Texte – Stein 34 bleibt! https://stein34.blackblogs.org Widerstand gegen einen Entmietungsprozess in Halle (Saale). Sun, 29 Jan 2023 15:22:08 +0000 en-GB hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 STEIN34 WAR, IST UND WIRD SEIN https://stein34.blackblogs.org/2023/01/29/stein34-war-ist-und-wird-sein/ Sun, 29 Jan 2023 15:16:22 +0000 http://stein34.blackblogs.org/?p=320 ALLE HÄUSER BLEIBEN

Große Demo gegen Entmietung und Vermieten überhaupt, kommt mit auf’n Spaziergang einmal durch Halle am Samstag, den 18.02.2023, Start 14 Uhr am Riebeckplatz 

Einige von euch werden es mit Sicherheit mitbekommen haben: Im letzten Jahr gab es einen Rechtsstreit zwischen den Bewohner*innen der WG und dem neuen Eigentümer der Großen Steinstraße 34 in Halle. Im Dezember ist die Stein34-WG nun ausgezogen. Ist das Haus jetzt also leer? Nein! Es gibt noch zwei Mietparteien, die ihre Wohnungen behalten wollen und die sich aktuell auf eine erneute Baustelle vorbereiten. Wir, die Gruppe Stein34bleibt!, zeigen uns solidarisch mit ihnen. Sie sind nicht allein.

Entmietung ist nicht nur ein Thema für die Menschen in der Stein34: Leider gibt es allein in Halle unzählige Häuser, die vor einem ähnlichen Problem stehen. Stein34bleibt! heißt deshalb auch Reil48 bleibt, Reideburgerstraße bleibt, Joliot-Curie-Platz bleibt und Südpark bleibt!

Bereits im letzten Jahr sind wir durch die Stadt gezogen, um auf steigende Mieten, Entmietung und schwindende Freiräume aufmerksam zu machen. Seitdem ist viel passiert und es scheint an der Zeit für eine aktuelle Bestandsaufnahme. Wenn Ihr Euch also fragt: Was macht Jonas Bien, Eigentümer der Stein34, eigentlich gerade? Sind die Herolds, Eigentümer der Breiten Str 28, noch im Business oder haben sie schon an Isihome verkauft? Oder für die Pragmatischeren: Wie kann es sein, dass neben den Mieten auch die Nebenkostenabrechnung stetig steigt? Hat die Belvona GmbH im Südpark endlich auf die Vorwürfe reagiert? Dann kommt zu unserem Stadtspaziergang.

Um diese und andere Fragen hörbar zu diskutieren, wollen wir am 18. Februar auf die Straße gehen. Kommt mit uns mit und seid laut!

Warum vermieten unfair ist

Mieten im Kapitalismus, das heißt für den eigenen Wohnraum bezahlen. Dabei ist es (quasi) egal, wie lange du schon in deiner Wohnung wohnst, wie viel du bezahlen kannst oder wie sehr du an der Wohnung hängst: Wenn der*die Eigentümer*in die Miete erhöhen will oder sogar Eigenbedarf anmeldet, musst du draufzahlen oder gehen. 

Das ist ganz und gar kein fairer Deal zwischen Gleichberechtigten: Die Vermieter*innen sitzen letztlich am längeren Hebel. Wenn saniert werden soll und Mieter*innen dem im Weg stehen, haben Eigentümer*innen zahlreiche Mittel an der Hand, sich den lästigen Bewohner*innen zu entledigen. Was sich oft anfühlt wie ein individuelles Problem (“Dann kann ich es mir halt nicht mehr leisten”; “Ich will nicht auf einer Baustelle wohnen, also ziehe ich halt aus”), hat System: Das ist Entmietung.

Entmietung ist, wenn auf einmal Bauarbeiter*innen Schutt in deinen Hinterhof schmeißen. Entmietung ist, wenn die Klingel abmontiert wird und deshalb keine Post mehr ankommt.Entmietung ist, wenn Wasser und Strom willkürlich abgestellt werden und die Hausverwaltung leider gerade nicht erreichbar ist. Entmietung ist zermürbend.

Natürlich gibt es Mittel und Wege, sich (z.B. juristisch) als Mieter*in zur Wehr zu setzen. Doch in der Realität ist das meist nicht ganz so einfach: Wo man wie wohnt ist für die Meisten an erster Stelle keine aktive Entscheidung, sondern ein Grundbedürfnis, ohne das nichts läuft. Wird aus dem Zuhause ein Krisenherd, wird daraus schnell eine existenzielle Bedrohung. Sich gegen die eigene Verdrängung zu wehren braucht Zeit, Wissen, Nerven und Geld. 

Mal eben umziehen kann schon allein aus Kostengründen nicht für alle die Lösung sein. Außerdem ist Zuhause eben nicht nur irgendeine Wohnung, sondern das sind auch die etwas verschrobenen Nachbar*innen, die erinnerungsträchtigen Wände, der Späti um die Ecke, der vertraute Blick aus dem Fenster und die nervig klemmende Haustür. Liebgewonnenes verlassen zu müssen, ist alles andere als leicht.

Wie auch immer, zugrunde liegt der ganzen Sache das Mietsystem in einer kapitalistisch organisierten Gesellschaft. In dieser wird es immer einen Interessengegensatz geben zwischen denen, die vermieten und denen, die mieten. Die einen verdienen am Grundbedürfnis der anderen. Im Kapitalismus sind Häuser nicht einfach lebensnotwendige Dächer überm Kopf und bestenfalls ein Zuhause, sondern eben auch Quelle von Profit, Wertanlagen und Spekulationsobjekte. So wird Wohnraum zur Ware. Dazu gehört auch, dass sich im Kapitalismus die Kohle für Miete, Strom, Heizung, Wasser, Essen und alles erstmal “verdient” werden muss: dass man lohnarbeiten muss, um leben zu können. Dass diese Arbeit nicht unter selbstgewählten Bedingungen stattindet, oft an Nerven und Gesundheit zehrt und mit einem existenziellen Druck verbunden ist. Ob der Chef dich kündigt oder das Jobcenter die Bearbeitung des Weiterbewilligungsantrags verzögert, all das ist mit der Frage verbunden: wie willst du dann deine Miete bezahlen?

Nicht verzagen, Banner tragen 

Was also tun, wenn selbst die Wand, die du pessimistisch anstarren könntest, zu teuer wird? Verzagen? Nein! 

Wie so oft hilft auch hier Solidarität. Es macht einen Unterschied, eine Kündigung alleine oder im Beisein von Freund*innen zu öffnen. Es hilft, wenn Menschen Geld sammeln für zusätzliche Nebenkosten; wenn es jemanden gibt, der*die unkompliziert (und schnell!) zu Mietfragen beraten kann und es hilft, dem Unmut gemeinsam Luft zu machen!

Denn es mangelt nicht an Alternativen: Gutes Wohnen für alle ist keine ganz neue Forderung und vor allem keine unerreichbare. Wohnen sollte ein Grundrecht sein, das ohne Profitmaximierung realisiert werden kann. Wie das funktionieren könnte, damit haben sich bereits zahlreiche schlaue Köpfe beschäftigt. Wir als Stein34bleibt! Gruppe haben im Rahmen unserer Veranstaltungsreihe “Zur Wohnungsfrage” versucht, diesen Diskurs auch nach Halle zu bringen (wenn ihr euch dafür interessiert, schaut doch mal auf unserem Blog vorbei!).

Gleichzeitig haben wir als Gruppe Stein34bleibt festgestellt, dass Vernetzung und eine kontinuierliche Organisierung rund um die Mietfrage in unserer Stadt längst nicht in dem Maß vorhanden ist, wie es nötig wäre. Als Gruppe und Bekanntenkreis sind wir zu klein, um in dieser Stadt etwas im größeren Maßstab verändern zu können. Auch deshalb gehen wir an die Öffentlichkeit: Wir wollen unsere Erfahrungen und Erkenntnisse teilen, wollen eine Vernetzung voranbringen und brauchen das Wissen und die Unterstützung von anderen. Dafür muss das Problem benannt werden und wir müssen sichtbar werden.

In vielen Aspekten stehen wir noch am Anfang, aber wir wissen: Wohnraum darf keine Ware sein! Wir fordern warme, klimafreundliche Wohnungen mit Wasser und Strom und allem, was es braucht. Es braucht eine bedürfnisorientierte Ökonomie statt Profit- und Warenlogik. Wir wollen ein gutes Leben für Alle!

Kommt am 18.2.23 um 14 Uhr zum Riebeckplatz (Halle) zum Stadtrundgang gegen Entmietung und Vermieten überhaupt.

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Offener Brief an den Mieterbund Halle e.V. https://stein34.blackblogs.org/2022/12/08/offener-brief-an-den-mieterbund-halle-e-v/ Thu, 08 Dec 2022 12:43:04 +0000 http://stein34.blackblogs.org/?p=297 Wir veröffentlichen hier den Offenen Brief, den die Gruppe “Stein 34 bleibt” am 07.12.2022 an den Mieterbund Halle und an PressevertreterInnen geschickt hat.

Sehr geehrte Damen und Herren des Mieterbunds Halle,

wir, die Gruppe “Stein 34 bleibt”, wenden uns mit einem Offenen Brief an Sie. Wir wollen mit diesem Brief sowohl Kritik formulieren, als auch zu einer Diskussion anregen und die Bereitschaft zum Dialog signalisieren. Wir wenden uns mit dem Brief gleichzeitig an die Mitglieder des Mieterbunds Halle und an eine interessierte Öffentlichkeit der Stadt Halle.

Stein34 bleibt!

Vor knapp einem Jahr begann die Auseinandersetzung um die Große Steinstraße 34 (kurz: „Stein34“), einen Altbau in der nördlichen Innenstadt von Halle. Anfang 2022 wechselte der Eigentümer des Hauses. Der neue Vermieter machte schnell klar, dass er sanieren wollte. Das halbe Haus stand da schon leer, die drei verbliebenen Mietparteien sollten ausziehen, doch sie wollten bleiben. Wir haben uns als Gruppe unter dem Motto „Stein34 bleibt“ zusammengefunden, um diese Mieter:innen in ihrem Kampf um ihr Zuhause zu unterstützen.

Mieterbund weist Kritik zurück, „Stein34“ Mieter:innen sind weiter dialogbereit

Alle Mietparteien der “Stein34” (bzw. Einzelpersonen aus den jeweiligen Wohnungen) sind langjährige Mitglieder im Mieterbund Halle e.V. Als der Konflikt mit dem neuen Vermieter begann, nahmen die Mieter:innen Beratungen in Anspruch. Die einzige Wohngemeinschaft im Haus ist vom Mieterbund jedoch unzureichend beraten und nicht auf elementare Klauseln hingewiesen worden, die Bedingungen für eine Übernahme von Kosten durch die an den Mieterbund angeschlossene „DMB Rechtsschutz-Versicherung AG“ sind.

Im Oktober haben wir das auf unserer Pressekonferenz kritisiert. Auf Nachfrage der Mitteldeutschen Zeitung hat der Mieterbund Halle alle unsere Kritikpunkte zurückgewiesen und stattdessen behauptet, die Hauptmieterin der WG habe „schlichtweg die Mitgliedschaftsbedingungen ignoriert“.

Wir wollen das nicht so stehen lassen. Das soll aber nicht der Beginn einer Schlammschlacht sein. Die (ehemaligen) Bewohner:innen der „Stein34“ wünschen sich weiterhin Dialog mit dem Mieterbund. Dieser Brief versucht für einen solchen einen Anfang zu machen. Zu diesem Zweck fassen wir nochmal zusammen, was in der Auseinandersetzung um die „Stein34“ passiert ist.

Der Rechtsstreit der „Stein34“-WG

Eine der Mietparteien in der „Stein34“ ist eine Wohngemeinschaft mit einer einzigen Hauptmieterin. Auf Nachfrage ihrer Mitbewohner:innen hatte der Mieterbund Halle mitgeteilt, dass Untermietverträge für eine Mitgliedschaft nicht ausreichen würden. Deswegen war die Hauptmieterin Anfang 2020 als einzige Mitglied im Mieterbund geworden.

Im März 2022 hat die WG eine fristlose Kündigung vom neuen Vermieter erhalten und befand sich ab dem Zeitpunkt mit ihm im Rechtsstreit. Sie ließ sich von Max Malkus, einem externen Anwalt (der also nicht standardmäßig mit dem Mieterbund zusammenarbeitet), vertreten. Die Vertretung durch externe Rechtsbeistände ist in den Geschäftsbedingungen des Mieterbunds ausdrücklich erlaubt.

Auf die Kündigung folgten im April 2022 unangekündigte Bauarbeiten im Haus. Dagegen legte die WG auf Raten des Anwalts zwei einstweilige Verfügungen ein. In diesem Zeitraum sprach die Hauptmieterin persönlich mit Angestellten des Mieterbundes in dessen Geschäftsräumen, um die mögliche Kostenübernahme der Klagen durch die Rechtsschutzversicherung zu erfragen. Ihr wurde in einem Gespräch im April auf Nachfrage versichert, dass ihr Anwalt die erste einstweilige Verfügungsklage versenden könne bevor der Versicherungsschutz geklärt sei. Ihr wurde mitgeteilt, dass dieses Vorgehen bei einstweiligen Verfügungen so üblich sei, da es darum gehe, schnell zu handeln.

Auf die erste einstweilige Verfügung folgte im Mai 2022 eine zweite auf Stopp der unangekündigten Bauarbeiten. In der Zwischenzeit hatte der Vermieter zusätzlich eine Räumungsklage gegen die WG eingereicht. Es liefen also drei verschiedene Klagen parallel. Im Juli erfuhr die WG bei einem erneuten Besuch beim Mieterbund, dass dieser noch keine Unterlagen über diese Prozesse an die Rechtsschutzversicherung gesandt hatte. Als Grund wurde angegeben, dass die dafür zuständige Mitarbeiterin im Urlaub sei. Daraufhin kontaktierte die WG selbstständig die Rechtsschutzversicherung telefonisch und erfuhr dabei, dass die Versicherung überhaupt keine Kenntnisse über die Rechtsstreitigkeiten um die “Stein34” hatte. Es stellte sich heraus, dass der Mieterbund keine der Unterlagen des Rechtsstreits an die Versicherung weitergeleitet hatte.

Mitarbeiter:innen des Mieterbunds erklärten die Nicht- Weiterleitung später damit, dass sie auf die Zusendung von fehlenden Dokumenten durch die Hauptmieterin der WG gewartet hätten. Das wusste allerdings die Mieterin nicht, denn bei ihr wurde vom Mieterbund diesbezüglich nicht nachgefragt.

Mitarbeiter der Rechtsschutzversicherung erklärten sich am Telefon selbst erstaunt über das Vorgehen des Mieterbunds Halle. Die WG schickte die Unterlagen schließlich selbst an die Versicherung, weil das Vertrauen in den Mieterbund erschüttert war. Da die Dokumente erst so spät die Versicherung erreichten, waren aber vorgegebene Fristen verstrichen und die Versicherung übernahm keine Kosten für die einstweiligen Verfügungen und daraus folgende Klagen.

