wurden doch im ehemaligen Ladengeschäft im Erdgeschoss über die Jahre eine Vielzahl verschiedenster Veranstaltungen wie Lesungen, Konzerte und Ausstellungen organisiert. Die Besetzung Ende dieser Woche war jedoch nur von kurzer Dauer: Als die Polizei das Gebäude betrat, war bereits niemand mehr im Haus.

Gegen 22:30 Uhr waren zuvor am derzeit leerstehenden Gebäude mehrere Banner aufgetaucht, zusätzlich wurde Pyrotechnik gezündet. Zeitgleich wurde eine Pressemitteilung zum Geschehen veröffentlicht: Das Gebäude sei nun besetzt, man solidarisiere sich mit allen von Entmietung betroffenen und wolle im Erdgeschoss eine unabhängige Mieter- und Mieterinnenberatung etablieren. Kurz darauf tauchten etwa 50 Unterstützer auf, um vor dem Gebäude Stellung zu beziehen. Auch die Polizei ließ nicht lange auf sich warten, die Aktivisten konnten aber problemlos eine Kundgebung anmelden.

Auf der Versammlung herrschte recht ausgelassene Stimmung, spontan wurden unter Anderem Reden von Mieterinnen der Großen Steinstraße 34 gehalten, welche sich ebenfalls im Konflikt mit dem Gebäudeeigentümer ihres Zuhauses befinden. Auch ehemalige Bewohner des „Schiefen Hauses“ fanden sich ein.

„Es ist ein gutes Gefühl, zu sehen, dass doch einige Leute hier sind und dass das Thema noch immer interessiert“, erzählte Jonathan B. (Name geändert, Anm. d. A.), einer von ihnen, freudestrahlend. Auch die Idee einer unabhängigen Unterstützungsstruktur für von Entmietung Betroffene begrüßte er: „Mit vielen Auseinandersetzungen – den Gerichtsprozessen, den Konflikten mit dem Vermieter, der einen immer wieder vor vollendete Tatsachen stellen kann – ist man im Alltag alleine.“

Daher sei der Aufbau einer von den Einzelfällen unabhängigen Struktur für Halle wichtig, so B. Weiter freute er sich, dass mit solchen Besetzungsaktionen der Spieß umgedreht werde und auch die Vermieterseite sich einmal mit geschaffenen Tatsachen konfrontiert sehe.

Darum, dass die Aktion so kurz nach Schlüsselübergabe sich nochmals negativ auf die Ex-Hausbewohner auswirken könnte, machte sich B. keine Gedanken – man hätte mit der Besetzung nichts zu tun und sei selbst, wenn auch freudig, überrascht gewesen. Eine vertrauenswürdige Quelle aus Organisatorenkreisen verneinte ebenfalls jedwede Involvierung der ehemaligen Mieter in die Besetzung. Das Objekt in der Breiten Straße sei schlicht aufgrund seiner öffentlich bekannten Vorgeschichte ausgewählt worden, um ein Zeichen gegen Entmietung und Gentrifizierung zu setzen.

Dem Auszug der Mieter und Mieterinnen aus dem „Schiefen Haus“ Anfang des Monats waren jahrelange Rechtsstreitigkeiten vorausgegangen. Nachdem der aktuelle Eigentümer Dirk Herold, zu dessen Immobilienfirma ca. 10 weitere Gebäude in Halle gehören, das Haus Ende 2018 erwarb, wurde es für die Bewohner und Bewohnerinnen bald ungemütlich. Schnell sei es darum gegangen, wie sich die nicht unerheblichen Investitionskosten auf die bisher niedrige Miete umlegen ließen, berichteten sie damals.

Das Mehrfache ihrer bisherigen Miete für das nach wie vor marode Gebäude zu bezahlen, waren sie damals nicht bereit.

Tatsächlich führte der Zustand des Gebäudes mehrmals zu massiven Konflikten; so mussten allein 2019 die Reparaturen der Heizung in den Frühjahrsmonaten und bald darauf eines defekten Abflussrohres, durch das Fäkalien in den Innenhof gespült wurden, vor Gericht erstritten werden. Ein ehemalige Mitarbeiter des Eigentümers führte sein Verhalten auf eine Fehlkalkulation bzgl. den Kosten für Instandsetzung und die mit dem Hauskauf verbundenen Eigentümerpflichten zurück.

In der Stadtgesellschaft spielt Dirk Herold zu diesem Zeitpunkt ohnehin eine kritisierte Rolle: Er fungierte als Sprecher der „Anwohnerinitiative am August-Bebel-Platz“, die sich gegen die Nutzung des Ortes durch Jugendliche in den Abendstunden engagierten. Dies geschah in der Folge einer regelrechten Repressionswelle gegen „cornernde“ Jugendliche in den Jahren 2018/19, bei der Polizei und Ordnungsamt durch stetige Kontrollen, teils mit Hundestaffeln, junge Menschen von beliebten Treffpunkten im öffentlichen Raum verscheuchten.

