antideutsche – Sozialer Widerstand https://swiderstand.blackblogs.org Für die soziale, antipolitische und antinationale Selbstorganisation des Proletariats! Mon, 23 Sep 2024 20:02:47 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.1 https://swiderstand.blackblogs.org/wp-content/uploads/sites/1128/2022/05/cropped-28385945-32x32.png antideutsche – Sozialer Widerstand https://swiderstand.blackblogs.org 32 32 Neue Broschüre: Das Elend der Kapitalvermehrung I https://swiderstand.blackblogs.org/2024/02/07/neue-broschuere-das-elend-der-kapitalvermehrung-i/ Wed, 07 Feb 2024 23:05:25 +0000 https://swiderstand.blackblogs.org/?p=732 Unsere neue Broschüre „Das Elend der Kapitalvermehrung I“ (ca. 138 Seiten) von Soziale Befreiung ist da. Die Broschüre könnt Ihr hier für 5-€ (inkl. Porto) über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de oder direkt bei uns auch als E-Book bestellen.

Inhalt

Einleitung

Die sozialstaatlich-karitative Verwaltung des kapitalistisch produzierten Elends

I. Die kapitalistisch-politische Produktion des Elends

1. Die kapitalistisch-politische Ausbeutung der Lohnabhängigen

2. Die „Freisetzung“ auf den Arbeitsmärkten

3. Die Ruinierung von produktions- und handelsmittelbesitzenden KleinbürgerInnen

4. Elend und „Armut“

II. Die sozialpolitische Verwaltung des Elends

1. Der Soziallohn

2. Sozialstaatliche Transferzahlungen an Langzeitarbeitslose

3. Der Sozialstaat als Gewaltapparat

4. Die Integration der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung in den Sozialstaat

5. Die UNO als globales Sozialamt

III. Die menschlichen Objekte der sozialstaatlichen Elendsverwaltung

1. Erkrankte Menschen

2. Menschen mit Behinderung

3. Kinder und Jugendliche

4. RentnerInnen

5. Erwerbslose Menschen

6. Fliehende und geflohene Menschen

7. Inhaftierte Menschen

Immobilieneigentum, Mietverhältnisse und Obdachlosigkeit

1. Das Eigentum an Wohnungen

2. Mietverhältnisse

3. Obdachlosigkeit

4. Staatliche Bau- und Mietenpolitik sowie Obdachlosenverwaltung

5. Wohn- und mietenpolitischer Sozialreformismus

6. Die sozialrevolutionäre Lösung der Wohnungsfrage

Die Digitalisierung der Kapitalvermehrung

I. Gesellschaftliche Aspekte der Digitalisierung

1. Wissenschaftlich-technische Aspekte der Digitalisierung

2. Sozialökonomische Aspekte der Digitalisierung

3. Sozialpsychologische Aspekte der Digitalisierung

II. Der kapitalistische Staat und die Digitalisierung

1. Die Digitalisierung der staatlichen Infrastruktur

2. Die Optimierung der staatlichen Überwachung

3. Die staatliche Subventionierung und Regulierung des digitalen Privatkapitals

4. Die zwischenstaatliche Konkurrenz um die Digitalisierung

III. Klassenkampf und Digitalisierung

1. Die Digitalisierung als Instrument im Klassenkampf von oben

2. Die Digitalisierung und der Klassenkampf der Lohnabhängigen und prekären Selbständigen

3. Obdachlosigkeit

Das Elend für große Teile des Weltproletariats, die sich den Bau eines eigenen Hauses entweder nicht leisten können oder wollen, besteht also im Mangel an bezahlbaren Mietwohnungen. Ein Mangel, der sich grundsätzlich nur sozialrevolutionär durch die Aufhebung des Wohnungsmietverhältnisses als Teil der Ware-Geld-Beziehungen lösen lässt (siehe Kapitel 6 dieser Schrift).

Zum sozialen Elend des Weltproletariats gehört auch die Obdachlosigkeit. Dies ist eine globale Lebenslage, in der Menschen keinen festen Wohnsitz haben und im öffentlichen Raum, im Freien oder in Notunterkünften übernachten. In den Industriestaaten ist die Mehrzahl der obdachlosen Menschen männlich. Unter den alleinstehenden Obdachlosen sind etwa 80 Prozent Männer. In der BRD hatten 2022 607.000 Menschen nach Angaben der regierenden Charaktermasken dieses Staates keine eigene Wohnung. Ganz ohne Unterkunft auf der Straße lebten in diesem Land rund 50.000 Menschen.

Dieter Rheinisch schrieb im Dezember 2023 über die Zunahme der Obdachlosigkeit in Großbritannien und Irland: „Die Zahl der Wohnungs- und Obdachlosen in England nimmt dramatisch zu. Dieses Jahr (2023) werden laut einer neuen Studie 309.550 Menschen Weihnachten auf der Straße, in Notunterkünften oder im Auto verbringen müssen. Auch in Irland spitzt sich die Lage zu. (…)

So ist in England die Zahl der Obdachlosen innerhalb eines Jahres um 14 Prozent gestiegen, teilte die Hilfsorganisation Shelter am Donnerstag (14. Dezember 2023) mit. Einer von 182 Menschen ist betroffen. Bei Kindern ist das Verhältnis noch dramatischer: Eines von 85 Kindern in England ist wohnungs- oder obdachlos. Offizielle Regierungsdaten zeigen, dass derzeit eine Rekordzahl von 139.000 Kindern in provisorischen Unterkünften lebt.

Die Zahlen von Shelter zeigen, dass vor allem die Obdachlosigkeit in den vergangenen zwölf Monaten stark zugenommen hat: Mehr als 3.000 Menschen schlafen jede Nacht auf der Straße. Das ist ein Anstieg von 26 Prozent in nur einem Jahr. Fast 280.000 Menschen leben darüber hinaus derzeit in unsicheren und gesundheitsschädlichen Notunterkünften. Außerdem zeigen Zahlen der Regierung, dass fast die Hälfte der Familien in provisorischen Unterkünften seit mehr als zwei Jahren dort leben, schreibt Shelter. Hinzu kommen 20.000 Menschen in Heimen oder betreuten Unterkünften.

,Obwohl unsere Analyse die umfassendste Übersicht über die in England registrierte Obdachlosigkeit ist, ist die tatsächliche Zahl wahrscheinlich höher, da einige Formen der Obdachlosigkeit, wie z. B. ,Sofasurfenʻ, nicht dokumentiert sindʻ, betonte Shelter-Direktorin Polly Neate bei der Vorstellung des Berichts. ,Chronisch unzureichende Investitionen in den sozialen Wohnungsbau haben dazu geführt, dass sich die Menschen die explodierenden privaten Mieten nicht mehr leisten können und die Obdachlosigkeit auf ein Rekordniveau gestiegen istʻ, so Neate weiter. (…)

Ähnlich problematisch ist die Situation in Irland, wo die Zahl der Wohnungs- und Obdachlosen ebenfalls rapide ansteigt. (…) Die Zahl der Obdach- und Wohnungslosen dort liegt derzeit bei fast 15.000 Menschen. Die Dunkelziffer dürfte auch hier um ein Vielfaches höher liegen.“ (Dieter Rheinisch, Weihnachten auf der Straße, in: junge Welt vom 18. Dezember 2023, S. 9.)

Formularbeginn

Damit hinter den Zahlen die wirklichen Menschen deutlich werden, wollen wir hier die Schilderung der ehemaligen Obdachlosen Rachel Moran aus Irland wiedergeben. Rachel Moran wuchs in einer Familie mit psychisch kranken Eltern auf. Als der Vater Selbstmord beging, wurde für sie die Situation mit der Mutter unerträglich. Sie befreite sich 1989/90 mit 14 aus der Familie und geriet in die gefühlskalte Verwaltung des Sozialstaates und schließlich in die Obdachlosigkeit.

Sie schrieb später darüber: „Nur wenige Monate nach dem Selbstmord meines Vaters verließ ich mein Elternhaus. Die Paranoia meiner Mutter und ihr Hang, nach Sündenböcken zu suchen, hatten innerhalb weniger Wochen den Siedepunkt erreicht und konzentrierten sich voll auf mich. Sie bombardierte mich jeden einzelnen Tag mit Verbalattacken. Wenn wir uns heftig stritten, was andauernd der Fall war, spuckte sie regelmäßig den Hinweis aus, ich solle zu einem Sozialarbeiter gehen und mir ein Heim suchen. Je mehr ich über ihren Hinweis nachdachte, desto mehr leuchtete er mir ein. Mir graute davor, in die Welt hinauszugehen und mich allein durchzuschlagen, aber mein Leben zuhause war schlichtweg unerträglich, und ich wusste, dass ich nicht bleiben konnte, also tat ich genau das, was sie mir nahelegte. Ich ging zum Gesundheitszentrum unseres Viertels und bat um ein Gespräch mit einem Sozialarbeiter. Ich kam mir dabei sehr zielstrebig vor, so als würde ich mein Leben selbst in die Hand nehmen, sackte aber zusammen, als ich der Sozialarbeiterin unter Tränen erklärte, weshalb ich da war. Ich sagte immer wieder: ,Ich muss da raus, ich muss da endlich raus.ʻ Innerhalb einer Woche hatte sie mich tatsächlich da rausgeholt. Damit begann die schwindelerregende Erfahrung, unter staatlicher Vormundschaft zu leben.

Die erste Unterbringung, an die ich vermittelt wurde, war ein von der Heilsarmee betriebenes Heim im Stadtzentrum, das Lefroy House hieß. Im Laufe der darauffolgenden achtzehn Monate war ich immer wieder obdachlos, im Alter von vierzehn bis fünfzehneinhalb Jahren. Fast jedes Mal, wenn mein Aufenthalt in einem Heim oder in einer Pension endete, war ich wieder obdachlos. Zu Beginn meiner Phasen im äußersten Elend führte ich ein sehr einsames Leben, gab mich mit niemandem ab, ging auf niemanden zu, bat nicht um Hilfe und erhielt folglich auch keine.

Mal riss ich von Heimen aus, mal wurde ich rausgeworfen. Ich war nie gewalttätig, jedoch absolut unnachgiebig, wenn es um Regeln ging, denen ich mich nicht unterwerfen wollte. Ich war sehr willensstark und keineswegs auf den Mund gefallen. Trotz alledem kann ich einige Gründe nicht akzeptieren, die vorgebracht wurden, um mich vor die Tür zu setzen. Zu diesen Gründen gehörte, dass ich einmal mit nur einen Schuh an den Füßen ankam, weil ich kurz zuvor verprügelt worden war, oder dass man mich ein anderes Mal erwischte, in meinem Zimmer Tabletten in einem Glas gehortet zu haben, für den Fall, dass ich eventuell einmal Selbstmord begehen wollte. Ich hatte schon in meiner Kindheit Selbstmordgedanken gehabt. (…)

Der erste Schock, als ich obdachlos wurde, war die kontinuierliche, unablässige Notwendigkeit, ständig unterwegs zu sein. Die Suche nach Orten, an denen man einfach nur sein konnte, stellte ein weitaus größeres Problem dar, als ich es mir zuvor hätte träumen lassen. Nirgendwo, wo man hingeht, wird man in Ruhe gelassen. Diesen Luxus kann man nirgendwo erwarten, schließlich sind einem alle privaten Orte der Welt verschlossen, und alle öffentlichen Orte bieten keinerlei Privatsphäre. Viele der letzteren gewähren einem nicht einmal Zutritt.

Was das Problem betrifft, einen Platz zum Schlafen zu finden, so deckt buchstäblich nichts die Bedürfnisse ab, die selbst die mickrigste und schäbigste Bruchbude erfüllt. Kein einziger Platz bietet Trockenheit, Sicherheit, Sauberkeit, Wärme und einen Minimalkomfort. Eine Parkbank mag trocken sein, wenn es nicht regnet, sie mag sogar sauber sein, wenn man Glück hat, aber sie ist weder sicher noch warm, noch bequem. Eine Stelle unter einem Busch ist vielleicht trocken, falls man das Wetter auf seiner Seite hat, aber sie ist weder sicher noch sauber, noch warm, noch bequem.

Ich habe an vielen Plätzen dieser Art geschlafen und einer war so erbärmlich wie der andere. Einmal schlief ich in einem Bus, der in einem Depot mit offenen Türen abgestellt worden war. Als ich aufwachte, fuhr ich in den frühen Morgenstunden über die damals noch grünen Felder von Westdublin. Ich hatte keinen Schimmer, wo ich war, und es war ein unsanftes Erwachen, aber ich fand, dass es sich gelohnt hatte. Es war die bequemste Nacht seit Langem.

Einmal fiel ich für etwa eine halbe Stunde auf dem kalten Fliesenboden einer Toilette bei McDonaldʻs auf der OʻConnell Street in einen unruhigen Schlaf. Die Nacht zuvor hatte ich keinen Schlafplatz finden können und war zutiefst erschöpft, also ging ich zu McDonaldʻs, kaum, dass sie geöffnet hatten, um Egg McMuffins zum Frühstück zu verkaufen. Ich dachte, wenigstens auf der Toilette hätte ich einen sicheren Raum für mich. Ich wurde von einer Mitarbeiterin, die hereingekommen war, um die Toiletten zu reinigen, aus dem Schlaf gerissen und rausgeworfen. Das führt mich zur wahren und schlimmsten Verheerung, die die Obdachlosigkeit mit sich bringt: die Einsamkeit. Es ist die Erfahrung, dass man absolut unerwünscht ist, dass die eigene, bloße Anwesenheit an allen Orten und in allen Situationen ein unerquicklicher Umstand ist. Egal, wo man sich als obdachlose Person befindet, man ist immer unwillkommen. Wenn ein Mensch obdachlos ist, so sinkt sein gefühlter Wert für die Gesellschaft auf null. Er existiert nicht. Ihrem Selbstgefühl nach sind solche Menschen wertlos und missliebig, soziale Parias, Verstoßene, Außenseiter, deren bloßer Körper ein unerwünschter Störfaktor ist, den sie mit sich herumtragen müssen, wohin sie auch gehen. Sie sind im wortwörtlichsten Sinne unerwünscht. Sie sind die verkörperte Überflüssigkeit. Ich habe all diese Gefühle zu spüren bekommen, als ich obdachlos war. Das tun alle obdachlosen Menschen. Es ist unumgänglich.“ (Rachel Moran, Was vom Menschen übrig bleibt. Die Wahrheit über Prostitution, Tectum Verlag, Marburg 2015, S. 63-68.)

Rachel Moran entkam der Obdachlosigkeit, indem sie mit 15 Jahren in die Prostitution geriet, aus der sie sich dann nach sieben Jahren ebenfalls befreite…

Aber Obdachlose sind nicht nur leidende Menschen, sie sind auch Teil des globalen proletarischen Klassenkampfes. Johannes Schulten schrieb 2009 über den Wohnungsnotstand, staatliche Repression und den sozialen Widerstand in Sao Paulo/Brasilien: „In der brasilianischen 20-Millionen-Metropole Sao Paulo herrscht akuter Wohnraumnotstand. Allein in Stadtkern mangelt es nach offiziellen Angaben an 600 000 Wohnungen. Städtische ,Aufwertungsprogrammeʻ trieben die Mieten in den letzten Jahren in die Höhe. Die Immobilienspekulation boomt. Während inzwischen sogar Mittelstandsfamilien ihre Stadtwohnungen nicht mehr bezahlen können und an die Peripherie übersiedeln, bleibt für die stetig wachsende Zahl der Menschen, die ihren Lebensunterhalt in der Schattenwirtschaft verdienen, häufig nur die Favela. Aber auch in den brasilianischen Slums wird der Platz knapp. Innerhalb der letzten 20 Jahre sind die städtischen Elendsviertel fünfmal schneller gewachsen als die gesamte Metropolenregion. In den etwa 1600 Favelas im Großraum Sao Paulo leben bis zu 1,2 Millionen Menschen.

Wo staatlicherseits wenig Abhilfe zu erwarten ist, gehen Obdachlosenorganisationen seit einigen Jahren dazu über, sich den benötigten Wohnraum einfach anzueignen. Gruppen wie die 1997 gegründete Bewegung obdachloser Arbeiter (MSTS), ein Ableger der Landlosenorganisation MST, verlassen die Favelas und besetzen nicht genutztes Land in den Vorstädten.

Eine dieser Siedlungen befindet sich im Viertel Capao Redondo im Süden von Sao Paulo. Vor zwei Jahren (2007) besetzten etwa 600 Familien hier nicht genutztes Privatgelände, dass sich im Besitz eines nationalen Busunternehmens befindet. Inzwischen ist die Zahl der Familien, die dort leben, auf über 800 angewachsen. Für die Stadtverwaltung gilt die Siedlung jedoch immer noch als illegal. Am vergangenen Montag (24. August 2009) war es dann soweit. Unter dem Einsatz von Tränengas und Blendgranaten stürmten etwa 250 Polizisten der brasilianischen Militärpolizei das Gelände. Die Bewohner verteidigten sich mit dem, was sie hatten: Es flogen Steine und Molotow-Cocktails; Autos, Reifen und Schrott dienten als Barrikaden. Nach sechs Stunden war das Spektakel vorbei, der Widerstand der rund 500 Verteidiger gebrochen. Die Bulldozer rollten ein. Einen Tag später, am Dienstag (25. August 2009) stand kein Haus mehr.

Wie sehr solche Aktionen zum Alltag in Brasilien gehören, zeigt die Reaktion eines Polizeikommandeurs. Auf die Journalistenfrage, ob die Räumung angesichts der Ausschreitungen nicht abgebrochen werden müsse, antwortete er lapidar: ,Ein wenig Widerstand ist für uns normalʻ. Einen Grund, die Aktion abzubrechen, sehe er nicht. Was bleibt, waren Dutzende verhaftete Favela-Bewohner, einige Verletzte. Am Mittwoch (26. August 2009) befanden sich nach Aussagen verschiedener Obdachlosenorganisationen immer noch 500 Familien auf dem Gelände. Einen Ort, wohin sie gehen könnten, haben sie nicht.“ (Johannes Schulten, Bulldozer statt Recht auf Wohnen, in der junge-Welt-Beilage faulheit & arbeit vom 29./30. August 2009, S. 5.)

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Inhalt

Einleitung

I. Der US-Imperialismus im ersten Kalten Krieg
1. Der erste Kalte Krieg
2. Der Koreakrieg
3. Der Vietnamkrieg
4. Guatemala
5. Die Kuba-Krise
6. Chile
7. Nikaragua
8. Afghanistan (1978-1992)
9. Der Sieg des westlichen Imperialismus im ersten Kalten Krieg

II. Die USA als imperialistische Weltpolizistin
1. Iran
2. Jugoslawien
3. Der US-Imperialismus und Al-Qaida
4. Afghanistan (1992-2021)
5. Irak
6. Libyen
7. Syrien
8. Venezuela

III. Die USA im zweiten Kalten Krieg gegen Russland und China
1. Russland: Von der Transformationskrise zur Stabilisierung
2. Die imperialistische Ost-Expansion von EU und NATO
3. Stellvertreterkriege mit Russland: Georgien und Ukraine
4. Der Kalte Krieg mit Russland: Aufrüstung, Säbelrasseln, Wirtschaftssanktionen
und Propagandakriege
5. Der sozialökonomische Aufstieg Chinas
6. Propaganda- und Wirtschaftskrieg gegen China
7. Gefährliches Säbelrasseln im Atomzeitalter

IV. Proletarischer Klassenkampf, kleinbürgerlicher Reformismus/Radikalismus und
politische Machtkämpfe
1. Der proletarische Klassenkampf
2. Die Integration des AFL-CIO in das US-amerikanische Nationalkapital
3. Die Sozialdemokratie in den USA.
4. Frauen- und LGBT-Bewegung in den USA
5. Die BürgerInnenrechtsbewegung der AfroamerikanerInnen und UreinwohnerInnen
6. Friedens- und Umweltbewegung in den USA
7. Die rechte Fraktion des Kapitals
8. Die mittig-linke Fraktion des Kapitals
9. Die Notwendigkeit einer globalen antipolitisch-sozialrevolutionären Strömung

V. Mögliche Todeskrisen des US-amerikanischen Kapitalismus
1. Ökonomische Potenzen und Grenzen des Weltkapitalismus
2. Die mögliche kapitalistische Ausrottung der Menschheit
3. Der mögliche nationalistische Zerfall der USA
4. Die mögliche antipolitisch-sozialrevolutionäre Zerschlagung der USA