Rechtsschutzversicherung ist nicht für WGs ausgelegt

Für Wohngemeinschaften ist die Rechtsschutzversicherung nicht ausgelegt. Sie haftet immer nur für den selbst bewohnten Teil einer Wohnung der Person, die selbst Mitglied im Mieterbund ist und einen Rechtsstreit führt. Das betrifft meist nur die jeweiligen Hauptmieter:innen. Für die Räumungsklage übernahm die Versicherung im Fall der “Stein34” auch nach wiederholten Bitten nur ein Sechstel der Kosten, weil nur die Hauptmieterin der 6er-WG versichert war. Auch über diese Versicherungsbedingungen für Wohngemeinschaften hatten die Mitarbeiter:innen des Mieterbunds die Hauptmieterin nicht ausreichend aufgeklärt, später verwiesen sie auf die Geschäftsbedingungen der Versicherung.

Dem Eindruck der Mieterin nach hatte der Mieterbund sie ins offene Messer laufen lassen. Ihr Zuhause war akut bedroht, sie befand sich zu Beginn des Rechtsstreits in einer Ausnahmesituation. Was es gebraucht hätte, wäre eine umfangreiche und solidarische Aufklärung über die Bedingungen der Rechtsschutzversicherung durch den Mieterbund – mit Verständnis für die als existenziell-bedrohlich wahrgenommen Situation der Mieterin. Stattdessen wurde von der Mieterin erwartet, selbst alle Klauseln zu kennen.

Ohne Rechtsschutzversicherung steht man als klagende:r Mieter:in vor dem Risiko im Falle einer Niederlage vor Gericht die Gerichts- und Anwaltskosten selbst zu bezahlen. Das sind auch bei kleineren Mietrechtsprozessen schnell mal mehrere Tausend Euro. Unter anderem der fehlende Versicherungsschutz führte schließlich zu der Entscheidung der WG, den Kampf um ihr Zuhause aufzugeben und Ende 2022 doch aus der „Stein34“ auszuziehen.

Mieterbund Halle unterstützte umstrittenen Mietspiegel

Wir sind nicht die Ersten, die dem Mieterbund Halle e.V. mangelnde Unterstützung für die Sache der Mietenden vorwerfen. Anfang dieses Jahres ist in Halle über die Einführung eines Mietspiegels diskutiert worden. Ein erster im Stadtrat eingebrachter Entwurf wurde stark kritisiert. Die Methoden der Erstellung seien undurchsichtig, die einbezogenen Mieten viel zu hoch, am Ende käme eine Durchschnittsmiete heraus, die weit über den tatsächlichen aktuellen Mieten in Halle liegen würde, so einige Punkte der Kritiker:innen.

Der Mieterbund Halle e.V. hat Anfang 2022 – wohlgemerkt: genauso wie Verbände der Vermieter – für den Entwurf gestimmt. Dafür ist er scharf vom Mieterrat kritisiert worden. Dieser warf dem Mieterbund vor, Mietende zu verraten und forderte den Verein auf, Verbesserungsvorschläge für den Mietspiegel einzubringen.

Dies ist nur ein Beispiel, warum wir glauben, dass unsere Kritik nicht unberechtigt ist. Wir wissen außerdem von zahlreichen Mieter:innen, dass wir nicht alleine da stehen mit dem Gefühl, dass beim Mieterbund Halle etwas verkehrt läuft. Als wir die Vorgänge um die „Stein34“ öffentlich gemacht haben, kamen immer wieder Menschen auf uns zu, die von ähnlichen Mietkonflikten zu berichten wussten. Viele von ihnen haben dabei auch erzählt, dass sie sich vom Mieterbund Halle nicht richtig beraten und solidarisch unterstützt fühlten.

Was ist los beim Mieterbund Halle?

Es ist gut, dass es mit dem Mieterbund eine Institution zur Beratung von Mietenden in der Stadt gibt. Zu wissen, dass es eine Institution gibt, die im Fall von Mietkonflikten unterstützen und beraten kann, ist eine große Erleichterung in einer Situation, in der mit dem eigenen Wohnraum ein existenzielles Bedürfnis infrage gestellt ist. Als Gruppe „Stein34 bleibt“ haben wir in unseren öffentlichen Äußerungen immer wieder Mieter:nnen empfohlen, Mitglied im Mieterbund zu werden. Wir wissen dabei, dass die Verwaltung von zahlreichen Mitgliedern, die Vermittlung von Rechtsschutz und Anwält:innen einen enormen Arbeitsaufwand darstellen. Und wir können uns vorstellen, dass es auch beim Mieterbund Halle an Geld, Ressourcen und Mitarbeitenden fehlt, die eine gute Arbeit eigentlich erfordern würden. Vielleicht ist auch eine überlastete Struktur für Missstände verantwortlich? Zuletzt wissen wir, dass der Mieterbund keine Wunder vollbringen und nicht alle Probleme, die Mieter:nnen haben, einfach lösen kann. Auch in der Auseinandersetzung um die „Stein34“ war es klar, dass es aktive Mieter:innen braucht, die ihrerseits die Auseinandersetzung suchen und das Problem angehen.

Und dennoch denken wir, dass unsere Kritik nicht ganz unberechtigt ist und der Mieterbund Halle sich bestimmte Fragen stellen muss.

Wenn sich Mietende in einem Konflikt mit ihrem Vermieter befinden, dann löst dies Angst aus. Nicht selten entsteht durch solche Konflikte eine existenzielle Notsituation. Wir denken, dass es nicht zu viel verlangt ist, wenn der Mieterbund Halle in solchen Konflikten ein grundlegendes Verständnis für die Situation von Mieter:innen zeigt. Dafür braucht es eine Beratung, die die Mieter:innen über die zur Verfügung stehenden Mittel aufklärt und gemeinsam nach Möglichkeiten sucht, wie der Konflikt zugunsten der Mieter:innen gelöst werden kann. Wenn die Position des Mieterbunds Halle stattdessen ist, dass seine Mitglieder von vornherein selbst alle Satzungsklauseln kennen und selbst im Grunde die Lösung schon wissen müssen, entsteht eine paradoxe Situation: Die Mieter:innen sind dann nicht nur mit dem Vermieter, einem komplexen Mietrecht und einer nicht selten unklaren Rechtslage konfrontiert, sondern müssen sich zusätzlich mit der Satzung des Mieterbunds Halle auseinandersetzen und sich vorauseilend in eine Struktur hineindenken, die im Lebensalltag von Mieter:innen eigentlich keine Rolle spielt. Es hängt dann alles vom Wissen ab, das sich Mieter:innen in einer ohnehin anstrengenden Situation selbst aneignen müssen. Wozu ist dann aber der Mieterbund Halle da? Was bedeutet dann überhaupt das Angebot der Beratung?

Der Mieterbund Halle muss sich die Frage stellen, ob er solidarisch an der Seite von Mieter:innen steht und parteiisch für sie eintritt oder ob er eine Struktur ist, die lediglich eine günstige Rechtsschutzversicherung verwaltet und sich selbst am Leben erhält. Eine solidarische Institution ist umso notwendiger in einer Situation, in der Energie- und Nebenkosten steigen und in der eine weitere Zuspitzung auf dem Wohnungsmarkt zu erwarten ist.

Wie könnte eine solidarische Zusammenarbeit aussehen?

Die Gruppe „Stein34 bleibt“ ist ein Beispiel dafür, dass Mieter:innen sich selbst organisieren und einen Mietkonflikt öffentlich und politisch angehen. Als solche Gruppe sehen wir uns nicht in Konkurrenz zum Mieterbund Halle. Im besten Fall ergänzen sich beide Arten der Organisierung. Wir denken, dass ein Austausch notwendig und möglich ist. Wenn unsere Kritik nicht ganz auf taube Ohren stößt, ist vielleicht eine Zusammenarbeit möglich. Wir wollen dem Mieterbund Halle einen Dialog anbieten. Vielleicht ist ein Gespräch möglich, in dem ein gegenseitiges Verständnis hergestellt werden kann? Vielleicht findet sich eine neutrale Person, die so ein Gespräch moderieren kann? Vielleicht ist auch eine öffentliche Auseinandersetzung möglich, in der die verschiedenen Positionen noch einmal diskutiert werden können?

Als Gruppe „Stein34 bleibt“ sind wir grundlegend ansprechbar.

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Statement über Mietkämpfe und Repression https://stein34.blackblogs.org/2022/11/03/statement-uber-mietkampfe-und-repression/ Thu, 03 Nov 2022 11:27:50 +0000 http://stein34.blackblogs.org/?p=294 Wir dokumentieren hier ein weiteres Statement von unserer Pressekonferenz vom 20.10.2022, das dort von einem Mitglied der Initiative “Stein 34 bleibt” vorgetragen wurde. Die Pressekonferenz zum Nachhören findet sich hier.

Blaulicht am Steintor, oder: Wer ist hier eigentlich kriminell?

Eigentümer von Wohnraum haben einige Mittel in der Hand, um es Bewohner:innen schwer zu machen und ihnen klar zu machen, dass es besser wäre, sie würden sich eine neue Bleibe suchen. Dabei müssen sich die Eigentümer nicht immer an geltendes Recht halten. Unangekündigte Baumaßnahmen; formal unkorrekte Kündigungen, Rechnungen, Mahnungen; zwischenzeitlich Strom, Gas oder Wasser abstellen; Kellertüren aufbrechen oder Klingelschilder herausreißen; usw.. Der Entmietungsprozess in der Großen Steinstraße 34 hat gezeigt: Auch wenn man als Bewohner das Recht auf seiner Seite wähnt – es ist mit viel Aufwand und Kraft verbunden, sein Recht einzuklagen. In der Regel geht es nicht schnell, auch wenn es um dringendste Fragen geht – oft hängt es nur an Formalitäten, dass offensichtliche Rechtsverstöße nicht oder nicht richtig geahndet werden. Das Mittel der einstweiligen Verfügung erfordert einen zeitlichen Aufwand, den Lohnabhängige, Auszubildende oder Studierende nur schwer aufbringen können. Das Ordnungsamt oder das Bauamt sind bei zweifelhaften Maßnahmen des Eigentümers nur schwer zu erreichen und sind nur schwer für den Fall zu interessieren. Der Rechtsübertritt hat für den Eigentümer selten Konsequenzen. Selbst wenn Bewohner:innen rechtliche Erfolge erzielen, ist dies längst Teil der Kalkulation des Eigentümers und die nächsten Schikanen sind schon im Anmarsch.

Anders sieht es mit dem geltenden Recht bei Mieter:innen aus, die sich gegen Entmietungsprozesse wehren und sogar noch kämpferisch an die Öffentlichkeit gehen. Auch das hat der Fall der Großen Steinstraße 34 gezeigt. Bei den meisten Kundgebungen der Initiative und bei der großen Demonstration am 30.04. waren stets Mitarbeiter:innen des Staatsschutzes zugegen, verbargen sich kaum in ihrer Funktion und beobachteten das Geschehen. Der Umstand, dass sich Leute gegen einen Entmietungsprozess zur Wehr setzen und auf grundlegende Ungleichheiten im Mietverhältnis hinweisen – dieser Umstand allein wird offensichtlich als potentiell staatsgefährdend behandelt.

Am 13.05.2022 wurde das Schiefe Haus, nachdem die ursprünglichen Bewohner:innen es verlassen hatten, besetzt. Hier wurden tatsächlich Mittel des zivilen Ungehorsams angewendet – also dieses mal auf der anderen Seite des Eigentums eine Rechtsübertretung. Ganz im Rahmen des geltenden Rechts wurde aus Anlass der Besetzung vor dem Haus eine Kundgebung angemeldet. Dieser Umstand versetzte offensichtlich die Versammlungsbehörde in Halle in Alarmbereitschaft. Denn am nächsten Morgen – es war ein Samstag Vormittag – rief ein eifriger Mitarbeiter der Versammlungsbehörde mehrere Menschen an, die in einem linken oder mietpolitischen Kontext in der Vergangenheit Versammlungen in Halle angemeldet hatten. Es wurden stets die selben Fragen gestellt: Man habe ja sicher von der Besetzung der Breiten Straße 28 gehört, man wolle deshalb nachfragen, ob am Wochenende in Halle noch einmal Anmeldungen von Kundgebungen geplant seien, oder ob man von irgend etwas wisse, das am Wochenende noch passieren werde. Jegliche Hinweise seien willkommen – dabei ginge es natürlich vor allem darum, „polizei-sichere“ Versammlungen zu ermöglichen.

Dieser Vorgang ist schon seltsam. Wenn Bürgerinnen und Bürger eine Versammlung anmelden wollen, dann wenden sie sich an die Versammlungsbehörde. Dass umgekehrt die Versammlungsbehörde initiativ Menschen auf privaten Telefonen anruft, um zu fragen, ob etwas geplant sei, ist eher ungewöhnlich. Dass in Halle die Polizeiinspektion auch die zuständige Versammlungsbehörde ist, wirft die Frage auf, ob hinter solchen Anrufen nicht polizeiliche Interessen stehen. Die Personalunion von Polizei und Versammlungsbehörde führt dabei zu durchaus fragwürdigen Vorgängen. Denn am 14. Mai wurde auch eine Person von der Versammlungsbehörde angerufen, die noch nie Kundgebungen oder Demos in Halle angemeldet hat. Der Grund des Anrufs war ein anderer: Es handelte sich um einen ehemaligen Bewohner des Schiefen Hauses. Anschrift und Telefonnummer hat der Mitarbeiter der Versammlungsbehörde durch eine schnelle interne Recherche erfahren: Der Ex-Bewohner hatte vor Jahren den Diebstahl seines Fahrrads angezeigt und dafür auch seine Handy-Nummer hinterlassen.

Eine solche zweckfremde Nutzung von Daten ist natürlich rechtswidrig. Eine schriftliche Anfrage an die PI Halle wurde mit einer Einladung in die Polizeiinspektion beantwortet, wo man die Perspektive der Polizei gerne erklären könne. Als der ehemalige Bewohner darauf hinwies, dass die Polizeiinspektion kein neutraler Ort für eine Verständigung ist und deshalb auf einer schriftlichen Auskunft beharrte, erfolgte keine Antwort mehr. Ein Antrag auf Datenlöschung blieb bisher unbearbeitet.

Ein weiteres Beispiel. Mitte Mai befindet sich ein Hallischer Bürger auf dem Nachhauseweg. Kurz vor seinem Haus wird er von der Polizei kontrolliert und es werden seine Personalien aufgenommen. Grund der polizeilichen Maßnahme: es handelt sich um ein Haus, das ebenfalls von Entmietung betroffen ist und das bereits größtenteils leergezogen wurde, um eine problemlose Sanierung starten zu können. Die Beamten konnten nicht glauben, dass jemand in einer solchen Bruchbude mit Mietvertrag wohnen würde. Die Konsequenz: Wer Betroffener von einer Entmietungsmaßnahme wird, der ist allein aufgrund dieses Umstandes selber verdächtig.