Im Fall des „Schiefen Hauses“ reichte Herold schließlich eine Kündigung ein, Begründung: Eigenbedarf. Dies erschien bereits damals fragwürdig: Begünstigte sollten die Kinder sein, eines war zum Zeitpunkt der Kündigung allerdings noch minderjährig. Ganz davon abgesehen, dass zur Immobilienfirma gleich mehrere Mehrfamilienhäuser gehören, weswegen es unsinnig erschien, ein bewohntes Haus freiräumen zu lassen.

Mit dieser Begründung konnten die Mieter und Mieterinnen den Prozess erstinstanzlich auch tatsächlich für sich entscheiden. Vor einem halben Jahr kam es dann aber zum Berufungsverfahren – auf Mieterseite war die Kraft am Ende, man ließ sich auf einen Vergleich ein und beräumte das Gebäude schließlich Anfang Mai dieses Jahres.

Die Versammlung vor dem Gebäude verlief die längste Zeit ruhig. Es kam jedoch zu Rangeleien, als die Polizei begann, den Bereich vor der Eingangstür freizumachen. Dabei schubsten Polizeikräfte, scheinbar ohne Vorwarnung, Demonstrierende zur Seite, was in einem kleinen Handgemenge endete. Dabei wurden Menschen auf vor dem Gebäude liegende Glasscherben gestoßen, verletzt wurde jedoch niemand.

Daraufhin wurde die Kundgebung beendet, es folgte eine Begehung des Hauses durch die Kriminalpolizei. Laut Polizeipressestelle wurden mehrere Fenster beschädigt. Die verwendeten Transparente seien sichergestellt und Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, Festnahmen habe es aber keine gegeben.

Der Eigentümer selbst lehnte es ab, sich zum Geschehenen zu äußern.

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Haus in der Breiten Straße besetzt (Bericht) https://stein34.blackblogs.org/2022/05/14/haus-in-der-breiten-strase-besetzt-bericht/ Sat, 14 May 2022 14:58:16 +0000 http://stein34.blackblogs.org/?p=160 Wir dokumentieren hier einen Bericht über die Hausbesetzung in der Breiten Straße am 13.05.2022. Der Bericht ist ursprünglich am 14.05.2022 bei “Du bist Halle” erschienen.

Haus in der Breiten Straße besetzt – Pyrotechnik gezündet – Hausbesetzer ziehen nach Versammlung wieder ab – keine Festnahmen

In der Breiten Straße in Halle (Saale) gab es am späten Freitagabend einen größeren Polizeieinsatz. Hier ist ein leerstehendes Haus besetzt worden.

Das Mietsystem sei ungerecht und scheiße, sagte ein Redner. Man wolle der Verdrängung in Halle etwas entgegensetzen. Wohnraum sei kein Renditeobjekt.Im Erdgeschoss des besetzten Gebäudes wolle eine selbstorganisierte Beratungsstelle für Mieter einrichten, die ebenfalls mit ihren Vermietern Probleme haben, hieß es.

Um das zwischenzeitlich besetzte Gebäude gibt es bereits seit langen Streit. Das sogenannte „Schiefe Haus“ war schon mehrfach Thema bei Gerichtsprozessen und Demonstrationen. Der neue Eigentümer hatte wegen Eigenbedarfs gekündigt. Zu Ende April ist das Mietverhältnis mit den letzten Mietern offiziell geendet.

Insgesamt haben sich eine hohe zweistellige Zahl an Personen an einer Eilversammlung beteiligt. Bislang noch unbekannte Täter verschafften sich zuvor unberechtigt Zutritt in ein Objekt in diesem Bereich. Dort sind zwei Fenster, in der oberen Etage, beschädigt, Pyrotechnik gezündet und zwei Transparente im Fensterbereich, sichtbar nach außen, angebracht worden. Während der Versammlung verschafften sich weitere Personen widerrechtlich Zutritt zum selben Objekt. Diese verließen das Gebäude nach polizeilicher Intervention. Gegen 00.30 Uhr war die Versammlung beendet. Das Objekt wurde dann später verschlossen. An der Hauseingangstür wurden Beschädigungen festgestellt. Die Transparente wurden sichergestellt. Ermittlungsverfahren sind eingeleitet worden. Zu vorläufigen Festnahmen kam es nicht.