Die rechte Fraktion des Kapitals

Weltweit verwirklichte und verwirklicht sich die politisch rechte Fraktion des Kapitals in den Staatsformen der absoluten Monarchie (Golfstaaten), der Demokratie, der Militärdiktatur und des Faschismus. Innerhalb der demokratischen Staatsform besteht der rechte Flügel der bürgerlichen Politik aus dem Rechtsliberalismus, den -konservativismus und dem Neofaschismus.
Bei der extremsten Form rechter Politik, dem Faschismus, ist zu unterscheiden zwischen ihm als politideologischer Strömung einerseits und als Staatsform andererseits. Während der Rechtskonservativismus als eine politideologische Strömung der Nationaldemokratie fließend in den Neofaschismus übergeht, ist die parlamentarisch-demokratische Staatsform klar vom Faschismus als Herrschaftssystem in Italien (1922-1945) und Deutschland (1933-1945) zu unterscheiden. Faschismus und Nationalsozialismus waren in Italien und Deutschland kleinbürgerlich-reaktionäre Massenbewegungen, deren Terror gegen die politische Linke und gegen Juden (durch die deutschen Nazis) von den demokratischen Staatsapparaten vorwiegend toleriert wurde. Schließlich brachte die Staatsexekutive im Interesse der Bourgeoisie rechtsstattlich die FaschistInnen und Nazis an die politische Macht – in Italien der König und in Deutschland der Reichspräsident Hindenburg. Der Faschismus und der Nationalsozialismus als dessen deutscher Ausprägung waren – sowohl als kleinbürgerlich-reaktionäre Bewegung als auch als Staatsform – ein ultraextremer Ausdruck des Konkurrenzchauvinismus und seiner ideologisierten Praxis beziehungsweise praktizierten Ideologie aus Sozialdarwinismus, Militarismus, Imperialismus, Nationalismus, Rassismus und rassistisch-massenmörderischer Judenfeindschaft. Faschismus und Nationalsozialismus wurden als extremer Konkurrenzchauvinismus in der strukturellen Profitproduktionskrise des westeuropäischen und nordamerikanischen Kapitalismus groß und massenmörderisch potent.
Bei der Transformation von der Demokratie zum Faschismus und wieder zur Demokratie als Staatsformen in Italien und Deutschland hatten wir die demokratisch-faschistische Sozialreaktion mit großen personellen Überschneidungen vor uns. Im Gegensatz zu globalen Militärputschen und -diktaturen, verwirklichte sich der Faschismus nach 1945 nicht mehr als Staatsform. Er war auch in den Augen der übergroßen Mehrheit der Weltbourgeoisie zu irrational und zerstörerisch. So sehr auch der Rechtskonservatismus als politideologische Strömung fließend in den Neofaschismus übergeht, so sehr bleiben und blieben auch rechtskonservative Regimes – zum Beispiel in Polen, Ungarn und die USA unter Präsident Trump im Rahmen der parlamentarischen Demokratie. Der Neofaschismus wirkt objektiv als äußerster rechter Flügel der Demokratie. Wenn ihn die übergroße Mehrheit der Weltbourgeoisie auch nicht an der politischen Macht haben will, so wird er doch von den verschiedenen demokratischen Staatsapparaten eingebunden. In Deutschland wurde zum Beispiel in der Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) die mitunter starke Verquickung von Neofaschismus und demokratischen Geheimdiensten offensichtlich (siehe Nelke, Drei Kräfte gegen das Proletariat: Der Staat, die Nazis und der Antifaschismus, Soziale Befreiung, Bad Salzungen 2012). Hier haben wir die gelebte Praxis der demokratisch-faschistischen Sozialreaktion vor uns.
Auch auf dem Maidan in der Ukraine als reaktionäre Straßenbewegung gegen den unliebsamen Präsidenten Janukowitsch war sie aktiv und erfolgreich. Das Bündnis zwischen der neoliberal-demokratischen und der ultranationalistisch-neofaschistischen Fraktion der Opposition gegen Janukowitsch wurde auch vom EU- und dem US-Imperialismus unterstützt (siehe Kapitel III.3). Galt es doch geopolitisch, die Ukraine vollständig aus der Einflusssphäre Moskaus zu befreien. Als Washington in der Ukraine die demokratisch-faschistische Sozialreaktion unterstützte, wurden die USA von der mittig-linken Kapitalfraktion (siehe Kapitel IV.8) regiert. Auch diese Fraktion ist also punktuell zur Zusammenarbeit mit NeofaschistInnen bereit. Unter US-Präsident Obama geschah dies in der Außenpolitik. Und unter Trump, dem Vertreter der rechten Fraktion des Kapitals, auch in der Innenpolitik, wie wir weiter unten in diesem Kapitel noch analysieren werden. Die demokratisch-faschistische Sozialreaktion entfaltet sich in und mit der kapitalistischen Krisendynamik.
SozialrevolutionärInnen waren und sind keine kleinbürgerlichen AntifaschistInnen. Links- und RätekommunistInnen bekämpften den Faschismus und Nationalsozialismus auf revolutionärer Grundlage. Aber sie verteidigten nicht wie die StalinistInnen und TrotzkistInnen die sozialreaktionäre Demokratie als kapitalistische Staatsform gegen den Faschismus. Auch der heutige antipolitische Kommunismus bekämpft die demokratisch-faschistische Sozialreaktion kompromisslos, verteidigt aber niemals die Demokratie als Staatsform des Kapitals.

…..

Innerhalb des herrschen Parteienduopols in den USA verkörpert die Republikanische Partei die rechte Fraktion des Kapitals. Wir wollen die ideologisierte Praxis und die praktizierte Ideologie der rechten Kapitalfraktion in den USA am Beispiel der beiden US-Präsidenten Ronald Reagan (1981-1988) und Donald Trump (2017-2020) charakterisieren. Beide waren politische Ausdrücke der sich entfaltenden kapitalistischen Krisendynamik, der strukturellen Profitproduktionskrise der USA seit 1974. Unter Ronald Reagan erfolgte der Übergang zum „Neoliberalismus“ in den USA und unter Donald Trump entfaltete sich am offensichtlichsten die demokratisch-faschistische Sozialreaktion in der Innenpolitik.
Der „Neoliberalismus“ ist eine besondere internationale Form des Staatsinterventionismus in der Periode der strukturellen Profitproduktionskrise in Nordamerika und Westeuropa. Er stellt eine Offensive des Privatkapitals sowohl im Klassenkampf von oben gegenüber dem Proletariat als auch im innenpolitischen Verhältnis zum Staat und in der internationalen Arena dar. Der „neoliberale“ Staatsinterventionismus schuf in Westeuropa und Nordamerika ein Niedriglohnsektor und erhöhte durch Angriffe auf das Proletariat die Mehrwertrate als Ausdruck der kapitalistischen Ausbeutungsrate der Lohnarbeit. Auf diese Weise konnte er die Profitrate vorübergehend stabilisieren oder sogar erhöhen. Allerdings hatte er die Nebenwirkung tendenziell die proletarische Nachfrage nach Konsumgütern zu reduzieren, was die Anfälligkeit der Konsumgüterindustrie gegenüber Profitrealisationskrisen erhöhte. In den USA wurden stagnierende oder gar sinkende Löhne durch KonsumentInnenkredite – besonders im Immobiliensektor – kompensiert. Dies führte zu einer kreditgetriebenen Überproduktion von Immobilien, die einen großen Anteil sowohl an der Finanzkrise von 2007 als auch an der der Warenproduktion 2008/2009 hatte (siehe den 1. Teil, die Kapitel I.3, V.2 und V.3).
Im Verhältnis zwischen Privatwirtschaft und Staat stellte der „Neoliberalismus“ in der Praxis eine Privatisierung der Gewinne und eine Verstaatlichung der Verluste dar. Lukrative Teile des verstaatlichten öffentlichen Dienstes wurden privatisiert, um den Privatkapital neue Sphären zu eröffnen. In der internationalen Arena wurden dem westeuropäischem und nordamerikanischem Privatkapital durch Freihandelsverträge und durch die Todeskrise des „sozialistischen“ Staatskapitalismus neue Märkte erschlossen. Durch die Entwicklung der elektronischen Kommunikations- und Informationstechnologie entstand eine neue Branche für das Privatkapital. In den tiefen Krisen von 2007-2009 und von 2020 wurden durch geldschwere Rettungsprogramme auch in den USA die Privatwirtschaft von den politischen Gewaltapparaten gestützt und stabilisiert (siehe 1 Teil, Kapitel V.3 und V.4).
Der US-Imperialismus hatte für den „Neoliberalismus“ eine Pionierfunktion, indem er 1973 in Chile den Sturz des linksbürgerlichen Allende-Regimes organisierte, welches eine staatsinterventionistische und staatskapitalistische Tendenz innerhalb des Privatkapitalismus verkörperte. Die Militärdiktatur unter Pinochet (1973-1990) wurde zu einem Experimentierfeld der „neoliberalen“ Offensive des Privatkapitals (siehe Kapitel I.6).
In den USA selbst wurde wie geschrieben US-Präsident Ronald Reagan zur Avantgarde des „Neoliberalismus“. Die Republikanische Partei wurde ab Ende der 1970er Jahre zu einem politischen Ausdruck der gelungenen Synthese eines christlich-evangelikalen Fundamentalismus und Rechtskonservativismus mit einem extremen Wirtschaftsliberalismus. Ronald Reagan war die Verkörperung dieser Synthese. Er kürzte die Steuern für die Bourgeoisie und betrieb eine massive Aufrüstung. Reagans Todrüstung der Sowjetunion hatte erheblichen Anteil an Gorbatschows Kapitulation im ersten Kalten Krieg (siehe Kapitel I.9). Außerdem war sie ein gewaltiges Konjunkturprogramm für die US-Rüstungsindustrie.
Reagans Politik verschärfte die ökonomische Ausbeutung der Lohnabhängigen, indem sie deren politischen Rechte abbaute. David Harvey schrieb darüber: „So wurde etwa die Bundesbehörde für Arbeitsbeziehungen (National Labour Relations Board, NLRB), die in den 1930er Jahren entstanden war, um die innerbetrieblichen Beziehungen zwischen Kapital und Arbeit zu regeln, durch die Personalpolitik der Reagan-Regierung in ein Instrument umgewandelt, das die Rechte der Arbeiter genau in dem Moment einengen sollte, in dem gegenüber den Unternehmen eine Deregulierungspolitik eingeschlagen wurde. Diese Behörde schaffte es 1983 in nicht einmal sechs Monaten, 40 Prozent der in den 1970er Jahren getroffenen NLRB-Entscheidungen aufzuheben, die nach Ansicht des Unternehmerlagers zu arbeitnehmerfreundlich gewesen waren.“ (David Harvey, Kleine Geschichte des Neoliberalismus, a.a.O., S. 68.)
Da der „Neoliberalismus“ einerseits die Bedürfnisse und Notwendigkeiten des US-amerikanischen Nationalkapitals in dessen struktureller Profitproduktionskrise zum Ausdruck brachte, andererseits der Wirtschaftsliberalismus mit dem politischen Liberalismus vereinbar ist, wurde er auch von der Demokratischen Partei praktiziert. So betrieb zum Beispiel auch der demokratische US-Präsident Bill Clinton (1993-2001) eine „neoliberale“ Umverteilungspolitik von unten nach oben.
Die Forcierung der kapitalistischen Ausbeutung der Lohnarbeit und die Umverteilung des Einkommens von unten nach oben zugunsten der Großbourgeoisie ab den1980er Jahren bis 2021 haben wir bereits im 1. Teil, in den Kapiteln V.2 und V.4 geschildert. Beschreiben wir hier noch kurz die Privatisierungspolitik in den USA. In diesem Land wurden auch Repressionsfunktionen des Staates nach innen und außen privatisiert. So wurden Gefängnisse privatisiert und es bildeten sich private Militär- und Sicherheitsfirmen, die besonders in der Irak-Invasion des US-Imperialismus ab 2003 (siehe Kapitel II.5) eine größere Rolle spielten.
Diese „neoliberale“ Politik der forcierten kapitalistischen Ausbeutung der Lohnarbeit, der Privatisierung der vormals staatlichen Infrastruktur und der Umverteilung von oben nach unten ließ auch viele „weiße“ KleinbürgerInnen und ProletarierInnen sozial verelenden oder erzeugte unter ihnen eine Abstiegsangst. Große Teile reagierten darauf mit einem extremen Konkurrenzchauvinismus. „Weiße“ KleinbürgerInnen und ProletarierInnen kompensieren massenhaft ihre miese soziale Lage mit Sozialdarwinismus, Nationalismus und Rassismus. Sie treten praktisch und ideologisch massiv nach unten. Gleichzeitig rebellieren sie auf ideologisch irrationale Weise gegen das Establishment, dass sie auf den mittig-linken Flügel der Bourgeoisie und dessen kleinbürgerlichen Schwanz (siehe Kapitel IV.8) verkürzen.
Es liegt völlig auf der Hand, dass die linke Identitätspolitik und ihr klassenneutrales Feindbild des „weißen, alten Mannes“ objektiv eine Mobilisierungshilfe für die rechte Fraktion des Kapitals darstellt. Linke Identitätspolitik ist nichts anderes als die Konkurrenzideologie – einschließlich ihrer chauvinistischen Ausfälle – der „farbigen, jungen Damen“ innerhalb des KleinbügerInnentums und der Bourgeoisie. Sie wollen die Posten und den Einfluss der „weißen, alten Männer“. Und wenn sie Posten erobert haben, die innerhalb der Wirtschaft und der Politik der USA noch immer unterrepräsentierten „Farbigen“, Frauen und sexuellen Minderheiten – dann führen sie genauso wie ihr Feindbild einen Klassenkampf von oben gegen das multiethnische, multikulturelle und geschlechterübergreifende Proletariat. Sowohl der rechtsreaktionäre Nationalismus, Rassismus und Sexismus als auch kleinbürgerlich-linksliberale Identitätspolitik sind Ideologien des permanenten Kampfes aller gegen alle. Der politisch-korrekte Konkurrenzchauvinismus gegen die „alten, weißen Männer“ treibt geradezu das „weiße“, männliche Proletariat in die Arme der rechten Fraktion des Kapitals. Das multiethnische, multikulturelle und geschlechterübergreifende Proletariat wird vom Rechtschauvinismus und linker Identitätspolitik gespalten.
Die rechte Fraktion des Kapitals, in den USA verkörpert in der Republikanischen Partei, ist der Rammbock gegen die linksliberale Modernisierung des Kapitalismus, in der der Konkurrenzkampf politisch korrekt ohne Rassismus und Sexismus geführt werden soll – und in dem „Farbige“, Frauen und alle Menschen, die von der heterosexuellen Normierung abweichen, nicht mehr unterrepräsentiert in den Oberetagen von Wirtschaft und Politik sind. Für „farbige“, weibliche, homo-, bi-, trans- und intersexuelle Proletarierinnen bleibt bei dieser linksliberalen Modernisierung nur die Anpassung an die „Normalität“ der kapitalistischen Ausbeutung und politischen Verwaltung ihrer „weißen“, männlichen und heterosexuellen Klassengeschwister. Die „weißen, alten Männer“ innerhalb des Proletariats können sich nur im und durch Klassenkampf selbst von der Notwendigkeit einer Solidarität mit ihren „schwarzen“, weiblichen und nichtheterosexuellen Klassengeschwistern überzeugen, während die linke Identitätspolitik nur ihre rassistischen, sexistischen und heterochauvinistischen Tendenzen verstärken kann. Ihre Abneigung gegen linke Identitätspolitik ist eine Mischung aus Konkurrenzchauvinismus und gesundem Klasseninstinkt. Sie haben von den „farbigen, jungen Damen“ aus Bourgeoisie und KleinbürgerInnentum, die die politische Linksliberalisierung des Kapitalismus nach oben spült, in der Tat nichts Gutes zu erwarten – so wie das gesamte Proletariat, einschließlich seiner rassistisch und sexistisch diskriminierten Teile.
Der Linksliberalismus formiert sich vor allem als Sprachpolizei. Während der reale Kapitalismus weiterhin strukturell patriarchal-sexistisch und rassistisch bleibt, darf dies und jenes so nicht mehr gesagt werden. Sprachcodes verändern und verschärfen sich ständig. Was gestern noch eine politisch korrekte Formulierung war, kann heute schon übel rassistisch und sexistisch sein. Und morgen erst! Für „alte, weiße Männer“ des Proletariats, die selbst rassistisch und sexistisch sind, kann deshalb ein Immobilienmilliardär wie Donald Trump als ein Underdog, als ein Rebell gegen die politisch-korrekte Elite erscheinen. Ja, die politische linksliberale Modernisierung des Kapitalismus hat Gestalten wie Trump mit erzeugt. Aber selbstverständlich war Trump kein Rebell gegen die herrschende US-Bourgeoisie. Das zeigte er auch, indem er für die herrschende Klasse die Steuern senkte.
Donald Trump machte bereits im Wahlkampf von 2016 die Umweltbewegung und das Ausland für den Wegfall US-amerikanischer Arbeitsplätze verantwortlich. Als US-Präsident organisierte Trump den Austritt des Landes aus dem Pariser Klimaabkommen, ein sehr halbherziger Versuch der kapitalistischen Internationale, den Klimawandel irgendwie ein wenig einzudämmen. Außerdem führte er einen harten Wirtschaftskrieg gegen das Ausland – besonders gegen China, dass dieses aber nicht sonderlich stark schwächte. Selbstverständlich erzeugte auch dieser Wirtschaftskrieg gegen Peking keine neuen Jobs (siehe Kapitel III.6.). Das war auch gar nicht dessen wirkliches Ziel.
Allerdings verstand es Trump den Gewerkschaftsdachverband AFL-CIO bei der Neuaushandlung des nordamerikanischen Freihandelsabkommen von 1994 mit Kanada und Mexiko (NAFTA) mit ins Boot zu holen. Durch imperialistischen Druck gelang es Trump in Form von Neuverhandlungen das NAFTA 2020 in das United States Mexico Canada Agreement (USMCA) zu transformieren. Das USMCA enthält auch Bestimmungen gegen Niedriglöhne in Mexiko. Da diese sowohl den US-amerikanischen Firmen, die in den USA höhere Löhne zahlen mussten, schadete und ein Grund für sie darstellte, Jobs nach Mexiko auszulagern, als auch den AFL-CIO ein Dorn im Auge war, da dieser für den Erhalt kapitalistischer Ausbeutungsplätze in den USA und Kanada eintrat, konnte Trump im Falle des USMCA die institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung in seine konkrete Außenwirtschaftspolitik integrieren.
Christoph Scherrer schrieb darüber: „Die Verhandlungen mit Mexiko und Kanada wurden am 30. September 2018 abgeschlossen und von den Präsidenten der drei beteiligten Länder am 30. November 2018 unterzeichnet. Diese Version des Vertragstextes trug die Handschrift US-amerikanischer Konzerne, enthielt aber auch einige Zugeständnisse an die Gewerkschaften.
Gleichwohl gab es seitens der US-Gewerkschaften erhebliche Bedenken, inwieweit die im Abkommen vorgesehenen Reformen des mexikanischen Arbeitsrechts tatsächlich umgesetzt und durchgesetzt werden würden. Die Möglichkeit, den Bedenken der US-Gewerkschaften in den Abkommen Rechnung zu tragen, wurde dann durch den Wahlsieg der Demokratischen Partei bei den Zwischenwahlen zum Kongress im November 2018 möglich. Die neue Mehrheit der Demokraten im Repräsentantenhaus zwang die Trump-Administration, weitere Änderungen im ursprünglichen USMCA-Text auszuhandeln. Im Dezember 2019 unterzeichneten die Handelsvertreter der drei Länder ein Änderungsprotokoll. Diese Änderungen des Abkommens schließlich veranlassten den Gewerkschaftsverband AFL-CIO und die meisten, wenn auch nicht alle, US-Gewerkschaften, die Verabschiedung des USMCA-Umsetzungsgesetz zu unterstützen. Am 19. Dezember 2019 passierte das Gesetz das Repräsentantenhaus, mit 381 Ja- und 41 Nein-Stimmen. Am 16. Januar 2020 folgte der Senat mit 89 Ja- zu 10 Nein-Stimmen. Der USMCA trat am 1. Juli 2020 in Kraft.“ (Christoph Scherrer, America Second?, a.a.O., S. 68/69.)
Ein sehr schlechtes Management zeigte das Trump-Regime dagegen während der globalen Coronaviruspandemie, die ein Ausdruck und extreme Zuspitzung der vom Kapitalismus produzierten biosozialen Reproduktionskrise ist (siehe Kapitel V.2). Die Staaten können als politische Gewaltapparate der Kapitalvermehrung diese nicht lösen, sondern nur eindämmen. Und das Trump-Regime versagte bei der Eindämmung der Pandemie vollkommen als ideeller Gesamtkapitalist. Trump fungierte als oberster Verharmloser von COVID-19. Stattdessen nutzte er das Virus, um gegen China zu hetzen (siehe Kapitel III.6). Damit leistete er Vorschub bei der Entfaltung eines antiasiatischen Rassismus, der sich in den USA als chauvinistische Reaktion auf die globale Pandemie entwickelte.
Für einen Großteil seiner Anhänger war die Pandemie ohnehin etwas, was die liberalen Medien künstlich aufgeblasen hatten, um ihrem Idol zu schaden. Und das ist noch die harmlosere Variante. Irrationale Verschwörungsmythen ranken sich um die Pandemie – nicht nur in den USA. Natürlich muss das Management der Staaten in der globalen COVID-19-Pandemie grundsätzlich von einem antikapitalistisch-antipolitischen Standpunkt kritisiert werden. Aber die rechtsreaktionäre Rebellion – an dessen Schwanz sich auch einige politische Linke befinden, wie zum Beispiel in Deutschland die Linksnationalistin Sahra Wagenknecht – gegen das Maskentragen, Abstandhalten und Impfen ist absolut irrational, pandemietreibend, ultraindividualistisch, sich und andere gefährdend. Es ist die Rebellion von Marktsubjekten, die die vollständige Unterwerfung unter die Ware-Geld-Beziehung für „Freiheit“ und die Maske für das „Ende der Freiheit“ halten. Die Bewegung der CoronaleugnerInnen und -verharmloserInnen sowie der ImpfgegnerInnen ist irrational-sozialreaktionärer Protest gegen sozialreaktionäre politische Gewaltapparate. Sie ist der Ausdruck einer Gesellschaft, in der die gegeneinander kämpfenden Klassen und untereinander konkurrierenden Marktsubjekte nur indirekt über die Ware-Geld-Beziehung und den Staat vergesellschaftet sind. „Ich will ohne Maske einkaufen gehen! Ich will im Urlaub die Sau rauslassen, wenn ich mir schon auf Arbeit alles gefallen lassen muss! Ich will mich nicht impfen lassen, das ist meine private Entscheidung!“ schreit das asoziale Konkurrenzindividuum, die Gefahren der Pandemie für sich selbst und andere ignorierend.
Der demokratische Staat ist grundsätzlich der Hüter dieser individualistischen Freiheitsvorstellungen von Marktsubjekten, aber in der Pandemie hat er keine andere Wahl, als diese ein wenig und inkonsequent einzuschränken, um die Leichenproduktion nicht gar so groß werden zu lassen. Klar, Notstandsmaßnahmen von Staaten sind etwas anderes, als kollektiv und solidarisch durchgesetzte Sicherheitsvorkehrungen – doch dazu ist eine Klassengesellschaft grundsätzlich nicht fähig. Klassenkämpferische ProletarierInnen halten räumlichen Abstand, tragen eine Mund-Nasen-Bedeckung und lassen sich impfen, nicht weil der Staat das so will, sondern weil es medizinisch zweckmäßig ist. Sie kämpfen gegen die reale Diktatur des Kapitals, aber nicht gegen eine eingebildete „Impfdiktatur“. Diese kleinbürgerlich-reaktionäre Massenbewegung von Amok laufenden Marktsubjekten – einschließlich der ProletarierInnen, die als MitläuferInnen in solchen Bewegungen nichts als kleinbürgerliche IndividualistInnen sind –, die militant ihre Freiheit verteidigen, Fakten zu ignorieren und damit zur Gefahr für sich selbst und andere zu werden, ist ein gefährlicher Ausdruck der demokratisch-faschistischen Sozialreaktion, in der asozialer Konkurrenzindividualismus, Ultranationalismus und Irrationalismus sich mischen. NeofaschistInnen sind sowohl in Europa als auch in den USA Teil dieser Bewegung. Und sie ist militant. So besetzte sie im April 2020 das Kapitol des US-Bundesstaates Michigan, um die „Freiheit“ gegen staatliche COVID-19-Beschränkungen zu verteidigen. Und terrorisierte Kommunen durch „Bürgerwehren“.
US-Präsident Donald Trump war die Verkörperung der demokratisch-faschistischen Sozialreaktion. Er blieb während seiner Amtszeit im Rahmen des parlamentarisch-demokratischen Systems, war aber auch halbherzig bereit dazu faschistische Milizen zu mobilisieren. Diese kleinbürgerlich-reaktionäre Straßenbewegung brachte unter anderem die Boogaloo Bois, Oath Keepers („die dem Eid treu bleiben“, 3 Percenters („3 Prozent Kämpfer reichen für den Sieg“), Militias, Patriot Prayers, Bikers for Trump und die Proud Boys hervor. Als Trump im November 2020 die Präsidentschaftswahlen gegen seinen demokratischen Konkurrenten Joe Biden verlor, erkannte er seine Niederlage nicht an. Und damit brach er den demokratischen Konsens innerhalb des Establishments. Er redete von Wahlbetrug. Dazu von uns zwei Anmerkungen. Erstens sind für uns die freien Wahlen nur eine Herrschaftstechnik, in der die politisch Beherrschten die politische Herrschaft als Management des Staates ermächtigen. Wir bekämpfen grundsätzlich jede Regierung als Management des Staates, egal ob sie durch Putsch, freie oder unfreie Wahlen oder durch Wahlbetrug an die politische Macht gelangt ist. Zweitens ist das US-amerikanische Wahlsystem besonders anfällig gegenüber Manipulationen.
Auch dass Trump bereit dazu war, die kleinbürgerlich-reaktionäre Straßenbewegung gegen seine liberalen GegnerInnen zu mobilisieren, war eine Aufkündigung des demokratischen Konsenses innerhalb des politischen Establishments. Er hetzte seine Anhänger am 6. Januar 2021 zum Sturm auf das Kapitol. „Nach einer Rede Trumps waren am Mittwoch (6. Januar 2021, Anmerkung von Nelke) etliche seiner Anhänger vor das Kapitol, den Sitz des US-Kongresses, gezogen, um gegen die Verkündung der Ergebnisse der Präsidentschaftswahl zu protestieren. Dabei kam es auch zu Übergriffen auf Journalisten. Zahlreichen Personen gelang es unterdessen, unter anderem auch mit Hilfe der Sicherheitskräfte, in das Parlamentsgebäude zu kommen. Auf Bildern in den sozialen Medien ist zu sehen, wie sie dort die Einrichtung verwüsteten oder entwendeten – oder auch für Selfies mit Polizisten posierten. Die Kongresskammern unterbrachen ihre Sitzungen, Säle wurden geräumt. Nach Behördenangaben kam eine Frau bei den Unruhen durch Polizeischüsse im Kapitol ums Leben, zu drei weiteren Todesfällen bei den Protesten gab es zunächst keine näheren Angaben.
Ein Einsatz der Nationalgarde war vom Pentagon zunächst abgelehnt wurden. Erst als die Situation in Washington auch nach Stunden nicht unter Kontrolle war, rückte sie an. Für die Nacht wurde eine Ausgangssperre über die US-Hauptstadt verhängt. Die US-Bundespolizei FBI hat bereits eine Webseite für Hinweise auf Teilnehmer eingerichtet. In der Zwischenzeit sperrten die Onlinenetzwerke Twitter und Facebook vorübergehend die Konten Trumps. Der US-Präsident habe mit seinen Botschaften während des Sturms auf das Kapitol das ,Risiko der andauernden Gewalt‘ verstärkt, ,anstatt es zu verringern‘ erklärte Facebook dazu.“ (Matthias István Köhler, Blauhelme nach Washington, in: junge Welt vom 8. Januar 2021, S. 1.)
Der Sturm auf das Kapitol vom 6. Januar 2021 zeigte drei Dinge. Erstens, dass es putschistische Tendenzen innerhalb der rechten Fraktion des US-amerikanischen Kapitals gibt, die zum Ausdruck bringen, dass sie bereit dazu ist, die kleinbürgerlich-reaktionäre Straßenbewegung gegen den liberalen Flügel der Bourgeoisie zu hetzen. Zweitens, dass diese Tendenzen noch recht halbherzig daherkommen und drittens, dass die übergroße Mehrheit der US-Bourgeoisie sie ablehnt. Nein, Trump ist kein Mussolini oder Hitler. Die zwei Letztgenannten waren KleinbürgerInnen, die dadurch groß wurden, indem sie von der Bourgeoisie und den Staatsapparaten an die politische Macht gebracht wurden. Trump ist Immobilienmilliardär, hat also was zu verlieren. Die Mehrheit der Bourgeoisie wollte keinen Putsch gegen den Wahlgewinner Biden durch eine kleinbürgerlich-reaktionäre Massenbewegung. Deshalb die Halbherzigkeit des Putschismus. Ob und wie in der weiteren Entfaltung der Krisendynamik des US-amerikanischen Nationalkapitals Putschismus und das Mobilisieren von kleinbürgerlich-reaktionären Massenbewegungen von Seiten des rechten Flügels der Bourgeoisie zunehmen werden, wird sich in der Zukunft zeigen.
Fazit: SozialrevolutionärInnen müssen klar zwischen ProletarierInnen unterscheiden, die rassistische und sexistische Vorurteile haben, und solchen die aktiver Teil der demokratisch-faschistischen Sozialreaktion sind. Der eine Teil kann vielleicht noch durch praktische Erfahrungen zum Umdenken bewegt werden, der andere muss konsequent bekämpft werden. Die gewaltbereite kleinbürgerlich-reaktionäre Massenbewegung ist potenzielle BürgerInnenkriegstruppe der Bourgeoisie gegen das klassenkämpferische beziehungsweise sich möglicherweise selbst revolutionär aufhebende Proletariat. Die kleinbürgerlich-reaktionäre Massenbewegung als Teil der demokratisch-faschistischen Sozialreaktion muss genau wie der Staat vom sich revolutionär selbst aufhebenden Proletariat zerschlagen werden. Während die kleinbürgerliche politische Linke aus Angst vor dem Neofaschismus immer stärker zum erbärmlichen Schwanz der mittig-linken Fraktion der Bourgeoisie mutiert, müssen SozialrevolutionärInnen kompromisslos gegen beide Flügel des Kapitals kämpfen.