Dass Stress von Vermietern und Repression des Staates oft Hand in Hand gehen, ist ein Grund mehr zu sagen: Es braucht eine solidarische Organisierung!

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Statement vom Schiefen Haus https://stein34.blackblogs.org/2022/11/01/statement-vom-schiefen-haus/ Tue, 01 Nov 2022 10:09:27 +0000 http://stein34.blackblogs.org/?p=292 Im Folgenden dokumentieren wir ein weiteres Statement von unserer Pressekonferenz vom 20.10.2022 zum Nachlesen. Die Initiative “Stein 34 bleibt” hat darauf hingewiesen, dass Mietkämpfe nicht je für sich allein stehen – sondern dass es einen lokalen Bezug gibt, in dem sich verschiedene Auseinandersetzungen aufeinander beziehen. Aus diesem Grund hat auf der Pressekonferenz auch ein ehemaliger Bewohner des “Schiefen Hauses” gesprochen.

Statement von Einzelpersonen aus dem Schiefen Haus

Die Auseinandersetzung um die Große Steinstraße 34 hat nicht in einem luftleeren Raum stattgefunden. Zuvor und parallel haben ähnliche Auseinandersetzungen in Halle stattgefunden. Die Gruppe „Stein 34 bleibt“ hat sich in ihrer Öffentlichkeitsarbeit immer wieder auch auf den Mietkonflikt um das „Schiefe Haus“ bezogen. Weil widerständiges Handeln darauf angewiesen ist, längerfristige Erfahrungen fruchtbar zu machen, soll an dieser Stelle auch noch einmal auf das „Schiefe Haus“ eingegangen werden.

Das „Schiefe Haus“ ist ein altes Fachwerkhaus in der nördlichen Innenstadt, das bis April dieses Jahres von etwa 8 Leuten bewohnt wurde. Es war allerdings mehr als eine Wohngemeinschaft: Es war Treffpunkt, Netzwerk-Knotenpunkt, Ort für Kultur und Subkultur, manchmal eine Art halb-öffentliche Kneipe. Aufgrund seiner zentralen Lage und seines eigentümlichen Zaubers sind hier unterschiedlichste Menschen zusammen gekommen, die sich ohne diesen Ort nicht begegnet wären.

Die ursprünglichen Eigentümer hatten eine Zwischennutzung ermöglicht – dafür hatten die BewohnerInnen bauliche Mängel zu akzeptieren. Das war die Bedingung für die eher unkonventionellen Wohnverhältnisse. Diese Bedingungen gerieten ins Wanken, als das Haus im Herbst 2018 verkauft wurde – neue Eigentümer wurden Wohnprojekte Herold. Den BewohnerInnen war klar, dass Veränderungen anstehen würden und auch, dass es gute Gründe für Sanierungsarbeiten gibt.

Anfangs sah es so aus, als ob Herolds daran interessiert wären, mit den aktuellen BewohnerInnen nach gemeinsamen Lösungen zu suchen. Spätestens im Frühjahr 2019 führte der Konflikt um eine kaputte Heizungsanlage zum Abbruch der Gespräche. Seit dem waren die BewohnerInnen mit typischen Entmietungsmaßnahmen konfrontiert: Verweigerung von dringend notwendigen Reparaturen, willkürliche Rechnungen und Abmahnungen, Wasser abstellen, keine Antworten auf Rückfragen in Mietangelegenheiten, usw. Kurze Zeit später folgte die Kündigung. Begründung: Eigenbedarf. Herolds Töchter würden in das Haus einziehen wollen. Die BewohnerInnen wussten, dass dies ein vorgeschobener Grund war, wie sich mittlerweile auch bestätigt hat: Seit April ist das Haus zugenagelt und steht leer. Weil die BewohnerInnen die Kündigung nicht akzeptiert haben, folgte ein Gerichtsverfahren vor dem Amtsgericht. Dieses Gerichtsverfahren war für das Schiefe Haus Anlass, in die Öffentlichkeit zu gehen und die Auseinandersetzung zu politisieren. Das Gerichtsverfahren vor dem Amtsgericht haben die BewohnerInnen gewonnen. Doch es ging in die nächste Runde, vors Landgericht. Hier haben die BewohnerInnen aufgegeben, sich auf eine Einigung eingelassen und sich gegen eine Abfindung rauskaufen lassen. Nach 3 Jahren Mietkampf war die Erschöpfung zu groß. Die BewohnerInnen des Schiefen Hauses haben eine ähnliche Erfahrung gemacht, wie jetzt die BewohnerInnen der Großen Steinstraße 34.

Durch die Kundgebungen des Schiefen Hauses ist Entmietung in Halle zu einem öffentlichen und politischen Problem gemacht worden. Die Erfahrungen des Schiefen Hauses sind sichtbar geworden – das war der Grund, weshalb es zu einer Vernetzung kam, als die BewohnerInnen der Großen Steinstraße 34 mit dem Verkauf ihres Hauses konfrontiert waren. BewohnerInnen des Schiefen Hauses sind in der Gruppe „Stein 34 bleibt“ aktiv geworden und ein Teil der Abfindung konnte im Mietkampf der Stein34 verwendet werden. So hat sich etwas fortgesetzt, wurden Erfahrungen weiter gegeben. Das ist auch der Grund, warum ich auf dieser Pressekonferenz heute sowohl als Mitglied der Initiative „Stein 34 bleibt“ sitze, als auch als ehemaliger Bewohner des Schiefen Hauses.

Entmietungsmaßnahmen treffen Mieterinnen und Mieter an einem sehr wunden Punkt. Der eigene Wohnraum ist eine Existenzgrundlage und als Rückzugsraum auch die Bedingung dafür, aktiv zu werden, sich zu organisieren, in die Öffentlichkeit zu treten. Vermieter können Hebel in Bewegung setzen, die bei MieterInnen Stress, Zukunftsunsicherheit und Angst auslösen. Oft ist dies von Eigentümerseite bewusst kalkuliert. Die Wirkung der Waffen, die beide Parteien anwenden können, sind sehr ungleich. Sich dafür zu entscheiden, sich gegen eine Entmietungsmaßnahme zu wehren, Gerichtsverfahren durchzustehen, an die Öffentlichkeit zu gehen, den Eigentümer unter Druck zu setzen – diese Entscheidung bedeutet, dass es stressiger wird.

Es ist eine Entscheidung, die nicht leicht zu treffen ist: Den Dreck runterschlucken, sich die Scheiße gefallen lassen, lieber ausziehen, dafür mehr Ruhe haben – oder: drin bleiben, kämpfen, den eigenen Wohnraum zu einem politischen Gegenstand machen und sich damit sehr verwundbar zu machen. Aber sich dafür wenigstens nicht alles gefallen zu lassen und im besten Fall Solidarität zu erfahren. Wer sich für den Mietkampf entscheidet, für den wird es stressiger. Aber stressig ist der Umstand der Entmietung selber. Deshalb lohnt es sich, zumindest anzufangen. Man kann wenigstens versuchen, so lange wie möglich drin zu bleiben, es dem Eigentümer so schwer wie möglich zu machen, so viel wie möglich rauszuschlagen. Mancher Erfolg stellt sich auch unerwartet ein. Und nicht jeder muss alle Schritte bis zu Ende gehen – man muss nicht immer unbedingt gewinnen. Schon der Beginn des Mietkampfes und sein öffentliches Bekanntwerden machen es schwerer für die Vermieter. Je mehr Leute damit anfangen, um so eine bessere Ausgangsposition gewinnen wir.

Weil die Entscheidung für den Mietkampf schwierig ist, ist es sinnvoll über Bedingungen und Schwierigkeiten der Organisierung in Mietkonflikten nachzudenken:

Wer sich dafür entscheidet, einen Mietkampf zu führen, ist auf ein Netzwerk angewiesen, das praktische Solidarität leisten kann. Gerade weil man dafür kämpft, worin man wohnt, kann keine Einzelperson und keine WG so eine Auseinandersetzung alleine schaffen. Auf der einen Seite ist eine öffentliche Solidarisierung unglaublich wichtig: Dass die BewohnerInnen merken, dass ihr Problem kein zufälliges, individuelles ist – sondern dass es andere Leute gibt, die das Problem als ein allgemeineres erkennen und den Widerstand befürworten. Auf der anderen Seite reicht diese öffentliche Solidarisierung nicht aus. Sie muss auch auf der Ebene des Alltags stattfinden – und ist dort ungleich schwerer herzustellen. Es braucht Leute, die bereit sind, konkret und kurzfristig zu helfen, wenn es notwendig wird. Es braucht Leute, die bereit sind, sich in die konkrete Problemlage hineinzudenken und dabei zu helfen, strategische Entscheidungen zu treffen. Es braucht Leute, die da sein können, um Ängste und Zweifel aufzufangen. Diese alltägliche Solidarität ist deshalb schwierig herzustellen, weil sie auf einer anderen Ebene angesiedelt ist als herkömmliche politische Arbeit. Die Vereinzelung des Alltags ist hierfür ein Hindernis – es müssen Formen gefunden werden, die zwischen Freundschaft und Aktivismus angesiedelt sind. Im Schiefen Haus und in der Stein34 war diese Art der Solidarität im Ansatz vorhanden. Dass beide Projekte gescheitert sind, zeigt an, dass hier mehr hätte passieren müssen.

Auch wenn es das solidarische Netzwerk braucht, funktioniert ein Mietkonflikt nicht, wenn es nicht Einzelpersonen gibt, die die bewusste Entscheidung treffen, als Betroffene Verantwortung für die Organisierung zu übernehmen und Zeit in den Kampf zu investieren. Hier kommt es auf die Situation an, in der sich die Betroffenen befinden: Lässt es mein Arbeitsverhältnis zu, dass ich mich auf diese energie-fressende Auseinandersetzung einlasse? Dass ich die Kommunikation mit dem Anwalt übernehme? Dass ich mich in die Ebene des Mietrechts hineindenke? Dass ich die Kommunikation mit dem Mieterbund übernehme? Dass ich auf die Schreiben des Vermieters reagiere? Dass ich die entsprechenden Fristen einhalte? Dass ich andere Beteiligte auf einen gleichen Wissensstand bringe? Diese Aufgaben können nur zum Teil von einem solidarischen Netzwerk übernommen werden – denn es ist eine äußerst kleinteilige Arbeit, die oftmals schwer von außen überblickt werden kann. Wer die Entscheidung für den Mietkonflikt fällt, muss sich darüber bewusst sein, dass hier oftmals Schwierigkeiten lauern. Die Verantwortung muss innerhalb der Wohngemeinschaft oder der Hausgemeinschaft aufgeteilt werden und erfordert einen hohen Grad an Verbindlichkeit. Hier liegt ein Potential für Konflikte: Weil innerhalb der Gruppe der Betroffenen die zeitlichen Ressourcen und die Kraftressourcen oft ungleich verteilt sind. Es braucht einerseits einen hohen Grad an Achtsamkeit untereinander – es braucht andererseits leicht zugängliches Wissen über die Erfordernisse der alltäglichen Auseinandersetzung, damit nicht jede Gruppe die gleichen Erfahrungen immer wieder vom Neuen machen muss.

Ein Problem in vielen Mietkonflikten besteht darin, dass unkonventionelle Wohnformen nicht im Einklang mit dem konventionellen Mietrecht stehen. Unzureichende Untermietverträge, vielleicht gar keine vorhandenen Mietverträge für einzelne BewohnerInnen, andere Personen stehen im Mietvertrag als dort tatsächlich wohnen. Solche Umstände können zu bösen Stolperfallen in einem Mietkonflikt werden. Oft führt es dazu, dass einzelne Personen in der alleinigen rechtlichen Verantwortung stehen, während die anderen sich nicht in gleicher Weise an der rechtlichen Auseinandersetzung beteiligen können. Dieses Problem führt immer wieder zu einer Schieflage: Dass man in der Öffentlichkeit nicht über die tatsächlichen Wohnformen in der betroffenen Wohnung sprechen kann, um keine Fehler im Gerichtsverfahren zu machen. Zumindest nach dem Scheitern ist es aber noch einmal wichtig zu sagen: Wir wollen nicht in Parzellenwohnungen leben, wir sind nicht glücklich in den Wohnformen der traditionellen Kleinfamilie, das kollektive Zusammenleben gehört zu unserer Vorstellung von einem guten Leben und oftmals erfordert es unserer Arbeits- und Lebensalltag, dass die tatsächliche Wohnform nicht im Einklang mit dem Mietvertrag steht. Es ist scheiße, dass das Mietrecht es diesen unkonventionellen Wohnformen viel schwerer macht und daran muss etwas verändert werden.

Es braucht inhaltliche Auseinandersetzung. Wir müssen damit rechnen, dass Mietkonflikte in der nahen Zukunft zunehmen werden. Und es ist nützlich, die Gründe dafür zu kennen – auch, um nicht unvorbereitet in kommende Auseinandersetzungen hineinzugehen. Wir müssen uns mit dem Verhältnis von Kapitalismus, Miete und Klassengesellschaft auseinandersetzen. Wir müssen versuchen, die modernen Urbanisierungsprozesse zu verstehen. Wir müssen das Verhältnis von Stadt und Land in den Blick nehmen und wie es sich verändert. Wir müssen uns konkret die Entwicklung von Städten in Ostdeutschland anschauen. In Teilen haben wir diese Auseinandersetzung in unserer Veranstaltungsreihe im Frühjahr vorangetrieben. Es darf nicht dabei bleiben, auch nach dem Auszug der Stein34-WG. Es braucht gegenseitige Bildung und Selbstbildung.

Zuletzt braucht es die Weitergabe von Erfahrungen. Wer schon mal in einem Mietkonflikt war, kennt vielleicht das Gefühl: scheiße, ich bin in einer Situation, die niemand anderes verstehen kann. Wenn man dann Leute trifft, die tatsächlich eine ähnliche Erfahrung gemacht haben, ist es, als würde man eine Geheimsprache sprechen – man weiß ganz genau, von was der andere spricht. Diese Erfahrung muss kollektiviert werden. Die Erfahrungen vom Schiefen Haus und der Stein34 haben gezeigt: Einerseits können wir uns auf den Mieterbund nicht verlassen. Andererseits gibt es eine andere, unabhängige Struktur, die über den einzelnen Mietkonflikt hinaus geht, in Halle noch nicht. Eine Struktur, die beraten und unterstützen kann und die klar und kämpferisch auf der Seite von Mieterinnen und Mietern steht. Auch wenn es in der Initiative „Stein 34 bleibt“ immer wieder Überlegungen dazu gab: die Gruppe wird auch nach dem Auszug der WG nicht alleine dazu in der Lage sein, eine solche Struktur aufzubauen. Deshalb endet dieses Statement mit einem Aufruf: Ob ihr Betroffene oder politisch Interessierte seid: Denkt darüber nach, wo ihr Ansätze zum Aufbau einer solchen Struktur seht und wer sich daran beteiligen könnte. Sprecht uns an, tauscht euch untereinander aus, vernetzt euch. Ein neuer Anlass, zusammenzukommen, könnte die Demonstration am 21. Januar sein. Wir sehen uns!