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Das Schiefe Haus wurde besetzt! https://stein34.blackblogs.org/2022/05/13/das-schiefe-haus-wurde-besetzt/ Fri, 13 May 2022 14:46:30 +0000 http://stein34.blackblogs.org/?p=151 Am Abend des 13.05.2022 erreichte uns die Nachricht, dass das Schiefe Haus in der Breiten Straße 28 besetzt wurde. Die BesetzerInnen thematisierten nicht nur den dortigen Entmietungsprozess, sondern bezogen sich auch auf die Auseinandersetzungen der Großen Steinstraße 34. Wir dokumentieren hier den Text der Besetzer*innen, der ursprünglich am 13.05.2022 bei Indymedia erschienen ist.

Die Breite Straße 28 in Halle ist nun besetzt!

In Halle (Saale) ist heute nacht ein Haus besetzt worden. Um die Breite Straße 28 ist in den letzten drei Jahren vor Gericht und auf der Straße gekämpft worden. Am Ende hat der neue Eigentümer “Wohnprojekte Herold” die Bewohner*innen rausschmeißen können. Damit ist auch ein wichtiger Freiraum für Kunst, Kultur und Politik verloren gegangen. Wir haben der Stadt diesen Raum heute nacht zurückgeholt. Die Breite Straße ist nicht das einzige Haus, das schon verloren oder noch bedroht ist. Wir fordern: Die Häuser, denen die darin wohnen.

Wir finden überhaupt: Wohnen ist ein Grundrecht, Häuser dürfen nicht der Profitlogik unterliegen!

Das “Schiefe Haus” ist nun besetzt!

Die Breite Straße 28, das sogenannte “Schiefe Haus”, wird seit 2008 von verschiedenen WGs bewohnt. Seitdem ist es nicht nur Wohnort, sondern auch ein Ort für Kulturveranstaltungen.

So wurden im Haus Lesungen, Konzerte und Kunstausstellungen realisiert, zudem galt das Wohnzimmer als ein offener Raum des Zusammenfindens. In der Breiten Straße 28 wurden Freund*innenschaften geknüpft und Pläne geschmiedet, hier entstand zum Beispiel die Idee für den Film “972 Breakdowns- auf dem Landweg nach New York”.

Seit dem 30. April 2022 ist das “schiefe Haus” mit allem was dazu gehört Geschichte. An diesem Tag endete offiziell der Mietvertrag, alle Bewohner*innen mussten raus. Schuld daran ist der neue Eigentümer, das Wohnungsunternehmen „Wohnprojekte Herold“. Das stellt sich auf seiner Homepage unter dem Motto „wohnen gut alles gut“ vor. Zum Eigentum des Unternehmens gehören etwa zehn Immobilien in Halle und Umgebung.

2018 hatte “Wohnprojekte Herold” die Breite Straße 28 gekauft. Als neuer Vermieter trat ab da Dirk Herold auf. Als Mitglied des AK Innenstadt und Sprecher der Anwohner*inneninitiative August Bebel Platz legt Herold Wert auf sein gutes Image.

Als Vermieter zeigt er ein anderes Gesicht und versuchte über Jahre die Bewohner*innen aus dem Haus zu ekeln. Im Frühjahr 2019 ließ er sie monatelang mit einer kaputten Heizung frieren, im Herbst 2020 ließ er illegal für zwei Wochen das Wasser abstellen. Er überzog sie mit Abmahnungen und willkürlichen Kündigungen.

Schließlich meldete Dirk Herold “Eigenbedarf” an, angeblich für seine Töchter. Eine der beiden wohnt mittlerweile nachweislich in einer anderen Wohnung. Der zähe Rechtsstreit zwischen den Bewohner*innen endete damit, dass sie schließlich entschieden zu gehen. Sie hatten keine Kraft mehr, andauernd um das eigene Zuhause zu kämpfen. Von Freiwilligkeit kann da keine Rede sein.

Die Breite Straße ist nicht das einzige verlorene Zuhause – Vermieten ist ungerecht!

Am Beispiel der Breiten Straße 28 wird das eigentliche Problem sichtbar: das Mietsystem ist ungerecht! Die Vermieterin besitzt im Kapitalismus das, was die Mieterin zum Leben braucht.

Während Mietende im Schnitt fast die Hälfte des Monats lohnarbeiten müssen, nur um irgendwie ihre Miete bezahlen zu können, erhalten Vermietende ohne viel Zutun ein passives Einkommen. Am Beispiel der Breiten Straße wird dies besonders deutlich. Trotz gültigem Mietvertrag hat sich der Vermieter “Wohnprojekte Herold” kaum um Instandhaltungsmaßnahmen gekümmert.

Die Breite Straße ist aber absolut kein Einzelfall. Halle ist noch nicht Berlin, aber auch hier steigen die Mieten.

Davon mal abgesehen ist das Mietsystem an sich schon ungerecht und scheiße. Ein Dach über dem Kopf und ein eigenes Zuhause ist ein wichtiges Grundbedürfnis. Doch im Kapitalismus wird Wohnraum zur Ware und immer mehr Menschen werden aus ihrem Zuhause verdrängt. Manchmal mit unmittelbarem Zwang: 2020 gab es in Halle 121 Zwangsräumungen, das ist im Schnitt eine Zwangsräumung alle drei Tage. 