…..

Die rechte Fraktion des Kapitals ist offen rassistisch. Als Bündnis zwischen großen Teilen des Staatsapparates und kleinbürgerlich-reaktionärer Straßenbewegung. Der Bullenterror gegen das „schwarze“ KleinbürgerInnentum und Proletariat und die Gewalt von rassistischen Individuen und Gruppen sind in den USA eine große Gefahr für das Leben und die Gesundheit von AfroamerikanerInnen. Am 25. Mai 2020 töteten Bullen den „Schwarzen“ George Floyd, daraufhin entwickelte sich eine militante Protestbewegung, gegen die das Trump-Regime mit harter staatlicher Repression vorging. Trump bezeichnete seine liberale Konkurrenz von der Demokratischen Partei, die die Protestbewegung gegen den Bullenterror durch Sozialreformismus von oben befrieden wollte, als „AnarchistInnen“ und „Ultralinke“.
Neben den Bullen ging auch der kleinbürgerlich-reaktionäre Mob gewalttätig gegen die Protestbewegung vor. So erschoss am 25. August 2020 der junge „weiße“ Rassist Kyle Rittenhouse in Kenosha/Wisconsin zwei unbewaffnete Aktivisten einer „Black-Lives-Matter“-Demonstration. Diese Demonstration hatte sich gegen den örtlichen rassistischen Bullenterror gerichtet, bei dem die „weißen“ Hooligans der Bourgeoisie den Afroamerikaner Jacob Blake siebenmal in den Rücken geschossen hatten. Die Bullen ließen den Rassisten Rittenhouse nach seinen Todesschüssen unbehelligt abziehen. Später wurde er verhaftet und wegen zweifachen Mordes und eines versuchten Mordes an einer weiteren Aktivistin angeklagt. Ultrarechte Milizen feierten Rittenhouse als ihren Helden und er hatte Verbindungen zu den faschistischen „Proud Boys“. Der Prozess eines Geschworenengerichtes begann am 1. November 2021 unter dem Vorsitz von Richter Bruce Schroeder. Dieses Gericht sprach den Rassisten Rittenhouse am 19. November 2021 frei. Worauf sich wieder eine Protestbewegung gegen die rassistische Entscheidung des Gerichts entwickelte.
Im Verhältnis zu diesem Gerichtsurteil kam auch der Unterschied zwischen der Demokratischen Partei als Verkörperung der mittig-linken Fraktion des Kapitals und der Republikanischen als rechter Fraktion zum Ausdruck. US-Präsident Biden von der Demokratischen Partei, der im Wahlkampf von Teilen der kleinbürgerlich-antirassistischen Bewegung unterstützt wurde, rief dazu auf, die Gerichtsentscheidung anzunehmen. Jürgen Heiser schrieb über Bidens Reaktion „US-Präsident Joseph Biden erklärte noch am Freitag (den 19. November 2021, Anmerkung von Nelke) vor Reportern, er stehe zu der Entscheidung der Jury. ,Das System der Geschworenen‘ funktioniere, ,wir müssen uns daran halten‘. Später rief der US-Präsident zur Ruhe auf und sagte beschwichtigend, das Urteil werde ,viele Amerikaner wütend und besorgt machen, mich eingeschlossen, aber wir müssen anerkennen, dass die Geschworenen gesprochen haben‘. Er fordere alle auf, ,ihre Meinung friedlich und unter Wahrung der Rechtsstaatlichkeit‘ zu äußern.“ (Jürgen Heiser, Freifahrtschein für Faschisten, in: junge Welt vom 22. November 2021, S. 6.) Hier sehen wir die Haltung der mittigen Fraktion des Kapitals zum strukturellen Rassismus. Rassistische Entscheidungen der Justiz sind hinzunehmen. Dagegen sind nur „friedliche“ Proteste erlaubt und über die Friedlichkeit wacht der hochgerüstete politische Gewaltapparat.
Dagegen erwiesen sich Teile der Republikanischen Partei offen als Teil der demokratisch-faschistischen Sozialreaktion. Über deren Reaktion auf den Freispruch Rittenhouse schrieb Jürgen Heiser: „Sprecher faschistischer Milizen triumphierten vor der Presse, feierten Rittenhouse als ihren ,Helden‘ und betonten ihr ,Recht auf das Tragen von Waffen zur Selbstverteidigung‘. Dass die Gewaltpolitik der Anhänger weißer Vorherrschaft längst im Parlament verankert ist, bewies der Republikaner Madison Cawthorn (26) aus North Carolina als jüngster Abgeordnete des US-Kongresses. Auf Instagram bejubelte er ,das Selbstverteidigungsrecht‘ des Freigesprochenen, und mit dem Zuruf ,Sei bewaffnet, sei gefährlich und tugendhaft!‘ bot er Rittenhouse gleich noch ,ein Praktikum im Kongress‘ an.“ (Jürgen Heiser, Freifahrtschein für Faschisten, a.a.O.)
Neben der offensichtlichen Kooperation von Teilen des Rechtskonservativismus mit dem Neofaschismus gehen Teile der rechten Fraktion des Kapitals mit dem Gedanken der Errichtung einer Militärdiktatur in den USA schwanger. Die Linksnationalistin Sahra Wagenknecht schrieb darüber 2021: „Es sollte zu denken geben, dass aktuell 35 Prozent der jungen reichen (!) Amerikaner (gemeint sind US-StaatsbürgerInnen, Anmerkung von Nelke) eine Militärherrschaft befürworten, ungleich mehr als noch vor 25 Jahren, als gerade 6 Prozent der jungen Reichen sich für eine solche Option erwärmen konnten.“ (Sahra Wagenknecht, Die Selbstgerechten. Mein Gegenprogramm – für Gemeinsinn und Zusammenhalt, Campus Verlag, Frankfurt am Main 2021, S. 193.)

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Inhalt

Einleitung

Extreme RechtsnationalistInnen in heutigen Demokratien
1. Demokratische Nationen
2. Die Relativität von „extrem“ und „rechts“ im Nationalismus
3. Demokratisch-faschistische Sozialreaktion
4. Rechtsnationale Parteien in der BRD
5. Rechte Regierungen
6. Rechtsreaktionäre Straßenbewegungen
7. Rechtsnationalistischer Terror
8. Wie der linksbürgerliche Antifaschismus den Rechtsnationalismus stärkt
9. Revolutionärer Kampf gegen die Nation

Kritik des bürgerlichen Internationalismus
1. Der Internationalismus der Nationen
2. Der Imperialismus erkämpft das Menschenrecht
3. Das Völkerrecht als zwischenstaatliche Benimmregeln
4. Die Institutionalisierung des bürgerlichen Internationalismus: Die UNO
5. Politisch korrekter Multikulti-Internationalismus
6. „Proletarischer Internationalismus“ = bürgerlicher Linksnationalismus
7. Antinational-sozialrevolutionärer Universalismus

Der globale Konkurrenzkampf der Nationalismen (2018-2020)
I. Ökonomische Konkurrenz und Wirtschaftskriege
1. Freihandelskonkurrenz und Protektionismus
2. Wirtschaftskriege
3. Politisch motivierte Wirtschaftssanktionen
II. Politisch-diplomatische Konflikte und Propagandakriege
1. Imperialistische Einmischung in andere Nationen
2. Poltisch-diplomatische Auseinandersetzungen und Propagandakriege rund um
das Coronavirus
III. Aufrüstung, Säbelrasseln und Krieg
1. Wettrüsten und militärische Präsenz
2. Gewaltsame Grenzkonflikte
3. Aggressionen unterhalb der Schwelle eines offiziellen Krieges
4. Das Gemetzel in Syrien
5. Der Krieg in Libyen
6. Die Gewalt in Jemen
IV. Nationalstaatliche Konflikte im westlich-imperialistischen Bündnissystem
1. Auseinandersetzungen zwischen den USA und der EU
2. Konflikte innerhalb der NATO
3. Streitigkeiten in der EU
4. Der Austritt Großbritanniens aus der EU
V. Nationalistische Auseinandersetzungen innerhalb von Staaten beziehungsweise
besetzten Gebieten
1. Türkischer Rechtsnationalismus und kurdischer Linksnationalismus
2. Zionismus und palästinensischer Nationalismus
3. Nationalistischer Zank in Großbritannien

 

Die Relativität von „extrem“ und „rechts“ im Nationalismus

RechtsnationalistInnen vertreten das „extrem“, was die politische Mitte in „gemäßigt“-patriotischer Form zelebriert und viele „radikale Linke“ ausgliedern und auf bestimmte Staaten des Auslandes projizieren: Die Hingabe zur Nation. Die politische Mitte und die Linke bekämpfen die „extreme Rechte“ von nationaldemokratischen Positionen aus. Ökoliberale vertreten in Deutschland keinen „arisch-weißen“ Blut-und-Boden-Nationalismus, sondern einen demokratisch-antifaschistischen Verfassungspatriotismus. Mit „Nie wieder Auschwitz!“ auf den Lippen führte der erste grüne Außenminister der BRD, Joschka Fischer, 1999 die deutsche Nation in ihren ersten „richtigen“ Krieg nach 1945. Es ging gegen Serbien und um das nationale Selbstbestimmungsrecht des Kosovo auf einen eigenen Mafia-Staat. Das Führen dieses Krieges galt übrigens nicht als „extrem“. Und schon gar nicht war es „rechts“. Sondern das war die Wahrnehmung politischer Verantwortung für die Menschenrechte. Der Kriegsgegner wurde nicht rassistisch beleidigt, so etwas machen nur RechtsextremistInnen. Es wurde lediglich festgestellt, dass die regierenden Charaktermasken Serbiens irgendwie den deutschen Nazis von einst ähnelten. Der serbische Kriegsgegner war extrem nationalistisch! Aber die Grünen sind das doch nicht. Die wollen eine offene Welt – und treten offensiv für die Interessen der multikulturellen und sexualtoleranten deutschen Nation ein. Kriege führen für die Nation und kapitalistische Interessen, das haben ökoliberale VerfassungspatriotInnen – für das deutsche Grundgesetz, gegen Menschenrechtsverletzungen im Ausland! – nicht schlechter drauf als „extreme RechtsnationalistInnen“. Die Grünen sind da sogar einige Schritte voraus. Immerhin haben sie schon Kriege in staatlicher Verantwortung mitorganisiert, die AfD bisher noch nicht.

Wir haben weiter oben die demokratische Nation als staatliche Zwangsgemeinschaft aus Kapital und Lohnarbeit beschrieben. Dieser dienen Grüne und SozialdemokratInnen nicht weniger patriotisch als die rechtsnationale AfD. Auch das „sozialistische“ Kuba ist eine solche Zwangsgemeinschaft aus Kapital und Lohnarbeit. Das Proletariat wird jedoch auf Kuba noch vorwiegend vom „sozialistischen“ (= kapitalistischen) Staat ausgebeutet. Viele „radikale Linke“, die mit der deutschen Nation nicht so viel anfangen können, projizieren ihre heißen patriotischen Gefühle auf Kuba. Das nennen diese LinksnationalistInnen dann „proletarischen Internationalismus“ (siehe Kapitel 6 der Schrift Kritik des bürgerlichen Internationalismus).
Ökoliberale Grüne und kubaverliebte Linke sind also nicht weniger national als die Naziformationen NPD, „Die Rechte“ und „Der III. Weg“. Nur eben anders national. Von einem proletarisch-revolutionären Klassenstandpunkt aus sind allerdings die Unterschiede zwischen „gemäßigten PatriotInnen“ und „extremen RechtsnationalistInnen“ recht unerheblich. Beide binden das Proletariat an den Nationalstaat. Und der „proletarische Internationalismus“ des Marxismus-Leninismus ist nichts anderes als widerlicher Linksnationalismus! Die Übergänge zwischen „gemäßigt“ und „extrem“ sowie zwischen „rechts“, „mittig“ und „links“ sind im Nationalismus sehr fließend.
Auch wenn dies so ist, gibt es jedoch gewisse Unterschiede zwischen einem liberal-multikulturellen Verfassungspatriotismus, wie er von mittig-linken NationaldemokratInnen vertreten wird, und einem rassistisch durchsetzen Nationalismus. Ersterer integriert zum Beispiel „Afrodeutsche“ in die Nation, letztere grenzt sie rassistisch aus. Aber da die Nation als solche sozialreaktionär ist, ist es auch sowohl die Integration in diese als auch die Ausgrenzung aus dieser.

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Neue Broschüre: Kritik des Linksnationalismus https://swiderstand.blackblogs.org/2019/07/31/neue-broschuere-kritik-des-linksnationalismus/ https://swiderstand.blackblogs.org/2019/07/31/neue-broschuere-kritik-des-linksnationalismus/#respond Wed, 31 Jul 2019 08:17:16 +0000 http://swiderstand.blogsport.de/?p=162 Unsere neue Broschüre „Kritik des Linksnationalismus“ (ca. 126 Seiten) von Soziale Befreiung ist da. Die Broschüre könnt Ihr hier für 5-€ (inkl. Porto) auch als E-Book über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de oder direkt bei uns auch als E-Book bestellen.