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Statement der Stein34 https://stein34.blackblogs.org/2022/10/28/statement-der-stein34/ Fri, 28 Oct 2022 09:05:33 +0000 http://stein34.blackblogs.org/?p=286 Das folgende Statement wurde am 20.10.2022 auf der Pressekonferenz der Initiative “Stein 34 bleibt” vorgetragen. Ein Audiomitschnitt der Pressekonferenz kann hier nachgehört werden.

Statement der Stein34 für die PK am 20.10.2022

0. Warum haben wir uns entschlossen den Mietkampf zu führen?

Als wir gehört haben, dass die Große Steinstraße 34 verkauft werden soll, war uns allen schnell klar, was das bedeutet: niemand kauft eine derartige Bruchbude ohne Sanierungspläne – und kein:e Vermieter:in saniert, ohne zumindest die Mieten zu erhöhen oder gleich die alten Mieter:innen loszuwerden. Damit war von Anfang an klar, dass es für uns mit dem neuen Eigentümer keine Zukunft in der Stein34 geben würde. Nachdem der alte Eigentümer unser Kaufangebot ausgeschlagen hatte, mussten wir in den Widerstand gegen den neuen gehen.
 
Denn die Stein34 war unser Zuhause, sie liegt uns – trotz oder vielleicht auch wegen ihres Zustands – allen am Herzen. Die deutlich gesteigerten Mieten, die der neue Eigentümer für die Zeit nach der Sanierung angekündigt hat, können und wollen wir uns nicht leisten. Die Entscheidung, nicht kampflos aufzugeben, hatte natürlich auch eine politische Komponente: Halle ist noch nicht Berlin, doch auch hier steigen seit Jahren die Mieten, werden Mieter:innen im Zuge von Sanierungen aus ihren Wohnungen geschmissen, werden arme und marginalisierte Menschen aus den Stadtzentren an die Peripherie verdrängt. Dem wollten wir etwas entgegensetzen. Wohnen ist ein Grundrecht, Wohnraum darf nicht der Profitmaximierung dienen.
 
Deshalb sind wir nicht einfach ausgezogen, als die fristlose Kündigung kam und deswegen haben wir uns gegen die unangekündigten Bauarbeiten im Haus rechtlich gewehrt. Wir wollten darum kämpfen, zu bleiben. 
 
Im Sommer haben wir den Kapmf allerdings aufgegeben. 
– Warum wir uns zum Auszug entschlossen haben: 

        

1. Entmietung ist auch ein Gefühl

Wir haben unterschätzt, wie sich die versuchte Entmietung und die Bauarbeiten auf das Gefühl im eigenen Zuhause ausgewirkt haben. Schon die fristlose Kündigung hat unser Sicherheitsgefühl im Haus stark untergraben. Mit Beginn der Bauarbeiten Anfang April schlug sich das Gefühl, aus dem Haus gedrängt werden zu sollen, in der Realität nieder. Auf einmal waren Bauarbeiter im Haus. Unbewohnte Wohnungen wurden lautstark entkernt, in der WG war es oft so laut, dass kein normales Gespräch mehr möglich war. Schutt wurde ohne Sicherung in den Hof geworfen, das ganze Treppenhaus war verstaubt. Eines Tages fehlte die Klingel. Das alles fühlte sich an wie ein Angriff auf das eigene Zuhause. Besonders für die älteren Mieter:innen war das eine Zeit des Ausnahmezustands. Entmietung ist eine gängige Praxis auf dem Immobilienmarkt, aber es ist auch ein ganz bestimmtes Gefühl.
 

2. Überlastung

Sich juristisch gegen Entmietung zu wehren ist sehr zeitaufwändig. Die konkreten Formen der Entmietung müssen für das Gericht penibel dokumentiert werden: was passiert, wann und wie laut usw. Man muss Beweise sammeln und sortieren. Und das alles zu guter Letzt vollständig und nachvollziehbar dem Anwalt vermitteln.
        

Wir haben in der WG alle neben dem Mietkampf mit Lohnarbeit, Ausbildung oder Studium zu tun. Externe Unterstützung im Rechtsstreit ist schwierig. Man braucht dafür das Wissen über die Wohnung, den Mietvertrag, das Haus und vieles andere, das eigentlich nur Bewohner:innen wissen können

 

Dadurch, dass in unserem Mietvertrag nur eine Hauptmieterin steht, lief offiziell auch der gesamte Rechtsstreit über sie. Rechnungen, Anwalts- und Gerichtsschreiben, die Kommunikation mit dem Mieterbund – selbst vor Gericht dem Vermieter gegenübersitzen konnte nur diese eine Person. Daraus erwuchs für uns alle – und vor allem natürlich für die Hauptmieterin – eine starke psychische Belastung. 

 

Konkret heißt das, dass manche von uns nachts aufgewacht sind, weil ihnen irgendeine Kleinigkeit einfiel, die sie vergessen hatten dem Anwalt zu sagen und dass andere auf einmal erleichtert waren, wenn sie mal für ein Wochenende wegfahren und die Stein34 verlassen konnten, obwohl das ihr Zuhause und ihr Rückzugsort ist.
        

3. Geld

Auch wenn wir vor Gericht im einstweiligen Rechtsschutz Erfolg gehabt haben und die juristischen Aussichten die Räumungsklage im September abzuwehren gut waren, über allem schwebt immer die Frage, wie man mit einer möglichen Niederlage vor Gericht und weiteren Klagen umgeht. Wenn man einen Gerichtsprozess verliert, werden einem auch meist die Anwaltskosten der Gegenseite und die Gerichtskosten aufgebrummt. Dazu kommt die Bezahlung des eigenen Anwalts und jedenfalls die theoretische Möglichkeit weiter verklagt zu werden.
        
Dadurch, dass wir einen vom Mieterbund externen Anwalt beauftragt haben, hatten wir zusätzlichen Aufwand die Finanzierung zu organisieren. Unser Anwalt konnte Beratungen nicht beim Mieterbund abrechnen. Unser Anwalt hat sehr viel Arbeit in unseren Fall investiert und dafür um sehr wenig Geld gebeten. Trotzdem musste das irgendwo herkommen. 
        
Bis Juli sind wir davon ausgegangen, dass unsere Rechtsschutzversicherung über den Mieterbund die Kosten tragen würde, doch das kam anders (dazu gleich mehr).
 
Wir haben angefangen bei verschiedenen Gelegenheiten Spenden zu sammeln (und dabei viel Solidarität erfahren). Dabei haben einige Menschen sehr viel Orgaarbeit (und sich teils dabei selbst) übernommen.
 

4. Fehler und Versäumnisse

Wir sind Mitglied beim Mieterbund Halle e.V. und über diese Mitgliedschaft eigentlich rechtsschutzversichert. Der Mieterbund Halle e.V. hat uns aber falsch bzw. gar nicht beraten. Sie haben uns trotz mehrmaliger Nachfragen nicht auf elementare Klauseln hingewiesen, die Bedingung dafür sind, dass die an den Mieterbund angeschlossene Rechtsschutzversicherung greift. Der Mieterbund hat unsere Unterlagen sehr lange nicht an die Rechtsschutzversicherung weitergeleitet, wodurch wir letzten Endes unversichert in unsere Gerichtsverfahren gegangen sind. Wir hätten also im Fall einer Niederlage alle Kosten selber tragen müssen.
 
Besonders dramatisch wäre das in dem theoretisch möglichen Fall gewesen, dass der Vermieter uns wegen des Baustopps auf Schadensersatz verklagt oder andere weitere Klagen, in dem immer größer werdenen Rechtsstreit erhebt. Auch hier entstehen ersteinmal Kosten für die Prozessführung, unabhängig vom Ausgang und besteht ein Risiko, das wir bedenken mussten: mögliche Strafsumme hätten wir auch hier selber aufbringen müssen.
 
Auf der unangekündigten Baustelle ist weder Rücksicht auf die Sicherheit der Mieter:innen noch auf die der Arbeiter genommen worden. Als die Bauarbeiten im April anfingen, haben wir mehrmals das Ordnungsamt informiert. Es waren mehrfach Beamt:innen im Haus und haben die Situation aufgenommen. Trotz gegenteiliger Versicherungen und mehrmaliger Nachfragen, ist das Ordnungsamt Halle nicht tätig geworden. 
 

5. Wofür kämpfen wir? Scheiß Zustand, scheiß Mietvertrag

Zu Beginn der Auseinandersetzung um die Stein34 haben wir nicht groß nachgedacht. Was wir wollten, war einfach: die Schikanen des Vermieters nicht hinnehmen, die Nachbar:innen nicht allein lassen und uns nicht widerstandslos aus dem Haus werfen lassen.
        
Mit der steigenden psychischen und finanziellen Belastung stellte sich immer mehr die Frage, wofür wir eigentlich kämpfen. Unsere Wohnung ist – wie die gesamte Stein34 – in einem eher bescheidenen Zustand. Dafür hat besonders der alte Eigentümer gesorgt, der das Haus über 10 Jahre hat verfallen lassen. Dafür ist die Miete dann doch gar nicht so niedrig. Zudem haben wir einen Staffelmietvertrag, den hatte der vorherige Eigentümer nach einem Hauptmieterwechsel zur Bedingung gemacht, damit wir bleiben konnten. Dieser Mietvertrag sagt aus, dass die Gesamtmiete alle drei Jahre um mehrere hundert Euro erhöht wird. 

 

6. Recht im bürgerlich-kapitalistischen Staat

 Zu guter Letzt muss man anerkennen: wir leben immer noch in einem bürgerlich-kapitalistischen Staat. Das Ergebnis von einem umfassenden Rechtsstreit ist ohnehin immer schwer einzuschätzen, neben dem tatsächlichen Sachverhalt hängen sie auch von den Rechtsansichten des:der Richter:in ab oder von den Aussagen der Zeugen, mehrere Instanzen sind möglich bis es dann zu einem rechtskräftigen Urteil kommt. Verbindliche Ergebnisse gibt es teilweise erst Jahre später. Gerade wenn es sich bei der Vermietung um Einzelpersonen handelt, wie in unserem Fall, sind Mietverträge oft durch mündliche Absprachen ergänzt. Als Mieter muss man Beweise vorbringen, ohne selbst als Zeuge ein Beweismittel zu sein
        

Vor allem ist aber wichtig, dass wir die Sanierungspläne des neuen Eigentümers nach geltendem Recht und Gesetz nur verzögern, aber nicht aufhalten können. Denn in Deutschland ist das Privateigentum heilig. Wer ein Haus hat, kann das modernisieren, sanieren und teuer vermieten soviel er oder sie will.

 

Also auch wenn wir alle Gerichtsprozesse gewinnen, gehört unser Haus immer noch dem neuen Eigentümer und Vermieten bleibt ein scheiß Prinzip.
        

FAZIT

Abschließend wollen wir zusammentragen, was wir aus dem Kampf um die Stein34 gelernt haben. 
 
Der Mietkampf muss auf allen möglichen Ebenen geführt werden. Dazu gehört sicher die juristische Ebene, aber umso mehr auch die politische und öffentliche. Der Rechtsstreit ist zwar wichtig und wenn man zum Beispiel fristlos gekündigt wird, kann man sich nicht aussuchen ob man ihn führt oder nicht. Andere Formen des Widerstands müssen aber parallel laufen. 
 

Uns ist klar geworden, dass der Widerstand gegen eine Entmietung ein Vollzeitjob ist.   Nicht alle Menschen haben die Zeit, das Wissen und die Nerven, sich gegen eine Entmietung zu wehren während gleichzeitig ihr privater Rückzugsraum akut bedroht ist. 

 

Wir sind privilegiert, wir sind jung, wir sind relativ flexibel und trotzdem waren wir gezwungen aufzugeben. Es braucht viel mehr Unterstützung für Menschen, die gegen ihre Entmietung kämpfen. 
 

Es braucht vor allem viel mehr Aufmerksamkeit für Entmietungsvorgänge. Zu viele Menschen sehen sich nach wie vor mit den Problemen mit ihren Vermieter:innen allein dastehen. Dagegen muss man die Erkenntnisse setzen, dass die meisten von uns von solchen Problemen betroffen sind – wenn auch sicher nicht alle im selben Ausmaß. Und gerade weil so viele davon betroffen sind, müssen wir uns gegenseitig in diesen Auseinandersetzungen unterstützen. Es muss jetzt darum gehen, eine schlagkräftige Mieter:innenbewegung aufzubauen. Wir brauchen eigene Strukturen jenseits des Mieterbunds, die bei Entmietung oder Zwangsräumungen den Betroffenen zur Seite stehen.

 

Wir müssen Menschen ermutigen, sich gegen Mieterhöhungen und versuchte Entmietungen zu wehren und dürfen sie in ihrem Kampf nicht allein lassen. Jeder Mietkampf ist ein wichtiges Zeichen. Er ist Widerstand gegen die Ungerechtigkeiten des Systems Miete, er ist ein Kampf für das Recht auf Wohnen, das Recht auf die Stadt.
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Erklärung zum Auszug der Stein34-WG https://stein34.blackblogs.org/2022/09/17/erklarung-zum-auszug-der-stein34-wg/ Sat, 17 Sep 2022 19:50:01 +0000 http://stein34.blackblogs.org/?p=270 Liebe Unterstützer:innen, liebe Freund:innen des Hauses, liebe Verbündete,

wir, das heißt die letzte verbliebene WG im Haus, haben uns im August entschieden aus der Stein34 auszuziehen. Diese Nachricht hat viele von euch wahrscheinlich einigermaßen überrascht. Auf Social Media haben wir die Gründe in aller Kürze bereits dargelegt. Gemeinsam mit unserer Unterstützer:innengruppe Stein34bleibt versuchen wir mit diesem Text eine ausführlichere Begründung für unsere Entscheidung darzulegen. Um alles erklären zu können, ist es irgendwie wichtig von vor anzufangen. Hier folgt

eine kurze Chronik der Ereignisse.

Noch bis 2021 hat die Stein34 einem Mann gehört, der in Halle ein pädagogisches Zirkusprojekt betreibt. Ihm gehören mehrere Wohnhäuser in der Stadt, als Vermieter ist er kein Unbekannter. Auch in unserem Fall trat er als Eigentümer selbst auch als Vermieter auf. Die Stein34 hat er 10 Jahre lang verfallen lassen, nur das allernötigste repariert und wo es ging die Mieten erhöht. Ab 2021 wohnten nur noch 4 Parteien im Haus, einer davon hatte dieser ehemalige Vermieter bereits gekündigt. 4 Wohnungen hat er über mehrere Jahre nicht neu vermietet und leer stehen lassen.