Besonders aktuell und krass ist auch das Beispiel der Großen Steinstraße 34. Hier versucht der neue Vermieter Jonas Bien die Mietenden aus dem Haus zu bekommen, indem er ihnen ihren Rückzugsort zur persönlichen Hölle macht. Unangekündigte Bauarbeiten, eine ungesicherte Baustelle, Schikane, Einschüchterungen und Lügen inklusive.

Ebenfalls in dieser Stadt von Entmietung betroffen sind aktuell die Bewohner*innen der Reilstraße 48, des Joliot-Curie-Platzes 1b, der Reideburger Straße 5 und viele mehr.

Wir fordern Wohnen für Alle!

Im Namen aller bedrohten Häuser haben wir die Breite Straße 28 besetzt. Wir wollen der Verdrängung in Halle etwas entgegensetzen und das Wohnzimmer des “schiefen Hauses” in eine autonome Mieter*innenberatung umwandeln! Alle, die Stress mit der Vermietung haben, sollen dort beraten und unterstützt werden.

Egal ob ein Haus einer Privatperson oder einem großen Unternehmen gehört, wir fordern langfristig: Wohnraum darf keine Ware sein! Guter Wohnraum ist Grundrecht und keine Kapitalanlage!

Mietende aller Häuser vereinigt euch! Kampf dem Kapitalismus in Halle und überall! Für die befreite Gesellschaft!

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„Der eine besitzt das, was dem anderen ein Grundbedürfnis ist.“ (Transit) https://stein34.blackblogs.org/2022/05/05/der-eine-besitzt-das-was-dem-anderen-ein-grundbedurfnis-ist/ Thu, 05 May 2022 14:26:43 +0000 http://stein34.blackblogs.org/?p=140 Wir dokumentieren hier einen Bericht über die Demonstration, die am 30.04. unter dem Motto “Vermieten verbieten! Wohnraum für alle” in Halle stattgefunden hat. Der Bericht von Jessica Herrmann ist ursprünglich am 05.05.2022 bei “Transit – Debattenmagazin für Halle und Umgebung” erschienen.

Bericht über die Demonstration „Vermieten verbieten – Wohnraum für Alle“

Vergangenen Samstag, den 30.04.2022, fand eine Demonstration mit dem Titel „Vermieten verbieten – Wohnraum für Alle“ statt. Diese war als ein Stadtrundgang konzipiert und stoppte an verschiedenen von Verdrängung und Gentrifizierung betroffenen Orten. Auslöser der Demonstration war vor allem die von Entmietung und Verdrängung betroffene Stein34 , aber auch andere Häuser und Projekte, die sich in ähnlichen Situationen befanden bzw. befinden wurden erwähnt.

Wohnen im Kapitalismus?

In ihrem Aufruf schreiben die Organisator*innen, dass gegen „Mietsteigerung, Entmietung, eine verfehlte Abrisspolitik und Luxussanierungen in Halle und überall“ demonstriert werden würde. Mieter*innen und kulturell genutzte Orte seien „von der Willkür von Eigentümer*innen abhängig“. Gefordert wird neben einem Mietenstopp auch die „Rückführung von privatem in kommunales Wohneigentum und Mitbestimmung durch die Mieter*innen selbst“.

Auf der Veranstaltung waren etwa 200 Menschen anwesend. Der Demonstrationszug wurde von Anfang an durch ein relativ hohes Polizeiaufgebot begleitet. Start war 14 Uhr am August-Bebel-Platz. In der Eröffnungsrede wurde angeführt, dass das Mietsystem von Ungleichheit geprägt wäre. Ziel der Demonstration sei es daher, zum Nachdenken darüber anzuregen, was Wohnen im Kapitalismus bedeute. Wieso gehören die Wohnung nicht den Menschen, die darin wohnen, fragte eine*r der Redner*innen zu Beginn der Kundgebung Auch die Situation des Wohnungsmarktes in Halle wurde kritisiert. Gentrifizierung sowie Mieten würden steigen, wogegen Menschen und Projekte verdrängt werden würden.