Inhalt

Einleitung

1. Nationalkapitalistische Demokratien als politische Diktaturen

2. Nationalkapitalistischer „Sozialismus“

3. Globale Kooperation und Konkurrenz zwischen privat- und
staatskapitalistischen Nationen

4. Die mühsame Herausbildung des antinationalen Kommunismus

5. LinksdemokratInnen sind strukturelle NationalistInnen

6. Nationaldemokratischer Antifaschismus

7. Nationalkapitalistischer „Antiimperialismus“

8. Linksnationale Hetze gegen unsere migrantischen Klassengeschwister

9. „Weltoffenheit“ als politisch korrekter Nationalismus

10. EU-Patriotismus und nationale Austrittsbewegungen

Nationalkapitalistischer „Antiimperialismus“

Imperialismus ist die sozialökonomische, politisch-diplomatische, ideologisch-propagandistische und militärisch-kriegerische Expansion der Nationalkapitale und -staaten. Sozialrevolutionärer Antiimperialismus ist der konsequente Kampf gegen alle Nationalismen und für die globale klassen- und staatenlose Gesellschaft. Linksnationaler „Antiimperialismus“ ist dagegen die Unterstützung von Nationalismen, die noch keinen eigenen Staat hervorgebracht haben, wie der katalanische und der palästinensische, oder „progressiver Regierungen“ gegen den westlichen Imperialismus. Immer seitenverkehrt zum westlichen Imperialismus lehnen linksnationale „AntiimperialistInnen“ manchmal allerdings auch nationale „Befreiung“ ab. So verteidigten viele von ihnen in den 1990er Jahren Serbien/Jugoslawien gegen separatistische Nationalismen und den NATO-Krieg, während SozialrevolutionärInnen alle kriegführenden Seiten bekämpften.
Dieser linke „Antiimperialismus“ ist nicht „nur“ nationalkapitalistisch, sondern auch proimperialistisch. Er unterstützt Imperialismen gegen andere. So unterstützte der linksnationale Proimperialismus in der Vergangenheit die staatskapitalistische Sowjetunion und/oder das maoistische China. Der moskautreue Partei-„Kommunismus“ (D„K“P) verteidigte den sowjetischen Imperialismus von Anfang bis zum Ende. Die MaoistInnen der MLPD stehen hinter Moskau bis 1956, der „Entstalinisierung“ der UdSSR durch Chruschtschow, und hinter Peking bis zum Tod Maos. Die „K“PD/ML stellte sich hinter das staatskapitalistische Albanien, das 1960 mit Moskau und 1978 mit Peking brach und sich in Jugoslawien imperialistisch einmischte, indem es den kosovoalbanischen Nationalismus unterstützte. Gemeinsames Band der verfeindeten MarxistInnen-LeninistInnen ist es jedoch, die imperialistische Eroberung Osteuropas als Vorgarten des sowjetischen Imperialismus während des Zweiten Weltkrieges als antifaschistische Befreiung hochzujubeln. Und auch der Trotzkismus verteidigte „kritisch“ die „bürokratisch entarteten ArbeiterInnenstaaten“ gegen den privatkapitalistischen Imperialismus.
Doch während „radikalere“ MarxistInnen-LeninistInnen und TrotzkistInnen wenigstens den heutigen privatkapitalistischen russischen und chinesischen Imperialismus bekämpfen, sitzen D„K“P und junge Welt tief in den Arschlöchern der Moskauer und Pekinger Machthaber. Die widerliche junge Welt verteidigt sogar die blutige Niederschlagung der Studierendenbewegung – an deren Rande auch einige ArbeiterInnenaktivistInnen agierten – durch China im Juni 1989, die 421 Menschen das Leben kostete. Damals war die Transformation vom Staats- zum Privatkapitalismus schon im vollen Gange, aber noch lange nicht beendet. Die Studierenden verlangten von den regierenden Partei-„KommunistInnen“ nicht nur „Marktwirtschaft“, sondern auch Demokratie als Staatsform. Die Auseinandersetzung war also eine innerhalb der proprivatkapitalistischen Sozialreaktion. SozialrevolutionärInnen hätten am Rande der Studierendenbewegung antikapitalistische Positionen vertreten müssen. (Siehe zu den damaligen Ereignissen: Nelke, Der chinesische Kapitalismus. 2. Teil. Von 1979 bis heute, Soziale Befreiung 2016, S. 77-82.)
Der Linksreaktionär Gerhard Feldbauer verteidigte in der jungen Welt vom 4. Juni 2019 das partei-„kommunistische“ Massaker an der prodemokratischen Studierendenbewegung. Seine „antiimperialistische“ Rechtfertigung der Blutorgie des chinesischen Imperialismus: „Hätte die chinesische Führung vor 30 Jahren der Konterrevolution nachgegeben, hätte das zu einem verheerenden Bürgerkrieg mit Millionen Toten führen können, der die Welt in unvorhersehbarer Weise destabilisiert hätte. Mit der Verteidigung ihrer Unabhängigkeit und ihres eigenständigen Weges zu einer sozialistischen Gesellschaft hat die Volksrepublik auf dem Tiananmen-Platz (der Ort des Massakers, Anmerkung von Nelke) dieser brandgefährlichen Entwicklung auf internationaler Ebene Einhalt geboten. Auf dieser Grundlage ist sie heute ein Sicherheitsfaktor für Nordkorea, Verbündete bei der Verteidigung der Unabhängigkeit Kubas und Venezuelas sowie anderer Staaten in Lateinamerika, Afrika und Asien. Damit ist die Volksrepublik heute ein Hoffnungsträger, der den USA in ihren Weltherrschaftsstreben einen Riegel vorschiebt.“ (Gerhard Feldbauer, Es drohte ein Bürgerkrieg, in: junge Welt vom 4. Juni 2019, S. 6.) China, Kuba, Venezuela und deren „antiimperialistischer“ Schwanz sind Teil des nationalkapitalistischen Alptraums, Herr Feldbauer!
Diese linksnationalen ProimperialistInnen verteidigen oder verharmlosen auch die Annexion der Krim durch das Putin-Regime 2014 oder dessen militärische Unterstützung Syriens ab 2015. Besonders widerliche „AntiimperialistInnen“ nennen die Annexion der Krim durch Russland eine Befreiung. So gaben Ralf Rudolph und Uwe Markus im Jahre 2017 ein Buch heraus, was sie „Die Rettung der Krim“ nannten. Mit „Rettung“ war die imperialistische Annexion der Halbinsel durch Russland gemeint. Der jungen Welt gefiel das so gut, dass sie dieses proimperialistische Machwerk am 7. August 2017 mit einem Vorabdruck von Teilen daraus würdigten.
„Kritische“ FreundInnen des russischen Imperialismus raunen stattdessen, dass die Annexion der Krim „völkerrechtlich fragwürdig“ gewesen sei. Nun, das Völkerrecht als Sammelsurium zwischenstaatlicher Benimm-Regeln interessiert uns nicht die Bohne. Mit dem „Völkerrecht“ unter dem Arm den Imperialismus zu kritisieren überlassen wir kleinbürgerlichen IdealistInnen. Wir bekämpfen den kapitalistischen Imperialismus, weil er im Interesse der Bourgeoisie die ProletarierInnen im Frieden und Krieg gegeneinander aufhetzt. Große Teile des linksnationalen „Antiimperialismus“ bekämpfen dagegen nur den westlichen Imperialismus. Diese unterstützen den russischen und chinesischen Imperialismus als Feinde ihrer Feinde. Für diese Schwachmaten ist ein Imperialismus, der sich gegen den Westen richtet, ein „Antiimperialismus“. So schrieb der junge-Welt-Autor Reinhard Lauterbach mit Bezug auf Russland von einem „erzwungenen Antiimperialismus“. (Reinhard Lauterbach, Erzwungener Antiimperialismus, in: junge-Welt-Beilage XXIV. Internationale Rosa Luxemburg Konferenz vom 12./13. Januar 2019, S. 8/9.) Gemeint ist damit, dass die Offensive des westlichen Imperialismus gegen Russland, die besonders in der Ostausdehnung von EU und NATO zum Ausdruck kam, Russland zur Gegenoffensive veranlasste. Doch diese Gegenoffensive Russlands ist imperialistisch und eben kein „erzwungener Antiimperialismus“, Herr Lauterbach!
Sozialrevolutionärer Antiimperialismus kämpft auch nicht für Frieden zwischen den Nationalstaaten, sondern bereitet den möglichen proletarischen Klassenkrieg gegen diese vor. Der bürgerliche Frieden ist lediglich der nichtmilitärische Konkurrenzkampf zwischen den Nationen und absolut asozial-gewalttätig. Er ist eine besondere Form des kapitalistischen Klassenkrieges gegen das Proletariat. Das kapitalistische Pack schlägt und verträgt sich – immer auf Kosten des Proletariats. Und zu diesem Pack, zur linken Fraktion des Kapitals, gehört auch die D„K“P. Diese forderte im Wahlkampf zum Europaparlament 2019 „Frieden mit Russland!“ Doch der Frieden unserer Ausbeuter ist der gemeinsame Klassenkrieg gegen uns! Der reaktionäre Nationalpazifismus der D„K“P ist nur die andere Seite der Medaille des linksnationalen Militarismus, mit dem Kriege angeblich „fortschrittlicher“ Staaten unterstützt werden.

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Neue Broschüre: Globale Klassenkämpfe (2015-2017) https://swiderstand.blackblogs.org/2017/12/29/neue-broschuere-globale-klassenkaempfe-2015-2017/ https://swiderstand.blackblogs.org/2017/12/29/neue-broschuere-globale-klassenkaempfe-2015-2017/#respond Fri, 29 Dec 2017 08:09:44 +0000 http://swiderstand.blogsport.de/?p=148 Unsere neue Broschüre: „Globale Klassenkämpfe (2015-2017)“ (ca. 120 Seiten) von Soziale Befreiung ist da. Die Broschüre könnt Ihr hier für 5-€ (inkl. Porto) über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de bestellen.

Inhalt

Einleitung

1. Weltbourgeoise, globales KleinbürgerInnentum und Weltproletariat

2. Die internationale Politik gegen das Proletariat

3. Der globale Gewerkschaftsreformismus

4. Kapitalistische und staatliche Repression

5. Klassenkämpfe im Chemie- und Energiesektor

6. Auseinandersetzungen in der Textilindustrie

7. Konflikte in der Metallindustrie

8. Klassenauseinandersetzungen im Personen- und Güterverkehr (Logistik)

9. Kämpfe im Gesundheitswesen

10. Klassenkonflikte im Hotel- und Gaststättenwesen

11. Auseinandersetzungen in der Landwirtschaft und der Lebensmittelindustrie

12. Konflikte im Einzel- und Versandhandel

13. Kämpfe im Bankgewerbe

14. Klassenkämpfe beim öffentlichen Dienst

15. Branchenübergreifende Massenstreiks

16. Proletarische Straßenbewegungen

17. Klassenübergreifende Straßenbewegungen

18. Kleinbürgerliche soziale Bewegungen

19. Weltrevolutionäre Perspektiven

Branchenübergreifende Massenstreiks

Der unbefristete branchenübergreifende Massenstreik ist die höchste Form des proletarischen Klassenkampfes mit verdammt großen sozialrevolutionären Tendenzen und Potenzen. Solche Streiks richten sich meistens gegen den Staat als ideellen Gesamtkapitalisten und politischen Gewaltapparat der Kapitalvermehrung. Diese werden von den politischen Strömungen als „politische Streiks“ bezeichnet. Aus antipolitisch-sozialrevolutionärer Sicht ist dazu folgendes zu sagen: Insofern die meisten branchenübergreifenden Arbeitsniederlegungen objektiv gegen den Staat gerichtet sind, haben sie antipolitische Tendenzen. Indem jedoch in diesen Streiks meistens reproduktiv-reformistische Forderungen an den Staat gestellt und sie von bürgerlich-bürokratischen Gewerkschaftsapparaten – die mehr oder weniger stark in die Nationalkapitale und Nationalstaaten integriert sind – organisiert und gebremst werden, weisen sie in der Tat einen den Staat reproduzierenden, also einen politischen Charakter, auf. Es ist die Aufgabe von SozialrevolutionärInnen an „politischen“ Streiks teilzunehmen beziehungsweise diese zu unterstützen und gleichzeitig die politischen und staatsreproduzierenden Illusionen unserer KollegInnen und Klassengeschwister zu kritisieren. Damit leisten SozialrevolutionärInnen einen wichtigen Beitrag dazu, dass sich die von der Gewerkschaftsbürokratie organisierten politischen Streiks irgendwann einmal möglicherweise in außergewöhnlichen Situationen in sozialrevolutionär-antipolitische und staatszerschlagende Arbeitsniederlegungen und Betriebsbesetzungen verwandeln.
Die nationalen Bourgeoisien, ihre Staaten und die bürgerlich-bürokratischen Gewerkschaftsapparate haben zu Recht Angst von den revolutionären Tendenzen und Potenzen unbefristeter branchenübergreifender Massenstreiks. Deshalb kastrieren die Gewerkschaftsbonzen im Interesse des jeweiligen Nationalkapitals meistens die branchenübergreifenden Massenstreiks zu auf einen Tag oder mehrere Tage beschränkte Generalstreiks. Doch selbst diese gewerkschaftlich kastrierten branchenübergreifenden Massenstreiks sind ein Ausdruck der klassenweiten aktiven proletarischen Solidarität und sozialen Wirkmächtigkeit dieser Klasse und außerdem der klassenkämpferischen Teile des lohnabhängigen KleinbürgerInnentums.
In Griechenland entwickelte sich 2016 sowohl der bäuerliche Widerstand (siehe Kapitel 18) als auch der proletarische Klassenkampf gegen das linksbürgerliche Syriza-Regime – getrennt voneinander, aber mit dem gemeinsamen Ziel die neuesten Angriffe der internationalen Gläubigergemeinschaft aus Europäischer Union (EU), Internationaler Währungsfonds (IWF), Europäischer Zentralbank (EZB) und des bei diesen Institutionen hochverschuldeten griechischen Nationalkapitals auf das KleinbürgerInnentum und das Proletariat zurückzuschlagen. Der Angriff war die vom Syriza-Regime auf Druck der Gläubiger und der griechischen Bourgeoisie geplante Rentenreform. In der Zeitung konnten wir über diese Anfang Januar 2016 lesen: „Die griechische Regierung hat ein neues Rentensystem ausgearbeitet und dies den internationalen Geldgebern zur Genehmigung vorgelegt. Der Vorschlag beinhaltet weitere Kürzungen von durchschnittlich 15 Prozent der Leistungen. Am härtesten trifft es Medienberichten zufolge die Bauern. Deren Rentenbeiträge steigen bis 2019 stufenweise auf 20 Prozent ihres Einkommens. Regierungschef Alexis Tsipras bezeichnete die Maßnahmen als ,absolut notwendig‘. Dagegen bereiten die Gewerkschaften für Ende Januar (2016) umfangreiche Streiks vor.“ (Regierung in Athen kürzt Renten, in: junge Welt vom 6. Januar 2016, S. 1.)
Unter „Führung“ der verschiedenen politischen Fraktionen der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung entwickelte sich der reproduktive Klassenkampf des Proletariats in Griechenland unterhalb des notwendigen unbefristeten Massenstreiks. Die der „Kommunistischen“ Partei Griechenlands („K“KE) nahestehende Gewerkschaftsfront PAME und die Gewerkschaft der Angestellten in der griechischen zivilen Luftfahrt (OSYPA) mobilisierten „ihre“ proletarische Mitgliedschaft am 8. Januar 2016 gegen die Rentenkürzungen und die Privatisierung der Flughäfen durch das linksbürgerliche Syriza-Regime. An diesem Tag legten die Angestellten der zivilen Luftfahrt für 24 Stunden die Arbeit nieder, wodurch die Inlandsflüge ausfielen. Die partei-„kommunistisch“ beeinflusste PAME protestierte ebenfalls am 8. Januar gegen das „Rentenreformgesetz“ des Syriza-Regimes in Athen. In einer Aktion von etwa 100 DemonstrantInnen wurde der Haupteingang zum Regierungssitz des Ministerpräsidenten Alexis Tsipras sieben Stunden lang blockiert. Zuvor hatten die AktivistInnen die Repressionskräfte ausgetrickst, indem sie sich als TouristInnen tarnten. Vor dem griechischen Parlament kam es zu Rangeleien. Die Bullen hinderten dort 600 DemonstrantInnen daran, sich der Aktion vor dem Regierungssitz anzuschließen.
Auch am 12. Januar 2016 traten ProletarierInnen in den reproduktiven Klassenkampf und KleinbürgerInnen in den sozialen Protest gegen die Rentenkürzungspläne des griechischen Staates. Sowohl die EisenbahnerInnen als auch die RechtsanwältInnen streikten an diesem Tag. Durch die dreistündige Arbeitsniederlegung der EisenbahnerInnen wurde der Bahnverkehr gestört, während die RechtsanwältInnen drei Tage lang streikten. Dadurch fielen fast alle Gerichtsverhandlungen aus. An ihrem dritten Streiktag, am 14. Januar 2016 versammelten sich mehr als 2.000 RechtsanwältInnen in Athen zu einer Protestkundgebung. Am 20. Januar 2016 traten die Seeleute gegen die Rentenkürzungen in den Streik. Ebenfalls an diesem Tag blockierten die BäuerInnen mit hunderten Traktoren die Autobahnen Griechenlands.
„Auch die Seeleute streikten gestern (27. Januar 2016) und brachten den Fährbetrieb zum Erliegen. Premierminister Alexis Tsipras bot zwar Gespräche an, bezeichnete die ,Rentenreform‘ jedoch am Dienstagabend (26. Januar 2016) als ,notwendig‘. Die Einnahmen der Rentenkassen waren in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen, da die Arbeitslosenquote auf rund 25 Prozent anstieg. Für den heutigen Donnerstag (28. Januar 2016) sind weitere Streiks angekündigt.“ (Griechenland: Bauern und Seeleute streiken, in: junge Welt vom 28. Januar 2016, S. 1.)
Die BäuerInnen blockierten die Straßen, Seeleute legten Ende Januar die Arbeit nieder und die RechtsanwältInnen verlängerten ihren Streik mehrmals. Am 2. Februar 2016 legten auch die FahrerInnen der Busse, U- und Straßenbahnen für fünf Stunden die Arbeit nieder. Der reproduktive Klassenkampf des Proletariats und der kleinbürgerliche soziale Widerstand vereinigten sich auch am 4. Februar 2016, am Tag des Generalstreiks. Während das Proletariat massenhaft die Arbeit niederlegte, setzten die BäuerInnen ihre bereits wochenlange Blockade der Autobahnen aus, um den streikenden LohnarbeiterInnen die Fahrt zu den Kundgebungen zu ermöglichen. Zum Generalstreik hatten diesmal nicht nur die beiden Gewerkschaftsverbände GSEE (Privatwirtschaft) und ADEDY (staatlicher Sektor) aufgerufen, sondern auch kleinbürgerliche Verbände wie fast alle Vereinigungen der FreiberuflerInnen. Zahlreiche Kleinunternehmen des Einzelhandels nahmen am eintägigen Ausstand teil. Auch die Tankstellen blieben an jenem 4. Februar 2016 geschlossen. Nach dem Generalstreik entwickelten sich sowohl der proletarische Klassenkampf als auch der kleinbürgerliche soziale Protest (siehe Kapitel 18) gegen die geplanten Rentenkürzungen des Syriza-Regimes weiter. So traten die Lohnabhängigen am 1. Mai 2017 in einen 24stündigen Streik.
In Frankreich entfaltete sich im Jahre 2016 der gewerkschaftlich gebremste proletarische Widerstand gegen die von der sozialdemokratischen Regierung am 20. Juli des genannten Jahres durchgesetzte Arbeitsmarktreform (siehe Kapitel 2). Dieser Klassenkampf war objektiv und subjektiv in dem Sinne antipolitisch, dass er sich gegen Maßnahmen des französischen Staates richtete und auch die proletarische Wut gegen den politischen Apparat der Kapitalvermehrung zum Ausdruck brachte. Aber er war auch politisch in dem Sinne, dass er unter der Kontrolle der bürgerlich-bürokratischen Gewerkschaftsapparate blieb und auch die Illusionen des Proletariats in eine „andere, arbeitnehmerfreundliche“ Politik zum Ausdruck brachte. Besonders letztere wurden und werden auch von den linken Politschranzen geschürt. Die Arbeitsmarktreformen des sozialdemokratischen Regimes hätten nur möglicherweise durch den unbefristeten Massenstreik verhindert werden können. Doch die Gewerkschaftsbonzen organisierten gegen den Angriff des französischen Staates bis zum Inkrafttreten der Arbeitsmarktreform von 2016 nur zwölf so genannte Aktionstage.
In Französisch-Guyana trat das klassenkämpferische Proletariat am 27. März 2017 in einen unbefristeten Generalstreik. Dieser war die Steigerung von Streiks und Straßenbewegungen, die sich davor entwickelten. Der soziale Protest richtete sich unter anderem gegen die hohe Kriminalität. Bereits am 20. März 2017 blockierten streikende ProletarierInnen eines Subunternehmens des Weltraumzentrums von Kourou und die Lohnabhängigen eines Krankenhauses in der Nähe zusammen mit Anwohnerinitiativen die Zufahrtswege zum Weltraumbahnhof. Den Bullen gelang es trotz des Einsatzes von Tränengas nicht, die Barrikaden des klassenkämpferischen Proletariats zu räumen. Aufgrund dessen musste daraufhin der für den 21. März 2017 geplante Start der Trägerrakete vom Typ „Ariane 5“ auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Durch den Generalstreik ab dem 27. März wurde die Wirtschaft weitgehend lahmgelegt. Doch der unbefristete Generalstreik blieb im Rahmen des reproduktiven Klassenkampfes. Die 37 bürgerlich-bürokratischen Gewerkschaftsapparate beendeten ihn am 21. April 2017 für staatliche Hilfen in Höhe von 2,1 Milliarden Euro.
In Brasilien legte das klassenkämpferische Proletariat am 28. April 2017 für 24 Stunden die Arbeit nieder. Nach Angaben der brasilianischen Gewerkschaftsbonzen, die den proletarischen Klassenkampf kontrollierten, beteiligten sich an diesem Ausstand zwischen 35 und 40 Millionen Menschen. Der Streik richtete sich gegen die geplanten Angriffe der rechtsreaktionären Regierung zur Verschärfung des Arbeitsrechts und der Kürzung der Renten.
Am 22. August 2017 riefen die Gewerkschaften CGT, CTA und CTA Autónoma in Argentinien zu einem branchenübergreifenden Proteststreik gegen die Wirtschafts- und Sozialpolitik des rechtsreaktionären Regimes und zu einer Demonstration in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires auf. Dieser Proteststreik richtete sich vor allem gegen die von Präsident Macri angekündigte Arbeitsreform, gegen Einkommenskürzung und die geplante Erhöhung des Renteneintrittsalters. Bereits am 6. April 2017 hatte das klassenkämpferische Proletariat durch einen 24stündigen Generalstreik die argentinische Wirtschaft weitgehend lahmgelegt. Die machtvolle Arbeitsniederlegung richtete sich gegen die hohe Inflation und Arbeitslosigkeit. Der öffentliche Nahverkehr kam nahezu zum erliegen. Schulen und Banken blieben geschlossen. Es kam bei Straßenblockaden auf den Zufahrten der Hauptstadt zu körperlichen Auseinandersetzungen zwischen ProletarierInnen und den Bullen des Kapitals. Doch die Gewerkschaftsbonzen verhinderten einen unbefristeten Massenstreik gegen das rechtsreaktionäre Regime.

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Neue Broschüre: Schriften zum Klassenkampf VI https://swiderstand.blackblogs.org/2016/09/20/neue-broschuere-schriften-zum-klassenkampf-vi/ https://swiderstand.blackblogs.org/2016/09/20/neue-broschuere-schriften-zum-klassenkampf-vi/#respond Tue, 20 Sep 2016 10:32:17 +0000 http://swiderstand.blogsport.de/?p=130 Unsere neue Broschüre: „Schriften zum Klassenkampf VI“ (ca. 124 Seiten) von Soziale Befreiung (Hg.) ist da. Die Broschüre könnt Ihr hier für 5-€ (inkl. Porto) über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de bestellen.