Im Frühjahr 2021 haben wir in der WG Wind davon bekommen, dass der damalige Eigentümer das Haus verkaufen wollte. Wir haben unsere Nachbar:innen angesprochen, wir haben uns alle im Haus vernetzt. Die drei Gewerbetreibenden im Haus, die andere WG, das alte Paar, die Alleinstehende und wir haben uns zusammengesetzt. Der Plan: wir wollten das Haus als Kollektiv kaufen. Wir haben uns Unterstützung vom Haus- und Wagenrat in Leipzig geholt und gerechnet, wie viel wir dem Eigentümer für das Haus bieten können. Die Mietpreise der drei alteingesessenen Parteien sollten so bleiben wie sie waren. Wir haben alles miteinbezogen, wir haben Mitstreiter:innen zusammengesucht und schließlich im Sommer 2021 ein Angebot über 1,3 und kurz darauf noch ein zweites über 1,5 Millionen € geschrieben. Der vorherige Vermieter hat diese Angebote abgelehnt.

Im Winter hat er uns stattdessen schlicht informiert, dass er das Haus einem anderen verkauft hat. (Auf Nachfrage begründete er das dann damit, dass dieser mehr geboten hatte.)

Das Haus haben wir nicht bekommen. Mit der Nachricht vom neuen Eigentümer bekamen wir dafür eine bis dahin unbekannte Unsicherheit. Am Horizont zog eine bevorstehende Auseinandersetzung auf. Denn was wir bereits ahnten, bestätigte der neue Eigentümer und damit neue Vermieter uns in einem ersten persönlichen Gespräch im November 2021. Wir sollten ausziehen, er wolle kernsanieren und teuer neu vermieten. 10€ kalt den Quadratmeter nach Sanierung nannte er uns.

Uns war klar, dass wir das nicht hinnehmen und außerdem bleiben wollten. Was wir hatten, war die Vernetzung untereinander, so saßen wir direkt nach dem ersten Treffen mit dem neuen Hauseigentümer im Haus mit allen Mieter:innen zusammen und tauschten uns aus. Das war gut, denn der neue Vermieter hat mehrmals versucht uns untereinander gegeneinander auszuspielen, zB indem er uns (also der WG) erzählt hat, dass das Paar über uns freiwillig ausziehen wolle und das gleiche andersherum.

Bei einem zweiten Treffen im Januar 2022 drängte der neue Eigentümer auf eine Einigung. Er fragte was wir bräuchten um auszuziehen und drohte uns mit “Krieg” falls wir dies nicht täten.  Wir sagten, dass wir bleiben wollten. Er brach den Kontakt ab.

Im März ’22 bekamen wir eine fristlose Kündigung wegen angeblicher “unerlaubter Überlassung der Wohnung an Dritte”. Wir haben einen Mietvertrag mit nur einer Hauptmieterin, das führte dazu, dass diese sich von da an, jedenfalls juristisch gesehen, alleine in der Auseinandersetzung mit dem Vermieter befand.

Wir waren informiert und gut vernetzt, wir sind beim Mieterbund und was noch wichtiger war: Freund:innen hatten eigene Erfahrungen mit Kündigungen und konnten uns beruhigen und uns an unsere Rechte als Mieter:innen erinnern.

In dieser Ausnahmesituation, die uns (im Nachhinein betrachtet mehr als gedacht) erschüttert hat und schnelles Handeln verlangte, entschieden wir uns dafür einen eigenen Anwalt zu beauftragen. Das brachte ein paar organisatorische Probleme mit sich, die wir weiter unten ausführen. Unser Anwalt wehrte die Kündigung für uns ab. Wir blieben.

Unvermittelt fingen Anfang April vom neuen Hauseigentümer beauftragte unangekündigte Baumaßnahmen in der Stein34 an. Wie massiv, gefährlich, einschüchternd und dreist die waren, ist euch ja bekannt und hinreichend auf unseren Kanälen dokumentiert.

Auf Raten unseres Anwalts reagierten wir auf die Bauarbeiten mit 2 einstweiligen Verfügungen, die im April und Mai 2022 am Amtsgericht Halle verhandelt wurden. Wir verlangten unsere Klingel, den Zugang zu Hof und Keller sowie funktionsfähige Ofenheizungen zurück. Diese Verhandlung gewannen wir halb: Hof- und Kellerzugang sollten wir bekommen, Klingel und Öfen wurden aus juristischen Gründen abgelehnt. Die Baustelle durfte so weiter laufen und wurde Anfang Mai noch krasser. Die Stein34 war zu dieser Zeit kaum bewohnbar. Wir legten nach und reichten eine zweite Verfügung auf kompletten Baustopp ein. Begründet haben wir die damit, dass die Arbeiten im Haus nicht ordentlich angekündigt worden waren, denn eigentlich müssen Hauseigentümer Modernisierungen und Sanierungsmaßnahmen drei Monate im Voraus ankündigen.

Das Gericht stimmte uns Ende Mai zu und entschied den Baustopp, ab da war wieder Ruhe in der Stein34. Der Sieg vor Gericht war ein voller Erfolg und was Besonderes. Ein paar Wochen sah alles echt gut aus. Parallel hat unser Anwalt den neuen Vermieter auch noch bei der Staatsanwaltschaft Halle wegen Entmietung angezeigt, die Ermittlungen laufen noch.

Leider zeichnete sich nach ein paar Wochen ab, dass der Baustopp keine wirkliche Erleichterung bedeutete, denn die Unsicherheit darüber, wie es weitergehen würde, blieb. Dazu kommt eine Reihe von Schwierigkeiten, die sich uns ab Anfang Juli auftaten und die zusammengenommen zu der Entscheidung geführt haben, doch auszuziehen.

PROBLEME ÜBER PROBLEME Ca. 34 Steine, die uns im Weg liegen

1. Entmietung ist auch ein Gefühl

Wir haben unterschätzt, wie sich die versuchte Entmietung und die Bauarbeiten auf das Gefühl im eigenen Zuhause ausgewirkt haben. Schon vor April hatten wir einen Geschmack davon bekommen, wie es sich anfühlt, wenn das eigene Zuhause in Gefahr gerät, weil ein Eigentümer will, dass man auszieht. Mit Beginn der Baustelle schlug sich das Gefühl aus dem Haus gedrängt werden zu sollen in der Realität nieder. Es klang aus dem Schutt, der ohne Sicherung in den Hof geworfen wurde, aus dem ständigen Lärm im ganzen Haus, aus der Staubbelastung. Eines Tages fehlte die Klingel und alles fühlte sich an wie ein Angriff. Besonders für die älteren Mieter:innen war das eine Zeit des Ausnahmezustands, es war eine massive Erschütterung, es war als würde ihnen der Boden unter den Füßen weggezogen.

Sie waren aus offensichtlichen und mehr als nachvollziehbaren Gründen wie gelähmt. Wir sind jünger, flexibler, haben mehr Ressourcen und weniger zu verlieren, deswegen war das bei uns anders und ist doch nicht spurlos an uns vorbeigegangen. Entmietung ist eine gängige Praxis auf dem Immobilienmarkt, aber es ist auch ein ganz bestimmtes Gefühl.

2. Überlastung

Sich juristisch gegen Entmietung zu wehren bringt ziemlich viele Aufgaben mit sich. Rechtliche Auseinandersetzungen funktionieren immer über ganz konkrete Tatsachen. Das heißt, dass man die Entmietung in ihren einzelnen konkreten Ausformungen penibel dokumentieren muss: wann passiert was, wie lange und in welcher Lautstärke. Unter Zeitdruck muss man diese Informationen dann dem:der anwaltlichen Vertreter:in erklären, in aller Genauigkeit und ohne was zu vergessen. Beweise müssen gesammelt , sortiert und zugänglich gemacht werden. Dazu kam in unserem Fall noch das Wehren gegen die Kündigung, der im Sommer 2022 dann die Räumungsklage folgte, mit ähnlichen Aufgaben.

Wir sind eine sechser WG, alle haben mit Lohnarbeit, Ausbildung oder Studium eigene Aufgaben neben dem Mietkampf. Es hat sich als sehr schwierig herausgestellt, die Vorbereitung der juristischen Auseinandersetzung teilweise auf externe Unterstützer:innen auszulagern, denn es braucht die Nähe zur Wohnung und die Vertrautheit mit dem Haus und den ganzen wichtigen Kleinigkeiten, die zu beachten sind. In der Praxis hat das dazu geführt, dass Einzelpersonen aus der WG den Rechtsstreitkram hauptsächlich allein gestemmt haben.

Auch wenn wir das von Anfang an verhindern wollten, ist auch aus unserem Mietvertrag mit nur einer Hauptmieterin eine Überlastungssituation entstanden. Die einzige Hauptmieterin konnte als einzige Mitglied beim Mieterbund sein, also auch nur selbst die Kommunikation übernehmen. Am Ende war in Rechnungen, Anwalts- und Gerichtsschreiben nur sie adressiert und nur sie musste allein vor Gericht dem Vermieter gegenüber sitzen.

Wichtig zu betonen ist auch die psychische Belastung, die aus einer Situation erwächst, in der viele Aufgaben und potentiell weitreichende Entscheidungen auf wenige Schultern verteilt sind. Konkret heißt das, dass manche von uns nachts aufwachen, weil ihnen irgendeine Kleinigkeit einfällt, die sie vergessen haben dem Anwalt zu sagen und dass andere auf einmal erleichtert sind wenn sie mal für ein Wochenende wegfahren und die Stein34 verlassen, obwohl das ihr Zuhause und ihr Rückzugsort ist.

3. Geld

Über allem schwebt zudem die Frage, wie man mit einer möglichen Niederlage vor Gericht umgeht. Wenn man einen Gerichtsprozess verliert, werden einem auch meist die Anwaltskosten der Gegenseite und die Gerichtskosten aufgebrummt. Dazu kommt die Bezahlung des eigenen Anwalts.

Dadurch, dass wir einen vom Mieterbund externen Anwalt beauftragt haben, hatten wir zusätzlichen Aufwand die Finanzierung zu organisieren. Die ganze Zeit über mussten wir alle Entwicklungen und Unterlagen an den Mieterbund weiterleiten. Unser Anwalt konnte Beratungen nicht beim Mieterbund abrechnen. Unser Anwalt hat sehr viel Arbeit und  in unseren Fall investiert und dafür um sehr wenig Geld gebeten. Trotzdem musste das irgendwo herkommen. 

Bis Juli sind wir davon ausgegangen, dass unsere Rechtsschutzversicherung über den Mieterbund die Kosten tragen würde, doch das kam anders (dazu gleich mehr).

Wir haben angefangen bei verschiedenen Gelegenheiten Spenden zu sammeln (und dabei viel Solidarität erfahren). Dabei haben einige Menschen sehr viel Orgaarbeit (und sich teils dabei selbst) übernommen.

4. Fehler und Versäumnisse

Tragischerweise sind ein paar gravierende Fehler passiert, die wir nicht in der Hand hatten. Erstmal hat der Mieterbund Halle e.V. uns falsch, bzw. gar nicht beraten und damit ins offene Messer laufen lassen. Sie haben uns trotz mehrmaliger Nachfragen nicht auf elementare Klauseln hingewiesen, die Bedingung dafür sind, dass die Rechtsschutzversicherung greift. Bis Juli sind wir davon ausgegangen, dass der Mieterbund uns den Rücken stärken würde und unsere Unterlagen an die daran angeschlossene Rechtsschutzversicherung weitergeleitet hätte. Nur weil wir selbst Anfang Juli den aktuellen Stand erfragten, bekamen wir die Info, dass der Mieterbund keine Dokumente weitergeleitet hatte und die Versicherung noch nichts von uns und unseren Gerichtsprozessen wusste. Außerdem wurden wir darauf hingewiesen, dass wir auch deshalb Vorbedingungen für einen Versicherungsschutz nicht erfüllt und Fristen verpasst hatten. Das hätte durch eine richtige Beratung vom Mieterbund ganz anders laufen können.

Im Detail ist das kompliziert, im Grunde heißt es jedoch, dass wir unversichert in die zwei einstweiligen Verfügungsverfahren und die Räumungsklage gegangen sind. Konkret heißt das wiederum, dass wir vor dem Risiko stehen, im Falle einer Niederlage vor Gericht Gerichts- und Anwaltskosten selber tragen zu müssen.

Dazu kommt das Damoklesschwert, dass unser Vermieter uns theoretisch auf Schadensersatz verklagen kann, weil wir seine Baustelle gestoppt haben. Auch für einen solchen Prozess wären wir nicht versichert. Bei allem gilt: zwar tragen wir das Risiko gemeinsam, doch auf dem Papier wäre es wieder nur die Hauptmieterin, die all diese Euros zahlen müsste (falls es dazu kommt).

Wir waren die ganze Zeit über einig, dass wir keine Abfindung annehmen und ausziehen würden, aber mit dieser Drohkulisse aus scheißviel Geld sah alles nochmal anders aus. Ihr seht, es ist ein Spiel mit vielen Unbekannten und es lässt sich endlos Risiko gegen Risiko abwägen, wir haben viel diskutiert und uns viel im Kreis gedreht. Kurz: es ist zum Kotzen (oder Heulen).

5. Wofür kämpfen wir? Scheiß Zustand, scheiß Mietvertrag

Zu Beginn der Auseinandersetzung um die Stein34 haben wir nicht groß nachgedacht. Was wir wollten, war einfach: die Schikanen des Vermieters nicht hinnehmen, die Nachbar:innen nicht allein lassen und uns nicht widerstandslos aus dem Haus werfen lassen.

Mit der Zeit hat das Risiko zugenommen, das wir einzugehen (oder nicht einzugehen) entscheiden mussten. Zudem zeichnet sich jetzt nach ein paar Monaten ab, wie anstrengend der Kampf ist und vor allem wie langwierig. Daher stellt sich jetzt die Frage viel deutlicher worum wir eigentlich kämpfen.

Damit meinen wir weniger den großen Rahmen und die Symbolik, die das Haus in der Großen Steinstraße 34 für uns innehat, sondern ganz konkret die Wohnung, in der wir wohnen.

Dem ehemaligen Vermieter sei Dank ist die in einem bescheidenen Zustand. In der Küche und den Zimmern, die nach hinten rausgehen gibt es keine Heizmöglichkeit, im Winter ist es da morgens schon mal 9 Grad oder kälter.

Das ist vor allem ein Problem wenn man die relativ hohen Mieten (pro Zimmer 200-300€ warm) damit ins Verhältnis setzt.

Die Mieten sind hierbei auch genau der Knackpunkt, denn wir haben einen scheiß Mietvertrag mit Staffelmiete. Das heißt, dass die Gesamtmiete alle drei Jahre um mehrere 100€ erhöht wird (das nächste Mal Anfang 2023). Dagegen kann man leider nichts machen, der alte Vermieter hat die Staffelmiete nach einem Hauptmieterwechsel 2020 zur Bedingung gemacht, damit wir bleiben konnten.

6. Recht im bürgerlich-kapitalistischen Staat

Zu guter Letzt gilt es anzuerkennen, dass wir immer noch in einem bürgerlich-kapitalistischen Staat leben. Unsere Chancen, die Baustoppklage zu gewinnen, sind laut unserem Anwalt nur sehr schwer einzuschätzen. Zwar haben wir schon mal Recht bekommen, bei einer anderen Richterin (die sich zB der Vermieterseite näher fühlt als uns)  könnte das aber ganz anders ausgehen. Die Räumungsklage hängt dagegen neben der Richterin auch an der Aussage des Vorvermieters. Der ist nämlich vom neuen Vermieter als Zeuge dafür  aufgerufen, dass wir illegal untervermietet hätten. Was er aussagen und ob die Miete Richterin ihm glauben wird, ist einfach nicht abzuschätzen.