Der erste inhaltliche Redebeitrag wurde von der Interventionistischen Linken Halle gehalten. In ihm wurde die Wichtigkeit der Organisierung von Mieter*innen untereinander als politische Lösung für soziale Probleme betont. Eingegangen wurde auch auf die Rolle von halleschen Wohnungsgenossenschaften bei der Mietpreissteigerung in der Stadt. Als Beispiel wurde der Paulus-Wohnpark im Paulusviertel erwähnt, dessen Miteigentümer die HWG, eine städtische Wohnungsgenossenschaft ist. Dort lag der veranschlagte Mietpreis 2015 bei 8,5 €/m2. Zum Vergleich: der durchschnittliche Mietpreis in Halle lag im gleichen Jahr noch bei 5,88€/m². Zudem würde die Stadt gezielt Künstler*innen in ihre Wohnungspolitik einspannen, um Viertel aufzuwerten und Gentrifizierung so voranzutreiben. So sei dies auch in Freiimfelde geschehen (zu den Hintergründen der Freiraumgalerie in Freiimfelde hat Transit bereits diesen Artikel veröffentlicht).

Als zweiter Beitrag folgte eine Rede des Offenen Antifa Plenums Halle (OAP). Gesprochen wurde darin über den August-Bebel-Platz als umkämpften Raum – Verdrängung habe neben Entmietung auch weitere Gesichter. Der Bebel-Platz sei für viele Jugendliche ein wichtiger Treffpunkt in Halle. Doch diese würden u.a. durch häufige Polizeipräsenz verdrängt.

Als letzten Beitrag auf dem Bebel-Platz wurde eine „Küchentischreportage“ vorgespielt. Darin berichtete eine WG, die ehemals in der Ludwig-Wucherer-Straße 69 wohnte, wie sie aus ihrem Zuhause verdrängt wurde. Fälschlicherweise seien ihnen seitens der Vermietung Mietschulden unterstellt wurden, auf die eine fristlose Kündigung erfolgte. Nachdem klar war, dass es keine Mietschulden gegeben habe, wäre ihnen dann ein neues Vertragsangebot seitens der Vermieter*innen zugegangen, jedoch mit einer Kaltmietpreissteigerung von 30%. Später habe die WG dann festgestellt, dass auch noch andere Mieter*innen im Haus betroffen waren. Sie betonten daher die Wichtigkeit gegenseitigen Austausches sowie gemeinsamer Organisierung. Zudem sei es bedeutsam, die eigenen Rechte zu kennen.

Einige Häuser und Projekte sind betroffen

Über die Ludwig-Wucherer-Straße setzte sich der Demonstrationszug mit Lautsprecherwagen und verschiedenen Transparenten weiter fort. Am Reileck wurde auf Höhe des ehemaligen Gravo-Druck gestoppt. Das Gelände wurde vom bundesweit agierenden Immobilieninvestor uNORSK Deutschland AG erworben. 150 Millionen Euro sollen investiert werden.

Nach einem Redebeitrag der Reideburger Straße 5 und dem Agieren des Immobilienmaklers und -verwalters „Isi Home“, welcher auch am sogenannten Bauprojekt „LuWu FIFTYNINE – Loft-Wohnungen“ in der Ludwig-Wucherer-Straße 59 beteiligt ist, folgte eine Rede der Reilstraße 48. Die Redner*innen berichteten von einer Kündigung mit dem Kündigungsgrund der „wirtschaftlichen Verwertung“. Die Mieter*innen hätten diese jedoch nicht akzeptiert und seien auch nicht ausgezogen, woraufhin schließlich eine Räumungsklage erfolgte. Der aus Baden-Württemberg stammende Eigentümer habe zudem versucht, die Bewohnenden mit einer Entmietungsstrategie aus dem Haus zu drängen: So soll u.a. infolge von Bauarbeiten die Decke über einem Kinderzimmer durchgebrochen und die Gasversorgung abgestellt worden sein. Schließlich sei auch dieser Fall vor Gericht gebracht worden. Dieses urteilte, dass der Mietvertrag nicht einfach so kündbar sei. Der Prozess wurde von den Mieter*innen folglich gewonnen. Verdrängung habe nicht nur zur Folge, dass das eigene Zuhause aufgegeben werde müsse. Auch die Suche nach neuem und bezahlbarem Wohnraumstelle ein Problem insbesondere für Familien dar, so die Redner*innen. Diese gaben zudem eine Reihe von Tipps. Betroffene sollten zuerst dem Mieter*innenbund beitreten, denn eine Rechtsschutzversicherung greife erst nach drei Monaten. Am besten solle man nicht gleich angeben, dass es ein Problem gibt. Zudem sei Austausch mit anderen Betroffenen wichtig. Auch ein Ziel solle man formulieren: will man eine Abfindung erreichen, im Haus wohnen bleiben oder den Fall möglichst öffentlich behandeln? So oder so sei ein Kampf um den eigenen Wohnraum sehr kräftezehrend