Inhalt

Einleitung

Klassenkampf und Straßenbewegungen

1. Soziale Straßenbewegungen als Teil des proletarischen Klassenkampfes
2. Soziale und politische Straßenbewegungen
3. LehrerInnen und SchülerInnenbewegung
4. Proletarischer Klassenkampf und soziale Straßenbewegungen in der Weltrevolution

Die Instrumentalisierung des Proletariats in Machtkämpfen der Herrschenden

1. Polen
2. Iran

Konkurrenz, Straßenrassismus, Antifa und Klassenkampf

1. Der permanente Konkurrenzkampf
2. Elitärer Nationalismus und Straßenrassismus in der BRD
3. Staatsantifaschismus
4. Antirassismus/Antifaschismus als kleinbürgerliche Straßenbewegung
5. Proletarischer Klassenkampf und sozialrevolutionärer Universalismus

Die Bewegung gegen Bullenterror in den USA

1. Der Bullenterror
2. Der Bullenterror als Teil des Klassenkrieges von Oben
3. Die Bewegung gegen den Bullenterror

Der Bullenterror als Teil des Klassenkrieges von Oben

„Mit der sogenannten Wirtschaftskrise und der ständig wachsenden Arbeitslosigkeit der jungen Schwarzen, die in manchen Gegenden 50 Prozent erreicht, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit von Gegenwehr. Es gab also eine Eskalation. In vielen Vierteln, auch in Latinovierteln, ist die Polizei eine Besatzungsarmee, die dieselben Waffen benutzt wie im Irak und Afghanistan. Mit den war on terror wurde die Polizei seit 2001 immer stärker militarisiert. Sie wird seit vielen Jahren von der Armee ausgebildet und ist mit denselben Waffen ausgerüstet, deshalb herrscht in vielen Vierteln praktisch dasselbe Level an Polizeibrutalität wie vielleicht in den Vierteln von Kabul oder im Irak.
Die USA sind um den Krieg herum organisiert. Krieg im Irak, in Afghanistan, Militärbasen in der ganzen Welt, und dann der Jemen und indirekt Syrien usw. (…) All dies wirkt sich auf das Verhalten der Polizei aus. Wenn du Immigrant bist oder in einem armen Viertel lebst, können sie dir Sonntagmorgens die Wohnungstür aufbrechen und mit gezogener Waffe reinkommen unter dem Vorwand, nach Waffen oder Drogen zu suchen. Die Polizei behandelt die jungen Schwarzen wie feindliche Kämpfer: shoot first and ask later (erst schießen, dann fragen), genauso, wie sie es in den Vierteln im Irak lernen. Und sie genießen dabei dieselbe Straflosigkeit, sie können hier wie dort tun, was sie wollen. Die Linie zwischen Polizei und Armee verschwimmt immer mehr: dieselben Taktiken, dieselbe Ausbildung, dieselbe Bewaffnung.“ (Silvia Federici, Zitiert nach Ferguson zeigt das Ende der politischen Vertretung. Interview mit Silvia Federici und George Caffentzis, 1.12.2014, in: Wildcat 97, Winter 2014/2015, S. 11.)
Der oben beschriebene Bullenterror ist Teil des Klassenkrieges der Bourgeoisie gegen das besonders hart ausgebeutete und unterdrückte schwarze Proletariat in den USA. Schwarze Lohnabhängige bekommen in den USA noch immer durchschnittlich bei der Vermietung ihrer Arbeitskraft weniger Geld als ihre weißen KollegInnen. Zum Beispiel war der Lohn schwarzer ArbeiterInnen 2012 durchschnittlich um 13,7 Prozent niedriger als der ihrer weißen KollegInnen. Auch die Arbeitslosigkeit ist höher. So betrug nach offiziellen Angaben des US-Arbeitsamtes Ende 2014 die Arbeitslosigkeit unter AfroamerikanerInnen 10,7 Prozent, während sie unter Weißen 4,6 Prozent ausmachte. In den Schwarzen-Ghettos sind die Grenzen zwischen den untersten Schichten der ArbeiterInnenklasse und den nichtlohnarbeitenden Schichten des Proletariats sehr fließend. Afroamerikanische ArbeiterInnen haben oft zwei oder drei Billigjobs, um sich über Wasser zu halten. Kleinkriminalität wie Drogenhandel und blutige Bandenrivalität in den Schwarzen-Ghettos sind Folge der rassistischen Extraausbeutung und -unterdrückung des afroamerikanischen Proletariats. Was in den USA offiziell unter dem Namen „Kriminalitätsbekämpfung“ läuft, ist in Wirklichkeit ein brutaler Klassenkrieg von oben gegen das nichtlohnarbeitende schwarze Proletariat, der geradezu mörderisch ist. Das zu erkennen, heißt nicht vor den asozialen und destruktiven Tendenzen der Kriminalität die Augen zu verschließen, aber diese müssen immer mit dem strukturellen Rassismus im Zusammenhang gesehen werden. Der mörderische Bullenterror gegen die afroamerikanische Bevölkerung ist eine Mischung aus Sozialdarwinismus und Staatsrassismus. Und es darf auch nicht vergessen werden, dass große Teile des erwerbslosen schwarzen Proletariats sich durchschlagen, ohne in die Kriminalität zu geraten. Doch im strukturellen Raster der Bullen ist jeder schwarze Proletarier ein potenzieller Krimineller.
Dass einige Schwarze zum politischen Personal der US-Bourgeoisie gehören, ändert nichts daran. Die formale Aufhebung der „Rassentrennung“ in den USA hat die rassistische Extraausbeutung und -unterdrückung des afroamerikanischen Proletariats ebenfalls nur modernisiert, aber eben nicht aufgehoben. Die faktische „Rassentrennung“, also das Weiße und Schwarze in unterschiedlichen Wohnvierteln leben, nahm in den letzten Jahrzehnten eher noch zu. Auch in Chicago war das so. So stieg der Anteil der Schwarzen, die in Stadtteilen mit mehr als 90% afroamerikanischer Bevölkerung lebten, von 40,7 Prozent im Jahre 1960 auf 53,7 1970, 60,7 1980 und auf 62,9 Prozent im Jahre 1990. Wir sehen also, dass die 1980er Jahre in Chicago vollkommen in der rassistischen Kontinuität lagen. Und doch wurde die Stadt in den 1980er Jahren (1983-1987) von einem schwarzen Bürgermeister, von Harold Washington, regiert. Dass die rassistische Kontinuität nicht durch schwarze PolitikerInnen durchbrochen werden kann, liegt nicht in erster Linie daran, dass ihre Regierungszeiten nur relativ kurze Perioden bleiben können, sondern dass sie zum politischen Personal des US-Nationalkapitals gehören, welches auch von der Extraausbeutung des schwarzen Proletariats lebt. „Schwarze“ Politik kann wie „weiße“ nur kapitalistisch sein, nur die revolutionäre Aufhebung der Politik, also die Zerschlagung der USA durch das Proletariat kann auch den strukturellen Rassismus aufheben. Wenn die schwarzen ProletarierInnen sich nicht mehr verarschen lassen wollen, müssen sie mit der „schwarzen“ Politik brechen, so wie die weißen ProletarierInnen mit der „weißen“ Politik brechen müssen, wenn sie sie sich sozial befreien wollen.

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Neue Broschüre: Zionismus und arabischer Nationalismus https://swiderstand.blackblogs.org/2015/05/04/neue-broschuere-zionismus-und-arabischer-nationalismus/ https://swiderstand.blackblogs.org/2015/05/04/neue-broschuere-zionismus-und-arabischer-nationalismus/#respond Mon, 04 May 2015 07:48:21 +0000 http://swiderstand.blogsport.de/?p=104 Unsere neue Broschüre: „Zionismus und arabischer Nationalismus“ (ca. 121 Seiten) von Soziale Befreiung (Hg.) ist da. Die Broschüre könnt ihr hier für 5-€ (inkl. Porto) über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de bestellen.

 

Inhalt

Einleitung

I. Europäischer Antijudaismus, Zionismus und palästinensischer Nationalismus vor 1948
1. Von der relativen Assimilation der Juden in Westeuropa zum massenmörderischen Antijudaismus
2. Die Symbiose aus Antijudaismus und Zionismus
3. Osmanisches Reich, britischer Imperialismus, Zionismus, palästinensischer Nationalismus und Faschismus
4. Palästina nach dem Zweiten Weltkrieg

II Israel, der palästinensische Nationalismus und arabische Staaten
1. Der Krieg von 1948/49
2. Der Sechstage-Krieg von 1967
3. Der Krieg von 1973
4. Die Formierung des modernen palästinensischen Nationalismus
5. Der globale Krieg zwischen Israel und dem palästinensischen Exil-Nationalismus
6. Israel und die Besetzten Palästinensischen Gebiete (BPG)
7. Israel, die PLO und Jordanien
8. Israel, der palästinensische Nationalismus und Ägypten
9. Israel, die PLO und der Libanon
10. Israel, der palästinensische Nationalismus und Syrien

III Der sozialreaktionäre Charakter Israels
1. Auschwitz und Israel
2. Israel, das Judentum, der nichtjüdische Prozionismus und der Antijudaismus
3. Israel als eigenwilliger Wachhund des US-Imperialismus
4. Die Vermehrung des israelischen Nationalkapitals
5. Die israelische Apartheid-Demokratie

IV Die sozialrevolutionäre Nullstaatenlösung
1. Die mögliche Formierung des Weltproletariats zum revolutionären Subjekt
2. Die revolutionäre Zerschlagung aller Nationalismen

Von der relativen Assimilation der Juden in Westeuropa zum massenmörderischen Antijudaismus