So oder so:

Auch wenn wir alle Gerichtsprozesse gewinnen würden, so könnten wir die Sanierungspläne des neuen Hauseigentümers nach geltemdem Recht und Gesetz trotzdem nicht aufhalten.

In Deutschland ist das Privateigentum heilig. Wer ein Haus hat, kann das modernisieren, sanieren und teuer vermieten soviel er oder sie will.

Also auch wenn wir gewinnen , gehört unser Haus immer noch dem neuen Eigentümer und Vermieten bleibt ein scheiß Prinzip.

ABSCHLUSS

Nach diesem langen Text, der sich uns am Ende wie eine Kette von Rechtfertigungen liest, müssen wir klar sagen: wir geben auf, wir geben nach, wir machen genau das, was der Vermieter will (ausziehen) und das fühlt sich enorm beschissen an.

Trotzdem ist es in unserer Situation wahrscheinlich die richtige Entscheidung, auch wenn natürlich fraglich bleibt, ob es eine richtige Entscheidung im Falschen geben kann. (Wir denken an unsere Freund:innen, die den Kampf um die Breite Straße vor fast einem Jahr aufgegeben haben und sagen: von Freiwilligkeit kann auch hier keine Rede sein.)

Wir haben dem neuen Hauseigentümer ein letztes Kaufangebot für die Stein34 gemacht. Zusammen mit dem Haus- und Wagenrat Leipzig haben wir erneut ausgerechnet, wie viel wir unter aktuellen Bedingungen bieten könnten. Das Angebot über 1,1 Millionen Euro hat er Mitte August 2022 abgelehnt.

Wir haben mit dem Vermieter verhandelt und uns auf Bedingungen für unseren Auszug Ende des Jahres geeinigt.

Als Stein34bleibt Unterstützer:innengruppe können wir hinzufügen, dass wir weiter gegen Entmietung, gegen den Ausverkauf der Stadt und für Wohnen für Alle kämpfen werden. Im Landgericht ist im August verkündet worden, dass der Vergleich zwischen dem Vermieter und der WG auch eine finanzielle Ablöse beinhaltet. Von Anfang an haben wir gemeinsam beschlossen, dass mögliche Ablösen kommenden Mietkämpfen in Halle zur Verfügung gestellt werden sollen. Als Stein34bleibt Gruppe diskutieren wir derzeit darüber, wie dieses Anliegen möglichst gut in die Praxis umgesetzt werden kann. Auch der Aufbau einer autonomen Mieter:innenberatung ist im Gespräch. Wenn ihr Vorschläge habt, zum Beispiel Mieter:innen kennt, die gerade Unterstützung benötigen oder andere Ideen, meldet euch gerne bei uns. Ansonsten: halten wir euch auf dem Laufenden.

Also liebe Verbündete,

Lasst uns weiter kämpfen um alle Häuser, aber eigentlich um mehr, radikal und unversöhnlich und nicht nur mit den Mitteln des Rechtsstaats.

Unter den 34 Steinen liegt der Strand.

Unser Wunsch, den wir bestimmt mit euch allen teilen: dass was von Stein34 bleibt. 

 

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Redebeitrag der Unterstützungsgruppe des Schiefen Hauses https://stein34.blackblogs.org/2022/06/08/redebeitrag-der-unterstutzungsgruppe-des-schiefen-hauses/ Wed, 08 Jun 2022 11:34:06 +0000 http://stein34.blackblogs.org/?p=233 Wir dokumentieren hier den Redebeitrag über den Entmietungsprozess des Schiefen Hauses in der Breiten Straße 28, der auf der Demonstration am 30.04.2022 in Halle gehalten wurde. Der Redebeitrag wurde uns von der Unterstützungsgruppe des Schiefen Hauses zugeschickt.

Was das Schiefe Haus war

Wir stehen jetzt hier vor dem Schiefen Haus – einem Ort, der bis vor wenigen Tagen für viele Leute in Halle eine große Bedeutung gehabt hat. Inzwischen ist das Haus weitestgehend leergeräumt und am 05. April werden die aktuellen Hausbewohner*innen die Schlüssel an den Eigentümer aushändigen. Das Schiefe Haus ist Geschichte.

Das Schiefe Haus war vielleicht gerade deshalb ein besonderer Ort, weil es kein typisches Hausprojekt gewesen ist. Eher ein gäriger Haufen, eine verzweigte Konstellation, eine unwahrscheinliche Verbindung zwischen sehr unterschiedlichen Leuten. Es war nicht gleichbleibend in der Stadt wahrnehmbar, tauchte eher immer wieder mal auf, war Knotenpunkt für wechselnde und sich verändernde Freundeskreise. Das Schiefe Haus war vor allem ein Wohnhaus – Platz für eine Wohngemeinschaft von 5 bis 9 Leuten, die sich über drei Etagen verteilen konnten. Und daneben war es auch ein Ort für Konzerte, Partys, heftige Lesungen, Filmabende, Flohmärkte, Vorträge, Ateliers, Chorproben, Sauna-Abende, Mobile Radiosendungen, Umtrünke, Bandproben, Geburtstagsfeiern, Grillabende, gemeinsames Akt-Zeichnen usw. Besonders war das Haus auch aufgrund seiner Lage in der nördlichen Innenstadt – fast in der Mitte zwischen Reil78 und VL, mit einem Fußweg und einer kaum befahrenen Kreuzung, die immer wieder in Beschlag genommen werden konnte.

So wechselhaft das Leben im Haus gewesen ist – so sehr ist doch auch etwas gleich geblieben. Ein bestimmtes Gefühl, das vielleicht die ursprüngliche Belegschaft in den Mauern hinterlassen hat, das von den wechselnden WG-Konstellationen immer wieder weiter gegeben wurde. Ein Gefühl der Unbeschwertheit, die Bereitschaft Sachen auszuprobieren und dabei nicht unbedingt immer an die Konsequenzen denken zu müssen.

Im Jahr 2008 hatte die ursprüngliche WG-Konstellation einen sehr günstigen Mietvertrag ausgehandelt. Geringe Miete, dafür die Bereitschaft, eine gewisse Baufälligkeit aushalten zu müssen. Zunächst auf eine Zwischennutzung hin angelegt – auch dies hat sicher zum besonderen Charakter dieses Ortes beigetragen. Ende 2018 kündigte sich das Ende dieses unbeschwerten Verhältnisses an, denn die ursprünglichen Eigentümer haben das Haus verkauft – neuer Eigentümer wurden Wohnprojekte Herold.

Verlauf des Konflikts

Die Bewohner*innen des Hauses haben sich darauf eingestellt, dass es mit dem Eigentümerwechsel zu Veränderungen kommen würde. Dass es so schnell eskalieren würde, hatten sie aber doch nicht gedacht. Nach anfänglichen Gesprächen, die zumindest ein Auskommen möglich scheinen ließen, entzündete sich der Konflikt an einer kaputten Heizungsanlage. Herolds fühlten sich schlicht nicht zuständig und ließen die BewohnerInnen mehrere Wochen in kalten Mauern. Die klagten die Reparatur der Heizung ein. Es folgten die üblichen Maßnahmen, zu denen Vermieter*innen greifen, wenn sie es Mieter*innen ungemütlich machen wollen: Reparatur von Sanitäranlagen verweigern, Wasser abstellen, willkürliche Rechnungen stellen, Verweigerung von Bewohner*innenwechsel, eine allgemeine Kommunikationsverweigerung und so weiter. Im Zentrum der Auseinandersetzung stand dann aber bald eine Kündigung wegen Eigenbedarf. Die Bewohner*innen sagten, dass das ein vorgeschobener Grund war. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass sich Wohnprojekte Herold beim Kauf des Hauses verkalkuliert und nicht mit einbezogen hatten, dass die Bewohner*innen einer 300-prozentigen Mieterhöhung nicht freiwillig zustimmen würden. Astrid und Dirk Herold hatten für den Eigenbedarf ihre Töchter vorgeschoben – es heißt, dass eine der Töchter inzwischen in eine andere Wohnung gezogen ist.

Weil die Bewohner*innen die Kündigung nicht anerkannt haben, kam es dann zu einem Gerichtsverfahren vor dem Amtsgericht Halle. Alle Verhandlungstermine wurden von Kundgebungen vor dem Amtsgericht begleitet – organisiert von den Bewohner*innen und Freund*innen des Hauses. Zusätzlich gab es diverse Öffentlichkeitsarbeit und weitere öffentliche Veranstaltungen.

Obwohl die Bewohner*innen selbst damit kaum damit gerechnet hatten, lehnte das Amtsgericht im Frühjahr 2021 die Räumungsklage ab. Selbst der Richterin schien der Nutzungswille der Töchter nicht glaubwürdig. Die angekündigte Trauerkundgebung Anfang April auf dem August-Bebel-Platz wurde zu einem Jubelfest. So lautete die Botschaft am 10. April: es ist möglich, sich auch gegen eine Eigenbedarfskündigung zur Wehr zu setzen und den rechtlichen Weg auch mal mit Erfolg zu beschreiten. Dennoch war dies nur ein Etappensieg. Es bedeutet nicht nur, dass die ohnehin beschissene Ausgangssituation wieder hergestellt wurde: die Situation, mit einer EigentümerIn konfrontiert zu sein, die die Bewohner*innen loswerden will und einiges daran setzt, es ihnen ungemütlich zu machen. Außerdem war sofort eine Revision des Urteils von den Eigentümern beantragt worden. Die Verhandlung folgte vor dem Landgericht am 21. Oktober 2021.

Thematisierung der Niederlage

Beim Gerichtstermin vor dem Landesgericht haben sich die Bewohner*innen auf eine Einigung eingelassen – sie bekamen noch eine kurze Frist, um dann gegen eine Abfindung rauszugehen. Für die Bewohner*innen hat sich das nicht nach einer Einigung angefühlt, sondern nach einer Niederlage. Sie sind diesen Deal in einer Situation eingegangen, in der sie unter Druck standen und nicht viel Zeit hatten, nachzudenken. Auch waren viele Bewohner*innen ausgelaugt durch die andauernde Drucksituation und die Perspektive eines nie endenden Mietkonfliktes, der viel Zeit, Kraft und Nerven kostete. Danach kamen Zweifel, ob sie es nicht doch hätten wenigstens versuchen sollen – ob sie es nicht auf einen Urteilsspruch hätten ankommen lassen sollen, ob sie nicht doch mehr Zeit hätten rausschlagen können. Für die Bewohner*innen ist es nicht so leicht zu erklären, warum sie sich so entschieden haben – und trotzdem ist es wichtig, darüber zu sprechen.

Das Engagement in einem Mietkonflikt ist anders als andere politische Auseinandersetzungen, die in der Freizeit stattfinden. Der Konflikt um den eigenen Wohnung betrifft den Ausgangspunkt, von dem aus man überhaupt in die Öffentlichkeit gehen kann, sich engagieren kann. Die Perspektive, den eigenen Wohnraum zu verlieren, ist mit einer existenziellen Angst verbunden. Dass die Bewohner*innen des Schiefen Hauses trotzdem so lange durchgehalten haben, liegt auch daran, dass sie ein großes Netzwerk hatten und dass sie von vielen Leuten unterstützt wurden. Aber die ganze Unterstützung konnte doch nichts dagegen ausrichten, dass sich die Auseinandersetzung mit dem neuen Eigentümer bis in den Alltag hineingefressen hat. Wer sich mit seinem Eigentümer anlegt, der muss sich mit den Leuten organisieren, mit denen er zusammen wohnt. Und das bedeutet, dass Fragen auftauchen, die vorher nicht im gleichen Maß relevant gewesen sind: Wie sind Verantwortungen verteilt, was bedeutet Verbindlichkeit, welche Schritte muss man vorausdenken, wie kurzfristig-situativ können Entscheidungen getroffen werden, wer ist wann da oder nicht, wie werden die übrigen Aufgaben verteilt? Solche Fragen können eine Wohngemeinschaft vor Zerreißproben stellen – und dann noch in der Öffentlichkeit cool und selbstbewusst da stehen, sich nichts anmerken lassen …

Im letzten Jahr war das Leben im Haus auch von den Fragen bestimmt: Wann hört dieser Konflikt endlich auf? Wann haben wir wieder festen Boden unter den Füßen, eine Perspektive für die nächsten Jahre? Wann haben wir wieder eine Sicherheit im Wohnen und in den Dingen, die unser Alltagsleben betreffen, wann müssen wir nicht mehr immer nur kämpfen, wann hört die andauernde Konfrontation mit dem Vermieter auf? Diese Fragen wurden letztlich nicht innerhalb der Wände des schiefen Hauses entschieden, sondern jenseits des Hauses: sich auf eine Einigung einzulassen und auszuziehen.

Dass man im Konflikt um den eigenen Wohnraum so angreifbar und verletzlich ist – das sollte Anlass sein, ganz grundlegende Fragen zum Mietverhältnis aufzumachen.

Grundlegendes zum Mietverhältnis

Denn in dem Mietverhältnis selbst liegt die Vorraussetzung für die Unsicherheit des eigenen Wohnens. Die eigenen 4 Wände – das eigene Zuhause, der Rückzugsort – ist im Falle eines Mietverhältnisses eben nicht das Eigene. Gewohnt wird auf Grundlage einer vertraglichen Regelung zwischen Eigentümerin und Mieterin – dem Mietvertrag. Das bürgerliche Rechtsverständnis geht davon aus, dass bei Abschluss eines Vertrages zwei gleichberechtigte Individuen sich Gegenübertreten. Sie sind frei und gleich, Waren zu tauschen. Geld gegen Ware – Geld gegen Wohnraum. Doch verkennt diese Auffassung, dass es sich beim Mietverhältnis eben um kein gleiches Verhältnis handelt, da die Voraussetzungen der Vertragspartner ungleich sind. Der eine besitzt das, was dem anderen ein Grundbedürfnis ist. Wohnraum um zu schlafen, einen Ort an dem sich ausgeruht werden kann, nach der Arbeit, nach dem Studium, wohin Freundinnen eingeladen werden können, wo Zeit mit der Familie verbracht wird. Und der nicht zuletzt auch ein Schutz ist – vor Kälte, vor Regen, aber auch Schutz vor den ungemütlichen gesellschaftlich Verhältnissen „draußen“, zumindest kann er sich so eingebildet werden. Der eine Vertragspartner, dem der Wohnraum des anderen gehört, kann diesen auch wieder entziehen. Der Staat erkennt diese Schieflage durchaus an. Durch das Mietrecht soll die schwache Postion der Mieterin gestärkt werden.