„Der Kampf geht weiter“

Dies berichteten auch die Redner*innen des nachfolgenden Beitrages über das Schiefe Haus, welches sich in der Breiten Straße 28, dem nächsten Stopp der Demonstration, befindet oder vielmehr befand. Am Tag der Demonstration (30.04.2022) sollten die Bewohner*innen des Schiefen Hauses offiziell ausziehen. Das Schiefe Haus sei ein Ort für Vieles gewesen, so die Redner*innen: Wohnort, aber auch ein Ort für Veranstaltungen, wie Konzerte, Bandproben oder Kunstprojekte. Ende 2018 kam dann jedoch der Eigentümer*innenwechsel. Der neue Eigentümer – Wohnprojekte Herold – habe sich geweigert, die kaputte Heizungsanlage zu reparieren. Dies sei der Ursprung des Konfliktes gewesen, der schließlich in einer Entmietungsstrategie seitens der Vermietung mündete. Wasser sei abgestellt wurden, ebenso wäre der Wechsel von Hauptmieter*innen einfach verweigert und willkürliche Rechnungen gestellt wurden. Auf eine 300%ige Mieterhöhung folgte schließlich die Kündigung wegen Eigenbedarf: die Töchter der Eigentümer*innen sollten angeblich in das Hausziehen wollen. Den ehemaligen Bewohner*innen des Schiefen Hauses sei jedoch inzwischen bekannt, dass mindestens eine der beiden Töchter inzwischen in einer anderen Wohnung wohnen würde. Der Fall ging schließlich vor das Amtsgericht, welches entschied, dass die Eigenbedarfskündigung keinen Bestand hatte. Im Zuge einer Revision vor dem Landgericht wurde zwischen Wohnprojekte Herold und den Mieter*innen des Schiefen Hauses schließlich eine Einigung erzielt: sie sollen nun gegen eine Abfindung ausziehen. Die Redner*innen begründeten ihre Entscheidung mit dem hohen Druck, dem sie sich ausgesetzt sahen. Es habe sich „wie ein nie endender Konflikt“ angefühlt. Weiterhin wurde auf den besonderen Charakter von Mietkonflikten hingewiesen: der Wohnraum sei der Ausgangspunkt, von dem jeglicher Aktivismus ausgehen würde. Wenn die Wohnung bedroht werde, dann fräße sich dies bis in den Alltag und das Zusammenwohnen hinein. Diese ständige Präsenz und der ständige Druck würden Anlass zum Hinterfragen von Mietverhältnissen im Allgemeinen geben: „Der eine besitzt das, was dem anderen ein Grundbedürfnis ist“, so eine*r der Redner*innen. Zwar soll das Mietrecht Willkür verhindern, jedoch seien Prozesse oft auch ein Mittel seitens der Vermieter*innen, die Bewohnenden rauszubekommen, da diese meist langwierig und kostspielig sind. Der juristische Weg habe dennoch etwas Positives: die Problemlage würde dadurch besser wahrgenommen und Erfahrung an andere Betroffene weitergegeben werden. Besonders wichtig sei zudem eine Unterstützung der Betroffenen von außen. Laut den Redner*innen wäre hierfür eine dauerhafte Unterstützungsstruktur am besten. Nach dem Redebeitrag wurde im Zuge einer kurzen Performance das Haus „zu Grabe getragen“: eine Person spielte Klavier, während ein Kranz sowie ein Banner u.a. mit der Aufschrift „Unvergessen, unverzeihlich. Der Kampf geht weiter“ aus einem der Fenster gelassen wurden.

Es folgten eine Rede gegen Eigenbedarfskündigung sowie ein Beitrag zum ehemaligen Kulturprojekt Hasi (Hafenstraße 7). Beide Redebeiträge betonten erneut die Wichtigkeit gemeinsamer Organisierung und die solidarische Unterstützung von Betroffenen. Durch gemeinsame Mieter*innenaktivitäten „kann kollektive Ohnmacht zu einer gemeinsamen Macht werden“, heißt es in dem Beitrag gegen Eigenbedarfskündigungen. Das Haus in der Hafenstraße stand 13 Jahre leer, ehe es besetzt wurde. Nun stehe das Objekt, welches der HWG gehöre, seit dem Auszug aus der Hasi wieder leer und würde weiter verfallen.

Situation der Stein34

Von dem Schiefen Haus aus ging es weiter über die Geist- und die Große Steinstraße zur Stein34 – dem Haus, welches aktuell von Entmietung und Kündigungen betroffen ist. Zunächst berichteten Redner*innen der Stein34-bleibt-Soligruppe, dass den Gewerbeeinheiten im Erdgeschoss des Hauses bereits gekündigt wurde. Da privaten Mieter*innen jedoch nicht so einfach gekündigt werden könne, würde der neue Eigentümer der Stein34 eine klassische Entmietungsstrategie fahren: Bauarbeiten hätten ohne Ankündigung begonnen, Schutt würde einfach aus dem Fenster und ohne Absicherung in den Innenhof geschüttet. Die Klingel sei einfach abmontiert und das Wasser ohne Vorankündigung zeitweise abgestellt worden. Laut den Redner*innen sind in Halle gerade einige Häuser von einer ähnlichen Situation betroffen.