Das alte Judentum war ein vorindustriekapitalistisches Handelsvolk, deren sozialökonomische Basis sich in der jüdischen Religion ideologisch spiegelte. So wie auch der evangelische Protestantismus – besonders der Calvinismus – die sozialpsychologischen Bedürfnisse der christlichen Bourgeoisie befriedigte. Was war die Funktion von vorindustriekapitalistischen Handelsvölkern wie den Juden? Sie verkörperten bis zum 11. Jahrhundert den verselbständigten Tauschwert, das Geld, in einer Agrargesellschaft, die noch weitgehend von der Naturalproduktion beherrscht war. Im europäischen Feudalismus spielte in der Landwirtschaft das Geld keine Rolle. Die BäuerInnen produzierten fast alles selbst was sie brauchten und die Abgaben an die Feudalherren wurden auch in Form von Naturalabgaben geleistet. Die Feudalherren brauchten allerdings Geld zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse nach orientalischen Luxusgütern. Hier kam das Judentum als vorindustriekapitalistisches Handelsvolk ins Spiel. Es handelte mit Luxusgütern und stellte den Feudalherren durch Wucher Geld zur Verfügung.
Den Christen war es von der Kirche verboten Zins zu nehmen. So betrieben oft Juden im Auftrag und im Interesse der Feudalherren Finanzgeschäfte. Dafür wurden die Juden oft zum Sündenbock für die Misswirtschaft. Das feudale System wusch sich rein, indem es auf den schmutzigen Juden verwies. Die Judenverfolgung hatte auch damals schon – trotz der irrationalen Ideologie, die sie produzierte – einen rationalen, die Herrschaft sichernden Kern. In der ständischen Gesellschaft des Feudalismus wurde der Charakter des Judentums als vorindustriekapitalistisches Handelsvolk verrechtlicht und zementiert.
Im Gegensatz zu einer Verschwörungslegende des Antijudaismus waren die Juden eben nicht die „ErfinderInnen“ des modernen europäischen Kapitalismus, sondern sie wurden im Gegenteil mit der Herausbildung einer christlichen Handels- , Finanz- und schließlich Industriebourgeoisie ziemlich an den Rand gedrängt und Verfolgungen sowie Vertreibungen ausgesetzt. Zuerst wurden die Juden von einer ab dem 11. Jahrhundert entstehenden christlichen Handelsbourgeoisie aus dem Handel verdrängt. Es blieb ihnen oft nur noch das Wuchergeschäft. Der Antijudaismus ist eine extrem ideologisch verzerrte Widerspiegelung der Tatsachen, dass die Juden durch ihr Handelsmonopol bis zum 11. Jahrhundert den Tauschwert in einer noch vorwiegend von der Naturalwirtschaft geprägten Gesellschaft verkörperten und dann, als das Geld immer stärker den Feudalismus aushöhlte und zerstörte, von einer christlichen Handelsbourgeoisie immer mehr in den Wucher verdrängt wurden. Aber im modernen Kapitalismus verkörpern die Juden nicht mehr und nicht weniger das Geld als alle anderen Sprach-, Religions- und Kulturgemeinschaften auch.
In dem Maße, wie sich in den feudal-bürgerlichen Gesellschaften eine christliche Handelsbourgeoisie, welche auch den Geldhandel betrieb, entwickelte, konnten die Juden ab dem 12. Jahrhundert aus dem Handel verdrängt und vorübergehend vertrieben werden. Vorher nicht, weil das schwerwiegende sozialökonomische Folgen gehabt hätte. Die jüdische Religionsgemeinschaft wurde immer stärker von der anderen Bevölkerung isoliert. Zwischen 1099 und 1291 wurde die jüdische Bevölkerung in Palästina durch Kreuzfahrer und Seldschuken dezimiert. Seit dem 13. Jahrhundert erfolgte die zwangsweise Ansiedlung in geschlossene Stadtviertel (Judengasse, Judenviertel, Judenquartier, Ghetto). So wurden die Juden in den Jahren 1182, 1268 und 1306 aus Frankreich vertrieben. Die Juden wurden also als vorindustriekapitalistisches Handelsvolk mit der Entwicklung einer christlichen Handelsbourgeoisie zunehmend verdrängt und nach Osteuropa vertrieben. Die Pest von 1348-51 wurde in ganz Europa zu einer barbarischen Judenverfolgung zum Anlass genommen. Sie forderte Zehntausende von Opfern und führte zu einer starken jüdischen Auswanderung, besonders von Deutschland nach Polen. Joachim Kahl bemerkt zu Recht: „So umfassend wurden die Juden ausgerottet, dass die Katastrophe dieser Jahre auf faschistische Pogrome unter Hitler vorausweist.“ (Joachim Kahl, Das Elend des Christentums, Rowohlt Taschenbuch, Reinbek bei Hamburg, 1968/1993 S. 48.)
Mit der Entwicklung des Industriekapitalismus und der Entstehung moderner demokratischer Rechtsstaaten als den effektivsten politischen Formen der sozialen Diktatur des Kapitals in Westeuropa, bestand für die Juden Westeuropas immer stärker sowohl die Möglichkeit als auch die Notwendigkeit sich als vorindustriekapitalistisches Handelsvolk aufzuheben und sich in die entstehenden Nationalstaaten zu assimilieren. Bei einer geglückten Assimilation würden die Juden sich sozial in die drei Hauptklassen Bourgeoisie, KleinbürgerInnentum und Proletariat spalten und als Religions- und Kulturgemeinschaft die Religionsfreiheit genießen. Die Juden würden sich durch den Nationalismus in erster Linie als FranzösInnen, EngländerInnen, Deutsche usw. fühlen, und ihr Judentum wäre wie jede Religion Privatsache. Diese Assimilation war auch im 19. Jahrhundert in Westeuropa relativ erfolgreich. Doch diese relative Assimilation war auch in Westeuropa immer wieder durch mal stärkere und mal schwächere Schübe des Antijudaismus geprägt. Besonders das KleinbürgerInnentum – aber auch Teile des Proletariats und der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung – waren durchaus anfällig gegenüber dieser chauvinistischen Ideologie.
In Osteuropa –besonders im zaristischen Russland – war der Kapitalismus zu schwach entwickelt, um das Judentum zu assimilieren. Der Kapitalismus war zwar auch dort Ende des 19. Jahrhunderts/Anfang des 20. Jahrhunderts schon so stark, dass es massenhaft das jüdische Kleinhandwerk ruinierte, aber eben zu schwach, um das ruinierte jüdische KleinbürgerInnentum vollständig in ein Proletariat transformieren zu können. Das erzeugte in der jüdischen Bevölkerung –besonders im russisch annektierten Teil Polens – eine große Arbeitslosigkeit und ein für das Kapital unproduktives Elend. Zwar entwickelte sich auch ein jüdisches Proletariat, doch das wurde vorwiegend im zugrunde gehenden jüdischen Kleinhandwerk ausgebeutet. Im russisch annektierten Teil Polens verboten die polnischen Berufsgewerkschaften bis zum Sturz des Zarismus den jüdischen ProletarierInnen die Arbeit in der Industrie. Der überlebte Zarismus versuchte sich zu erhalten, indem er die soziale Wut – besonders der BäuerInnen –auf die Juden lenkte. Die Organisation bzw. Duldung antijüdischer Pogrome hatte für den russischen Zarismus eine herrschaftsstabilisierende Funktion. Er schürte auch die antijüdische Verschwörungsideologie nach Leibeskräften und produzierte das antijüdische Machwerk Protokolle der Weisen von Zion. Diese Hetzschrift gehörte international zur Lieblingslektüre aller Judenhasser, unter ihnen auch Adolf Hitler.
Die Nichtintegration der Juden im ökonomisch unterentwickelten Osteuropa hatte drei Folgen: Die Emigration nach Westeuropa, in die USA und nach Palästina, die Entstehung einer besonderen jüdischen institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung und die Entwicklung des jüdischen Nationalismus, des Zionismus. Mit den beiden letztgenannten Folgen werden wir uns in den folgenden Kapiteln dieses Teiles auseinandersetzen. Hier wollen wir uns mit der Emigration osteuropäischer Juden und Jüdinnen nach Westeuropa und dem Anwachsen des Antijudaismus als chauvinistischer Reaktion auf die osteuropäisch-jüdische Migration beschäftigen. Die Ankunft jüdischer MigrantInnen aus Osteuropa stärkte auch in Westeuropa den Antijudaismus als reaktionäre chauvinistische Konkurrenzideologie. Mehrere europäische Nationalstaaten versuchten die jüdische Emigration gesetzlich einzuschränken. So erließ Großbritannien 1905 das berüchtigte Fremdengesetz, mit dem den osteuropäischen Juden und Jüdinnen die Migration auf die Insel verunmöglicht wurde.
Die so genannte „jüdische Frage“ in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bestand aus der Nichtassimilation der Juden und Jüdinnen durch den noch schwachen osteuropäischen Kapitalismus und die Rückgängigmachung der relativen Assimilation durch den deutschen Krisenkapitalismus in seiner NS-faschistischen Form und schließlich im antijüdischen Massenmord. Die relative Assimilation der Juden in Westeuropa im 19. Jahrhundert beruhte auf der beschleunigten Kapitalvermehrung. Doch diese beschleunigte Kapitalvermehrung geriet ab 1914 in die strukturelle Profitproduktionskrise. Diese war in erster Linie ein Ausdruck des tendenziellen Falles der Profitrate, dem Verhältnis zwischen den Kosten der kapitalistischen Produktion (Produktionsmittel- und Lohnkosten) und ihren Gewinnen. Diese Profitrate fällt tendenziell durch zwei gesellschaftliche Prozesse. Der eine Prozess ist die zunehmende Mechanisierung und Automatisierung der kapitalistischen Produktionsweise, bei der immer mehr Funktionen der menschlichen Arbeitskräfte (ProletarierInnen, menschliches produktives Kapital) zur Funktion der Maschinerie (sachliches produktives Kapital) werden. Dadurch steigen tendenziell die Produktionsmittelkosten schneller und stärker an als die Gewinne. Die Folge ist ein tendenzieller Fall des Verhältnisses zwischen den Kosten der kapitalistischen Produktion und ihren Gewinnen (Profitrate). Diesem Fall der Profitrate können die KapitalistInnen entgegenwirken, indem sie die Ausbeutungsrate (Mehrwertrate) als Verhältnis zwischen den Lohnkosten und dem vom Proletariat erzeugten Mehrwert, den sich die Bourgeoisie aneignet, erhöhen. In der selbstreproduktiven Arbeitszeit erzeugt das Proletariat einen Wert, der den Lohnkosten entspricht, während es in der Mehrarbeitszeit den Gewinn für das Kapital produziert. Der Kampf um höhere Löhne und kürzere Arbeitszeiten, also der reproduktive Klassenkampf des Proletariats im Rahmen des Kapitalismus, lässt die Mehrwertrate und damit auch die Profitrate sinken. Die KapitalistInnen müssen durch das Senken des Reallohnes sowie durch Arbeitsverdichtung oder unbezahlte Arbeitsverlängerung danach streben, die Mehrwertrate zu erhöhen, die wichtigste Gegentendenz zum Fall der Profitrate. Die strukturelle Profitproduktionskrise führt also zur Verschärfung des Klassenkampfes.
Während die Erhöhung der Ausbeutung des Proletariats die wichtigste Gegentendenz zum tendenziellen Fall der Profitrate darstellt, ist die Erhöhung der Profitmasse bei einer fallenden Profitrate eine wichtige Kompensation. Größere Kapitale erzielen eine größere Profitmasse. Neben dem einfachen Wachstum der Kapitale, führt das Schlucken von kleinerem und kriselndem Kapital durch größeres und ökonomisch potenteres Kapital zur weiteren Konzentration und Zentralisation des Kapitals. Gerät der Kapitalismus in eine strukturelle Profitproduktionskrise, verschärft sich also der Konkurrenzkampf enorm. Sowohl zwischen KapitalistInnen und KleinbürgerInnen innerhalb der einzelnen Nationalkapitale/Nationalstaaten als auch die imperialistische Konkurrenz zwischen den letztgenannten. Und damit laden sich auch alle chauvinistischen Konkurrenzideologien wie Nationalismus, Rassismus und Antijudaismus auf. Konkurrenz gibt es nicht nur zwischen KapitalistInnen und KleinbürgerInnen, sondern auch zwischen ProletarierInnen auf dem Arbeitsmarkt. Der permanente Konkurrenzkampf innerhalb des Kapitalismus, wozu auch der imperialistische Krieg zwischen Staaten gehört, ist potenziell und tendenziell massenmörderisch und entfesselte während der strukturellen Profitproduktionskrise zwischen 1914 und 1945 seine bisher gewaltigste zivilisationsbarbarische Zerstörungskraft. Dazu gehören die beiden von Deutschland begonnenen Weltkriege, die aber auch von Seiten aller seiner Feinde – einschließlich der staatskapitalistischen Sowjetunion – imperialistisch-reaktionäre Kriege waren, der kapitalistisch-industrielle Massenmord an den europäischen Jüdinnen und Juden durch den deutschen NS-Faschismus und das atomare Massaker des US-Imperialismus in Japan. Beide Weltkriege waren vor allem ein ultrabrutaler Klassenkampf von oben, bei denen sich die ProletarierInnen zum Wohle des Weltkapitalismus gegeneinander massakrierten. Diese Tatsache zu verschleiern, ist bis auf den heutigen Tag das dreckige Geschäft von Neofaschismus und einem großen Teil des Antifaschismus, der sich auf die Seite der imperialistischen Kriegsgegner des NS-Faschismus stellt. Wer Hiroshima und Auschwitz gegeneinander in Stellung bringt und so relativiert, dem gehört das Maul gestopft!
Sowohl die beschleunigte Kapitalvermehrung als auch die strukturelle Profitproduktionskrise sind durch die Konjunkturzyklen geprägt (Aufschwung und Krise). Allerdings sind in der strukturellen Profitproduktionskrise die Aufschwünge weniger expansiv, dafür aber die Krisen häufiger und tiefer. Der westeuropäische und der nordamerikanische Kapitalismus gerieten ab 1914 in die strukturelle Profitproduktionskrise, die in einer Konjunkturkrise zum Ausdruck kam. Der Erste Weltkrieg war für das globale Rüstungskapital ein gefundenes Fressen und bescherte dem US-Nationalkapital ein Extraaufschwung, während Europa in Blut und organisiertem Chaos versank. Der Krieg führte zur Verschärfung des Klassenkampfes, der in der europäischen revolutionären Nachkriegskrise (1917-1923) mündete, die jedoch der globale Kapitalismus konterrevolutionär löste – dazu gehörte auch der bolschewistische Staatskapitalismus in „Sowjet“-Russland, welcher 1921 die Kronstädter Matrosen als Avantgarde der Revolution massakrierte. Zwischen 1923 und 1929 stabilisierten sich der westeuropäische und der nordamerikanische Kapitalismus etwas – um dann 1929 in der Weltwirtschaftskrise zu landen.
Diese Krise machte in Deutschland den NS-Faschismus als kleinbürgerlich-reaktionäre Massenbewegung im Interesse der Bourgeoisie groß. Der NS-Faschismus war Fleisch vom Fleische des deutschen KleinbürgerInnentums, das durch die Weltwirtschaftskrise massenhaft ruiniert wurde. Die ruinierten KleinbürgerInnen konnten nicht in der ArbeiterInnenklasse aufgehen, da diese selbst unter der Massenarbeitslosigkeit litt. Der Antijudaismus der Nazis entsprach den sozialökonomischen und sozialpsychologischen Bedürfnissen der von der Krise bedrohten KleinbürgerInnen. Wenn jemand vernichtet werden sollte, dann nicht sie, sondern die jüdische Konkurrenz! Kauft nicht bei Juden, sondern bei braven „arischen“ Deutschen! Die KleinbürgerInnen projizierten massenhaft ihren ganzen Hass auf die Juden, ihre eigene Geldgier auf die „Geldjuden“, ihre Angst und Abscheu vor dem klassenkämpferischen Proletariat in den „jüdischen Bolschewismus“, ihre Enttäuschung in die Weimarer „Judenrepublik“ – die sie nicht retten wollte oder konnte – und das angeblich „jüdische“ Bankkapital, bei dem sie massenhaft verschuldet waren.
Keine Klasse beherrscht die Kapitalvermehrung, auch die KapitalistInnen werden von ihr beherrscht. Sie werden vom Aufschwung emporgehoben – und dann in die Krise geschleudert. Für die KleinbürgerInnen fällt die Höhe des Aufschwunges wesentlich niedriger, dafür aber der Fall umso tiefer aus. Von der sozialökonomischen und psychologischen Vernichtung bedroht, wollen sie überleben, indem sie andere vernichten. Eine Zwischenstellung zwischen dem Großkapital, dass es besonders in der Krise massenhaft ruiniert, und dem Proletariat, das es embryonal ausbeutet, einnehmend, lief das KleinbürgerInnentum während der Weltwirtschaftskrise in Deutschland im Interesse der Bourgeoisie antijüdisch und antikommunistisch Amok und machte den NS-Faschismus zu einer Massenbewegung. Als die deutsche Bourgeoisie 1933 den Nazis die politische Macht übergab wurde ihr Antijudaismus zur massenmörderischen Gewalt. Der Antijudaismus wurde wie die Vorbereitung auf den Zweiten Weltkrieg und die Zerschlagung der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung (Sozialdemokratie, Gewerkschaften und Partei-„Kommunismus“) zur völkischen Krisenlösungsstrategie der Nazis. Indem die Bourgeoisie ihre Herrschaftsform von der Demokratie zum NS-Faschismus transformierte, entwickelte sich der NS-Faschismus aus einer kleinbürgerlichen Massenbewegung in eine großbürgerliche politische Strömung.
Beim staatlichen Antijudaismus der Nazis verschmolz die kalte technokratische Rationalität der Kapitalvermehrung mit einer überfanatischen irrationalen Vernichtungsideologie und gipfelte schließlich im kapitalistisch-industriellen Massenmord an den europäischen Jüdinnen und Juden. Die Verdrängung der Juden und Jüdinnen durch den NS-Staat aus Wirtschaft, Politik und Kultur, eröffnete neue Karrieren für „arische“ Deutsche, besonders für überzeugte Nazis. Die jüdische Bourgeoisie wurde im Interesse ihrer „arischen“ Konkurrenz enteignet, wodurch die Konzentration und Zentralisation des Kapitals zunahm. So schufen die Nazis massenhaft für das Kapital unproduktive jüdische Armut. Der Kapitalismus vernichtete und vernichtet massenhaft unproduktive Armut, indem er die Armen mehr oder weniger sich selbst überlässt. Ein monströser Massenmord! Die modernen Sozialstaaten in den kapitalistischen Metropolen mildern den Terror gegen das nichtlohnarbeitende Proletariat etwas ab – aber nur SozialdemokratInnen kommen auf die Idee, die Tatsache, dass die entwickelten kapitalistischen Staaten ihre Armen nicht mehr massenhaft verhungern und erfrieren, sondern sie auf niedrigem Niveau dahinvegetieren lassen, als „zivilisatorische Errungenschaft“ zu feiern. Doch die Nazis waren keine SozialdemokratInnen, sie waren konsequente SozialdarwinistInnen. Nachdem sie den Jüdinnen und Juden die sozialökonomische Grundlage ihrer Existenz genommen hatten, vernichteten sie sie physisch. Die Nazis waren die ultrafanatischen Übertreiber jenes kapitalistischen Sozialdarwinismus, der sonst die Menschen durch die unsichtbare Hand des Marktes tötete und noch immer tötet.
Die physische Vernichtung der europäischen Jüdinnen und Juden begann mit dem Zweiten Weltkrieg. Das hatte sehr viel mit der ultrafanatisch-antijüdischen ideologischen Verklärung dieses imperialistischen Gemetzels durch die Nazis zu tun. Für diese stellte der Zweite Weltkrieg ein Endkampf zwischen „arischen Herrenmenschen“ und „jüdischen Untermenschen“ dar, wodurch die sozialökonomische Basis des Blutbades als militärischer Konkurrenzkampf zwischen imperialistischen Staaten extrem ideologisch verschleiert wurde. Als diese extrem irrationale Ideologie zur massenmörderischen Gewalt wurde, überlagerte sie auch den rationalen Zweck des Krieges, nämlich die konkurrierenden Staaten militärisch zu besiegen. Deportationszüge mit europäischen Juden in die Vernichtungsstätten erhielten Vorrang gegenüber militärischen Transporten.
Beim kapitalistisch-industriellen Massenmord verschmolz die Rationalität der Kapitalvermehrung untrennbar mit der massenmörderischen Irrationalität des fanatischen Judenhasses. Einige Juden wurden von der SS an das deutsche Kapital (z.B. Krupp) als SklavInnen verkauft, wo das „Judenmaterial“ zu Tode gearbeitet wurde. Aus Geld muss mehr Geld gemacht werden! Dass ist der massenmörderische kategorische Imperativ des Kapitals. Und wenn noch so viele Menschen sterben müssen! Wer zählt die Millionen SklavInnen und LohnarbeiterInnen, die das Kapital in seiner Geschichte weltweit zu tote gearbeitet hat?! Nein, der Massenmord des deutschen NS-Faschismus war kein Zivilisationsbruch, er war der bisher extremste Ausdruck der kapitalistischen Zivilisationsbarbarei.
Auschwitz als Zivilisationsbruch zu bezeichnen, heißt davon zu abstrahieren, dass sich das Kapital nur durch die Auftürmung von Leichenbergen vermehrte und vermehrt. In der Fabrik und auf den Schlachtfeldern unzähliger Kriege wurden in der Geschichte Millionen Menschen zum Wohle der Kapitalvermehrung umgebracht. In einer Geschichte voller Gemetzel ist das größte Gemetzel kein Zivilisationsbruch! Außerdem ist das Gerede vom „Zivilisationsbruch“ extrem eurozentristisch. Im Trikont (Asien, Afrika und Lateinamerika) wurden zum Wohle der europäisch-weißen kapitalistischen Zivilisation Menschen nichtweißer Hautfarbe massenhaft massakriert. Die IndianerInnen Nordamerikas wurden fast ausgerottet. Die Nazis haben ihren Massenmord mitten in Europa organisiert, das war das Neue. Außerdem nutzten sie für ihre Mordorgie die modernen kapitalistischen Produktivkräfte, die immer auch Zerstörungskräfte gegen das arbeitende Proletariat und die Natur waren und sind. Diesen Zusammenhang soll das moralisierende Gerede über den angeblichen „Zivilisationsbruch“ verschleiern. Der klebrige Moralismus dient auch hier der Verteidigung der alltäglichen kapitalistischen Zivilisationsbarbarei und seiner technokratischen Todesfabrikation.
Doch die materialistische Geschichtsbetrachtung zieht den moralisierenden Schleier, den die demokratisch gewendete Bourgeoisie von Auschwitz über den kapitalistisch-industriellen Massenmord als untrennbaren Teil ihrer Vergangenheit legt, erbarmungslos beiseite. Im Gegensatz zu vielen linken KleinbürgerInnen, die sich formal zum Marxismus bekennen, aber zu moralisieren anfangen wenn es richtig wehtut, halten wir gegen das unerträgliche bürgerliche Geschwätz, dass Auschwitz nicht erklärbar sei, daran fest, dass die materialistische Geschichtsbetrachtung auch den kapitalistisch-industriellen Massenmord an den europäischen Jüdinnen und Juden erklären kann und muss. Die bürgerlich-idealistische Verklärung und Mythologisierung von Auschwitz dient nur der Bourgeoisie. Das Proletariat braucht Klarheit über die kapitalistische Welt, in der es schuftet, leidet und stirbt – aber eben auch lebt, liebt, lacht und kämpft!
Auschwitz verkörpert auf ideologisch extrem verzerrte Weise den Konkurrenz- und Klassenkampf von oben in einer der krisenhaftesten Zeiten des Kapitalismus, der seine Zivilisationsbarbarei extrem verschärfte, und in Deutschland in NS-faschistischer Form zugleich rational-technokratisch-kalt und irrational-ideologisch durchdrehend die Krise zu lösen versuchte. Durch den Judenhass wurde der Konkurrenzkampf auf völkisch-rassistische Art und Weise gelöst, eine für das Kapital unproduktive jüdische Armut geschaffen und diese technokratisch vernichtet, woran auch das Kapital verdiente. Und nicht nur das Kapital. Nach der Deportation der deutschen Jüdinnen und Juden wurden ihre Haushalte versteigert. An den Versteigerungen nahmen Menschen aller Klassen und Schichten teil. So stärkte sich die „Volksgemeinschaft“ als Scheinrealität und realer Schein durch den rassistischen Ausschluss der Juden als Beutegemeinschaft der Aasgeier. Es darf aber nicht vergessen werden, dass es auch im NS-Faschismus vor dem Zweiten Weltkrieg den Klassenkampf deutscher ArbeiterInnen gab (siehe dazu Imperialistischer Krieg und proletarischer Klassenkampf, in: Schriften zum Klassenkampf III, Soziale Befreiung, Nürnberg 2014, S. 71-78.) Der NS-Antijudaismus stärkte schon während der Weimarer Republik den Kapitalismus ideologisch, indem er den „arischen schaffenden“ Industriekapitalismus gegen das „raffende jüdische Finanzkapital“ ausspielte.
Im Zweiten Weltkrieg triumphierte global der Klassenkampf von oben gegen das Proletariat. Das Proletariat tötete und wurde getötet im Interesse der einzelnen Nationalstaaten, die ihren blutigen Konkurrenzkampf ausfochten. Der kapitalistisch-industrielle Massenmord an den europäischen Jüdinnen und Juden war Teil des imperialistischen Gemetzels. Der antifaschistische Imperialismus der staatskapitalistischen Sowjetunion und der privatkapitalistischen Demokratien machte vor dem Gemetzel seine Geschäfte mit dem NS-Faschismus auf Kosten des Proletariats, so wie er nach dessen Beginn seinen militärischen Konkurrenzkampf gegen die Nazis zum Leidwesen der proletarisierten und kleinbürgerlichen Menschen ausgefochten hatte. Die imperialistischen Demokratien bombardierten deutsche ZivilistInnen, aber nicht die antijüdischen faschistischen Massenmordzentren.
Auch der kapitalistisch-industrielle Massenmord an den europäischen Jüdinnen und Juden verkörperte nicht nur auf die Art und Weise den ideologisch extrem verzerrten Klassenkampf von oben, indem er das von den Nazis völkisch-technokratisch geschaffene unproduktive jüdische Elend sehr zum Vorteil einiger Privatkapitale auslöschte. Die Nazis projizierten auch ihren nationalistischen Hass auf den „proletarischen Internationalismus“ der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung auf das gesamte Judentum. Der „proletarische Internationalismus“ war und ist stark beschränkt, weil er nicht konsequent den kapitalistischen Nationalismus hinter sich lässt. Deshalb ist er aus antinational-sozialrevolutionärer Sicht scharf zu kritisieren (siehe dazu die Kapitel I.2 und IV.2). Aber es muss auch bedacht werden, dass der „proletarische Internationalismus“ für viele jüdische ArbeiterInnen und Intellektuelle (Rosa Luxemburg, Karl Radek, Leo Trotzki…) in Osteuropa eine relativ progressive Form war, mit der sie ihre Nichtassimilation und den blutigen Antijudaismus verarbeiten konnten, ohne jüdische NationalistInnen (ZionistInnen) zu werden. Die Nazis projizierten ihren leidenschaftlich-krankhaften Hass gegen den proletarischen Internationalismus auf alle Juden, von denen viele in Westeuropa sich leidenschaftlich-reaktionär zu den Nationen bekannten, in denen sie lebten, oder jüdische NationalistInnen/ ZionistInnen waren. In seiner ersten „großen“ Rede vom 13. August 1920 teilte Hitler seinen ZuhörerInnen mit, dass er ein Judenfeind sei, weil „die Juden international sind, die Gleichheit aller Völker und die internationale Solidarität predigen, (und) es ihr Ziel ist, die Rassen zu entnationalisieren“ (siehe: E. Jäckel, Hitler als Ideologe, Calmann Levy 1973). Der kapitalistisch-industrielle Massenmord an den europäischen Jüdinnen und Juden richtete sich auch ideologisch extrem verzerrt gegen den proletarischen Internationalismus.

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Individualismus und Nationalismus https://swiderstand.blackblogs.org/2014/06/22/individualismus-und-nationalismus/ https://swiderstand.blackblogs.org/2014/06/22/individualismus-und-nationalismus/#respond Sun, 22 Jun 2014 21:46:28 +0000 http://swiderstand.blogsport.de/?p=89 fifa