Dass es das Mietrecht in Form von umfangreichen Gesetzesbüchern gibt, ist Ausdruck eines sehr grundlegenden Konflikts: Hier wird fremdes Eigentum zum Lebensmittelpunkt der Mieterin. Der Raum, der sich ihr als Zuhause darstellt, gehört einer anderen, die das Recht an ihrem Eigentum durch die Vermietung ja nicht aufgibt. Und in dem scheinbar freien und gleichen Vertragsverhältnis verbirgt sich eine weitere Ungleichheit: Der Vermieter macht das Grundbedürfnis des Mieters – das Bedürfnis, zu Wohnen – zu einem Mittel, Profit zu generieren. Die Miete ist dem einen ein garantiertes Einkommen, der andere muss jeden Monat dafür arbeiten gehen.

Und schließlich kann der Vermieter den Vertrag, der das Mietverhältnis regelt, wieder auflösen – eben beispielsweise wenn ein vermeintlicher Eigenbedarf vorliegt. Das Mietrecht soll verhindern, dass Eigentümer dabei willkürlich vorgehen. Doch das, was dadurch notwendig wird – ein aufreibender Gerichtsprozess mit anwaltlicher Vertretung – ist immer wieder selbst Mittel, um Mieter*innen zum Aufgeben zu zwingen. Wer hält es schon aus, dass über Wochen und Monate über den Verbleib im eigenen Wohnraum verhandelt wird? Trotz Mietrecht, Mieterbund und anwaltschaftlicher Unterstützung bleibt dann beim Konflikt mit der Vermieterin oftmals dies: Angst, Ohnmacht und Unsicherheit. Geht es hier doch schließlich um eine nicht unerhebliche Grundlage des Überlebens.

Was notwendig wäre

Das, was aus der Niederlage des Schiefen Hauses hervorgegangen ist, ist nicht nichts. Die Bewohner*innen und Unterstützer*innen des Schiefen Hauses haben mit ihren Kundgebungen dazu beigetragen, dass das Problem von Entmietung, Mietsteigerung und Verdrängung auch in Halle wahrgenommen wird. Leute, die sich im Konflikt um das Schiefe Haus engagiert hatten, sind Teil der Unterstützungsstruktur der Großen Steinstraße 34 geworden, die jetzt ebenfalls von einem Entmietungsprozess betroffen ist. So wurde versucht, die Erfahrungen eines vergangenen Mietkonflikts in einen aktuellen Kampf einzubringen. Und eine wichtige Erfahrung ist: Den Konflikt um das Mietverhältnis können nie die Leute allein führen, die in der betroffenen Wohnung leben – es braucht immer Leute von außen, die eine Öffentlichkeit herstellen, Kontakte vermitteln, die motivieren und auffangen. Und es bräuchte eigentlich noch mehr: Es bräuchte eine stabile Struktur, die über den Verlauf einzelner Mietkonflikte hinausgeht – eine Struktur, die nicht mit jedem neuen Mietkonflikt neu aufgebaut werden muss. Eine Struktur, die Erfahrungen institutionalisiert und eine Gegenmacht aufbauen kann. Eine solche Struktur existiert in dieser Form in Halle noch nicht. Es wäre wünschenswert, wenn das Schiefe Haus und die Große Steinstraße 34 zur Entstehung einer solchen Struktur beitragen können. Dafür braucht es eine weitere Unterstützung und Vernetzung.

Und was auch klar sein sollte: Mieterbund und anwaltliche Beratung allein reichen nicht aus. Die rechtliche Ebene kann nur ein Teil der Auseinandersetzung sein – oftmals geht der rechtliche Weg an den momentanen Bedürfnissen und Notlagen der Bewohner*innen vorbei. Es bräuchte viel mehr eine Gegenmacht von der Straße, die Eigentümer und Hausverwaltungen unter Druck setzen und selbst mit Tatsachen konfrontieren kann. Und wir sind uns nicht sicher, ob man sich dafür immer streng an die geltende Gesetzeslage halten sollte. Eigentümer*innen können geltende Gesetze immer wieder überschreiten, ohne dass es unmittelbare Konsequenzen hat und sie treffen damit die Mieter*innen im Alltagsleben und in ihren Grundbedürfnissen. Es wäre wünschenswert, dass sich dieses Verhältnis von Zeit zu Zeit auch mal umkehrt. Als Mieterin einen Konflikt mit dem Eigentümer zu führen, ist anstrengend – aber es ist notwendig. Wir wollten in unserem Redebeitrag nicht nur darstellen, wie schwierig eine solche Auseinandersetzung ist – sondern wollen auch dazu Mut machen, sich nicht unterkriegen zu lassen. Wir müssen Strukturen der gegenseitigen Unterstützung aufbauen, um die grundlegende Ungleichheit, die wir beschrieben haben, zum Kippen zu bringen.

Was das Schiefe Haus betrifft: Es ist klar, dass die Veröffentlichung dieses Konflikts und auch des Namens des neuen Eigentümers einen wunden Punkt getroffen hat. Die Reaktionen des Eigentümers haben dies sehr deutlich gezeigt. Wohnprojekte Herold waren immer wieder erbost darüber, dass sie mit der Nennung ihres Namens in der Öffentlichkeit konfrontiert waren. Es wäre nicht schlecht, wenn die Erinnerung daran im Stadtbild von Halle noch eine Weile präsent bleibt. Wo wir gerade vor dem Haus stehen: die Fassade wurde immer wieder von außen mit Grafittis, Plakaten und Farbklexen verschönert. Wir würden dem Eigentümer und ihm nahestehenden Personen empfehlen, diese Gestaltungselemente beizubehalten und auszubauen.

Wir bedanken uns bei allen Menschen, die uns in dem Konflikt ums Schiefe Haus unterstützt haben – ein Konflikt, der nunmehr über drei Jahre angedauert hat. Und der Dank gilt nicht nur denen, die das Schiefe Haus in der Öffentlichkeitsarbeit und in der Begleitung der Gerichtsverfahren unterstützt haben – sondern auch bei den vielen Leuten, die bei den anschließenden Umzügen und beim Ausräumen geholfen haben … ein nicht zu unterschätzender Kraftakt. Dank gilt nicht zuletzt all den Leuten, die immer wieder einfach so da waren und die das Haus mit zu dem gemacht haben, was es war.

Wir werden uns treffen, auf der Straße im Kampf, in der Hand ein Stück vom Randstein!

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Vom CDU-Traum zum Hartz-4-Geschäftsmodell https://stein34.blackblogs.org/2022/06/03/vom-cdu-traum-zum-hartz-4-geschaftsmodell/ Fri, 03 Jun 2022 10:50:51 +0000 http://stein34.blackblogs.org/?p=229 Im Transit-Magazin ist ein Bericht von Hauke Heidenreich über den Vortrag von Dominik Intelmann erschienen, der am 24.05.2022 im Rahmen der Veranstaltungsreihe zur Wohnungsfrage in Halle stattgefunden hat. Wir spiegeln diesen Bericht und verweisen zusätzlich auf ein Interview mit Dominik Intelmann. Der Mitschnitt des Vortrags wird demnächst veröffentlicht.

Bericht über Dominik Intelmanns Vortrag zur Wohnungsfrage

Seit der Wiedervereinigung 1990 ist die Wohnungsfrage auch und gerade in Ostdeutschland eines der zentralen sozialpolitischen Probleme. Die Gentrifizierung ganzer Stadtteile, teilweise unterstützt durch städtische Politik, sorgt für knappen Wohnraum und steigende Mietpreise. Die Stein34 ist das aktuelle Beispiel dieser Entwicklung in Halle.

Intelmann rekurrierte, um dies zu untermauern, bereits zu Beginn seines Vortrages auf eine Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung von 2018, die auch in ostdeutschen Städten eine starke sozialräumliche Segregation diagnostiziert, in deren Folge es zu einer massiven sozialen Aufwertung der Innenstädte und gleichzeitig zu einer dramatischen sozialen Abwertung der Plattenbausiedlungen gekommen sei.

Eigentumsverhältnisse in der DDR

Wohnerfahrungen prägten in großem Umfang die politische Einstellung von Menschen, so die These Intelmanns. Die Wohnerfahrungen der Menschen im Osten seien nach wie vor v.a. durch die Erfahrung der Eigentumsverhältnisse in der DDR beeinflusst, die der Redner im ersten Teil seines Vortrages kurz skizzierte.

Im real existierenden Sozialismus seien die Eigentumsverhältnisse in drei verschiedenen Strukturen organisiert gewesen: in Volkseigentum, Genossenschaftseigentum und einen kleinen Anteil an Kleineigentum (etwa Einfamilienhäuser). Die überall in der DDR v.a. ab Ende der 60er Jahre errichteten Plattenbauten waren in der Regel Eigentum von Genossenschaften, wie dem VEB Gebäudewirtschaft, die die Errichtung dieser Gebäude selbst verantworteten. Deren Initiative sei daher von Staat und Kommunen gern zur finanziellen Entlastung genutzt worden, um nicht selber Geldmittel zum Bau bereitstellen zu müssen. Private Vermögensbildung sei unmöglich gewesen, aber dadurch, dass die Mieten und Bauprojekte in der DDR über eine spezielle Lohnabgabe der Werktätigen mitfinanziert wurden, habe der Staat ein gewisses Vermögen anhäufen können. Die DDR-Bürger*innen sollten über dieses System dazu erzogen werden, sich als Miteigentümer*innen des Volks- und Genossenschaftseigentums zu fühlen.

Intelmann nannte als Vorteil dieser Entwicklung eine relativ hohe Wohnsicherheit und eine geringe soziale Segregation, allerdings sei die Kehrseite der Medaille vor allem eine nur eingeschränkte Mobilität der Menschen gewesen, weswegen man von einer „schlechten Vergesellschaftung“ reden müsse. Über die Hälfte aller Wohngebäude in der DDR sei in Volks- oder Genossenschaftseigentum gewesen, in Leipzig habe es gerade einmal 10 Prozent Privatbesitz gegeben.

Der große Ausverkauf – Der ostdeutsche Wohnungsmarkt nach der Wende

Im zweiten Teil kam der Redner auf die Situation nach der Wende zu sprechen. Ab 1989 seien dann die Bürgerrechtsbewegungen ein neuer Akteur in der Wohnungsfrage geworden. Die frühen Vertreter*innen hätten nicht, wie später die Allianz für Deutschland, das Ende des Sozialismus gefordert, sondern vielmehr einen reformierten, demokratischen Sozialismus. Wohnen sollte auf das Allgemeinwohl ausgerichtet sein. So habe sich etwa im Januar 1990 in Leipzig eine Volksbaukonferenz zusammengefunden, in deren Rahmen die Bürger*innen der Stadt eigene Vorstellungen von Stadtplanung realisieren wollten.

Die Volkskammerwahl vom 18. März 1990, die einen eindeutigen Sieg der CDU-geführten Allianz für Deutschland brachte, habe aber diesen Vorschlägen gemeinwohlorientierter Stadtpolitik ein Ende bereitet. Auf Grundlage katholischer Soziallehren aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg habe die CDU die Ostdeutschen durch Beteiligung am Kapitalismus in den Westen integrieren wollen. Durch Privatisierung von Wohnraum sollte im Osten Eigentum gebildet werden, womit man die Menschen zu einem gesunden Wettbewerb ermutigen wollte. Führende CDU-Politiker*innen hätten regelrecht von einer Welt geträumt, in der wieder Handwerkerinnungen und Bürgervereine das städtische Leben prägten.

Besonders heikel sei im Osten die Regelung der Eigentumsfrage insofern gewesen, als die DDR teilweise auch Immobilien in Volkseigentum überführt hatte, die während der Zeit des NS „arisiert“ worden sind. Dies betraf v.a. Häuserzeilen aus der Gründerzeit. Die erste freigewählte Volkskammer der DDR hatte beschlossen, derartige Ansprüche durch Entschädigungszahlungen zu regeln. Der erste nach der Wiedervereinigung gewählte Bundestag habe aber dieses Vorgehen zugunsten des Grundsatzes „Rückgabe vor Entschädigung“ kassiert, um den Staatshaushalt zu entlasten und private Investitionen zu ermöglichen. Das Ergebnis dieses Vorgehens sei eine völlige Stagnation von Stadtentwicklungen gewesen, weil die Eigentumsverhältnisse in ostdeutschen Städten auf Grundlage dessen plötzlich extrem unübersichtlich wurden. Über 90 Prozent der Alteigentümer hätten in der Folge ihre zurückerhaltenen Immobilien weiterverkauft, womit diese Gebäude dem freien Markt preisgegeben wurden.

Gerade Akteure aus Westdeutschland nutzten dies, um in ostdeutschen Innenstädten billig an Immobilien und Eigentum zu kommen. Ganze Stadtteile seien in überbordender Erwartung eines Wohnungsbooms durch private Investoren „hergerichtet“ worden, Mieten seien sprunghaft angestiegen. Spezielle Steuervergünstigungen für Großverdiener beim Erwerb von Wohnraum hätten diese Entwicklung weiter befeuert und zu einer flächendeckenden Entlokalisierung des Eigentums geführt. Plötzlich konnten nur noch einkommensstarke Schichten in ostdeutschen Innenstädten wohnen und das waren in der Regel Westdeutsche. Die Träume von West- und Ost-CDU, die ostdeutsche Gesellschaft in eine kleinbürgerliche, von Handwerk und Kleingewerbe geprägte Gesellschaft zu transformieren, in der jede*r eigenes Privateigentum besitzen könne, waren geplatzt.

Parallel zu dieser Aufwertung der Innenstädte sei eine zunehmende Marginalisierung und Privatisierung der Plattenbaugebiete zu beobachten gewesen. Intelmann erklärte, wie es in der Folge der Privatisierung der DDR-Genossenschaften zu einer fatalen Entwicklung gekommen sei. Zu DDR-Zeiten hatten die Genossenschaften zur Errichtung der Plattenbauten einen Kredit bei der Staatsbank der DDR aufgenommen, mit dem der Bau finanziert wurde. Da aber die Genossenschaften selber auch staatliche Einrichtungen waren, habe die Schuld daher nur auf dem Papier bestanden. Nach der Wende wurden die Genossenschaften und die Staatsbank der DDR in private Organisationen überführt, womit plötzlich auch die Schulden als sog. „Altschulden“ privatisiert worden seien. Von den neuen Wohnungsgenossenschaften sei dann die Tilgung dieser Altschulden verlangt worden. Da die Genossenschaften dies nicht leisten konnten, seien Gesetze verabschiedet worden, die gegen den Verkauf eines Teils der Wohnungsgebäude an sog. Zwischenerwerber-Firmen eine Tilgung wiederum eines Teils der Altschulden versprachen.

Die einsetzende Privatisierungswelle von Plattenbauten und die damit einhergehende Unsicherheit führten laut Intelmann zu einem regelrechten „Exodus“ von Mieter*innen aus den Wohnungen und zur Insolvenz vieler dieser Zwischenerwerber. Ganze Häuserblocks seien an Banken verkauft und dann an Finanzinvestoren weiterverkauft worden. Teilweise hätten städtische Kommunen sogar eigens finanzielle Mittel bereitgestellt, um Platten abzureißen, so den Wohnraum künstlich zu verknappen und damit den Markt wiederherzustellen.