Auch der Anwalt der Stein34 kam zu Wort. Die Bauarbeiten seien nicht ordnungsgemäß angekündigt worden, weshalb die Bewohner*innen diese legal aufhalten dürften. Auch hier sei ggf. Unterstützung notwendig.

Die letzte Station der Demonstration war das Steintor. Hier wurde ein Grußwort der Hermannstraße 48 (H48) vorgespielt, eine Mieter*innengemeinschaft aus Berlin-Neukölln, die aufgrund eines Eigentümerwechsels ebenfalls von Verdrängung bedroht ist.

Als letztes sprach eine Person der neu gegründeten Recht-auf-Stadt-Gruppe. Diese versprach, dass eine solche Veranstaltung nicht zum letzten Mal stattfinden würde. Viele Personen und Häuser seien von Verdrängung betroffen, jedoch organisiere man sich weiter und setze sich zur Wehr.

Am 3. Mai fand zudem um 10:30 eine Gerichtsverhandlung zur Stein34 vor dem Amtsgericht Halle (Thüringer Straße 16) statt. Es wurde zu einer Kundgebung vor dem Gerichtsgebäude aufgerufen, die laut den Veranstalter*innen gut besucht war.

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Ein Altbau wird zum Streitobjekt (Bericht) https://stein34.blackblogs.org/2022/04/22/ein-altbau-wird-zum-streitobjekt/ Fri, 22 Apr 2022 13:17:26 +0000 http://stein34.blackblogs.org/?p=105 Wir dokumentieren einen Zeitungsartikel von Denny Kleindienst, der am 22.04.2022 im Halle-Lokalteil der Mitteldeutschen Zeitung erschienen ist. Außerdem kommentieren wir den artikel untenstehend.

Sanierung der “Stein34” wird zum Symbol für Verdrängung

Halle/MZ – Man sei “sehr besorgt” angesichts der Berichte über mutmaßlich unsachgemäße und gegen die Mieter und Mieterinnen gerichtete Maßnahmen in der Großen Steinstraße 34, erklärt der Stadtvorstand der Linkspartei in einer Mitteilung. “Gerade vor dem Hintergrund des Eigentümerwechsels und einiger veröffentlichter Kündigungsschreiben ist es nicht auszuschließen, dass es sich dabei um illegale Entmietungsmaßnahmen handelt.” Diese müssten umgehend eingestellt werden, der Eigentümer müsse für Aufklärung sorgen, fordert der Stadtvorstand.

Auch die MZ hatte darüber berichtet, dass das Haus seit diesem Jahr einen neuen Eigentümer hat. Bewohner klagen, dass Sanierungsarbeiten ohne Ankündigung durchgeführt werden, dass die Klingelanlage bereits abmontiert und Kellerabteile aufgebrochen wurden. Sie haben den Eindruck, aus dem Haus gedrängt zu werden, in dem sie gern weiter wohnen möchten. Den Ladeninhabern im Erdgeschoss ist innerhalb einer Vierteljahresfrist gekündigt worden. “Was mich wundert, ist, dass alles ohne persönlichen Kontakt passiert”, sagt der Inhaber des Uhrengeschäfts, das nach 25 Jahren umziehen muss und Mitte Juni in der Straße Neunhäuser 4 neueröffnet. “Ich habe mich umorientiert. Was soll ich machen?”, sagt der Uhrmachermeister. Ein Gastronom ist mit seinem Laden gleich nach nebenan gewechselt, als das Haus verkauft wurde und sich die Gelegenheit bot. Der Bistrobetreiber weiß derweil nicht, wie es weitergeht. Er sagt: “Ich sehe das als politisches Problem.” Die Steinstraße zeigt für ihn exemplarisch, wie in Städten Gewerbetreibende herausgedrängt werden. Seine eigenen Pläne würden nun einfach kaputt gemacht.

Unstrittig ist für die Bewohner und Ladeninhaber, dass das Haus einer Sanierung bedarf. Dem vorherigen Eigentümer werfen sie vor, er habe das Gebäude verfallen lassen. Der wiederum sagt: “Alle notwendigen Sachen wurden gemacht.” Das Angebot der Hausgemeinschaft, die das Haus selbst kaufen wollte, hat er ausgeschlagen. “Es ging uns darum, es in einem annehmbaren Zustand zu erhalten und so zu sanieren, dass man darin gut wohnen kann, zu günstiger Miete”, sagt eine Bewohnerin. Man habe 1,5 Millionen Euro geboten. Wohl zu wenig.