Das kleinbürgerliche Subjekt flieht gewohnheitsmäßig aus der realen individuellen Einsamkeit ideologisch in die „nationale Gemeinschaft“. Doch diese individuelle Flucht in die „nationale Gemeinschaft“ kann nur eine illusorische sein, da die Nation nichts anderes als die über die Ware-Geld-Beziehung und den Staat hergestellte indirekte Vergesellschaftung von atomisierten Konkurrenzindividuen ist. So funktioniert der Nationalismus sozialpsychologisch wie eine Droge: als Flucht aus der Realität. Sehr „schön“ ist das bei internationalen Sportevents zu beobachten, wenn verdammt viele atomisierte Konkurrenzindividuen dem sportlichen Sieg „ihrer“ Nation entgegenfiebern. Fast die gesamte Nation badet im Meer von Nationalfahnen. Da wird auch schon mal das kleinfamiliäre Wohnzimmer verlassen, um gemeinschaftlich Sieg oder Niederlage der Nation zu erleben. Wildfremde Menschen, die sich sonst mit dem Arsch nicht angucken, fallen sich in die Arme… Ganz so spontan ist das Ganze nicht. Privatkapitalistische und staatliche Medien schüren aus Leibeskräften diese nationale Besoffenheit. Auch harmlos ist es nicht. Es ist nie harmlos, wenn bürgerliche Konkurrenzindividuen in die reale Scheingemeinschaft der Nation flüchten.
In der Realität bleiben die in die Scheinrealität und den realen Schein der Nation flüchtenden Individuen atomisierte Marktsubjekte. Viele „helfen“ sich dadurch, dass sie noch stärker zur Droge Nationalismus greifen. Da die Nation eine reale Scheingemeinschaft atomisierter Marktsubjekte ist, brauchen sowohl die Nationen als auch die über diese nur indirekt vergesellschafteten Konkurrenzindividuen dringend „Feinde“. Denn nichts schweißt so sehr zusammen wie gemeinsame Feinde. Auch reale Kampfgemeinschaften, wie zum Beispiel das klassenkämpferische Proletariat, werden durch reale Feinde – in diesem Fall der kapitalistische Klassenfeind –zusammengehalten. Wenn jedoch kleinbürgerliche und proletarische Individuen zur Droge Nationalismus greifen, um aus der Realität zu flüchten, haben sie es meistens nicht real mit wirklichen Feinden zu tun, sondern mit den „Feinden“ der „Nation“. Wenn bürgerliche Konkurrenzindividuen in die Scheingemeinschaft der Nation flüchten, tun sie das nicht gerade selten auf sadistische Weise. Sie lassen sich vom Staat und dem Chef auf der Arbeit verdammt viel gefallen. Da entsteht verdammt viel Frust. Dieser wird dann auf die „AusländerInnen“, „linke Chaoten“ und „Sozialschmarotzer“ kanalisiert. Dieses sadistische Abreagieren an den „Feinden der Nation“ erfolgt sowohl in Stammtischreden als auch in aktiver Form des neofaschistisch-rassistischen Straßenterrors.
Auch politisch linke Individuen flüchten in die Scheingemeinschaft der Nation. Dabei bleiben die linken KleinbürgerInnen natürlich immer politisch korrekt und antifaschistisch, aber auch der politisch-korrekte und antifaschistische Nationalismus ist als eine Durchsetzungsform des Kapitalismus sozialreaktionär. So konnten in der zweiten Hälfte des 20 Jahrhunderts bis 1989 westdeutsche Linksintellektuelle ihre Ideologie auf die staatskapitalistische und antifaschistische DDR projizieren und ideelle BürgerInnen des „besseren Deutschland“ werden. Jene LinksbürgerInnen, die die DDR und Sowjetunion nicht so toll fanden, flüchteten halt ideologisch in andere staatskapitalistische Nationen wie Jugoslawien, China oder Albanien. Auch die Flucht linksbürgerlicher Individuen in andere staatskapitalistische Nationen verlief nicht ohne sadistische Reflexe, die sich gegen die kleinbürgerlich-proletarische Bevölkerung der staatskapitalistischen Nationen richteten, die sich gegen diese Staaten wehrten. Als die kleinbürgerlich-proletarische Bevölkerung der DDR die Schnauze voll vom „Sozialismus“ hatten und ihn mehrheitlich – mit mehr oder weniger proprivatkapitalistischen Illusionen beladen – den Rücken zukehrten, entlud sich viel Verachtung der westdeutschen Linksintellektuellen auf die ostdeutsche Bevölkerung, die „für ein paar Bananen“ den „Sozialismus“ und Antifaschismus verrieten.
Der Anschluss der DDR an die BRD brachte auch das linke „Antideutschtum“ hervor. Diese Ideologie ist geradezu ein Paradebeispiel für nationalen Sadomasochismus. Die hochmoralischen „antideutschen“ Konkurrenzindividuen leiden ja so schrecklich-genussvoll an Deutschland. Doch auch sie sehnen sich nach nationaler Nestwärme, wie fast alle kleinbürgerlichen Marktsubjekte. Aber die deutsche Nation ist viel zu schmutzig für die „antideutschen“ Edelmenschen, also flüchten sie ideologisch in die zionistische Edelnation, nach Israel. So wie die ideologischen Absonderungen des Antijudaismus nichts über die Juden sagt, aber alles über den Antijudaismus, ist es auch mit dem „antideutschen“ Prozionismus. Die „Antideutschen“ projizieren ihren Sadismus auf den Staat Israel und die massenmörderische Verteidigung seines Existenzrechtes. „Israel, sei stark für mich erbärmlichen Kleinbürger. Töte für meine Sehnsucht nach Nation!“ Das ist die wahre Botschaft der „antideutschen“ Ideologie. So verteidigen die „Antideutschen“ fanatisch Israel – wenn es sein muss, bis der letzte Palästinenser tot am Boden liegt.
Auch ProletarierInnen flüchten als atomisierte Marktsubjekte in die nationale Scheingemeinschaft – mit all den oben beschriebenen sozialpsychologischen Folgen. Aber es gilt immer zu beachten, dass die proletarischen Individuen durch praktischen Klassenkampf auch in einer realen Solidargemeinschaft gegen die Bourgeoisie aufgehen können. Doch so tendenziell und potenziell revolutionär das Proletariat als kollektives Klassenkampfsubjekt auch ist, so latent reaktionär sind auch die proletarischen Individuen als Marktsubjekte. Auch ProletarierInnen sind als VermieterInnen ihrer Arbeitskraft und als KäuferInnen auf den Konsumgütermärkten kleinbürgerliche Konkurrenzindividuen, die ihren Konkurrenzkampf um Jobs weitverbreitet auch nationalistisch und rassistisch führen. Inländische Arbeitsplätze nur oder in erster Linie für InländerInnen! Für diese nationalistische und rassistische Propaganda sind ProletarInnen weltweit sehr empfänglich. Auch auf den Konsumgütermärkten führen die „inländischen“ ProletarierInnen nicht gerade selten einen nationalistischen/rassistischen Konkurrenzkampf gegen „die AusländerInnen“. Da sich viele „inländischen“ ProletarierInnen im Unterbewusstsein dazu entschieden haben, einen rassistischen Konkurrenzkampf zu führen, nehmen sie auch nur das wahr, was sie sehen und hören wollen. So sehen sie nur „AusländerInnen“, die „viel reicher“ sind als mensch selbst ist. Warum ist mensch als „Inländer/in“ also arm? Weil „die AusländerInnen“ reich sind und vom Staat das Geld in den Arsch geschoben bekommen! Hat ein/e Ausländer/in Arbeit, nimmt er/sie „InländerInnen“ den Job weg, hat er/sie keine Arbeit, lebt er/sie auf Kosten „der Nation“.
Wie wir weiter oben schon schrieben, führt die individuelle Marktsubjektivität der Lohnabhängigen nach der erfolgreichen Vermietung der Arbeitskraft zur kollektiven Ausbeutungsobjektivität des Proletariats im kapitalistischen Produktionsprozess. Doch die Kollektivität des Proletariats am Arbeitsplatz wird von einer fremden Klassenmacht organisiert, vom Kapital. Lohnarbeit ist grundsätzlich sozial fremdbestimmt. Was und wie produziert wird, entscheiden in der Regel nicht die LohnarbeiterInnen sondern die KapitalistInnen vermittelt über große und kleine Chefs. Bei moderneren Formen des Managements soll der Lohnabhängige zwar möglichst frei und eigenverantwortlich arbeiten, aber auch die flexibelste Form der kapitalistischen Arbeitsorganisation kann nichts am grundsätzlich fremdbestimmten Charakter der Lohnarbeit ändern. Selbstbestimmt den Reichtum einer fremden Klasse, der Bourgeoisie, vermehren – das ist der Widerspruch zwischen bürgerlicher Ideologie-Produktion und realem kapitalistischen Produktionsprozess. Im letzteren sind die LohnarbeiterInnen entfremdet von der eigenen Arbeitskraft, über die jetzt das Kapital für eine gewisse Zeit verfügt, von den Produktionsmitteln, die kapitalistisches Eigentum sind, und den Produkten der eigenen Arbeit, das als Warenkapital den kapitalistischen BesitzerInnen gehört. Auch als StaatsbürgerInnen sind die LohnarbeiterInnen von sich selbst und ihren Interessen und Bedürfnissen entfremdet. Als StaatsbürgerInnen haben sie vor allem die Aufgabe Steuern zu zahlen und als WählerInnen die regierenden Charaktermasken des Nationalkapitals zu ermächtigen. Dafür dürfen sie natürlich auch demonstrieren und auch unter bestimmten Bedingungen streiken gehen. Doch da kann es ihnen schon passieren, dass sie von einem Bullen mit einem Gummiknüppel geschlagen werden. Sowohl der Polizist als auch der Gummiknüppel werden übrigens aus den von den LohnarbeiterInnen produzierten Mehrwert bezahlt.
Die LohnarbeiterInnen sind also am Arbeitsplatz und in der Politik von sich selbst, ihrer Arbeit und den von ihnen selbst gewählten PolitikerInnen sozial entfremdete Wesen. Nicht wenige ArbeiterInnen nehmen diese reale soziale Entfremdung auch instinktiv bzw. vorbewusst in Form von relativ unbestimmten Gefühlen wahr. Doch diese vorbewusste Wahrnehmung der sozialen Entfremdung durch die ProletatarierInnen ist nicht nur die Quelle für ein mögliches materialistisch-sozialrevolutionäres Klassenbewusstsein, sondern auch ein Anknüpfungspunkt für die verschiedensten nationalistischen Ideologien, welche die reale soziale Entfremdung zur „nationalen Entfremdung“ uminterpretieren. Die ArbeiterInnen, die sich entfremdet fühlen, nehmen sich dann nationalistisch als „Fremde“ im „eigenen“ Land wahr.
Diese nationalistische Ideologisierung der realen sozialen Entfremdung funktioniert sowohl innerhalb imperialistischer Nationalstaaten wie BRD und USA als auch bei „unterdrückten nationalen Minderheiten“ wie zum Beispiel „den Basken“ in Spanien in der Gegenwart oder „den Kosovo-Albanern“ in der ehemaligen serbischen Provinz – bevor diese mit Hilfe des westlichen Menschenrechtsimperialismus die nationale Unabhängigkeit erkämpften. Nicht wenige proletarische NationalistInnen fühlen sich in der BRD und USA wegen „der vielen AusländerInnen“ beziehungsweise der „Kanaken“ und „Nigger“ als „Fremde“ im „eigenen“ Land. Dieser Nationalismus ist natürlich überwiegend politisch rechts besetzt, während der baskische Nationalismus, der oft ganz politisch korrekt und antirassistisch daherkommt, auch stark links besetzt ist. Aber auch er beruht auf der nationalistischen Uminterpretation der realen sozialen Entfremdung und ist damit eindeutig sozialreaktionär. Denn ein „unabhängiges Baskenland“, wie es der Linksnationalismus anstrebt, kann auch nur ein kapitalistischer Staat sein. Dass auch gerade in der „nationalen Frage“ politisch links dort ist, wo der Daumen politisch rechts ist, zeigt recht anschaulich die Geschichte der kosovo-albanischen Nationalbewegung. Während sie sich in der Zeit des albanischen Staatskapitalismus „marxistisch-leninistisch“ gab, um die Unterstützung des albanischen Vaterlandes zu bekommen, streifte sie nach dem Zusammenbruch des osteuropäischen Staatskapitalismus ihre „marxistisch-leninistische“ Hülle ab wie eine sich häutende Schlange. Der militaristische Arm des kosovo-albanischen Nationalismus, UCK, wurde schließlich im NATO-Krieg gegen Serbien/Restjugoslawien von 1999 zum bewaffneten Träger der universellen Menschenrechte des Westens. Vor, während und nach dem NATO-Krieg wurde allerdings auch deutlich, dass diese Menschenrechte für Serben, Juden und Roma nicht oder nur eingeschränkt im Kosovo galten.
Sowohl der Links- als auch der Rechtsnationalismus bedienen sich bei der nationalistischen Uminterpretation der realen sozialen Entfremdung auch einer sozialdemagogischen „antikapitalistischen“ und manchmal regelrecht arbeitertümelnden Rhetorik, mit der sich die Nationalismen selbst und das Proletariat betrügen. Doch es gibt keine soziale Befreiung im nationalen Rahmen. Der deutsche Rechtsnationalismus ist ebenso ein demagogischer Klassenfeind des Proletariats wie der baskische Linksnationalismus, auch wenn sich beide mitunter noch so gut hinter einer „proletarischen“ Maske verstecken. So rief die neofaschistische Partei „Die Rechte“ für den 1. Mai in Dortmund 2014 unter dem Motto „Gegen Kapitalismus und Ausbeutung – heraus zum Arbeiterkampftag“ zum Aufmarsch auf. Nicht weniger demagogisch ist die „antikapitalistische“ Rhetorik der linksnationalistischen baskischen Gewerkschaft mit dem bezeichnenden Namen Langile Abertzaleen Batzordeak (LAB, auf Deutsch: Ausschuss der patriotischen ArbeiterInnen). Nun, „patriotische ArbeiterInnen unterdrückter Nationen“ werden maximal Manövriermasse eines sich neu formierenden und sich staatliche Souveränität erkämpfenden Nationalkapitals, dabei Nation und Staat, Kapital und Lohnarbeit und Ware und Geld reproduzierend

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Vortrag bei der Literatrurmesse https://swiderstand.blackblogs.org/2013/11/08/vortrag-bei-der-literatrurmesse-2/ https://swiderstand.blackblogs.org/2013/11/08/vortrag-bei-der-literatrurmesse-2/#respond Fri, 08 Nov 2013 00:39:33 +0000 http://swiderstand.blogsport.de/?p=76 Wir veröffentlichen hier den Vortrag, den unser Genosse Nelke auf der Literaturmesse im Rahmen der Vorstellung der Broschüre „Der Kampf des jüdischen Proletariats (1900-1945)“ in Nürnberg, den 2. November 2013 gehalten hat.

Streik Israel
Mitarbeiter israelischer Fluggesellschaften protestieren gegen das Billigflugabkommen zwischen Israel und der EU AFP

Der Titel dieser Broschüre „Der Kampf des jüdischen Proletariats“ ist bewusst gewählt. Er macht deutlich, dass Juden im 20. Jahrhundert nicht nur Opfer waren, sondern auch selbstbewusste Subjekte des proletarischen Klassenkampfes. Die Broschüre zeichnet sich durch zwei Besonderheiten aus. Erstens wird in ihr nicht der Begriff „Antisemitismus“ benutzt, sondern der ältere Begriff „Antijudaismus“. Wir unterscheiden weiterhin zwischen religiösen und rassistischen Antijudaismus. Der „Antisemitismus“-Begriff wird von uns aus zwei Gründen verworfen. Erstens ist er ungenau. So sind die Juden und Jüdinnen nicht die einzigen Semiten, aber der Begriff „Antisemitismus“ umfasst nur die chauvinistische Feindseligkeit gegen Juden. Zweitens ist der Antisemitismusbegriff zu einer politischen Waffe zionistischer und prozionistischer Kräfte geworden. So gilt im bundesdeutschen Politmainstream bereits eine „unangemessene“ Kritik an Israel als „antisemitisch“. Wie viel Kritik an Israel angemessen ist, entscheiden dann die zionistischen und prozionistischen Kräfte. Die deutsche Bourgeoisie, also die demokratisch gewendete Bourgeoisie von Auschwitz, ist heutzutage fast hundertprozentig prozionistisch, so wie sie zwischen 1933 und 1945 fast hundertprozentig antijüdisch war. „Solidarität mit Israel!“ ist für die deutsche Bourgeoisie taktisch klug und eine gute Waschanlage, um sich vom Dreck und Blut ihrer faschistischen Vergangenheit reinzuwaschen. Doch inzwischen sind die Hände der demokratischen deutschen Bourgeoisie reichlich beschmiert mit neuem Dreck und neuem Blut, wozu auch die mordbübische Solidarität mit Israel gehört. Die so genannten „Antideutschen“ sind in dieser Frage der Lautsprecher der deutschen Bourgeoisie.
Wir SozialrevolutionärInnen üben an Israel und am Zionismus die einzig angemessene Kritik, die für uns möglich ist: Wir sind für die Zerschlagung des Staates Israel durch die soziale Revolution, so wie alle Nationalstaaten als Machtapparate des Kapitals vom Weltproletariat zerschlagen werden müssen, wenn es sich von Ausbeutung und Unterdrückung befreien will. Die soziale Revolution ist die Zerschlagung von Nationalstaaten, aber nicht deren Neugründung. Deshalb bekämpfen wir auch den palästinensischen Nationalismus konsequent antinational. Denn jede bürgerliche Nation ist die Zwangsgemeinschaft aus Kapital und Arbeit. Für Lohnabhängige ist der Staat somit die politische Verlängerung der kapitalistischen Fabrik. Nationale Befreiung reproduziert die kapitalistische Ausbeutung und Unterdrückung des Proletariats. So werden jetzt die schwarzen ArbeiterInnen in Südafrika nicht mehr von den Bullen des Apartheit-Regimes massakriert, sondern von den Bullen des ANC-Regimes. Diese grundsätzliche antinationale Haltung ist eine weitere Besonderheit dieser Broschüre. Sie unterscheidet sich eindeutig vom nationalistischen Krampf, der auch von einem Großteil der kleinbürgerlichen politischen Linken produziert wird.
Bevor in der Broschüre der Kampf des jüdischen Proletariats im zaristischen Russland und im unabhängigen Zwischenkriegspolen beschrieben wird, stellen wir die so genannte „jüdische Frage“ in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts dar. Das alte Judentum stellte historisch ein vorindustriekapitalistisches Handelsvolk dar, dessen sozialökonomische Basis sich auch in der jüdischen Religion widerspiegelte, so ähnlich wie die materielle Lebensweise der christlichen Handelsbourgeoisie sich im Calvinismus ideologisch widerspiegelte. In der ständischen Gesellschaft des europäischen Feudalismus wurde der Charakter des Judentums als vorindustriekapitalistischem Handelsvolk verrechtlicht und zementiert. Die jüdische Religionsgemeinschaft hob sich durch ihre wachsende Isolation immer stärker von den von ihnen umgebenden Gesellschaften ab. Zwischen 1099 und 1291 wurde die jüdische Bevölkerung in Palästina durch Kreuzfahrer und Seldschuken dezimiert. Seit dem 13. Jahrhundert erfolgte die zwangsweise Ansiedlung in geschlossene Stadtviertel (Judengasse, Judenviertel, Judenquartier, Ghetto) Im feudalen Westeuropa waren die Juden im Mittelalter aus dem Wirtschaftsleben ausgeschlossen. Sie durften kein Land kaufen und wurden den Handwerkszünften ferngehalten. Da es den ChristInnen von der Kirche verboten war Zins für geliehenes Geld einzutreiben, betrieben die Juden auch im Auftrag und Interesse der Feudalherren und der Kirche Geldspekulationen. Zum „Dank“ wurden die Juden dann von der damaligen herrschenden Klasse zum Sündenbock für die Misswirtschaft gemacht. Das Herrschaftssystem wurde reingewaschen, indem auf den gierigen, „schmutzigen“ Juden hingewiesen wurde. Die Judenverfolgung hatte also auch schon damals einen rationalen, herrschaftssichernden Charakter.
Schon im jungen BürgerInnentum entwickelte sich ein zunehmender Konkurrenzkampf zwischen einheimischen StädterInnen und den Juden. In dem Maße, wie sich in den feudal-bürgerlichen Gesellschaften eine christliche Handelsbourgeoisie, welche auch den Geldhandel betrieb, entwickelte, konnten die Juden aus dem Handel verdrängt und vorübergehend vertrieben werden. Vorher nicht, weil das schwerwiegende sozialökonomische Folgen gehabt hätte. So wurden die Juden in den Jahren 1182, 1268 und 1306 aus Frankreich vertrieben. Die Juden wurden also als vorindustriekapitalistisches Handelsvolk mit der Entwicklung einer christlichen Handelsbourgeoisie zunehmend verdrängt und nach Osteuropa vertrieben. Die Pest von 1348-51 wurde in ganz Europa zu einer barbarischen Judenverfolgung zum Anlass genommen. Sie forderte Zehntausende von Opfern und führte zu einer starken Auswanderung, besonders von Deutschland nach Polen.
Selbstverständlich gab es große Unterschiede zwischen dem feudalen und dem kapitalistischen Antijudaismus. Doch die ideologische Verknüpfung zwischen beiden schuf der Kirchenreformator und Judenhasser Luther. Luther war bekannt für seine Polemiken gegen den (jüdischen) Wucher. Der Herausgeber der Nazizeitung Der Stürmer, Julius Streicher, berief sich also nicht zu Unrecht vor dem internationalen Militärgerichtshof 1946 auch auf Luther.
Die Französische Revolution enthielt mit der verwirklichten rechtlichen Gleichheit bei sozialer Ungleichheit, bei der also ein Milliardär und ein Obdachloser beide das gleiche Recht haben, unter einer Brücke zu schlafen, auch die Möglichkeit der Integration des Judentums in den modernen Kapitalismus. Bei dieser Integration musste sich das alte Judentum als vorindustriekapitalistisches Handelsvolk in die drei Hauptklassen der bürgerlichen Gesellschaft –Bourgeoisie, KleinbürgerInnentum und Proletariat – auflösen. Diese Integration fand auch mehr oder weniger stark ausgeprägt im Westeuropa des 19. Jahrhunderts statt. Der Antijudaismus behinderte diese Integration.
Diese weitgehende Assimilation war in Osteuropa auf Grund der sozialökonomischen Schwäche des dortigen Kapitalismus nicht möglich. Die in Osteuropa nichtmögliche Assimilation der Jüdinnen und Juden machte diese zum Hassobjekt einer feudal-kapitalistischen Sozialreaktion, besonders im zaristischen Russland und später im „unabhängigen“ Zwischenkriegspolen. Pogrom ist ein russisches Wort, das in die Weltkultur einging. In diesen Pogromen wurden jüdische Geschäfte geplündert, jüdische Frauen vergewaltigt und jüdische Menschen ermordet. Für den Zarismus war die Organisation von Pogromen auch ein Blitzableiter, um die soziale Wut der Bauern, die durch feudale Ausbeutung und durch Unterdrückung des zaristischen Staates geschürt wurde, auf die Juden zu lenken. Auch Dank antijüdischer Pogrome konnte sich der überlebte Zarismus noch bis 1917 halten.
Die Juden in Osteuropa waren in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wegen ihrer Nichtassimilation durch den ökonomisch noch zu schwachen Kapitalismus weitgehend auf die jüdische Kleinindustrie bzw. dem jüdischen Kleinhandel angewiesen – die immer weniger in der Lage waren, die Menschen zu ernähren und zunehmend von der großkapitalistischen Konkurrenz vernichtet wurde, was zu einer wachsenden Emigration osteuropäischer Jüdinnen und Juden führte. Das führte in Westeuropa bereits vor 1914, aber besonders zwischen den beiden Weltkriegen überwiegend im KleinbürgerInnentum zu einem massiven Anwachsen des Antijudaismus. Der Antijudaismus des 20. Jahrhunderts war nicht mehr vorwiegend religiös geprägt, sondern er wurde rassistisch. Aber nach wie vor war er an den negativen Geldfetischismus geknüpft. Dadurch wurde der Antijudaismus im 20. Jahrhundert zu einer bewusst-unbewussten Form der Sozialdemagogie, da im modernen Kapitalismus das zinstragende Kapital schon lange nicht mehr vorwiegend jüdisch war und ist. Unbewusst nennen wir diese antijüdische Sozialdemagogie insofern, weil den antijüdischen KleinbürgerInnen der sozialpsychologische Mechanismus des Antijudaismus nicht bewusst war –auch den hauptberuflichen DemagogInnen nicht. Alle Menschen sind im Kapitalismus gezwungenermaßen mehr oder weniger „geldgierig“, da in der alles andere dominierenden Ware-Geld-Beziehung das Geld das unmittelbare Tauschmittel ist, mit dem der stoffliche Reichtum der Gesellschaft eingetauscht werden kann und muss. Durch den Antijudaismus können nichtjüdische KleinbürgerInnen ihre eigene notwendigerweise existierende Geldgier auf „die Geldjuden“ projizieren.
Auch der fanatische und massenmörderische Judenhass der Nazis wurde unter anderem vom negativen Geldfetischismus genährt. Obwohl im damaligen Kapitalismus das Finanzkapital schon lange nicht mehr ausschließlich jüdisch war, wurde es von den Nazis in ihrer sozialen Demagogie so dargestellt und rassistisch begründet. Für die Nazis waren die Juden eine geldgierige Rasse.
Aber auch DemokratInnen betrieben im Westeuropa in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine massive antijüdische Politik, die sich gegen die osteuropäisch-jüdische Emigration richtete. So beschloss zum Beispiel das britische Parlament im Jahre 1902 das Aliens Exclusion Bill.
Der jüdische Nationalismus, der Zionismus, mit dem Ziel in Palästina einen jüdischen Staat aufzubauen, war eine Reaktion des bürgerlichen Teils des Judentums auf dessen Nichtassimilation in Osteuropa und den wachsenden Antijudaismus in Westeuropa. Wie jeder bürgerliche Nationalismus, der sich noch keinen Staat schaffen konnte, strebte der Zionismus als Ideologie und Politik der jüdischen Bourgeoisie danach, das „eigene“ Kapital und die „eigene“ Arbeit erst noch ursprünglich zu einer nationalen Schicksalsgemeinschaft zu verschmelzen. Er war das Ziel der zionistischen Bourgeoisie das jüdische Proletariat selbstverantwortlich in einem „eigenen“ Staat auszubeuten. Damit war der Zionismus wie jeder Nationalismus objektiv der Hauptfeind des „eigenen“, in diesem Fall des jüdischen Proletariats, und für das Weltproletariat ein Feind unter vielen.
Wie jeder Nationalismus erzeugte der Zionismus den realen Schein und die Scheinrealität einer nationalen Schicksalsgemeinschaft, in diesem Fall zwischen jüdischer Bourgeoisie und jüdischem Proletariat. Der Zionismus hatte für den Weltkapitalismus die wichtige Funktion jüdische ArbeiterInnen überall auf der Welt von der Perspektive des gemeinsamen Klassenkampfes mit ihren nichtjüdischen KollegInnen abzulenken und das jüdische Proletariat für die Neugründung eines zionistischen Nationalstaates zu mobilisieren. Auch so genannte linke Strömungen im Zionismus, wie zum Beispiel die Hashomer Hatzair predigten vor dem nationalsozialistischen Massenmord an den europäischen Juden den jüdischen ArbeiterInnen in der kapitalistischen Welt, dass sie sich vom Klassenkampf fernhalten sollten – und auch vom aktiven Kampf gegen den Antijudaismus.
Durch die ideologische Offensive geistig total verwirrt, ist es bei einem nicht geringen Teil der kleinbürgerlichen politischen Linken in Deutschland Mode, den Zionismus gegen revolutionäre Kritik in Schutz zu nehmen. Er sei eine natürliche Reaktion auf den Antijudaismus. Das ist aufgrund der Tatsache, dass der Zionismus mit den schlimmsten Judenschlächtern systematisch paktierte, um seinen Judenstaat zu verwirklichen, eine sehr grobe Geschichtsfälschung. Der Zionismus trat manchmal in Worten gegen die rassistische Judenfeindschaft auf, aber in der Praxis wurde der erste durch den letzteren gestärkt. Der Judenhass diente den ZionistInnen als Beweis dafür, dass die Assimilation der jüdischen Bevölkerung in die bestehenden Staaten unmöglich wäre und deshalb ein besonderer jüdischer Staat gebraucht würde. So waren der „proletarische Internationalismus“ der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung und die bürgerliche Assimilation der jüdischen Bevölkerung in den westeuropäischen Nationalstaaten die beiden Hauptfeinde des Zionismus. Das sprachen die führenden ZionistInnen auch offen aus. So formulierte der ehemalige Präsident des Jüdischen Weltkongresses und der Zionistischen Weltorganisation, Nahum Goldmann: „Die Gefahr der Assimilation der jüdischen Gemeinschaft unter den Völkern, in deren Mitte sie leben, ist sehr viel ernster als die äußere Bedrohung durch den Antisemitismus.“ (Le Monde, 13.1.1966, zitiert nach Nathan Weinstock, Le sionisme contre israel, Paris 1966, S. 38.) Auch der Gründungsvater des Zionismus, Herzl, kämpfte nicht gegen den Antijudaismus, sondern predigte bereits 1895 die passive Anpassung an ihn, was dann später zum praktischen Programm des Zionismus wurde.
Die ZionistInnen stimmten vor der Staatsgründung Israels mit den Judenhassern darin überein, dass Jüdinnen und Juden in Deutschland keine Deutschen, in Frankreich keine Franzosen usw. seien. Nun, als proletarische RevolutionärInnen fühlen wir uns auch nicht als Deutsche, Franzosen usw., sondern als Teil des globalen Proletariats, und wir bekämpfen sowohl die Integration von ProletarierInnen in den jeweiligen Nationalstaat, als auch die rassistische Ausgrenzung „ausländischer“ Klassengeschwister. Doch als der Zionismus als jüdischer Nationalismus in der Vergangenheit gegen die Assimilation der jüdischen Bevölkerung in die jeweiligen Nationalstaaten zu Felde zog, begünstigte er eindeutig den Antijudaismus. Ja, einige ZionistInnen paktierten offen mit den Judenhassern. Die Broschüre belegt eindeutig den grundsätzlich sozialreaktionären Charakter des Zionismus und dass dieser bereit war mit dem reaktionärsten Pack zusammenzuarbeiten, angefangen über den Zarismus, dem britischen Imperialismus und den italienischen Faschismus bis hin zu den deutschen Nazis.
Der faschistische Antijudaismus nahm, nachdem er von der deutschen Bourgeoisie 1933 an die politische Macht gebracht wurde, die relativ weitgehende Assimilation der deutschen Juden und Jüdinnen zurück und organisierte während des Zweiten Weltkrieges einen kapitalistisch-industriellen Massenmord an den europäischen Juden. Im Gegensatz zur groß- und kleinbürgerlichen Ideologieproduktion, für die Auschwitz die Symbolisierung des unerklärlichen Bösen darstellt, erläutern wir in dieser Broschüre wie die faschistische Irrationalität, die am brutalsten am industriellen Massenmord an den europäischen Juden und Jüdinnen zum Ausdruck kommt, sich durchaus mit der Rationalität der Kapitalvermehrung verband und sowohl mit dem innerkapitalistischen Konkurrenzkampf als auch mit dem Klassenkampf von oben in enger Verbindung stand. So konnten sich deutsche „arische“ KapitalistInnen und KleinbürgerInnen bei der so genannten Arisierung der deutschen Wirtschaft jüdisches Kapital aneignen. Der faschistische Massenmord an den osteuropäischen Juden beendete auch deren Klassenkampf gegen den Antijudaismus.
Denn eine andere Folge der Nichtassimilation der Jüdinnen und Juden Osteuropas war neben der Entstehung des Zionismus die Herausbildung eines besonderen jüdischen Proletariats in Osteuropa, welches vor und während der russischen Revolution von 1905 oft militante Kämpfe gegen kapitalistische Ausbeutung, staatliche Unterdrückung und mörderischen Antijudaismus in Form der Pogrome führte. Besonders in jenen Gebieten Osteuropas, welche sich der russische Zarismus einverleibt hatte, lebte ein besonders großes und klassenkämpferisches jüdisches Proletariat. Dieses jüdische Proletariat lebte, arbeitete und kämpfte in einem Gebiet, das sich von Litauen im Norden bis zum Schwarzen Meer im Süden und von Polen im Westen bis nach Weißrussland und der Ukraine im Osten erstreckte. Den Kampf dieses Proletariats beschreiben wir in der Broschüre genauer.
Ein bürokratisch und ideologisch entfremdeter Ausdruck dieses jüdischen klassenkämpferischen Proletariats im zaristischen Russland und später im „unabhängigen“ Zwischenkriegspolen war die Existenz einer besonderen jüdischen institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung, des Bundes. Wir kritisieren den Bund als eine sozialdemokratische Partei, die auf der einen Seite einen bürgerlich-bürokratischen Apparat und auf der anderen Seite eine proletarische Basis hervorbrachte, also die Klassenspaltung in den eigenen Reihen reproduzierte. Wir erkennen aber an, dass der Bund einen militanten Kampf gegen alle reaktionären Judenhasser führte: gegen den russischen Zarismus, gegen polnische Chauvinisten und gegen den deutschen Faschismus. Der Bund wurde jedoch auch immer jüdisch-nationaler im Verlauf seiner Entwicklung, was wir aus einer antinationalen Haltung heraus klar kritisieren. Auch muss beachtet werden dass auch jüdische Intellektuelle und ProletarierInnen Russlands und Polens außerhalb des Bundes in der russischen und polnischen ArbeiterInnenbewegung wirkten. Es ist bemerkenswert, dass die bekanntesten osteuropäisch-jüdischen Intellektuellen der internationalen institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung, Rosa Luxemburg und Leo Trotzki, nicht Teil des Bundes waren. Das lehnten beide auf Grund ihres „proletarischen Internationalismus“ ab. Beide versuchten sich in die jeweiligen institutionalisierten ArbeiterInnenbewegungen zu assimilieren. Aber beide blieben wegen ihrer Radikalität Außenseiter dieser institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung – und beide waren auch unfähig diese wirklich zu verlassen wie die rätekommunistischen ArbeiterInnen und Intellektuellen. So blieben Luxemburg und Trotzki der kleinbürgerlich-radikale Rand der institutionalisierten Arbeiterinnenbewegung, eines Apparates, der schließlich auch sie ausspuckte und blutig zermalmte.
Der „proletarische Internationalismus“ der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung, welcher natürlich von heutigen SozialrevolutionärInnen scharf dafür kritisiert werden muss, dass er nicht konsequent antinational war, wurde wegen ihrer Nichtintegration in die osteuropäischen Nationen besonders von osteuropäischen jüdischen ArbeiterInnen und Intellektuellen getragen. Bei diesen war der „proletarische Internationalismus“ eine relativ progressive sozialpsychologische Verarbeitung ihrer Nichtassimilation. Bürgerliche NationalistInnen projizierten ihren Hass auf die „vaterlandslosen Gesellen“ zunehmend auf das ganze Judentum. Auch Hitler gehörte zu ihnen. In seiner ersten „großen“ Rede vom 13. August 1920 teilte Hitler seinen ZuhörerInnen mit, dass er ein Judenfeind sei, weil „die Juden international sind, die Gleichheit aller Völker und die internationale Solidarität predigen, (und) es ihr Ziel ist, die Rassen zu entnationalisieren“ (siehe: E. Jäckel, Hitler als Ideologe, Calmann Levy 1973). Damit projizierte Hitler seinen Hass auf die jüdischen InternationalistInnen auf das gesamte Judentum, also auch auf Menschen, die sich in die jeweiligen bürgerlichen Nationalstaaten assimiliert hatten und sich auch in den jeweils herrschenden Nationalismus integriert hatten oder einem jüdischen Nationalismus (Zionismus) frönten. Der kapitalistisch-industrielle Massenmord an den europäischen Jüdinnen und Juden richtete sich auch gegen den proletarischen Internationalismus. Durch die Staatswerdung des Zionismus und dessen Dominanz im Judentum geriet auch die progressive Tradition jüdischer InternationalistInnen in Vergessenheit. Wir verteidigen kritisch das progressive Erbe der jüdischen InternationalistInnen gegen Antijudaismus und Zionismus.
Nein, die Nazis haben die Ideologie vom „jüdischen Bolschewismus nicht erfunden. Die Führung der deutschen Sozialdemokratie ließ am 15. Januar 1919 Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg durch die Freikorps ermorden. Als ideologische Vorbereitung dieses Mordes veröffentlichte die sozialdemokratische Zeitung Vorwärts am 12. Januar 1919 ein antikommunistisches, rassistisches und antijüdisches Gedicht, in dem die Ideologie vom „jüdischen Bolschewismus“ hochgekocht wurde, indem die beiden bolschewistischen Funktionäre Trotzki und Radek bei ihren kaum bekannten jüdischen Namen benannt wurden: „Ich sah der Massen mörderischer Streife,/ sie folgten Karl, dem blinden Hödur nach,/ sie tanzten nach des Rattenfängers Pfeife,/ die ihnen heuchlerisch die Welt versprach./ Sie knieten hin vor blutigen Idolen,/ bauchrutschend vor der Menschheit Spott und Hohn,/ vor Russlands Asiaten und Mongolen,/ vor Braunstein (Trotzki), Luxemburg und Sobelsohn (Radek)./ O, kehret um ihr aufgehetzten Horden!/ Ihr ruft nach Freiheit, nur um sie zu morden.“ (Vorwärts Nr. 34, 12.1.1919.) Die deutsche Sozialdemokratie als Wegbereiterin des faschistischen Antijudaismus!
Viele jüdische RevolutionärInnen fielen der kapitalistischen Konterrevolution und dem deutschen Faschismus als deren ultrafanatischen Höhepunkt zum Opfer. Ihnen haben wir unsere Broschüre gewidmet. Ihr Kampf gegen Kapitalismus, Antijudaismus und Zionismus ist auch unser Kampf. Nieder mit dem Bündnis aus deutscher Bourgeoisie und dem zionistischen Regime Israels! Hoch, die antinationale Solidarität!