Zeitlich sei dieses Auftreten von Finanzinvestoren mit der Verabschiedung der rot-grünen Hartz-Gesetze und der Agenda 2010 zusammen gefallen. Denn gerade die Personen, die sich keinen Umzug in die teuren Innenstadt leisten konnten, seien in den Plattenbauten geblieben. Die einschneidenden Kürzungen des Sozialstaats hätten vor allem viele Ostdeutsche stark betroffen, deren Sozialbezüge nun beschnitten wurden. Dies berührte eben gerade die Menschen, die noch in der Platte wohnten. Plötzlich seien Plattenbauten von Finanzinvestoren als ein neuer Markt erkannt worden, als „Hartz-4-Geschäftsmodell“. Plattenbauten wurden billig aufgekauft und die Wohnungen mit weiteren Hartz-4-Empfänger*innen belegt. Somit wurden Plattenbauten nun zu Niedriglohn-Stadtteilen. Menschen, deren Sozialbezüge den Hartz-Gesetzen zum Opfer gefallen waren und die vorher in anderen Stadtvierteln gewohnt hatten, mussten nun auch notgedrungen in die Plattenbaugebiete ziehen.

Und was nun?

Im dritten und letzten Teil kam der Referent noch auf die heutige Situation zu sprechen: Gerade Eigentumsverhältnisse seien fast so etwas wie „Staatsgeheimnisse“, denen man nur schwer auf die Spur kommen könne. Mittlerweile hätten aber Initiativen wie das Recherchezentrum Correctiv oder das Projekt „Wem gehört die Stadt?“ der Rosa-Luxemburg-Stiftung erste Forschungen zu Eigentumsverhältnissen in deutschen Städten vorangebracht. Für Leipzig könne diagnostiziert werden, dass 15 Prozent der Wohnungsbauten in der Hand von Finanzinvestoren, aber noch 29 Prozent in der Hand von Genossenschaften oder Kommunen seien. Daneben gebe es aber nur noch 13 Prozent Eigentum von Selbstnutzer*innen, deutschlandweit die niedrigste Zahl. In Halle liege der Anteil genossenschaftlicher und kommunaler Immobilien sogar bei 45 Prozent.

Intelmann zufolge könne man die Entwicklung seit der Wende als „kapitalistische Landnahme“ im Osten verstehen, der von einem massiven Eigentumstransfer von Ost nach West begleitet worden sei. Ostdeutsche treten vor allem als Mieter auf, während Westdeutsche in der Regel Vermieter seien. Eigentum sei von lokaler Macht abgekoppelt worden und könne daher nicht im lokalen Raum verhandelt werden. Zudem seien diese Eigentumsstrukturen auch der demokratischen Kontrolle entzogen. Letztlich müsse man in diesem Kontext von einem tiefgreifenden Interessengegensatz nicht-demokratischer kapitalistischer Strukturen und demokratischer Strukturen unterscheiden. Gerade, um ersteren demokratische Praktiken entgegen zu setzen, käme es nun darauf an, die Genossenschaften wieder als demokratische Institutionen ins Spiel zu bringen und als politische Akteure wiederzubeleben. Die lokale und demokratisch legitimierte Macht über den Wohnraum gelte es wiederherzustellen.

Eine Person im Publikum wies im Anschluss unter Bezug auf die Stein34 zu Recht darauf hin, dass die kapitalistische Landnahme im Osten nicht nur als eine rein westliche Übernahme zu verstehen sei. Statt also einen gewissen Ost-West-Gegensatz stark zu machen, sei v.a. auf den fundamentalen Interessenwiderspruch von Investoren/Vermieter*innen und Mieter*innen hinzuweisen. Gerade auch in Halle zeige sich, dass von einem simplen „die Wessis beuten die Ossis aus“ nicht immer geredet werden könne. Auch vor Ort hätten Leute aus dem Osten die Chance ergriffen, sich im Kapitalismus zu bereichern. Der Referent bekräftigte die Kritik der Person aus dem Publikum und sagte, dass die Einteilung der Vermieter*innen in verschiedene Kategorien wichtig sei, man dennoch aber den allgemeinen Klassengegensatz nicht marginalisieren dürfe.

Der Vortrag Intelmanns und die darauffolgende Diskussion brachten eindrücklich die neoliberale Ausverkaufpolitik der Nachwendezeit auf den Tisch. Die von der CDU eingesetzte und von der SPD zusammen mit den Grünen weitergeführte Privatisierung des Wohnungsmarktes in Verbindung mit eklatanten Kürzungen des Sozialstaates, immer mit dem Argument, den sog. „Staatshaushalt“ auszugleichen und Schulden abzubauen, sind ein Lehrstück einer durch und durch unsozialen Politik. Die Folgen dessen sind bis heute erkennbar: Durch Finanzspekulationen ist Wohnraum zu einem Luxus geworden, den sich immer weniger leisten können. Das Beispiel Stein34 zeigt, dass nicht nur Großkonzerne diese Spekulationen vorantreiben, sondern auch immer mehr Privatpersonen, auch aus dem Osten, um sich als „Glücksritter“ auf Kosten der Mieter*innen selbst zu verwirklichen; und die Immobilie bei entsprechender Marktentwicklung über die Köpfe der Mieter*innen hinweg an die Meistbietenden zu verhökern. Völlig zu Recht wurde mehrfach während der Veranstaltung die Unvereinbarkeit demokratischer und kapitalistischer Interessen betont. Der Abbau des Sozialstaates, etwa zugunsten liberaler Träumereien eines von einer unsichtbaren Hand regulierten Marktes, steht dabei in eindeutigem Widerspruch zu jedwedem Verständnis von Demokratie.

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Redebeitrag der Initiative “H48 bleibt!” https://stein34.blackblogs.org/2022/05/27/redebeitrag-der-initiative-h48-bleibt/ Fri, 27 May 2022 08:47:28 +0000 http://stein34.blackblogs.org/?p=225 Wir dokumentieren hier einen weiteren Redebeitrag, der auf der Demonstration am 30.04.2022 in Halle gehalten wurde (siehe hier und hier). Die Initiative H48 bleibt setzt sich für den Erhalt der Hermannstraße 48 in Berlin-Neukölln ein.

Hallo und solidarische Grüße nach Halle

sendet die Hausgemeinschaft H48bleibt aus Berlin. Wir können heute nicht bei Euch sein, doch wir unterstützen Eure Forderungen und Euren Kampf um Euer Zuhause. Wir senden Euch diese Worte aus Solidarität und weil wir mit unserem Zuhause ähnliches erlebt haben wie ihr. Auch unser Gebäude wurde an eine Investor*in verkauft und auch wir haben uns dagegen gewehrt, weil unser Zuhause uns am Herzen liegt. Ein Großteil der 144 Mieter*innen der Hermannstraße 48 in Berlin Neukölln hat sich seit 2018 in einem Hausverein organisiert und eine GmbH gegründet, um das Haus gemeinschaftlich zu kaufen und gemeinwohlorientiert und langfristig selbstzuverwalten.

Einige Kämpfe auf dem Weg dort hin haben wir gewonnen, weil wir hartnäckig waren und als Hausgemeinschaft zusammenstanden. Einige haben wir aber auch verloren und aktuell ist unsere Zukunft sehr ungewiss. Das Haus wurde formal im Dezember 2020 an eine Investor*in verkauft und wird in den kommenden Wochen an die Sahr Immobilien GmbH gehen, da das Bundesverwaltungsgericht im November letzten Jahres das Vorkaufsrecht gekippt hat.

Auch wenn der Wohnungsmarkt von Halle sich sicherlich in einigen Punkten von der Situation in Berlin unterscheidet, so ist ihm gemein, dass es ein Markt ist. Also ein wirtschaftlicher Rahmen, in dem s.g. Waren wie in dem Fall Häuser und Wohnungen profitorientiert vermietet und verkauft werden. In einigen Fällen, werden Wohnungen, Gewerbeeinheiten oder ganze Häuser sogar leerstehen gelassen. Spätestens dieser Extremfall macht deutlich, dass da etwas ganz gehörig falsch läuft, denn zeitgleich finden viele Menschen keine bezahlbaren Wohnungen mehr in ihrem Stadtviertel, müssen ihr Zuhause unfreiwillig verlassen oder sind gar wohnungslos.

Dass Wohnungen als Ware gehandelt werden und als Kapitalanlagen dienen, ist ganz normal im Kapitalismus. Denn wie der Name schon sagt, werden hier die Entscheidungen nach Kapitalinteressen getroffen. Nun sind wir von einem gesellschaftlichen Wandel – weg vom Kapitalismus – leider weit entfernt. Was also tun? Klein bei geben, wenn unsere Mieten immer weiter steigen und wir mehr und mehr unseres Einkommens für die Miete aufwenden müssen? Einfach wegziehen, wenn wir aus unserem Zuhause verdrängt werden? Aufgeben, wenn unsere Lieblingsorte in unserer Nachbarschaft geschlossen und unser Kiez zerstört wird?

Nein, aufgeben wollen wir nicht. Wir organisieren uns in unserer Nachbarschaft, in Mieter*inneninitiativen und demonstrieren gegen die Mietenkrise. Wir organisieren Protest gegen unsere Kündigungen und Zwangsräumungen. Wir blockieren die Straßen und Plätze wenn die Polizei unsere Lieblingskneipe räumen will. Außerdem wissen wir, wie wir unsere Häuser vom Markt nehmen können.

Das Konzept des Mietshäusersyndikats sieht vor, dass Häuser von Hausgemeinschaften gekauft und gemeinwohlorientiert selbstverwaltet werden können. Dazu braucht es viel Mut, Zeit, und viele kleiner Direktkredite sowie langjährige Zinszahlungen an eine Bank. Dafür bleiben die Mieten Jahrzehnte auf dem gleichen Niveau und das Haus wird dank Veto-Regelung unverkäuflich. Anstatt den Eigentümer*innen und Investor*innen Profite einzubringen, gewinnt das Haus damit seinen eigentlichen Zweck zurück: Ein Haus zum Wohnen, wohlfühlen, sich zurückziehen, mit Nachbar*innen quatschen und sich vernetzen, Kinder groß ziehen, Feste Feiern und ruhig schlafen. Bundesweit existieren bereits mehr als 170 Häuser nach diesem Konzept. Doch damit es mehr werden können, braucht es mehr Regulierungen des Wohnungsmarktes und Gesetze, die Mieter*innen schützen und darin unterstützen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen.

Lasst uns streiten für bezahlbaren Wohnraum und solidarische Nachbarschaften, für die stein34 in Halle, die H48 in Berlin und den vielen Hausgemeinschaften, die bundesweit um ihr Zuhause kämpfen.

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Redebeitrag der Initiative “Recht auf Stadt” https://stein34.blackblogs.org/2022/05/25/redebeitrag-der-initiative-recht-auf-stadt/ Wed, 25 May 2022 04:32:25 +0000 http://stein34.blackblogs.org/?p=219 Am 30.04.2022 haben sich in Halle etwa 200 Menschen einer Demonstration unter dem Motto “Vermieten verbieten – Wohnraum für alle” angeschlossen (siehe hier und hier). Wir dokumentieren hier den Redebeitrag, den die Hallische Initiative “Recht auf Stadt” auf der Demonstration gehalten hat.

Hallo,

wir sind Vertreter*innen von der Initiative Recht auf Stadt und wollen uns dafür bedanken, dass wir hier auf Einladung vor Euch reden dürfen. Wir haben uns wieder gegründet, weil es notwendig ist. Es gibt immer mehr Verdrängung, immer mehr Entmietung, immer mehr Unrecht und Machtmissbrauch durch Vermieter*innen.

Wir von Recht auf Stadt setzen uns dafür ein:

  • dass es dauerhaft und langfristig preiswerten Wohnraum gibt
  • und Freiräume erhalten und neu geschaffen werden.

Wir wollen dafür:

  • Informationen sammeln und bereit stellen
  • und uns mit anderen Gruppen vernetzen, die in Halle für Mieter*innenrechte kämpfen

Die Liste der Entmietungen ist lang und wird länger. Jüngstes Beispiel ist das schiefe Haus in der breiten Straße. Viele Fälle geschehen sicherlich auch im Hintergrund und sind nicht öffentlich bekannt. Das liegt daran, dass viele Leute auf sich allein gestellt sind. Sie wissen nicht an wen sie sich wenden sollen, wenn ihr Wohnung ihnen weggenommen wird.

Wohnraum ist etwas sehr persönliches, wenn dieser bedroht wird, entstehen existenzielle Ängste, die es erschweren mit der Situation umzugehen und für die eigenen Rechte zu kämpfen.

Es geht bei unseren Wohnungen aber nicht um ein verhandelbares Luxusgut sondern um ein Grundbedürfnis, eine Notwendigkeit.

Viele Menschen werden bei der Wohnungssuche benachteiligt und es ist ihnen nicht einfach möglich eine Wohnung zu bekommen, die zu ihnen passt. „Suchen Sie sich doch ein Haus in einer anderen Lage“- solche Dinge hört man beispielsweise bei einer Gerichtsverhandlung. Das zeigt, wie weit Verdrängung und Gentrifizierung vorangeschritten und normalisiert sind. Diese Normalität ist nicht hinnehmbar. Wir kämpfen für eine andere Normalität.

Es gibt Gesetze, die sich gut anhören (Antidiskreminierung, Gesetze zum Mieterschutz und Kündigungsschutz z.B.). In der Praxis sind die meisten von ihnen nur sehr selten von den Betroffenen durchsetzbar. Der Druck, eine Wohnung zu finden oder zu behalten, ist sehr groß. Es geht um eine existenzielle Notwendigkeit. Wenn du vor Gericht gehst, um deine Rechte für dich durchzusetzen, brauchst du viel Zeit, Geld, Wissen und Nerven. Das haben aber die wenigsten, wenn ihnen die Pistole auf die Brust gesetzt wird.

Wenn ich als Mieter*in eine Wohnung haben will, muss ich mich nackig machen und alle möglichen Informationen (Schufa, Persönliche Daten, Einkommensverhältnis/Bürgschaft…) über mich preisgeben, warum ist das anders herum nicht verpflichtend genau so?

Es gibt kein faires Machtverhältnis zwischen Mieter*in und Vermieter*in: hier steht ein existenzielles Recht vs. Kapital. Diese Ungleichheit muss durch Gesetze und zügige Rechtsprechung ins Gleichgewicht gebracht werden.

Unsere weiteren Forderungen an die Stadt Halle sind:

  • dass sie uns langfristig günstigen Wohnraum bietet, verschiedene Wohnformen und Freiräume ermöglicht, Eigentum der Kommunen erhält und zurück holt.
  • Mieten muss sich im Vergleich zum Kaufen lohnen, dein Einkommen darf nicht beeinflussen wo du wohnst, wir wollen Selbstbestimmung über unser Wohnen.
  • Diese Forderungen müssen in leicht verständliches Recht gefasst werden.
  • Rechte für Mieter*innen müssen leicht verständlich sein und sie müssen einfach durchsetzbar sein.

Vielen Dank.

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