Die Linke erklärt indes: “Wir brauchen bezahlbaren Wohnraum und lebendige Viertel, in denen auch Gewerbe bestehen können.” Es sei nicht hinnehmbar, dass das Profitstreben Menschen die Wohnung und einem Viertel die Zukunft nehme. Die Aktionsgruppe “Stein34bleibt” ruft am 30. April um 14 Uhr zur Demo am August-Bebel-Platz auf.

Kommentar

Auch in der heutigen MZ-Halle wird über die Große Steinstraße 34 berichtet. Die darin zu lesende Aussage des ehemaligen Eigentümers, er habe “alle notwendigen Sachen gemacht”, die am Haus angefallen sind, ist schlicht falsch: Seit Jahren sind die Fenster undicht, es ist zugig und kalt. Ebenso lang ist die Klingelanlage teilweise defekt, ein Haushalt musste behelfsmäßig eine Funkklingel installieren, weil der damalige Besitzer nicht auf die Nachfragen der Mieter*innen reagierte. Außerdem hätte sich der Besitzer längst um eine Erneuerung der durchgerosteten Stahlträger im Keller bemühen müssen. Die Kellerräume werden als einsturzgefährdet eingestuft.

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Mieter klagen über Zustand (Bericht) https://stein34.blackblogs.org/2022/04/21/mieter-klagen-uber-zustand/ Thu, 21 Apr 2022 13:08:20 +0000 http://stein34.blackblogs.org/?p=97 Wir dokumentieren einen Zeitungsartikel von Denny Kleindienst, der am 20.04.2022 im Halle-Lokal-Teil der Mitteldeutschen Zeitung erschienen ist.

In der Großen Steinstraße 34 haben offenbar Sanierungsarbeiten begonnen. Die Bewohner haben indes den Eindruck, aus dem Haus gedrängt zu werden.

Halle/MZ – Die Aktionsgruppe mit dem bezeichnenden Namen @Stein34bleibt hat es sich zur Aufgabe gemacht, auf Instagram und Twitter die Entwicklungen im Haus Große Steinstraße 34 in Halle zu dokumentieren. Die Gruppe bezeichnet das Haus als “einen der letzten unsanierten Altbauten in der nördlichen Innenstadt”, warnt vor vielfach teureren Mieten, die mit einer Sanierung einher gehen, sowie dem drohenden Rausschmiss der verbleibenden Mieter.

Die MZ hat mit Bewohnern des Hauses gesprochen. Sie wollen namentlich nicht genannt werden, berichten aber, dass es seit Anfang des Jahres einen neuen Hauseigentümer gibt. Auf ihre Nachfragen hätten sie bisher keine Antwort bekommen. Stattdessen sei ohne eine Ankündigung mit der Sanierung begonnen worden. Die Bauarbeiten würden täglich von 8 bis 16 Uhr dauern. Es sei laut und staubig im Haus. Zuletzt sei das Wasser für eine Weile einfach abgestellt worden, ohne dass vorher bescheid gesagt wurde. “Es ist eine krasse Belastung”, erklärt eine Mieterin. Auch auf Nachfrage der MZ reagierte der Eigentümer nicht.

Nach Auskunft der Bewohner stehen fünf Wohnungen im Haus leer, drei sind bewohnt. Eine WG sei darunter, die anderen Mieter seien Rentner, die teils seit mehr als 30 Jahren dort leben. Die leeren Wohnungen würden bereits entkernt, Bauarbeiten zudem weitgehend ohne Sicherung durchgeführt. Abfall werde in den Hof geworfen, eine Schuttrutsche gebe es nicht. Einem Mieter wäre deshalb fast eine Dachlatte auf den Kopf gefallen, als er den Müll in den Hof brachte. Im Keller ist zu sehen, dass die Türe aller Abteile entfernt wurden. Aufgebrochene Schlösser liegen noch auf dem Boden. Sie habe gesehen, wie Sachen aus ihrem Keller einfach weggeschmissen wurden, sagt eine Mieterin. Auch die Klingelanlage an der Haustür wurde entfernt. “Wir sind alle richtig schockiert”, sagt eine weitere Bewohnerin.

Eine Kündigung hätten sie nicht bekommen, so die Bewohner. Doch sie fühlen sich aus dem Haus gedrängt. Dabei wollen sie nicht ausziehen. “Wir wohnen auch gern hier”, sagt eine Mieterin. Eine kleine Mieterhöhung wäre für sie auch nicht das Problem gewesen”. Sie sagt: “Dass er saniert, ist in unserem Interesse.” Um so mehr ärgert es die Bewohner, dass nun offenbar Fakten geschaffen und sie im Unklaren gelassen werden.

Den Ladeninhabern im Erdgeschoss wurde derweil zum 30. Juni gekündigt. “Das war die kürzeste Frist”, sagt der Betreiber des Bistros, der sein Erspartes in den Laden gesteckt hat. Wie es weitergeht? Er weiß es nicht.

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