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Privatisierung und Vernichtung des ostdeutschen Kapitals https://swiderstand.blackblogs.org/2013/06/15/privatisierung-und-vernichtung-des-ostdeutschen-kapitals/ https://swiderstand.blackblogs.org/2013/06/15/privatisierung-und-vernichtung-des-ostdeutschen-kapitals/#respond Sat, 15 Jun 2013 21:20:29 +0000 http://swiderstand.blogsport.de/?p=62 Wir veröffentlichen hier einen Auszug aus der Broschüre „Schriften zum Klassenkampf II“ über die Privatisierung in der DDR. Die Broschüre könnt Ihr hier für 5-€ (inkl. Porto) über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de bestellen.

Treuehand in der DDR

Die am 1. März 1990 gegründete Treuhandanstalt sollte zunächst die Kombinate in Kapitalgesellschaften umwandeln, die aber nach kruder kleinbürgerlicher Ideologie in „Volkseigentum“ bleiben sollten. Westliches Kapital sollte nach diesen Vorstellungen nur Minderheitenanteile erwerben dürfen, um „Ausverkauf“ zu verhindern. Denn damals wurde die DDR-Politik noch von MarktsozialistInnen (SED/PDS) und der kleinbürgerlichen DDR-Opposition bestimmt. Diese Politik war grundsätzlich proprivatkapitalistisch – allerdings durchmischt mit kleinbürgerlich-moralistischer Bedenklichkeit.
Das damalige Treuhandgesetz war also ein klassischer Ausdruck der linksdemokratischen Ideologieproduktion in Ostdeutschland während der Wende. Als dann durch die „freien Wahlen“ vom 18. März 1990 die kleinbürgerlichen DemokratInnen durch die ostdeutschen Ebenbilder der großbürgerlichen Parteien ersetzt und schließlich am 3. Oktober die DDR an die BRD angeschlossen wurde, stand der Übernahme und Privatisierung der ostdeutschen Wirtschaft im Interesse des westdeutschen Kapitals nichts mehr im Wege. Das Treuhandgesetz vom 17. Juni 1990 diente genau diesem Ziel. Die Treuhandanstalt wurde zum verlässlichen Instrument der Privatisierung und Plattmachung der ostdeutschen Wirtschaft. So wurden 85 Prozent des Produktivvermögens an westdeutsches oder an ausländisches Kapital verkauft. Wir sind keine kleinbürgerlichen ostdeutschen RegionalistInnen. Auch eine Privatisierung, welche stärker eine „ostdeutsche“ Kapitalbildung gefördert hätte, wäre aus antikapitalistischer Sicht natürlich genau so zu kritisieren gewesen wie die vorwiegende reale Übernahme der ostdeutschen Wirtschaft durch westdeutsches Kapital.
Für das westdeutsche Kapital war die Privatisierung und Vernichtung des ostdeutschen Kapitals ein Riesengeschäft. So konnte auch die Überanhäufungssituation von Kapital, indem sich der bundesdeutsche Kapitalismus seit 1974 befand (siehe dazu das Kapitel Der polnische Staatskapitalismus in der Geschichte der globalen Kapitalvermehrung im Text Klassenkämpfe im staatskapitalistischen Polen), stark abgemildert werden. Die westdeutsche Kapitalvermehrung befand sich nach dem Anschluss der DDR in einer zweijährigen Sonderkonjunktur. Die Profitmasse erhöhte sich gewaltig durch das Erschließen des neuen ostdeutschen Absatzmarktes und durch den billigen Kauf ostdeutscher Betriebe. Letzteres wirkte sich auch positiv auf das Wertverhältnis des produktiven Kapitals in Ostdeutschland –dem Verhältnis zwischen Produktionsmittelkosten und Lohnkosten – aus, was ebenfalls die Profitrate des westdeutschen Kapitals, das jetzt im Besitz des größten Teiles der ostdeutschen Wirtschaft war, steigen ließ. Die niedrigeren Löhne in Ostdeutschland wirkten sich ebenfalls positiv auf Mehrwert- und Profitraten des westdeutschen Kapitals aus.
Werner Biermann und Arno Klönne schrieben über die Sonderkonjunktur des westdeutschen Kapitals durch den DDR-Anschluss auf Kosten des gesamtdeutschen Proletariats: „Vor diesem Hintergrund wird verständlich, dass die Gewinne westdeutscher Unternehmen sich nach dem Anschluss durchschnittlich verdoppelten, und zwar von insgesamt 345 Milliarden DM jährlich zwischen 1980 und 1989 auf 653 Milliarden für 1995. Nun war die Bundesregierung gefordert, durch entsprechende Gesetzte dafür zu sorgen, dass der Großteil dieser Gewinne auch bei den Unternehmen verblieb. Das Standortsicherungsgesetz von 1994 senkte den Einkommenssteuersatz von 53 auf 44 %. Unter Berücksichtigung weiterer steuerlicher Vergünstigungen liegt der effektive Steuersatz bei ungefähr 15% und damit weitaus niedriger als in den USA oder Frankreich.
Andererseits wurden die Transferleistungen durch höhere Belastungen für die lohn- und gehaltsabhängige Bevölkerung im Westen (Steuern und Abgaben) und Kappung sozialer Leistungen erwirtschaftet: Steuererhöhungen auf Benzin und Tabak, Anhebung des Mehrwertsteuersatzes und Einführung des Solidaritätszuschlages, der eine Steigerung der Steuerlast auf Lohn- und Gehaltseinkommen in Höhe von 7,5 Prozent bedeutete. Es bildete sich aus der deutschen Vereinigung eine günstige Konstellation heraus, um langgehegte Pläne des westdeutschen Kapitals umzusetzen, nämlich die sozialen Leistungen strukturell zu mindern, die Finanzierung staatlicher Aufgaben verstärkt der lohnabhängigen Bevölkerung aufzubürden und gleichzeitig die Politik der Umverteilung von unten nach oben durch Senkung der Besteuerung von Unternehmen und hoher Einkommen zu forcieren.
Seit der Einverleibung der DDR hat sich vor dem Hintergrund grassierender Arbeitslosigkeit in Ost- und Westdeutschland das Machtverhältnis massiv zugunsten der Unternehmerseite verschoben. Das besonders betroffene Anschlussgebiet Ost wurde zum Exerzierfeld neuer Gestaltungsformen: 1993 rückten Firmen wie Jenoptik AG und IBM von der drei Jahre zuvor beschlossenen Vereinbarung ab, die Ost-Löhne dem westdeutschen Standard gleitend anzupassen. Beide Unternehmen waren auch Vorreiter bei der Aufkündigung von Tarifverträgen. Generell gilt: Das Kapital nutzte die Strukturprobleme im Osten, um soziale Errungenschaften auch im Westen auszuhebeln.“ (Werner Biermann/Arno Klönne, Ein Spiel ohne Grenzen. Wirtschaft, Politik und Weltmachtambitionen in Deutschland 1871 bis heute, PapyRossa Verlag, Köln 2009, S. 211/212.)

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Eine strukturelle Überanhäufungssituation von Kapital, in der sich die BRD seit 1974 befindet, ist zugleich eine Unteranhäufung von Kapital: Es ist zu viel kleines und nicht wirklich überlebensfähiges Kapital angehäuft. Durch den Konkurrenzkampf wird massenhaft kleines und/oder nicht überlebensfähiges Einzelkapital durch großes und ökonomisch potenteres Kapital geschluckt. Einzelkapital wird vernichtet und die Konzentration und Zentralisation des gesellschaftlichen Gesamtkapitals erhöht sich und ein höher konzentriertes und zentralisiertes Gesamtkapital erzielt eine höhere Profitmasse. Das geschah in der BRD nach dem DDR-Anschluss. Westdeutsche Kapitale konnten sich in Ostdeutschland billig Großbetriebe dazukaufen. Zum Beispiel Siemens. Der Elektronikkonzern kaufte von der Treuhand 16 ehemalige DDR-Betriebe zum Schnäppchenpreis von insgesamt 250 Millionen D-Mark.
Doch eine strukturelle Überanhäufungssituation ist nicht nur durch ein Zuviel an zu kleinem und nicht überlebensfähigen Kapital gekennzeichnet, sondern es existiert auch zu viel Warenkapital, dass nicht oder nur sehr schwer auf den verschiedenen Märkten durch Verkauf der Waren in Geldkapital umzuwandeln ist. Dieses Zuviel an Warenkapital – sowohl zu viel produzierte Produktionsmittel als auch zu viele Konsumgüter – heißt immer auch zu viel produktives Kapital, zu viele Betriebe und zu viele LohnarbeiterInnen, die zu viel unverkäufliches Zeug produzieren. Diese Situation lässt sich im Rahmen des Kapitalismus nur durch physische Vernichtung von Waren- und produktiven Kapital lösen. Waren werden vernichtet, Betriebe stillgelegt und LohnarbeiterInnen massenhaft entlassen. Auch dies geschah in Ostdeutschland nach dem Anschluss durch die BRD. Seit dem 1. Juli 1990 galt in der DDR die D-Mark. Das viel unproduktivere DDR-Kapital war von heute auf morgen der bundesdeutschen Konkurrenz ausgesetzt worden, der es massenhaft unterlag. Dazu kam, dass DDR-Produkte durch die Verklärung des bundesdeutschen Kapitalismus und seiner Erzeugnisse so gut wie gar nicht mehr gefragt waren. So waren ein Jahr nach der Vernichtung der DDR das ostdeutsche Bruttoinlandsprodukt um 40 Prozent gesunken, die Industrieproduktion um 70% und die Beschäftigtenanzahl um 40% zurückgegangen. Ostdeutsches Kapital wurde massenhaft im Interesse der westdeutschen Bourgeoisie vernichtet, damit sich für sie die Verwertungsbedingungen ihres Kapitals verbesserten.
Über die Treuhand kauften bundesdeutsche Konzerne auch ostdeutsche Betriebe der gleichen Branche auf, um die Produktion gezielt herunterzufahren, um den Markt unter ihrer Kontrolle von zu viel Waren- und produktivem Kapital zu reinigen. Zum Beispiel Krupp. „Das Kaltwalzwerk Oranienburg gehörte seinerzeit zu den neuesten und modernsten in Europa überhaupt. Für rund 40 Millionen Euro hatte Krupp 1990 das Werk erworben und Millionen an Fördermitteln für die Sicherung von 600 Arbeitsplätzen kassiert. Was den Konzern nicht daran gehindert hatte, die Zahl der Mitarbeiter dennoch auf 270 und die Produktion kräftig herunter zu fahren. Bis die Grenze der Wirtschaftlichkeit erreicht wurde. Die Anlagen wurden nach der Schließung –wie verlautete – demontiert und an China verkauft. Das Gelände ging an einen Handelskonzern. (…) Erst viele Jahre später, 1996, hatte Krupp sieben Millionen Mark an Investitionsförderung an das Land Brandenburg zurückgezahlt. Erst nach einer langen Auseinandersetzung ließ sich der Konzern auf diesen Vergleich ein.“ (Klaus Huhn, Raubzug Ost. Wie die Treuhand die DDR plünderte, edition Ost, Berlin 2009, S. 155.)
Doch durch den Anschluss der DDR durch die BRD konnte die Überanhäufungssituation von Kapital in Deutschland lediglich abgemildert, aber nicht aufgelöst werden.

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